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German Pages 1345 [1348] Year 2013
Großkommentare der Praxis
I
II
UWG
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Großkommentar 2., neu bearbeitete Auflage begründet von Rainer Jacobs, Walter F. Lindacher, Otto Teplitzky herausgegeben von Otto Teplitzky, Karl-Nikolaus Peifer, Matthias Leistner Erster Band Einleitung; §§ 1–3 Bearbeiter: Einleitung Abschnitt A, F, G: Wolfgang Schünemann Einleitung Abschnitt B, Anh zu § 3 Abs. 3 Nr. 25–30: Louis Pahlow Einleitung Abschnitt C: Christian Heinze Einleitung Abschnitt D: Nadine Klass Einleitung Abschnitt E: Axel Halfmeier § 1 (außer Abschnitt C.III.), § 2 Abs. 1 Nr. 1–6, § 3 Abs. 1: Alexander Peukert § 1 Abschnitt C.III., § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2, § 3 Abs. 2: Jörg Fritzsche § 3 Abs. 3, Anh zu § 3 Abs. 3 Nr. 11: Karl-Nikolaus Peifer Anh zu § 3 Abs. 3 Nr. 1–10, 12–15, 18–19, 21–24: Walter F. Lindacher Anh zu § 3 Abs. 3 Nr. 16–17, 20: Eva Inès Obergfell
III
Stand der Bearbeitung: Oktober 2013 (Abweichende Bearbeitungsstände sind in der jeweiligen Einzelkommentierung angegeben.) Zitiervorschlag: z.B.: GK-UWG/Bearbeiter Einl. B Rn. 1 GK-UWG/Bearbeiter § 3 (E) Anh. Nr. 1 Rn. 1 GK-UWG/Bearbeiter § 4 Nr. 1 Rn. 1
ISBN 978-3-11-027823-1 e-ISBN 978-3-11-027926-9
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Datenkonvertierung und Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort
Vorwort Vorwort Vorwort
Als die Vorauflage dieses Werks im Jahre 1991 mit ihren ersten – bei Großkommentaren nicht unüblichen – Einzellieferungen erschien, gab es zum UWG einen einzigen aktuellen Kommentar, und auch die Zahl der monographischen oder handbuchartigen Bearbeitungen des Rechtsgebiets war noch sehr überschaubar. Ziel des neuen Werks war es daher in erster Linie, eine bestehende Lücke zu schließen und erstmalig eine Kommentierung des UWG zu schaffen, die dank dem vorgesehenen Umfang und ihrer Verteilung auf mehrere Autoren eine zugleich breitere und vertiefende Bearbeitung des Stoffes ermöglichen sollte. Die umfangreiche Resonanz auf die Neukommentierungen in der Rechtsprechung – vor allem des BGH – und in der nachfolgenden, nun rasch an Umfang zunehmenden Literatur hat hinreichend verdeutlicht, dass die erschienenen Teile des Werks dieser Zielsetzung auch entsprochen haben. Jedoch führten Verzögerungen bei der späteren Lieferung – ein bei Werken mit zahlreichen Autoren leider nur in Glücksfällen vermeidbares Phänomen, das in diesem Falle aber auch durch die mehrfachen UWG-und Markenrechtsreformen im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts befördert wurde – dazu, dass die Kommentierung zunehmend in den Schatten der erkennbar näher rückenden (und 2004 dann tatsächlich vollzogenen) Abschaffung des Gesetzes geriet, das kommentiert werden sollte. Dies führte nicht nur zu verständlicher Unlust der Kommentierenden, sondern schließlich auch dazu, dass einzelne Teile der Kommentierung aus dem Bereich des § 1 a.F. nicht mehr vollendet wurden. Die nun abgeschlossene und in einer auf drei Bände erweiterten Form vorliegende zweite Auflage unterscheidet sich von ihrer Vorauflage zwar nicht im Anspruch, die in Betracht kommende Materie ausführlich, umfassend und gründlich zu kommentieren und die dargelegten Meinungen besonders ausführlich zu belegen, jedoch ansonsten sehr grundlegend und in einer bei Neuauflagen eher unüblichen Weise. Ihr Gegenstand ist ein anderes Gesetz, nämlich das 2004 an die Stelle des UWG a.F. getretene neue und seither in Umsetzung von EU-Richtlinien auch schon wieder mehrfach geänderte UWG, so dass sie schon aus diesem Grunde Neukommentierungen in einem Umfang enthält, der über das in Neuauflagen übliche Maß weit hinausgeht. Verändert hat sich aber auch das Marktumfeld und dementsprechend die Zielsetzung des Werks, da das früher so dünn besäte Feld der UWG-Kommentierungen mittlerweile deutlich überbestellt ist und es deshalb wenig sinnvoll erschien, der bereits bestehenden Vielzahl von vornehmlich für die tägliche Praxis bestimmten Kommentierungen eine weitere mit gleicher Zielsetzung zur Seite zu stellen. Daher soll das Werk diesmal in erster Linie der wissenschaftlichen Aufarbeitung und Vertiefung der erläuterten Materie dienen und dem Praktiker weniger im Alltagsgeschäft, sondern in wirklichen Problemfällen nützen, in denen es dieser Vertiefung und des besonders umfangreich vorhandenen Belegmaterials bedarf. Dementsprechend sind die Autoren der materiell-rechtlichen Kommentierungsteile durchweg Vertreter der Wissenschaft, während Praktiker – Richter und Rechtsanwälte – nur diejenigen Teile bearbeiten, die als Prozessrecht die Domäne der Praxis sind und – ungeachtet der unbestreitbaren, aber doch begrenzten praktischen Auswirkungen der Prozessrechtstheorie – wohl letztlich auch bleiben werden. Nicht auf der geänderten Zielsetzung, sondern auf anderen Gründen (Lebensalter, Gesundheitszustand, anderweitige Inanspruchnahme u.ä.) beruht es, dass nur noch zwei der 16 Autoren der ersten Auflage und von den ursprünglichen drei Herausgebern nur noch einer in der früheren Funktion an der Neuauflage mitgewirkt haben und diese daher weitgehend von neuen Autoren und Herausgebern bearbeitet worden ist. V
Vorwort
Der Kommentar hat den Anspruch, das UWG aus wissenschaftlicher Sicht mit Blick auf die Praxis zu systematisieren und unter Berücksichtigung europarechtlicher, rechtsvergleichender und interdisziplinärer Erkenntnisse das Ziel einer europäischen Rechtsvereinheitlichung zu fördern. Er verfolgt zudem den Anspruch, die bisher erschienenen Kommentierungen zu überprüfen, kritisch zu bewerten und das Wettbewerbsrecht anhand dieser kritischen Begleitung auch, wo nötig, auf neue Grundlagen zu stellen. Es bleibt eine zentrale Aufgabe der Wissenschaft, Grundlinien eines europäischen, vielleicht auch globalen Fairnessrechts zu entwickeln. Der Kommentar konzentriert sich auf den Kerntext des deutschen UWG. Bewusst ausgespart wurde eine Kommentierung der wettbewerbsrechtlichen Nebengesetze. Herausgebern und Autoren geht es um die Standortbestimmung des Kerntextes fünf Jahre nach Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und neun Jahre nach der UWG-Modernisierung. Die Kommentierung wurde unter den Autoren so aufgeteilt, dass die großen Zusammenhänge – Irreführung, Tarnung, Belästigung, aggressive Praktiken, Leistungsschutz – jeweils aus einer Hand erläutert werden. Das hat zum Teil dazu geführt, dass die Autoren umfangreiche Lasten zu tragen hatten. Die Herausgeber sind besonders dankbar für die Disziplin und die Bereitschaft aller Beteiligten, dies zu übernehmen. Die Herausgeber danken dem Verlag Walter de Gruyter, der sich auf das Wagnis einer Neuauflage eingelassen hat, ohne die Freiheiten von Herausgebern und Autoren einzuschränken. Ein besonderer Dank gebührt Dr. Michael Schremmer, der das Projekt durch Beharrlichkeit und Überzeugungskraft gegenüber den Herausgebern angestoßen und bis zu seinem Ausscheiden aus dem Verlag tatkräftig begleitet hat. Der weitere Dank gebührt den im Verlag Verantwortlichen, namentlich Friederike Buhl, LL.M., Birte Treder, Eike Böttcher, Dominique Tank und Katja Brockmann. Sie haben mit vielen Handreichungen und hohem Engagement mit dafür gesorgt, dass das Werk in der hier vorliegenden Form erscheinen konnte. Köln und Bonn, im Oktober 2013
Prof. Dr. Otto Teplitzky Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer Prof. Dr. Matthias Leistner, LL.M. (Cantab.)
VI
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ______ XV Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur ______ XXVII Einleitung ______ 1 A. Wettbewerb und Wirtschaftsordnung ______ 1 Schrifttum ______ 1 Systematische Übersicht ______ 5 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 6 I. Begriff des Wettbewerbsrechtes ______ 7 II. Wettbewerb im Schnittfeld von Ökonomik und Recht ______ 10 III. Wettbewerbsfunktionales Verständnis und Ethik des Wettbewerbs ______ 40 IV. Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsverfassung ______ 44 B. Geschichtliche Entwicklung. Rechtsquellen ______ 82 Schrifttum ______ 82 Gesetzgebungsmaterialien ______ 84 Systematische Übersicht ______ 86 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 86 I. Der Interventionsstaat des 19. Jahrhunderts ______ 86 II. Gewerbefreiheit und Zeichenschutz (1869–1896) ______ 88 III. Das UWG von 1896 ______ 91 IV. Das UWG von 1909 und seine Nebengesetze ______ 93 V. Das Lauterkeitsrecht in der Rechtsprechung des Reichsgerichts (1909–1945) ______ 97 VI. Die Entwicklung des Lauterkeitsrechts in Deutschland nach 1945 ______ 100 VII. Europäische Entwicklungen ______ 104 VIII. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 ______ 105 C. Europäisches Wettbewerbsrecht ______ 106 Schrifttum ______ 106 Gesetzgebungsmaterialien ______ 116 Übersicht ______ 116 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 119 I. Allgemeine Lehren des Unionsrechts ______ 123 II. Das Lauterkeitsrecht als Teil der europäischen Wirtschaftsordnung ______ 144 III. Lauterkeitsrecht und Grundfreiheiten ______ 166 IV. Lauterkeitsrecht und Grundrechte ______ 227 V. Lauterkeitsrecht und Rechtsangleichung ______ 247 D. Internationales Wettbewerbsrecht ______ 330 Schrifttumsverzeichnis ______ 330 Gesetzgebungsmaterialien ______ 339 Systematische Übersicht ______ 339 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 342 I. Das Internationale Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs: Einführung ______ 344 II. Rechtsquellen des Internationalen Wettbewerbsprivatrechts ______ 364 III. Die Bestimmung des Wettbewerbsstatuts nach der Rom II-VO ______ 432 VII
Inhaltsverzeichnis
Internationales Wettbewerbsverfahrensrecht ______ 467 Schrifttum ______ 467 Übersicht ______ 468 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 470 I. Gegenstand und Grundprinzip ______ 475 II. Rechtsquellen ______ 479 III. Zugang zum Recht ______ 488 IV. Außergerichtliche Streitbeilegung ______ 492 V. Parteifähigkeit ______ 494 VI. Prozessfähigkeit und gesetzliche Vertretung ______ 497 VII. Prozessführungsbefugnis ______ 499 VIII. Postulationsfähigkeit ______ 505 IX. Gerichtsbarkeit und Immunität ______ 506 X. Rechtsweg ______ 511 XI. Internationale Zuständigkeit nach EuGVO ______ 511 XII. Internationale Zuständigkeit nach LugÜ ______ 541 XIII. Autonomes deutsches Recht der internationale Zuständigkeit ______ 541 XIV. Örtliche Zuständigkeit ______ 547 XV. Vortrag zur Zuständigkeit und doppelrelevante Tatsachen ______ 547 XVI. Lis pendens ______ 547 XVII. Antisuit injunctions ______ 550 XVIII. Zustellungen ______ 551 XIX. Beweisaufnahme ______ 553 XX. Gerichtssprache ______ 556 XXI. Einstweiliger Rechtsschutz ______ 557 XXII. Vollstreckungsverfahren ______ 560 XXIII. Kostenrisiken ______ 564 F. Wettbewerb der öffentlichen Hand ______ 565 Schrifttum ______ 565 Übersicht ______ 566 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 567 I. Erscheinungs-, Organisations- und Handlungsformen der wirtschaftenden öffentlichen Hand ______ 567 II. Grundsätzliche Problematik ______ 572 III. Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand als „geschäftliche Handlung“ ______ 577 IV. Lauterkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand ______ 582 G. Einordnung des Wettbewerbsrechts in das Rechtssystem ______ 590 Schrifttum ______ 590 Übersicht ______ 592 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 593 I. Verhältnis zum europäischen Recht ______ 594 II. Verhältnis zu lauterkeitsrechtlichen Sonder- und Nebengesetzen ______ 597 III. Verhältnis zum Recht der Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellrecht, GWB) ______ 599 IV. Verhältnis zum Gewerblichen Rechtsschutz (mit Urheberrecht) ______ 609 V. Verhältnis zum bürgerlichen Recht ______ 618 VI. Verhältnis zum Gleichbehandlungsrecht (AGG) ______ 637 VII. Verhältnis zum Handelsrecht ______ 637 VIII. Verhältnis zum Verwaltungsrecht ______ 638 E.
VIII
Inhaltsverzeichnis
§ 1 Zweck des Gesetzes ______ 640 Schrifttum ______ 640 Gesetzgebungsmaterialien ______ 645 Übersicht ______ 645 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 648 A. Einführung ______ 649 I. Entstehungsgeschichte ______ 649 II. Zweck und praktische Relevanz des § 1 ______ 653 III. Anwendungsbereich des § 1 ______ 655 B. Der Schutzzweck des UWG ______ 657 I. Individueller Rechtsgüterschutz ______ 657 II. Schutzzwecktrias und Mehrzahl der Schutzzwecke ______ 660 III. „Sozialrechtliches“ Verständnis und Schutz allgemeiner Interessen durch das UWG ______ 664 IV. Dualismus der Lauterkeitsrechtsordnungen ______ 672 V. Der Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung und Abweichungen hiervon ______ 674 VI. Zusammenfassung: Einheit und Vielfalt des Lauterkeitsrechts ______ 699 C. Die vom UWG geschützten Interessen der Marktteilnehmer und der Allgemeinheit ______ 701 I. Relevanz und Methodik der Interessenanalyse ______ 701 II. Interessen der Mitbewerber ______ 702 III. Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher ______ 706 IV. Interessen der sonstigen Marktteilnehmer ______ 740 V. Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb ______ 743 VI. Ausnahmsweiser Schutz nicht wettbewerbsbezogener Interessen ______ 745 VII. Verhältnis der geschützten Interessen zueinander ______ 747 § 2 Definitionen ______ 749 Schrifttum ______ 750 Gesetzgebungsmaterialien ______ 756 Übersicht ______ 757 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 761 A. Einführung ______ 766 I. Entstehungsgeschichte des Definitionskatalogs ______ 766 II. Bedeutung und Kritik des Definitionskatalogs ______ 767 B. Die Definitionen im Einzelnen ______ 770 I. Geschäftliche Handlung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 ______ 770 II. Marktteilnehmer, § 2 Abs. 1 Nr. 2 ______ 842 III. Mitbewerber, § 2 Abs. 1 Nr. 3 ______ 847 IV. Nachricht, § 2 Abs. 1 Nr. 4 ______ 880 V. Verhaltenskodex, § 2 Abs. 1 Nr. 5 ______ 885 VI. Unternehmer, § 2 Abs. 1 Nr. 6 ______ 896 VII. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG ______ 914 C. Verbraucherbegriff, § 2 Abs. 2 ______ 945 I. Einführung ______ 945 IX
Inhaltsverzeichnis
II. III.
Elemente des Tatbestands (§ 13 BGB i.V.m. § 2 Abs. 2 UWG) ______ 949 Verbraucherleitbild (§ 3 Abs. 2 S. 2 und 3 UWG) ______ 961
§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen ______ 980 Schrifttum ______ 981 Gesetzgebungsmaterialien ______ 987 Übersicht ______ 988 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 993 A. Grundlagen zu § 3 ______ 996 I. Grundansatz und Aufbau der Kommentierung ______ 996 II. Entstehungsgeschichte des § 3 ______ 1000 III. § 3 und die dogmatischen Grundlagen des Lauterkeitsrechts ______ 1005 IV. Systematik des UWG und des § 3 UWG ______ 1012 V. Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 1 zu den Absätzen 3 und 2 ______ 1025 B. Sonstige unlautere geschäftliche Handlungen, § 3 Abs. 1 ______ 1046 I. § 3 Abs. 1 als zweifach subsidiärer Auffangtatbestand ______ 1046 II. Begriff der Unlauterkeit ______ 1048 III. Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer ______ 1086 IV. Fallgruppen des § 3 Abs. 1 UWG ______ 1100 V. Rechtsfolgen ______ 1132 C. Der Tatbestand des § 3 Abs. 2 ______ 1133 I. Einführung ______ 1133 II. Elemente des Tatbestands ______ 1142 III. Für die Beurteilung maßgeblicher Verbraucherkreis (Satz 2 und 3) ______ 1157 D. Der Tatbestand des § 3 Abs. 3 ______ 1169 Schrifttum ______ 1169 I. Inhalt, Herkunft und Bedeutung ______ 1169 II. Entwicklung und Regelungsstandort ______ 1171 III. Funktion und Bewertung ______ 1172 IV. Einzelheiten ______ 1174 E. Anhang zu § 3 Abs. 3 („Schwarze Liste“) ______ 1179 Anh. Nr. 1 ______ 1179 Schrifttum ______ 1179 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1179 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1179 III. Voraussetzungen ______ 1180 IV. Beweislast ______ 1181 Anh. Nr. 2 ______ 1182 Schrifttum ______ 1182 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1182 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1182 III. Voraussetzungen ______ 1183 IV. Beweislast ______ 1186 Anh. Nr. 3 ______ 1187 Schrifttum ______ 1187 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1187 X
Inhaltsverzeichnis
II. Normzweck und Systemfragen ______ 1187 III. Voraussetzungen ______ 1188 IV. Beweislast ______ 1189 Anh. Nr. 4 ______ 1190 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1190 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1190 III. Voraussetzungen ______ 1191 IV. Beweislast ______ 1193 Anh. Nr. 5 ______ 1194 Schrifttum ______ 1194 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1194 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1194 III. Voraussetzungen ______ 1195 IV. Darlegungs- und Beweislast ______ 1202 Anh. Nr. 6 ______ 1204 Schrifttum ______ 1204 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1204 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1204 III. Voraussetzungen ______ 1205 IV. Beweislast ______ 1208 Anh. Nr. 7 ______ 1209 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1209 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1209 III. Voraussetzungen ______ 1210 IV. Beweislast ______ 1212 Anh. Nr. 8 ______ 1213 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1213 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1213 III. Voraussetzungen ______ 1214 IV. Internationaler Geltungsanspruch ______ 1215 V. Beweislast ______ 1215 Anh. Nr. 9 ______ 1216 Schrifttum ______ 1216 I. EU-rechtliche Einbettung ______ 1216 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1216 III. Voraussetzungen ______ 1216 IV. Beweislast ______ 1218 Anh. Nr. 10 ______ 1219 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1219 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1219 III. Voraussetzungen ______ 1219 IV. Beweislast ______ 1220 Anh. Nr. 11 ______ 1221 Schrifttum ______ 1221 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1221 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1223 III. Voraussetzungen ______ 1226 Anh. Nr. 12 ______ 1233 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1233 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1233 XI
Inhaltsverzeichnis
III. Vorausssetzungen ______ 1233 IV. Beweislast ______ 1234 Anh. Nr. 13 ______ 1236 Schrifttum ______ 1236 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1236 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1236 III. Voraussetzungen ______ 1237 IV. Beweislast ______ 1238 Anh. Nr. 14 ______ 1239 Schrifttum ______ 1239 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1239 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1240 III. Voraussetzungen ______ 1241 IV. Normadressaten ______ 1242 V. Beweislast ______ 1242 Anh. Nr. 15 ______ 1243 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1243 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1243 III. Voraussetzungen ______ 1243 IV. Beweislast ______ 1245 Anh. Nr. 16 ______ 1246 Schrifttum ______ 1246 Übersicht ______ 1246 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 1246 I. Hintergrund der Regelung in Nummer 16 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 ______ 1247 II. Tatbestand der Behauptung erhöhter Gewinnchancen ______ 1249 III. Rechtsfolgen ______ 1252 Anh. Nr. 17 ______ 1253 Schrifttum ______ 1253 Übersicht ______ 1253 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 1254 I. Hintergrund der Regelung in Nr. 17 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 ______ 1254 II. Tatbestand der Gewinnbehauptung ______ 1258 III. Rechtsfolgen ______ 1262 Anh. Nr. 18 ______ 1263 Schrifttum ______ 1263 I. EU-rechtliche Einbettung ______ 1263 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1263 III. Voraussetzungen ______ 1264 IV. Beweislast ______ 1265 Anh. Nr. 19 ______ 1266 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1266 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1266 III. Voraussetzungen ______ 1266 IV. Beweislast ______ 1268 Anh. Nr. 20 ______ 1269 Schrifttum ______ 1269 Übersicht ______ 1269 Alphabetisches Stichwortverzeichnis ______ 1269 XII
Inhaltsverzeichnis
I.
Hintergrund der Regelung in Nr. 20 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 ______ 1270 II. Tatbestand des Angebots eines Wettbewerbs oder Preisausschreibens ohne tatsächlichen Gewinn ______ 1272 III. Rechtsfolgen ______ 1274 Anh. Nr. 21 ______ 1276 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1276 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1276 III. Voraussetzungen ______ 1277 IV. Beweislast ______ 1279 Anh. Nr. 22 ______ 1280 Schrifttum ______ 1280 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1280 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1280 III. Voraussetzungen ______ 1281 IV. Beweislast ______ 1282 Anh. Nr. 23 ______ 1283 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1283 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1283 III. Voraussetzungen ______ 1283 IV. Beweislast ______ 1285 Anh. Nr. 24 ______ 1286 I. Unionsrechtliche Einbettung ______ 1286 II. Normzweck und Systemfragen ______ 1286 III. Voraussetzungen ______ 1287 IV. Internationaler Geltungsanspruch ______ 1288 V. Beweislast ______ 1288 Anh. Nr. 25 ______ 1289 Schrifttum ______ 1289 Gesetzgebungsmaterialien ______ 1289 Übersicht ______ 1289 I. Normzweck und Konkurrenzen ______ 1289 II. Tatbestandsmerkmale ______ 1289 Anh. Nr. 26 ______ 1292 Schrifttum ______ 1292 Gesetzgebungsmaterialien ______ 1292 Übersicht ______ 1292 I. Allgemeines ______ 1292 II. Tatbestandsmerkmale ______ 1293 Anh. Nr. 27 ______ 1296 Schrifttum ______ 1296 Gesetzgebungsmaterialien ______ 1296 Übersicht ______ 1296 I. Normzweck und Konkurrenzen ______ 1296 II. Tatbestandsmerkmale ______ 1297 Anh. Nr. 28 ______ 1300 Schrifttum ______ 1300 Gesetzgebungsmaterialien ______ 1300 Übersicht ______ 1300 I. Normzweck und Konkurrenzen ______ 1300 XIII
Inhaltsverzeichnis
II. Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen ______ 1301 III. Tatbestandsmerkmale ______ 1301 Anh. Nr. 29 ______ 1307 Schrifttum ______ 1307 Gesetzgebungsmaterialien ______ 1307 Übersicht ______ 1307 I. Normzweck und Konkurrenzen ______ 1307 II. Tatbestandsmerkmale ______ 1308 Anh. Nr. 30 ______ 1311 Schrifttum ______ 1311 Gesetzgebungsmaterialien ______ 1311 Übersicht ______ 1311 I. Normzweck und Konkurrenzen ______ 1311 II. Tatbestandsmerkmale ______ 1312
XIV
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis Großkommentar UWG Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a.A./A.A. a.F. a.E. aaO Am. Econ. Rev. a.M. Abk. abl. ABl. (EG-ABl./ EU-ABl.) Abs. abw. AcP AEUV
AfP AG
AGB AGG AGS AktG Az. allg. allg.M. AMG Amtl.Anz. Amtl.Begr. Amtsbl. AnfG Anh. Anl. Anm. AO AöR AP App. ArchBürgR Ark. L. Rev. Art. AT Aufl. AV AVMD-RL
XV
anderer Ansicht alte Fassung am Ende am angegebenen Ort American Economic Review anderer Meinung Abkommen ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, konsolidierte Fassung aufgrund des am 1.12.2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon, EU-ABl. C 83/1 vom 30.3.2010 Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (vormals: Archiv für Presserecht) 1. Aktiengesellschaft 2. Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) 3. Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Anwaltsgebühren-Spezial Aktiengesetz Aktenzeichen allgemein allgemeine Meinung Arzneimittelgesetz Amtlicher Anzeiger Amtliche Begründung Amtsblatt Anfechtungsgesetz Anhang 1. Anlage 2. Anleitung Anmerkung 1. Abgabenordnung 2. Amtsordnung (Schleswig Holstein) Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Appendix Archiv für Bürgerliches Recht Arkansas Law Review Artikel Allgemeiner Teil Auflage Ausführungsverordnung Richtlinie 89/552/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste, EG-ABl. L 298/23 (i.d.F. der RL 2007/65/EG vom 11.12.2007, EU-ABl. L 332/27
Abkürzungsverzeichnis
AWG Az.
Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen
Baden-Württ. BAnz BAO BayObLG BayPrG BayZ BB BbgPG Bd. Bearb. BeckRS Begr. Beil. Bek. v. Bekl. ber. BerHG
BTDrucks. BVerfG BVerfGE BVerwG bzgl. bzw.
Baden-Württemberg Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung Bayerisches Oberlandesgericht Bayerisches Pressegesetz vom 19.4.2000 Bayerische Zeitung Betriebs-Berater Pressegesetz des Landes Brandenburg vom 13.5.1993 Band Bearbeitung Beck-Rechtsprechung Begründung Beilage Bekanntmachung vom Beklagter Berichtigt Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) Beschluss Besprechung betreffend Beurkundungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung, hrsg. von den Richtern des Bundesgerichtshofes Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundeskartellamt Blatt Bundesministeriums der Justiz Bundespatentgericht Entscheidungen des Bundespatentgerichts Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Bundessozialgericht Beispiel beispielsweise Bundessteuerblatt 1. Bundestag 2. Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht bezüglich beziehungsweise
c.i.c c.p.
culpa in contrahendo ceteris paribus
Beschl. Bespr. betr. BeurkG BGB BGBl BGH BGHR BGHSt BGHZ BKartA Bl. BMJ BPatG BPatGE BRAGO BRAK-Mitt BRAO BRDrucks. BSG Bsp. bspw. BStBl BT
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Abkürzungsverzeichnis
CD-ROM Cornell L. Rev. CR
Compact Disc – Read-Only Memory Cornell Law Review Computer und Recht
d.h. DatenschutzRL
das heißt Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, EG-ABl. L 281/31 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), EG-ABl. L 201/37 Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) derselbe dieselbe(n) Diplom Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Mark Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Drucksache Der Sachverständige Deutsches Strafecht Datenverarbeitung – Steuern – Wirtschaft – Recht (Zeitschrift) dito/gleichfalls/ebenso Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums, EU-ABl. L 157/45 Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht
DatenschutzRL-EK
DAV DB DBW ders. dies. Dipl. Diss. DJT DM DÖV DR DRiG DRiZ Drucks. DS DStR DSWR dto. DurchsetzungsRL DZWIR e.V. ebd. EBE/BGH E-CommerceRL
EDV EG EG-ABl. EGBGB EGMR EGStGB EGV
eingetragener Verein ebenda Eildienst Bundesgerichtliche Entscheidungen Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, EG-ABl. L 178/1 Elektronische Datenverarbeitung Europäische Gemeinschaft Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Konsolidierte Fassung aufgrund des Vertrags von Nizza, EG-ABl. C 325 vom 24.12.2002 Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach ehemalige Einführung Einheitlich
EGVP ehem. Einf. einh. EinigungsstellenVO/ EStVO Einigungsstellenverordnung Einl. Einleitung
XVII
Abkürzungsverzeichnis
EK-DatenschutzRL
EKMR EMRK endg. Entsch. EPÜ E-Register Erg. Erl. et al. etc. EU EU-Abl. EuBVO
EuG EuGFVO EuGH EuGHE EuGrCh EuGVO/EuGVVO
EuGVÜ
EuInsVO EuLF EuMVVO EuR EUV EuVTVO
EuZVO
EuZW EWiR EWR EWS exkl. f. FernabsatzRL
Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, EG-ABl. L 201/37 Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Konvention für Menschenrechte endgültig Entscheidung Europäisches Patentübereinkommen elektronisches Register Ergebnis Erläuterung et alii (und andere(n)) et cetera Europäische Union Amtsblatt der Europäischen Union Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, ABl. 2001 L 174/1 Europäisches Gericht Erster Instanz Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, ABl. 2007, L 199/1 Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europäische Grundrechtecharta Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen, ABl. 2001 L 12/1 Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II 774 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, ABl. 2000 L 160/1 European Law Forum Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. 2006 L 399/1 Europarecht Vertrag über die Europäische Union. Konsolidierte Fassung aufgrund des Vertrags von Amsterdam, EG-ABl. C 340 vom 10.11.1997 Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. 2004 L 143/15. Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates, ABl. 2007 L 324/79 Europäische Zeitung für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht exklusive folgende (Seite) Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, EG-ABl. L 144/19 (i.d.F. der RL 2007/64/EG vom 13.11.2007, EU-ABl. L 319/1)
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
FernsehRL 1989
FernsehRL 2007
ff. Fn. FPStatG FS G GA GATT GBl. GbR GebrMG gem. Geo L.J. GeschMG GewA GewO GewStG GG ggf. GK GKG GmbH GmbHG GmbHR GmS-OGB GoA GPR Grds; grds GRUR GRUR Int. GRUR-Prax GRUR-RR GrZS GS GSZ GVBl GVG GVOBl. GWB Halbbd. HandelsR Harv. L. Rev. HBÜ Hdb.
XIX
Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, EG-ABl. L 298 Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2007 zur Änderung der Richtlinie 1989/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, EU-ABl. L 332/27 folgende (Seiten) Fußnote Finanz- und Personalstatistikgesetz Festschrift Gesetz Goltdamnmer’s Archiv für Strafrecht General Agreement on Tariffs and Trade Gesetzblatt Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gebrauchsmustergesetz vom 28.8.1986 gemäß Georgetown Law Journal Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen vom 12.3.2004 Gewerbearchiv Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Großkommentar Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Geschäftsführung ohne Auftrag Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Grundsatz; grundsätzlich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Rechtsprechungsreport Großer Zivilsenat des RG oder des BGH Gedächtnisschrift Großer Senat für Zivilsachen Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Halbband Handelsrecht Harvard Law Review Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970 (Haager Beweisaufnahmeübereinkommen) Handbuch
Abkürzungsverzeichnis
Health-Claims-VO
HGB HGrG hL h.M. HPresseG HRR HRRS hrsg. v. Hrsg. Hs./Hs HTML http HWG HWiG HZPÜ HZÜ
i.d.F. i.d.R. i.e. i.E. i.e.S. i.S.d. i.S.v. i.V.m. i.w.S. ICANN ICC IHK IHKG IHKVO insbes. IPR IrreführungsRL
IrreführungsRL 1984
IrreführungsRL 1997
IrreführungsRL 2006 IT IZVR
Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, EUABl. L 12/3 vom 18.1.2007 (i.d.F. der VO vom 30.7.2009, EU-ABl. L 198/87) Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz herrschende Lehre herrschende Meinung Hessisches Pressegesetz vom 12.12.2003 Höchstrichterliche Rechtsprechung Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht herausgegeben von Herausgeber Halbsatz Hypertext Markup Language hypertext transfer protocol Heilmittelwerbegesetz Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Haager Übereinkommen über den Zivilprozess vom 1.3.1954 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 in der Fassung in der Regel id est (das heißt) im Ergebnis im engeren Sinne im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Internet Corporation for Assigned Names and Numbers Intergovernmental Copyright Committee Industrie- und Handelskammer Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern Verordnung über die Industrie- und Handelskammern der DDR insbesondere Internationales Privatrecht Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung), EU-ABl. L 376/ 21 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, EG-ABl. L 250/17 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, i.d.F. der Änderung durch die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.10.1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, EG-ABl. L 290/18 Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung), EU-ABl. L 376/21 Informations- und Telekommunikationstechnologie Internationales Zivilverfahrensrecht
XX
Abkürzungsverzeichnis
J. Competition L. & Econ JEP J.L. & Econ. J.L. Econ. & Org. JA JBl. JMBl. JMStV JNSt JR JurA JURA JuS JVEG JW JZ K&R Kap. Kart Kfm. Kfz KG KGaA KOM (2003) 356 endg.
KOM (2005) 646
KosmetikRL
krit. LFBG LG lit. LM LMG RheinlandPfalz LPrG M-V LS Ltd. LugÜ
LZ
XXI
Journal of competition Law and Economics Journal of Economic Perspectives Journal of Law & Economics Journal of Law, Economics & Organization Juristische Arbeitsblätter Justizblatt Justizministerialblatt Jugendmedienschutzstaatsvertrag Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Juristische Rundschau Juristische Analysen Juristische Ausbildung Juristische Schulung Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kommunikation und Recht Kapitel Kartellsenat Kaufmann Kraftfahrzeug 1. Kammergericht 2. Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien KOM (2003) 356 endgültig: Vorschlag für eine Richtline des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), SEC (2003) 724 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung über die Ausübung der Fernsehtätigkeit Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27.7.1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel, EG-ABl. L 262/169 (i.d.F. der RL 2000/129 und 130 vom 9./12.10.2009, EU-ABl. L 268/5) kritisch Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht littera Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, hrsg. v. Lindemaier, Möhring u.a. Landesmediengesetz Rheinland-Pfalz vom 4.2.2005 Landespressegesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 6.6.1993 1. Landessatzung 2. Leitsatz Private Company Limited by Shares Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano-Übereinkommen), ABl. 2009 L 147/5 Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
Abkürzungsverzeichnis
M. m. M&A MA m. Anm. MarkenG MarkenR MarkenrechtsRL
MarkenrechtsRL 1989
Meinung mit Mergers & Acquisitions Der Markenartikel mit Anmerkung Markengesetz Markenrecht Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung), EU-ABl. L 299/25
m.a.W. m. Bespr. MBl. MD MDR MdSt MediationsG MitbestG Mitt. MittdtschPatAnw MiZi MMR Mod. MuW m.w.N. m.W.v.
Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, EG-ABl. L 40/1 vom 11.2.1989 mit anderen Worten mit Besprechung Ministerialblatt Magazindienst des Verbandes Sozialer Wettbewerb Monatsschrift für Deutsches Recht Mediendienstestaatsvertrag Mediationsgesetz Mitbestimmungsgesetz Mitteilungen Mitteilungen der deutschen Patentanwälte Mitteilungen in Zivilsachen Multimedia und Recht (Tatbestands-)Modalität Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom
n.F. n.v. Nachw. NJ NJOZ NJW NJW-CoR NJWE-WettbR NJW-RR Nr. NRW NStZ NVwZ NVwZ-RR NZG
neue Fassung nicht veröffentlicht Nachweise Neue Justiz Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Computerreport NJW-Entscheidungsdienst Wettbewerbsrecht Neue Juristische Wochenschrift, Rechtssprechungsreport Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungssammlung der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
o. o.ä. OHG ÖJZ OLG OLGR ÖOGH Öst./öst. ÖUWG
oben oder ähnliches Offene Handelsgesellschaft Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht OLG-Report: Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Österreichischer Oberster Gerichtshof Österreich/österreichisch Österreichisches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
XXII
Abkürzungsverzeichnis
OVG OWiG ÖZW
Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
PAngV PatG PDF PKH PreisangabenRL
Verordnung zur Regelung der Preisangaben Patentgesetz portable document format (Dateiformat) Prozesskostenhilfe Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihm angebotenen Erzeugnisse, EG-ABl. L 80/27
ProduktsicherheitsRL ProdHaftG PrPG PublG PucheltsZ RabattG RabelsZ RBerG RDG Rdsch. RefE RegBegr RegE RegTP RfÄStV RfStV RG RGBl RGSt RGZ RiStBV RIW RL RL Vergleichende Werbung 1997 Rn. Rom I-VO
Rom II-VO
RpflG Rs. Rspr. RStV RVG Rz.
XXIII
Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.12.2001 über die allgemeine Produktsicherheit, EG-ABl. L 11/4 vom 15.1.2002 Produkthaftungsgesetz Gesetz zur Stärkung des Schutzes geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie Publizitätsgesetz Zeitschrift für französisches Zivilrecht Rabattgesetz Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rechtsberatungsgesetz Rechtsdienstleistungsgesetz Rundschau Referentenentwurf Regierungsbegründung Regierungsentwurf Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Rundfunkänderungsstaatsvertrag Rundfunkstaatsvertrag 1. Reichgericht 2. Reichsgesetz Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.10.1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, EG-ABl. L 290/18 Randnummer Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), ABl. 2008 L 177/6 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. 2007 L 199/40 Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Rundfunkstaatsvertrag Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Randziffer/Randzahl
Abkürzungsverzeichnis
S. s. s.a. SchwUWG sc. S.Ct. SE Slg. SMG sog. Sp. StabG StGB StPO Str. stRspr StV s.u. TabakwerbeRL
TB-Merkmale TDG Teilbd. teilw. TKG TRIPS Tul. L. Rev. Tz. u. u.ä. u.a. U. Chi. L. Rev. UG UGPRL
UKlaG UmwG unstr. Unterabs. UrhG Urt. URV US usf.
1. Satz 2. Seite(n) siehe siehe auch Schweizerisches Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb scilicet (das heißt, ergänze) Supreme Court Societas Europaea – Europäische Gesellschaft Sammlung Saarländisches Mediengesetz vom 27.2.2002 sogenannte Spalte(n) Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft Strafgesetzbuch Strafprozessordnung strittig ständige Rechtsprechung Staatsvertrag siehe unten Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.5.2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen, EU-ABl. L 152/16, berichtigt im EU-ABl. L 67/34 vom 5.3.2004 Tatbestandsmerkmale Gesetz über die Nutzung von Telediensten – Teledienstegesetz Teilband teilweise Telekommunikationsgesetz Trade related aspects of intellectual property rights (Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) Tulane Law Review Teilziffer und und ähnliches unter anderem University of Chicao Law Review Unternehmergesellschaft Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), EU-ABl. L 149/22 Unterlassungsklagengesetz Umwandlungsgesetz unstrittig Unterabsatz Urheberrechtsgesetz Urteil Verordnung über das Unternehmensregister United States und so fort
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
u.U. UWG UWG 1896 UWG 1909 UWG 1932 UWG 1940 UWG 1957
UWG 1969 UWG 1986
UWG 1994 UWG 2000 UWG 2004
v. Var. VerbrKrG Verf. VersR Vertikal-GVO VertriebsR vgl. v.H. VO VWGmbHÜG Voraufl. Vorb. VStS VuR VwGO VwVfG VwZG WappenVO weit. WettbR WHO WiKG WIPO WIR WiSachvRG WiStG
XXV
unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.3.2010, BGBl I 254 Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27.5.1896, RGBl I 145 = GRUR 1896, 178 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7.6.1909, RGBl I 499 UWG in der Fassung der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze der Wirtschaft vom 9.3.1932, RGBl I 121 UWG in der Fassung der Verordnung zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 8.3.1940, RGBl I S. 480 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Gesetzes über das Zugabewesen und des Rabattgesetzes vom 11.3.1957, BGBl I 172 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 26.6.1969, BGBl I 633 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung wirtschafts-, verbraucher- arbeitsund sozialrechtlicher Vorschriften vom 25.7.1986, BGBl I 1169, berichtigt 1987 BGBl I 565 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 25.7.1994, BGBl I 1738 („kleine UWG-Novelle“) UWG in der Fassung des Gesetzes zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerblicher Vorschriften vom 1.9.2000, BGBl I 1374 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.7.2004, BGBl I 1414 („UWG-Modernisierung“) von/vom Variante Verbraucherkreditgesetz Verfasser Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen Vertriebsrecht vergleiche von Hundert Verordnung Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand Vorauflage Vorbemerkung Vereinigte Strafsenate Verbraucher und Recht Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Wappenverordnung weitere(n) Wettbewerbsrecht Weltgesundheitsorganisation Das zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirschaftskriminalität vom 15.5.1986 World Intellectual Property Organization Wirtschaftsrecht Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Wirtschaftsstrafgesetz
Abkürzungsverzeichnis
wistra WiVerw WM WpAIV WpHG WpÜG WRP WRV WTO WuW www WZG
Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wirtschaft und Verwaltung – Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wettbewerb in Recht und Praxis Weimarer Reichsverfassung World Trade Organization Wirtschaft und Wettbewerb world wide web Warenzeichengesetz
Yale L.J.
Yale Law Journal
Z z.B. ZAW ZBH ZEuP ZfB ZfbF ZfRV ZGE ZGR ZHR Ziff. ZIP ZIS zit. ZPO ZR ZRP ZS ZStW z.T. ZugabeVO ZUM ZUM-RD zust. ZVglRWiss ZVP ZZP ZZP Int.
(in Zusammenhängen) Zeitschrift, Zeitung, Zentralblatt zum Beispiel Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Geistiges Eigentum Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik zitiert Zivilprozessordnung Zivilrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zum Teil Zugabeverordnung Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht/Film und Recht Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtsprechungsdienst Zustimmend Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Verbraucherpolitik Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International
XXVI
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Achenbach/Ransiek/ Bearbeiter Ackermann Ahrens, Wettbewerbsrecht Ahrens, Wettbewerbsverfahren Ahrens/Bearbeiter Ahrens/Spätgens Anweiler AnwKommBGB/Bearbeiter AnwKommStGB/Bearbeiter Bamberger/Roth/Bearbeiter Baudenbacher Baumbach/Hefermehl Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann Beater Bechtold, GWB Bechtold/Bosch/Brinker/ Hirsbrunner BeckOK-BGB/Bearbeiter Bender, Europ. MarkenR Benkard/Bearbeiter Berlit, Wettbewerbsrecht Berneke Beucher/Leyendecker/ von Rosenberg Boesche Borck, Wettbewerbssachen Brömmelmeyer Internetwettbewerbsrecht Büchting/Heussen Buck Bühring Bunte Büscher/Dittmer/Schiwy Buschle Busse/Bearbeiter Calliess/Ruffert Callmann
XXVII
Achenbach/Ransiek (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin, 3. Aufl. 2011 Ackermann, Wettbewerbsrecht, Heidelberg, 1997 Ahrens, Cl., Wettbewerbsrecht, Berlin, 2006 Ahrens, Wettbewerbsverfahrensrecht, Köln, Berlin, Bonn, München, 1983 Ahrens (Hrsg.), Der Wettbewerbsprozess, Köln, 7. Aufl. 2013 Ahrens/Spätgens, Einstweiliger Rechtsschutz und Vollstreckung in UWGSachen, Köln, 4. Aufl. 2001 Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, Frankfurt, 1997 Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg.), Anwaltkommentar BGB, 5 Bde., Bonn, 2005 ff. Leipold/Tsambikakis/Zöller (Hrsg.), Anwaltkommentar StGB, Bonn, 2011 Bamberger/Roth, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München, 3. Aufl. 2011 Baudenbacher, Lauterkeitsrecht, Basel, 2001 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, München, 22. Aufl. 2001 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung: ZPO, München, 71. Aufl. 2013 Beater, Unlauterer Wettbewerb, Tübingen, 2011 Bechtold, GWB, Kartellgesetz, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, München, 7. Aufl. 2013 Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht, München, 2. Aufl. 2009 Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1.8. 2013 Bender, Europäisches Markenrecht, Köln, 2008 Benkard, Patentgesetz, München, 10. Aufl. 2006 Berlit, Wettbewerbsrecht, München, 8. Aufl. 2011 Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, München, 2. Aufl. 2003 Mediengesetze – Rundfunk, Mediendienste, Teledienste. Kommentar, München, 1999 Boesche, Wettbewerbsrecht, Heidelberg, 4. Aufl. 2011 Borck, Die anwaltliche Praxis in Wettbewerbssachen, Stuttgart, 1992 Brömmelmeyer, Internetwettbewerbsrecht, Tübingen, 2007 Büchting/Heussen, Rechtsanwalts-Handbuch, München, 9. Aufl. 2007 Buck, Über die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, Frankfurt, 1997 Bühring, Gebrauchsmustergesetz, Köln, 8. Aufl. 2011 Bunte, Kartellrecht, München, 2. Aufl. 2008 Büscher/Dittmer/Schiwy (Hrsg.), Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, Köln, 2. Aufl. 2011 Buschle, Kommunikationsfreiheiten in den Grundrechten und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, Köln, 2004 Busse/Keukenschrijver (Hrsg.), Patentgesetz, Berlin, 7. Aufl. 2013 Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV Kommentar, München, 4. Aufl. 2011 Callmann, Der Unlautere Wettbewerb. Kommentar, Mannheim/Berlin/ Leipzig, 2. Aufl. 1932
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Cendon Dederichs Dreier/Schulze, UrhR Dethloff Drexl Ehlers Eichmann/v. Falckenstein Ekey, Grundriss Ekey/Klippel/Bender, MarkenR Ekey/Klippel/Kotthoff/ Meckel/Plaß Emmerich, Kartellrecht Emmerich, Unlauterer Wettbewerb Erbs/Kohlhaas/Bearbeiter Erman/Bearbeiter Fezer/Bearbeiter Fezer, Markenrecht Fischer FK-GWB Fritzsche, Unterlassungsanspruch Geiger/Khan/Kotzur, EUV, AEUV Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht Gloy/Loschelder/Erdmann/ Bearbeiter Götting, Wettbewerbsrecht Götting, Gewerblicher Rechtsschutz Götting/Nordemann/ Bearbeiter Grabenwarter Graf Lambsdorff Groeben/Schwarze
Hacker Hahn/Vesting/Bearbeiter Haratsch/Koenig/Pechstein Herdegen, Europarecht Harte/Henning/Bearbeiter Härting
Cendon/Pasquinelli (Hrsg.), Commentario al Codice civile, Band 5, 2, Mailand, 2011 Dederichs, Die Methodik des EuGH, Baden-Baden, 2004 Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, München, 4. Aufl. 2013 Dethloff, Die Europäisierung des Wettbewerbsrechts, Tübingen, 2001 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, Tübingen, 1998 Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, Berlin, 3. Aufl. 2009 Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, München, 4. Aufl. 2010 Ekey, Grundriss des Wettbewerbs- und Kartellrechts, Heidelberg, 3. Aufl. 2009 Ekey/Klippel/Bender, Markenrecht, Band 1, Markengesetz und Marken recht ausgewählter ausländischer Staaten (Heidelberger Kommentar), Heidelberg, 2. Aufl. 2009 Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum Wettbewerbsrecht, Heidelberg, 2. Aufl. 2005 Emmerich, Kartellrecht, München, 12. Aufl. 2012 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, München, 8. Aufl. 2009 Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Kommentar, München, 189. Lieferung, Stand: April 2012 Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Köln, 13. Aufl. 2011 Fezer (Hrsg.), Lauterkeitsrecht: UWG, Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, München, 2. Aufl. 2010 Fezer, Markenrecht, München, 4. Aufl. 2009 Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, München, 59. Aufl. 2012 Jaeger u.a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Frankfurt, 78. Ergänzungslieferung 2013 Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, Berlin, Heidelberg, 2000 Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV, AEUV (Kommentar), München, 5. Aufl. 2010 Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 2006 Gloy/Loschelder/Erdmann (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbsrechts, München, 4. Aufl. 2010 Götting, Wettbewerbsrecht, München, 2005 Götting Gewerblicher Rechtsschutz, München, 9. Aufl. 2010 Götting/Nordemann, UWG, Handkommentar, Baden-Baden, 2. Aufl. 2013 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, München, 4. Aufl. 2009 Graf Lambsdorff, Handbuch des Wettbewerbsverfahrensrechts, Köln, 2000 von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden, 6. Aufl. 2003 Hacker, Markenrecht, Köln, 2. Aufl. 2010 Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, München, 3. Aufl. 2013 Haratsch/Koenig/Pechstein Europarecht, Tübingen, 6. Aufl. 2009 Herdegen, Europarecht, München, 13. Aufl. 2011 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Kommentar, München, 3. Aufl. 2013 Härting, Internetrecht, Köln, 4. Aufl. 2010
XXVIII
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Hartstein/Ring/Kreile/ Dörr/Stettner/Cole Hasselblatt, AnwHandbuch Hatje Hecker, Strafbare Produktwerbung Henning-Bodewig Unfair Competition Hilty/Henning-Bodewig, Lauterkeitsrecht Himmelsbach HK-BGB/Bearbeiter Hoeren/Sieber/Bearbeiter Immenga/Mestmäcker Ingerl/Rohnke Jauernig/Bearbeiter Jestaedt Jochum, Europarecht Joller juris-PK/Bearbeiter Kehl Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht Kling/Thomas Kling/Thomas, Kartellrecht Koenig/Schreiber Kohler Köhler/Bornkamm Köhler/Piper Koos/Menke/Ring Koppensteiner, Wettbewerbsrecht Kraft, Interessenabwägung Lange Lange/Spätgens Langen/Bunte Lehmler Lehr LeipzigerKommStGB/ Bearbeiter Leistner, Richtiger Vertrag
XXIX
Rundfunkstaatsvertrag – Kommentar zum Staatsvertrag Rundfunk und Telemedien (RStV) und zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), München, 55. Ergänzungslieferung, Stand: April 2013 Hasselblatt (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Gewerblicher Rechtsschutz, München, 3. Aufl. 2009 Hatje, Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit, Baden-Baden, 1993 Hecker, Strafbare Produktwerbung im Lichte des Gemeinschaftsrechts: Europäisierung des deutschen Täuschungsschutzstrafrechts am Beispiel des Lebensmittel-, Wettbewerbs- und Betrugsstrafrechts, Tübingen, 2001 Henning-Bodewig, Unfair Competition Law, European Union and Member States, The Hague, 2006 Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009 Himmelsbach (Hrsg.), Beck’sches Mandatshandbuch Wettbewerbsrecht, München, 3. Aufl. 2009 Schulze, Handkommentar Bürgerliches Gesetzbuch, Baden-Baden, 7. Auflage 2012 Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, München, 35. Aufl., Juli 2013 Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1 und 2, München, 5. Aufl. 2012 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, München, 3. Aufl. 2010 Jauernig (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, München, 14. Aufl. 2011 Jestaedt, Wettbewerbsrecht, Köln, 2008 Jochum, Europarecht, Stuttgart, 2. Aufl. 2012 Joller, Verwechslungsgefahr im Kennzeichenrecht, Bern, 2000 Ullmann, juris-Praxiskommentar UWG, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Saarbrücken, 2. Aufl. 2009 Kehl, Wettbewerbsrecht, 1990 Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, München, 4. Aufl. 2010 Kling/Thomas, Grundkurs Wettbewerbs- und Kartellrecht, München, 2004 Kling/Thomas, Kartellrecht, München, 2007 Koenig/Schreiber, Europäisches Wettbewerbsrecht, Stuttgart, 2010 Kohler, Der unlautere Wettbewerb. Darstellung des Wettbewerbsrechts, Berlin, 1914. Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: UWG – PAngV – UKlaG, München, 31. Aufl. 2013 Köhler/Piper (Hrsg.), Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, München, 3. Aufl. 2002 Koos/Menke/Ring (Hrsg.), Praxis des Wettbewerbsrechts, Köln, 2009 Koppensteiner, Österreichisches und Europäisches Wettbewerbsrecht, Wien, 3.Aufl. 1997 Kraft, Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht, 1963 Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, München, 2. Aufl. 2012 Lange/Spätgens, Rabatte und Zugaben im Wettbewerb, München, 2001 Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Köln, 11. Aufl. 2010 Lehmler, Kommentar zum Wettbewerbsrecht – UWG, Köln, 2007 Lehr, Wettbewerbsrecht, Heidelberg, 3. Aufl. 2007 Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, Berlin, 12. Aufl., Band 1, 2007; Band 2, 2006; Band 6, 2010; Band 10, 2008 Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, Tübingen, 2007
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Lettl Lettl, Das neue UWG Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz Lobe (Bd.)
Lettl, Wettbewerbsrecht, München, 2009 Lettl, Das neue UWG, München, 2004 Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, München, 2004 Lobe, Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Bd. I, Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung (1907), Bd. III, Materialien des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 1907 Loewenheim/Meessen/ Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), Kartellrecht, München, Riesenkampff 2. Aufl. 2009 Löffler/Bearbeiter Löffler, Presserecht, Kommentar, fortgeführt von Wenzel und Sedlmaier, München, 5. Aufl. 2006 Löffler/Ricker Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, München, 6. Aufl. 2012 Matutis Matutis, UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Berlin, 2. Aufl. 2009 Maunz/Dürig/Bearbeiter Maunz/Dürig (Begr.) Grundgesetz Kommentar, München, 69. Ergänzungslieferung Mai 2013 Melullis Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, Köln, 3. Aufl. 2000 Mestmäcker/Schweitzer Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, München, 2. Aufl. 2004 Möschel, Pressekonzentration Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, Tübingen, 1978 Möschel, WettbewerbsMöschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen 1983 beschränkungen MünchKommBGB/Bearbeiter Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München, 5. Aufl. 2006 ff. MünchKommKartR/Bearbeiter Hirsch/Montag/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), München, 2007 ff. MünchKommStGB/Bearbeiter Joecks/Miebach/Schmitz (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Nebenstrafrecht II, München, 2010 MünchKommUWG/Bearbeiter Heermann/Hirsch (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, München, 2006 MünchKommZPO/Bearbeiter Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung,München, 3. Aufl. 2007 ff., 4. Aufl. 2012 ff. Musielak/Bearbeiter Musielak (Hrsg.), Kommentar zur Zivilprozessordnung: ZPO, München, 9. Aufl. 2012 Nirk/Kurtze Nirk/Kurtze, Wettbewerbsstreitigkeiten, München, 2. Aufl. 1992 Nordemann Nordemann, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Baden-Baden, 11. Aufl. 2011 Ohly, Richterrecht und Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbe Generalklausel werbs, Köln, 1997 Oppermann/Classen/ Oppermann, Classen/Nettesheim, Europarecht, München, 7. Aufl. 2011 Nettesheim Palandt/Bearbeiter Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, München, 71. Aufl. 2012 Piper/Ohly/Sosnitza Piper/Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, München, 5. Aufl. 2010 Prütting/Gehrlein Prütting/Gehrlein, ZPO-Kommentar, Köln, 3. Aufl. 2011 Prütting/Wegen/Weinreich/ Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, München, 6. Aufl. 2011 Bearbeiter (PWW) Reimer Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, Köln, 3. Aufl. 1954 Rescigno Rescigno (Hrsg.), Codice civile, Mailand, 3. Aufl. 1997 RGRK/Bearbeiter BGB – RGRK Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Kommentar, Hrsg.: Mitglieder des Bundesgerichtshofes, Berlin/New York, 12. Aufl. 1974 Rickert Rickert, Grundrechtsgeltung bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in innerstaatliches Recht, Berlin, 1997 Riesenhuber Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, Berlin, 2. Aufl. 2010
XXX
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Rittner/Dreher Rittner/Kulka Rosenthal Rosenthal, 8. Aufl. Roxin, AT I Sambuc S/S/W, StGB Säcker, Fallbuch Schenk Schlesinger Schmidt-Kessel/Schubmehl/ Bearbeiter Scholz/Tiedemann, GmbHG Schotthöfer Schönke/Schröder/ Bearbeiter Schünemann, Wettbewerbsrecht Schricker Schricker Schricker/Bodewig Schricker/Loewenheim/ Bearbeiter Schröter
Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, Heidelberg, 3. Aufl. 2007 Rittner/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Heidelberg, 8. Aufl. 2011 Rosenthal, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (bearb. von Leffmann), Berlin/Frankfurt/M., 9. Aufl. 1969 Rosenthal, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Berlin, 8. Aufl. 1930 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teilband I, München, 4. Aufl. 2006 Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz, München, 1996 Satzger/Schmitt/Widmaier (Hrsg.), Strafgesetzbuch: StGB, Kommentar, Köln, 2009 Säcker(Hrsg.), Fallbuch Kartellrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Heidelberg, 2001 Schenk, Die markenrechtliche Schutzfähigkeit von Zeichen aus empirischer und sprachwissenschaftlicher Sicht, Köln, 2006 Schlesinger (Hrsg.), Il foro italiano/Codice civile, Bologna/Rom, 3. Aufl. 2010 Schmidt-Kessel, Martin/Schubmehl, Silvan (Hrsg.), Lauterkeitsrecht in Europa. Eine Sammlung von Länderberichten zum Recht gegen unlauteren Wettbewerb, München, 2011 Scholz (Hrsg.), Kommentar zum GmbH-Gesetz, Band 3, Köln, 10. Aufl. 2010 Schotthöfer, Handbuch des Werberechts in den EU-Staaten, Köln, 2. Aufl. 1997 Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, München, 28. Aufl. 2010 Schünemann, Wettbewerbsrecht, München/Wien, 1989 Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, München, 1970 Schricker (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, Baden-Baden, 1999 Schricker/Bodewig (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, BadenBaden, 1997 Schricker/Loewenheim (Hrsg.), Urheberrecht, München, 4. Aufl. 2010
Schröter/Jakob/Mederer (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht, BadenBaden, 2. Aufl. 2013 Schulte/Bearbeiter Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, Köln, 8. Aufl. 2008 Schuschke/Walker Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Köln, 5. Aufl. 2011 Schwarze Schwarze, EU-Kommentar, Baden-Baden, 2. Aufl. 2009 Schwintowski Schwintowski, Wettbewerbs- und Kartellrecht, München, 4. Aufl. 2007 SK-StGB Rudolphi/Horn/Samson (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Frankfurt a.M., 131. Lieferung, Stand: März 2012 Soergel/Bearbeiter Soergel/Siebert (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Stuttgart, 13. Aufl. 2001 ff. Sosnitza, Fälle Sosnitza, Fälle zum Wettbewerbs- und Kartellrecht, München, 6. Aufl. 2011 Speckmann Speckmann, Wettbewerbsrecht. UWG – Markenrechtsverletzung, Wettbewerbsverfahrensrecht, Köln, 3. Aufl. 2001 Spindler/Schuster/Bearbeiter Recht der elektronischen Medien, Kommentar, München, 2. Aufl. 2011 Staudinger/Bearbeiter J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung, Berlin, 1993 ff. Stein/Jonas/Bearbeiter Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung: ZPO, Tübingen, 22. Aufl. 2002 ff. Steinmetz Steinmetz, Der „kleine“ Wettbewerbsprozeß, München, 1993 Stiess Stiess, Schutz der Wirtschaftswerbung durch Verfassungsrecht und Gemeinschaftsrecht, München, 2000 Stober Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, Stuttgart, 17. Aufl. 2011
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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Streinz Streinz, LebensmittelrechtHandbuch Ströbele/Hacker Teplitzky
Thomas/Putzo/Bearbeiter Ulmer/Reimer/Bearbeiter
v. Gamm v. Gamm v. Schultz v. Oppermann Vorauflage/Bearbeiter Walter/Grüber Wandtke, Medienrecht Wieczorek/Schütze/ Bearbeiter Wolters, Das Unternehmensdelikt Zöller/Bearbeiter
Streinz, EUV/AEUV Kommentar, München, 2. Aufl. 2012 Streinz, Lebensmittelrechts-Handbuch, München, 34. Ergänzungslieferung, Stand: Mai 2013 Ströbele/Hacker (Hrsg.), Markengesetz, Köln, 10. Aufl. 2012 Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Unterlassung – Beseitigung – Schadensersatz, Anspruchsdurchsetzung und Anspruchsabwehr, Köln, 10. Aufl. 2012 Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung: ZPO, München, 33. Aufl. 2012 Ulmer/Reimer, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Bd. III – Deutschland, 1968 v. Gamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Köln, 3. Aufl. 1993 v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 1987 von Schultz, Markenrecht, Frankfurt/M., 3. Aufl. 2012 von Oppermann, Unterlassungsanspruch und materielle Gerechtigkeit, Tübingen, 1993 Jacobs/Lindacher/Teplitzky (Hrsg.), UWG, Großkommentar, Berlin, 1991 ff. Walter/Grüber (Hrsg.), Anwaltshandbuch Wettbewerbspraxis, Köln, 1998 Wandtke (Hrsg.), Medienrecht Praxishandbuch, Berlin, 2. Aufl. 2011 Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung, Großkommentar, Berlin, 4. Aufl. 2013 ff. Wolters, Das Unternehmensdelikt, Baden-Baden, 2001 Zöller, Richard, Zivilprozessordnung: ZPO, Kommentar, Köln, 30. Aufl. 2014
XXXII
Einl
Wettbewerb und Wirtschaftsordnung
EINLEITUNG Einleitung Teil A. Einl Wettbewerb und Wirtschaftsordnung Einl Schünemann
A. Wettbewerb und Wirtschaftsordnung Schrifttum Aberle Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik (1980); Achatz Grundrechtliche Freiheit im Wettbewerb (2011); Ahlert/Schröder Rechtliche Grundlagen des Marketing, 2. Aufl. (1996); Alexander Vertrag und unlauterer Wettbewerb (2002); Armbruster Privatautonomie im Handels- und Wirtschaftsrecht, JR 1990, 278 ff.; Badura Der Eigentumsschutztitel des eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetriebes, AöR 98 (1973) 157 ff.; ders. Grundprobleme des Wirtschaftsverfassungsrechts, JuS 1976, 205 ff.; ders. Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, 4. Aufl. (2011); Bätge Wettbewerb der Wettbewerbsordnungen? (2009); Bartholomeyczik/Benisch Rechtsgrundlagen der Gegengewichtsbildung (1966); Bartling Leitbilder der Wettbewerbspolitik (1980); Basedow Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung (1992); Baudenbacher Suggestivwerbung und Lauterkeitsrecht (1978); ders. Zur funktionalen Anwendung von § 1 des deutschen und Art. 1 des schweizerischen UWG, ZHR 144 (1980) 145 ff.; ders. Lauterkeitsrecht (2001); Baur Das Tatbestandsmerkmal „Wettbewerb“, ZHR 134 (1970) 97 ff.; Beater Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht (2000); Behrens Der Wettbewerbsbegriff des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, NJW 1958, 485 ff.; ders. Der Wettbewerb im Vertrag von Lissabon, EuZW 2008, 193; Benöhr Privatautonomie und Wirtschaftsliberalismus: Adam Smith’s Wohlstand der Nationen von 1776, JuS 1976, 273 ff.; Bethge Grundrechtsverwirklichung und Grundrechtssicherung durch Organisation und Verfahren, NJW 1982, 1 ff.; Binder Die Idee der Konsumentensouveränität in der Wettbewerbstheorie (1996); Bittlingmeyer Die wettbewerbspolitischen Vorstellungen der Chicago School, WuW 1987, 70 ff.; Bleckmann Grundzüge des Wirtschaftsverfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, JuS 1991, 536 ff.; Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht (2003); Bohling Die Anforderungen des Grundgesetzes an die Wirtschaftsordnung, in Bohling (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Grundgesetz (1981) 1 ff.; Borchardt/Fikentscher Wettbewerbsbeschränkung, Marktbeherrschung (1957); Böhm Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung (1950); Brandt Das neoklassische Marktmodell und die Wettbewerbstheorie, JNSt. 199 (1984) 97 ff.; Braun Werbung und Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, WRP 1982, 510 ff.; ders. Wettbewerbstheorie, Wettbewerbspolitik, Wettbewerbsrecht, ORDO 35 (1984) 297 ff.; Brauser-Jung Der Schutz des Wettbewerbs in der EUWirtschaftsverfassung, FS Stober (2008) 43 ff.; Bruhn Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union aus deutscher Perspektive (2009); Buhbe Ökonomische Analyse von Eigentumsrechten (1980); Busch Zur Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union (2008); Burmann Wettbewerb als sinnvariabler Rechts- und Wirtschaftsbegriff, WRP 1967, 240 ff.; Canaris Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984) 201 ff.; Christiansen Die „Ökonomisierung“ der EU-Fusionskontrolle: Mehr Kosten als Nutzen? WuW 2005, 285 ff.; Clapham Das wettbewerbspolitische Konzept der Wettbewerbsfreiheit, in Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs (1981), 129 ff.; Clark Competition as a Dynamic Process (1961); ders. Wettbewerb und Ziele der Wirtschaftspolitik, in Herdzina (Hrsg.), Wettbewerbstheorie (1975) 269; Clemens/Glahe Das Gegengewichtsprinzip in der Wirtschaftsordnung (1966); Cox/Hübener Wettbewerb. Eine Einführung in die Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, in Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs (1981) 1 ff.; Degenhart Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG, JuS 1992, 361; Dreher/Lange Die europäische Wirtschaftsverfassung nach dem Vertrag von Lissabon, in FS 50 Jahre FIW: 1960 bis 2010 (2010) 161 ff. (zit. FS FIW); Drettmann Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit (1984); Drews Die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG (2010); Drexl Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998); Ehlers Der persönlichkeitsrechtliche Schutz des Verbrauchers vor Werbung, WRP 1983, 187; Ehmke Wirtschaft und Verfassung (1961); Eicke Meinungsfreiheit für die Werbung? WRP 1988, 645; Engels Soziale Marktwirtschaft. Verschmähte Zukunft? (1972); ders. Mehr Markt. Soziale Marktwirtschaft als politische Ökonomie (1976); Eucken Die Grundlage der Nationalökonomie, 8. Aufl. (1965); Everling Eigentumsordnung und Wirtschaftsordnung in der Europäischen Gemeinschaft, FS Raiser (1974) 379 ff.; di Fabio Wettbewerbsprinzip und Verfassung, ZWeR 2007, 266 ff.; Fezer Verantwortete Marktwirtschaft, JZ 1990, 657 ff.; Fikentscher Deutsches Wirtschaftsrecht Bd. II (1983); Friauf Unternehmenseigentum und Wirtschaftsverfassung, DÖV 1976, 624 ff.; Friauf/Wendt Eigentum am Unternehmen (1977); Friedrich Der Grundrechtsschutz der Außenwerbung, WRP 1972, 113 ff.; Friedman Capitalism and Freedom (1962) = Kapitalismus und Freiheit (1984); Fritze Indirekte wettbewerbsrechtliche Schranken für Presseberichterstattung und Pressekritik, GRUR 1985, 414 ff.; Frotscher/Kramer
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Schünemann
Einl
Einleitung Teil A.
Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 6. Aufl. (2013); Galbraith American Capitalism. The Concept of Countervailing Power, 7. Aufl. (1956); Gärtner Verfassungskonforme Auslegung wettbewerbsrechtlicher Generalklauseln, BB 1970, 1361 ff.; v. Godin Zum Begriff des „Wettbewerbs“, GRUR 1965, 288 ff.; Goerlich Wertordnung und Grundgesetz (1973); Gotthold Neuere Entwicklungen der Wettbewerbstheorie, ZHR 145 (1981) 286 ff.; ders. Nochmals: Kritische Bemerkungen zur neo-liberalen Theorie der Wettbewerbspolitik, ZHR 146 (1982) 55; Grabitz Die verfassungsorientierte Konkretisierung wettbewerbsrechtlicher Generalklauseln, ZHR 149 (1985) 263 ff.; Grawert Legitimität der Wettbewerbswirtschaft, Der Staat 50 (2011) 227 ff.; Grossekettler Wettbewerbstheorie, in Borchert/Grossekettler (Hrsg.), Preis- und Wettbewerbstheorie (1985) 174; Gutersohn/Geisbüsch Marktungleichgewichte und Gegengewichtsbildung in der Wirtschaftswirklichkeit (1966); Hablitzel Wirtschaftsverfassung und Grundgesetz, BayVBl 1981, 65 ff.; 172 ff.; Hackmann Konkurrenz und Nächstenliebe (1990); Häberle Europäische Verfassungslehre, 7. Aufl. (2011); Hatje/Kindt Der Vertrag von Lissabon – Europa endlich in guter Verfassung? NJW 2008, 1761 ff.; Hauer Leitbilder der Gerechtigkeit in den marktwirtschaftlichen Konzeptionen von Adam Smith, John Stuart Mill und Alfred Müller-Armack (1991); v. Hayek Marktwirtschaft und Wirtschaftspolitik, ORDO 6 (1954) 3 ff.; ders. Arten der Ordnung, in Freiburger Studien (1969) 32 ff.; ders. Grundsätze einer liberalen Wirtschaftsordnung, in Freiburger Studien (1969) 108 ff.; ders. Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, in Freiburger Studien (1969) 249 ff.; ders. Die Theorie komplexer Phänomene (1972); ders. Die Anmaßung von Wissen, ORDO 26 (1975) 12 ff.; ders. Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 2. Aufl. (1976); Hengsbach Gerechtigkeit in der Marktwirtschaft, in Lenk/Becker (Hrsg.), Ethik in der Wirtschaft, Chancen verantwortlichen Handelns (1996) 23 ff.; HenningBodewig Was gehört zum Lauterkeitsrecht? in Krejci/Kessler/Augenhofer (Hrsg.), Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005) 9 ff.; dies. UWG und Geschäftsethik, WRP 2009/10, 1094 ff.; Herdzina (Hrsg.), Wettbewerbstheorie (1975); ders. Wettbewerbspolitik, 5. Aufl. (1999); Herrmann, Ch. Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsregierung in der Europäischen Union, in Giegerich (Hrsg.), Herausforderungen und Perspektiven der EU (2012) 51 ff.; Herschel Zivilrechtliche Bedeutung des strafrechtlichen Analogieverbotes, NJW 1968, 533; Herzog Soziale Marktwirtschaft – Verfassungsgebot oder politische Beliebigkeit, in Franz (Hrsg.), Die Zukunft der BRD (1975) 109; ders. Grundrechte und Gesellschaftspolitik, FS Hirsch (1986) 63 ff.; Heuß Allgemeine Markttheorie (1965); Hildebrand Der „more economic approach“ in der Wettbewerbspolitik, WuW 2005, 513 ff.; Homann Ethik und Ökonomik (1994); Homann/Blome-Drees Wirtschafts- und Unternehmensethik (1992); Hoppmann Wettbewerb als Norm der Wettbewerbspolitik, ORDO 18 (1965) 77 ff.; ders. Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, JNSt. 179 (1966) 286 ff.; ders. Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, JNSt. 181 (1967/68), 251 ff.; ders. Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, in Schneider (Hrsg.), Grundlagen der Wettbewerbspolitik (Schriften des Vereins für Socialpolitik NF, Bd. 48, 1968), S. 9 ff.; ders. Zum Schutzobjekt des GWB. Die sogenannten volkswirtschaftlichen Erkenntnisse und ihre Bedeutung für die Schutzobjektdiskussion, in Mestmäcker, Wettbewerb S. 75 ff.; ders. Neue Wettbewerbspolitik: Vom Wettbewerb zur staatlichen Mikrosteuerung, JNSt. 184 (1970), 397 ff.; ders. Fusionskontrolle (1972); ders. Marktmacht und Wettbewerb (1977); ders. Wirtschaftsordnung und Wettbewerb (1988); ders. Moral und Marktsystem, ORDO 41 (1990) 3 ff.; ders. Prinzipien freiheitlicher Wirtschaftspolitik (1993); Horn, N. Zur ökonomischen Rationalität des Privatrechts – Die privatrechtstheoretische Verwertbarkeit der „Economic Analysis of Law“, AcP 176 (1976) 307 ff.; Horn, K. I. Moral und Wirtschaft (1996); Huber Der Streit um das Wirtschaftsverfassungsrecht, DÖV 1956, 97, 135, 172, 200 (jeweils ff.); Jarass Die freien Berufe zwischen Standesrecht und Kommunikationsfreiheit, NJW 1982, 1833 ff.; Jenkis „Soziale Marktwirtschaft“ – eine Leerformel? FS Gemper (2006) 75 ff.; Kalfass Die Chicago School – Eine Skizze des „neuen“ amerikanischen Ansatzes für die Wettbewerbspolitik, WuW 1980, 596; Kantzenbach Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, 2. Aufl. 1967, Auszüge in Herdzina (Hrsg.), Wettbewerbstheorie (1975) 194; ders. Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, JNSt. 181 (1968) 193 ff.; Kantzenbach/Kalfass Das Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs, in Cox/Jens/Markert Handbuch des Wettbewerbs (1981) 103 ff.; Karsten Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftsordnungstypus und Wirtschaftsgestalt, Schmollers Jahrbuch Bd. 88 (1968) 129 ff.; Keßler Marktordnung, Wettbewerb und Meinungsfreiheit, WRP 1987, 75 ff.; ders. Vom Recht des unlauteren Wettbewerbs zum Recht der Marktkommunikation – Individualrechtliche und institutionelle Aspekte des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts, WRP 2005, 1203 ff.; Kirzner Wettbewerb und Unternehmertum (1978); Kloepfer Vergleichende Werbung und Verfassung. Meinungsgrundrechte als Grenze von Werbebeschränkungen, GRUR 1991, 170 ff.; Knieps Wettbewerbsökonomie, 3. Aufl. (2008); Knöpfle Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens (1966); ders. Marktbezogene Unlauterkeit (1983); Köhler Wohin steuert die deutsche Wettbewerbspolitik? ORDO 37 (1986) 275 ff.; v. Köhler Welche Stellung hat der Wettbewerb in unserer Rechtsordnung? NJW 1964, 569 ff.; Körner Das allgemeine Wettbewerbs-
Schünemann
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Wettbewerb und Wirtschaftsordnung
Einl
recht als Auffangtatbestand für fehlgeschlagenen oder abgelaufenen Sonderrechtsschutz, FS Ullmann (2006) 701 ff.; Koslowski Theorie der Marktwirtschaft und der gesellschaftlichen Koordination (1991); ders. Ethik des Kapitalismus (1991); Kraft Die Berücksichtigung wirtschaftspolitischer und gesellschaftspolitischer Belange im Rahmen des § 1 UWG, FS Bartholomeyczik (1973) 223 ff.; ders. Gemeinschaftsschädliche Wettbewerbsstörungen als unlauterer Wettbewerb? GRUR 1980, 966 ff.; ders. Wettbewerbsrecht und Diskriminierungsverbot, FS Kummer (1980) 389 ff.; Krejci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.), Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005); Kresse Wirtschaftswerbung und Art. 5 GG, WRP 1985, 536 ff.; Kriele Wirtschaftsfreiheit und Grundgesetz, ZRP 1974, 105 ff.; Krüger Staatsverfassung und Wirtschaftsverfassung, DVBl. 1951, 361 ff.; Krüger Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftsverwaltung, Rechtsstaat, BB 1953, 565 ff.; Kübler Pressefreiheit als Entscheidungsfreiheit des Lesers, FS Löffler (1980) 169 ff.; Kübler/Simitis Presse und Wettbewerb, JZ 1969, 445 ff.; Künzler Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit? (2008); Lachmann Ethik und Soziale Marktwirtschaft, Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“, Heft 38 (1988) 15 ff. (zit. Ethik); ders. Ethik des Wettbewerbs, Gedächtnisschrift Helm (2001) 527 ff.; Lademann Die Leitbilder des funktionsfähigen und des freien Wettbewerbs, DB 1985, 2661 ff.; Lammel Wettbewerbsfreiheit und Staatsintervention, GRUR 1986, 362 ff.; Lampert Die Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. (1988); Lehmann Wirtschaftspolitische Kriterien in § 1 UWG, Mitarbeiter-FS E. Ulmer (1973) 321 ff.; ders. Das Prinzip Wettbewerb, JZ 1990, 61 ff.; Leisner Grundrechte und Privatrecht (1960); ders. Der Eigentümer als Organ der Wirtschaftsverfassung, DÖV 1975, 73 ff.; ders. Privateigentum ohne privaten Markt? BB 1975, 1 ff.; ders. Selbstbedienungsgroßhandel und Verfassungsrecht. Zu den Verfassungsschranken des Wettbewerbsrechts (1986); ders. Gefahren systematischen Rechtsdenkens, FS R. Schmidt (2006) 363 ff.; ders. Die soziale Marktwirtschaft als Grundlage der Wirtschafts- und Sozialverfassung, in Sodan (Hrsg.), Die sozial-marktwirtschaftliche Zukunft der Krankenversicherung (2005) S. 35 ff.; ders. Wettbewerb als Verfassungsprinzip (2012); Lerche Werbung und Verfassung (1967); ders. Meinungsfreiheit und Richtigkeitsanforderungen an Tatsachenangaben im wirtschaftlichen Wettbewerb, FS Lorenz (1991) 143 ff.; Liesegang Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft (1977); Lukes Zum Verständnis des Wettbewerbs und des Marktes in der Denkkategorie des Rechts, FS Franz Böhm (1965) 199 ff.; Lux Der Tatbestand der „allgemeinen Marktbehinderung“ im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb (2006); Manne (Hrsg.), The Economics of Legal Relationships. 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Wirtschaftsordnung und Grundgesetz, Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das
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Einleitung Teil A.
Parlament“, Heft 13 (2007) 3 ff. (zit. Wirtschaftsordnung); Paulus Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit – Inhalt und Schranken von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, WRP 1990, 22 ff.; Peifer Schutz ethischer Werte im Europäischen Lauterkeitsrecht oder rein wirtschaftliche Betrachtungsweise? in Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 125 ff.; Peters Wirtschaftspolitik, 3. Aufl. (2000); Peukert Der Wandel der europäischen Wirtschaftsverfassung im Spiegel des Sekundärrechts – Erläutert am Beispiel des Rechts gegen unlauteren Wettbewerb, ZHR 173 (2009) 536 ff.; ders. Die Ziele des Primärrechts und ihre Bedeutung für das Europäische Lauterkeitsrecht, in Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 27 ff.; Pichler Das Verhältnis von Kartell- und Lauterkeitsrecht (2009); Plaßmann Rechtsbegriffe im Wettbewerb, JZ 1968, 81 ff.; Pleyer Die „guten Sitten“ in der Wirtschaftsordnung der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, JR 1965, 241 ff.; Podszun Der „more economic approach“ im Lauterkeitsrecht, WRP 2009, 509; Posner The Chicago School of Antitrust Analysis, Univ. of Pennsylvania Law Review 127 (1979) 925 ff.; Rebe Privatrecht und Wirtschaftsordnung (1978); Rehbinder Privatrecht und Wirtschaftsordnung, ZHR 143 (1979) 349 ff.; Reich Wettbewerbstheorie – Wettbewerbspolitik – Wettbewerbsrecht, ARSP 1976, 111 ff.; ders. Markt und Recht (1977); Reichold Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht. 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Stichwort „Wirtschaftsverfassung“, Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (1982, zit. HdWW); Sack § 1 UWG und Wirtschaftspolitik, WRP 1974, 247 ff.; Säcker Zielkonflikte und Koordinationsprobleme im deutschen und europäischen Kartellrecht (1973); Sambuc Folgenerwägungen im Richterrecht (1977); Schachtschnabel Wirtschaftspolitische Konzeptionen, 3. Aufl. (1976); Schäfer/Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012); Schinzinger Ansätze ökonomischen Denkens von der Antike bis zur Reformationszeit (1977); Schliesky Öffentliches Wettbewerbsrecht (1997); ders. Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. (2008); Schluep Vom lauteren zum freien Wettbewerb, GRUR Int. 1973, 446 ff.; Schlüter Ökonomische Funktion als Basis wettbewerbsrechtlicher Zulässigkeit (1992); Schmidt, E. Von der Privat- zur Sozialautonomie, JZ 1980, 153; Schmidt, I. Wettbewerbspolitik und Verfassung (1971); ders./Haucap Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 10. Aufl. (2013); ders. More economic approach versus Justiziabilität, WuW 2005, 879; ders. More economic approach: Ein wettbewerbspolitischer Fortschritt? FS Bechtold (2006) 40 ff.; Schmidt, R. Wirtschaftspolitik und Verfassung (1971); ders. Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allg. Teil (1990); ders. Neoliberalismus als Königsweg, FS Stober (2008) 19 ff.; Schmidtchen Wettbewerbspolitik als Aufgabe (1978); ders. Effizienz als Leitbild der Wettbewerbspolitik, in Oberender (Hrsg.), Effizienz und Wettbewerb (2005) 9 ff.; ders. Der „more economic approach“ in der Wettbewerbspolitik, WuW 2006, 1 ff.; Schmidt-Preuß Die soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union, FS Säcker (2011) 969 ff.; Scholz Berufsbild und Wettbewerbsrecht, BB 1980, Beilage 5 zu Heft 21; Schricker Entwicklungstendenzen im Recht des unlauteren Wettbewerbs, GRUR 1974, 579 ff.; ders. Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes der Verbraucher und des funktionsfähigen Wettbewerbs, ZHR 139 (1975) 208 ff.; Schünemann Mündigkeit versus Schutzbedürftigkeit, FS Brandner (1996) 279 ff.; ders. Ethik und Menschenbild der wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft aus rechtlicher Sicht, ETHICA 1997, 115 ff.; ders. Wettbewerbsrecht im Wandel? WRP 2002, 1345 ff.; ders. Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, WRP 2003, 16 ff.; ders. „Unlauterkeit“ in den Generalklauseln und Interessenabwägung nach neuem UWG, WRP 2004, 925 ff.; ders. Generalklausel und Regelbeispiele, JZ 2005, 271 ff.; ders. Ökonomische Analyse der europäischen und deutschen Regelung, in Krejci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.), Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005) S. 41 ff.; ders. Das ökonomische Paradigma im Wettbewerbsrecht, Seoul National University Law Review (2006), 341 ff.; ders. Dogmatik und Hermeneutik der Regelbeispiele, FS Georgiades (2006) 1087 ff.; ders. Wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes? FS Stober (2008) 147 ff.; ders. Der Beitrag der Ökonomik für das Europäische Lauterkeitsrecht, in Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 97 ff.; Schwalbe/Zimmer Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl. (2011); Schwarze Europäisches Wirtschaftsrecht (2007); Schwartz Verfolgung unlauteren Wettbewerbs im Allgemeininteresse, GRUR 1967, 333 ff.; Schwipps Wechselwirkungen zwischen Lauterkeitsrecht und Kartellrecht (2009); Soltwedel Normen und Institutionen (1994); Sölter Nachfragemacht und Wettbewerbsordnung,
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Wettbewerb und Wirtschaftsordnung
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2. Aufl. (1960); ders. Der unvollständige Wettbewerbsbegriff (1975); Sosnitza Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung (1995); Spliethoff Verkehrsauffassung und Wettbewerbsrecht (1992); Stadermann Wirtschaftspolitik (1992); Stober Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit (1989); ders. Zur ökonomischen Relevanz der Grundrechte in einer offenen Wirtschaftsverfassung, FS Stern (2012) 613 ff.; ders. Zur ökonomischen Relevanz der Grundrechte in einer offenen Wirtschaftsverfassung, FS Stern (2012) 613 ff.; Streniger Der natürliche Lauf der Dinge. Zur Sozialphilosophie Adams Smith, ARSP 1989, 196 ff.; Stürner Markt und Wettbewerb über alles? (2007); Thielemann Wettbewerb als Gerechtigkeitskonzept (2010); Tolksdorf Stand und Entwicklungstendenzen der Wettbewerbstheorie, WuW 1980, 785 ff.; Tuchtfeldt Über die Staatsfunktionen bei Adam Smith, ORDO 27 (1974) 29 ff.; ders. Konzepte der Wettbewerbspolitik, FS Kummer (1980) 549 ff.; Tyllack Wettbewerb und Behinderung (1984); Ullmann Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld von Europa und Deutschland, GRUR 2003, 817 ff.; Utzig Die Rolle des Rechts in der modernen ökonomischen Theorie, AcP 189 (1989) 158 ff.; Voigt Die Non-Dilemma-These, WiSt 1992, 516 ff.; Wacke Werbeaussagen als Meinungsäußerungen, FS Schack (1966) 197 ff.; Weides Wirtschaftswerbung und Grundrechte, WRP 1976, 585 ff.; Wendt Eigentum und Gesetzgebung (1985); Wiedemann Rechtsethische Maßstäbe im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, ZGR 1980, 147 ff.; Wildmann Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik (Module der Volkswirtschaftslehre Bd. 1, 2. Aufl. 2010); Willeke Grundsätze wettbewerbspolitischer Konzeptionen (1973); ders. Wettbewerbspolitik (1980); Windsperger Wettbewerb als dynamischer Prozess, ORDO 37 (1986) 125 ff.; Woll Freiheit als Handlungsmaxime und Ziel der Wirtschaftsordnung, FS Gemper (2006) 33 ff.; Wrage UWG-Sanktionen bei GWBVerstößen? (1984); Wunderle Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht (2010); Zacher Aufgaben einer Theorie der Wirtschaftsverfassung, FS Böhm (1965) 63 ff.; ders. Soziale Sicherung in der Sozialen Marktwirtschaft, in Vierteljahresschrift für Sozialrecht (1973) 97 ff.; Zippelius/Würtenberger Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. (2008); Zuck Die globalgesteuerte Marktwirtschaft und das neue Recht der Wirtschaftsverfassung, NJW 1967, 1301 ff.; ders. Aktuelle Probleme der Wirtschaftspolitik und die tragenden Grundsätze der Wirtschaftsverfassung, BB 1967, 805 ff.
I. II.
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Systematische Übersicht Begriff des Wettbewerbsrechtes ____ 1 Wettbewerb im Schnittfeld von Ökonomik und Recht ____ 15 1. Bedeutung der Ökonomik für das Wettbewerbsrecht ____ 15 2. Wettbewerbsfunktionale Auslegung oder „wirtschaftspolitische Neutralität“ des UWG? ____ 18 a) Auslegung des UWG im Allgemeinen ____ 18 b) Interpretativer Einfluss von Wettbewerbskonzeptionen? ____ 23 3. Wettbewerbskonzeptionen in der lauterkeitsrechtlichen Hermeneutik ____ 37 a) Das „Wesen“ des Wettbewerbs ____ 40 b) Die freie Konkurrenz der Klassiker ____ 54 c) Zweiteilung wettbewerbskonzeptioneller Ansätze ____ 62 d) Die vollkommene Konkurrenz ____ 66 e) „Workable Competition“ ____ 71 f) „Countervailing Power“ ____ 76 g) Optimale Wettbewerbsintensität ____ 78 h) „Chicago School“ ____ 81
III. IV.
i) Ordo-Liberalismus ____ 85 j) Die freie Konkurrenz der Neoklassik ____ 92 k) Moderne EffizienzParadigmen ____ 101 4. Maßgebliche Wettbewerbskonzeption ____ 105 Wettbewerbsfunktionales Verständnis und Ethik des Wettbewerbs ____ 124 Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsverfassung ____ 139 1. Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes ____ 139 a) Terminologie ____ 139 b) „Wirtschaftspolitische Neutralität“ des GG? ____ 143 c) Freiheitliche Wettbewerbswirtschaft als Verfassungsentscheidung ____ 165 d) Wettbewerbsfreiheit und Sozialstaatsprinzip ____ 174 2. Grundrechtliche Elemente und Ausstrahlungen der Wirtschaftsverfassung ____ 182 a) Wirtschaftsverfassung und lauterkeitsrechtliche Hermeneutik ____ 182
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Einleitung Teil A.
Artt. 1, 2 Abs. 1 GG ____ 186 Art. 3 Abs. 1 GG ____ 198 Art. 4 Abs. 2 GG ____ 202 Art. 5 GG (Art. 10 EMRK, Art. 11 EuGrCh) ____ 205 f) Art. 9 GG ____ 234
b) c) d) e)
Alphabetisches Stichwortverzeichnis Allgemeine Marktbehinderung s. Marktstörung Allgemeines Persönlichkeitsrecht 196 f. Auslegung 17 ff., 180 ff. Berufsfreiheit 241 ff. Boykott 218 ff. Chicago School 81 ff. Corporate Social Responsibility 134 Countervailing Power 76 f. Compliance 134 Dilemma-These 59, 99 Diskriminierungsverbot 200 Eigentumsgarantie 252 ff. Einigungsvertrag 168 Entscheidungsfreiheit s. Handlungsfreiheit Folgeerwägungen 114 Freizügigkeit 238 ff. Gegengiftthese 73 Gewerblicher Rechtsschutz 7 Gleichheitsgrundsatz 198 ff. Globalsteuerung 3 Grundrechte – als objektive Wertordnung 146 – als System 161 ff. – als Wertinseln 147 – Drittwirkung 149 ff. – und Werbung 209 ff. – wirtschaftliche Valenz 144 Handlungsfreiheit 86, 94, 123, 171, 186 Individualethik 127 Institutionsethik 131 ff. Kaufkraftwettbewerb 100 Kommunikationsfreiheit 205 ff. Konkurrenz – atomistische 67 – freie 54 ff., 89, 92 ff. – funktionsfähige s. Workable Competition – neoklassische 92 ff., 264 – vollkommene 66 ff. – vollständige 69, 87 Konsumentenwohlfahrt 82 Konvergenz von UWG und GWB 34 f. Koordinationsmängelkonzept 111 Kunstfreiheit 233 Liberalismus – klassischer 54 ff.
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g) Art. 11 GG ____ 238 h) Art. 12 Abs. 1 GG ____ 241 i) Art. 13 GG ____ 248 j) Art. 14 GG ____ 252 Europäische Wirtschaftsverfassung ____ 258
– neoklassischer 37, 93 ff., 107 ff. – Ordo s. Ordo-Liberalismus Markt – relevanter 100 Marktbehinderung, allgemeine s. Marktstörung Marktstörung 114, 222 ff. Marktwirtschaft – offene 263, 270 – soziale 85 ff., 154 ff., 276 ff. – und Ethik 124 ff. Medienfreiheit 206 f. Meinungsfreiheit 207 ff. Mischwirtschaft 88, 158, 177 Mittelstandsschutz 91 more economic approach 102, 274 Nachahmungsgefahr 114 Natur der Sache 38 Neoliberalismus s. Neoklassik Neoklassik 91 ff., 109 ff., 117, 193, 260, 264, 273 Non-Dilemma-These s. Dilemma-These Optimum – Kaldor/Hicks 81 – Pareto 69 Ordnungsethik 131 ff. Ordo-Liberalismus 85 ff. Privatautonomie 190, 199 Religionsfreiheit 202 ff. Residenzpflichten 240 Schicksalspreis 67 Schutzzwecktrias 17 Sozialethik 127 ff. Sozialstaatsprinzip 153, 158, 170 Stufenwettbewerb 122 subjektive Unlauterkeitsmerkmale 114 Totalmarktkonzept 100 Vereinigungsfreiheit 234 ff. Vorfeldthese 229 Werbung 209 ff. Wettbewerb – als dynamischer Prozess 47, 61, 66, 95, 172 – Begriff 37 ff. – funktionsfähiger 80, 93, 120 ff. – Tatbestandsbezogenheit 53 – und Austauschprozesse 46 ff. – und Effizienz 81 ff., 96, 101 ff. – und Ethik 124 ff., 176
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Wettbewerb und Wirtschaftsordnung
– und Individualschutz 138 – und Institutionsschutz 138 – und Marktergebnisse 37, 72 ff., 81, 121 ff. – und Marktstruktur 71 ff., 80 ff. – und Parallelprozesse 46 ff. Wettbewerbsfreiheit 92 ff., 107 ff., 164, 171, 192 ff. – und Sozialstaatsprinzip 174 ff. – und Wirtschaftsverfassung 116 ff. Wettbewerbsfunktionen 57 ff., 78 ff., 84, 99, 105, 120 ff., 138 Wettbewerbsintensität – optimale 78 ff. Wettbewerbskonzeptionen 37 ff. – systemtheoretische 64, 93 ff., 125 ff., 172, 273 – wohlfahrtsökonomische 64, 66 ff., 81, 101, 114, 117, 120, 125, 260, 274 Wettbewerbsrecht – allgemeines 12
– als Lauterkeitsrecht 13 f. – Begriff 1 ff. – funktionales Verständnis 120 ff. – und Marktverhaltensregelungen 11 – und Ökonomik 15 ff. Wirtschaftsethik 127 ff. Wirtschaftsordnung – Begriff 142 Wirtschaftspolitische Neutralität – des UWG 23 ff. – des GG 143 ff., 151 ff. Wirtschaftsverfassung – Begriff 139 ff. – deutsche 141 ff. – europäische 258 ff. – und Grundrechte 144 ff., 182 ff. Wohnungsschutz 248 ff. Workable Competition 71 ff.
I. Begriff des Wettbewerbsrechtes Das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) bildet zusammen mit dem 1 inhaltlich verkürzt oft als Kartellrecht bezeichneten „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (GWB) jedenfalls unterhalb etwaiger europa- und verfassungsrechtlicher Maßgaben die Eckpfeiler des geltenden deutschen Wettbewerbsrechtes, 1 also des Rechtsgebiets, das spezifisch auf den (wirtschaftlichen) Wettbewerb bezogen ist. Wegen der zentralen Rolle, die das Wettbewerbsprinzip in der als (soziale) Marktwirtschaft konstituierten (Gesellschafts- und) Wirtschaftsverfassung2 der Bundesrepublik Deutschland spielt,3 ist damit zugleich auch der zentrale Stellenwert des Wettbewerbsrechtes und damit jedenfalls auch der des UWG für das Wirtschaftsrecht schlechthin markiert,4 wobei man zumindest annäherungsweise wiederum die ja rechtlich determinierte Wirtschaftsordnung mit Wirtschaftsrecht gleichsetzen kann. Im Einzelnen ist der Begriff des Wettbewerbsrechtes unscharf5 und seine Verwen- 2 dung demzufolge unterschiedlich. Zum Teil ist diese Unschärfe auf den schon selber schillernden Wettbewerbsbegriff6 zurückzuführen, der im Folgenden schärfer zu konturieren sein wird. Im weitesten Sinne rechnen zum Wettbewerbsrecht nicht nur GWB und UWG als dessen unzweifelhafte Kernbereiche, sondern daneben durchaus eine Vielzahl weiterer Normen, die in mehr oder weniger spezifischem Zusammenhang mit dem normativen Regelungsfeld „Wettbewerb“ stehen.7 Unter makroökonomischem Aspekt ist dabei vornehmlich an das StabG zu den- 3 ken. Es will die wirtschaftspolitischen Instrumente zur Verfügung stellen, die für eine
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1 Zu diesem weiten Begriff des Wettbewerbsrechtes s. z.B. Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 1 Rn. 2; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 2, Einf. D Rn. 70; I. Schmidt/Haucap S. 211 ff. 2 Die besonders von Rebe S. 26 ff. betonte Unterscheidung zwischen Wirtschaftssystem, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsordnung dürfte in diesem Zusammenhang ohne Belang sein. S.a. Bohling S. 1. 3 Leisner Soziale Marktwirtschaft, passim. 4 Dagegen Rittner/Kulka Einl. Rn. 13: Lauterkeitsrecht kein Teil des Wirtschaftsrechts. 5 Beater Rn. 4; Koppensteiner § 1 I. 6 I. Schmidt/Haucap S. 3: Wettbewerb als „sehr vielschichtiges Phänomen“. 7 Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 1 Rn. 1.
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Einleitung Teil A.
optimierte Globalsteuerung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs mit Blick auf das teilweise antinomische „magische Viereck“ des Zielkatalogs (§ 1 StabG) von Geldwertstabilität, hohem Beschäftigungsstand, außenwirtschaftlichem Gleichgewicht und Wirtschaftswachstum erforderlich sind.8 In engem sachlichen Kontext mit dem UWG steht die PAngV. Sie ist erkennbar Teil des Wettbewerbsrechts, weil sie jedenfalls im Verhältnis zu Letztverbrauchern für die konkrete Ausgestaltung der unternehmerischen Preispolitik, einem zentralen Instrument des wirtschaftlichen Wettbewerbs, von großer Bedeutung ist. Klare wettbewerbsrechtliche Facetten weisen beispielsweise auch die zahlreichen Vermarktungsvorschriften des AMG, des HWG oder des LFGB (früher LMBG) auf (zu ihrem Verhältnis zum UWG s. Einl. G Rn. 17 ff.). Wettbewerbsrechtlich zu klassifizieren sind ferner die Wettbewerbsverbote für Handlungsgehilfen und persönlich haftende Personenhandelsgesellschafter in den §§ 60, 74 ff., 112 HGB. Gelegentlich ist der wettbewerbsrechtliche Kontext erst auf den zweiten Blick erkennbar. So eignet etwa auch dem LadenschlussG neben seiner gerne betonten Seite als Arbeitnehmerschutzrecht 9 wettbewerbsrechtliche Qualität hinsichtlich der zeitlichen Einschränkung von Marktpräsenz, was freilich nichts über die wettbewerbliche Produktivität dieses Gesetzes aussagt. Das LadenschlussG ist geradezu als „Zwangskartell für den Einsatz des Aktionsparameters Verkaufszeit“ zu kennzeichnen und mit einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung letztlich nicht vereinbar, gleichgültig, wie seine Restriktionen im Einzelnen beschaffen sein mögen.10 Im wettbewerbsrechtlichen Kontext steht vor allem auch der Normenkomplex des sog. Gewerblichen Rechtsschutzes, insoweit durch die Einräumung von Ausschlusspositionen Vorsprungsgewinne zumindest befristet rechtlich abgesichert werden. Im Einzelnen herrscht allerdings über die Zuordnung einzelner Rechtsmaterien des Gewerblichen Rechtsschutzes zum Wettbewerbsrecht Streit. Hintergrund dafür ist das (wenig überzeugende) Postulat einer prinzipiellen Unvereinbarkeit von wirtschaftlicher Verwertungsperspektive und persönlichkeitsrechtlicher Dimension. Diese beiden Aspekte kennzeichnen nun namentlich das Urheberrecht, sodass sich gerade an ihm der Streit um die Zuordnung einer Rechtsmaterie zum Gewerblichen Rechtsschutz entzündet.11 Strukturell widersetzt sich der Gewerbliche Rechtsschutz, indem er auf Zuweisung absoluter Rechte12 abstellt, freilich so oder so einer Annäherung an die wettbewerbsrechtlichen Kernbereiche UWG und GWB, die Derartiges nicht kennen. Sind mithin die äußersten Grenzen des Wettbewerbsrechtes jedenfalls recht weit zu ziehen, so haben sich gleichwohl engere Begriffe des Wettbewerbsrechtes herausgebildet. Dem jeweils unterschiedlichen Erkenntnisinteresse folgend wird so etwa in der
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8 Zum gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht als Ziel des StabG (wie auch des Unionsrechts, Art. 3 Abs. 3 AEUV) und den daran anknüpfenden Problemen auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht gut informierend Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 10 I, II; vgl. zur Kontingenz von StabG und GWB prägnant Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 8. 9 Vgl. BVerfG 29.11.1961 BVerfGE 13, 237, 240; BVerfG 21.2.1962 BVerfGE 14, 19, 22; BVerwG 12.12.1967 BVerwGE 28, 295 f. = GRUR 1969, 88 f. – freie Möbelschau; BGH 7.11.1980 BGHZ 79, 99 f. = GRUR 1981, 424 f. – Tag der offenen Tür II. 10 So völlig zu Recht (wenngleich zu dem früheren, noch wesentlich restriktiveren Rechtszustand) Gröner/Köhler Der Selbstbedienungsgroßhandel zwischen Rechtszwang und Wettbewerb (1986) 60 ff.; a.A. unter Zugrundelegung „wirtschaftspolitischer Neutralität“ des GG freilich BVerfG 29.11.1961 BVerfGE 13, 230; BVerfG 29.11.1961 BVerfGE 13, 237; BVerfG 21.2.1962 BVerfGE 14, 19. S. dazu wiederum Rn. 142 ff. 11 Dazu Götting Gewerblicher Rechtsschutz § 1 Rn. 7 ff., § 6 Rd. 21 ff.; Wandtke in Wandtke (Hrsg.), Urheberrecht, 3. Aufl. (2012) 1. Kap. Rn. 30 ff. 12 Zur Dreiteilung der subjektiven Rechte (absolute, relative, Gestaltungsrechte) und den sich daran anknüpfenden rechtlichen Konsequenzen s. Schünemann Wirtschaftsprivatrecht, 6. Aufl. (2011) 59 ff.
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Volkswirtschaftslehre mit „Wettbewerbsrecht“ durchweg das GWB identifiziert, schon weil dieses Verständnis sich zwanglos einer Wissenschaftstrias von Wettbewerbstheorie, Wettbewerbspolitik und eben Wettbewerbsrecht einfügt.13 In der naturgemäß eher an konkret-unternehmerischem Markthandeln interessierten Betriebswirtschaftslehre wird mit Wettbewerbsrecht hingegen zumeist das UWG assoziiert.14 Auch im rechtswissenschaftlichen Kontext herrscht dieser am UWG orientierte Begriffsgebrauch des Wettbewerbsrechtes i.e.S. vor.15 Es handelt sich dabei allerdings um eine bloße Usance; dogmatisch ist gleichgültig, um welchen Mittelpunkt (UWG oder GWB) der Kreis des Wettbewerbsrechtes gezogen wird. So und so bilden Lauterkeits- und Kartellrecht den Kern des Wettbewerbsrechts, da sie entgegen dem ersten Anschein materiell eine Einheit bilden (s. Einl. G Rn. 36 ff.). Deshalb ist die zu wählende Terminologie mehr als nur eine Frage der Konvention, weil damit auch zutreffende oder unzutreffende inhaltliche Vorstellungen über das Verhältnis von UWG und GWB zueinander begünstigt werden. Sachlich naheliegend und im Interesse terminologischer Klarheit angeraten erscheint es mithin, entgegen bisheriger Übung als Wettbewerbsrecht i.e.S. zusammenfassend UWG und GWB zu bezeichnen16 und, wo nötig, erst auf einer niedrigeren begrifflichen Ebene Differenzierungen vorzunehmen. Damit wird terminologisch Raum geschaffen für ein Wettbewerbsrecht i.w.S., in dem außer den wettbewerbsrechtlichen Eckpfeilern UWG und GWB dann als wettbewerbliche Sonder- oder Nebengesetze auch noch die diversen Normen mit spezifischem Wettbewerbsbezug in anderen Gesetzen (s. die einschlägigen Hinweise in Rn. 3 ff.) zusammengefasst sind. Was zum Wettbewerbsrecht i.w.S. zu zählen ist, ist nicht nur terminologisch von Interesse. Die Bedeutung des Wettbewerbsrechts i.w.S. erhellt etwa mit Blick auf § 4 Nr. 11 (s.a. Einl. G Rn. 23 ff.). Denn jene Normen, die mit § 4 Nr. 11 „auch dazu bestimmt (sind), im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln“, sind nur als Normen des Wettbewerbsrechts i.w.S. vorstellbar. Selbst wenn Marktverhaltensnormen ohne Wettbewerbsbezug existieren sollten, wären sie für § 4 Nr. 11 unbeachtlich, weil die Teleologie des UWG allein auf die Bekämpfung von wettbewerbsfunktional verstandener, in diesem Sinne marktbezogener Unlauterkeit und (damit)17 Wettbewerbsverfälschungen ausgerichtet ist.18 Allerdings ist der integrale Wettbewerbsbezug einer Marktverhaltensnorm nur notwendige, nicht jedoch hinreichende Bedingung zum Eingreifen des Lauterkeitsrechts, wie sich exemplarisch an kartellrechtlichen Normen erweist (s. näher Einl. G Rn. 58 ff.). Als missverständlich jedenfalls zu vermeiden ist die gelegentlich gewählte Bezeichnung des UWG als „allgemeines Wettbewerbsrecht“,19 sofern nicht wenigstens gleich-
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13 Vgl. Braun ORDO 35 (1984) 297; Cox/Hübener I 4b; Reich ARSP 1976, 111. 14 Vgl. hier nur Ahlert, passim. 15 Dies wird allein schon durch den jeweiligen Titel „Wettbewerbsrecht“ vermittelt, wenn darunter nicht das GWB, sondern das UWG behandelt wird, vgl. z.B. Cl. Ahrens, Baumbach/Hefermehl, Berlit, Boesche, Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß, Götting, Jestaedt, Köhler/Bornkamm, Lehmler, Lehr, Lettl, Nordemann und Schwintowski, oder wenn das „Wettbewerbsrecht“ dem „Kartellrecht“ gegenübergestellt wird, wie z.B. bei Rittner/Kulka (Werktitel) und § 1 Rn. 1. Vgl. im Übrigen weniger beiläufig z.B. Koppensteiner § 1 I; Möhring WuW 1954, 387; Pichler S. 24; Schünemann Wettbewerbsrecht S. 23 f. 16 Ebenso Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 2 Rn. 13. 17 Zu diesem Pleonasmus Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 102 ff., 108 ff.; so ausdrücklich („damit zugleich“) auch Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 4 Rn. 1; a.A. aber z.B. Rittner/ Kulka § 1 Rn. 26. 18 Eingehend Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 7 ff., 85 ff., 92 ff., 102 ff., § 3 Rn. 199 ff., 243 ff., 300. 19 So Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 81; Körner FS Ullmann 701 ff.
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zeitig klarstellend z.B. AMG, HWG oder LFGB (früher LMBG) und ähnliches als „Sonderwettbewerbsrecht“ (zumindest in Teilen dieser Gesetze) in Bezug genommen wird.20 Eine gewisse Prägnanz mag der Begriff eines allgemeinen Wettbewerbsrechtes auch als Inbegriff des GWB und des UWG gewinnen: Wie auch immer deren Verhältnis zueinander bestimmt werden muss, markieren beide den Kernbereich der Rechtsnormen mit Wettbewerbsbezug, um den herum Sonder- oder Nebenwettbewerbsrecht angesiedelt ist. 13 Kaum noch Missverständnissen ausgesetzt und deshalb zur Bezeichnung der UWGMaterie samt seiner Sonder- bzw. Nebengebiete (s.a. Einl. G Rn. 19 f.).21 zumindest wegen seiner Kürze vorzugswürdig ist der mittlerweile auch außerhalb der Schweiz weit verbreitete Begriff „Lauterkeitsrecht“.22 Denn das UWG basiert seit 2004 mit seinem § 3 Abs. 1 ausdrücklich und exklusiv auf der Unlauterkeit als dem (jetzt neben der „Spürbarkeit“ der Interessenbeeinträchtigung) primären Kriterium für rechtlich unzulässiges geschäftliches Handeln. Die kennzeichnende Kraft des Lauterkeitsbegriffs für das UWG wird nicht dadurch 14 in Frage gestellt, dass sich jedenfalls nicht auf den ersten Blick erschließt, in welchem Verhältnis die Unlauterkeit zu dem in § 3 Abs. 2 S. 1 in Bezug genommenen Verstoß gegen die „fachliche Sorgfalt“ steht, die ein Unternehmer gegenüber Verbrauchern bei der Vornahme geschäftlicher Handlungen zu beobachten hat und der diese Handlungen als „jedenfalls unzulässig“ disqualifiziert.23 II. Wettbewerb im Schnittfeld von Ökonomik und Recht 15
1. Bedeutung der Ökonomik für das Wettbewerbsrecht. Der Wettbewerb als Regelungssubstrat des Wettbewerbsrechts, sei Wettbewerb nun Zustand, Verhalten oder Verhaltensprozess, ist Erkenntnisobjekt der Wirtschaftswissenschaften. Aus diesem von den Wirtschaftswissenschaften zu eruierenden Rahmen können sich das Wettbewerbsrecht und seine Dogmatik bei aller für eine rechtliche Betrachtungsweise spezifischen Normativität nicht lösen. Von daher ist die Relevanz der Wirtschaftswissenschaften für Verständnis und Anwendung des Wettbewerbsrechts letztlich eine bare Selbstverständlichkeit.24 Umgekehrt ist freilich festzustellen, dass die Ökonomik ihrerseits die juristisch-normative Ebene von Markt und Wettbewerb, speziell von „lauterem“ Wettbewerb, praktisch nicht zur Kenntnis nimmt.25
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20 S. Körner FS Ullmann 701 ff. 21 Näher zur begrifflichen Reichweite aus europäischer Sicht Henning-Bodewig S. 9 ff. 22 Vgl. z.B. Drews passim; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 1 Rn. 2, Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 2 sowie den Werktitel von Fezer oder den MünchKommUWG, der ausdrücklich das „Lauterkeitsrecht“ kommentieren will. Näher zum Lauterkeitsrecht aus europäischer Sicht Henning-Bodewig S. 9 ff. Den Begriff ablehnend Beater Rn. 2, u.a. weil der Begriff zwei wesensfremde Dinge zusammenzwinge. Der von ihm favorisierte Begriff „Recht gegen den unlauteren Wettbewerb“ ist indes recht sperrig. 23 Nach Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 434 ff. handelt es sich praktisch um identische Begriffsinhalte, sodass die „fachliche Sorgfalt“ gegenüber der Lauterkeit als Beurteilungsmaßstab „kein praktisches Eigenleben“ entfalte. Gleichsinnig Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 Rn. 30 ff. 24 Beater Rn. 133 f.; Raisch und K. Schmidt in Grimm (Hrsg.), Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften Bd. I (1973) 134/159 ff.; Schünemann Ökonomische Analyse S. 50 ff.; Sölter Wettbewerbsbegriff, 93 ff., der freilich zugleich ein häufig gestörtes Verhältnis der Jurisprudenz zur Ökonomik beklagt. A.A., also explizit kritisch gegenüber der Einbeziehung der Ökonomik in die Jurisprudenz, z.B. Schachtschneider Staatsunternehmen und Privatrecht (1986) 385 ff. 25 Dazu Pichler S. 87 unter Hinweis auf den etwas anderen Befund in der betriebswirtschaftlichen Teildisziplin des Marketing.
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Gesetzgebung, Dogmatik und jedenfalls kartellamtliche Rechtspraxis des GWB und 16 vergleichbarer Regelwerke des benachbarten Auslands sind seit jeher stark von wirtschaftswissenschaftlichen Theoremen (speziell, aber nicht nur) über den Wettbewerb geprägt.26 Davon unberührt bleibt freilich die Notwendigkeit, „Wettbewerb“, „Wettbewerbsbeschränkung“, „wesentlicher Wettbewerb“ und ähnliche Schlüsselbegriffe als Elemente kartellrechtlicher Tatbestände bzw. deren Schutzobjekte eben den spezifisch juristischen Interpretationsmethoden zu unterwerfen, sie überhaupt juristisch-praktikabel zu operationalisieren.27 Auch das UWG ist weder dogmatisch verstehbar noch angemessen zu interpretieren 17 und zu handhaben, wenn sein ökonomischer Kontext, namentlich der Wettbewerb, nicht hinreichend aufgehellt wird.28 Denn nur so lässt sich etwa erfassen, welche individuellen Interessen der Marktteilnehmer § 1 UWG nun für schutzwürdig erklärt,29 insbesondere auch, was nun jener „unverfälschte Wettbewerb“ ist, der den Gegenstand des insoweit allein schützenswerten Interesses der Allgemeinheit bildet.30 Das so entwickelte Bündel von Schutzzwecken, eine Schutzzwecktrias im Blick auf Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer sowie schließlich die Allgemeinheit,31 ist wiederum der Dreh- und Angelpunkt der allgemein maßgeblichen,32 hier an Sinn und Zweck des UWG orientierten, also teleologischen Auslegung der lauterkeitsrechtlichen Normen, insbesondere seiner unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln.33 Diese große hermeneutische Bedeutung des Wettbewerbsbegriffs erhellt endlich, wenn man vor allem mit
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26 Vgl. Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 7 ff.; Kartte/Holtschneider Konzeptionelle Ansätze und Anwendungsprinzipien im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, in Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs (1981) I 2, II; Lux S. 49 ff.; Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 61 („selbstverständlich“ Zusammenarbeit zwischen Ökonomen und Juristen); Pichler S. 27, 55 ff., 63 ff., 69 ff.; Ruffner S. 11 ff., 22 ff.; I. Schmidt Kartellrecht, passim; Schwalbe/Zimmer Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl. (2011) passim. 27 Mestmäcker/Schweitzer § 22 Rn. 76; Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 62 ff., 79; ders. FS Tilmann 705 ff.; Pichler S. 27; Rebe S. 35 ff. 28 Leistner S. 140 ff.; Lux S. 54 f.; Merz S. 185, 215; MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. Rn. 2; Rebe S. 152; Schünemann Ökonomische Analyse S. 43 ff., 50 ff.; ders. Beitrag S. 97 ff.; Spliethoff S. 242 ff.; kritisch aber Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 19. S.a. Rn. 23 ff., 37 ff. 29 Beater Rn. 805 ff.; ders. WRP 2009, 768 ff.; Götting/Nordemann § 1 Rn. 9 ff.; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Leistner § 4 Rn. 1; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 56 ff., 62 ff. 30 Zu dieser Exklusivität grundlegend Schünemann Voraufl. Einl. Rn. C 23, C 26 ff., D 37 ff., damals im Gegensatz zur ganz. h.M.; s.a. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 85 ff.; ders. Ökonomische Analyse S. 46, jeweils m.w.N.; a.A. heute namentlich Fezer/Fezer § 1 Rn. 50 ff. 31 Zur sog. Schutzzwecktrias (oder auch verkürzt „Schutztrias“) s. BGH 7.10.1993 BGHZ 123, 334 = GRUR 1994, 126 – Folgeverträge; BGH 11.5.2000 – I ZR 28/98 – BGHZ 144, 265 = GRUR 2000, 1076 – Abgasemissionen; BGH 26.4.2001 – I ZR 314/98 – BGHZ 147, 303 = GRUR 2001, 1178 – Gewinnzertifikat; Ahrens, Cl. Wettbewerbsrecht Rn. 2; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 3 Rn. 9 f.; Götting Wettbewerbsrecht § 4 Rn. 5, § 6 Rn. 7; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 10 ff.; Lux S. 282 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 10. S.a. I. Schmidt/Haucap S. 231; a.A. (Schutzzweckdualismus von Individual- und Kollektivinteressen) Fezer/Fezer § 1 Rn. 28 f., 49 ff., 58 ff.; zustimmend Boesche Rn. 1. 32 Zum anerkannten juristisch-hermeneutischen Kanon s. in ständiger Rspr. nur BGH 23.10.1980 BGHZ 78, 263; BGH 14.6.1983 BGHZ 87, 383; aus der Literatur z.B. Rüthers/Fischer/Birk Rn. 717 ff.; Zippelius Juristische Methodenlehre, 10. Aufl. (2006) 49 ff. 33 BVerfG 7.11.2002 – 1 BvR 580/02 – WRP 2003, 69, 71 – Veröffentlichung von Anwaltsranglisten; BGH 3.12.1998 BGHZ 140, 134 = GRUR 1999, 1128 – Hormonpräparate; BGH 11.10.2001 – I ZR 172/99 – GRUR 2002, 269 – Sportwetten-Genehmigung; BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01 – BGHZ 158, 174 = GRUR 2004, 696 – Direktansprache am Arbeitsplatz I. Eingehend zur Bedeutung von Schutzzwecken im Wettbewerbsrecht Beater Verbraucherschutz S. 4 ff., 31 ff.; ders. § 14 Rn. 1064; Fezer/Fezer § 1 Rn. 2 ff.; Götting Wettbewerbsrecht § 4 Rn. 2; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 7 ff.; E. Ulmer GRUR 1937, 767, 772 f.
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der neueren Judikatur34 und Literatur35 Unlauterkeit zutreffend als Wettbewerbswidrigkeit begreift.36 2. Wettbewerbsfunktionale Auslegung oder „wirtschaftspolitische Neutralität“ des UWG? 18
a) Auslegung des UWG im Allgemeinen. In seinem Kern besteht das UWG aus privatrechtlichen Normen, wie auch im Durchsetzungsmechanismus der §§ 8 ff. zum Ausdruck kommt. Die Einrichtung von Einigungsstellen durch § 15 ändert daran nichts, sondern verdeutlicht den Befund mit dem Hinweis auf ihren Zweck, nämlich die „Beilegung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird“. Dieser privatrechtliche Charakter bestimmt auch die Auslegung des UWG. Sie weist mangels eigener Interpretationsvorgaben des UWG gegenüber der Interpretation sonstigen Privatrechts keine Eigenarten auf,37 verlangt dabei aber selbstverständlich die allgemeine methodologische Positionsbestimmung zwischen Begriffs-, Interessen- bzw. Wertungsjurisprudenz und sonstigen hermeneutischen Verfahren. Privatrechtliches Schrifttum und Judikatur folgen seit langem den Interpretationsprinzipien der Wertungsjurisprudenz.38 Straf- und Ordnungswidrigkeitstatbestände wie §§ 16–20 unterliegen allerdings 19 dem für diese Rechtsmaterien generell geltenden Analogieverbot.39 Diese auslegungsmethodische Besonderheit entfällt hinwiederum, wenn jene Normen durch an sie anknüpfende Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung, Schadensersatz und Gewinnabschöpfung insoweit auch auf der Tatbestandsseite einen privatrechtlichen Charakter annehmen (Normspaltung).40 Anwendungspraktisch wird dies, wenn man, was naheliegend erscheint, das in §§ 16 ff. inkriminierte Verhalten als unlauter i.S. von § 3 Abs. 1 erachtet. Die für das GWB gelegentlich gestellte Frage, ob die dortigen Verbotstatbestände nicht eher wie Eingriffstatbestände des Verwaltungsrechts auszulegen sind,41 wird für das UWG zu Recht nicht aufgeworfen.
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34 BGH 11.1.2007 – I ZR 96/04 – BGHZ 171, 73 = GRUR 2007, 800 Tz. 21 – Außendienstmitarbeiter; BGH 26.9.2002 – I ZR 293/99 – GRUR 2003, 164, 165 – Altautoverwertung; BGH 19.10.2000 – I ZR 225/98 – GRUR 2001, 443, 444 – Viennetta; BGH 15.6.2000 – I ZR 90/98 – GRUR 2001, 251, 253 – Messerkennzeichnung; OLG Saarbrücken 2.8.2000 – 1 U 1086/99 – 265 – GRUR 2001, 175 – Testkauf zum Preisvergleich. 35 Vgl. z.B. Beater Rn. 987 ff.; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 Rn. 22 ff.; Fezer WRP 2001, 989, 998 f.; Koppensteiner § 32 Rn. 43; Schünemann WRP 2004, 925, 930 f., sämtlich m.w.N. 36 Dies ist der Kern des sog. wettbewerbsfunktionalen Verständnisses des Wettbewerbsrechtes, vgl. eingehend Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 Rn. 22 f.; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 199 ff.; ders. Ökonomische Analyse S. 62 ff., 67 Fn. 112; ders. Beitrag S. 105 ff.; Pichler S. 88 ff. (alle m.w.N.). 37 Zustimmend Pichler S. 88; a.A. Sambuc S. 27 f. (gegen ihn wiederum Ohly S. 226 f.). 38 Vgl. aus der Zivilrechtsprechung etwa BGH 30.6.1966 BGHZ 46, 74, 76 ff.; repräsentativ für die Literatur – jeweils m.w.N. auch der Gegenmeinungen – Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991) 119 ff., 125 f.; Rüthers/Fischer/Birk Rn. 524 ff., 532; kritisch zur tradierten Hermeneutik MünchKommBGB/Säcker Einl. Rn. 74 ff., 95 ff. 39 Vgl. auch BGH 17.12.1970 BGHSt 24, 54 = NJW 1971, 521 – Teerfarben. 40 Für diese Lösung des Problems der sog. Normspaltung zutreffend schon Herschel NJW 1968, 533; a.A. (für den damaligen § 1 Abs. 3 ZugabeVO) BGH 24.2.1978 GRUR 1978, 485 – Gruppenreisen. S.a. (teilweise kritisch) Möschel Wettbewerbsbeschränkung Rn. 118. 41 Dafür Rittner Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. (1993) § 5 C II 1a; dagegen Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 117 ff.
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Innerhalb der Wertungsjurisprudenz genießt die teleologische, auf die ratio legis ab- 20 stellende Auslegung einen besonders hohen Rang.42 Dabei darf allerdings nicht der Sinnzusammenhang der Einzelnorm mit der Gesamtheit des Normengefüges, dessen Teil sie darstellt, unterbrochen werden.43 Die zweckorientierte Auslegung der Einzelnorm ist vielmehr ihrerseits im Lichte der Teleologik des Normensystems vorzunehmen.44 Teleologische und systematische Interpretation sind mithin komplementäre Größen 21 und können nicht, mit unterschiedlicher Wertigkeit versehen, einander gegenüber gestellt werden.45 Namentlich die lauterkeitsrechtlichen Normen mit generalklauselartig „offenen“ Tatbeständen wie § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1 und § 7 Abs. 1 S. 1, aber auch konstruktive Elementarbegriffe wie etwa der des „Mitbewerbers“ oder des „unverfälschten Wettbewerbs“ bedürfen eines übergeordneten gedanklichen Bezugspunktes, der der hier geforderten Konkretisierung Richtung und Grenzen weist und damit zugleich sicherstellt, dass die Auslegungsergebnisse mit einer etwaigen wettbewerbskonzeptionellen Basis des UWG harmonieren. Legaldefinitionen, die ohnehin nicht die notwendige Begrifflichkeit in voller Breite 22 abdecken können, ändern an dieser Notwendigkeit regelmäßig nichts, ändern vielmehr nur den hermeneutischen Fokus. So versucht § 2 Nr. 3 zwar den „Mitbewerber“ zu definieren, verschiebt damit aber das Auslegungsproblem lediglich auf das „konkrete Wettbewerbsverhältnis“. Im Übrigen kann kein Gesetzgeber dogmatische Einsichten dekretieren. b) Interpretativer Einfluss von Wettbewerbskonzeptionen? Dass auf den Ausle- 23 gungsprozess in Bezug auf das Wettbewerbsrecht wirtschaftswissenschaftliche Wettbewerbskonzeptionen Einfluss nehmen können und müssen, ist nach dem bisher Gesagten eigentlich fast selbstverständlich, wird traditionell aber unter dem Stichwort „wirtschaftspolitische Neutralität des UWG“ und dabei insbesondere im Blick auf seine Kriterien für unlauteres Marktverhalten diskutiert.46 Dabei ist zu beachten, dass daneben eine zweite Neutralitätsthese vertreten wird, die sich aber auf die Frage bezieht, ob wirtschaftsverfassungsrechtlich eine wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft vorgegeben ist oder ob die Wirtschaftsordnung europa- und nationalrechtlich politisch disponibel ist (dazu Rn. 142 ff., 164 ff.). Die höchstrichterliche Rechtsprechung der Nachkriegszeit hat sich wiederholt ge- 24 gen die Einbeziehung wirtschaftspolitischer Gesichtspunkte in die lauterkeitsrechtliche Beurteilung ausgesprochen. 47 Die einschlägigen Wendungen dürfen allerdings nicht losgelöst von ihrem sprachlichen Kontext gedeutet werden. Anliegen dieser Judikatur ist lediglich, wirtschaftspolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen keinen Raum zu geben,48 nachdem die Rechtsprechung sich gelegentlich dazu verstiegen hatte, sogar betriebswirtschaftliche Aspekte vermeintlich vernünftigen unternehmerischen Handelns dem
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42 Vgl. z.B. BGH 23.10.1980 BGHZ 78, 263, 265; BGH 14.6.1983 BGHZ 87, 383; Rüthers/Fischer/Birk Rn. 136, 717 ff. 43 Zur systematischen Auslegung s. allgemein Rüthers/Fischer/Birk Rn. 744 ff. 44 Rüthers/Fischer/Birk Rn. 746. So speziell auch für das Wettbewerbsrecht Schricker Gesetzesverletzung S. 223 f.; ders. GRUR 1974, 579, 583. Zur Teleologie des UWG s. § 1 mit der dortigen Kommentierung. 45 Merz S. 63 („systematisch-teleologische Auslegungsmethode“). 46 Zu den Grundlinien der Diskussion s. Lux S. 55 ff.; Einzelnachweise des Meinungsstandes sogleich. 47 BGH 22.2.1957 BGHZ 23, 365, 375 = GRUR 1957, 365, 368 – Suwa; BGH 26.2.1965 BGHZ 43, 278, 283 = GRUR 1965, 489, 491 – Kleenex; BGH 22.1.1969 GRUR 1969, 295, 298 – Goldener Oktober; BGH 31.1.1979 GRUR 1979, 321 – Verkauf unter Einstandspreis; a.A., sich ausdrücklich auf „wirtschaftspolitische Erwägungen“ stützend, OLG Frankfurt/M. WRP 1975, 367, 369 – Eintrittsgeld. 48 S.a. v. Gamm NJW 1980, 2489 f.
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Lauterkeitsmaßstab einzuverleiben.49 Die Beeinflussung durch wirtschaftspolitische Basisvorstellungen, insb. wettbewerbskonzeptioneller Art, hat die Rechtsprechung hingegen weder verleugnen können, noch wohl auch verleugnen wollen.50 Die Rechtsprechung ist insoweit also durchaus nicht widersprüchlich.51 Die substantielle Divergenz, die sich hinter dem Pro und Contra der auf das UWG bezogenen Neutralitätsthese in der Literatur verbirgt, ist durchweg vage, weil schon der Neutralitätsbegriff selber unterschiedlich aufgefasst wird. Beide Positionen gehen incidenter zunächst zutreffend davon aus, dass der Normtext des UWG keine Anhaltspunkte für die Relevanz bestimmter Wettbewerbskonzeptionen liefert. Eine ausdrückliche tatbestandliche Anknüpfung etwa an bestimmte Marktformen oder Unternehmensgrößen, auf Marktdominanz und ähnliches, fehlt jedenfalls. Strukturpolitische Überlegungen zugunsten eines Mittelstandsschutzes wurden freilich durchaus offen vom historischen Gesetzgeber der Vorläufer des UWG in seiner aktuellen Fassung angestellt,52 haben im geltenden Recht allerdings keinerlei Ausdruck gefunden.53 In diesem Sinne ist das UWG gewiss „wirtschaftspolitisch neutral“. Im Lichte dieser normtextlichen Abstinenz wird herkömmlich von den Befürwortern dieser Neutralitätsthese vor allem der Standpunkt vertreten, ein wettbewerbliches Handeln sei bezüglich seiner Lauterkeit an Maßstäben zu messen, die von der jeweiligen Wirtschaftsordnung abgelöst seien. Geschäftsmoral i.S.d. „guter Sitten“, die im Wettbewerbsrecht vor 2004 den Maßstab liefern sollten, einerseits und Wirtschafts-, speziell Wettbewerbspolitik andererseits seien disparate Größen. Von daher wurde vielfach angenommen, wettbewerbsrechtliche Verhaltensregeln würden von den Prinzipien einer Wirtschaftsordnung gar nicht berührt, seien grundsätzlich stets zu beachten und in diesem Sinne systemindifferent. Für die lauterkeitsrechtliche Verhaltensbeurteilung könnten wirtschaftspolitische, speziell wettbewerbspolitische Konzeptionen deshalb keine Bedeutung gewinnen und sollten dies auch nicht.54 In diesen gedanklichen Bahnen bewegt man sich wohl auch,55 wenn man zumindest im Teilbereich des „b2c“, also im Verhältnis von Unternehmern (business) zu Verbrau-
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49 Zur Gesamttendenz vgl. RG 27.3.1936 GRUR 1936, 810 – Diamantine; RG 19.10.1937 GRUR 1938, 207 – Persil; RG 24.6.1939 GRUR 1939, 862 – Lockenwickler. Verbrämt als Irreführungstatbestand wurde auch die sog. Wertreklame wegen ihres Moments der Unentgeltlichkeit als betriebswirtschaftlich „unvernünftig“ lauterkeitsrechtlich gebrandmarkt, vgl. nur BGH 18.10.1990 BGHZ 112, 311, 313 ff. = GRUR 1991, 542 f. – Biowerbung mit Fahrpreiserstattung. Zum eigentlich selbstverständlichen Recht, Leistungen am Markt auch kostenlos anzubieten, s. nunmehr BGH 22.5.2003 – I ZR 185/00 – GRUR 2003, 804 ff. – Foto-Aktion. Zum Ganzen vgl. den zu Recht kritischen Rückblick bei Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 12 Rn. 25 ff., 31 f. 50 BGH 26.3.1971 GRUR 1971, 477 – Stuttgarter Wochenblatt II; BGH 17.12.1976 GRUR 1977, 608 – Feld und Wald II, BGH 11.3.1977 GRUR 1977, 668 – WAZ-Anzeiger; dazu Sack WRP 1974, 247 f.; Tyllack S. 251 f.; P. Ulmer GRUR 1977, 565, 578 f. 51 So aber der Vorhalt von Lehmann Mitarbeiter-FS 321, 325. 52 Zur ersten Beratung des UWG in der Reichstagssitzung vom 25.1.1909 s. GRUR 1909, 106 ff., insbesondere die Redebeiträge der Abgeordneten Giese (S. 107), Findel (S. 116) und Linz (S. 119). 53 Zum früheren Recht s. aber z.B. Lindacher BB 1975, 1311 f. (zweifelnd); Reichold AcP 193 (1993) 204, 230; Schünemann Wettbewerbsrecht S. 170. 54 Baudenbacher ZHR 144 (1980) 145 ff.; ders. Suggestivwerbung S. 132; Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 16c, 79, Einl. Rn. 5; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.16; Döll BB 1965, 173, 176; Kraft FS Bartholomeyczik 223, 234 f.; Kroitzsch BB 1977, 220; Merkel BB 1977, 705 f.; Mestmäcker Verwalteter Wettbewerb S. 76 ff.; Samwer GRUR 1969, 326, 329 f.; Schluep GRUR Int. 1973, 446, 449 (s. aber auch S. 452); Scholz ZHR 132 (1969) 97, 113; Schwartz GRUR 1967, 333, 343; E. Ulmer GRUR 1951, 355 f.; Wiedemann ZGR 1980, 168 f.; Willemer WRP 1976, 16, 18. 55 S. hierzu etwa Lux S. 55 ff., der in seinen Darlegungen offenkundig eine diesbezügliche Kontinuität schon für das UWG 2004 und seine Vorgänger als selbstverständlich annimmt.
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chern (consumers), nach § 3 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 2 Nr. 7 die gebotene „fachliche Sorgfalt“ als Lauterkeitskriterium für „geschäftliches Handeln“ gelten lassen will, also den „Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten einhält.“ Noch leichter lässt sich eine erneuerte Neutralitätsthese mit Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 lit. h) RL 2005/29/EG stützen, wenn sich demnach die Unlauterkeit daraus ergeben soll, dass die fraglichen geschäftlichen Handlungen gegen „anständige Marktgepflogenheiten“ verstoßen.56 Auch eine am reinen Wortsinn von „Lauterkeit“ orientierte Auslegung liegt auf dieser Linie. Die Gegenmeinung, die ebenfalls nie die normtextliche Abstinenz des UWG bezüglich irgendwelcher Wettbewerbskonzeptionen geleugnet hat, zieht aus diesem Befund allerdings die gegenteiligen Folgerungen. Die normtextlich wirtschaftspolitische Neutralität wird als Aufgeschlossenheit und Flexibilität gegenüber UWG-exogenen Maßgaben verstanden: In einer konkreten Rechts- und Wirtschaftsordnung eingesetzt, wandele sich die vordergründig zu konstatierende Neutralität und Fungibilität des UWG daher zum notwendigen Engagement für die so von außen herangetragenen Wertungskriterien, wie sie sich namentlich aus den wirtschaftspolitisch geltenden Ordnungsprinzipien, aber auch aus wirtschaftswissenschaftlichen Einflussgrößen ergäben.57 Der Meinungsstreit verliert bei näherer Analyse der Aussagensubstanz freilich an Bedeutung und es zeigt sich durchaus eine Konvergenz. Zwar wäre es logisch an sich möglich, das Lauterkeitsrecht, namentlich den Maßstab der „guten Sitten“, der „Lauterkeit“, der „fachlichen Sorgfalt“, der „anständigen Marktgepflogenheiten“ etc. ganz isoliert von den wirtschaftspolitischen Grundentscheidungen einer Rechtsordnung zu entwickeln, ohne dass sich ein solches Gesetz dazu in offenen Widerspruch setzen müsste. Dieser Ansatz wird in seiner Durchführung aber auch von denen relativiert, die die wirtschaftspolitische Neutralität des UWG i.S. seiner grundsätzlichen Wertungsautonomie proklamieren. Auch von dieser Seite wird betont, dass die Grundsätze der Wirtschaftsverfassung und damit auch wirtschaftspolitische Gesichtspunkte bei der rechtlichen Bewertung wettbewerblichen Verhaltens durchaus nicht unbeachtet bleiben sollten. Man wendet sich vielmehr nur gegen die Berücksichtigung wirtschaftspolitischer, nicht selten kurzfristig sich wandelnder Zweckmäßigkeitserwägungen.58 Darin trifft man sich aber mit der Gegenmeinung, welche die Relevanz wirtschafts-, insbesondere wettbewerbspolitischer Überlegungen zutreffend ebenfalls nur insoweit bejaht, als bestimmte wirtschaftspolitische Ziele oder ordnungspolitische Vorstellungen rechtsverbindlichen Ausdruck gefunden haben bzw. einen überindividuellen, objektivierbaren hermeneutischen Bezugspunkt haben. Die so verstandene Ablehnung einer wirtschaftspolitischen Neutralität, also ein wettbewerbsfunktionales Verständnis des Lauterkeitsrechts,59 bedeutet völlig zutreffend keine regierungsamtliche Wirtschaftspoli-
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56 S.a. RegE (BTDrucks 15/1487) S. 16, wo auf die „anständigen Gepflogenheiten“ in Handel, Gewerbe, Handwerk und sonstiger selbständiger beruflicher Tätigkeit abgestellt wird. 57 Bussmann FS Nastelski (1969) 316; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 215 ff., 226; Hirtz GRUR 1980, 93 ff.; Hölzler/Satzky Wettbewerbsverzerrungen durch nachfragemächtige Handelsunternehmen (1980) 134 f.; Lehmann Mitarbeiter-FS, S. 321, 325 f.; Lux S. 57; Möschel Pressekonzentration S. 139, 148; MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. Rn. 12; Ott FS Raiser 403, 418 ff.; Rinck/Schwark Rn. 657; Sack GRUR 1970, 494, 499 f.; ders. GRUR 1975, 297, 301; ders. WRP 1974, 247 ff.; Schricker GRUR 1974, 579, 582 f. 58 BGH 22.2.1957 BGHZ 23, 365, 375 = GRUR 1957, 365, 368 – Suwa; BGH 26.2.1965 BGHZ 43, 278, 283 = GRUR 1965, 489, 491 – Kleenex; Baumbach/Hefermehl Einl. Rn. 75 a.E., 131. Rittner/Kulka § 1 Rn. 60 f. 59 S.a. Lux S. 55 ff.
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tik mit Hilfe der Justiz60 und noch viel weniger sollen die wirtschaftspolitischen Präferenzen des „politischen Richters“ judikativ zum Tragen kommen.61 Zu alledem fehlt den Gerichten in der Tat selbst unter dem Aspekt einer in Grenzen weithin für zulässig und geboten erachteten, sub specie einer verfassungskräftigen Gewaltenteilung aber immer prekären Rechtsfortbildung62 die demokratische Legitimation.63 Festzuhalten ist, dass jedenfalls das geltende, mit § 1 ausdrücklich auf den Schutz 33 des unverfälschten Wettbewerbs abzielende Lauterkeitsrecht nicht wirtschaftspolitisch neutral ist, sondern einen genuinen Wettbewerbsbezug hat.64 Es kann in seiner dogmatischen Substanz nicht abstrakt von der wettbewerbsgesteuert-marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung gedacht werden. Diese seine wirtschafts- bzw. speziell wettbewerbspolitische Prägung ist dabei ordnungspolitischer Natur65 und ist somit der Dimension parteigebundener wirtschaftspolitischer Wünschbarkeit entwachsen. Wettbewerbsrecht ist „normierte Ordnungspolitik“.66 Dass das UWG im genannten Sinne nicht wirtschaftspolitisch neutral sein kann, 34 wurzelt aber nicht nur darin, dass das UWG zu seiner verständigen Auslegung und Anwendung auf ein wettbewerbliches Referenzkonzept angewiesen ist, sondern ist notwendiger Reflex einer substantiellen Vernetzung von GWB und UWG. Die Vorstellung einer materiellen Dichotomie des Wettbewerbsrechtes – auf Existenz bzw. Quantität des Wettbewerbs abzielender kartellrechtlicher Institutionsschutz einerseits, Wettbewerbsqualität fokussierender lauterkeitsrechtlicher Individualschutz andererseits67 – ist dogmatisch überholt und nur noch von historischem Interesse (vgl. Einl. G Rn. 36 ff.).68 35 Wegen dieser Konvergenz und Interdependenz von Kartell- und Lauterkeitsrecht ist der wirtschaftspolitische Gehalt beider Teilmaterien gleichermaßen zu bejahen.69 Hier wie dort determiniert die legislative Grundentscheidung für eine Wettbewerbsordnung die Interpretation und Handhabung wettbewerbsrechtlicher Normen und verlangt dabei
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60 Rittner/Kulka § 1 Rn. 60 f. 61 Götting Wettbewerbsrecht § 2 Rn. 18 ff.; ders./Nordemann Einl. Rn. 42 f.; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 132 f., 223; Lux S. 57; Schricker GRUR 1974, 579, 582 f. 62 Rechtsnormen wie § 132 Abs. 4 GVG, die ausdrücklich auf die richterliche Rechtsfortbildung Bezug nehmen, können kaum als verfassungsrelativierende „Ermächtigungsnormen“ in Anspruch genommen werden. Vgl. zur Thematik Fischer Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht (2007) 34 ff. 63 Hirtz GRUR 1980, 93, 95; Kraft FS Bartholomeyczik 223, 234 f.; Kroitzsch BB 1977, 220, 224; KrügerNieland WRP 1979, 1; Merz S. 245; Raiser GRUR Int. 1973, 443, 445; jedenfalls im Ergebnis gegen eine solche richterliche Wirtschaftspolitik auch Möschel Pressekonzentration S. 147 f.; a.A. Ott FS Raiser 403, 417 ff.; Rebe S. 158 ff.; Sambuc S. 37. 64 Lux S. 57 f., der scharf zwischen Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik trennt; Pichler S. 160 ff.; Rittner/Kulka § 1 Rn. 60; Schwipps S. 71 f.; ebenso schon zum Lauterkeitsrecht vor dem UWG 2004 z.B. Merz S. 245; Möschel Pressekonzentration S. 147 f.; Scherer WRP 1996, 174, 178; Schünemann Voraufl. Einl. Rn. A 37 ff. 65 Ebenso Lux S. 56. 66 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 223. Auch Götting/Nordemann Einl. Rn. 42 betonen, dass jedenfalls „das UWG in seiner geltenden Fassung eine ordnungspolitische Festlegung erfahren“ habe. 67 So vor allem Kraft FS Bartholomeyczik 223, 237; ders. FS Kummer 389, 396; ders. GRUR 1980, 967. 68 Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 86 ff.; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 6.11 ff.; Fikentscher Bd. II § 22 XI 1a, b; v. Gamm NJW 1980, 2489 und WM 1981, 730; Koppensteiner § 1 IV 2 b; Lehmann GRUR 1977, 26 und 1979, 372; Lux S. 386 ff., 410 ff.; Möschel Pressekonzentration S. 151; Raiser GRUR Int. 1973, 443, 445; Rebe S. 144; Sack GRUR 1975, 297, 301; Schricker GRUR 1980, 194, 197; Schünemann Wettbewerbsrecht S. 141 f.; Tilmann GRUR 1979, 825; P. Ulmer Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen (1977) 79; ders. GRUR 1977, 565, 578 f.; Wrage S. 13 ff.; a.A. Knöpfle Unlauterkeit S. 7 ff.; ders. Rechtsbegriff S. 345; s.a. Rittner/Kulka Einl. Rn. 22 ff. 69 Fikentscher Bd. II § 22 XI 1b; Rinck/Schwark Rn. 231 f., 657; s.a. Dreher Zschr. f. Gesetzgebung 1987, 311, 323 m.w.N.
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die Rücksichtnahme auf den durch Wettbewerb gestifteten marktwirtschaftlichen Gesamtzusammenhang, in den diese Normen eingebettet sind. Dieser notwendige Blick auf das Sinnganze, den erst die Vergewisserung des maßgeblichen Wettbewerbskonzepts ermöglicht, ist jedoch keine Besonderheit einer wettbewerbsfunktionalen Betrachtungsweise,70 sondern entspricht ganz herkömmlicher juristischer Methodenlehre.71 Alles in allem bedarf es also der Vergewisserung darüber, was nun „Wettbewerb“ im 36 ökonomischen Sinne bedeutet. Die Wettbewerbstheorie72 hat mithin Aufschluss zu geben über das ökonomische Referenzsystem des Lauterkeitsrechtes, das durch die zugrunde zu legende Wettbewerbskonzeption determiniert wird.73 Besonderes Gewicht für das UWG als originäres Wettbewerbsverhaltensrecht im Gegensatz zu dem eher an Marktstrukturen orientierten und interessierten GWB74 müssen dabei diejenigen wirtschaftswissenschaftlichen Wettbewerbskonzeptionen gewinnen, die – wie die neueren ökonomischen Strömungen insgesamt – auf die Dynamik des Wettbewerbs als Prozess abheben, auf eine Dynamik, die wesentlich durch Unternehmens- und Verbraucherverhalten in Gang gesetzt und unterhalten wird. 3. Wettbewerbskonzeptionen in der lauterkeitsrechtlichen Hermeneutik. Wett- 37 bewerbskonzeptionen versuchen, einen plausiblen Zusammenhang von wettbewerbspolitisch wünschbaren Zielen und zur Zielerreichung geeigneten Mitteln zumeist auf der Basis wettbewerbstheoretischer Aussagen über Marktstrukturen, Marktprozesse und Marktergebnisse darzustellen. Dabei wird gelegentlich von Seiten des methodologischen Essentialismus sogar ein Einblick in das Wesen des Wettbewerbs schlechthin oder doch wenigstens des wirtschaftlichen Wettbewerbs angestrebt. Überwiegend wird indes ein mehr oder weniger umfassend angelegtes erkenntnis- 38 theoretisches Engagement pessimistisch beurteilt.75 Stattdessen werden eher Wettbewerbsleitbilder entworfen, die sich als normative Systeme i.S. von Sollensaussagen verstehen, dabei aber jedenfalls teilweise mit dem Anspruch auftreten, durchaus (jedenfalls zukünftige) wirtschaftliche Wirklichkeit abbilden zu können.76 Ihr normativer Charakter darf deshalb nicht als Ausdruck bloßer (wettbewerbspolitischer) Wünschbarkeit innerhalb mehrerer prinzipiell ebenso gut wählbarer Entscheidungsvarianten verstanden werden,77 sondern als Konsequenz der „Natur der Sache als Bezugnahme auf dem Recht vorgegebener Tatsachen und Gegebenheiten“.78
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70 In dieser Richtung aber Baudenbacher ZHR 144 (1980), 145, 147 f.; wohl auch Schluep GRUR Int. 1973, 446, 451. 71 Merz S. 62 f. unter Hinweis auf Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft, zuletzt 6. Aufl. (1991) 206, 324 ff., 370 ff., 474 ff. 72 Die jedenfalls aus juristischer Sicht wenig hilfreiche, in der traditionellen Volkswirtschaftslehre getroffene, aber ohnehin kaum noch aktuelle Unterscheidung von Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik soll hier unbeachtet bleiben. In diesem Sinne zum Folgenden schon Knieps S. VIII (Vorwort) und passim; s.a. Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 13 ff. 73 So ausdrücklich auch Lux S. 59/60. 74 Vgl. I. Schmidt/Haucap S. 203 i.V.m. S. 211 ff., 316 ff. 75 Skeptisch oder ablehnend z.B. Bätge S. 21; Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 2; Herdzina Wettbewerbspolitik S. 8 f.; Knöpfle Rechtsbegriff S. 341 (m. Fn. 4); Künzler S. 60 f.; Tyllack S. 188 (s. aber auch S. 191); Rittner AcP 188 (1988), 101, 111 f.; Rittner/Kulka Einl. Rn. 5; Ruffner S. 6, 244; Schmidtchen Wettbewerbspolitik S. 33 ff.; MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. Rn. 12; a.A., also die Definitionsmöglichkeit ausdrücklich bejahend, Willeke Wettbewerbspolitik S. 26 ff. 76 Aberle 2. 1. 77 So aber ein naheliegender Einwand gegen die Einbeziehung dieser Thematik überhaupt, vgl. hier nur Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 18. 78 Rüthers/Fischer/Birk Rn. 921 unter ausdrücklichem und wohl für das Wettbewerbsrecht insgesamt verallgemeinerungsfähigem Hinweis darauf, dass „die zutreffende Regelung, Anwendung und
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Wettbewerbskonzeptionen erlangen deshalb sehr wohl eine Verbindlichkeit für die Auslegung und Anwendung des Wettbewerbsrechts, und zwar gerade auch hinsichtlich des UWG,79 wenn „separatistisch-kausale Formalvorstellungen vom Wettbewerbsablauf“, die gerade hier immer noch oft genug anzutreffen sind, endgültig überwunden werden sollen. 80 Die neuere lauterkeitsrechtliche Literatur stimmt hier sehr hoffnungsvoll. 81 Nicht der notwendige Rekurs auf die wettbewerbstheoretische Diskussion und ihre Ergebnisse ist also problematisch, sondern ob und welchen wettbewerbskonzeptionellen Leitbildern aus juristischer Sicht der Vorzug zu geben ist. In diesem Zusammenhang sollte auch eine wichtige Rolle spielen, welchem wettbewerbstheoretischen Ansatz wirtschaftsverfassungsrechtliche Konformität zu attestieren ist (dazu Rn. 164 ff., 181 ff.).
a) Das „Wesen“ des Wettbewerbs. Den spezifisch ökonomischen Wettbewerbskonzeptionen vorgelagert ist der Ansatz, auch den wirtschaftlichen Wettbewerb in einer allgemeinen, gleichsam alle einschlägigen Phänomene beschreibenden Definition des Wettbewerbs einzufangen.82 In der deutschen Sprache bezeichnet das Wort Wettbewerb das Streben mehrerer nach Erreichung desselben Ziels.83 „Wettbewerb“ entspricht mithin dem lateinischen Lehnwort „Konkurrenz“ im Deutschen bzw. dem englischen „competition“84 (currere bzw. petere: laufen, eilen bzw. zu erreichen suchen sowie con: zusammen, mit). Derartige rivalitätsgeprägte Situationen kommen in allen Bereichen des menschli41 chen Lebens vor, wobei etwa Sport, Politik, Wirtschaft und persönlich-zwischenmenschliche Beziehungen nur markante, besonders anschauliche Felder bezeichnen. Darüber hinaus wird das Wettbewerbsprinzip sogar zur Deutung biologisch-evolutionärer Prozesse bemüht.85 Selbst bei einer Restriktion auf den Wettbewerb als „Urkraft menschlichen Handelns“86 und dabei wiederum auf den wirtschaftlichen Wettbewerb liegt auf der Hand, dass eine explizite Realdefinition des Wettbewerbs, so sie denn überhaupt erkenntnistheoretisch möglich sein sollte, angesichts ihrer dann notwendigen begriffli-
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richterrechtliche Ergänzung kartellrechtlicher Vorschriften Grundkenntnisse der ökonomischen Wettbewerbstheorien (…)“ voraussetze (trotz grundsätzlicher, harscher Kritik an dem Argument der Sachnatur im Übrigen a.a.O. Rn. 919 f., 922 ff.); Schünemann Ökonomische Analyse S. 50 ff. 79 A.A. aber Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 18 mit dem im Übrigen unzutreffenden Hinweis darauf, Wettbewerbskonzeptionen befassten sich sämtlich (nur) mit der Marktstruktur. 80 So pointiert Sölter Wettbewerbsbegriff S. 94, der zu Recht eine häufig zu beobachtende, in der ökonomischen Materie des Regelungssubstrats wurzelnde, die „Gewaltenteilung“ der wissenschaftlichen Disziplinen ignorierende Selbstherrlichkeit der (Wettbewerbs-)Jurisprudenz beklagt. Gleichsinnig Schünemann Beitrag S. 98 ff. 81 Vgl. die gedrängten, gleichwohl sehr gehaltvollen, dem aufgeschlossenen Juristen zugänglichen Darstellungen z.B. bei Bornkamm/Köhler Einl. Rn 1.11 ff.; Drexl S. 91 ff., 116 ff.; Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 13 ff.; Fezer/Fezer Einl. E Rn. 48 ff.; Keßler WRP 1988, 714 ff., 1990, 73 ff.; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.12 ff.; Leistner S. 16 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 4 Rn. 2 ff.; Lux S. 15 ff.; Pichler S. 27 ff.; MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. A Rn. 3 ff.; Wunderle S. 14 ff. Schon sehr früh die Bedeutung der Wettbewerbstheorie gerade auch für das Lauterkeitsrecht betonend und hier grundlegend: Schünemann Voraufl. Einl. Rn. A 6 ff. 82 Exemplarisch v. Godin GRUR 1965, 288 ff.; Meessen JZ 2009, 697 ff. mit „Definition von Wettbewerb“ S. 701. Zum Folgenden s.a. Herdzina Wettbewerbspolitik S. 7 ff.; Wunderle S. 10 f. 83 So schon Meyers Konversations-Lexikon, 7. Aufl. (1910), Stichwort Wettbewerb; v. Mises HdSW Bd. 12 (1965) Stichwort „Wettbewerb“. Zur (rechtsgeschichtlichen) Etymologie der sprachlichen Neubildung des „unlauteren Wettbewerbs“ des 19. Jahrhunderts aus dem Französischen („concurrence déloyale“) s. beiläufig Beater Rn. 3; MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. Rn. 1. 84 Nach Websters Dictionary (1949): „rivalry; mutual strife for the same object“. 85 Vgl. v. Hayek Theorie S. 21 ff.; Lehmann JZ 1990, 61 ff., insbesondere 66 f. m.w.N.; Meessen JZ 2009, 697, 699. 86 Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 1; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.1.
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chen Abstraktionshöhe zu blass ausfallen müsste, um etwa als praktikabler Maßstab zur Messung von Wettbewerbsintensität an irgendeiner Stelle zu dienen. Selbst die zahllosen Definitionsversuche nur des wirtschaftlichen Wettbewerbs87 führen diese Aporie vor Augen. So wird der Wettbewerb beispielsweise zu einseitig in seiner Spielart als Angebotswettbewerb gesehen88 und dabei die Nachfragekonkurrenz vernachlässigt,89 oder es wird der Einfluss der Marktphasen eines Produkts auf die Wettbewerbskräfte nicht oder nicht angemessen berücksichtigt. Denn der Wettbewerb trägt doch je nach Marktentwicklung ganz unterschiedliche Züge: Während in der Experimentier- oder Einführungsphase regelmäßig eine allenfalls durch potentielle Wettbewerber charakterisierte monopolistische Situation zu herrschen scheint, beginnen sich zumindest prima facie erst in der Expansionsphase die aktuellen Wettbewerbskräfte zu entfalten, um in der durch zunehmende Sättigungseffekte gekennzeichneten Ausreifungs-, Stagnations- und schließlich Rückbildungsphase bis hin zum Ausscheiden des Produkts vom Markt sich immer wieder typisch zu verändern.90 Unbefriedigend91 ist auch jene Wettbewerbsdefinition, die lange eine relativ breite Akzeptanz gefunden hat. Wirtschaftlicher Wettbewerb wird dabei begriffen als „das selbständige Streben sich gegenseitig im Wirtschaftserfolg beeinflussender Anbieter oder Nachfrager (Mitbewerber) nach Geschäftsverbindungen mit Dritten (Kunden oder Lieferanten) durch Inaussichtstellen günstiger erscheinender Geschäftsbedingungen“.92 Hierbei wird indes das Problem der Bewertung der Wettbewerbsmethoden mit dem Wettbewerbsbegriff vermengt: Der Behinderungswettbewerb und „harte“ Varianten des Kundenfangs etwa unter Einsatz physischer Gewalt sind zwar unerlaubter Wettbewerb, fallen aber doch nicht schon aus dem Wettbewerbsbegriff heraus.93 Außerdem ist die „gegenseitige“ Beeinflussung des Wirtschaftserfolges eine unzutreffende Einschätzung, weil sie den Wettbewerb als eine Art Nullsummenspiel begreift und Wachstum unberücksichtigt lässt. Neben all diesen eher verhaltensorientierten Festlegungen des (wirtschaftlichen) Wettbewerbs wird „Wettbewerb“ auch auf die Gesamtheit bestimmter oder sogar aller geschäftlichen Dispositionen in ihrer marktlichen Vernetzung bezogen und schließlich mit dem für eine Marktwirtschaft konstitutiven Wirkungsmechanismus bzw. Ordnungsprinzip selber identifiziert.94
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87 Z.B. J. Baur ZHR 134 (1970), 97 ff.; Fikentscher Bd. II § 22 III. 3. e; ders. Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz (1958) 39 f.; Kraft Interessenabwägung S. 177 ff.; Knöpfle Rechtsbegriff S. 97 ff., 222; Lukes FS Böhm (1965) 199, 202 ff.; Plaßmann JZ 1968, 81 ff.; Sandrock Grundbegriffe des GWB (1968) 73 ff., 103 ff., 124 ff.; ders. Recht und Wirtschaft heute, FS Kummer (1980) 449 ff.; Schmidbaur Allokation, technischer Fortschritt und Wettbewerbspolitik (1974) 18 ff. 88 So z.B. BGH 27.1.1956 BGHZ 19, 392 = GRUR 1956, 223 – Anzeigenblatt; Abbott Qualität und Wettbewerb (1958) 126; Behrens NJW 1958, 485. 89 S. demgegenüber aber z.B. Knöpfle Rechtsbegriff, z.B. S. 25 ff., 81 ff.; Köhler Wettbewerbsbeschränkungen durch Nachfrager (1977) 22 ff., 35 ff.; ders. Nachfragewettbewerb und Marktbeherrschung (1986) 8 ff., 40 ff.; Mestmäcker Verwalteter Wettbewerb S. 252 ff.; Sölter Nachfragemacht S. 37 ff.; Tuchtfeldt FS Kummer 549, 551 ff. 90 Vgl. Heuß S. 40 ff.; zusammenfassend Aberle 1. 5. 91 Vgl. Knöpfle Rechtsbegriff S. 103 m.w.N.; Willemsen Wettbewerbstheorie – Wettbewerbspolitik und die kartellrechtlichen Bestimmungen des EWG-Vertrages und des EFTA-Vertrages (1971) 50. 92 Fikentscher WuW 1961, 788, 796 ff., leicht abgewandelt gegenüber der Urfassung bei Borchardt/Fikentscher S. 15. Zu derartigen Definitionsversuchen ebenso informierend wie ablehnend Köhler/Bornkamm Einl. 1.6. 93 Vgl. zu diesen und anderen Einwänden Knöpfle Rechtsbegriff S. 103 ff.; Tyllack S. 190 f. 94 Eingehend Knöpfle Rechtsbegriff S. 1 ff., 97 ff., 135 ff., 144 ff.; s.a. Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 2 ff.; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.2 ff.
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Die Bemühungen um eine explizite realdefinitorische Umschreibung des wirtschaftlichen Wettbewerbs haben mithin schon angesichts der vielfältigen Relationen, in die der Wettbewerbsbegriff eingebunden ist, wenig Früchte tragen können. Die beklagte „Ewigkeit“ des Themas95 wirft auf den intuitiven Ausgangspunkt zurück, dass der Wettbewerb, auch der wirtschaftliche Wettbewerb, wohl (zumindest auch) durch – tatsächliche oder jedenfalls mögliche – Rivalität (auf Märkten) charakterisiert ist.96 Selbst diese Reduktion auf eine diffuse Rivalität ist allerdings noch fragwürdig. Denn in den wettbewerblichen Marktprozessen verändert die Marktgegenseite durch ihr Verhalten (im vertikalen Austauschprozess) selber wieder die Rahmenbedingungen jenes Rivalitätsverhaltens (im horizontalen Parallelprozess), worin sich die charakteristische „Janusköpfigkeit“ des ökonomischen Wettbewerbs zeigt.97 Auch ist die begriffliche Erfassung des Monopolisten (Angebotsseite) bzw. Mo47 nopsonisten (Nachfrageseite) im Wettbewerb je nach dessen konzeptionellem Verständnis durchaus nicht von vornherein klar. Denn nicht nur, aber auch gerade bei diesen Marktprägungen ist die Zeitdimension des Marktes mit zu berücksichtigen: Möglicherweise evoziert auch ein erst künftiger Marktteilnehmer als vorerst hypothetischer „newcomer“ schon jetzt „geschäftliche Handlungen“ (§ 2) im Markt und aktualisiert derart ein vermeintlich potentielles „Wettbewerbsverhältnis“ bereits hic et nunc. Begreift man den ökonomischen Wettbewerb als komplexes prozesshaft-dynamisches Marktgeschehen, das sich auf der Zeitachse vollzieht,98 so ist die Existenz von Monopolisten wie Monopsisten (und auch die Oligopol-Vorstellung) überhaupt in Frage gestellt, weil sie nur auf dem Boden einer statischen Marktbetrachtung beschreibbar sind. Bezugnahmen auf das Wesen des wirtschaftlichen Wettbewerbs reduzieren sich 48 nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand mithin verständlicherweise nicht selten auf parabelhafte Konturen, wie sie sich schon in der Frühzeit des Wettbewerbsrechtes etabliert haben. Besonders der sportliche Wettkampf wurde dabei seit jeher gern als Analogon zum wirtschaftlichen Wettbewerb bemüht.99 In der Tat eifern auch hier mehrere darum, dasselbe zu erreichen, etwa als erster durchs Ziel zu gehen. Auch hier müssen Absprachen unterbunden werden, um mit dem Siegeswillen jedes einzelnen Teilnehmers, mit dem ganz individuellen „spirit of competition“, den institutionellen Sinn des Wettbewerbs zu erhalten. Auch bedarf es zieladäquater Regeln, um nicht leistungsfremden, „unfairen“ Einsatz zu belohnen, etwa bei Wettrudern oder Pferderennen einen Frühstart, unterschiedliche Distanzen oder gar Sabotage im Vorfeld. 49 Gleichwohl bestehen zwischen sportlichem und wirtschaftlichem Wettbewerb derart essentielle Unterschiede, dass sich der Sport als paralleles Deutungsmuster der Wettbewerbswirtschaft im Übrigen eben doch als ungeeignet erweist.100 So kennt der sportli-
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95 Tuchtfeldt FS Kummer 549 ff. 96 BGH 20.4.1966 GRUR 1966, 509, 512 – Assekuranz; BGH 26.4.1967 GRUR 1968, 95, 97 – Büchereinachlass; Bartling S. 10 mit Fn. 3; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 17; Stigler in Herdzina, Wettbewerbstheorie S. 30, 32; Tyllack S. 191. 97 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 23; s.a. Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.4, 1.8 f. 98 Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 3; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.18, 1.24. 99 Vgl. schon Lobe (Bd. I) S. 8 ff.; jetzt vor allem Nordemann Rn. 3 (Wettbewerb als „gleichsam unaufhörliche Tour de France des Wirtschaftslebens“); s.a. Böhm Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung (1937) 124 sowie ders. Wettbewerb S. 212 ff. (mit sprachlichen Umschreibungen, die an eine sportliche Kampfveranstaltung erinnern); ferner Baumbach/ Hefermehl Allg. Rn. 1, die freilich im Ganzen (vgl. Allg. Rn. 7, 12) dazu eine kritische Haltung einnehmen. Vgl. auch Sambuc GRUR 1981, 796. 100 Vgl. Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 12; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 21 ff. („triviale Alltagsvorstellung“); Knöpfle Rechtsbegriff S. 113 ff.; Meyer-Cording WuW 1962, 468; Reichold AcP
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che Wettkampf starre spieldefinierende Regeln, der Wirtschaftswettbewerb hingegen ist nicht a priori auf ganz bestimmte, die jeweilige „Leistung“ darstellende Handlungszulässigkeiten und Ziele festgelegt und seine „Startbedingungen“ stellen sich beispielsweise für „newcomer“ auf dem Markt gänzlich anders dar als für etablierte Unternehmen. Nur sog. potentielle Konkurrenten beeinflussen zwar ebenfalls das Unternehmensverhalten, sind jedoch für das sportliche Leistungsverhalten ohne Bedeutung. Geradezu fatal müsste sich der Rekurs auf den sportlichen Wettkampf auswirken, 50 wenn er die Marktgegenseite, beim Angebotswettbewerb also die Nachfrager, in die Rolle von nicht selber agierenden Schiedsrichtern101 oder gar von bloßen Zuschauern102 drängen wollte. Überhaupt müssten derartige Analogien vor der Tatsache kapitulieren, dass sich das Wettbewerbsgeschehen eben nicht nur in einer horizontalen Dimension, als Summe von Parallelprozessen jeweils unter den Anbietern bzw. den Nachfragern, sondern ebenso in Austauschprozessen zwischen verschiedenen Wirtschaftsstufen in der Vertikalen vollzieht,103 im Warenbereich typischerweise somit zwischen Produzent, Groß- und Einzelhändlern und schließlich Endkunden, namentlich Verbrauchern. Dabei besteht wiederum zwischen den horizontalen und den vertikalen Aktionen 51 und Reaktionen eine Interdependenz:104 Das Kontraktverhalten zwischen den Angehörigen beider Marktseiten steht in Wechselbeziehung zu dem Verhalten der untereinander konkurrierenden Anbieter bzw. Nachfrager, die ja auf eben dieses Kontraktverhalten der jeweiligen Marktgegenseite Einfluss nehmen möchten. Darüber dürfte Einigkeit bestehen unabhängig davon, ob man die Beteiligten der vertikalen Beziehungen nun ebenso in einem „Wettbewerbsverhältnis“ verbunden sieht wie die Anbieter bzw. Nachfrager jeweils untereinander.105 Sind demnach die Versuche als gescheitert zu betrachten, den wirtschaftlichen 52 Wettbewerb aus einem Allgemeinbegriff des Wettbewerbs zu deduzieren,106 ihn unmittelbar und explizit oder im Wege von Analogien in seinem Wesen zu erfassen, so braucht dies einem tieferen Verständnis gerade auch des wirtschaftlichen Wettbewerbsgeschehens freilich nicht unüberwindlich entgegenzustehen. Es lassen sich ja beispielsweise wettbewerbliche Ursache-Wirkungsbeziehungen untersuchen und ggf. modellhaft verdichten, auch wenn bei solchen impliziten Definitionen107 das Wesen des Wettbewerbs eine verbal ungeöffnete „black box“ bleibt. Dasselbe gilt für Definitionsansätze, die sich dem Phänomen „Wettbewerb“ dadurch nähern, dass sie Bedingungen formulieren, unter denen sich „Wettbewerb“ entfaltet, oder die Indikatoren für seine Existenz benennen, etwa die Ausübung wirtschaftlicher Handlungsfreiräume.108 Unvereinbarkeit zwischen Realitätsgerechtigkeit und Rechtsadäquanz in Bezug auf ein einheitliches, namentlich UWG und GWB umfassendes Wettbewerbsverständnis besteht insoweit nicht.
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193 (1993) 204, 230 ff. Zu der darin wurzelnden Unergiebigkeit des „Leistungswettbewerbs“ s. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. A 11, D 81 ff., 90 ff. 101 Für viele etwa Wiedemann ZGR 1980, 147, 165. 102 So in der Tat Wiedemann ZGR 1980, 147, 165. 103 Aberle 1.1.; Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 8 ff.; insbesondere Hoppmann Problem S. 40 ff. 104 Zur Interdependenz von marktlichen Parallel- und Austauschprozessen s. prägnant schon Burmann WRP 1967, 240, 244. Näher Hoppmann in Herzina (Hrsg.), Wettbewerbstheorie S. 237 f. 105 Einerseits (Wettbewerbsverhältnis auch im Austauschprozess) Sölter Nachfragemacht S. 43; andererseits Fikentscher WuW 1960, 684 und 1961, 796; Köhler/Bornkamm Einl. 1.10; Meyer-Cording WuW 1962, 466. 106 Zusammenfassend Köhler/Bornkamm Einl. 1.6. 107 Bochenski Die zeitgenössischen Denkmethoden, 4. Aufl. (1969) 91 f.; v. Freytag-Löringhoff Logik, ihr System und ihr Verhältnis zur Logistik, 4. Aufl. (1966) 55 ff. Zu den wettbewerblichen Nominal- und Realdefinitionen s.a. Köhler Wettbewerbsbeschränkungen durch Nachfrager (1977) 2 ff. 108 S. Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 2; Mestmäcker/Schweitzer § 2 Rn. 73.
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Demgegenüber scheint man, vornehmlich im juristischen Raum, den Wettbewerb gelegentlich sogar jeweils nur aus dem Blickwinkel einer speziellen Norm und damit ganz unterschiedlich definieren zu wollen (sog. Tatbestandsbezogenheit des Wettbewerbsbegriffs).109 Den Rahmen für die jeweils monistischen wirtschaftstheoretischen Wettbewerbskonzeptionen liefert dabei das gedankliche Gerüst von Markt und Wettbewerb, wie es sich für die klassische Nationalökonomik darstellte.
b) Die freie Konkurrenz der Klassiker. Im Merkantilismus schufen sich Feudalismus und Absolutismus das ihnen passende Wirtschaftssystem: Die Obrigkeit tut hier kund, welche Ziele zu erreichen sie für wünschenswert hält, um den Wohlstand des Herrschers und, damit gleichgesetzt, den Wohlstand des Volkes zu mehren. Die Obrigkeit erlässt dazu Vorschriften und installiert Anreiz- und Sanktionssysteme. In diesem Sinne erfolgreiche Wirtschaftspolitik wirkt gleichsam nur als Reflex auf die Einzelnen zurück. Als Gegenbewegung zu dieser autoritären, bestenfalls patriarchalisch-wohltätigen Wirtschafts- wie auch und vor allem Gesellschaftsordnung formierte sich der klassische Liberalismus. Für seine nationalökonomischen Triebkräfte stehen dabei vor allem die Namen von David Hume, David Ricardo, John Stewart Mill, Jeremy Bentham, insbesondere aber Adam Smith. Der klassische Liberalismus bildet „den Ausgangspunkt für alle in der Folgezeit entwickelten Leitbilder der Wettbewerbspolitik für grundsätzlich marktwirtschaftlich organisierte Volkswirtschaften.“110 Das vom klassischen wirtschaftlichen Liberalismus propagierte System freier Wett55 bewerbswirtschaft 111 versteht sich als eine Selbstregulation, bei der die individuelldezentral und egoistisch aufgestellten Wirtschaftspläne sich auf Märkten, also im Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage,112 unter freier Preisbildung autonom koordinieren. Dieser Koordinationsprozess vollzieht sich durch Versuch und Irrtum, durch eine allmähliche Annäherung an die „richtigen“ Mengen, Qualitäten und Preise, aber auch an andere Aktionsparameter113 wie z.B. Vertriebsmethoden und zeitliche Verfügbarkeit. 56 Dem Preis kommt dabei in seiner Ausgleichsfunktion freilich eine ganz besondere Rolle zu, weil er am verständlichsten über den relativen Knappheitsgrad der Güter und Faktorleistungen (namentlich Arbeitskraft) zu informieren vermag. Mit diesem auch wirtschaftsethisch fundierten Verständnis des „richtigen“ (Gleichgewichts-)Preises setzt sich die freie Konkurrenz der Klassiker in einen endgültigen Gegensatz zur mittelalterlichen, religiös-fundierten Wirtschaftsethik und deren Überlegungen zum pretium iustum. Bis heute scheinen solche anachronistischen Denkansätze noch allenthalben in der praktisch-wirtschaftspolitischen Diskussion,114 aber auch in der zivilrechtlichen Dogmatik und Rechtsprechung115 fortzuwirken.
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109 Vgl. z.B. J. Baur ZHR 134 (1970) 99, 116, 117 ff. 110 Knieps S. 67. 111 Dazu vgl. Bartling S. 9 ff.; Benöhr JuS 1976, 273; Cox/Hübener II. 1.; Lammel GRUR 1986, 362 ff.; Mestmäcker Recht, insbesondere S. 100 ff.; Möschel WiSt 1978, 351; Neumann S. 30 ff., 40 ff.; Olten S. 33; Recktenwald Zur Lehre von den Marktformen (1951) passim; Ruffner S. 12 ff. Vgl. dazu und zum Folgenden überblicksweise auch Schumann wisu 1990, 586; Spliethoff S. 247 ff.; Tuchtfeldt FS Kummer 549, 551 ff. 112 Zu diesem Marktbegriff im ursprünglichen Sinne vgl. Ott Grundzüge der Preistheorie, 2. Aufl. (1974) 32. Zur juristischen Problematik des Marktbegriffes vgl. den Überblick bei Lukes FS Böhm 207 ff. 113 Dies betonen schon für die Klassiker Bartling S. 10; Cox/Hübener II 1a. 114 Vgl. zu diesem Komplex Beater § 2 Rn. 106; Neumann S. 25 ff.; Schinzinger S. 62 ff.; Stadermann S. 56. 115 Zu dem in Wahrheit deshalb unanwendbaren § 138 Abs. 2 BGB sowie dem Phantom des „wucherähnlichen Rechtsgeschäfts“ s. Schünemann Wirtschaftsprivatrecht, 6. Aufl. (2011) 85; ders. FS Brandner 279, 286 ff.; ders. Didaktik der Fächer übergreifenden Didaktik von Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, in Hof/v. Olenhusen (Hrsg.), Rechtsgestaltung – Rechtskritik – Konkurrenz von Rechtsordnungen … Neue Akzente für die Juristenausbildung (2012) 153, 154 f.
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Neben dieser unmittelbaren Ausgleichswirkung zwischen den Einzelplänen von Unternehmen und Haushalten über den Preis eignet der freien, wettbewerbsbasierten, nicht durch exogene Preislimitierungen eingeengten Preisbildung aus klassischer Sicht weiterhin eine Lenkungsfunktion: Bei freier Konkurrenz auf offenen Märkten, also Märkten, die durch die Möglichkeit des Markteintritts und des Marktaustritts gekennzeichnet sind, schaffen z.B. (hohe) Gewinne den Anreiz, Ressourcen auf diesen Markt zu lenken, insbesondere neu in diesen Markt einzutreten, um an den Gewinnchancen zu partizipieren. Bisherige Anbieter werden dazu angehalten, kostengünstig zu produzieren, um ihre Gewinne zu stabilisieren oder vielleicht sogar noch zu steigern. Mit sinkender Nachfrage, aber auch stärker wirksam werdender Konkurrenz oder mangelnder Nutzung von Kosteneinsparungsmöglichkeiten droht bei nachhaltigem Misserfolg am Markt, monetär ausgedrückt durch Verluste, der zwangsweise Marktausschluss bis hin zum Verlust ökonomischer Existenz durch Konkurs. Gerade in der Lenkungsfunktion des Preises und damit der Allokationsfunktion des Marktes wird die angenommene Transformation der summierten egoistisch motivierten Individualinteressen in das Gesamtinteresse manifest.116 Die in der autonomen, marktvermittelten Plankoordination wirksame „invisible hand“117 ist in klassischer Sicht also nicht lediglich ein Instrument ökonomischer Effizienz, sondern auch und vor allem Transmissionsriemen, der den Eigennutz überhaupt erst wirtschaftsmoralisch rechtfertigt. Überhaupt wäre es falsch, das klassische Konzept freier Konkurrenz auf ökonomisches Kalkül reduzieren zu wollen. Das Streben der liberalen englischen Klassiker war vielmehr gerade darauf gerichtet, wirtschaftlichen Wohlstand gegründet auf und als Ausdruck von (politischer) Freiheit und (rechtlicher) Gleichheit darzustellen.118 Für die Klassiker besteht also kein Dilemma zwischen ökonomisch positiven Ergebnissen („good economic performance“) und ihrer gesellschaftlichen Wünschbarkeit.119 Wettbewerb erfüllt demnach also immer sowohl die ökonomische Funktion guter Marktversorgung (durch effiziente Steuerung der Marktkräfte, durch Schaffung produktiver Anreize, eventuell auch durch Verteilungsmechanismen) als auch die gesellschaftspolitische Funktion, den Marktteilnehmern Freiheitsspielräume zu erhalten oder sogar erst zu eröffnen.120 Gerade Smith hat dabei die Notwendigkeit institutioneller Rahmenbedingungen des Wettbewerbs erkannt und anerkannt,121 um die ökonomische und gesellschaftliche Optimierungsleistung der wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft voll nutzen zu können. Weder als grobschlächtiger Apologet privater Habgier noch als Verfechter eines laissez-faire staatlicher Wirtschaftspolitik kann Smith vorgeführt werden.122 Es handelt sich bei dem System freier Konkurrenz der Klassiker also durchaus nicht um eine zügel-
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116 Vertiefend Olten S. 33 ff. 117 Plastische Beschreibung bei Drexl S. 92 ff. 118 Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 62. 119 Cox/Hübener II. 1. a; Herdzina in Herdzina (Hrsg.), Wettbewerbstheorie S. 18 f. 120 Über diese beiden Grundfunktionen von Wettbewerb (nicht hingegen über die Non-Dilemma-These) besteht wohl Einigkeit, vgl. Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 7 ff.; Herdzina Wettbewerbspolitik S. 31 ff. (S. 34 f. zu diversen Dilemma-Thesen); Lux S. 14 f. 121 Vgl. Drexl S. 9 ff.; I. Schmidt/Haucap S. 6; Tuchtfeldt ORDO 27 (1974) 29 ff. (jeweils m.w.N.). S.a. Starbatty wisu 1990, 541 f. 122 Drexl S. 98 (gegen die verfälschende Interpretation der „invisible hand“); Engels Marktwirtschaft S. 20 f.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 4 Rn. 2 f.; Streminger ARSP 1989, 196 ff., insbesondere 214 ff.
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lose Freiheit,123 wohl aber um eine Freiheit von staatlichem Dirigismus im Hinblick auf die durch den Wettbewerbsprozess herbeigeführten Ergebnisse im Einzelnen. Dieser von vornherein also nur bedingt freie, d.h. sich in Institutionen vollziehender 61 Wettbewerb ist nach klassischem Verständnis ohnehin kein in einem Zeitpunkt fixierbarer Zustand. Wettbewerb ist danach vielmehr ein dynamisches Geschehen, dessen etwaige Gleichgewichtslagen nur temporär bestehen. Aktionen und Reaktionen, ausgelöst durch Veränderung der Marktdaten, führen fortwährend zu den produktiven „Störungen“ dieser Gleichgewichtslagen. Wegen dieses prozesshaften Charakters des Wettbewerbs erscheinen selbst Monopole als unbedenklich, sofern nur bei freiem Marktzutritt potentielle Konkurrenten, angelockt durch hohe Gewinne, diese Marktform abzulösen imstande sind. 62
c) Zweiteilung wettbewerbskonzeptioneller Ansätze. Die in der Folgezeit formulierten Wettbewerbskonzeptionen der Ökonomik sind mannigfaltig, teilweise unübersichtlich, sich weiter wandelnd124 und insgesamt wohl „hoffnungslos kontrovers“,125 was der juristischen Rezeption selbstverständlich nicht förderlich gewesen ist.126 Dies rechtfertigt indes nicht, sich einem zumindest kursorischen Überblick zu verweigern und in „selbstgewählter Isolation“ zu verharren,127 etwa unter Hinweis darauf, dass „Juristen in der Regel wirtschaftswissenschaftliche Laien“ seien128 und somit ohnehin keine Stellung beziehen könnten. Denn die für Verständnis und Anwendung des Wettbewerbsrechts „notwendigen wettbewerbstheoretischen Erkenntnisse sind wahrscheinlich leichter zu gewinnen als die technischen bei einem Bauprozess oder die physikalischen bei einem Verkehrsprozess“.129 Außerdem geht es gar nicht um die Aneignung wirtschaftswissenschaftlich-modell63 theoretischer Subtilitäten, sondern lediglich um die Vergewisserung grundsätzlicher wettbewerbskonzeptioneller Positionen, um deren Reflexion in wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen und um den offenen Ausweis des bezogenen Standorts im Rahmen der juristischen Argumentation.130 Dies ist dem rechtsstaatlichen Postulat hinreichender Rationalität geschuldet. Dass mangels tieferen Eindringens in die Wettbewerbstheorie Fragen offenbleiben müssen, ist unausweichlich, erlaubt jedoch nicht umgekehrt völlige Abstinenz und selbst, denn allemal ist eine „flackernde Fackel … völliger Finsternis vorzuziehen“.131 Bei allen Vorbehalten bezüglich der Darstellungstiefe und -breite, die durch die ju64 ristische, speziell wettbewerbsrechtliche Anwendungsperspektive bedingt sind, lassen sich die nachfolgend exemplarisch beschriebenen Wettbewerbskonzeptionen zwei großen Lagern zuordnen, die in der Hauptsache entweder einen wohlfahrtsökonomischen oder aber einen systemtheoretischen Ansatz verfolgen.132 Das wohlfahrtsökonomische
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123 In diese Richtung aber wohl die Deutung bei Aberle 2.2.1.; wie hier vor allem Bartling S. 11 und Reuter DZWir 1993, 45 f., jeweils m.w.N.; s.a. I. Schmidt/Haucap S. 6; Mestmäcker Recht S. 100, 114 ff. 124 Vgl. Christiansen WuW 2005, 285, 289. 125 Koppensteiner § 1 Rn. 22. 126 Vgl. Baudenbacher Lauterkeitsrecht § 1 Rn. 58. 127 Hierzu und zum Folgenden s. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 26 ff. 128 Ohly S. 222. 129 Baudenbacher Lauterkeitsrecht § 1 Rn. 60. 130 Baudenbacher Lauterkeitsrecht § 1 Rn. 60; Drews S. 83 ff.; Lux S. 59/60; Pichler S. 104, 106 f.; s.a. Kisseler WRP 1999, 274, 277 ff.; Lehmann GRUR 1979, 368, 377. 131 Vgl. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 27 mit Zitat von Morgenstern S. 14. Ausdrücklich zustimmend Schwipps S. 65. 132 Hierzu und zum Folgenden s. Herdzina Wettbewerbspolitik S. 106 ff., der darauf hinweist (S. 110 ff.), dass die Zuordnung der jeweiligen Wettbewerbskonzeption durchaus zweifelhaft sein kann, da nicht
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Lager ist an gesamtwirtschaftlichen ökonomischen Zielfunktionen, namentlich an Effizienz und optimaler (Ressourcen-)Allokation ausgerichtet und hält den Wettbewerb prinzipiell für instrumentalisierbar zur Erreichung politisch gewünschter Ziele. Für die systemtheoretisch orientierten Wettbewerbskonzeptionen steht ganz die wirtschaftliche Freiheit der Marktakteure als Wesen wettbewerblicher Marktprozesse im Vordergrund. Hingegen wird ökonomischen Zielfunktionen kaum Aufmerksamkeit geschenkt, da davon ausgegangen wird, dass in Ausübung von Wettbewerbsfreiheit wirtschaftlicher Wohlstand unter den gegebenen Bedingungen sowohl individuell als auch gesamtwirtschaftlich optimal erwächst. Eine an der Zweiteilung von Wohlfahrtsökonomik und Systemtheorie angelehnte 65 Darstellung verdunkelt die historischen Entwicklungszusammenhänge. Diese sind indes für das Verständnis der Materie durchaus hilfreich, weil sich erst in der geschichtlichen Dimension der Wettbewerbstheorie die Dialektik jener Grundströmungen erkennen lässt. Ein derart motivierter Überblick133 bietet sich deshalb gerade dort an, wo es darum geht, eine nicht primär ökonomisch, sondern juristisch geprägte Fachöffentlichkeit anzusprechen. d) Die vollkommene Konkurrenz. Die Wettbewerbskonzeption der vollkommenen 66 Konkurrenz134 knüpft an die Wettbewerbsidee der Klassiker an. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei jedoch nur die Gleichgewichtslage, die in der Idee der freien Konkurrenz lediglich ein Stadium des Wettbewerbsprozesses und die gedankliche Antithese zum Monopol bezeichnet hatte. Die klassische Auffassung des Wettbewerbs als eines dynamischen, Handlungsfreiheiten voraussetzenden Geschehens wird dabei auf eine rein statische Betrachtungsweise reduziert, die die vor allem von Cournot und Walras freigesetzten Potenzen formaler, mathematischer Analytik zunehmend mit dem Realitätsverlust ihrer Modellannahmen erkauft. Zugleich wird die Wettbewerbstheorie aus ihrem ursprünglichen gesellschaftstheo- 67 retischen Kontext herausgelöst. Wettbewerbstheorie erfährt so eine Einengung auf preistheoretische Fragestellungen. Die Vollkommenheit des Wettbewerbs ist dabei durch die preispolitische Machtlosigkeit gekennzeichnet, die die Marktteilnehmer erfahren: Aufgrund ihrer großen Zahl und ihrer dadurch vermittelten, auf kleinen Marktanteilen gründenden atomistischen Konkurrenz müssen alle den Marktpreis als Datum, als „Schicksalspreis“, hinnehmen. Bewegungsspielräume bestehen nur im Anpassungsverhalten hinsichtlich der Gü- 68 termengen, denn Modellvoraussetzung ist völlige Güterhomogenität: Es besteht annahmegemäß keine Möglichkeit (mehr), sich etwa durch Qualitätsverbesserungen dem Konkurrenten gegenüber marktwirksam zu profilieren. Denn alle Konkurrenten können sich mit unendlich großer Reaktionsgeschwindigkeit allen derartigen Veränderungen des Datenkranzes anpassen. Auch herrscht auf ihrer Seite – ebenso wie auf der Marktgegenseite – absolute Markttransparenz. Einschätzungsunsicherheiten, wie sie für alle exante-Beurteilungen in Kauf genommen werden müssen, sind eliminiert.
_____ selten auch Argumentationsfragmente des jeweils anderen Lagers Verwendung finden; Harte/Henning/ Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 29 ff.; Koppensteiner § 1 Rn. 24 ff.; Künzler S. 40 ff.; Lademann DB 1985, 2661 ff.; Pichler S. 35 ff.; Schlüter S. 97 ff.; Wunderle S. 15 ff. 133 So auch Künzler S. 40 ff. 134 Vgl. namentlich Marshall Principles of Economics (1890) sowie Knight Uncertainty and Profit (1921) insbesondere 51 ff.; dazu Bartling S. 12 ff.; Cox/Hübener II.2.; Knieps S. 68 f.; Künzler S. 27 ff.; Neumann S. 67 ff.; Ruffner S. 15 ff.; Stigler in Herdzina (Hrsg.), Wettbewerbstheorie S. 30 ff.
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Trotz dieser irrealen Züge der Theorieprämissen wurde die vollkommene Konkurrenz jedenfalls in ihrer Version als „vollständige“ Konkurrenz135 lange, trotz Modifikationen im Kern sogar bis hin zum sog. Ordo-Liberalismus der Freiburger Schule (s. Rn. 87) und bis hin zur Urform des GWB, als wettbewerbspolitisches Leitbild akzeptiert,136 weil ihre Modellannahmen zugleich wesentliche Bedingungen des – allerdings selber umstrittenen137 – sog. Pareto-Optimums erfüllen. Dieser gesamtwirtschaftlich-wohlfahrtsökonomisch respektierte Zielpunkt besteht in einem Zustand, in dem niemand seinen Nutzen erhöhen kann, ohne den Nutzen eines anderen zu vermindern.138 Gerade der hier verwendete Konkurrenzbegriff wirft schließlich noch ein Schlaglicht 70 auf die allgemeine definitorische crux des Wettbewerbsbegriffs überhaupt. Denn in der genannten Gleichgewichtslage ist von „Wettbewerb“ jedenfalls in einem ökonomischpraktischen Sinne gerade nichts mehr zu spüren: Niemand hat mehr einen Anreiz zum Handeln, weil dieses nur zu einer Verschlechterung der Verhältnisse führen könnte. Die Metamorphose des Wettbewerbs zu einem künstlichen, von der wirtschaftlichen Realität ganz abgehobenen Begriff im Zustand der Erstarrung ist bereits hier vollendet.139 e) „Workable Competition“. Die unüberwindlichen Friktionen zwischen dem theoretisch-hypostasierten Zustand „vollkommener“ Konkurrenz und der vorfindlichen Realität führten zu sog. Workability-Konzepten, in ihrer prominentesten Version als sog. Harvard School. Angesichts ubiquitärer Heterogenität der Güter, eines nicht selten unüberschaubaren Kreises der Marktteilnehmer etc. wird im Ergebnis vom Modellplatonismus des vollkommenen Wettbewerbs Abschied genommen. Nunmehr wird versucht, unter den Unvollkommenheiten diejenigen hinzunehmen, ja womöglich gar zu fördern, die den jetzt wieder als Prozess begriffenen Wettbewerb140 überhaupt erst funktionsfähig,141 also „workable“, gestalten. Im Zuge dieses Ansatzes142 wird davon ausgegangen, dass es eine konkrete Kausalbeziehung zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Markergebnissen gibt, die es aufzudecken gilt. 72 Hauptanliegen innerhalb der Theoreme über die Workable Competition ist es also, Indikatoren zu formulieren, die in der Realität darüber Auskunft geben können, ob hic et nunc funktionsfähiger Wettbewerb auf dem in räumlicher, zeitlicher und insb. gegenständlich-sachlicher Hinsicht abgegrenzten und damit partiellen, „relevanten“ Markt, 71
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135 Zur Unterscheidung zwischen vollkommener und vollständiger Konkurrenz vgl. Bartling S. 13 f. 136 Für den Ordo-Liberalismus vgl. hier nur Böhm Wirtschaftsordnung, insbesondere S. 28 f.; Eucken Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 2. Aufl. (1952), insbesondere S. 24 f. Zum Einfluss auf die deutsche Kartellgesetzgebung vgl. nur Kartte/Holtschneider Konzeptionelle Ansätze und Anwendungsprinzipien im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, in Cox/Jens/Markert (Hrsg.) I.2. 137 Vgl. z.B. Künzler S. 29. 138 Vgl. Richter Preistheorie, 2. Aufl. (1974) 119 ff., 137 ff.; zur Kritik s. Bartling S. 16. 139 v. Hayek Individualismus S. 122, 128; Hoppmann Das Konzept des wirksamen Preiswettbewerbs (1978) 10; s.a. Knöpfle Rechtsbegriff S. 2, 101 f., Lux S. 41; Schlüter S. 106 f. 140 Grundlegend Clark American Economic Review 1940, 241 ff.; ders. Competition, passim (Übersetzungen auszugsweise in Herdzina (Hrsg.), Wettbewerbstheorie S. 142 ff. und S. 269 ff.). 141 Zu beachten ist dabei, dass die Funktionsfähigkeit im Wesentlichen auf die Effizienz des Wettbewerbsprozesses bezogen wird, also im Blick auf eine ihm hinterlegte Zielfunktion. Es handelt sich in diesem Verständnis nicht um funktionierenden Wettbewerb i.S. der systemtheoretischen Ansätze, also um hinreichende Freiheitsgrade der Marktteilnehmer. 142 Zu den zahllosen Varianten der Workability-Konzepte vgl. jeweils m.w.N. Aberle 2.3.; Bartling S. 20 ff.; Cox/Hübener I. 4.; Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 22 ff.; Herdzina, Wettbewerbspolitik S. 33 ff.; Knieps S. 45 ff., 74; Lux S. 24 ff.; Mestmäcker/Schweitzer § 2 Rn. 75 ff.; Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 66; Neumann S. 121 ff., 145 ff.; Ruffner S. 23 ff.; I. Schmidt/Haucap S. 12 ff.; Tolksdorf WuW 1980, 785, 791; Willemsen Wettbewerbstheorie – Wettbewerbspolitik und die kartellrechtlichen Bestimmungen des EWGVertrages und des EFTA-Vertrages (1971) 89 ff.; Wunderle S. 17 ff.
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existiert. Die Kriterienkataloge, die sich im Wesentlichen in den Merkmalsgruppen Marktstruktur (Zahl, Größe, Marktanteile der Wirtschaftseinheiten, Preis- und Einkommenselastizitäten etc.), Marktverhalten (bevorzugte Aktionsparameter, Risikoneigung etc.) und Marktergebnis (Güterpreise, -qualität und -mengen, Kosten, Gewinne etc.) manifestieren, sind dabei im Einzelnen sehr unterschiedlich formuliert und gewichtet. Gelegentlich erscheinen aber auch Marktmachtpositionen und hohe Pioniergewinne 73 nicht nur tolerabel, sondern wünschenswert, weil die dadurch motivierten Innovationen zu technischem Fortschritt führen (sog. Gegengiftthese).143 Die legitime Vorzugsstellung einzelner Marktteilnehmer wird allerdings nur als befristet betrachtet, weil und solange imitierende Konkurrenten wieder gleichziehen können. Das wettbewerbliche Leitbild der Workable Competition ist starken Einwänden aus- 74 gesetzt.144 Auch diese Konzeption unterstellt, dass ihre Ausgangsdaten konstant bleiben, also nicht durch den Wettbewerbsprozess ihrerseits zu Variablen werden.145 Sie führt durch den Einbau von ceteris paribus-Elementen zu einer Immunisierung gegenüber allen Falsifikationsversuchen, allerdings zu Lasten des empirischen Gehalts.146 Die postulierten Korrelationen zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis sind angesichts der hohen Komplexität und auch Reversibilität der Kausalzusammenhänge weitestgehend unsicher.147 Unbefriedigend ist schließlich eine gewisse Vernachlässigung der gesellschaftspoli- 75 tischen, Freiheit bedingenden und erzeugenden Aspekte des Wettbewerbs, zumal die gesellschaftspolitische Funktion des Wettbewerbs neben seiner Steuerungs- bzw. Ordnungsfunktion sowie seiner Antriebsfunktion gerade auch von den Workability-Konzepten unterstrichen wird.148 Trotz ihrer erkannten Schwächen werden freilich auch in der namentlich im Blick auf das Kartellrecht angewandten Wettbewerbstheorie Voraussetzungen und Grenzen wirksamen Wettbewerbs bevorzugt anhand von Kriterien wie Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis analysiert.149 f) „Countervailing Power“. Durchaus auch gesellschaftspolitisch motiviert ist hin- 76 gegen das wettbewerbliche Leitbild der gegengewichtigen Marktmacht, der Countervailing Power.150 Es basiert auf der empirisch gewonnenen Annahme, dass die praktische Beseitigung realer Wirtschaftsmacht schnell an ihre Grenzen stößt. Das dem Wettbewerbsprinzip zugeordnete Freiheitsmoment ist demnach besser durch den Aufbau marktneutralisierender wirtschaftlicher Gegenmacht (vornehmlich, aber nicht nur auf der oppositionellen Marktseite) zur Geltung zu bringen. Auch ökonomische Vorteile werden reklamiert, weil die Verhinderung zukünftiger bzw. Zerschlagung vorhandener Wirtschaftsmacht natürliche ökonomische Antriebskräfte beeinträchtigen müsste.
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143 Clark American Economic Review 1940, 241 ff.; s. dazu I. Schmidt/Haucap S. 12; Wunderle S. 18. 144 Zusammenfassend Bartling S. 23 ff.; Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 26 ff.; I. Schmidt/Haucap S. 9 ff.; Wunderle S. 20 unter Bezugnahme auf Mason („Beliebigkeit“ der Kriterien einer workable competition). 145 Möschel WiSt 1978, 336. 146 Schmidtchen Wettbewerbspolitik S. 107. 147 Näher Aberle 2.3.2.; Ahlert S. 109 f.; Bartling S. 23 ff.; Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 28; v. Hayek Theorie S. 25 ff.; Hoppmann Fusionskontrolle (1972) 20 ff., 41 f., 52 f.; Säcker S. 36 ff. 148 Vgl. Clark Competition S. 62; s.a. Günther Wege zur Europäischen Wettbewerbsordnung (1968) 25 f. 149 S.a. Künzler S. 22. 150 Galbraith insbesondere S. 124 ff. Dazu vor allem Andreae in Andreae/Glahe Heft 33, FIWSchriftenreihe, Heft 33 (1966) 37 ff.; ders. in Schneider (Hrsg.), Grundlagen der Denklehre und der Rechtsanwendung, 2. Aufl. (1972) 71 ff.; Bartholomeyczik/Benisch und Clemens/Glahe sowie Gutersohn/ Geisbüsch jeweils a.a.O. (Literaturverzeichnis) passim; Sölter Nachfragemacht S. 47 ff.
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Das Konzept der Countervailing Power hat die wettbewerbspolitische Praxis durchaus beeinflusst, z.B. in der Förderung mittelständischer Kooperationen und Einkaufsgenossenschaften als Gegengewichte zu Großunternehmen.151 Auch in der wettbewerbsrechtlichen Diskussion im Rahmen des UWG hat sich dieser Gedanke wohl niedergeschlagen, z.B. in der Fragestellung, ob „große“, marktstarke Unternehmen strengeren Anforderungen an die Lauterkeit ihres Marktverhaltens unterworfen werden sollten,152 was die Marktschwäche vieler kleinerer Unternehmen kompensieren könnte. Theoretisch wird diesem Wettbewerbsleitbild freilich die mangelnde Quantifizierbarkeit wirtschaftlicher Macht und seine allenfalls nur auf ganz bestimmte Marktverhältnisse zugeschnittene freiheitsfördernde Wirksamkeit entgegengehalten.153 So sind z.B. die privaten Endverbraucher nicht in ausreichendem Grade als wirtschaftliche Gegenmacht organisierbar.154
g) „Optimale Wettbewerbsintensität“. In der Kontinuität mit den WorkabilityTheoremen über den funktionsfähigen Wettbewerb steht Kantzenbach mit seinem Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität,155 das in Deutschland große Beachtung fand und dabei etwa die Novellierung des GWB im Jahre 1973 stark prägte.156 Dem Wettbewerb werden dabei fünf gesamtwirtschaftliche Funktionen zugeordnet. Drei „statischen“ Funktionen – marktleistungskonforme Einkommensverteilung, nachfragebezogene Angebotsstruktur, bestmögliche Faktorallokation – stehen zwei „dynamische“ Funktionen gegenüber, nämlich Anpassungsflexibilität der Produktionskapazitäten und Durchsetzung des technischen Fortschritts. Die dynamischen Funktionen werden dabei im Ergebnis höher gewichtet, weil sie die statischen Funktionen gleichsam nach sich ziehen.157 79 Die optimale Wettbewerbsintensität bestimmt sich in diesem Konzept deshalb nach dem Grad der Erfüllung eben jener dynamischen Funktionen. Konkret und marktformenspezifisch wird das wettbewerbliche Intensitätsoptimum im weiten Oligopol mit einer mäßigen Produktheterogenität und beschränkter Markttransparenz lokalisiert. Hier soll dann die Geschwindigkeit, mit der Vorsprungsgewinne durch erfolgreiche Imitation abgeschmolzen werden, optimal sein: nicht zu hoch, um Innovationsanreize zu erhalten, und nicht zu gering, um dauerhafte Marktmacht zu verhindern. Der Lehre von der optimalen Wettbewerbsintensität und dem daraus deduzierten 80 Leitbild des Wettbewerbs wird unter anderem entgegengehalten, dass es schon keine überzeugenden Eindeutigkeiten zwischen Intensität und Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs gäbe, sich diese jedenfalls nicht empirisch dartun ließen.158 Als wesentliches 78
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151 S. Schreiber Gegengewichtsprinzip in der Wirtschaftsordnung (FIW-Schriftenreihe, Heft 36, Kooperation als Gegengewichtsbildung, 1966) passim. 152 So Fezer/Fezer § 1 Rn. 35, 59; ders. schon BB 1976, 705 f.; a.A. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 249. 153 Aberle 2.5. 154 Jeschke Konsumentensouveränität in der Marktwirtschaft (1975) 234 ff.; Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 73; U. Müller Wettbewerb, Unternehmenskonzentration und Innovation (1975) 61 ff.; Reich S. 198 ff., 221 ff. 155 Kantzenbach Funktionsfähigkeit, passim, insbesondere S. 16 ff.; s.a. ders. in Herdzina (Hrsg.), Wettbewerbstheorie S. 194 ff.; ders. JNSt 181 (1967/68), 193 ff. Dazu etwa Aberle 2.6.2.; Bartling S. 30 ff.; Lux 29 ff.; Neumann S. 121 ff.; Ruffner S. 37 ff.; Säcker S. 39 ff.; I. Schmidt/Haucap S. 14 ff.; Tabbert Unternehmensgröße, Marktstruktur und technischer Fortschritt (1974) 30; Willeke Grundsätze S. 69 ff. 156 Vgl. auch BGH 24.10.1963 BGHZ 41, 42, 51 – Fensterglas. 157 Kantzenbach JNSt 181 (1968) 220; ders. Funktionsfähigkeit S. 16 ff. 158 Aberle 2.6.2. unter besonderem Hinweis auf Phillipps Market, Structure, Organization and Performance (1962) 257.
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Manko wird ferner auch hier wie schon in der gleichgelagerten Kritik an Workability-Konzepten vermerkt, dass der Wettbewerbsprozess als Funktion der Marktform begriffen werde, dabei aber vernachlässigt werde, dass dieser Prozess seinerseits auf die Marktstruktur einwirke.159 Neben diesen ökonomischen Einwänden hat das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität aber vor allem gegen sich, dass es ganz dezidiert den Wettbewerb einer gesellschaftspolitischen Funktion entkleidet wissen will.160 h) „Chicago School“. In Gegnerschaft zum Konzept der Workable Competition for- 81 mierte sich in den 70er Jahren ein Kreis von Ökonomen und Juristen, vornehmlich Mitgliedern der University of Chicago, die in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Folgezeit erheblichen Einfluss auf die Anti-Trust-Politik der Reagan-Administration erlangte und damit die bis dahin bestehende Dominanz des marktstrukturell beherrschten Gedankengebäudes der sog. Harvard School beendete.161 Ihre Positionierung im Spektrum von Wohlfahrtsökonomik oder Systemtheorie ist letztlich unklar, da sie einerseits eine Art pareto-optimale Effizienz propagiert (Kaldor/Hicks-Kriterium),162 es andererseits aber ablehnt, das Marktverhalten (und Marktergebnisse) als abhängig von der Marktstruktur zu begreifen; vielmehr folge gerade umgekehrt die optimale Marktstruktur aus dem hinreichend freien Marktverhalten.163 Im Verständnis von Bork, Demsetz, Posner, Stigler u.a., den Protagonisten der sog. 82 Chicago School, soll das Marktgeschehen als freies Kräftespiel ablaufen, wobei mit durchaus sozialdarwinistischem Akzent die Auslese der wirtschaftlich Gesündesten und Besten propagiert wird. Der Staat wird allenfalls auf die Vorgabe eines lockeren ordnungspolitischen Rahmens verwiesen. Im Mittelpunkt dieses Leitbildes steht die Konsumentenwohlfahrt, als deren Kriterium allokative Effizienz in der Volkswirtschaft und produktive Effizienz in den Unternehmen figuriert. Konzentrationsprozesse werden dabei tendenziell i.S. einer Effizienzsteigerung infolge Optimierung der Betriebsgröße interpretiert, nicht als Begünstigung in Richtung auf die Erzielung von Monopolrenten. Der Zielerreichungsgrad der Effizienzkriterien wird anhand preistheoretischer Aussagen ermittelt, wobei die vollständige Konkurrenz einerseits und das Monopol andererseits die Eckdaten liefern. Das Wettbewerbskonzept auch der Chicago School ist stark umstritten.164 Der Chica- 83 go School wird bereits vorgehalten, dass sie mit antiquierten mikroökonomischen Instrumenten der Preistheorie arbeite. Provokant wirkt die Grundüberzeugung dieses Konzeptes, dass die Wirtschaftsstruktur, so, wie sie sich vielfach darbietet, nämlich starken Konzentrationsbewegungen unterworfen, nur die überlegene ökonomische Effizienz der am Prozessende stehenden Großunternehmen widerspiegele. Diese Effizienz wird im Übrigen trotz ihrer zentralen Stellung im Konzept nicht präzise definiert und bleibt so kaum messbar.
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159 Ahlert S. 110 ff.; Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 66. 160 Gegen Kantzenbach (Funktionsfähigkeit S. 13) namentlich Hoppmann JNSt 179 (1966) 286 ff.; I. Schmidt/Haucap S. 17 ff. sowie überhaupt die Vertreter eines systemtheoretischen Ansatzes (dazu sogleich). Auf lediglich kaschierte Wertentscheidungen bei Kantzenbach weist ausführlich Neumann S. 173 ff. hin. 161 Gut informierend z.B. Knieps S. 73 f.; Pichler S. 36 f.; I. Schmidt/Haucap S. 23 ff. 162 Das Kaldor/Hicks-Kriterium lässt es unter wohlfahrtsökonomischen Effizienzgesichtspunkten ausreichen, wenn die Verlierer einer Veränderung der Verhältnisse durch die Veränderungsgewinne der anderen vollständig kompensiert werden können und den Gewinnern trotzdem noch ein Nettozuwachs an Wohlfahrt verbleibt. Näher dazu Schäfer/Ott S. 19 ff. 163 Vgl. zum Einordnungsproblem Herdzina Wettbewerbspolitik S. 111 f. 164 S. Emmerich Kartellrecht Rn. 32; Künzler S. 51; I. Schmidt/Haucap S. 28 f.
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Die Verabsolutierung des Effizienzziels sowie die postulierten Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Macht, Effizienz und Konzentration führen konsequenterweise dann dazu, dass wirtschaftliche Macht per se als legitimiert erscheint und die machtneutralisierende gesellschaftspolitische Funktion des Wettbewerbs deshalb wohl abgelehnt werden muss.165 Großen Zweifeln begegnet schließlich das Axiom, Konsumenten verhielten sich in der Realität generell rational. Letztlich scheint die Dichotomie von Sollen und Sein überhaupt negiert und damit die Existenzberechtigung eines Wettbewerbsrechtes selber in Frage gestellt zu werden.
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i) Ordo-Liberalismus. Eine herausragende Rolle bei der Ausbildung der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland als „Soziale Marktwirtschaft“ hat der sog. Ordo-Liberalismus der „Freiburger Schule“ um Böhm, Eucken, Miksch und MüllerArmack gespielt,166 für dessen praktisch-politische Personifikation aber der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard steht. Das in seinen Wurzeln bis in die 30er Jahre dieses Jahrhunderts zurückreichende, gleichermaßen wirtschaftspolitische wie sozialphilosophische Konzept des Ordo-Liberalismus zielt auf die bewusste Ausgestaltung einer regelgebundenen Wettbewerbswirtschaft, die dabei in den Dienst einer freiheitlichen, aber auch sozialverpflichteten Gesellschaft gestellt ist. 86 Die so verfasste Gesellschaft prägt ihrerseits wieder das Marktgeschehen. Die Wettbewerbspolitik hat sich mithin am Schutz der individuellen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit zu orientieren und sie nach Kräften zu fördern, um einen wettbewerbserfüllten, Freiheit stiftenden und Freiheit spiegelnden Wirtschaftsmechanismus zu gewährleisten. Auch die kartellrechtlichen Instrumente sind letztlich auf den Schutz solcher Handlungsfreiheiten, nämlich derjenigen der übrigen Marktteilnehmer, zugeschnitten. Ökonomische Effizienz i.S. etwa der „Chicago School“ als Sammelbegriff für Wachstum, technischen Fortschritt, Allokationsoptimierung etc. scheidet als eigenständige Zielsetzung aus, gilt vielmehr ihrerseits als Reflex wahrgenommener Handlungsfreiheit.167 Eine bestimmte Marktform strebt der Ordo-Liberalismus nicht primär an, greift aber 87 durchaus, wenn auch selektiv, auf die Idee der vollkommenen Konkurrenz zurück (vgl. Rn. 69). Als konstituierendes Prinzip ordoliberaler Wirtschaftsordnung fungiert allerdings ein gegenüber der vollkommenen Konkurrenz reduktives Modell „vollständiger“ Konkurrenz. Zu deren Herstellung wird staatliche Marktstrukturpolitik ausdrücklich gebilligt.168 Voraussetzung ist hierbei lediglich, dass der Preis von den Wettbewerbern infolge polypolistischer Märkte als Datum zu akzeptieren ist und somit Mengenanpasserverhalten ihren Bewegungsspielraum erschöpft.169 Das große Verdienst des Ordo-Liberalismus ist es, eindringlich auf das Freiheitspa88 radox, die Gefahr der Selbstaufhebung des Wettbewerbs durch Zusammenschluss und (dauerhafte) Monopolbildung, aufmerksam gemacht zu haben.170 Dagegen einzuschrei-
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165 Dezidiert a.A. aber Friedman S. 27 ff. und passim. 166 Vgl. namentlich Böhm insbesondere S. 28 ff.; Eucken Grundlage, passim; ders. Grundsätze, insbesondere S. 24 ff.; Miksch Wettbewerb als Aufgabe, 2. Aufl. (1947) und Müller-Armack Wirtschaftslenkung. Dazu z.B. Aberle 2.2.2.; Fikentscher Bd. II § 20 IV 2; Knieps S. 69 f.; Peters S. 150 ff.; Ruffner S. 20 ff. Sehr kritisch Reich ARSP 1977, 485, 492 ff. Die Bezeichnung Ordo-Liberalismus leitet sich aus der abkürzenden Bezeichnung „ORDO“ des bevorzugten Publikationsorgans seiner Vertreter her, dem „Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft“. 167 Zu Berührungspunkten zwischen Ordo-Liberalismus (und der Neoklassik; dazu sogleich Rn. 92) einerseits, der Chicago School andererseits s. Fikentscher Bd. II § 20 II 7c. 168 Dazu Cox/Hübener IV. 3. 169 Eucken Grundlage S. 95 ff.; ders. Grundsätze S. 247 ff. 170 Drexl S. 110 ff.
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ten ist der Staat aufgerufen, ohne dass dies als plan- oder interventionswirtschaftliche Maßnahme im Zuge einer synkretistischen, sowohl kapitalistischen als auch sozialistischen Mischwirtschaft („mixed economy“) missverstanden werden dürfte171 (zum Verhältnis von Wettbewerbs- und Sozialstaatsprinzip s.a. Rn. 153, 158, 163 f., 170 und insbesondere 174 ff.). Die Veranstaltung des Wettbewerbs als staatliche, durch Rechtsnormen und nicht 89 politische Entscheidungen zu bewältigende Aufgabe wird vielmehr als Konsequenz immanenter Schranken der Wettbewerbsordnung gedacht. Allerdings ist die behauptete schroffe Antithetik, in der der Ordo-Liberalismus wegen dieser seiner Grundüberzeugung der freien Konkurrenz der Klassiker gegenübergestellt wird,172 wohl überzogen, weil auch die Klassiker die Gefahr „endogener Pervertierungen“ 173 der wettbewerblichen Freiheit nicht völlig negiert haben (s. bereits Rn. 58 ff.), verständlicherweise aber die Stoßrichtung ihrer Lehre gegenüber dem merkantilistischen System staatlicher Lenkung pointiert haben. Sein unverwechselbares Profil gewinnt der Ordo-Liberalismus aber neben der Ein- 90 bindung der Wettbewerbspolitik in den Gesamtrahmen der Wirtschaftsordnung (etwa durch die Währungspolitik) jedenfalls durch seinen sozialen Impetus. Wie dieser zum Tragen kommen sollte, war allerdings innerhalb der ordo-liberalen Vertreter umstritten: Während auf der einen Seite, vor allem durch Ludwig Erhard, die freiheitlichwettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft aus sich heraus soziale Anliegen verwirkliche, der Begriff der sozialen Marktwirtschaft also als Pleonasmus zu gelten habe,174 wurden von anderen planende Eingriffe des Staates in die Ökonomie im Rahmen ihrer Marktkonformität zugunsten besonders schutzwürdig erachteter Gruppen (historisch bedingt in der Nachkriegszeit also vor allem Flüchtlinge, Kriegsheimkehrer etc.) nicht nur für zulässig, sondern für geboten erachtet.175 In der dezidiert verfolgten sozialen Dimension des Ordo-Liberalismus wurzelt auch 91 der intendierte Schutz des Mittelstandes, der nach Röpke176 geradezu Träger einer Kulturfunktion ist, die ihrerseits wiederum durch „Qualität, Ehrlichkeit, Dauer, Noblesse, Maß und einfache Schönheit“ beschrieben wird. Alles in allem kann trotz gewisser Vorbehalte der Ordo-Liberalismus mit der freien Konkurrenz der Klassiker durchaus in eine konzeptionelle Reihe systemtheoretischer Ansätze gestellt177 und damit als historische und ideengeschichtliche Brücke zur sog. Neoklassik verstanden werden. j) Die freie Konkurrenz der Neoklassik. Vor allem als Gegenpol zu den Workabi- 92 lity-Konzepten des Wettbewerbs unter Einschluss der Position einer optimalen Wettbewerbsintensität versteht sich das sog. neu- oder neoklassische (neoliberale) Leitbild des Wettbewerbs, das Konzept der Wettbewerbsfreiheit. Diese im deutschen Sprachraum178 vornehmlich von Hoppmann im Blick auf v. Hayek und seine theoretischen Über-
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171 Gegen jede Einordnung des Ordo-Liberalismus als mixed economy in ein eindimensionales ideengeschichtliches Spektrum eines regellosen Liberalismus einerseits, der totalen Planwirtschaft andererseits, nachdrücklich Fikentscher Bd. II § 20 IV 2a; a.A. Neumann S. 106; s.a. Löw Die Grundrechte, 2. Aufl. (1982) 371. 172 Paradigmatisch Neumann S. 104 ff. 173 Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 2. 174 S. Mierzejewski Ludwig Erhard: der Wegbereiter der Sozialen Marktwirtschaft (2005) 59. 175 Vgl. Busch S. 19 m.w.N. 176 ORDO I (1948) 155, 167 f., 177. 177 S.a. Künzler S. 53 ff. 178 Vgl. im Übrigen etwa Kirzner, passim.
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legungen zu komplexen Systemen179 formulierten Vorstellungen von einem funktionsfähigen Wettbewerb180 sehen sich in besonderer Weise in der ideengeschichtlichen Tradition der Klassiker.181 Funktionsfähig ist dieser im neoklassischen Sinne verstandene Wettbewerb, wenn 93 sich in ihm Freiheit manifestiert, nämlich die Freiheit des Wollens („Entscheidungsfreiheit“) und die Freiheit des Handelns („Handlungsfreiheit“).182 Dies resultiert aus dem systemtheoretischen Ansatz des neoklassischen Wettbewerbsverständnisses, genauer gesagt: aus der Zuordnung von Wettbewerb und Freiheit: Marktwirtschaft wird als komplexes, evolutorisches, kybernetisch-selbstregulatives System begriffen, das spontane, interdependente Handlungen aller Marktteilnehmer als den Elementen dieses Systems und deren polyzentrische Koordination in Parallel- und Austauschprozessen in sich schließt.183 Diese Prozesse sollen sich dabei wechselseitig bedingen und zwei Seiten ein und 94 derselben individuellen Handlungs- und Entschließungsfreiheit der Marktteilnehmer darstellen.184 Reduktiv-modelltheoretischen Erfassungsversuchen des Wettbewerbs und seiner Indienstnahme für die Erreichung politisch erwünschter Ergebnisse wird eine Absage erteilt, da all diese Versuche auf einer „Anmaßung von Wissen“185 um die unübersehbar verstreuten und in ihrer Fülle überwältigenden Informationen der Marktteilnehmer, um deren sich immerfort wandelnden Präferenzen und um deren in Freiheit getroffenen und vollzogenen Entscheidungen beruhten, kurz: auf der angemaßten Kenntnis der Hochkomplexität von Marktprozessen, zumal in anonymen Großgesellschaften. 95 Die aus der Anknüpfung an die freie Konkurrenz der Klassiker resultierende Etikettierung als neu- bzw. neoklassisch oder neoliberal darf nicht dahin missverstanden werden, dass auch die im historischen Anschluss an Smith, Hume, Ricardo, Mill oder Bentham erfolgte Verengung auf statische Gleichgewichtsmodelle der mikroökonomischen Preistheorie übernommen worden wäre.186 Das gerade Gegenteil ist der Fall. Das neoklassische/neoliberale Leitbild des Wettbewerbs unterstreicht vielmehr den auch bei den Klassikern und ihrer Idee von freiheitlicher Konkurrenz vorfindlichen Grundgedanken des dynamischen Charakters von Wettbewerb als Prozess, und zwar – im Anschluss an v. Hayek – als freiheitsbasiertes Entdeckungs- und Problemlösungsverfahren.187
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179 v. Hajek Theorie, passim. 180 S. hier zunächst nur Hoppmann JNSt 1979 (1966) 286 ff.; ders. Problem S. 9 ff. Vgl. zur Neoklassik etwa Aberle 2.4.; Bartling S. 41 ff.; Clapham, passim; Kraft GRUR 1980, 966, 968; Lux S. 32 ff., 41 ff.; Rittner AcP 188 (1988), 101, 113 ff., 119 f.; Ruffner S. 70 ff.; I. Schmidt/Haucap S. 18 ff. 181 Hoppmann Schutzobjekt S. 80 f.; ders. in Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.) Normenzwecke und Systemfunktionen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen (1974) 5, 7 f.; s.a. (gut referierend) Drexl S. 98 ff. 182 Hoppmann Wirtschaftsordnung S. 260. 183 v. Hayek Theorie, passim; ders. Freiburger Studien S. 35; Hoppmann Prinzipien, passim; ders. Problem S. 29 ff., 39 ff.; ausführlich dazu Schmidtchen Wettbewerbspolitik S. 111 f. sowie Köhler Wettbewerbsbeschränkungen durch Nachfrager (1977) S. 5 ff. Sehr anschaulich Engels Marktwirtschaft S. 23 ff.; ders. Mehr Markt S. 36, 60 f. 184 Hoppmann Wirtschaftsordnung S. 269. 185 Eindringlich zu dieser wissenschaftstheoretisch gebotenen Bescheidenheit v. Hayek ORDO 26 (1975) 12 ff. 186 Neumann S. 184. 187 Hoppmann Wettbewerbsintensität S. 15; ders. Marktmacht S. 7 ff.; ders. Problem S. 29 f.; ders. JNSt 181 (1967/68) 251 ff.; v. Hayek Freiburger Studien S. 249 ff.; Röpke Wirtschaftspol. Blätter 1976, 38 ff.; Schmidtchen Wettbewerbspolitik S. 111 ff.; s.a. Windsperger ORDO 37 (1986) 125.
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Die Ergebnisse dieses sich in Vorstoß- und Verfolgungs-(Nachahmungs-)Phasen entwickelnden Prozesses188 sind demnach ex ante notwendigerweise ungewiss und offen, so dass Wettbewerb sich auch nicht zur Erreichung konkret bestimmter gesamtwirtschaftlicher, exogen vorgegebener Ziele instrumentalisieren lasse.189 Der wettbewerbsgesteuerte Markt ist demnach unplanbar, ein ganz und gar „selbstreferentielles System“.190 Der Verzicht auf heteronom-politisch gesetzte Ziele und daraus folgend auf diesbezügliche Effizienzpostulate markiert unverwechselbar das Spezifikum des neoklassischen Ansatzes. Vorhersagen für Märkte werden so für unmöglich gehalten, wenn sie über nur „musterhafte“ Prognosen“191 innerhalb modellierender, also abstrakter Konstrukte hinausgehen, denn Einschätzungen zukünftiger konkreter Verhältnisse auf Märkten setzten als „umgekehrte Kausalanalyse“192 sichere Kenntnis von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen (nomologisches Wissen) und volle Verfügbarkeit der bei sämtlichen Marktteilnehmern vorhandenen Einzelinformationen (einzelinformatorisch-situatives Wissen) voraus. Beide Voraussetzungen seien jedoch in der ökonomischen Realität evident unerfüllbar.193 Staatliche Interventionen in den Wettbewerbsprozess zu seiner Instrumentalisierung für politisch gewünschte Ziele erscheinen von daher als prinzipiell fragwürdig. Erst ein Wirtschaftssystem, das auf der Wahrnehmung von Wettbewerbsfreiheit beruht, kann nach neoklassischer Überzeugung überhaupt Lösungen generieren, die die individuellen Interessen der Marktteilnehmer optimal durchsetzen. In einer von Wettbewerbsfreiheit durchdrungenen Marktwirtschaft eo ipso beschlossen sind demnach aber auch allgemeine ökonomische Vorteile (Induktion und Entfaltung technischen Fortschritts, nachfragebezogene Angebotsstruktur, optimale Faktorallokation, effizienter Ressourceneinsatz, produktionskapazitative Anpassungsflexibilität marktleistungskonforme Einkommensverteilung).194 Marktstrukturen gegenüber verhält sich die Neoklassik grundsätzlich indifferent. Teilweise als damit vereinbar angesehen wird allerdings die Kritik an Marktstrukturen, die das Potential einer Freiheitsgefährdung in sich tragen sollen.195 Ein Zielkonflikt zwischen Wettbewerbsfreiheit und guten ökonomischen Ergebnissen soll ganz im gedanklichen Duktus der freien Konkurrenz der Klassiker nicht eintreten können (Non-Dilemma-These).196 Denn Wettbewerb in Freiheit sorge zumindest
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188 S.a. Clark Competition, passim (Auszug in Herdzina [Hrsg.], Wettbewerbstheorie S. 269 ff.); Herdzina Wettbewerbspolitik S. 58 ff.; Heuß Markttheorie, passim; Hoppmann Zum Schutzobjekt des GWB. Die sogenannten volkswirtschaftlichen Erkenntnisse und ihre Bedeutung für die Schutzobjektdiskussion, in Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerb S. 81. 189 Brandt JNSt 199 (1984), 97, 114; v. Hayek Theorie S. 25 ff.; Hoppmann Problem S. 20, 26; ders. Wirtschaftsordnung S. 269; Kirzner, passim; Mestmäcker/Schweitzer § 2 Rn. 92 ff.; Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. (1987) § 14 Rn. 22. 190 Treffend Fezer JuS 1991, 889, 891. Ebenso Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 40; ihm zustimmend Drews S. 40. 191 S. näher zu Mustervoraussagen („pattern predictions“) v. Hayek Theorie S. 7 sowie ders. Freiburger Studien S. 144 Anm. 1 und wiederum dazu Graf „Muster-Voraussagen“ und „Erklärung des Prinzips“ bei F.A. v. Hayek (1978) 46 ff. 192 Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 66; ders. ORDO 32 (1981) 85, 89. 193 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 37 ff.; Lux S. 42 f. 194 Zurückhaltend bezüglich der impliziten Erreichung der allgemeinen ökonomischen Ziele aber Hoppmann Problem S. 20, 26; ders. Zum Schutzobjekt des GWB. Die sogenannten volkswirtschaftlichen Erkenntnisse und ihre Bedeutung für die Schutzobjektdiskussion, in Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerb S. 75 ff. 195 Vgl. Künzler S. 57 f. 196 Vgl. Hoppmann Fusionskontrolle S. 18 ff.; ders. JNSt 179 (1966) 289 ff.; ders. Problem S. 48; s.a. Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 30; Merz S. 217; Mestmäcker AcP 168 (1968) 235, 245; Voigt WiSt 1992, 516 ff.
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dafür, dass vordergründig gesehen wohlstandsökonomisch unzureichende Resultate unter den gegebenen, insbesondere also historischen, geographischen, klimatischen, kulturellen und mentalen Bedingungen zumindest unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nicht noch unzureichender ausfallen.197 Soweit dieser Zielkonflikt im Einzelfall gleichwohl gesehen werden sollte, ist er i.S. der Neoklassik (Neoliberalismus) jedenfalls zugunsten der gesellschaftspolitischen Freiheitsfunktion des Wettbewerbs zu entscheiden, weil Wohlstand in Unfreiheit die demokratisch wie ethisch unakzeptable Alternative wäre.198 Bei alledem wird die Komplexität des Marktsystems nicht zuletzt unter dem Aspekt 100 des Kaufkraftwettbewerbs gesamtwirtschaftlich begriffen (Totalmarktkonzept);199 der gedanklichen Ausdifferenzierung der Volkswirtschaft in Partialmärkte, die jeweils für irgendeine, namentlich kartellrechtliche Fragestellung „relevant“ sein sollen, haftet demnach also von vornherein etwas Dezisionistisches an. Jedenfalls aber seien solche Einzelmärkte, ihre Existenz einmal unterstellt, dauernden Veränderungen durch den Wettbewerbsprozess selber unterworfen. 101
k) Moderne Effizienz-Paradigmen. In der Entwicklung der modernen, sehr stark anglo-amerikanisch geprägten Wettbewerbstheorie dominieren nunmehr Wettbewerbskonzeptionen, für die wiederum primär wohlfahrtsökonomische und an Effizienz ausgerichtete Überlegungen maßgeblich sind.200 Sie speisen sich aus sehr verschiedenartigen Quellen, haben aber wohl doch in ihrer kritisch-produktiven Auseinandersetzung mit der sog. Chicago School einen kleinsten gemeinsamen Nenner, der deshalb gerne als Post Chicago bezeichnet wird.201 Stichworte sind hier vor allem die spieltheoretisch, aber auch empirisch geprägte und am Marktverhalten orientierte Neue Industrieökonomik202 sowie die daraus abgeleitete Neue Institutionenökonomik.203 Unter dem Dach von Post Chicago finden sich aber randständig auch Varianten eines Wettbewerbsleitbildes, das zwischen dem Effizienzziel die Sicherung individueller Handlungsfreiheit der Markteilnehmer an die Seite stellt.204 Insgesamt bietet sich ein facettenreiches Bild, in dem aber, wie gesagt, der Effizienz-Gedanke dominiert.205 Die modernen Effizienz-Paradigmen beherrschen ersichtlich auch das Wettbewerbs102 leitbild der Europäischen Kommission. Auf eben diese Paradigmen rekurriert nämlich
_____ Eingehende Kritik aus juristischer Sicht bei Stürner, passim. Zu weiteren Dilemmata-Thesen s. I. Schmidt/ Haucap S. 42 f. 197 Hoppmann Wirtschaftsordnung S. 216; hierzu wie zum Folgenden s.a. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 266 m.w.N. 198 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 266. 199 Hoppmann Marktmacht S. 9; ders. Wirtschaftsordnung S. 356 ff.; Knieps S. 48: „Es gibt keine objektive Marktabgrenzung“; Schmidtchen Wettbewerbspolitik S. 194 ff.; kritisch aber etwa Möschel Wettbewerbspolitik vor neuen Herausforderungen, in Ordnung in Freiheit, Symposium aus Anlass des 100. Jahrestages des Geburtstages von Walter Eucken am 17. Januar 1991, (1992) 61, 68. Gut referierend Thielemann S. 224 ff. m.w.N. 200 Schmidtchen Effizienz S. 9 ff. 201 Hierzu und zum Folgenden s. den sehr gedrungenen wie gelungenen Überblick bei Pichler S. 40 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 202 Dazu z.B. Bühler/Jäger Einführung in die Industrieökonomik (2002); Knieps S. 45 ff.; Tirole Industrieökonomik, 2. (deutschsprachige) Aufl. (1998); Shy Industrial Organisation (1996). 203 Vgl. Richter/Furubotn Neue Institutionenökonomik, 2. Aufl. (1996). Überblick hierzu wie zur Neuen Industrieökonomik bei Künzler S. 47 ff.; s.a. Drexl S. 186 ff. 204 Zu der sich daran entzündenden Auseinandersetzung zwischen Epstein und Posner s. Pichler S. 41 m.w.N. 205 Guter Überblick speziell hierzu bei Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 4 Rn. 11 ff.
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die Formel vom „more economic approach“,206 die ihrerseits keineswegs nur eine Berücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse im Wettbewerbsrecht anmahnt. Vielmehr nimmt sie nach Vorläufern wie dem Weißbuch der Kommission „Über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artikel 85 und 86 EGV“207 namentlich Bezug auf das Thema des Berichts der Economic Advisory Group for Competition Policy vom Juli 2005 zum damaligen Art. 82 EGV und die dort dargelegten, effizienzorientierten Anregungen, die sich die EU-Kommission mehrfach zu Eigen gemacht hat.208 Diese Haltung ist EU-primärrechtlich im Blick auf Artt. 119 f. AEUV allerdings prob- 103 lematisch. Denn das Primärrecht stellt dort die „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“, nicht jedoch Effizienz der ökonomischen Prozesse und damit den instrumentalisierten Wettbewerb in den Mittelpunkt der europäischen Wirtschaftsverfassung.209 Dessen ungeachtet dürfte aber feststehen, dass dieses Wettbewerbsleitbild lediglich eine Selbstbindung der Kommission bei ihrer Ermessensausübung darstellt, im Übrigen aber keine rechtliche Verbindlichkeit besitzt, weder auf europarechtlicher noch auf nationaler Ebene.210 Die juristisch deutlich kartellrechtliche Diskussionsperspektive der modernen Effi- 104 zienz-Paradigmen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sehr wohl auch um lauterkeitsrechtliche Fragestellungen geht. Denn im Kern läuft dieses Effizienzdenken darauf hinaus, dass Wettbewerbsdefizite auch wettbewerbsrechtlich dann akzeptiert, ja begrüßt werden, wenn in ihrem Gefolge die Gesamtwohlfahrt gesteigert wird.211 Insbesondere im Rahmen der Generalklausel des § 3 Abs. 1 kann diese Sichtweise ihren Wertungsniederschlag finden, wenn letztlich nicht mehr die individuellen Interessen der durch Wettbewerbsbeeinträchtigungen betroffenen Marktteilnehmer zählen, sondern die Mehrung des Nutzens der Allgemeinheit. 4. Maßgebliche Wettbewerbskonzeption. Zunächst ist zusammenfassend fest- 105 zuhalten: Der Allgemeinbegriff des Wettbewerbs entzieht sich einer stimmigen, griffigen Beschreibung, zumal „Wettbewerb“ in sehr unterschiedlichem Realkontext gebraucht wird. Selbst der wirtschaftliche Wettbewerb ist in einer explizit-verbalen Weise nicht hinreichend zu fassen. Die zahlreichen, auf implizite Definitionen abzielenden wirtschaftswissenschaftlich fundierten Wettbewerbskonzeptionen wiederum lassen sich vergröbernd danach ordnen, ob sie Wettbewerb als wirtschaftliches Ordnungsprinzip zur Erreichung bestimmter Ziele für instrumentalisierbar halten, in ihm also eine ökonomische Technik sehen, oder ob Wettbewerb als Manifestation von Freiheit zum Eigenwert erhoben wird, mögen zugleich – reflektorisch – auch bestimmte allgemeine ökonomische Funktionen mit erfüllt sein.212
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206 Dazu m.w.N. (teilweise sehr kritisch) Basedow WuW 2007, 712 ff.; Christiansen WuW 2005, 285 ff.; Haratsch/Koenig/Pechstein Rn. 1011 f.; Hildebrand WuW 2005, 513 ff.; Immenga WuW 2006, 463; Mestmäcker/Schweitzer § 1 Rn. 9 ff., § 13 Rn. 38; Möschel JZ 2009, 1040 ff.; Pichler S. 47 ff., 74 ff.; Podszun WRP 2009, 509 ff.; Schmidtchen WuW 2006, 1 ff.; I. Schmidt FS Bechtold 40 ff. 207 ABl. EG Nr. C 132, S. 1 ff. 208 Aus der Fülle einschlägiger Verlautbarungen s. nur Kommission, Wettbewerbsbericht 2005, SEK (2006) 761 endg. v. 15.6.2006, S. 128. Weitere Nachw. bei Möschel JZ 2009, 1040, 1041 ff. 209 Näher Rn. 260 ff., 270, 273 ff., 281 ff.; s.a. Haratsch/Koenig/Pechstein Rn. 1012; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 4 Rn. 16. 210 Ausführlich und m.w.N. Pichler S. 75 ff., 127 ff.; Pampel Rechtsnatur und Rechtswirkungen horizontaler und vertikaler Leitlinien im reformierten europäischen Wettbewerbsrecht (2005) 96 ff.; ders. EuZW 2005, 11 f. 211 Sehr klar Emmerich Kartellrecht § 1 Rn. 33. 212 Prägnante Positionsbeschreibung von wettbewerbspolitischem „Instrumentalismus“ einerseits, „Institutionalismus“ andererseits, bei Tuchtfeldt FS Kummer 549, 558 ff.
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Wettbewerbsrechtliche Hermeneutik und Anwendungspraxis stehen dieser Vielfalt der Wettbewerbskonzeptionen in dem oft festzustellenden „Verständnisgraben“ zwischen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften213 jedoch nicht hilf- und orientierungslos gegenüber. Denn nicht etwa sollten nun Juristen gleichsam in fremdem Revier wildern und den wirtschaftstheoretischen, fast vollständig mathematisierten Diskurs speisen. Sie sind vielmehr lediglich zur Entscheidung darüber aufgefordert, welche Wettbewerbskonzeption gerade aus rechtlicher und hier speziell lauterkeitsrechtlicher Sicht vorzugswürdig erscheint.214 Schon von diesem Ausgangspunkt aus ist dem systemtheoretischen neoklassischen 107 Wettbewerbsansatz, dem neoliberalen Konzept der Wettbewerbsfreiheit, entschieden der Vorzug zu geben.215 Denn weil dessen Stoßrichtung schlicht auf individuelle Freiheitssicherung zugunsten der Marktteilnehmer beschränkt ist, verlangt es von der Rechtspraxis gerade kein weiteres Eingehen auf das breite Spektrum von Wettbewerbsleitbildern, die mehr oder weniger deutlich dem mittlerweile auch wirtschaftshistorisch erwiesenen Irrglauben anhängen, der Wettbewerb könne politischen Zielsetzungen dienstbar gemacht werden.216 Wohl aber besteht die Notwendigkeit des reflektierten, verständnisleitenden Bezugs auf dieses sehr einfache Konzept der Wettbewerbsfreiheit und es bedarf des Willens, bei Auslegung und Anwendung wettbewerbsrechtlicher Normen dem Freiheitsprinzip den notwendigen Respekt zu zollen. Als Vorwand, sich dem zu verweigern, kann jedenfalls nicht ein vorgeblicher Man108 gel an Verständlichkeit217 des Konzepts der Wettbewerbsfreiheit (s. Rn. 92 ff.) geltend gemacht werden: Dessen Kern ist schlicht das Postulat des in dubio pro libertate unter Verzicht auf die Anmaßung umfassenden informatorischen und nomologischen Wissens über jenes real existierende hochkomplexe System wirtschaftlicher Interaktionen, das Markt in seiner konkreten Gestalt genannt wird. Weil sich der Freiheitsinhalt nicht positiv definieren lasse, ohne die Freiheitsgewäh109 rung zu konterkarieren, erscheint die neoklassische Konzeption häufig in negativer Formulierung, als Theorie der Wettbewerbsbeschränkung.218 Sie zielt auf die Ermittlung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen und entspricht damit insoweit konstruk-
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213 Rebe S. 38. 214 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 41; zustimmend z.B. Lux S. 106 f. 215 Beater JZ 1997, 916, 919 f.; Eppe Zugaben und Rabatte im Anwendungsbereich des UWG (2003) 32 ff.; Fezer/Fezer Einl. E Rn. 78 ff. (anders aber wohl § 1 Rn. 49); ders. JZ 1990, 657, 658 ff.; Götting/Nordemann Einl. Rn. 33, 43; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 39 ff.; Kraft GRUR 1980, 966, 968; Merz S. 197 f.; Lux S. 41 ff.; Mestmäcker Wettbewerb S. 88 f.; Möschel Wettbewerbsbeschränkungen S. 20 f.; ders. FS Mestmäcker 356 ff.; Pichler S. 53 f., 57 f.; Schlüter S. 176 ff.; R. Schmidt FS Stober 19, 20 ff.; Schwipps S. 82 ff.; Sosnitza S. 20 f.; ders. in MünchKommUWG Grundl. Rn. 12; s.a. Köhler Wettbewerbsbeschränkungen durch Nachfrager (1977) 7 ff., der in seiner Kritik auf die Begrenztheit, nicht Unrichtigkeit des Konzepts der Wettbewerbsfreiheit zielt (a.a.O. S. 14); Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 4 Rn. 18; Willeke Grundsätze, passim; a.A., also scharf ablehnend, z.B. Gotthold ZHR 145 (1981) 286 ff. – mit scharfer Replik von Möschel ZHR 145 (1981) 590 ff.; s.a. ders. ZHR 146 (1982) 55 ff.; Neumann S. 183 ff., insbesondere S. 251 ff. 216 Tuchtfeldt FS Kummer 549, 563 spricht in diesem Zusammenhang sarkastisch, freilich mit verunglückter Metapher, von den – in den ehemaligen Ostblockstaaten in ihrem historischen Scheitern exemplarisch vorgeführten – Versuchen, den sog. sozialistischen Wettbewerb unter bestimmte politische Zielvorgaben zu stellen, nämlich zur Behebung politisch begründeter Mangelzustände einzusetzen, als „Kampf gegen Windmühlenflügel“. 217 So aber Ohly S. 222 Fn. 166, der (im Blick auf Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 47) etwas süffisant bemerkt, die „Errungenschaft eines neuen Erklärungsmodells“ (sc. des neoklassisch begriffenen Wettbewerbs) werde „durch einen Verzicht an Verständlichkeit erkauft.“ 218 Hoppmann Fusionskontrolle S. 9 f.; Lux S. 44; Merz S. 219; Möschel Pressekonzentration S. 43; ders. Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 69 f.; Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. (1987) § 13 Rn. 36.
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tiv der Normierungsphilosophie des GWB, das die Wettbewerbsfreiheit ebenfalls als Kehrseite der dortigen Eingriffstatbestände begreift, also als Abwesenheit von Wettbewerbsbeschränkungen.219 In dieser Gestalt erlaubt das neoklassische/neoliberale Konzept der Wettbewerbs- 110 freiheit noch einmal leichter die systematische Einordnung der einzelnen Unlauterkeitstatbestände der §§ 4 ff. in einen übergeordneten Zusammenhang und gewinnt einen höheren Grad an lauterkeitsrechtlicher Operationalität: Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck (§ 4 Nr. 1), gezielte Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 10) und Irreführung (§ 5) richten sich allesamt augenfällig gegen die Entschließungs- und Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer, sind aus der Sicht des auf Wettbewerb und Markt gründenden Ordnungsmodells inadäquat, ja kontraproduktiv und deshalb als ökonomische Aktionsweisen unzulässig. Als zentrale wettbewerbsrechtliche Schutzobjekte weit weniger deutlich erkennbar sind Entschließungs- und Handlungsfreiheit in den übrigen Verbotstatbeständen des UWG und definitiv überhaupt nicht in § 7 Abs. 1: Auf welche Art und Weise auch immer ein Marktteilnehmer unzumutbar belästigt werden sollte, ist für sich gesehen ohne wettbewerbsverfälschende Bedeutung für sein Marktverhalten. Ähnlich wie die Theorie der Wettbewerbsbeschränkung verfährt das Koordina- 111 tionsmängelkonzept,220 das sich ebenfalls als Ausprägung des neoklassischen Wettbewerbsleitbildes in negativ gewendeter Formulierung verstehen lässt. Die hier prägnant zu formulierende Forderung der Neoklassik ist nach alledem sehr 112 bescheiden: In Auslegung und Anwendung des Lauterkeitsrechts ist ein Höchstmaß an individueller wirtschaftlicher Selbstbestimmung der Marktakteure zu gewährleisten, statt vermeintliche „Verbotslücken“221 mit sehr subtilen Argumentationsketten oder gar mit dem schlichten Hinweis auf Überkommenes schließen zu wollen.222 Eben der Verzicht auf die Anmaßung von Wissen, nämlich die Einsicht in den realen ökonomischen Wettbewerb als „black box“, prädestiniert das Konzept der Wettbewerbsfreiheit für eine wettbewerbsrechtliche Rezeption. Nur dieser Ansatz ist „justiziabel“,223 d.h. für Justiz
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219 S.a. Hoppmann Fusionskontrolle S. 10; ders. Marktmacht und Wettbewerb S. 7 ff. 220 Vgl. Grossekettler S. 174 f.; Ruffner S. 109 ff. 221 Zur in Deutschland in der wettbewerbsrechtlichen Praxis traditionell verbreiteten „Freude am Verbot“ s. Beater Verbraucherschutz S. 99 ff. 222 Darin liegt neben allgemeinen systematischen Erwägungen (dazu vor allem Schünemann JZ 2005, 271 ff.; ders. WRP 2004, 925 ff.; ders. FS Georgiades 1087 ff.) der Grund, warum die Generalklausel des § 3 Abs. 1 nur auf „Extrem- und Evidenzfälle“ beschränkt Anwendung finden kann. Dazu ausführlich Harte/ Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 77 ff. (Zitat Rn. 102); ders. WRP 2004, 925, 927. Ausdrücklich zustimmend z.B. Boesche Rn. 16; in der Sache zumindest tendenziell ebenso Fezer/Fezer § 3 Rn. 167; Groner Der Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG zur Bestimmung der Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung (2008) 215 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 7; Sosnitza/Kostuch WRP 2008, 166, 168 ff.; a.A. etwa Beater Rn. 1060 (der den Gegenstand der einschlägigen Diskussion in die Nähe einer „Scheinproblematik“ rückt); Götting/Nordemann/Wirtz § 3 Rn. 7, 86. Auch die Rspr. neigt zu dieser bedenklich weiten Anwendung des § 3 Abs. 1 als eigenständigem Verbotstatbestand, vgl. z.B. BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426 ff. – Direktansprache am Arbeitsplatz II; BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188 = GRUR 2007, 890 Tz. 22 – Jugendgefährdende Medien bei ebay; BGH 22.11.2007 – I ZR 183/04 – GRUR 2008, 262 Tz. 9 – Direktansprache am Arbeitsplatz III; OLG Hamburg 28.9.2006 – 3 U 78/05 – WRP 2007, 210 – Fliegerzeitschrift; OLG Hamburg 5.1.2007 – 3 U 240/06 – WRP 2007, 557 – Testhinweise ohne Fundstelle. 223 So schon Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 16c; fortführend Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.16; ebenso z.B. Götting Wettbewerbsrecht § 2 Rn. 19; Götting/Nordemann Einl. Rn. 43 (mit missverständlicher Überschrift, die die „Unverbindlichkeit wettbewerbspolitischer Konzeptionen“ benennt, obwohl es im Text dann heißt, den „einzige(n) justiziablen Ansatzpunk für die rechtliche Bewertung (liefere) die Konzeption der Wettbewerbsfreiheit“; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 42; I. Schmidt WuW 2005, 879.
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und sonstige Rechtsanwender handhabbar und nützlich, ja, bildet geradezu den „Königsweg“.224 Nur das neoklassische/neoliberale Konzept der Wettbewerbsfreiheit kann hier einen sinnvollen transdisziplinären Beitrag leisten. Ohne diesen Bezug ausdrücklich herzustellen, unterstreicht auch die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung die zentrale Bedeutung der Wettbewerbsfreiheit für die richtige Handhabung des Lauterkeitsrechtes.225 Es bedarf aber einer Zuordnung dieser Position zu einem bestimmten, hier also dem neoklassischen Wettbewerbskonzept, um sie in ihrem Aussagegehalt deutlicher zu fassen. Der für das neoklassische Konzept der Wettbewerbsfreiheit charakteristische Verzicht auf die „Anmaßung von Wissen“ 226 um die Hochkomplexität der Marktprozesse fordert in der lauterkeitsrechtlichen Praxis vor allem, bei Auslegung und Anwendung lauterkeitsrechtlicher Einzelnormen von eher willkürlichen, nicht einmal wohlfahrtsökonomisch hinreichend hinterlegten Spekulationen, etwa unter der Rubrik „Folgeerwägungen“, „Nachahmungsgefahr“, „Marktstörung“ oder „Allgemeine Marktbehinderung“, aber etwa auch von „subjektiven Unlauterkeitsmerkmalen“ deutlich Abstand zu halten.227 Gerade hierbei hat man sich in Erinnerung zu rufen, dass sich die Marktteilnehmer spontan und autonom auf der Basis einer unendlichen Fülle von Informationen sowie weitestgehend unbekannter und sich zudem dauernd wandelnder Präferenzen in hochkomplexen Parallel- und Austauschprozessen organisieren. Für die dadurch geschaffenen konkreten Verhältnisse gibt es keine robusten kausalen Erklärungen, sodass umgekehrt auch ihre Projektion in die Zukunft, eben als Folgeerwägungen, haltlos sind, wenn sie über nur „musterhafte“, auf modellreduktiver Grundlage gemachte und damit von der Realität abstrahierende Voraussagen hinausgehen.228 Ein wettbewerbsrechtliches Leitbild, das die wirtschaftliche Freiheit derart durchaus als Selbstzweck in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt,229 harmoniert schließlich schon seiner konzeptionellen Natur nach mit einer verfassungsmäßigen Ordnung Deutschlands, in der schon durch Artt. 1 und 2 GG Freiheit und Selbstbestimmung der Individuen als Bestandteil und Ausdruck menschlicher Würde ganz allgemein ein herausragender Stellenwert zugemessen wird230 (näher dazu Rn. 165 ff., 172 f.). Möglicherweise verlangt eine solche wirtschaftsverfassungsrechtliche Umgebung sogar die Übernahme des Konzepts der Wettbewerbsfreiheit. Auf europäischer Ebene ergibt sich zumindest bei oberflächlicher Betrachtung kein einheitliches Bild: Einerseits reklamieren Artt. 119 f. AEUV gleich dreimal den Grundsatz einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ und damit in der Sache das neo-
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224 R. Schmidt FS Stober 19 („Neoliberalismus als Königsweg“). 225 BGH 25.4.2002 – I ZR 250/00 – BGHZ 150, 343, 347 f. = GRUR 2002, 825, 826 – Elektroarbeiten; BGH 20.11.2003 – I ZR 151/01 – BGHZ 157, 55, 64 f. = GRUR 2004, 602, 604 f. – 20 Minuten Köln. 226 v. Hayek ORDO 26 (1975) 12 ff. 227 Ausführlicher Nachweis derartiger Argumentationen und diese scharf ablehnend, jeweils m.w.N., Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 260 f., 329 ff., 345 ff.; ders. Ökonomische Analyse S.74.; s. ferner gleichsinnig (zu Nachahmungsgefahr und „allgemeiner Marktbehinderung“ Schwipps S. 109 f., 155 ff., 190. 228 Eingehend Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 335 ff. 229 S.a. Fezer JZ 1990, 657, 661. Zur sog. gesellschaftspolitischen Funktion der Wirtschaftsordnung im Allgemeinen und in der auf Wettbewerb gründenden Wirtschaftsordnung im Besonderen: Böhm in Kartelle und Monopole im modernen Recht I (1961) 3 ff.; Cox/Hübener in Cox/Jens/Markert (Hrsg.) I.2.b; Mestmäcker JZ 1964, 441 ff.; ders. AcP 168 (1968) 235 ff.; Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 1; Thieme, passim, insbesondere A 3.4. 230 Fezer/Osterrieth § 4-S1 Rn. 60; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 28; Hoppmann Grundlagen S. 9, 17, 25 f.; Lux S. 45; Merz S. 200, 216; Möschel Rechtsordnung S. 13 f.; Schlüter S. 91.
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klassische Konzept der Wettbewerbsfreiheit und der selbstreferenziellen Marktprozesse. Andererseits finden sich im europäischen Primärrecht zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten für ein wohlfahrtsökonomisches Wettbewerbsverständnis, das den Wettbewerb als Instrument zur Erreichung z.B. industrie-, agrar- oder verbraucherpolitischer Ziele einsetzen will bzw. das Wettbewerbsprinzip gänzlich zurückdrängt.231 Diese augenfällige Zwiespältigkeit, die historisch-genetisch sicher gewollt ist, um so politische Spielräume auf supranationaler wie nationaler Ebene zu eröffnen, ist konzeptionell unbefriedigend und kann dogmatisch nicht das letzte Wort sein, sondern ist letztlich zugunsten der Wettbewerbsfreiheit zu entscheiden.232 Art. 120 S. 2 AEUV, der ausdrücklich auf den Effizienzaspekt zu sprechen kommt, liefert kein Gegenargument. Denn dort wird bei genauem Hinsehen doch ganz i.S. neoklassischer Vorstellungen (s. Rn. 98 f., 105) der „effiziente Einsatz der Ressourcen“ als Wirkung des freien Wettbewerbs zum Ausdruck gebracht.233 Dass nur das Konzept der Wettbewerbsfreiheit als das natürliche ökonomische Äquivalent einer freiheitlich verfassten Gesellschaftsordnung zu gelten hat,234 wird noch auszuführen sein (s. zur deutschen und zur europäischen Wirtschaftsverfassung Rn. 139 ff., 258 ff.). Auf dem Boden des neoklassischen Konzepts der Wettbewerbsfreiheit gewinnt auch das heute in Abkehr von früher gängigen wirtschaftsmoralischen Positionen235 trotz Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 lit. h) RL 2005/29/EG236 völlig zutreffend grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellte Postulat eines wettbewerbsfunktionalen Verständnisses des Lauterkeitsrechts237 seine klare wettbewerbskonzeptionelle Bedeutung:238 Es geht hierbei gerade nicht darum, dem Wettbewerb bestimmte Funktionen i.S. der Wohlfahrtsökonomik zuzuweisen, ihm also konkrete gesamtwirtschaftliche Ziele zuzuordnen. So aber wird eine „konsequent funktionale Betrachtungsweise“ des Wettbewerbsrechtes gelegentlich verstanden.239 Abzustellen sei bei der Auslegung wettbewerbsrechtlicher Normen gerade auf die positiven (Markt-)Ergebnisse, die vom Wettbewerb zu erwarten seien, nicht lediglich auf den Wettbewerbsprozess als solchen. Diese Forderung
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231 Ausführlich Basedow Wirtschaftsverfassung S. 26 ff.; Harte/Henning/Glöckner (2. Aufl. 2009) Einl. B Rn. 362 ff.; Mestmäcker Wirtschaftsverfassung, passim. 232 Ablehnung einer Effizienzorientierung des Lauterkeitsrechts aufgrund europarechtlicher Einflüsse z.B. auch durch den „more economic approach“ bei Pichler S. 127 ff., 134. 233 „(…) offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch (Hervorhebung v. Verf.) ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, (…)“. 234 Hoppmann Grundlagen S. 9, 17 ff., 215 ff.; v. Hayek Freiburger Studien S. 108 ff.; s.a. Mestmäcker Verwalteter Wettbewerb S. 88 ff.; Merz S. 200, 216; Möschel Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen (1974) 9 ff.; ders. Rechtsordnung S. 13 f. 235 Namentlich zur sog. (älteren) Anstandsformel, die der früher h.M. den normativen Dreh- und Angelpunkt des Lauterkeitsrechts lieferte, Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 131 ff. m.w.N.; zu dieser auch als „Makeltheorie“ apostrophierten Lehre s.a. Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 Rn. 2, 12 ff. 236 Dort wird für die Bestimmung der Unlauterkeit auf den Verstoß gegen „anständige Marktgepflogenheiten“ abgestellt. 237 S. für viele z.B. BGH 26.9.2002 – I ZR 293/99 – GRUR 2003, 164, 165 – Altautoverwertung; Drews S. 30, 279; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 Rn. 22 f.; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 199 ff.; ders. Ökonomische Analyse S. 62 ff.; Lux S. 53 ff.; Pichler S. 88 ff., 102; Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 3; Schlüter S. 65 ff.; Ullmann GRUR 2003, 817, 820. 238 Zur Bedeutungsvielfalt und dem häufig nicht explizit gemachten Begriffsverständnis eingehend Tyllack S. 264 ff. 239 Baudenbacher ZHR 144 (1980) 145 ff., 170; ders. GRUR 1981, 19; ders. GRUR Int. 1981, 162; ders. Suggestivwerbung S. 134 ff.; s.a. Schluep GRUR Int. 1973, 446, 452.
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wäre freilich nur erfüllbar, wenn jenen Wettbewerbskonzepten gefolgt werden könnte, die den Wettbewerb für instrumentalisierbar halten.240 Geradezu verfehlt aber wäre es, eine „funktionale Betrachtungsweise“ des Lauter122 keitsrechts als argumentatives Vehikel gebrauchen zu wollen, um den Marktakteuren im Produktions- oder Distributionsprozess bestimmte Aufgaben übertragen zu wollen, etwa „Funktionen“ als „Zulieferanten“, als „Groß- bzw. Einzelhändler“ im tradierten Sinn, um dann davon abweichende, innovative Organisationsmodelle in Wertschöpfungsketten als „funktionswidrig“ zu diskreditieren und lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren.241 Denn diese Funktionen sind lediglich die Resultanten der frei beweglichen Marktkräfte im sog. Stufenwettbewerb und Ausdruck autonomer Koordination der Marktteilnehmer in einer bestimmten historischen Situation.242 Diese Funktionen sind deshalb ebenso wandelbar wie die Zeitläufe selber.243 123 Mit der Idee der Wettbewerbsfreiheit ist der Funktionsbegriff nur vereinbar, soweit er auf den Marktmechanismus als solchen gemünzt ist, also auf den freien, unverfälschten Wettbewerbsprozess, auf sein „Funktionieren“.244 Konkrete Marktergebnisse erfüllen dabei eo ipso abstrakte Wettbewerbsfunktionen wie z.B. nachfragedeterminierte Angebotsstruktur, optimale Faktorallokation, produktkapazitative Anpassungsflexibilität sowie Fortschrittsstimulation, sofern nur diese Marktergebnisse unter wettbewerblichen Funktionsbedingungen zustande gekommen sind, also in Ausübung von Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer (s. bereits Rn. 98 f.). III. Wettbewerbsfunktionales Verständnis und Ethik des Wettbewerbs 124
Das gebotene wettbewerbsfunktionale Verständnis des Lauterkeitsrechts, die schon durch die rein markt- und wettbewerbsbezogene Zweckbestimmung des Lauterkeitsrechts in § 1 eingeleitete und dann in § 3 Abs. 1 auch normtextlich erfolgte Abkehr von „guten Sitten“ und dazu hermeneutisch eingeführtem „Anstand“ als zentralen Maßstäben zulässigen Marktverhaltens (vgl. Rn. 17),245 heißt nicht, dass nunmehr die wirtschaftsethische
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240 Deutlich erkennbar bei Baudenbacher ZHR 144 (1980), 145, 154; ders. Suggestivwerbung. S. 150. Unklar ist der wettbewerbstheoretische Hintergrund hingegen bei Rebe S. 144. Zur Kritik s.a. Rehbinder ZHR 143 (1979) 349. 241 So aber für seinerzeit neuartige Vertriebsmethoden BGH BGH 17.12.1976 GRUR 1977, 619, 621 – Eintrittsgeld; BGH 17.11.1972 GRUR 1973, 475 f. – Preisausschreiben; BGH 3.12.1976 GRUR 1977, 257 – Schaufensteraktion. Normative Marktstufen-Funktionen unterstellt auch OLG Saarbrücken 6.4.1977 WRP 1977, 364, 366 – Globus II – Schaufensteraktion. Normative Marktstufen-Funktionen unterstellt auch OLG Saarbrücken WRP 1977, 364, 366 – Globus II. Ähnlich wohl Ulmer WuW 1978, 330, 333 ff.; Franzen/Giessen BB 1978, 1632; Hahn Behinderungsmißbräuche marktbeherrschender Unternehmen (1984) 172; Kaligin WRP 1981, 129 f. Dagegen zutreffend Loewenheim GRUR 1976, 224, 226; Tyllack S. 273; grundsätzlicher Schünemann Wettbewerbsrecht S. 129; vgl. weiterhin Merz S. 148 m.w.N. 242 Eingehend Schünemann Voraufl. § 1 C Rn. 16 ff. 243 Barth/Möhlenbruch DB 1983, 593, 596; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 259; Knöpfle Unlauterkeit S. 86; Loewenheim GRUR 1976, 224, 226; Meier WRP 1982, 135 f.; Merz S. 148; Sosnitza S. 105 ff. 244 Zu diesem Funktionsverständnis vgl. namentlich Hoppmann Wirtschaftsordnung S. 274 sowie schon Burmann WRP 1967, 240, 243 ff.; 1968, 258, 261 f.; 1972, 511, 513 ff.; 1974, 596, 599; s.a. Schricker GRUR 1980, 194 ff., insbesondere 203; ferner die Wendungen in der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf der 4. GWB-Novelle WuW 1980, 337, 342. 245 Zum wettbewerbsfunktionalen Verständnis des Lauterkeitsrechts s. bereits grundlegend Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 37 ff.; Harte/Henning/ders. (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 124, 199 ff. mit umfassenden Nachw.
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Dimension des Marktes und der in ihm wirkenden Wettbewerbsprozesse ausgeblendet wäre.246 Für die systemtheoretisch ausgerichteten Wettbewerbskonzeptionen ist ihr wirtschaftsethischer Gehalt durchweg offensichtlich, da sie sämtlich um die Gewährleistung von Freiheit kreisen, also um eine Fundamentalkategorie ethischer Diskurse, und zwar bezogen auf die individuelle Freiheit jedes einzelnen Marktteilnehmers247 (vgl. dazu bereits Rn. 59, 64, 85 ff., 92 ff., 98 ff.). Aber auch die wohlfahrtsökonomisch geprägten Wettbewerbskonzeptionen gründen auf wirtschaftsethischen Überzeugungen,248 wenngleich diese kaum jemals expliziert werden. Der Fokus liegt hier allerdings klar auf dem kollektiven Wohlergehen der Wirtschaftsgesellschaft als Ganzer, während den in ihr ökonomisch agierenden Individuen kaum Eigenwert beigemessen wird. Speziell für die hier zu Eigen gemachte systemtheoretisch aufgestellte neoklassische Konzeption der Wettbewerbsfreiheit hat allerdings eine Verschiebung des ethischen Fokus weg von der moralischen Bewertung des einzelnen geschäftlich Handelnden und seiner Motive hin zur freiheitlich-wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft und der in ihr beschlossenen Prinzipien und Institutionen stattgefunden: Die auf individueller Verantwortungs- und Freiheitsethik gründenden wettbewerblich-marktlichen Mechanismen, etwa eine fehlende Rechtsmacht,249 anderen den eigenen Willen aufzwingen zu können und deshalb Verträge schließen zu müssen, konstituieren in ihrer Gesamtheit die prozedurale „Moral der offenen Märkte“.250 Überhaupt erst diese Blickwendung nunmehr auf das System und seine Moralität ermöglicht unter den Bedingungen anonymer Großgesellschaften eine Sozialethik, die diesen Namen wirklich verdient und die nicht lediglich eine aus personalen Werten gespeiste, auf die gesellschaftliche Ebene gehievte, kaschierte Individualethik darstellt.251 Eine solche „Sozialethik“ neigt dazu, im gesellschaftlichen Leben und damit auch auf Märkten an den einzelnen Akteur gar rechtlich unterlegte Forderungen zu stellen, die – wie etwa „Solidarität“252 – ihrer Herkunft nach tendenziell nur in personalen Strukturen (familiäre Kleingruppe, schon erheblich abgeschwächt in Sippe und Stamm) intrinsisch erfüllt werden.253 Ansonsten aber bedürfen sie zu ihrer Durchsetzung nur allzu leicht eines moralfundamentalistischen, totalitären, freiheits- und damit letztendlich menschenfeindlichen Regimes, sollen sie nicht zu fruchtlos-rituellen Appellen verkommen.254
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246 Grundsätzlich dazu (sehr kritisch zum Wettbewerb als ethisch begründbare Kategorie) Thielemann z.B. S. 12 ff. und passim, insbesondere S. 277 ff. S. demgegenüber Grawert Der Staat 50 (2011) 227, 228 ff. mit diversen Ansätzen zur Legitimität der Wettbewerbswirtschaft. Eingehende speziell am Lauterkeitsrecht orientierte Diskussion zum Verhältnis von Ethik und Wirtschaftsrecht bei Peifer S. 127 ff. 247 S. hier nur Hauer, passim, insbesondere S. 104 ff., 138 ff. 248 Dazu eingehend Binder S. 13 ff., 73 ff. 249 Zur maßgeblichen, bewusst lediglich rechtsformalen Freiheit und Gleichheit der (Markt-)Subjekte als „ethische Konstituanten prozeduraler Gerechtigkeit“ s. näher Schünemann ETHICA 1997, 115, 125 ff.; s.a. Zöllner AcP 196 (1996) 1 ff.; a.A. insoweit Drexl S. 98, der meint, wer die „formale Privatautonomie mit der Richtigkeit des Vereinbarten“ gleichsetze, vertrete „tendenziell auch einen ungezügelten Wirtschaftsliberalismus.“ 250 Giersch Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) v. 16.3.1991, S. 13; gleichsinnig Hoppmann ORDO 41 (1990) 3 ff.; ders. FAZ v. 6.11.1993, S. 13. Zum Folgenden s. insgesamt die teilweise substantiell unverändert übernommenen Ausführungen bei Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 267 ff. 251 So deutlich erkennbar bei Hengsbach S. 23 ff. 252 Dazu Volkmann Solidarität – Programm und Prinzip der Verfassung (1998). Vgl. auch Titelüberschrift vor Artt. 27 ff. EuGrCh. 253 Hierzu rechnen neben der immer wieder eingeforderten (wirtschaftlichen) Solidarität, gar Opferbereitschaft, auch die Gemeinwohlorientierung, alles geistige Kinder des christlichen Postulats der Nächstenliebe. Näher s. Lachmann Gedächtnisschrift Helm S. 532. 254 S. Homann S. 9 ff., 15; Lachmann Gedächtnisschrift Helm S. 532 f.
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So ist es der unbezweifelbare Vorzug freiheitlich-wettbewerbsgesteuerter Märkte, dass sie keinen „neuen Menschen“ erfordern, sondern auch unter der gerade in anonymen Großgesellschaften sehr realistischen Annahme individuellen Eigennutzes der Marktakteure funktionieren können, diese Triebfeder aber keineswegs voraussetzen:255 Auch wer dem Bettler altruistisch marktleistungsfreies Einkommen verschafft (oder seine Interessen mit denen anderer auf dem Boden des Gesellschaftsrechts gleichordnet, statt sie in antagonistischen sozialen Handlungsformen zu verfolgen), darf dies tun und ist dabei in der freiheitlich-wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft systemkonform fest verankert. Eine mit wettbewerbsrechtlichen, speziell auch lauterkeitsrechtlichen Mitteln erzwungene, der freiheitlich-wettbewerblichen Ordnung des Marktes gegenüber transzendente Moral, der Versuch also, in der einzelnen geschäftlichen Handlung den unmittelbaren Ausdruck des wirtschaftsethisch Gesollten herbeiführen zu wollen, ist mithin in der modernen Realität schon im Ansatz verfehlt und dementsprechend kontraproduktiv.256 Die unterschwellig weit verbreitete, letztlich auf mittelalterlich-christlichen Vorstellungen beruhende, im Ergebnis fatalerweise aber auch post-marxistisch motivierte Haltung, eine im Kern brutale, von „sozialer Kälte“ geprägte freiheitlich-wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft257 müsse zur Vermeidung von Auswüchsen durch ethisch fundierte Interventionen nicht zuletzt des Wettbewerbsrechtes erst „gezügelt“ werden, um ethisch tragbar zu sein,258 beruht auf einer grotesken Verkennung des gerade im neoklassischen wie schon im klassischen Konzept der Wettbewerbsfreiheit genuin beschlossenen Ordnungs- und Institutionsethik.259 Bereits Adam Smith hatte sein noch heute wegweisendes Credo für eine auf Freiheit und Wettbewerb gründende Marktwirtschaft unter der Voraussetzung ihrer institutionellen Gewährleistung nicht nur ökonomisch, sondern als veritabler Moralphilosoph auch ethisch begründet260 (s. bereits Rn. 58 f.). Seine historische Leistung jenseits der theoretischen Grundlegung einer freiheitlich-wettbewerblich gesteuerten Marktwirtschaft ist die von Smith maßgeblich initiierte „paradigmatische Wende“261 in der Sozialethik am Beispiel der Wirtschaftsethik eben als Ordnungs- und Institutionenethik: Selbstverantwortung, Respekt vor den Bedürfnissen Anderer in nachfragegesteuerter Angebotspolitik, Einhegung der Selbstsucht durch die Notwendigkeit vertraglichen Handelns bei Rechtsgleichheit aller Marktteilnehmer, Förderung menschlicher Kreativität sowie nachhaltiger und schonender, weil effizienter Ressourceneinsatz, um nur einige markante Stichworte für moralische Werte zu liefern,262 sind allesamt in freiheitlich-wettbewerbsgesteuerter Marktwirtschaft bestens aufgehoben, aufgehoben ganz in dialektischem Sinne, nämlich ihrer Systemimmanenz: Wer in Konformität mit den sys-
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255 Hackmann S. 261; Lachmann Ethik S. 22; s.a. Schünemann ETHICA 1997, 115, 130 f. 256 Dazu eingehend anhand eines spieltheoretisch notorischen Gefangenen-Dilemmas: Homann/BlomeDrees S. 35 ff. m.w.N.; Lachmann Gedächtnisschrift Helm 531 ff. 257 Vgl. nur di Fabio, zitiert nach Meessen JZ 2009, 697: Wettbewerb als „Kältestrom der Gesellschaft“. 258 Vgl. die Nachw. bei Meessen JZ 2009, 697. 259 So in fast wörtlicher Übernahme Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 266 Fn. 469 unter Bezugnahme auf Lachmann Gedächtnisschrift Helm 531 m.w.N. Der Islam dürfte sich in seiner grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber einer Marktwirtschaft in freiheitlichem Wettbewerb mit dem Christentum einig sein. 260 Hauer S. 104 ff.; Lachmann Gedächtnisschrift Helm 530. 261 Homann/Blome-Drees S. 48; s.a. K. I. Horn S. 44 ff. 262 Schünemann ETHICA 1997, 115, 130 f.; s.a. K. I. Horn S. 111 ff.; Lachmann Ethik S. 15 ff. mit eindrucksvollem Streifzug durch die Vielfalt der Aspekte, die in der Ordnungs- und Institutionenethik der freiheitlich-wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft beschlossen sind. Zweifelnd Meessen JZ 2009, 697, 706.
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temischen Konstituanten einer freiheitlich-wettbewerblichen Marktwirtschaft geschäftlich handelt, entzieht einer gesonderten ethischen, insbesondere gesinnungsethischen Bewertung seiner jeweiligen Einzelaktivität den Boden.263 Auch für eine spezifische Unternehmens- oder Geschäftsethik ist in einer so auf das System Marktwirtschaft und die Wettbewerbsfreiheit als ihre zentrale Institution bezogene Wirtschaftsethik kaum noch Raum. Denn mehr als die Bedeutung von sog. Compliance für das konkret-einzelaktive Handeln der Wirtschaftssubjekte i.S. deren Systemkonformität zu unterstreichen, können solche unternehmensethischen Bemühungen legitimerweise nicht darstellen.264 Die einer freiheitlich-wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft immanente Ordnungsund Institutionsethik entzieht mithin einer „ethischen Rückbesinnung des Ökonomismus“, die ihren zeitgemäßen Ausdruck im Konzept der sog. Corporate Social Responsibility (CSR)265 finden soll, schlicht den Boden.266 An einschlägigen Kriterienkatalogen für CSR besteht kein Mangel: „Global Compact“ der Vereinten Nationen, OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, „Social Accountability 8000“ und vieles mehr sollen einem diagnostizierten „ständigen Verlust an Verantwortungsethik“ entgegenwirken.267 Dieser Ansatz bedeutet indes keinen Fortschritt, sondern einen wirtschaftsethischen Atavismus, weil er hinter die genannte „paradigmatische Wende“ in der Entwicklung der Sozialethik (s. Rn. 132) zurückführt. Bestrebungen, die genannten Kriterienkataloge zur Basis eines „sozialethischen Leistungswettbewerbes“ zu machen und die dort zusammengeführten Standards „innerhalb des Lauterkeitsrechts als rechtserheblich anzuerkennen“,268 können nicht als zukunftsweisend gelten. Zu Recht ist vielmehr darauf aufmerksam gemacht worden,269 dass auf der Basis des Konzepts der Wettbewerbsfreiheit die Marktwirtschaft ein ihr dann immanentes evolutives Potential nicht nur in der ökonomischen, sondern auch in der ökologischen Dimension besitzt. Sie übernimmt dadurch gleichsam systemische Verantwortung für die Gesellschaft als Ganze gerade i.S. der Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Handelns ihrer Akteure, die ihrerseits individuell gar nicht zu einer Entscheidung darüber in der Lage sind, was nun für alle das Beste ist. Die im Freiheitsprinzip verankerte marktwirtschaftliche Verantwortungsethik steht damit in gedanklicher Nähe zum kritischen Rationalismus Karl Poppers.270 Diese Dialektik, die Aufhebung des geschäftlichen Einzelhandelns als Objekt der gesonderten ethischen wie (lauterkeits-)rechtlichen Bewertung über deren Einpassung in die systemkonstituierenden Institutionen einer freiheitlich-wettbewerblichen Marktwirt-
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263 Als natürlich „hinkender“ Vergleich, als Verständnishilfe, bietet sich vielleicht das Spiel „Mensch, ärgere dich nicht!“ an: Sein Regelwerk kann als gerecht gelten: Jeder Mitspieler verfügt über die gleiche Anzahl Figuren, Würfelmöglichkeiten etc. Wer sich nun an die Spielregeln hält, verhält sich völlig korrekt, ja auch gerecht und damit moralisch richtig, wenn er regelkonform die Figur eines Mitspielers, die als Erste das rettende Ziel zu erreichen scheint, kurz davor herauswirft, obwohl schon fast alle eigenen Figuren im Ziel sind. 264 Ausführlich ganz a.A. Henning-Bodewig WRP 2009/10, 1094 ff. 265 Dazu Peifer S. 129 f. 266 A.A. Fezer/Fezer Einl. E Rn. 235 f.; ähnlich wohl Mittelstraß Wirtschaft und Ethos, FAZ v. 9.10.2009, S. 12. 267 Fezer/Fezer Einl. E Rn. 236, 238. 268 Fezer/Fezer Einl. E Rn. 239. 269 Und zwar gerade von Fezer/Fezer Einl. E Rn. 83 ff.; offenbar zustimmend Götting/Nordemann Einl. Rn. 41. 270 Fezer/Fezer Einl. E Rn. 85 m.w.N. zum Werk Poppers, z.B. Logik der Forschung, 10. Aufl. (1994); ders. Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie, 2. Aufl. (1994); ders. Objektive Erkenntnis – Ein evolutionärer Entwurf, 2. Aufl. (1994).
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schaft hinaus findet ihre Parallele in der immer wieder gestellten Frage nach dem Verhältnis von lauterkeitsrechtlichem Individualschutz und Schutz des Wettbewerbs als Institution: Wenn sich der Wettbewerb funktionstreu im vorstehend skizzierten Sinne, also unter Ausgrenzung jedweder politisch motivierter Anliegen allein in der ungestörten Inanspruchnahme von Entscheidungs- und Handlungsfreiheit durch die jeweils konkret agierenden Marktteilnehmer entfaltet, dann decken sich die Interessen der individuellen Marktteilnehmer und das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Es besteht diesbezüglich eine Einheit von Individual- und Institutionsschutz, beide sind mithin nur „zwei Seiten ein und derselben Medaille“.271 IV. Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsverfassung 1. Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes a) Terminologie. Der Begriff der Wirtschaftsverfassung ist vielschichtig.272 In grober Unterteilung lassen sich jedenfalls sozialhistorisch-deskriptive, ökonomische und rechtliche Bedeutungsvarianten unterscheiden, je nachdem, ob die Zustandsbeschreibung der Volkswirtschaft (z.B. prosperierend), die Angabe des in ihr wirksamen ökonomischen Gesamtzusammenhangs der Güter und Dienstleistungen (z.B. nach dem Ordnungsprinzip Wettbewerb) oder die rechtlich-normativen Strukturen des Wirtschaftslebens bezeichnet werden sollen. Auf dieser normativen Ebene ist als Wirtschaftsverfassung im weiteren oder materiellen Sinne die Summe sowohl der verfassungsrechtlichen als auch sonstiger grundlegender Bestimmungen über das Verhältnis von Staat und Wirtschaft und der inneren Ordnung der Wirtschaft zu verstehen. 140 Ein engerer, formeller Begriffsgebrauch von Wirtschaftsverfassung hingegen beschränkt sich auf die verfassungsrechtlichen Maßgaben, schließt also Normkomplexe wie namentlich GWB und UWG sowie StabG, GewO etc. aus. 141 Der Frage nach der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes273 liegt mithin und selbstverständlich ein rechtlicher und dabei enger Begriff der Wirtschaftsverfassung zugrunde. Dieser formelle Begriff der Wirtschaftsverfassung bzw. des Wirtschaftsverfassungsrechtes ist aber auch ansonsten beizubehalten, um der Versuchung zu entgehen, die Dignität des Verfassungsrechtes für wirtschaftliche Ordnungsziele und Ordnungsmittel in Anspruch zu nehmen, denen gar kein Verfassungsrang zukommt.274 142 Demgegenüber fehlt dem Begriff der Wirtschaftsordnung von vornherein eine ähnliche Brisanz. Terminologische Sensibilitäten sind deshalb hier weniger vonnöten. Normativ kann unter Wirtschaftsordnung sonach dasselbe verstanden werden wie unter dem materiellen Rechtsbegriff der Wirtschaftsverfassung, also die Gesamtheit der für das 139
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271 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 112 unter Hinweis z.B. auf Merz S. 206; Keßler WRP 2005, 264, 266; ebenso Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 48 (allerdings gesteht er dem Institutionsschutz eigenständige Ergänzungs- und Begrenzungsfunktion zu); Lux S. 295 f.; Pichler S. 153; Schwipps S. 94 ff.; Ullmann GRUR 2003, 817, 821; Wrage S. 53; a.A. fundamentalkritisch zum „Wettbewerb als Gerechtigkeitskonzept“ (insbesondere in den Denkkategorien der Neoklassik, Thielemann S. 277 ff., 383 ff., verbunden mit der ökonomisch wie ethisch begründeten Forderung der „Wettbewerbsbegrenzung“ (S. 435 ff.). 272 Vgl. z.B. Badura JuS 1976, 205; Basedow S. 6 ff.; Bruhn S. 26; Drexl S. 218 ff.; Fikentscher Bd. II § 20 I 2; Leisner FS R. Schmidt 363 ff.; Mühl DÖV 1976, 224, 225 f.; Rebe S. 28 ff.; Rinck/Schwark Rn. 49; Rittner/ Dreher § 2 Rn. 1 ff., 9 ff.; Rupp HdWW S. 141; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 68 ff.; ders. Wirtschaftspolitik S. 89 ff.; Schwarze S. 27 f.; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 2 III 1. 273 Die Diskussion verdichtet referierend und zugleich gehaltvoll bereichernd Müller-Graff S. 246 ff. 274 Zacher FS Böhm 63, 78; ihm folgend R. Schmidt Wirtschaftspolitik S. 93; ebenso Rinck/Schwark Rn. 60.
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Wirtschaftsleben basalen Bestimmungen und Institutionen ohne Rücksicht auf die Hierarchie der Rechtsquellen.275 Empirisch-deskriptiv gewendet nimmt „Wirtschaftsordnung“ hingegen auf die „tatsächlichen Prägungen“ des Wirtschaftslebens Bezug.276 b) „Wirtschaftspolitische Neutralität“ des GG? Im Gegensatz etwa zur Weimarer Reichsverfassung (dort Artt. 151–165) und den Verfassungen einiger Bundesländer (Brandenburg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Thüringen) enthält das GG keinen eigenen, der Wirtschaftsordnung gewidmeten Abschnitt. Der Verfassungswortlaut enthält sich sogar der Fixierung eines bestimmten ökonomischen Systems in allgemeinster Form. Wo das GG überhaupt auf den ökonomischen Komplex ausdrücklich zu sprechen kommt, handelt es sich um Gesetzgebungs- bzw. Verwaltungskompetenzen sowie um haushaltswirtschaftliche Normen (Artt. 74 Nr. 11, 15, 16, 17; 91a Abs. 1 Nr. 2; 104a Abs. 4; 109 Abs. 2; 115 GG). Selbst wenn man in diesen Vorschriften auch einen materialen Inhalt erkennen wollte, ließen sich daraus keine Aussagen über eine Wirtschaftsverfassung gewinnen. Möglicherweise können jedoch aus den Grundrechten heraus Feststellungen über eine grundgesetzlich normierte Wirtschaftsordnung, über die geltende Wirtschaftsverfassung, getroffen werden. Im Katalog der Artt. 1 ff. GG finden sich freilich keine expliziten und spezifischen Angaben zur wirtschaftlichen Valenz der Grundrechte. Daraus wurde vereinzelt gefolgert, dass eine Grundrechtswirksamkeit für die wirtschaftliche Betätigung von vornherein auszuschließen sei.277 Diese für eine Wirtschaftsverfassung entscheidend virulente Frage wird indes seit Langem allgemein und zutreffend verneint.278 Denn der Stellenwert des ökonomischen Sektors im menschlichen Dasein und damit auch dessen rechtliche Relevanz stehen außer Zweifel. Von daher können Grundrechte also durchaus Schlüsse auf Existenz und Inhalt einer Wirtschaftsverfassung tragen. Ihre diesbezügliche Ergiebigkeit wird auch nicht durch ihre Rechtsnatur beeinträchtigt. Denn die Grundrechte erschöpfen sich gerade nicht in der Gewährung diverser subjektiv-öffentlicher (Abwehr-)Rechte gegenüber dem Staat.279 Die Grundrechte besitzen vielmehr auch einen objektiv-rechtlichen Gehalt und konstituieren in sog. mittelbarer Drittwirkung derart eine objektive Wertordnung,280 die sich in ihrer Anwendung auf ökonomische Sachverhalte als die dogmatische Substanz einer grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung begreifen lässt. Den objektiven Gehalt wirtschaftsrelevanter Grundrechte dabei jeweils nur isoliert, quasi als Wertinseln, zu erfassen, reicht freilich nicht aus. Vielmehr ist darüber hinaus
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275 Bruhn S. 27; s.a. Rebe S. 33; Rinck/Schwark Rn. 50. 276 R. Schmidt Wirtschaftspolitik S. 92 unter Hinweis auf Lütge; ders. Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 71; Karsten Schmollers Jahrbuch 88 (1968) 129; ebenfalls in diesem Sinne z.B. BVerfG 20.7.1954 BVerfGE 4, 7 – Investitionshilfe; s.a. Bohling S. 1; Mühl DÖV 1967, 224, 225; Rebe S. 32 ff.; sozialinstitutionell versteht Lampert S. 25 f. den Begriff der Wirtschaftsordnung. 277 Krüger DVBl. 1951, 361; ders. BB 1953, 565. 278 Ballerstedt in Bettermann/Nipperdey/Scheuner Die Grundrechte (1966) III/1 S. 69 (für Art. 2 Abs. 1 GG); Fikentscher Bd. II § 20 V 3 b; Rinck/Schwark Rn. 62; Rupp HdWW S. 144; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 17 II, III. 279 So aber der Einwand von Thiele Einführung in das Wirtschaftsverfassungsrecht (1970) 101. 280 Grundlegend BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 198, 204 f.; ferner z.B. BVerfG 5.8.1966 BVerfGE 20, 162, 175 f.; BVerfG 29.5.1973 BVerfGE 35, 79, 114 f.; BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 337; BVerfG 16.6.1981 BVerfGE 57, 295, 319 f.; BVerfG 14.2.1973 BVerfGE 34, 269; s.a. – teilweise kritisch – Denninger JZ 1975, 545; Goerlich insbesondere S. 134 ff., 189; Isensee NJW 1977, 545; Jarass AöR 110 (1985) 363, 369 ff.; Rupp AöR 101 (1976), 161, 168 ff.; ders. HdWW S. 144; im wirtschaftsverfassungsrechtlichen Kontext s. vor allem auch R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 101 ff.; ferner Rupp Grundgesetz S. 11 f.
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auch hier im Wege systematischer, „kombinatorischer“ Interpretation281 der Inhalt dieser einzelnen Grundrechte zu einem Ganzen zusammenzuführen.282 Nur dergestalt kann es eigentlich überhaupt zu einer diesen Namen verdienenden Ordnung des Wertegehalts über eine bloße Summation hinaus kommen. Die einzelnen (Wirtschafts-)Grundrechte sind mithin zwar der unverzichtbare Ausgangspunkt bei der Beantwortung der Frage, ob, und wenn ja, welche normative Wirtschaftsordnung, also welche Wirtschaftsverfassung, gilt. Die Wirtschaftsverfassung als ganze, gedacht als systematische Einheit vernetzter Elemente, wird deshalb aber noch nicht zum „Phantom“.283 Ein objektiv-rechtliches Grundrechtsverständnis, das die Grundrechte (auch) als objektive Wertordnung begreift, kommt der vereinzelt vorgenommenen, abzulehnenden Annahme einer direkten „Drittwirkung“ der Grundrechte i.S. einer unmittelbaren Beeinflussung der Privatrechtssphäre284 zwar entgegen, erzwingt sie aber nicht.285 Im Übrigen ist die Drittwirkungsproblematik in vorliegendem Zusammenhang irrelevant.286 Denn Wirtschaftspolitik, umfassend verstanden als normative Beeinflussung des Wirtschaftsgeschehens, wird von „Gesetzgebung und vollziehender Gewalt“ getragen, von eben denjenigen Kräften, die neben der Judikative als Grundrechtsadressaten ohnehin ganz explizit in Art. 1 Abs. 3 GG genannt sind. Das Drittwirkungsproblem würde sich nur dann stellen, wenn man die Frage der Wirtschaftsverfassung auf mehr beziehen wollte als auf die Bindung der Wirtschaftspolitik (unter Einschluss des Wirtschaftsrechtes) an die Verfassung. Dies aber würde die dogmatische Leistungsfähigkeit des Begriffs überstrapazieren.287 Die außerordentliche Zurückhaltung des Verfassungstextes zur Frage der Wirtschaftsordnung hat zu der These geführt, das Grundgesetz treffe insoweit auch in der Sache keine Entscheidung, sei „wirtschaftspolitisch neutral“.288 In ihrer schärfsten Ausprägung postuliert man dabei die Verfassungswidrigkeit jeder Wirtschaftspolitik, die sich auf ein bestimmtes wirtschaftspolitisches Konzept festlegt.289
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281 Mühl DÖV 1967, 224, 226; R. Schmidt Wirtschaftspolitik S. 132 (beide unter Bezugnahme auf Scheuner). 282 BVerfG 23.10.1951 BVerfGE 1, 14, 32; BVerfG 6.12.1972 BVerfGE 34, 165, 183; BVerfG 22.5.1975 BVerfGE 39, 334, 368; BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 336; Kröger Grundrechtstheorie als Verfassungsproblem (1978) 20 ff.; Papier VVDStRL 35, 71. 283 So aber R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 77, der sich dabei auf BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 336 ff. stützen zu können glaubt. 284 Nipperdey DVBl. 1958, 445 ff. 285 Deutlich schon in BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 198, 204 f.; aus neuerer Zeit vgl. z.B. BVerfG 23.4.1986 BVerfGE 73, 261, 269. Gegen eine derartige Drittwirkung der Grundrechte die h.M. seit Langem auch im Schrifttum, z.B. Canaris AcP 184 (1984) 201 und 185 (1985) 1, 9 ff.; ders. JuS 1989, 161; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 103 f.; Starck JuS 1981, 237; a.A. Nipperdey Grundrechte S. 12 ff.; Schwabe Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte (1971) passim; ders. AcP 185 (1985) 1 ff.; zurückhaltend Fikentscher Bd. II § 20 V 4 f. 286 Ebenso Rupp Grundgesetz S. 11 f.; s.a. Ehmke S. 78 ff.; R. Schmidt Wirtschaftspolitik S. 245 ff.; mit rechtssoziologischem Akzent Herzog FS Hirsch 63, 67 f. 287 S.a. Rinck/Schwark Rn. 67; Rupp Grundgesetz S. 9. 288 Das Schlagwort von der „wirtschaftspolitischen Neutralität“ des GG geht auf das sog. Investitionshilfeurteil des BVerfG v. 20.7.1954 zurück (BVerfGE 4, 7, 17). S. ferner das sog. Mitbestimmungsurteil des BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 337. Zur Dogmengeschichte und zum Meinungsstand s. Schünemann FS Stober 147, 149 ff. 289 Krüger DVBl 1951, 361; ders. BB 1953, 565; ders. Allgemeine Staatslehre (1966) 578 ff.; s.a. Hamann Rechtsstaat und Wirtschaftslenkung (1953) 31 f. Ferner Thiele Einführung in das Wirtschaftsverfassungsrecht (1970) 92 f. m.w.N.
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Dieses extreme Verständnis von wirtschaftspolitischer Neutralität des Grundgesetzes hat nicht einmal die interpretativ ohnehin wenig tragfähige Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes für sich, auf die sie – neben einer noch vom Weimarer Verfassungsdenken gefärbten Exegetik des Demokratieprinzips290 (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) und der Kann-Bestimmung über die Sozialisierung (Art. 15 GG) – rekurriert. Denn der historische Verfassungsgeber beabsichtigte keineswegs die „Nicht-Entscheidung als Verfassungszustand auf dem Gebiet der Wirtschaft“291 als prinzipiell und dauerhaft so gewollte Distanz gegenüber wirtschaftspolitischen Systementscheidungen, sondern war nur um einen möglichst breiten Verfassungskonsens bemüht, wobei Optionen für später zu implementierende, sehr divergent konzipierte Wirtschaftsordnungen immer erkennbar im Raum standen.292 Diese extreme Deutung einer wirtschaftspolitischen Neutralität der Verfassung würde im Übrigen den einfachen Gesetzgeber sowie Regierung und Verwaltung schon daran hindern, dem Sozialstaatsprinzip (Artt. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) hinreichend Rechnung zu tragen, weil Sozialpolitik ohne Einsatz eines effektiven, d.h. gerade auch wirtschaftstheoretisch konsistent fundierten wirtschaftspolitischen Instrumentariums schlechterdings nicht vorstellbar ist. Auch dem objektiv-rechtlichen Wertegehalt der Grundrechte könnte derart nicht Rechnung getragen werden, es sei denn, man wollte den Grundrechten ihrerseits eine Bedeutung für das Wirtschaftsleben absprechen.293 Die ständige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung294 sowie weite Teile der Literatur295 sind zwar ebenfalls der Auffassung, das Grundgesetz sei „wirtschaftspolitisch neutral“, verstehen diese Neutralität aber als einen weiten wirtschaftspolitischen Gestaltungsspielraum in den durch die Verfassung, insbesondere durch die Grundrechte gezogenen Grenzen. Innerhalb dieser Grenzen ließen sich, so heißt es, die verschiedenartigsten Wirtschaftsordnungen instituieren, keinesfalls nur das System der sozialen Marktwirtschaft, ja nicht einmal notwendig eine wettbewerblich-marktwirtschaftliche Ordnung. Deshalb bestünden auch gegenüber wirtschaftslenkenden Maßnahmen nicht marktkonformer Art keine Bedenken. Insbesondere komme es also nicht auf die Wettbewerbsindifferenz der wirtschaftspolitischen Maßnahmen an. Die „relative Offenheit“ der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung als einer bloßen Rahmenordnung296 sei dabei durch zwei antinomische Verfassungsprinzipien determiniert, die in sehr unterschiedlicher Art und Weise optimiert werden könnten: Das Individualprinzip manifestiere sich vorwiegend in dem Respekt vor der Würde des Men-
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290 Dazu näher Rupp HdWW S. 143. 291 So aber Krüger DVBl. 1951, 361, 363. 292 Näher – jeweils m.w.N. – Kriele ZRP 1974, 105; Kunert JuS 1979, 322, 327; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 5 I 3 d. 293 So in der Tat Krüger DVBl. 1951, 361; ders. BB 1953, 565; zur Ablehnung der Extremposition Krügers s.a. Rupp HdWW S. 143 f.; Rittner/Dreher § 2 Rn. 56; Thiele Einführung in das Wirtschaftsverfassungsrecht (1970) 92 f. 294 Vgl. BVerfG 20.7.1954 BVerfGE 4, 17, 18; BVerfG 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 400; BVerfG 17.5.1961 BVerfGE 12, 354, 365; BVerfG 29.11.1961 BVerfGE 13, 230; BVerfG 21.2.1962 BVerfGE 14, 19; BVerfG 7.9.1979 BVerfGE 50, 290. 295 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen Badura/Rittner/Rüthers Mitbestimmungsgesetz 1976 und Grundgesetz (1977) 249 m.w.N.; Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 42 f.; Beater Rn. 764; Breuer in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland VIII 3. Aufl. (2010) § 170 Rn. 38; Drexl S. 220 f.; Ehmke S. 84 ff.; Fikentscher Bd. II § 20 V 7; Frotscher/Kramer Rn. 34; Götting/Nordemann Einl. Rn. 46; Harte/Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 21; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.43 f.; Kriele ZRP 1974, 105; Löw Die Grundrechte, 2. Aufl. (1982) 369; Müller-Volbehr JZ 1982, 132; MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. Rn. 20 (wohl nur referierend); Rinck/Schwark Rn. 67; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 5 I 3; ders. FS Stern 613, 615 ff.; Zippelius/Würtenberger § 35 I 1. 296 Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 5 I 3.
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schen und in der Statuierung von Freiheitsrechten, das Sozialprinzip hingegen bringe, wie etwa in Art. 14 Abs. 2 S. 2, Art. 15 GG, zunächst die Gemeinschaftsgebundenheit der Individualrechte zum Ausdruck, weise aber darüber hinaus, wie Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs.1 GG belegten. Die Geltung von Individualprinzip einerseits, von Sozialprinzip andererseits, schließt demnach lediglich Extrempositionen, also eine Zentralverwaltungs- bzw. Planwirtschaft ebenso wie einen sog. Manchester-Liberalismus i.S. eines völligen laissez-faire generell aus,297 schafft im übrigen Zulässigkeitsrestriktionen wirtschaftsordnender Entscheidungen lediglich aus der Sicht der Verletzung einzelner Grundrechte bzw. des Widerspruchs zu den in ihnen beschlossenen materialen Werten. Wegen der zudem verbreitet angenommenen Gleichrangigkeit von Individual- und Sozialprinzip soll es wirtschaftsverfassungsrechtlich nicht einmal eine Rechtsvermutung für das individualfreiheitlich fundierte, marktwirtschaftliche Prinzip und für eine dadurch bedingte Argumentationslast zur Rechtfertigung staatlicher Interventionen geben.298 In diametralem Gegensatz zu den vorstehend skizzierten Neutralitätsthesen sowohl in der extremen als auch in der gemäßigten Variante ist indes schon früh von Nipperdey die Auffassung vertreten worden, dem Grundgesetz lasse sich in der Zusammenschau von Individual- und Sozialprinzip eine Garantie der sozialen Marktwirtschaft299 entnehmen. Im Zentrum seiner marktbezogenen Argumentation300 steht Art. 2 Abs. 1 GG als eine Magna Charta der Wirtschaftsfreiheit, insbesondere der Wettbewerbs-, Produktionsund Konsumfreiheit, wovon aus der Bogen namentlich über Art. 9 Abs.1 und Art. 12 bis zu Art. 14 GG gespannt wird. Das Sozialstaatsprinzip erscheint dabei eher in der Rolle der nachgeordneten, flankierenden Idee als in einer das marktwirtschaftliche Prinzip verwässernden Funktion.301 Die soziale Marktwirtschaft sei nun einmal kein Gebilde, das als „gemischte“ Wirtschaftsverfassung302 bezeichnet werden dürfe i.S. eines „weder Fisch noch Fleisch“, kein System, in dem staatlicher Dirigismus und Freiheit in letztlich politisch beliebig motivierter Mischung verschränkt werden könnten. Die in den diversen Neutralitätsthesen involvierte Ablehnung, die Nipperdeys Standpunkt gefunden hat, kann letztlich nicht überzeugen, abgesehen von der berechtigten Kritik303 an seiner für den konzeptionellen Duktus eigentlich unnötigen Drittwirkungslehre. Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes, die in der Tat den Formelkompromiss und die Ausklammerungsstrategie in der Thematik der Wirtschaftsverfassung belegt, besitzt jedenfalls keine Präponderanz, könnte allenfalls anderweitig ermittelte Sinngehalte unterstützen.304
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297 Für grundgesetzliche Zulässigkeit einer Wirtschaftsordnung mit zentraler Steuerung aber Abendroth Das Grundgesetz, 5. Aufl. (1975) 65 ff.; Reich Markt S. 90 ff. 298 So insbesondere R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 72; ferner Müller-Volbehr JZ 1982, 132, 136; Rinck/Schwark Rn. 70; a.A. aber insoweit Jarass Wirtschaftsverwaltungs- und Wirtschaftsverfassungsrecht, 2. Aufl. (1984) § 4 II 2b. 299 Der Begriff geht zurück auf Müller-Armack S. 88. 300 Nipperdey Marktwirtschaft S. 13 ff. Zu ihm ausführlich H. M. Meyer S. 36 ff. 301 S. dazu auch die Deutung der „sozialen Gerechtigkeit“ im Ordo-Liberalismus von Müller-Armack bei Hauer S. 357 ff.; a.A. aber z.B. Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 4 IV. 302 So Huber Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. I, 2. Aufl. (1953) 20 ff.; ders. DÖV 1956, 97, 135, 172, 200. 303 Stein/Frank Staatsrecht, 21. Aufl. (2010) § 27 V. 304 Zur sog. objektiven Interpretationsmethode vgl. etwa BVerfG 21.5.1952 BVerfGE 1, 299, 312; BVerfG 15.12.1959 BVerfGE 10, 234, 244; BVerfG 16.2.1983 BVerfGE 62,1, 45; BGH 30.6.1966 BGHZ 46, 74, 76; BGH 8.11.1967 BGHZ 49, 221, 223; Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991) 316 ff., 333 ff.; a.A. aber z.B. noch Hassold ZZP 94 (1981) 192, 209 ff., 235 ff.
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Auf der Grundlage des objektiven Normbefundes besteht die proklamierte Gestaltungsfreiheit von Legislative, Gubernative und ggf. auch Exekutive wegen der allseits konsentierten Bindungen durch die Verfassung auch für ökonomisch relevante Entscheidungen aber gerade nach der Rechtsprechung des BVerfG ja nur in dem dann verbleibenden Freiraum.305 Angesichts der zentralen und weitgreifenden, auch aus der personalen Würde fließenden Freiheits- und Gleichheitsverbürgungen etwa der Artt. 1, 2 Abs. 1, 3, 9 Abs. 1, 12, 14 GG306 trägt die abstrakte Feststellung prinzipieller wirtschaftspolitischer Gestaltungsfreiheit, die an den verfassungsrechtlichen Maßgaben aber doch so mannigfach relativiert wird, von vornherein deshalb nur eher deklamatorische Züge. Zugleich zerrinnt der namentlich auch gegen Nipperdey vorgebrachte methodische Einwand, eine grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung sei nur aus einer Betrachtungsweise zu gewinnen, die einzelne (Wirtschafts-)Grundrechte zu einer systembildenden Einheit zusammenschließe und sie damit eigentlich schon hinter sich lasse.307 Tatsächlich bedingt der Begriff der Wirtschaftsverfassung ebenso wie derjenige der Wirtschaftsordnung eine die Grundrechte gleichsam als normative Wertinseln ablösende und überhöhende Vorstellung eines inneren Systems.308 Doch ist dies keine methodologische Singularität, sondern gerade im Verfassungsrecht gängige hermeneutische Praxis.309 Die Verfassungsrechtsprechung hat immer wieder betont, dass bei der Interpretation eines Grundrechts der sinnstiftende Zusammenhang berücksichtigt werden soll, in dem die Grundrechte untereinander und mit tragenden Verfassungsprinzipien stehen,310 um überhaupt erst derart eine wirkliche Wertordnung formieren zu können. Dass das GG diese innere Einheit der Verfassung nach ihrer ökonomischen Seite hin regelungstechnisch nicht prägnant in einem eigenen Abschnitt zum Ausdruck bringt, sondern die Thematik der geltenden Wirtschaftsordnung nur punktuell aufgreift, ist allein Ausdruck eines grundgesetzlichen Menschenbildes, dem es eher entspricht, die Person in ihren einzelnen Beziehungsfacetten zu beleuchten, statt sektoriell die Wirtschaft als solche zum Regelungssubstrat zu wählen. Gleichgültig aber, ob man die wirtschaftsrelevanten Grundrechtspositionen nun mehr additiv betrachtet oder sie dialektisch in eine andere Qualität als Elemente eines Systems einer grundgesetzlich statuierten Wirtschaftsordnung überführt und so einen recht gekünstelt wirkenden Gegensatz zwischen der bloßen „Funktionsgarantie“ und der „Systemgarantie“ der Verfassung zugunsten der Marktwirtschaft konstruiert,311 wird bereits durch die konkrete Artikelreihung und die jeweilige normtextliche, an freiheitskonstituierenden Regeln und freiheitsbeschränkenden Ausnahmen orientierten Innen-
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305 So dezidiert schon BVerfG 20.7.1954 BVerfGE 4, 7, 18. 306 S. aber schon hier Zacher in Scheuner (Hrsg.), Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft (1971) 549, 581, der zutreffend darauf hinweist, dass nicht nur diese häufig genannten, sondern beinahe alle Grundrechte für die Wirtschaftsordnung relevant sind. 307 R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 71. Zu diesem methodischen Ansatz von Nipperdey s.a. Müller-Graff S. 254. 308 Ebenso Schmidt-Preuß FS Säcker 981 f. („Implizit-Garantie der sozialen Marktwirtschaft“, verstärkt durch Art. 3 Abs. 3 EUV); s.a. Schwerdtfeger ZHR 142 (1978) 301, 306. Ein solches inneres System zugunsten einer Verfassungstopik strikt verneinend Leisner FS R. Schmidt 363, 375. 309 Bohling S. 22; Mühl DÖV 1967, 224 ff.; a.A. R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 74: Auslegungsgegenstand dürfe nur die einzelne (!) Norm sein, nicht hingegen ein über diese hinausgehender „Systemzusammenhang“. 310 BVerfG 23.10.1951 BVerfGE 1, 14, 32; BVerfG 6.12.1972 BVerfGE 34, 165, 183; BVerfG 22.5.1975 BVerfGE 39, 334, 368; BVerfGE 50, 290, 336. 311 R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 73 ff., 77, der selber den Standpunkt der h.M. einnimmt, sieht dazwischen ganz zutreffend eigentlich keinen Konsequenzen erzeugenden Unterschied mehr (s.a. ders. FS Stober 19, 22); ganz ähnlich auch Basedow S. 20 ff., 25.
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struktur das große Gewicht der Freiheitsidee gegenüber dem im Verfassungstext eher zurückhaltend entgegentretenden Sozialstaatsprinzip evident. Schon dieser „Primat der Wettbewerbsfreiheit“312 vor dem durch ein überdehntes 164 Sozialprinzip nur allzu leicht induzierten staatlichen Interventionismus ist – ins Wirtschaftliche gewendet – unvereinbar mit der Vorstellung wirtschaftspolitischer Neutralität des GG.313 Nur dieser Primat der Freiheit kann gemeint sein, wenn selbst von Seiten der Anhänger der Neutralitätsthese mit Blick auf die grundgesetzlichen Freiheitsgewährungen eingeräumt wird, die behauptete Neutralität dürfe nicht als Inhalts- und Entscheidungslosigkeit des GG in Bezug auf die Wirtschaft missverstanden werden.314 In der Tat könnte ohne die Freiheitsgarantien der Verfassung das Lauterkeitsrecht ebenso wie das Privatrecht überhaupt nur allzu leicht zum „jederzeit rückrufbaren Ordnungsinstrument“315 staatlicher Wirtschaftspolitik verkümmern. c) Freiheitliche Wettbewerbswirtschaft als Verfassungsentscheidung. Für eine derart freiheitsbasierte Verfassung ist der wirtschaftspolitische Spielraum auf normhierarchisch untergeordneten Handlungsebenen bei weitem nicht mehr nur durch den Ausschluss von Extrempositionen – „Manchester-Liberalismus“ und staatliche „Kommando-Wirtschaft“ – gekennzeichnet. Die vordergründig als bloße Rahmenordnung erscheinende grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung verdichtet sich vielmehr unter diesen Einflussgrößen materiell eben doch zur Systementscheidung für eine freiheitlichwettbewerbsbasierte Marktwirtschaft.316 Allgemeine Handlungsfreiheit und damit auch Privatautonomie und Wettbewerbsfreiheit, Garantie des Privateigentums (gerade auch hinsichtlich seiner ökonomischen Nutzbarkeit), Berufs-, Gewerbe- und Arbeitsplatzfreiheit einschließlich der Freizügigkeit sowie eine auch gesellschaftsrechtlich wirksame Vereinigungsfreiheit markieren Elemente einer Wirtschaftsverfassung, die nur als eine auf Wettbewerbsfreiheit gegründete, marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung denkbar ist.317 Staatliche Eingriffe müssen deshalb mit diesem wettbewerblich-marktwirtschaftli166 chen Ordnungsmodell kompatibel sein,318 mag die Abgrenzung zulässiger oder unzulässiger Interventionen des Staates im konkreten Einzelfall auch schwierig sein.319 Keine Zweifel werfen dabei freilich die Maßnahmen des (einfachen) Gesetzgebers auf, die das Ziel verfolgen, gerade die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbsmechanismus zu gewährleisten, weil es hierbei gar nicht um sozialstaatlich bedingte Einschränkungen der Märkte als Organisations- und Handlungssysteme grundrechtlicher Freiheiten geht, son165
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312 Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 5 Rn. 5; zu dem hier beschlossenen Prinzip des „In dubio pro libertate“ s. Fikentscher Bd. II § 20 IIIc, V 4d; Hablitzel BayVBl. 1981, 101; P. Schneider FS zum 100jährigen Bestehen des Deutschen Juristentages 1960, II, S. 263 ff. 313 S.a. Liesegang S. 36; v. Münch JZ 1960, 305; Schünemann FS Stober 147, 152 f. 314 R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 75 m.w.N. 315 Nörr S. 3. 316 Bleckmann JuS 1991, 536, 539; Fezer/Fezer Einl. E Rn. 227 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 5 Rn. 7; Leisner BB 1975, 1, 5; H. M. Meyer S. 359 f.; Müller-Volbehr JZ 1982, 132, 139; Schmidt-Preuß FS Säcker 981 ff.; weitere Nachw. im Folgenden. 317 So dezidiert auch Maunz/Dürig/Papier GG, 3. Aufl. (Stand 1991) Art. 14 Rn. 34. Zu Recht spricht Zacher VjSchrfSR 1973, 97, 100 von einer „elementaren Harmonie“ zwischen den grundgesetzlichen Grundwerten und der „sozialen Marktwirtschaft“. S.a. Fezer JZ 1990, 657, 661, 663; Merz S. 200; Mestmäcker Verwalteter Wettbewerb S. 88 ff.; Schwipps S. 85 ff.; Wackerbeck WRP 2006, 991. 318 A.A. Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 5 I 3c. 319 S.a. Bleckmann JuS 1991, 536, 538 f.; Müller-Volbehr JZ 1982, 132, 138; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 72.
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dern um Interventionen zur Realisierung dieses Systems selber.320 Dies legitimiert auch interpretative Konkretisierungen der lauterkeitsrechtlichen Generalklauseln in derselben Richtung. Unter diesem Aspekt nicht unproblematisch ist hingegen – trotz ihrer verfassungs- 167 rechtlichen Fundamentierung in Art. 109 GG – die sog. globale Steuerung des Marktes. Ob hierbei überhaupt die von § 1 StabG geforderte Marktkonformität gewahrt bleiben kann,321 erscheint jedenfalls auf der Basis der Konzeption der Wettbewerbsfreiheit nicht unzweifelhaft, weil Wettbewerb dabei wohl instrumentalisiert werden müsste (s. Rn. 94 ff.).322 Immerhin setzt das StabG den „Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung“ ausdrücklich voraus, ebenso wie auch § 2 WiSachvRG und § 42 Abs. 1 S. 3 GWB. Aus alledem, vor allem auch aus der verfassungsrechtlichen Verankerung des StabG im GG, lässt sich durchaus der Schluss ziehen, dass es sich bei diesen Bezugnahmen um mehr handelt als um den Verweis auf eine über einen längeren Zeitraum rein tatsächlich praktizierte Wirtschaftsordnung. Auch der innerdeutsche Einigungsvertrag323 geht in Art. 1 Abs. 3 (s.a. Art. 5, dritter 168 Spiegelstrich) von der sozialen Marktwirtschaft als Charakteristikum der geltenden deutschen Wirtschaftsordnung aus und nimmt nicht lediglich auf ein seinerzeit vorfindliches Faktum Bezug.324 Ob sich daraus ein wirtschaftsverfassungsrechtliches Argument ziehen lässt, ist nicht sicher, da wegen der historischen Singularität des Vorgangs die Rechtsnatur des Einigungsvertrages ihrerseits nicht unzweifelhaft erscheint.325 Die aufgeworfene Frage bedarf nach der hier vertretenen Ansicht aber keiner Entscheidung, weil der Einigungsvertrag insoweit nur die grundgesetzlich normierte Wirtschaftsordnung nachzeichnet, also nur deklaratorische Bedeutung hat.326 Trotz des immer wieder rezitierten Neutralitätsdogmas trennt die höchstrichterliche 169 Rechtsprechung in der Sache selbst wohl nicht so viel von der hier vertretenen Position, wie es den Anschein hat. So wurde wiederholt formuliert, die geltende Wirtschaftsverfassung gewährleiste als eines ihrer Grundprinzipien den freien Wettbewerb,327 die deutsche Wirtschaftsverfassung sei eine „marktwirtschaftliche Ordnung“.328 Das BVerfG war bei der Statuierung und Perpetuierung seines Neutralitätsdogma seinerzeit wohl noch von der Sorge getragen, wirtschaftspolitische Entscheidungen seitens Regierung und Parlament könnten ansonsten zu sehr eingeengt werden.329
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320 Papier Wirtschaftsordnung S. 7; Rupp HdWW S. 146. 321 Zur immanenten Problematik des Steuerungsziels „hoher Beschäftigungsgrad“ schon in § 1 StabG s.a. Fikentscher Bd. II § 22 I 5g; R. Schmidt Wirtschaftspolitik S. 143. 322 Auf die hierbei drohende Gefahr, dass der Staat dem Wettbewerb nur die ökonomischen „Mikrogrößen“ überlässt, selber aber über die „Makrogrößen“ verfügen kann (und eben dadurch den Wettbewerb instrumentalisiert), macht zutreffend auch R. Schmidt FS Stober 19, 20 aufmerksam. 323 BGBl. II 1990, S. 537. 324 Häberle JZ 1990, 361, 363; Horn FAZ v. 18.8.1990, S. 11; Rüthers/Stadler Allg. Teil des BGB, 12. Aufl. (2002) Rn. 33 (neuere Aufl. ohne diesbezügliche Stellungnahme); a.A. R. Schmidt FS Stober 19, 20 f.; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 5 I 4; Tettinger BB 1992, 1 ff., jeweils m.w.N. 325 Vgl. zum Meinungsstand Rittner/Dreher § 2 Rn. 48 m.w.N.; den Verfassungsrechtscharakter im Ergebnis mit der wohl überwiegenden Meinung bejahend etwa Kilian Rn. 200; Maurer Staatsrecht I, 6. Aufl. (2010) § 8 Rn. 91 f.; a.A. etwa Harte/Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 22. Leisner FS R. Schmidt 363, 371 bezeichnet die Verfassungsqualität des Einigungsvertrages also sicher unzutreffend als „unbestritten“. 326 Schünemann FS Stober 147, 159. 327 BGH 8.4.1952 GRUR 1952, 582 – Sprechstunden. BVerfG 8.2.1972 BVerfGE 32, 311, 317 = GRUR 1972, 358, 360 – Grabsteinwerbung; BVerfG 13.7.1992 GRUR 1993, 751; BVerfG 1993, 754 GRUR 1993, 754. 328 BVerfG 29.5.2006 – 1 BvR 240/98 – VersR 2006, 961, 963. 329 Vgl. Beater Rn. 766.
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Mittlerweile bricht sich aber immer mehr die Einsicht Bahn, dass Wirtschaftspolitik auch möglich bleibt, wenn der im GG „implizit gesetzte (…) wirtschaftsverfassungsrechtliche Ordnungsrahmen“,330 nämlich eine freiheitliche, von individuell verantworteter Wirtschaftstätigkeit getragene Marktwirtschaft, auch ausdrücklich beim Namen genannt und stärker in seinen Strukturelementen und deren Einbindung in den Wettbewerb konturiert und dabei als Sinnganzes, eben als System, konturiert wird. Zutreffend wird deshalb nicht mehr nur vereinzelt und verhalten von einer de lege lata unabweisbaren „Korrektur der Neutralitätsthese“ gesprochen331 und unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips die grundgesetzliche Gewährleistung der sozialen Marktwirtschaft postuliert.332 Die grundgesetzliche Immanenz freiheitlich-wettbewerbsgesteuerter Marktwirt171 schaft, wie sie vor allem durch die wirtschaftlich relevanten Grundrechte als deren Basisund Steuerungselemente vermittelt und greifbar wird,333 bedeutet für sich genommen weder eine Fixierung der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung in ihrer aktuell-konkreten Ausgestaltung noch die verfassungsrechtliche Weihe einer bestimmten Wettbewerbskonzeption.334 Doch ist nicht zu verkennen, dass das neoklassische/neoliberale Konzept der Wettbewerbsfreiheit eine essentielle Affinität zu einer auf individuellen Handlungsfreiheiten aufbauenden Wirtschaftsverfassung aufweist, ja geradezu und lediglich als die wettbewerbstheoretische Seite einer gedanklichen Explizierung einer wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft aus den Freiheitsrechten erscheint.335 Erst mit dieser Maßgabe, mit der Verknüpfung des Marktbegriffs und des Konzepts der Wettbewerbsfreiheit, wird die dem sozialistischen Modell einer Wirtschaftsgesellschaft entgegengesetzte marktwirtschaftliche Ordnung hinreichend konturiert. 336 Grund dafür ist das dynamische, ergebnisoffene Verständnis, dass das Konzept der 172 Wettbewerbsfreiheit mit systemtheoretisch orientierter Grundrechtstheorie überhaupt verbindet. Die Grundrechte gewinnen bei solch prozeduraler Betrachtung ganz allgemein die Funktion individueller Entscheidungs-, Verantwortungs- und Risikozuständigkeiten in einem kybernetisch als spontan-polyzentrisch koordiniert und selbstregu-
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330 Papier in Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. (1994) 779 ff., Rn. 23. 331 H. M. Meyer S. 359 (ff.); gleichsinnig Kilian Rn. 201. S.a. Fezer/Fezer Einl. E Rn. 225 f. 332 Bleckmann JuS 1991, 536, 539; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 5 Rn. 7; Leisner Soziale Marktwirtschaft S. 42 ff.; Schünemann FS Stober 147, 159 m.w.N.; s.a. die Nachweise bei MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. Rn. 21 a.E.; vgl. ferner Maunz/Dürig/Herzog GG 63. Aufl. (Stand 2011) Art. 20 Abschn. VIII Rn. 60 (ausdrücklich Nipperdey zustimmend). Zurückhaltender i.S. einer bloßen Funktionsgarantie der Marktwirtschaft, nicht ihrer Systemgarantie als solcher: Liesegang S. 237 ff.; MüllerGraff S. 258 ff.; Maunz/Dürig/Papier GG 63. Aufl. (Stand 2011) Art. 14 Rn. 30 ff.; Rinck/Schwark Rn. 61 f., 75; Zacher VJSchrfSR 1973, 97, 100; Zuck NJW 1967, 1301 (unter besonderer Betonung der Globalsteuerung); ders. BB 1967, 805, 807; s.a. Ch. Herrmann S. 54 („genereller Systemwechsel hin zu einer echten Planwirtschaft“ wäre mit dem GG unvereinbar). 333 Rupp HdWW S. 145 f. S.a. Basedow S. 21 ff. (mit eindrucksvoller ökonomischer Interpretation der einschlägigen Grundrechte); Bleckmann Ordnungsrahmen für das Recht der Subventionen, Gutachten D für den 55. DJT, München 1984, D 41, Die Beschränkung des Staates auf marktkonforme Eingriffe (III. B) S. 42; Scholz Paritätische Mitbestimmung und Grundgesetz (1974) 31 ff.; ders. in Maunz/Dürig (Hrsg.) GG 63. Aufl. (Stand 2011) Art. 12 Rn. 85 f. 334 Vgl. Hablitzel BayVBl 1981, 65, 68. Auch Nipperdey hat die Wirtschaftsverfassung der (sozialen) Marktwirtschaft durchaus nicht als unwandelbare statische Größe, gründend auf einer gerade verbreiteten wirtschaftspolitischen Strömung, gesehen. 335 S.a. Link VVDStRL 48 (1990) 40 f. 336 Rittner/Dreher § 2 Rn. 55 weisen zutreffend auf die „Ambivalenz des Marktbegriffs“ hin, der auch einen „Konkurrenzsozialismus“ in einer „sozialistischen Marktwirtschaft“ trägt. Dazu s.a. Rittner JZ 1990, 838 ff.
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lativ gedachten gesellschaftlichen Organisationsmodell.337 Es durchdringt und strukturiert als jene legendäre invisible hand alle Lebensbereiche einer freien, offenen Gesellschaft und dabei eben auch den Sektor der Ökonomie, wo es dann als Wettbewerb auf Märkten in Erscheinung tritt.338 „Als Teil der durch die Prinzipien der Freiheit und Gleichheit verfassungsrechtlich sta- 173 tuierten Ordnung“ wird somit die auf Wettbewerbsfreiheit gründende marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung gewährleistet, innerhalb derer Wettbewerb „und die Privatautonomie sich gegenseitig bedingen und ergänzen. Das Vertragsmodell des BGB setzt eine solche auf das Bestehen von Wettbewerb gerichtete Ordnung voraus. Umgekehrt ist der Vertrag nicht bloß das Mittel zur Ausübung von Privatautonomie, sondern ein zentrales Instrument der Marktwirtschaft“.339 d) Wettbewerbsfreiheit und Sozialstaatsprinzip. Die freiheitliche Wettbewerbs- 174 ordnung wiederum steht durchaus nicht in einem zwangsläufigen Gegensatz zum Sozialstaatsprinzip, z.B. unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes.340 Die Selbstbestimmung des Verbrauchers wird „primär und in der Regel am besten über die Koordinierung des Marktes zur Geltung gebracht.“341 Ein so funktionierender, freier Wettbewerb ist in der Perspektive der Nachhaltigkeit geradezu des Verbrauchers „bester Freund“, wie schon seit Langem gerade von Seiten der Verbraucherschutzpolitik betont worden ist.342 Des Hebels sozialstaatlicher Intervention bedarf der Verbraucherschutz auch in der „sozialen“ Marktwirtschaft nicht. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass schon Ludwig Erhard, der „Va- 175 ter“ der Sozialen Marktwirtschaft, in ihr eine pleonastische Begriffsbildung diagnostizierte und in ihr keinesfalls den Hebel für eine „gemischte“ Wirtschaftsordnung sehen wollte, die sozialpolitisch motivierten Anliegen durch staatliche Interventionen außerhalb der marktlichen Wettbewerbsprozesse i.S. sozialistischer Wirtschaftspolitik hätte Geltung verschaffen wollen (vgl. Rn. 85 ff., 90).343 Noch viel weniger stellt sich sub specie des Sozialstaatsprinzips das Problem eines un- 176 zulässigen „Vorrangs“ des Wettbewerbsprinzips vor „ethischen Werten“.344 Im Gegenteil
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337 Eindrucksvoll Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 17 I (grundrechtsbasierter „status oeconomicus als Ausdruck marktwirtschaftlich orientierter Rechtsordnungen“), freilich im Gegensatz zu seiner Einschätzung, das Grundgesetz sei wirtschaftspolitisch neutral (§ 5 I 3). Zur universalen Rolle des Marktprinzips für die Gesellschaft und ihre spontane Kulturbildung s. Koslowski Theorie, passim. Damit darf nicht die Diskussion vermengt werden, ob die Grundrechte über die spezifischen Verfahrensgarantien der Artt. 19 Abs. 4, 101, 103, 104 GG hinaus auch Verfahrens- und Organisationsmaximen zur Effektivierung des materiellen Grundrechtsgehalts darstellen. Vgl. z.B. BVerfG 18.7.1972 BVerfGE 33, 303, 341; BVerfG 24.4.1979 BVerfGE 51, 150, 156; BVerfG 13.11.1979 BVerfGE 52, 380, 389 f.; BVerfG 20.12.1979 BVerfGE 53, 30, 65 f.; BVerfG 15.12.1983 BVerfGE 65, 1, 44, 49 ff.; BVerfG 4.11.1986 BVerfGE 73, 118, 153; BVerfG 18.6.1986 BVerfGE 73, 280, 296; Bethge NJW 1982, 1 f.; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 110 ff. m.w.N. 338 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 45; s.a. Fezer JZ 1990, 657, 660 f.; ders. JuS 1991, 889 ff.; Hoppmann Prinzipien S. 12; Mestmäcker ZHR 137 (1973) 97 ff.; Rupp HdWW S. 145 unter Hinweis auf Popper; Schliesky Wettbewerbsrecht S. 192/193. Sehr anschaulich auch Engels, passim. 339 Alexander S. 39. 340 Drexl S. 247. 341 Drexl S. 565 und öfter. 342 S. den sog. Molony-Report (Final Report of the Committee on Consumer Protection), 1962, S. 295 f.; ihn aufgreifend Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 41 m. Fn. 94; s.a. Drexl S. 23, 26; Pichler S. 69. 343 Mierzejewski Ludwig Erhard: der Wegbereiter der Sozialen Marktwirtschaft (2005) 59. S. aber auch Jenkins FS Gemper 75 ff. 344 So aber v. Köhler NJW 1964, 569, 574.
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ist der funktionierende Markt selber ceteris paribus der sozial gerechteste Verteilungsmechanismus,345 der ja gerade dann, wenn (und weil) er als „notwendige Folge“ der grundgesetzlichen Freiheitsrechte erscheint,346„ethische Werte“ verkörpert347 (vgl. Rn. 125 ff.). Für staatliche Korrekturen so zustande gekommener Marktergebnisse unter Hinweis auf die Notwendigkeit „sozialgerechter Intervention“348 ist dann gar kein Raum mehr. Über die Sicherung der Wettbewerbsfreiheit hinausgehende sozialstaatliche Inter177 ventionen können schlechterdings nicht in die Wettbewerbsordnung integriert werden, ohne zugleich deren schleichende Paralyse zu bewirken. Auf dem Boden der Wettbewerbsfreiheit kann es folglich auch keine „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ geben, wie sie bezeichnenderweise gerade von den sozialistischen Volksdemokratien immer wieder beschworen worden ist.349 Wegen dieser notwendigen Absage an eine synkretistische Mischwirtschaft als „Mittelweg zwischen (sc. wirtschaftlichem) Kollektivismus und Individualismus“350 muss sich das soziale Moment der sozialen Marktwirtschaft, soweit es über die Sicherung von Markt und Wettbewerb selber hinausgeht, außerhalb des ökonomischen Systems entfalten.351 178 Auf die Privatrechtsverhältnisse der Wirtschaftssubjekte untereinander nehmen die (Wirtschafts-)Grundrechte, abgesehen von dem Sonderfall des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, nicht als subjektiv-private Rechtspositionen im Wege einer unmittelbaren „Drittwirkung“ Einfluss.352 Eine solche unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte über deren Wirkungsrichtung gegenüber den Trägern hoheitlicher Gewalt hinaus würde die das Privatrecht beherrschende Privatautonomie ins Mark treffen.353 Die Grundrechte, gerade auch in ihrer die Wirtschaftsverfassung konstituierenden Rolle, können sich ins Privatrecht vielmehr nur mittelbar, aufgrund ihres objektiv-rechtlichen Gehalts, einfügen.354
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345 L. Raiser Antinomien im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, FS Fechner (1973) 61 ff.; Fikentscher Bd. II § 22 I 5c cc trotz Ablehnung einer wirtschaftspolitischen „Einzieligkeit“ i.S. Hoppmanns und der Theorie der Wettbewerbsfreiheit. Zur Bedeutung des Wettbewerbs für die Lösung verbraucherschutzrechtlicher Probleme, die ihrerseits vom Sozialstaatsprinzip gefordert sein mag, s. Grunsky BB 1971, 1113 ff.; ders. BB 1972, 189 ff. 346 So von seinem Ausgangspunkt her überraschend wiederum v. Köhler NJW 1964, 569, 573. 347 Hoppmann FAZ v. 6.11.1993, S. 13; Möschel Pressekonzentration S. 149; s.a., teilweise allerdings relativierend, Reuter DZWir 1993, 45 ff. 348 Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 72; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.48. 349 Exemplarisch hierfür der Bericht des Politbüros an das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Dietz-Verlag Berlin/Ost (1988) 28 f.; o.V. Ökonomisches Lexikon H-P, Verlag Die Wirtschaft Berlin/Ost (1979) 35/36 – Stichwort: Hauptaufgabe; Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Dietz-Verlag Berlin/Ost (1976) 20; Honecker Die Aufgaben der Parteiorganisationen bei der weiteren Verwirklichung der Beschlüsse des XI. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Dietz-Verlag Berlin/Ost (1987) 20; Manz/Winkler Theorie und Praxis der Sozialpolitik in der DDR (Schriften des Instituts für Soziologie und Sozialpolitik der Akademie der Wissenschaften der DDR), Akademie Verlag Berlin/Ost (1979) 79 f.; Winkler Lexikon der Sozialpolitik, Akademie Verlag Berlin/Ost (1987) 423 – Stichwort: Wirtschafts- und Sozialpolitik, Einheit von. 350 So aber ausdrücklich Löw Die Grundrechte, 2. Aufl. (1982) 371; gleichsinnig (Wirtschaftssystem „zwischen Markt und Plan“) Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 4 IV (2); s.a. Forsthoff Der Staat in der Industriegesellschaft (1971) 80 f. 351 Ähnlich wohl Möschel FS Nörr 609 ff.; s. aber auch Müller-Armack S. 85 ff.; Neumann S. 106; Löw Die Grundrechte, 2. Aufl. (1982) 371. 352 Seit Langem fast allg. Meinung, vgl. Leisner Grundrechte, passim m.w.N.; a.A. früher das BAG, vgl. BAG 3.12.1954 BAGE 1, 185, 193; BAG 10.5.1957 BAGE 4, 274, 276; BAG 28.9.1972 BAGE 24, 438, 441; für den Wandel dieser Rspr. s. etwa BAG 20.12.1984 BAGE 47, 363, 373; BAG 27.2.1985 BAGE 48, 122, 128 f. S.a. Bleckmann DVBl. 1988, 938; Krause JZ 1984, 656, 711, 828. 353 Für alle Maunz/Dürig/Herdegen GG 63. Aufl. (2011) Art. 1 Abs. 3 Rn. 59 ff. 354 Beater Rn. 771.
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Die Ausstrahlungswirkung der grundgesetzlichen Wertentscheidungen kann ins- 179 besondere bei der Konkretisierung der privatrechtlichen Generalklauseln zum Tragen kommen,355 im Lauterkeitsrecht also namentlich im Blick auf § 3 Abs. 1,356 aber auch im Zusammenhang mit der in § 4 Nr. 1 angesprochenen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit in „menschenverachtender Weise“, d.h. vor allem durch entsprechende Werbung. Selbst diese Mediatisierung darf freilich nicht die Eigengesetzlichkeiten von öffentlichem Recht einerseits, Privatrecht andererseits aus den Augen verlieren,357 bei der Entfaltung des objektiv-rechtlichen Gehalts nicht die wenigstens typische rechtliche Subordination der (privaten) Träger subjektiver öffentlicher (Grund-)Rechte im Verhältnis zur Staatsgewalt ausgrenzen, eine Subordination, die ersichtlich den konstruktiven Boden der Grundrechtskonzeption des Grundgesetzes bildet. Umgekehrt ist die Ausstrahlung der grundrechtlichen Werteordnung ins Privatrecht 180 unter dem Aspekt der Einheit der Gesamtrechtsordnung auch geboten.358 Methodologisch wird dabei ein Unterschied zwischen verfassungskonformer Auslegung359 und lediglich verfassungsorientierter Auslegung gesehen.360 Hintergrund dieser Unterscheidung ist das verfassungs- und justizpolitisch zu begrüßende Anliegen, trotz der Ausstrahlungswirkung des Grundgesetzes vermittels der privatrechtlichen Einbruchsstellen der Generalklauseln das Bundesverfassungsgericht nicht zur zivilprozessualen Superrevisionsinstanz werden zu lassen. Auch dogmatisch spricht einiges dafür, die Grundrechtswertungen bei der Ausle- 181 gung lauterkeitsrechtlicher Normen nur als Interpretationstopoi zu qualifizieren, nicht jedoch als Korrekturinstrument einer schon unabhängig davon möglichen Sinngebung. Denn namentlich der rechtsrelevante Wettbewerbsbegriff ist überhaupt erst im Lichte der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung mit Inhalt zu füllen, ohne diesen Bezugsrahmen hingegen ein substanzloser Blankettbegriff. 2. Grundrechtliche Elemente und Ausstrahlungen der Wirtschaftsverfassung a) Wirtschaftsverfassung und lauterkeitsrechtliche Hermeneutik. Bei Ausle- 182 gung und Anwendung des Lauterkeitsrechtes sind selbstverständlich verfassungsrechtliche Wertungskriterien, insbesondere solche aus dem Kreis der Grundrechte, zu berücksichtigen. Dies folgt schon daraus, dass die Grundrechte auch eine objektive Wertordnung bilden, die im Wege einer mittelbaren Drittwirkung auf das Lauterkeitsrecht ausstrahlt. Allerdings wurzelt auch ein auf dem Konzept der Wettbewerbsfreiheit gründendes 183 und so verstandenes Lauterkeitsrecht selber auf eben dieser verfassungsrechtlichen Wertordnung. Es ist deshalb Vorsicht bei einer Argumentation geboten, die grundrechtliche oder sonstige verfassungsrechtliche Wertungsgesichtspunkte zur Korrektur wettbewerbsrechtlich-dogmatischer Positionen ins Feld führen will, die sich aus dem Konzept der Wettbewerbsfreiheit ergeben.
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355 BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 198, 206; v. Münch/Kunig GG, Bd. 1, 5. Aufl. (2000) Vor Artt. 1–19 Rn. 31; Reimers Die Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht (1958) 20. 356 S. zum früheren § 1 (Verstoß gegen die „guten Sitten“) Sack WRP 1974, 247, 250; auch Gärtner BB 1970, 1361. Zum geltenden § 3 s. dort Peukert Rn. 312 ff. 357 S.a. Mestmäcker AcP 168 (1968) 235, 239; Schneider DVBl. 1969, 325, 333. 358 Gärtner BB 1970, 1361; Grabitz ZHR 149 (1985) 263; Maunz/Dürig GG 3. Aufl. (Stand 1991) Art. 1 Abs. 3 Rn. 132; Mestmäcker AcP 168 (1968), 235, 239; Möschel Pressekonzentration S. 49. 359 Grundlegend BVerfG 7.5.1953 BVerfGE 2, 266, 282. 360 Gärtner BB 1970, 1361; Grabitz ZHR 149 (1985) 263; Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. Bd. 1 (1984) § 4 Abs. 3 S. 8 (S. 136).
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Bei dem Rekurs auf Verfassungsrecht in lauterkeitsrechtlichem Kontext ist aber auch deshalb Zurückhaltung geboten, weil das Lauterkeitsrecht in seiner klar und exklusiv wettbewerbsbezogenen Teleologik nach § 1361 nicht genuin dazu berufen ist, jedwede grundrechtliche Werte zu exekutieren.362 Vielmehr muss immer das Ziel im Auge behalten werden, den unverfälschten Wettbewerb aufrecht zu erhalten. Nur insoweit kann sich das Lauterkeitsrecht grundgesetzlichen Wertungstopoi öffnen. 185 Unter diesem Aspekt bedenklich ist § 4 Nr. 1, da schlechterdings nicht vorstellbar ist, wie eine „menschenverachtende“ geschäftliche Handlung die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer zu Lasten des unverfälschten Wettbewerbs sollte beeinträchtigen können. Auch der Gesetzgeber ist aus rechtsstaatlichen Gründen an die Erfordernisse innerer Stimmigkeit einer Normsetzung gebunden und kann nicht über die Logik verfügen. Eben weil es sich bei der Menschenwürde um den „Kardinalpunkt unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung“ handelt, ist der Schutz dieses Guts z.B. im Strafrecht besser aufgehoben; ein wettbewerbsfunktional konzipiertes Lauterkeitsrecht liefert dafür keine geeignete Plattform.363 b) Artt. 1, 2 Abs. 1 GG. Gegenstand des Hauptfreiheitsrechtes und insoweit oberster Verfassungswert ist die im Rahmen der Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete, aus der menschlichen Würde (Art. 1 Abs. 1 GG) gespeiste, mit ihr aber nicht ohne weiteres identifizierbare freie Entfaltung der Persönlichkeit.364 Diese Entfaltungsfreiheit hat jedenfalls auch eine wirtschaftliche Dimension,365 weil über den Kernbereich der Persönlichkeit in ideeller und kultureller Hinsicht hinaus die Handlungsfreiheit allgemein grundgesetzlich gewährleistet wird. Im Übrigen könnte ein engeres Verständnis der Entfaltungsfreiheit als spezifischer Ausdruck personaler menschlicher Würde366 keine Ausgrenzung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG rechtfertigen, weil der ökonomische Kontext einer Handlung diese nicht gleichsam erniedrigt und entwertet, vielmehr umgekehrt gerade in der freien wirtschaftlichen Disposition der Mensch seine Erfüllung finden und daraus sein Selbstwertgefühl speisen kann. Die gedankliche Anknüpfung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit lediglich an 187 die allgemeine Handlungsfreiheit erleichtert es aber, das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG auch anderen (Privat-)Rechtssubjekten als nur den natürlichen Personen selber, also nicht nur vermittelt über deren jeweilige Organwalter, zuzuordnen. Die Grund-
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361 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 7 ff., 56 ff., 85 ff. m.w.N. 362 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 314 ff. 363 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 316. 364 BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 198, 205; BVerfG 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 397, 405. S.a. Scholz AöR 100 (1975) 80 ff., 265 ff.; zur bislang kaum thematisierten, geschweige denn erhellten ökonomischwirtschaftsverfassungsrechtlichen Dimension der Menschenwürde s. zutreffend Stober FS Stern 613, 620 f. 365 BVerfG 16.1.1957 BVerfGE 6, 32, 36 ff.; BVerfG 12.11.1958 BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG 29.7.1959 BVerfGE 10, 89, 99; BVerfG 16.5.1961 BVerfGE 12, 341, 347; s.a. BGH 24.10.1961 BGHZ 36, 77, 80 im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht als zivilrechtlichem Pendant zum Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit; Ballerstedt in Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte III/1 (1966) 69; Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 45; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.45; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 161; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 18 I; ders. FS Stern 613, 620. Zum untrennbaren Zusammenhang zwischen grundgesetzlichem Menschenbild und Wirtschaftsverfassung s. ferner allgemein Liesegang S. 36; v. Münch JZ 1960, 305; Schünemann FS Brandner 279, passim. 366 In dieser Richtung Peters Gegenwartsprobleme des internationalen Rechts und der Rechtsphilosophie, FS Laun (1953) 669 ff.; ders. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rspr. (1963) passim; ähnlich Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. (1988) 166 f.
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rechtsfähigkeit kann dabei nicht von der besonderen rechtskonstruktiven Qualität des Wirtschaftssubjekts als juristische Person abhängig sein,367 ergreift also auch als Gesamthandsgesellschaften organisierte (Rechts-)Subjekte368 wie insbesondere die sog. Personenhandelsgesellschaften OHG, KG sowie die auf wirtschaftlichem Gebiet tätige Gesellschaft bürgerlichen Rechts.369 Schon wegen § 1 EWIV-AG und der darin ausgesprochenen Verweisung auf das ergän- 188 zend anwendbare Recht der OHG wird auch die EWIV vom grundgesetzlichen Schutz erfasst, ungeachtet ihrer gemäß Art. 3 EWIV-VO nur dienenden, insoweit der Genossenschaft ähnelnden wirtschaftlichen Funktion. Gleiches gilt für die ebenfalls als Gesamthandsgesellschaft konstruierte Partnerschaftsgesellschaft nach §§ 1 ff. PartGG. Ob die Rechtssubjektivität im deutschen oder europäischen Recht370 verankert ist oder aber einer fremden, aber kraft europarechtlicher Mechanismen in Deutschland anerkannten Rechtsordnung angehört,371 macht keinen Unterschied. Bei der inhaltlichen Erfassung der nach Art. 2 Abs.1 GG geschützten Handlungsfrei- 189 heit ist von vornherein der Charakter dieses Grundrechtes als Auffangtatbestand und damit sein Zurücktreten gegenüber speziellen Gewährungen von (Wirtschafts-)Freiheiten namentlich im Blick auf Beruf, Eigentum und Vereinigungen einschließlich der Koalitionen zu beachten.372 Welche wirtschaftlich relevanten Freiheiten dann noch genuin in Art. 2 Abs. 1 GG verankert bleiben, ist im Einzelnen zweifelhaft, kann aber wegen unterschiedlich ausgestalteter Einschränkungen bzw. Einschränkungsmöglichkeiten letztlich nicht dahinstehen. Doch spielt diese Frage eine geringere Rolle, wenn die Grundrechte lediglich in ihrer Funktion als Elemente der objektiv-rechtlichen Ordnung aufgegriffen werden. Die scheinbare Bandbreite der allein Art. 2 Abs. 1 GG zuzuordnenden Wirtschaftsfreiheiten, wie sie die vielfältigen Formulierungen in Judikatur und Schrifttum nahelegen,373 besteht bei näherer Betrachtung jedoch nicht, schon weil darin häufig nur unterschiedliche Akzentuierungen zum Ausdruck kommen.374
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367 BVerfG 29.7.1959 BVerfGE 10, 89, 99; BVerfG 19.12.1962 BVerfGE 15, 235, 239; BVerfG 14.12.1965 BVerfGE 19, 206, 215; BVerfG 18.10.1966 BVerfGE 20, 283, 290; BVerfG 19.12.1967 BVerfGE 23, 12, 30; BVerfG 14.10.1970 BVerfGE 29, 260, 265 f.; BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 319; Ballerstedt in Bettermann/ Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte III/1 (1966) 69 f. 368 Grundlegend zur (Teil-)Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaft Flume ZHR 136 (1972) 177 ff.; Schünemann Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft (1975) passim, insbesondere S. 146 ff. Zur Anerkennung dieser Lehrmeinung durch die Rspr. s. hier nur BGH 29.1.2001 – II ZR 331/00 –BGHZ 146, 341. 369 Zumindest missverständlich aber R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 161. Wie hier jedenfalls im Ergebnis Stober FS Stern 613, 621 f. 370 Vgl. neben der bereits genannten EWIV insbesondere die SE. 371 Wirtschaftspraktische Bedeutung hat in Deutschland insbesondere die englische „Ltd.“ (Private Limited Company by Shares) gewonnen. 372 BVerfG 16.1.1957 BVerfGE 6, 32, 37; BVerfG 12.11.1958 BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG 16.5.1961 BVerfGE 12, 341, 347; BVerfG 6.10.1987 BVerfGE 77, 84, 118; BVerfG 15.12.1987 BVerfGE 77, 308, 339; Erichsen Jura 1987, 367 f.; Scholz AöR 100 (1975), 80, 112 ff. Ob methodologisch Subsidiarität oder Spezialität vorliegt, ändert jedenfalls anwendungstechnisch nichts am Vorrang der grundgesetzlich einzeln benannten und tatbestandlich ausgeformten Wirtschaftsfreiheiten. Zu den hier involvierten grundsätzlichen systematischen Fragen s.a. Schünemann JZ 2005, 271 ff.; ders. FS Georgiades 1087 ff. 373 BVerfG 12.11.1958 BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG 16.5.1961 BVerfGE 12, 341, 347; BVerfG 7.5.1969 BVerfGE 25, 371, 407; BVerfG 14.10.1970 BVerfGE 29, 260, 267; BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 366; BVerfG 19.10.1983 BVerfGE 65, 196, 210; BVerwG 30.8.1968 BVerwGE 30, 191, 198 f.; BVerwG 22.5.1980 BVerwGE 60, 154, 159; BVerwG 23.3.1982 BVerwGE 65, 167, 174. S.a. Armbruster JR 1990, 278; Badura Staatsrecht, 5. Aufl. (2012) C 81; Ballerstedt in Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte III/1 (1966) 65 ff.; Weimar/Schimikowski Grundzüge des Wirtschaftsrechts, 2. Aufl. (1993) Rn. 76 ff. 374 S.a. R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 162; grundsätzlich kritisch zur Wirtschaftsfreiheit als Inhalt des Art. 2 GG aber Erichsen in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland VI (1989) § 152 Rn. 60 ff.
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In Art. 2 Abs. 1 GG genuin verwurzelt ist die Privatautonomie, unter Vernachlässigung einseitiger Rechtsgeschäfte und rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen häufig verkürzt mit Vertragsfreiheit umschrieben und des Weiteren nach Abschluss-, Form- und inhaltlicher Gestaltungsfreiheit aufgeschlüsselt.375 Ohne den Schutz der Privatautonomie ist die freie Entfaltung der Persönlichkeit unter der Notwendigkeit sozialer Koordination undenkbar. 191 Soweit diese Privatautonomie im Zusammenhang mit Berufswahl oder -ausübung betätigt wird, namentlich also durch Begründung und Ausgestaltung von Arbeitsverträgen, ist allerdings schon Art. 12 GG einschlägig. Artt. 9 und 14 GG sind primär sedes materiae für die privatautonome, gesellschaftsrechtlich zu qualifizierende Kollektivbildung und für Verfügungen über „Eigentum“ als Sammelbegriff für ökonomisch wirksame, zu ausschließlicher Disposition befähigende Rechtspositionen i.S. sog. property rights, wirtschaftlich relevanter ausschließlicher subjektiver Rechte. Unter dem spezifischen Regime des Art. 2 Abs. 1 GG steht damit als Facette der Privatautonomie im wirtschaftlichen Bereich vor allem noch die Vertragsfreiheit in der vertikalen Dimension des Wettbewerbsgeschehens, im Austauschprozess, und dabei auch nur im güter- und kapitalmarktlichen Leistungsaustausch, hier namentlich aber auch im Wettbewerb innerhalb verschiedener Produktions- und Distributionsstufen. 192 Zum Kern der nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Wirtschaftsfreiheit ist sodann die Wettbewerbsfreiheit zu zählen.376 Ihr Inhalt ist es, den Wirtschaftssubjekten eine Marktbetätigung ohne hoheitliche Beeinträchtigung und staatlich bewirkte Wettbewerbsverzerrungen, freien Markteintritt und Marktaustritt zu sichern. 377 Die Wettbewerbsfreiheit schafft damit den prozessualen Hebel für die Zulässigkeit sog. Konkurrenten- oder Drittklagen, die sich typischerweise gegen Subventionierungen von Wettbewerbern richten werden.378 Gerade für das inhaltliche Verständnis dieser Wettbewerbsfreiheit kommt es naturgemäß auf das als maßgeblich zugrundegelegte wettbewerbliche Leitbild an. Die grundgesetzliche Gewährleistung scheint sich demnach desto mehr zu verengen, je stärker Wettbewerb in Abhängigkeit zu gesamtwirtschaftlichen Funktionen, Marktstrukturen etc. begriffen wird. Diese (scheinbare) Abhängigkeit darf aber nicht dazu verleiten, umgekehrt die Wahl 193 der maßgeblichen Wettbewerbskonzeption ihrerseits als von verfassungsmäßigen Vorgaben gelöst und insoweit beliebig anzusehen. Die nach Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte Wettbewerbsfreiheit hat vielmehr wegen der erforderlichen gedanklichen Einbindung
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375 BVerfG 16.1.1957 BVerfGE 6, 32; BVerfG 12.11.1958 BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG 16.5.1961 BVerfGE 12, 341, 347; BVerfG 19.10.1983 BVerfGE 65, 196, 210. Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 49; Ballerstedt in Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte III/1 (1966) 70; Maunz/Dürig/Di Fabio GG 63. Aufl. (Stand 2011) Art. 2 Rn. 101; Fikentscher Bd. II § 20 V 5e; Raiser JZ 1958, 1, 5; Schmidt-Salzer NJW 1970, 8. 376 BVerfG 8.2.1972 BVerfGE 32, 311, 316 = GRUR 1972, 358, 360 – Grabsteinwerbung; BVerwG 30.8.1968 BVerwGE 30, 191, 198; BVerwG 22.5.1980 BVerwGE 60, 154, 159; Ballerstedt in Bettermann/Nipperdey/ Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte III/1 (1966) 70; Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 50; Fikentscher Bd. II, § 20 V 5c, d; Weimar/Schimikowski Grundzüge des Wirtschaftsrechts, 2. Aufl. (1993) Rn. 78; a.A. Erichsen in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland VI (1989) § 152 Rn. 62. – Zur Wettbewerbsfreiheit als Verfassungsbegriff s. Leisner Wettbewerb S. 47 ff., 170 f. 377 BVerwG 30.8.1968 BVerwGE 30, 191, 198 f.; BVerwG 22.5.1980 BVerwGE 60, 154, 159; BVerwG 23.3.1982 BVerwGE 65, 167, 174; BVerwG 18.4.1985 BVerwGE 71, 183, 189 f.; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 163; s.a. Huber DÖV 1956, 137. 378 BVerwG 30.8.1968 BVerwGE 30, 191, 196 (m. Anm. Friauf DVBl. 1969, 368); Mössner JuS 1971, 131; Scholz NJW 1969, 1044; Selmer NJW 1969, 1266; Skouris Verletztenklagen und Interessentenklagen (1979) passim; Zuleeg Subventionskontrolle durch Konkurrentenklage (1974) passim. S.a. OVG Münster NVwZ 1984, 522, 524 f.; ferner schon Nipperdey Marktwirtschaft S. 39 f.
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des Art. 2 Abs.1 GG in den Gesamtzusammenhang der Wirtschaftsgrundrechte eine nicht exogen, nicht erst durch wirtschaftswissenschaftliche Wettbewerbskonzeptionen vermittelte Substanz an ökonomischer Handlungsfreiheit, die durch die dortige Schrankentrias schon wegen der Wesensgehaltsgarantie nicht zur Bedeutungslosigkeit herabgemindert werden kann.379 Allerdings wird diese Substanz erst in der Dialektik zwischen grundgesetzlicher Wettbewerbsfreiheit und neoklassischer Wettbewerbskonzeption hinreichend transparent und darstellbar.380 Aber nicht nur vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, die Wettbewerbsfreiheit 194 materiell aus Art. 2 Abs. 1 GG herauszulösen und die freie Teilnahme am Wettbewerb als Unterfall der Berufsfreiheit dem Regelungsbereich des angeblich sachnäheren Art. 12 Abs. 1 zuzuweisen.381 Dieser Zuordnungswechsel bedingt nämlich eine Blickwinkelverengung der Wettbewerbsfreiheit auf die Unternehmer- bzw. Unternehmensfreiheit382 (speziell etwa auch auf Produktions-, Sortiments- und Werbefreiheit), wobei die Konsumentenfreiheit als integraler Bestandteil der Wettbewerbsfreiheit in der Vertikaldimension des Wettbewerbs auf der Strecke bleiben müsste. Dieser wesensmäßigen Ambiguität der Wettbewerbsfreiheit entspricht es, wenn diese Freiheit auch als Ausprägung der Marktfreiheit, des rechtlich gewährleisteten Freiraums selbstverantwortlicher Gestaltung der Marktbeziehungen insgesamt, thematisiert wird.383 Zumindest insoweit ist also an der Anbindung der Wettbewerbsfreiheit an Art. 2 Abs.1 GG festzuhalten. Die Verschiebung der Wettbewerbsfreiheit von Art. 2 Abs. 1 zu Art. 12 Abs. 1 GG führt 195 zu einer eventuellen Verkürzung des Freiheitsinhalts auch insoweit, als wegen des angenommenen personalen Grundzuges der Berufsfreiheit juristische Personen und Gesamthandsgesellschaften als Teilnehmer des Wettbewerbs nur in dem Rahmen geschützt sein würden, in dem die betreffende wirtschaftliche Betätigung ihrer Art und ihrem Wesen nach auch von natürlichen Personen ausgeübt werden könnte.384 Die geringere Einschränkbarkeit des Rechts aus Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber der mit Art. 2 Abs. 1 GG gewährten Position bedeutet keine adäquate Kompensation jener doppelten Schwächung der Wettbewerbsfreiheit. Art. 2 Abs. 1 GG statuiert i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG – tatbestandlich viel enger als die 196 allgemeine Handlungsfreiheit – ein „unbenanntes“ Freiheitsrecht, das als „Allgemeines Persönlichkeitsrecht“ auf den Schutz des Individuums in seiner engeren Persönlichkeitssphäre abhebt.385 Wettbewerbsrechtlich bedeutsam ist auch und gerade die Transposition dieses Rechts in den privatrechtlichen Bereich,386 die methodologisch freilich nicht als unmittelbare Drittwirkung des Grundrechts, sondern als Lückenschließung der Dog-
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379 S.a. BVerfG 16.1.1957 BVerfGE 6, 32, 41. Weitaus enger aber BVerwG 30.8.1968 BVerwGE 30, 191, 198 f.: Wettbewerbsfreiheit erst essentiell tangiert, wenn sie „im unerträglichen Maße eingeschränkt“ ist. 380 S. näher Rn. 165 ff. Methodologisch besteht hier eine Parallele zum Prinzip verfassungskonformer Auslegung (dazu grundlegend BVerfG 7.5.1953 BVerfGE 2, 266, 282) wie zur Theorie der Wechselwirkung zwischen Grundrechtsvorbehalt und grundrechtseinschränkender Norm, dazu schon BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 208 f. 381 BVerfG 8.2.1972 BVerfGE 32, 311, 317 = GRUR 1972, 358, 360 – Grabsteinwerbung; BVerfG 12.10.1977 BVerfGE 46, 120, 137; OVG Münster 22.9.1982 NVwZ 1984, 522, 524; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 163; Scholz AöR 100 (1975), 80, 128 f. 382 So jedenfalls tendenziell BVerfG 14.10.1970 BVerfGE 29, 260, 267; BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 363, 366; BVerfG 19.10.1983 BVerfGE 65, 196, 210. 383 Ballerstedt in Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte III/1 (1966) 66 ff. 384 Vgl. BVerfG 4.4.1967 BVerfGE 21, 261, 266; BVerfG 11.3.1968 BVerfGE 23, 208, 223; BVerfG 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 312; BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 362; BVerfG 4.12.1979 BVerfGE 53, 1, 13. 385 Vgl. nur BVerfG 14.02.1973 BVerfGE 34, 269; BVerfG 3.6.1980 BVerfGE 54, 148. 386 BGH 25.5.1954 BGHZ 13, 334, 338 = GRUR 1955, 197, 198 – Leserbriefe; BGH 26.11.1954 BGHZ 15, 249 – Cosima Wagner.
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Einleitung Teil A.
matik durch Schaffung eines privatrechtlichen Pendants zu Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu verstehen ist. Im dogmengeschichtlich eher durch den Vermögensbezug geprägten Privatrecht wäre der Persönlichkeitsschutz sonst zu schwach entwickelt, nämlich nur in wenigen Facetten wie z.B. hinsichtlich Name (§ 12 BGB), Abbildung (§§ 22–24 KUG) oder Urheberschaft (§§ 12–14 UrhG). Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht tritt wettbewerbsrechtlich durchweg nicht un197 ter dem Aspekt aktiver Persönlichkeitsentfaltung in Erscheinung, sondern wird mehr durch das Wettbewerbsverhalten anderer passiv tangiert, z.B. durch aggressives Marketing, z.B. durch unerbetene Kontaktaufnahme in der (häuslichen) Privatsphäre.387 Die wettbewerbsrechtliche Relevanz dieser besonderen Ausstrahlungswirkung des Art. 2 Abs. 1 GG im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht hält sich allerdings in Grenzen, weil in solchen Fallgestaltungen regelmäßig spezielle lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeitstatbestände eingreifen, namentlich solche des § 7 Abs. 2. Es bleiben aber nicht speziell erfasste Konstellationen, etwa Formen der personenbezogenen Hinweiswerbung und einer darin eventuell beschlossenen Namensnennung ohne Verletzung des Namensrechtes (§ 12 BGB) oder sonstiger rechtswidriger Vermarktung von Name und Bild, eventuell auch Ruf und Ansehen anderer, zumeist medienpräsenter Personen mit entsprechendem Bekanntheitsgrad.388 c) Art. 3 Abs. 1 GG. In engem gedanklichen Zusammenhang mit Vertragsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit steht die Gleichheitsidee, die ihren allgemeinen verfassungsrechtlichen Ausdruck in Art. 3 Abs. 1 GG gefunden hat. Werden die grundgesetzlichen (Wirtschafts-)Freiheiten zutreffend als konstitutive Faktoren ergebnisoffener ökonomischer Prozesse begriffen (s. Rn. 172), so verwirklicht sich in dem von Wettbewerb geprägten Markt und in den selbstverantworteten marktlichen Tauschvorgängen eo ipso ein wesentliches Moment der Gleichheit schon als Verhinderung der Konzentration ökonomischer Macht und daraus resultierender Diktate.389 199 Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine egalisierende, die tatsächlichen Unterschiede nivellierende Gleichheit, sondern um die Gleichheit des suum cuique auf der Basis eines für alle Akteure rechtsförmlich einheitlichen Status, einer für alle identischen Rechts-, Geschäfts- und Zurechnungsfähigkeit.390 Indem das jedem Gebührende nicht von außen, namentlich nicht von Staats wegen verordnet wird, sondern sich konkret erst als nicht prognostizierbares Ergebnis wahrgenommener Privatautonomie manifestiert, sichert diese Gleichheit sowohl die Freiheitsreproduktion als sie auch die tendenziell gerechteste Verteilung knapper Güter bewirkt. Vermittels dieser Gleichheit zeigt sich der Markt seinerseits als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips, muss dieses Prinzip also gerade nicht durch Marktintervention zur Wirkung gebracht werden (s.a. Rn. 174 f.).391 Nur so stehen sich Individualprinzip und Markt einerseits, Sozialprinzip und (Verteilungs-) Gerechtigkeit andererseits, in der Tat nicht antithetisch gegenüber.392
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387 Ausführlich zum Persönlichkeitsschutz vor Werbung, gerade im häuslichem Intimbereich als Konsequenz der Anerkennung eines „Konsumentenpersönlichkeitsrechtes“ Ehlers WRP 1983, 187; Hefermehl GRUR 1980, 622; Krüger-Nieland GRUR 1974, 561; Steindorff Persönlichkeitsschutz im Zivilrecht (1983) passim; s.a. Degenhart JuS 1992, 361, 368. 388 Krüger GRUR 1980, 628. 389 Eindrucksvoll Fikentscher Bd. II § 20 V 3a und 4a bb. 390 Schünemann FS Brandner 279, 282 ff. 391 Fikentscher Bd. II § 20 V 3a und 4a bb. 392 Vgl. Kirchhof in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland VIII 3. Aufl. (2010) § 169 Rn. 99 ff.; s.a. Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 69, wo dieser Ansatz
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Mit Blick auf die grundgesetzlich gewährleistete Rechtsgleichheit war deshalb der 200 Versuch zum Scheitern verurteilt, einen im früheren Rabattgesetz angelegten „Grundsatz gleicher Preisstellung“ aller Kunden393 als von Art. 3 Abs.1 GG gedeckt oder gar gefordert ausweisen zu wollen. In diesem Lichte ist ferner das Diskriminierungsverbot des § 20 GWB keine Ausnahme vom Gleichheitsgrundsatz oder auch nur seine materielle Sonderregelung,394 sondern nur dessen Bestätigung,395 wenn dort – man kann sagen: auch – für marktbeherrschende bzw. relativ marktmächtige Unternehmen etc. der „sachlich gerechtfertigte Grund“ für differenzierendes Wettbewerbshandeln verlangt wird. Das Problem liegt bekanntermaßen überhaupt und deshalb auch hier nicht in der Anerkennung des Gleichheitspostulats, sondern in der ihm vorausliegenden Wertung, welche Differenzierungskriterien zulässig sein sollen.396 Darauf gibt aber auch § 20 GWB keine Antwort. Jedenfalls im Konzept der Wettbewerbsfreiheit sind solche Antworten wohl überhaupt unmöglich. Davon abgesehen erscheint es als Tautologie, die sachliche Rechtfertigung „prinzi- 201 piell in jeder verständigen unternehmerischen Erwägung“ zu erblicken.397 Wirklich prekär wird diese Formel aber in Verbindung mit Überlegungen der früheren Judikatur, den „verständigen Unternehmer“ mit der Person des Richters zu identifizieren.398 Es überrascht deshalb nicht, dass die Gefahr des Leerlaufens des Diskriminierungsverbots beschworen worden ist.399 Auch die Kasuistik der Judikatur zeichnet sich nicht gerade durch überbordende Plausibilität aus.400 Im öffentlichen Wirtschaftsrecht ist es um die Operationalität des allgemeinen Gleichheitssatzes naturgemäß nicht besser bestellt.401 d) Art. 4 Abs. 2 GG. Dass auch Grundrechte bzw. in ihnen beschlossene Wertent- 202 scheidungen, die keine Elemente der Wirtschaftsverfassung darstellen, im Einzelfall mit dem Wettbewerbsgeschehen in Beziehung treten können, wird man nicht von vornherein ausschließen können. Ein markantes Beispiel dafür liefert die durch Art. 4 Abs. 2 GG gewährleistete Freiheit der Religionsausübung bezüglich der sog. Kanzelwerbung.402 In dem noch zum alten Recht (vor 2004) vom BVerfG entschiedenen Leitfall403 war im (katholischen) Gottesdienst von der Kanzel für die Altmaterialiensammlung einer kirchlichen Jugendvereinigung geworben worden, deren Erlös für Missionsaufgaben etc. verwendet werden sollte. Im Verlauf dieser Aktion war das Geschäft eines Rohstoffhändlers zum Erliegen gekommen. Die Entscheidung bejahte eine Ausstrahlungswirkung: Die Sammlung und ihre Bewerbung seien mit Rücksicht auf deren religiös-karitativen Charakter Teil der Religionsausübung und somit im Rahmen der erforderlichen Interessen-
_____ fehlender Antithetik allerdings dazu zu dienen scheint, um die Möglichkeit von Marktinterventionen als dem Grundrechtsinhalt bereits immanent auszuweisen; ähnlich Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 1.48. 393 Vgl. Reichsanzeiger 1933 Nr. 184. 394 So aber Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 68 für 26 Abs. 2 GWB a.F. 395 S.a. BGH 7.11.1960 BGHZ 33, 259, 266 – Molkereigenossenschaft; Raiser JZ 1958, 1, 8. 396 Vgl. nur Badura Staatsrecht, 5. Aufl. (2012) C 45 ff.; Dürig/Scholz in Maunz/Dürig, GG 63. Aufl. (Stand 2011) Art. 3 Abs.1 Rn. 1 f.; Gubelt in v. Münch (Hrsg.), GG 5. Aufl. Bd. 1 (2000) Art. 3 Rn. 16a; Hesse AöR 109 (1984) 174, 188; Starck Die Anwendung des Gleichheitssatzes in Link (Hrsg.), Der Gleichheitssatz im modernen Verfassungsstaat (1982) 51, insbesondere auch S. 64; s.a. Pietzcker JZ 1989, 305. 397 Vgl. Rittner Wettbewerbs- und Kartellrecht, 4. Aufl. (1993) § 12 C II 3b m.w.N. 398 Sehr nahe daran BGH 24.2.1976 GRUR 1976, 711, 714 – Asbach-Fachgroßhändlervertrag. 399 Vgl. Emmerich Die AG 1976, 91, 97. 400 Beispielhaft etwa BGH 20.11.1975 GRUR 1976, 206, 208 f. – Rossignol; BGH 24.3.1981 GRUR 1981, 610 – SB-Verbrauchermarkt; BGH 8.3.1983 GRUR 1983, 396 f. – Modellbauartikel III. 401 Dazu umfassend R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 165 ff. 402 Vgl. BVerfG 16.10.1968 BVerfGE 24, 236 = GRUR 1969, 137 – Aktion Rumpelkammer. 403 BVerfG 16.10.1968 BVerfGE 24, 236, 251 f. = GRUR 1969, 137 – Aktion Rumpelkammer.
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Einleitung Teil A.
abwägung404 gegenüber dem konkurrierenden Rohstoffhändler stärker zu gewichten. Im Ergebnis sei die diesbezügliche Kanzelwerbung mithin wettbewerblich nicht zu beanstanden. 203 Trotz des einleuchtenden Ausgangspunktes der Religionsfreiheit – mildtätige Nächstenliebe ist ein zentrales Anliegen christlichen Glaubens – vermag die Entscheidung nicht zu befriedigen, weil es hier (in der aktuellen gesetzlichen Terminologie) bei den Aktivitäten einer kirchlichen Jugendvereinigung mangels deren Qualität als Unternehmen an einer „geschäftlichen Handlung“ fehlen dürfte, so dass eine Unlauterkeitsprüfung gegenstandslos ist und sich die Frage einer Ausstrahlungswirkung des Art. 4 Abs. 2 GG also gar nicht stellt.405 Wollte man aber in der Sammeltätigkeit eine geschäftliche Handlung noch als wettbewerbsrechtliches Schutzobjekt bejahen, so wäre nach geltendem Recht anhand § 4 Nr. 1 über die Lauterkeit zu entscheiden. 204 Bei der Prüfung, ob mit dem Appell an die Nächstenliebe ein „unsachlicher, unangemessener Einfluss“ auf die Entscheidung über die Materialabgabe ausgeübt wurde, müsste das Argument der Religionsfreiheit zunächst freilich im Lichte der Einsicht gewürdigt werden, dass es für das Lauterkeitsurteil bei einem wettbewerbsfunktionalen, nicht moralisch gefärbtem Verständnis des Lauterkeitsrechts nicht auf die Motivlage der Akteure ankommen kann, sei diese nun ehrenwert oder aber nicht.406 Im Übrigen findet die Religionsausübungsfreiheit auch ohne ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen und damit auch im UWG.407 Insgesamt gesehen sind Ausstrahlungseffekte des Art. 4 Abs. 2 GG im Lauterkeitsrecht somit nur gering. e) Art. 5 GG (Art. 10 EMRK, Art. 11 EuGrCh). Die wettbewerbsrechtliche Relevanz der in Art. 5 GG getroffenen verfassungsrechtlichen Wertentscheidung ist mehrschichtig angelegt. Seine wirtschaftsverfassungsrechtlich herausragende Bedeutung gewinnt Art. 5 GG dadurch, dass der marktwirtschaftliche Abstimmungsmechanismus zwischen Angebot und Nachfrage diesbezüglich kommerzielle Kommunikationsfreiheit (und dem vorgelagert: Informationsfreiheit) voraussetzt.408 Es kann dabei nicht nur darum gehen, irgendeine Art der Kommunikation recht206 lich zu gewährleisten. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang auch dem technischen Fortschritt in der Kommunikationstechnik und der dadurch bedingten Medienvielfalt Rechnung zu tragen. Allein die Telekommunikation durch Nutzung des Internet wirft bezüglich sog. Domains, (Hyper-)Links, Suchmaschinen, Pop Ups, Verkaufs- und Diskussionsportalen, sozialen Netzwerken, Filtersoftware etc. viele spezifische wettbewerbsrechtliche Fragen auf.409 Der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verankerte institutionelle Schutz der 205
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404 Seinerzeit im Rahmen der auf einen Verstoß gegen die „guten Sitten“ abstellenden § 1 UWG a.F. 405 Die rechtliche Beurteilung bezog sich damals auf eine Handlung „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs“. S.a. Gärtner BB 1970, 1361, 1363. 406 Vgl. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 345 ff., 349 m.w.N. 407 Zu immanenten Schranken des Art. 4 Abs. 2 GG s. Mager in v. Münch (Hrsg.) GG, 5. Aufl. Bd. 1 (2000) Art. 4 Rn. 64, 46 ff.; Maunz/Dürig/Herzog GG 63. Aufl. (Stand 2011) Art. 4 Rn. 111 ff., 148 ff. 408 Fezer/Fezer Einl. E Rn. 312 f.; Paschke Medienrecht, 3. Aufl. (2009) Rn. 166 ff.; Keßler Vom Recht des unlauteren Wettbewerbs zum Recht der Marktkommunikation – Individualrechtliche und institutionelle Aspekte des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts, in Kreijci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.) S. 81 ff., 92 ff.; ders. WRP 2005, 1203 ff.; Micklitz/Keßler GRUR Int. 2002, 885, 899 ff.; dies.WRP 2003, 919, 921 ff.; Kugelmann DÖV 2005, 851 ff.; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 19 I; teilweise kritisch Wunderle S. 263 ff., s.a. Bohling S. 9. 409 Vgl. z.B. BGH 22.11.2001 – I ZR 138/99 – GRUR 2002, 622 – shell.de; BGH 25.11.2002 – AnwZ (B) 8/02 – NJW 2003, 504 – rechtsanwaelte-notar.de; BGH 17.7.2003 – I ZR 259/00 – GRUR 2003, 958 – Internetsuchdienst für Presseartikel/Paperboy; BGH 8.2.2007 – I ZR 77/04 – GRUR 2007, 784 – Aidol; BGH 13.11.2003 – I ZR 40/01 – GRUR 2004, 249 – Umgekehrte Versteigerung im Internet; OLG Hamm 1.3.2007 –
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Medienfreiheit410 kann dabei wettbewerbsrechtlich nicht nur dort ins Spiel kommen, wo sich die Wirtschaftswerbung eben dieser Medien bedient, sondern muss gerade auch für den wirtschaftlichen Wettbewerb der Medien selber interpretiert werden.411 Seine Schranken findet der Schutz nach Art. 5 Abs. 1 GG unter anderem allerdings in 207 den „allgemeinen“, nicht gegen die Meinungs- bzw. Medienfreiheit als solche gerichteten Gesetzen. Dazu zählt auch das Lauterkeitsrecht in seiner werbebeschränkenden Wirkung.412 Diese Schranken müssen ihrerseits wieder im Lichte der essentiellen Bedeutung der Meinungs- und Medienfreiheit für den freien Willensbildungsprozess interpretiert, im Ergebnis also ihrerseits wieder restriktiv ausgelegt werden, um die Kommunikationsfreiheit möglichst wirksam zur Geltung zu bringen.413 Zur Bestimmung dieser Schranken-Schranken bedarf es also einer Interessenabwägung, die tendenziell zu einer Präponderanz des grundrechtlichen Wertgehalts führen wird.414 Die Wechselwirkung zwischen Grundrecht und Schrankennorm ist allerdings weni- 208 ger deutlich greifbar, wenn das „allgemeine Gesetz“, wie vor allem im Fall des § 3 Abs. 1, mit einer Generalklausel arbeitet. Denn dann kann die geforderte Interessenabwägung nicht gleichsam schaukelartig von statten gehen, sondern fließt bereits in den Tatbestand der Schrankennorm ein, hier also in den Maßstab der Lauterkeit.415 Teilt man die Auffassung, dass die Generalklausel des § 3 Abs. 1 kaum jemals als unmittelbare Verbotsnorm anwendbar ist,416 spielt diese Besonderheit allerdings keine Rolle, weil die lauterkeitsrechtlichen Einzeltatbestände in die übliche Schranken-Schranken-Mechanik einzustellen sind. Dass die Wirtschaftswerbung überhaupt am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 209 Abs. 1 S. 1 GG teilhat, ist freilich dann nicht unzweifelhaft, wenn man die Meinungsfreiheit exklusiv in den Kontext gerade des demokratischen Willensbildungsprozesses zu stellen und damit als politisches Prinzip zu begreifen hätte.417 Diese Restriktion würde jedoch der Einsicht nicht gerecht, dass die Meinungs(äußerungs)freiheit wesentlich nicht nur für die politisch relevante und darin jedenfalls „öffentliche Meinung“ ist, sondern jen-
_____ 4 U 142/06 – NJW-RR 2007, 1264; medienspezifischer Problemüberblick bei Harte/Henning/Frank (2. Aufl. 2009) Einl. G Rn. 2 ff.; näher Paschke Medienrecht, 3. Aufl. (2009) Rn. 785 ff. 410 BVerfG 6.10.1959 BVerfGE 10, 118, 121; BVerfG 28.2.1961 BVerfGE 12, 205, 260 ff.; BVerfG 5.8.1966 BVerfGE 20, 162, 175; BVerfG 5.6.1973 BVerfGE 35, 202, 221; BVerfG 15.11.1982 BVerfGE 62, 230, 234 = GRUR 1984, 357, 359 – markt-intern; BVerfG 25.1.1984 BVerfGE 66, 116; Beater Medienrecht (2007) Rn. 804 ff., 808 ff., 1892 ff.; Paschke Medienrecht, 3. Aufl. (2009) Rn. 193 ff., 201 ff.; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 19 I 3. 411 BVerfG 27.7.1971 BVerfGE 31, 314, 322; BVerfG 7.6.1977 BVerfGE 45, 63, 78; Beater Medienrecht (2007) Rn. 714 ff. 412 BVerfG 15.11.1982 BVerfGE 62, 230, 234 = GRUR 1984, 357, 359 – markt-intern; BGH 20.3.1986 GRUR 1986, 812 – Gastrokritiker; OLG Düsseldorf 5.5.1983 GRUR 1984, 131, 134 – Fragebogenaktion; OLG Düsseldorf 15.12.1983 GRUR 1984, 366, 368 f. – Westfälischer Friede; zweifelnd Leisner Die Pressegleichheit (1976) 90; s.a. Drettmann S. 211. 413 Grundlegend zu dieser sog. Wechselwirkungslehre BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 198, 208 f. S.a. BVerfG 15.11.1982 BVerfGE 62, 230, 234 = GRUR 1984, 357, 359 – markt-intern; Möschel Pressekonzentration S. 60; eingehend Messer Wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Presseäußerungen, FS v. Gamm (1990) 95, 104 f.; Kloepfer/Michael GRUR 1991, 170, 173 ff. 414 BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 198, 209 ff.; BGH 10.1.1968 BGHZ 50, 1, 5 – Pelzversand. 415 OLG Düsseldorf 15.12.1983 GRUR 1984, 366, 368 – Westfälischer Friede. 416 Ausführlich dazu Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 97 ff., 464 f.; s.a. ders. WRP 2004, 925, 927; ders. JZ 2005, 271, 278. 417 So jedenfalls in obiter dicta BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 198, 208; BVerfG 5.6.1973 BVerfGE 35, 202, 221; s. ferner namentlich Eicke WRP 1988, 645, 648.
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seits öffentlicher Wirksamkeit schlechthin den unmittelbarsten Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit darstellt.418 Diese Qualität kann auch für die Wirtschaftswerbung nicht von vornherein mit dem 210 Hinweis auf den ihr eigenen absatzstimulierenden Zweck in Abrede gestellt werden.419 Doch ist für die Einbeziehung der Wirtschaftswerbung in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG damit nur eine notwendige, nicht jedoch hinreichende Bedingung erfüllt. Die Rechtsprechung ist in der Beurteilung der Wirtschaftswerbung als Gegenstand der Meinungsfreiheit teilweise uneinheitlich oder doch zumindest unklar gewesen. Während gerade in der älteren Rechtsprechung der grundrechtsrelevante Meinungscharakter der Wirtschaftswerbung durchweg verneint wurde,420 neigte die Judikatur immer mehr dem Gegenstandpunkt zu 421 und stellte ihn schon vor der Benetton-Rechtsprechung des BVerfG422 nicht mehr grundsätzlich in Frage.423 Das neuere Schrifttum befürwortet ebenfalls schon lange die Einbeziehung der Wirtschaftswerbung in den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.424 Dem ist ganz sicher dann beizupflichten, wenn die Wirtschaftswerbung Werturteile 211 i.w.S. enthält,425 also „Meinungen“ im Gegensatz zu (Tatsachen-)Informationen, gleichbedeutend mit „Angaben“ i.S.d. Anhangs zu § 3 Abs. 3 (sog. schwarze Liste), z.B. Nr. 1, 3, 4 etc.426 Beides lässt sich freilich oft schwer trennen, einerseits, weil Werturteile häufig einen Angabenkern einschließen, andererseits, weil selbst in der Tatsachenauswahl bereits eine Wertung liegt.427 Deshalb ist auch der Transfer von (Tatsachen-)Informationen als von Art. 5 Abs. 1 GG 212 gewährleistet zu betrachten, weil die Freiheit der Meinung ohne freie Meinungsbildung und – ihr vorausliegend – ohne Gewinnung der tatsächlichen Grundlagen der Meinung ins Leere geht, wie durchaus auch das BVerfG (freilich nicht in wettbewerbsrechtlichem Kontext) zutreffend festgestellt hat.428 Insofern ist Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG wichtiges Element
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418 Auch zu diesem Verständnis des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG s. schon BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 198, 208. 419 So aber BVerwG 4.3.1954 NJW 1954, 1133; BVerwG 28.6.1955 BVerwGE 2, 172, 178 f.; s.a. BVerfG 3.1.1980 BVerfGE 53, 96, 99 sowie abgeschwächt BVerfG 10.12.1975 BVerfGE 40, 371, 382. Vgl. demgegenüber Friauf/Höfling AfP 1985, 249 f. 420 Vgl. die soeben Genannten sowie BGH 25.6.1953 BGHSt 5, 12, 22; BGH 24.11.1955 BGHSt 8, 360, 379; OLG Braunschweig 24.2.1956 NJW 1956, 839 f. 421 BVerfG 23.3.1971 BVerfGE 30, 336; BVerfG 3.1.1980 BVerfGE 53, 96; BVerfG 19.11.1985 BVerfGE 71, 162, 173 ff.; OLG Köln 10.4.1992 GRUR 1992, 454 – Zigarettenwerbung; s.a. BVerfG 14.7.1987 BVerfGE 76, 171 sowie BVerfG 14.7.1987 BVerfGE 76, 196 zur zumindest gleichgelagerten anwaltlichen „Werbung“; anders BVerfG 10.12.1975 BVerfGE 40, 371, 382; wohl auch BVerfG 4.4.1967 BVerfGE 21, 271, 278 f. sowie BVerfG 10.5.1983 NJW 1984, 1101, 1102. 422 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95; 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170 – Benetton I; BVerfG 11.3.2003 – 1 BvR 426/02 – BVerfGE 107, 275 = GRUR 2003, 442 – Benetton II. 423 BGH 6.7.1995 GRUR 1995, 595, 597 – Kinderarbeit; BGH 19.6.1997 GRUR 1997, 916, 919 – Kaffeebohne. 424 Braun WRP 1982, 510, 512 ff.; Drettmann S. 59 ff., 93 ff.; Friedrich WRP 1972, 113; Geck/Böhmer JuS 1973, 503; Jarass NJW 1981, 193 f.; ders. NJW 1982, 1833 f.; Keßler WRP 1987, 75, 81; Kloepfer/Michael GRUR 1991, 170, 173 ff.; Kresse WRP 1985, 536; Lerche S. 79 f.; Paulus WRP 1990, 22; Scheller GRUR 1991, 111; Selmer JuS 1980, 371 f.; Stober Grundrechtsschutz S. 146; v. Mangoldt/Klein/Starck GG 3. Aufl. (1985) Art. 5 Abs.1 und Abs. 2 Rn. 18, 174; Wacke FS Schack 197, 205 ff.; Weides WRP 1976, 585, 587; a.A. z.B. Mangoldt/ Klein GG 2. Aufl. (1977) Art. 5 Anm. III 3; früher auch Starck AöR 92 (1967) 449, 471; differenzierend Schüle in Schüle/Huber (Hrsg.), Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit (1961) 23. 425 BVerfG 12.7.2007 – 1 BvR 2041/02 – GRUR 2008, 81 – Pharmakartell. 426 Zu dieser Differenzierung s. bereits BVerfG 19.11.1985 BVerfGE 71, 162, 175. 427 Maunz/Dürig/Herzog GG 3. Aufl. (Stand 1991) Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 Rn. 51; Kresse WRP 1985, 536 f.; s.a. BVerfG 28.2.1961 BVerfGE 12, 205 f. 428 BVerfG 22.6.1982 BVerfGE 61, 1, 7 f.; BVerfG 9.10.1991 BVerfGE 85, 23, 31. Zu dieser Widersprüchlichkeit s. Harte/Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 61 f.; Wassermeyer GRUR 2002, 126, 130.
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einer Wirtschaftsverfassung, die auf „unverfälschte Marktinformation“,429 also auf Transparenz hinsichtlich geschäftlicher Verhältnisse wie z.B. Produkte, Unternehmen etc., als Voraussetzung von Marktrationalität gründet.430 Dass die Wirtschaftswerbung wegen des nicht zu leugnenden Sachzusammenhangs auch als Schutzobjekt der Wettbewerbsfreiheit und der Berufsfreiheit (Artt. 2 Abs. 1, 12 GG) anzusehen ist, kann die Wirtschaftswerbung, sei sie informierend, sei sie wertend, nicht aus dem Einzugsbereich des Art. 5 Abs. 1 GG eliminieren, um „willkürliche Ergebnisse“ zu vermeiden.431 Eher könnte wegen Spezialität des Art. 5 Abs. 1 ein Konkurrenzproblem in der entgegengesetzten Richtung zu lösen sein. Für Freiheit und Grenzen der Wirtschaftswerbung kann auch Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)432 Bedeutung erlangen.433 Danach hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung ohne Eingriffe öffentlicher Behörden, dies unter Einschluss der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen (Abs. 1). Für eine a limine eingeschränkte Geltung dieser Kommunikationsfreiheit etwa unter Ausschluss des ökonomischen Sektors und dabei wiederum speziell der Werbefreiheit gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Entsprechendes gilt für Art. 11 der Europäischen Grundrechtecharta. Art. 10 Abs. 2 EMRK lässt gesetzliche Einschränkungen dieser so weitgefassten Freiheit zu, soweit diese unentbehrlich sind „im Interesse der nationalen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.“ Trotz weitgehender inhaltlicher Kongruenz mit Art. 5 GG ist Art. 10 EMRK nicht etwa über Art. 1 Abs. 2 oder Art. 25 GG verfassungsähnlicher Rang in der Rechtsquellenhierarchie zuzubilligen, wohl aber die Qualität eines einfachen Gesetzes.434 Innerhalb des deutschen (materiellen) Rechts kann sich ein dogmatisch greifbarer Ausstrahlungseffekt des Art. 10 EMRK auf die rechtliche Beurteilung wettbewerblicher Sachverhalte wegen seiner durch Art. 5 GG gleichsam konsumierten Normsubstanz kaum einstellen,435 doch zeigt sich eine prozessuale Relevanz von Art. 10 EMRK für das Wettbewerbsgeschehen in Deutschland durch den dadurch eröffneten Zugang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Angesichts der seit Langem praktizierten Rechtsprechung des EGMR, die an die Unentbehrlichkeit der (Werbe-)Beschränkung mittels des Verhältnismäßigkeitsprinzips einen sehr strengen Maßstab anlegt und
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429 Harte/Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 68. 430 Dambrowski in Bohling (Hrsg.) S. 167 ff.; Keßler WRP 1987, 75, 80 f.; ders. WRP 1990, 73. 431 Harte/Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 61 f. 432 BGBl. 1952 II S. 685 f., 953; 1954 II S. 14. 433 Harte/Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 50. 434 Vgl. für die h.M. nur Maunz/Dürig/Herdegen GG 63. Aufl. (Stand 2011) Art. 1 Abs. 2 GG Rn. 41; v. Münch/Kunig GG 5. Aufl. Bd. 1 (2000) Art. 1 Rn. 47; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/MüllerFranken GG 12. Aufl. (2011) Vorb. vor Art. 1 Rn. 48 f.; Zippelius/Würtenberger Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. (2008) § 16 Rn. 37; a.A. Echterhölter JZ 1955, 689. 435 Noch weniger kann man Art. 10 EMRK unmittelbar als Element des nationalen Wettbewerbsprivatrechts einordnen und damit eine größere Nähe zum UWG herstellen, weil Art. 10 EMRK ersichtlich dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist („... ohne Eingriffe öffentlicher Behörden ...“).
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auch Vorfragen des nationalen Wettbewerbsrechts judiziert,436 kann Art. 10 EMRK doch stärker ins Gewicht fallen, als es zunächst den Anschein hat.437 Dasselbe gilt für Art. 11 der Europäischen Grundrechtecharta (EuGrCh): Zwar ist auch seine Normsubstanz weitestgehend deckungsgleich mit Art. 5 GG, doch ist die Grundrechtecharta wegen Art. 6 Abs. 1 EUV in das europäische (Primär-)Recht inkorporiert, hat demzufolge Anwendungsvorrang sogar vor deutschem Verfassungsrecht und ist für den EuGH justiziabel (s. eingehend zu den sog. europäischen Grundrechten Einl. C Rn. 194 ff.; speziell zu Art. 11 EuGrCh. Einl. C Rn. 200 ff.). Eine weitere Ausstrahlungswirkung des Art. 5 GG kann sich zeigen, wenn in Fällen des Boykotts der Verrufer sich wettbewerblich kontraproduktiv verhält, das drohende Verdikt der Unlauterkeit wegen „gezielter“ Konkurrentenbehinderung nach § 4 Nr. 10 aber noch auf den Wertgehalt des Art. 5 Abs. 1 GG abgestimmt werden muss, weil der Verrufer den Boykottaufruf als Instrument im Meinungskampf einsetzt.438 Plausibel ist hier ein interpretatives Kalkül, das mit Rücksicht auf die Wechselwirkung von Grundrecht und Lauterkeitsrecht die letztlich zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit führende Ausstrahlungswirkung des Art. 5 Abs. 1 GG nur auf den Versuch der Beeinflussung der öffentlichen Meinung bezieht, insbesondere hinsichtlich politischer, sozialer und kultureller Themen.439 Bei einem nur sehr begrenzten Leserkreis wird man von einem derartigen, auf Öffentlichkeit zielenden Versuch nicht reden können.440 Im Übrigen wird die Durchführung dieses Ansatzes notgedrungen zweifelhaft, wenn der Boykottierte seinerseits ein Presseunternehmen betreibt und somit den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundsätzlich ebenfalls in Anspruch nehmen kann. Dann lässt sich wegen des Neutralisationseffektes eine allemal brisante inhaltliche Stellungnahme zu den vertretenen Meinungen, dem Verlagsprogramm etc. im Lichte anderer Grundrechte bzw. der verfassungsrechtlichen Wertordnung insgesamt schwerlich ausweichen. Die Herbeiführung der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit eines Boykottaufrufs durch Einbeziehung des Wertgehalts von Art. 5 Abs. 1 GG ist aber jedenfalls nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Boykottaufruf auch den Geschäftsinteressen des Verrufers dient.441 Dies charakterisiert ja überhaupt erst die Problemkonstellation, denn § 4 Nr. 10 kann als allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG mit diesem Grundrecht nur bei „geschäftlichem Handeln“ in jene spezifische Wechselwirkung treten. Während beim Boykottaufruf Art. 5 Abs.1 GG eine die wettbewerbliche Unlauterkeit zurückdrängende Ausstrahlungswirkung entfalten kann, ist im Zusammenhang mit dem sog. Titel-Merchandising oder dem kostenfreien Vertrieb von Anzeigenblättern, aber auch von Fachzeitschriften, Rundfunk- und Fernsehprogrammen u.ä., umgekehrt an eine verschärfende Einflussnahme des Art. 5 Abs. 1 GG auf das Lauterkeitsrecht zu denken. Befürchten lässt sich dabei etwa eine aus dem sog. Titel-Merchandising resultierende Abhängigkeit öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten bei der Programmgestaltung442 sowie (vor allem bei kostenfreiem Pressevertrieb) eine Bestandsgefährdung der Presse.
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436 EGMR 13.7.1983 GRUR Int. 1984, 631 – Barthold; EGMR 25.3.1985 GRUR Int. 1985, 468 – Tierärztlicher Nachtdienst II. 437 Zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz der EMRK s.a. – speziell mit Blick auf die vergleichende Werbung – Kloepfer/Michael GRUR 1991, 170, 178 f. 438 Vgl. BVerfG 26.2.1969 BVerfGE 25, 256 für § 823 Abs. 1 BGB – Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – als „allgemeines Gesetz“. 439 BVerfG 26.2.1969 BVerfGE 25, 256, 264; s.a. BGH 2.2.1984 GRUR 1984, 461 – Kundenboykott. 440 BVerfG 15.11.1982 BVerfGE 62, 230, 234 = GRUR 1984, 357, 360 – markt-intern. 441 Zutreffend BVerfG 26.2.1969 BVerfGE 25, 256, 264; BVerfG 15.11.1982 BVerfGE 62, 230, 234 = GRUR 1984, 357, 359; a.A. BGH 2.2.1984 GRUR 1984, 461 – Kundenboykott. 442 BGH 19.11.1992 BGHZ 120, 228 = GRUR 1993, 692 – Guldenburg.
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Normkonkret verortet sind die sich im Medienbereich zahlreich stellenden lauterkeitsrechtlichen Bewertungsprobleme je nach Blickwinkel zum Einen namentlich in § 4 Nr. 3, 7 und 8 sowie in § 6, wofür auf die dortigen Kommentierungen verwiesen wird. Zum Anderen wird unter der überkommenen Rubrifizierung „allgemeine Marktbehinderung“ (oder „Marktstörung“) § 3 Abs. 1 als unmittelbare Verbotsgrundlage diskutiert.443 Letzteres ist aus grundsätzlichen teleologischen wie systematischen Gründen freilich bedenklich, ja, abzulehnen.444 Gleichwohl sollen die Problemstrukturen hier in einem primär am deutschen Recht orientierten grundrechtlichen Kontext (zu Art. 11 EuGrCh s. Rn. 216 sowie Einl. C Rn. 200 ff.) skizziert werden: Zumindest in Gestalt der herkömmlichen, überregionalen wie regionalen Tagespresse gilt die Presse einerseits zu Recht als unverzichtbares Element einer funktionierenden Demokratie bei der freien Bildung der öffentlichen Meinung, andererseits ist sie aber in privatwirtschaftlicher Trägerschaft auf die Erzielung von Einnahmen als ökonomische Grundlage ihrer Publikationstätigkeit angewiesen. 445 Eine wesentliche Finanzierungsquelle stellen herkömmlich jedenfalls für diese Presseunternehmen die Anzeigenerlöse dar, die wiederum um so höher sein können, je attraktiver sich das Presseerzeugnis im Leserkreis zwar auch wegen seines redaktionellen Teiles, aber eben gerade auch wegen seiner Kostenfreiheit darstellt. Während reine Anzeigenblätter (Offertenblätter) wie kostenlos verteilte (andere) Werbeträger unbeanstandet blieben, ist in der Judikatur die kostenlose Verteilung von Anzeigenblättern mit nennenswertem redaktionellen Teil als unlauter (in früherer Diktion: sittenwidrig) deklariert worden, sofern die (Tages-)Presse wegen des durch solche Anzeigenblätter ebenfalls gestillten Leseinteresses einerseits, wegen einer damit einhergehenden Verringerung des Anzeigenvolumens andererseits in ihrem Bestand gefährdet schien.446 In ähnlichen gedanklichen Bahnen hat sich überwiegend auch die Rechtsprechung zur Gratisverteilung von Fachzeitschriften bewegt, jedenfalls soweit diese nicht von Kammern, Berufsverbänden etc. herausgegeben wurden.447 Der Akzent lag hierbei ebenfalls auf der Befürchtung, durch eine Finanzierung allein über den Anzeigenmarkt könne eine redaktionelle Abhängigkeit von dem Inserenten eintreten und mit einem Absinken des Leistungsniveaus einhergehen, wobei noch hinzukomme, dass der Leser auf eine schlechtere inhaltliche Qualität nicht mehr mit der Bezugsweigerung reagieren könne.448 Diese Gefahren wurden jedenfalls bei den sog. ständigen Freistücken gesehen, nicht
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443 Neuerdings BGH 20.11.2003 – I ZR 151/01 – BGHZ 157, 55 = GRUR 2004, 602 – 20 Minuten Köln; BGH 20.11.2003 – I ZR 120/00 – WRP 2004, 746 – Zeitung am Sonntag; BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877 – Werbeblocker. 444 Eingehend Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 7 ff., 85 ff., 112 f.; § 3 Rn. 77 ff., 102, 260 ff.; ebenso im Ergebnis Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 19 Rn. 3. 445 Insoweit zutreffend Kübler/Simitis JZ 1969, 445, 451. 446 Vgl. BGH 27.1.1956 BGHZ 19, 392 = GRUR 1956, 223 – Freiburger Wochenbericht; BGH 12.11.1991 BGHZ 116, 47 = GRUR 1992, 191 – Amtsanzeiger. 447 Speziell dazu vgl. BGH 4.12.1970 GRUR 1971, 168, 170 f. – Ärztekammer; BGH 21.6.1971 BGHZ 56, 327 = GRUR 1972, 40 – Feld und Wald I: Man ging hierbei wohl von der Entgeltlichkeit des Bezuges mit Rücksicht auf gezahlte Mitgliedsbeiträge aus. S. neuerdings BGH 20.11.2003 – I ZR 151/01 – BGHZ 157, 55 = GRUR 2004, 602 – 20 Minuten Köln; BGH 20.11.2003 – I ZR 120/00 – WRP 2004, 746 – Zeitung am Sonntag. S.a. BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877 – Werbeblocker. 448 BGH 17.12.1976 GRUR 1977, 608 – Feld und Wald II; OLG München 22.3.1979 WRP 1979, 576 und OLG München 25.10.1979 WRP 1980, 169; a.A. OLG Hamburg 25.10.1973 GRUR 1974, 400 – Dialog; LG Hamburg 14.7.1978 GRUR 1979, 174; Assmann/Brinkmann NJW 1982, 312, 314 f.; Baumbach/Hefermehl § 1 Rn. 860; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 12.25; Petersen WRP 1979, 428; Ulmer GRUR 1977, 565, 569, 576.
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hingegen beim sog. Wechselversand, also bei der Gratisbelieferung eines sich ständig ändernden Empfängerkreises.449 Die in der Judikatur geäußerten Bedenken gegen die geschilderten Entwicklungen vermögen indes aus vielerlei Gründen nicht zu überzeugen. So ist etwa im Zusammenhang mit den Anzeigenblättern aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schon deshalb wenig argumentativer Gewinn zu ziehen, weil die Anzeigenpresse ebenfalls an der institutionellen Pressegarantie teilhat.450 Außerdem wurde der Institutionsschutz, kaum kaschiert, oft genug ins Feld geführt, um den konkreten Besitzstand von aktuell existenten Presseunternehmen zu schützen.451 Es sollten also mit der grundrechtsbezogenen Auslegung des Lauterkeitsrechts in Wahrheit eine am status quo orientierte Marktstruktur und überkommene Vertriebs- und Finanzierungsmodelle fixiert werden. Gerade dies können und sollen aber weder das institutionelle Grundrechtsverständnis von Pressefreiheit452 noch das Lauterkeitsrecht leisten, worüber in der Literatur schon seit Langem breite Übereinstimmung herrscht.453 Hinzukommt die generelle Problematik einer marktfolgeorientierten Denkweise (vgl. Rn. 74 f., 97, 114 f.). Die Ergebnisoffenheit des Wettbewerbs als eines hervorstechenden Charakteristikums der Wirtschaftsverfassung macht vielmehr auch vor den Medien nicht halt und stellt legitimerweise auch hier traditionelle Lösungen wie die Finanzierung über den Anzeigen- statt über den Vertriebsmarkt in Frage. Dass der wettbewerbliche Steuerungsmechanismus gerade über den Vertriebsmarkt funktionieren müsse, ist nirgends und schon gar nicht in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG festgelegt.454 Im Übrigen bleibt dieser Mechanismus durchaus erhalten, weil zwischen der Anzeigenakquisition und der Attraktivität des Presseerzeugnisses für den Leser ein Rückkopplungsverhältnis besteht.455 Die notwendige und wünschenswerte Marktdynamik456 hatte sich nicht zuletzt in einer zwischenzeitlich schon wieder gewandelten Konzeption des Offertenblattes niedergeschlagen, die eine Finanzierung gerade umgekehrt wieder allein über den Vertriebsmarkt vornehmen und die Insertion kostenfrei stellen wollte.457 Schließlich hat die Entwicklung dieses Marktes selber die ursprünglichen Befürchtungen hinsichtlich der Gefährdung der Institution Presse als pars pro toto für Medien überhaupt ex post als grundlos erwiesen, nachdem die Meinungsvielfalt trotz neuartiger technischer, vor allem elektronischer Medien, Vertriebsformen und Kalkulationsmodelle bis heute im Ergebnis keineswegs spürbar abgenommen, sondern wohl sogar zugenommen hat. All dies schließt eine wettbewerbsrechtliche Beanstandung des kostenfreien Vertriebs von Anzeigenblättern in Fachzeitschriften aus anderen Gründen freilich nicht aus. Dabei kann insbesondere an eine Marktvermachtung gedacht werden, z.B. wenn etablierte Verlage auch noch dieses Anzeigenmarktsegment abdecken. Doch ist auch die
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449 OLG Karlsruhe 6.6.1957 WRP 1957, 261; OLG München 25.10.1979 WRP 1980, 169; LG Bielefeld 8.6.1978 WRP 1978, 750. 450 Gärtner BB 1970, 1361, 1364; Kull JZ 1969, 796; Schmidt-Glaeser NJW 1971, 2014. 451 Ebenso aufschlussreich wie bedenklich BGH 14.3.1991 BGHZ 114, 82 = GRUR 1991, 616 – MotorbootFachzeitschrift, m. kritischer Anm. Rohnke GRUR 1991, 767. 452 Grundlegend BVerfG 26.2.1969 BVerfGE 25, 256. 453 Hoth GRUR 1977, 612; Kakies AfP 1977, 297; Mestmäcker Medienkonzentration und Meinungsvielfalt (1978) 152 f.; Möschel Pressekonzentration S. 71; Sachon WRP 1980, 659, 667; Schricker GRUR 1980, 194; Schünemann Wettbewerbsrecht S. 126 ff.; wohl auch Ochs WRP 1977, 454. 454 A.A. vor allem Assmann/Brinkmann NJW 1982, 312; Kübler FS Löffler 169, 180 ff. 455 Näher Mestmäcker Medienkonzentration und Meinungsvielfalt (1978) 113. 456 S. bereits Sachon Wettbewerbsrechtliche Probleme des Vertriebs von Freistücken auf dem Fachzeitschriftenmarkt (1980) 108 ff.; ders. WRP 1980, 659, 662. 457 Beispiel etwa schon in OLG Köln 28.10.1983 GRUR 1984, 148 – Marktplatz.
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Verhinderung von Marktmacht weder hier noch sonst Aufgabe des Lauterkeitsrechtes. Soweit das tatbestandlich viel spezifiziertere GWB keine Hemmnisse aufrichtet und auch europarechtlich sich keine Eingriffsmöglichkeiten ergeben,458 kann nicht im kartellrechtlichen „Vorfeld“459 mit Hilfe lauterkeitsrechtlicher Instrumente „ebenso töricht wie vergeblich“ Medien- und speziell Pressestrukturpolitik betrieben werden.460 Diese Auffassung hat sich letztendlich auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Eigen gemacht. Sie lehnt es mittlerweile grundsätzlich ab, zu Lasten der Wettbewerbsfreiheit den Verlegern entgeltlich vertriebener Zeitungen den Vorrang vor anderen Verlegern einzuräumen, so im Kern zur Konservierung bestehender Marktstrukturen beizutragen und neue Vertriebs- und Finanzierungsformen zu behindern.461 Mangels einer „geschäftlichen Handlung“ lauterkeitsrechtlich von vornherein irrelevant ist die Gratisverteilung von Presseerzeugnissen, die von Parteien verlegt oder wenigstens herausgegeben werden und der Wahlwerbung dienen: Für eine Ausstrahlung des Art. 5 Abs. 1 GG auf das Wettbewerbsrecht fehlt es mithin am Ansatzpunkt.462 Davon unabhängig ist freilich die bislang wohl nicht gestellte Frage463 von Interesse, ob Anleihen aus dem Lauterkeitsrecht etwa im Blick auf Irreführung möglich und geboten sind, um dem parteilichen Wahlkampfrecht klarere Konturen zu geben. Analogien bieten sich durchaus an, da auch der Wahlkampf der Parteien eine horizontale und damit verquickt eine vertikale Wettbewerbsdimension (Abstimmungsverhalten der Wähler) aufweist. Auch die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1, 1. Alt. GG) kann lauterkeitsrechtliche Bedeutung erlangen. 464 Voraussetzung ist aber, dass überhaupt eine „geschäftliche Handlung“ als Bezugspunkt der Bewertung vorliegt. Dies scheint auf den ersten Blick angesichts einer unterstellten Selbstgenügsamkeit und rein ideellen Ausrichtung der Kunstschaffenden schwer möglich,465 ist aber im Rahmen der Verbreitung und damit auch Veräußerung von Kunstobjekten durch die Künstler selber sehr wohl denkbar und im Raum des Kunsthandels geradezu die Regel.
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f) Art. 9 GG. Eine besondere Ausprägung der bereits durch Art. 2 Abs. 1 GG gewähr- 234 leisteten Vertragsfreiheit stellt die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG dar. Wettbewerbsrechtlich erlangt dieses Grundrecht Bedeutung als Fundament unternehmerischer Kooperation vornehmlich durch die auf freier, nicht ständisch-korporativer oder auf staatlicher Planung gründender Bildung eigener, rechtstechnisch durch das Gesamthandsprinzip oder das Prinzip juristischer Persönlichkeit ausgestalteter Organisationen als Unternehmensträger. Ohne sie wäre unter den ökonomischen Bedingungen
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458 S. §§ 19 Abs. 4, 20 Abs. 1 und 4 GWB, Art. 82 EGV. 459 Zur abzulehnenden „Vorfeldthese“ s. im Anschluss an Möschel Pressekonzentration S. 133 ff. grundlegend Merz, passim; eingehend auch Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 107 ff., E 22 m.w.N.; ferner Harte/Henning/ders. (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 221. 460 Emmerich Unlauterer Wettbewerb, 8. Aufl. (2009) § 20 Rn. 16 ff., 23 (Zitat). 461 Grundlegend BGH 20.11.2003 – I ZR 151/01 – BGHZ 157, 55, 63 ff. = GRUR 2004, 602, 604 – 20 Minuten Köln; s.a. BGH 20.11.2003 – I ZR 120/00 – WRP 2004, 746, 748 f. – Zeitung am Sonntag; zum Rechtsprechungswandel s. Beater Medienrecht (2007) Rn. 781 f. 462 A.A. aber Baumbach/Hefermehl § 1 UWG Rn. 861 unter Bezugnahme auf die österreichische Rspr.: kein unlauterer Behinderungswettbewerb. 463 S. beispielhaft Lübken Wahlkampfrecht Nordrhein-Westfalen (2008). 464 Vgl. BGH 6.7.1995 BGHZ 130, 205 – Feuer, Eis & Dynamit I. 465 Ihre präsumtiv fehlende Gewinnerzielungsabsicht ist ja gerade der Grund dafür, dass sie den sog. freien Berufen zugeordnet werden, vgl. § 1 Abs. 2 PartGG.
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des heutigen Wirtschaftslebens erfolgversprechende unternehmerische Betätigung vielfach unmöglich.466 Das Gesellschaftsrecht kann dabei – ebenso wie das Konzernrecht467 – trotz der zahl235 losen Restriktionen etwa hinsichtlich des möglichen Zwecks der Vereinigung, hinsichtlich der Gründungsmodalitäten, des Firmenrechts etc. durchaus als Ausdruck und rechtsorganisatorischer Rahmen für die Ausübung der grundgesetzlichen Vereinigungsfreiheit gewertet werden. Weder der ausdrückliche Einschränkungsvorbehalt des Art. 9 Abs. 2 GG noch immanente, aus der Einbindung des Art. 9 Abs. 1 GG in den Gesamtzusammenhang der wettbewerbsbasierten Wirtschaftsordnung sich ergebende Schranken müssen deshalb bemüht werden.468 Anders verhält es sich mit der Kartellgesetzgebung, die erst durch eben diese Schranken legitimiert erscheint.469 Hingegen sind lauterkeitsrechtliche Bezüge der Vereinigungsfreiheit von vorn236 herein schwer vorstellbar. Einen (schwachen) Zusammenhang vermittelt allenfalls Art. 9 Abs. 3 GG, insoweit z.B. die dort statuierte sog. Koalitionsfreiheit eine verfassungsrechtliche Gewähr dafür bietet, dass im wettbewerblichen Rechtsschutz die Möglichkeiten der Aktivlegitimation (§ 8 Abs. 3 und 5) ausgeschöpft werden können. Lauterkeitsrechtliche Relevanz könnte Art. 9 Abs. 3 GG ferner etwa dann gewinnen, 237 wenn man das Handeln der Arbeitnehmer als Anbieter auf dem (Faktor-)Markt als „geschäftliche Handlung“ mit einzubeziehen hätte, weil koalitionsspezifische Pressionen der Gewerkschaften auf die Arbeitgeber dann im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG auch lauterkeitsrechtlich als zulässig zu gelten hätten.470 Dasselbe könnte umgekehrt auf Arbeitgeberseite gelten, namentlich im Fall der Aussperrung. § 2 Nr. 1 lässt wegen seiner Ausrichtung auf „Unternehmen“ für einen solchen Ansatz aber de lege lata keinen Raum. 238
g) Art. 11 GG. Der wirtschaftsverfassungsrechtliche Gehalt der grundgesetzlichen Freizügigkeitsgewähr des Art. 11 Abs. 1 GG liegt in der verfassungsrechtlichen Festschreibung des Prinzips innerhalb der Bundesrepublik freier, durch den Marktmechanismus gesteuerter (räumlicher) Allokation nicht nur, aber auch des Faktors Arbeit. Insoweit Art. 11 GG also die wirtschaftliche Betätigung, sei sie selbständig oder nicht, überall im Bundesgebiet eröffnet, erscheint die Freizügigkeit durchaus nicht lediglich als selbstverständlicher Teil der von Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit.471 Schutzsubjekte sind freilich nur Deutsche. Ist bei der Interpretation der Freizügig239 keitsschranken nach Art. 11 Abs. 2 GG besonders Bedacht auf die für den marktlichen Wettbewerb essentielle Allokationsfunktion der Freizügigkeit zu nehmen, so wird dies im Ergebnis zu einer restriktiven Auslegung des Freizügigkeitsvorbehalts nach Art. 11 Abs. 2 GG führen, soweit (räumliche) Mobilität wirtschaftlich motiviert ist. 240 Eine privatrechtliche Ausstrahlungswirkung der Freizügigkeitsgewähr ist gegenüber vertraglich begründeten Residenzpflichten zu erkennen, deren Wirksamkeit tendenziell allemal zurückhaltend zu beurteilen ist und die allenfalls aus zwingenden betriebli-
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466 Badura Staatsrecht 5. Aufl. (2012) C 89; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 147 f. m.w.N. 467 S.a. Rinck/Schwark Rn. 143, 518. 468 S.a. Huber DÖV 1956, 137, 139. 469 Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 59. 470 Vgl. BGH 25.1.1990 BGHZ 110, 156, 174 f. = GRUR 1990, 522, 526 f. – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz. 471 Ähnlich wohl auch BVerfG 13.7.1965 BVerfGE 19, 101, 111; BGH 27.2.1978 BGHZ 71, 28; a.A. aber Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 61 im Einklang mit BVerfG 25.2.176 BVerfGE 41, 378; BVerwG 21.6.1955 BVerwGE 2, 151; BVerwG 24.3.1961 BVerwGE 12, 140. Besonders eng sieht die Freizügigkeitsgewähr Merten Der Inhalt der Freizügigkeit (1970) 23, 64 ff.: lediglich Diskriminierungsverbot zwischen Ortsansässigen und Zuzüglern.
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chen Notwendigkeiten resultieren können. Residenzpflichten über die Zeit der Betriebszugehörigkeit hinaus sind deshalb jedenfalls als Wettbewerbsverbote i.S. der §§ 74 ff. HGB zu werten und nach Wirksamkeit und Rechtsfolgen entsprechend zu würdigen. h) Art. 12 Abs. 1 GG (Art. 16 EuGrCh). Das durch die Aspekte Berufswahl und Be- 241 rufsausübung beschreibbare, inhaltlich jedoch nicht aufzuspaltende, vielmehr substantiell einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit472 hat als Konkretisierung des Rechts auf (auch wirtschaftliche) Entfaltungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zum Ziel, die Sicherung der freien Entscheidung privater Wirtschaftssubjekte über das Ob, das Wie und den Inhalt ihrer auf Schaffung und Erhaltung der materiellen Grundlagen der Lebensführung und Daseinsgestaltung abgestellten Tätigkeit.473 Die Gewerbefreiheit einschließend, darüber aber weit hinausreichend,474 ist nament- 242 lich auch das Verhalten der Unternehmer im Wettbewerb, die freie Gründung und Führung von Unternehmen, als Bestandteil der Berufswahl und Berufsausübung dem Schutz des Art. 12 Abs.1 GG unterstellt475 und weist insoweit Parallelen zur unternehmerischen Freiheit des Art. 16 EuGrCh auf (dazu Einl. C Rn. 223 ff.). Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht sogar noch einen Schritt weiter und sieht in Bezug auf Art. 12 Abs. 1 GG „den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer“ als ein „Grundprinzip“ der Wirtschaftsverfassung an.476 Diese Einbindung der Berufsfreiheit in den Wettbewerbsprozess lässt es als selbstverständlich erscheinen, dass Art. 12 GG kein Abwehrrecht gegenüber der wirtschaftlichen Betätigung anderer, insbesondere gegenüber lästiger Konkurrenz darstellen kann.477 Marktzutrittsbarrieren, Hauptfeinde der Wettbewerbsfreiheit, können schlechterdings nicht aus Art. 12 Abs. 1 GG heraus konstruiert und legitimiert werden.478 Auch Art. 12 Abs. 2 GG kommt dafür kaum in Betracht. Bedürfnisprüfungen als sog. objektive Berufszulassungsschranken können somit 243 speziell im Lichte einer wettbewerblich verstandenen Berufsfreiheit keine Existenzberechtigung haben.479 Nur das Sichbehaupten eines Unternehmens am Markt ist geeignet, ein Urteil über seinen Bedarf zu fällen. Nicht einmal die sog. „überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter“ wie die „Volksgesundheit“ oder die Brotversorgung der Bevölkerung
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472 So zuerst BVerfG 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 402. Zur dementsprechend auch die Berufswahl – allerdings mit minderer Intensität – ergreifende Regelungsbefugnis des Gesetzgebers, zur methodischen Entwicklung der diesbezüglichen „Stufentheorie“ bis hin zum elastischeren allgemeinen Rekurs auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip s. – m.w.N. und teilweise zu Recht distanziert gegenüber den angenommenen Regelungsspielräumen – Meessen JuS 1982, 397 ff.; Rinck/Schwark Rn. 100 ff.; Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. (1987) § 3 B II 2a, Rn. 37; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 122 ff. 473 BVerfG 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 397; BVerfG 17.7.1961 BVerfGE 13, 97, 106; BVerfG 14.12.1965 BVerfGE 19, 330, 336; BVerwG 4.11.1965 BVerwGE 22, 286; Badura Staatsrecht, 5. Aufl. (2012) C 80; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 117 ff. m.w.N. 474 Anders noch der engere, nur auf Gewerbefreiheit abstellende Art. 151 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung; vgl. auch Rinck/Schwark Rn. 96. 475 Zu dieser Unternehmerfreiheit s. BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 363; speziell zur Wettbewerbsfreiheit als spezifische Ausformung der Berufsfreiheit s. Achatz S. 33 ff. 476 BVerfG 8.2.1972 BVerfGE 32, 311, 317 = GRUR 1972, 358, 360 – Grabsteinwerbung; BGH 8.4.1952 GRUR 1952, 582 – Sprechstunden. 477 BVerfG 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 408; BVerfG 3.12.1980 BVerfGE 55, 261; s.a. BVerfG 8.6.1960 BVerfGE 11, 168, 188. 478 Rinck/Schwark Rn. 95; Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. (1987) § 3 B II 2. 479 Im Ansatz richtig deshalb – für Apotheken – die grundlegende Entscheidung BVerfG 11.6.1958 BVerfGE 7, 377.
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können diesbezügliche Ausnahmen rechtfertigen.480 Versorgungssicherheit, aber auch Patientenschutz wird vielmehr bei pharmazeutischen Produkten nicht anders als bei Grundnahrungsmitteln ceteris paribus allemal am besten durch Erhalt der Wettbewerbsfreiheit hergestellt und aufrecht erhalten. Für die Niederlassungsfreiheit der Ärzte gilt nichts anderes. Aus wettbewerbsfunktionaler Sicht liegt das Problem eines angeblichen „Überschusses“ niedergelassener Ärzte in deren Finanzierung durch ein wenig kompetitives öffentliches Gesundheitswesen, das zudem den Patienten zu wenig Anreize liefert, die Kosten ärztlicher Inanspruchnahme ganz allgemein in Grenzen zu halten. Selbst wenn grundrechtliche Einschränkungen der Berufsfreiheit im Blick auf jene „überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter“ zulässig sein sollten, liefert das Lauterkeitsrecht keinen Hebel, diese Wertungen zur Geltung zu bringen, da nach § 1 sein Zweck gerade umgekehrt das Allgemeininteresse an unverfälschten Wettbewerb ist. Ein etwas größerer Spielraum ist dem Gesetzgeber bei Befähigungsnachweisen als subjektiven Berufszulassungsrestriktionen zuzubilligen.481 Doch auch solche Regulative bleiben bedenklich, nicht nur wegen der auch ihnen durchaus eigenen Ausschlusseffekte,482 sondern auch, weil ihnen eine gewisse innere Statik innewohnt, eine konservierende Tendenz hinsichtlich überkommener Wirtschaftsformen und Tätigkeitsmuster, wie etwa im Bereich des Handwerks deutlich wird.483 Die dem Wettbewerb eigene Ergebnisoffenheit bedingt hingegen, Art. 12 Abs. 1 GG gerade auch als „autonomes Berufsschöpfungs- und Berufsprägungsrecht“ zu begreifen.484 In diesem Sinne ist Art. 12 Abs.1 GG notwendig „zukunftsgerichtet“,485 weil angesichts der permanenten Veränderungen des Datenkranzes ökonomischen Handelns in der modernen, insbesondere industriell geprägten Wirtschaftsgesellschaft der Berufsbegriff seinerseits einer permanenten Dynamisierung unterworfen ist.486 Die gesetzliche Statuierung von Berufsbildern wie in §§ 45 ff. HwO mag verfassungsrechtlich zulässig sein,487 solange diese als Spiegel einer bestimmten (wirtschafts-)historischen Situation ausgestaltet und interpretiert werden und nicht als zukunftswirksame normative Festschreibungen.
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480 A.A. aber BVerfG 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 414; BVerfG 7.1.1959 BVerfGE 9,73; BVerfG 18.12.1968 BVerfGE 25, 1, 13, wo Bedürfnisprüfungen im Zusammenhang mit Überkapazitäten mit der Mühlenwirtschaft für hinnehmbar erachtet werden. Erst recht abzulehnen BVerfG 8.6.1960 BVerfGE 11, 168, mit der Akzeptierung von objektiven Zugangsbeschränkungen sogar im vergleichsweise weniger wichtigen Personenbeförderungsmarkt. Nur wenig wettbewerbsfreundlicher BVerfG 14.10.1975 BVerfGE 40, 196 für die Kontingentierung im LKW-Möbelverkehr. 481 BVerfG 14.12.1965 BVerfGE 19, 330. 482 In aller Regel würden zudem die mit den Beförderungsnachweisen angeblich verfolgten Schutzzwecken gegenüber der Marktgegenseite schon durch besondere Bezeichnungsbefugnisse derart qualifizierter Anbieter erreicht, ohne zugleich eine wettbewerblich zu beanstandende Marktzutrittsbarriere zu errichten. S.a. BVerwG 21.3.1972 BVerwGE 40, 17, 19 f. 483 Dazu etwa BVerfG 17.7.1961 BVerfGE 13, 97 zum sog. großen Befähigungsnachweis nach § 7 HandwO; zu recht kritisch Rinck/Schwark Rn. 107. 484 Maunz/Dürig/Scholz GG 63. Aufl. (Stand 2011) Art. 12 GG Rn. 276 im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG, vgl. z.B. BVerfG 12.10.1977 BVerfGE 46, 120, 137 f.; BVerfG 29.10.1997 BVerfGE 97, 12, 32 = GRUR 1998, 556, 561 – Patentgebührenüberwachung; BVerfG 17.2.1998 BVerfGE 97, 228, 253. S.a. Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 21 II 1: Grundrecht zur „Selbstqualifikation einer Tätigkeit als Beruf“. 485 BVerfG 23.3.1971 BVerfGE 30, 392, 334; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 21 II 2. 486 Teilweise leider rückschrittlich insofern BVerfG 13.7.1992 NJW 1993, 1969 für den Selbstbedienungsgroßhandel. 487 So BVerfG 16.3.2000 – 1 BvR 1453/99 – NJW 2000, 1779; BVerfG 21.8.2002 – 1 BvR 1444/02 – NJW 2002, 3460.
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i) Art. 13 GG. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der „Wohnung“ umfasst nach lange gesicherter Auffassung auch Geschäftsräume, und zwar selbst wenn sie wie bei Läden und Warenhäusern prinzipiell einem Publikum eröffnet wurden.488 Systematisch steht Art. 13 GG in diesem Anwendungssegment in engem Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 1 GG und beide wiederum mit Art. 2 Abs. 1 GG und der darin (auch) gewährleisteten Wirtschaftsfreiheit.489 Tangiert wird Art. 13 GG insoweit namentlich durch Kontrollmaßnahmen in Geschäftsräumen. Soweit diese öffentlich-rechtlicher Natur sind, kann zweifelhaft sein, ob es hierbei einer Legitimation im Lichte des Art. 13 Abs. 3 GG bedarf oder ob nicht bei Geschäftsräumen, zumal solchen, die einem Publikum zugänglich sind, schon der Gewährleistungsumfang enger zu bestimmen ist.490 Für eine eventuelle privatrechtliche Ausstrahlungswirkung des Art. 13 GG kommt es allerdings auf eine derartige Feinabgrenzung nicht an, weil – bedingt insbesondere durch das Fehlen rechtlicher Subordination in Privatrechtsverhältnissen – bei der privatrechtlichen Mediatisierung des objektiv-rechtlichen Gehalts des Grundrechts selbst sein Kernbereich nur in veränderter Gestalt und letztlich abgeschwächt in Erscheinung treten kann (zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte s. bereits Rn. 146). Kontrollen Privater in Geschäftsräumen finden namentlich im Zusammenhang mit sog. Testkäufen statt, die der Feststellung von ex ante immer nur vermeintlichen Wettbewerbsrechtsverstößen dienen. Gegenmaßnahmen gegen solche Testkäufe und hierbei insbesondere Hausverbote werden nun häufig als lauterkeitsrechtlich unzulässige Behinderung des Konkurrenten begriffen.491 Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen. Denn die prinzipielle, auf der allgemeinen Handlungsfreiheit basierende Befugnis potentiell zu Rechtsschutzmaßnahmen Aktivlegitimierter, Wettbewerbsverstöße aufzudecken und Beweismittel zu sammeln, besagt nichts für die Mitwirkungspflicht des Verdächtigten.492 Speziell die Abwehrmaßnahme Hausverbot aber hat den objektiv-rechtlichen Wertgehalt des Art. 13 GG klar auf ihrer Seite. Er schließt bei der Konkretisierung der Generalklausel des § 1 UWG eine Inhaltsbestimmung aus, die gegenüber Testkäufern die Unverletzlichkeit eben auch der Geschäftsräume im Ergebnis vollständig aufhebt.
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j) Art. 14 GG. Neben Art. 12 Abs. 1 GG wird Art. 14 GG – vor allem in seiner Funktion 252 als Institutsgarantie493– als die zweite tragende Säule einer auf private Wirtschaftsfreiheit abhebenden Wirtschaftsverfassung verstanden.494 Denn die dortige Eigentumsgarantie beschränkt sich gerade nicht nur auf das „persönliche“, in einen Gegensatz zum Eigentum an Produktionsmitteln gestellte Eigentum i.S. der sozialistischen, an zentralverwaltungswirtschaftlichen Strukturen orientierten Rechtstheorie,495 sondern erfasst neben
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488 Näher Dagtoglu JuS 1975, 753 m.w.N. 489 S.a. BVerfG 13.10.1971 BVerfGE 32, 54; LG München 5.5.1983 NJW 1983, 2390; Battis JuS 1973, 25. 490 Dazu BVerfG 13.10.1971 BVerfGE 32, 54; OVG Münster 25.4.1978 GewArch 1978, 366. 491 Vgl. nur BGH 14.4.1965 BGHZ 43, 359 = GRUR 1965, 612 – Warnschild; BGH 18.5.1966 GRUR 1966, 564 – Hausverbot; BGH 13.7.1979 GRUR 1979, 860 – Hausverbot II. 492 Näher Schünemann Wettbewerbsrecht S. 82 f. m.w.N.; s.a. KG 9.7.1976 WRP 1976, 770 – KfzGebrauchtwagen-Märkte. 493 Zu den Garantiedimensionen des Art. 14 GG s. z.B. BVerfG 15.7.1981 BVerfGE 58, 300, 339. 494 Vgl. BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 339 ff.; R. Schmidt Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 130; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 22 I. 495 Vgl. nur Art. 11 der Verfassung der ehemaligen DDR sowie dem durchaus nahestehend Rittstieg S. 315, 351 ff. Zur Verfassungsgeschichte des Art. 14 GG, in deren Verlauf ein Antrag erfolglos blieb, den Eigentumsschutz auf Gegenstände insbesondere der persönlichen Lebenshaltung einzuengen, vgl. die Hinweise bei Frotscher JuS 1981, 891 und Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. (1987) § 3 B II 3b Fn. 76 zu Rn. 45.
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dem Eigentum an Produktionsmitteln parallel zur Theorie der property rights496 jedenfalls alle Rechtspositionen, die für ein auf Marktautonomie basierendes Wettbewerbsgeschehen wesentlich sind.497 Zu den marktrelevanten subjektiven Rechtspositionen rechnen also gewerbliche 253 Schutzrechte einschließlich der vermögensrechtlichen Elemente des Urheberrechts (Verwertungsrecht, Nutzungsrechte)498 ebenso wie Aktien und andere Unternehmensanteile.499 Darüber hinaus soll der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff nach gefestigter h.M. vor allem in der Judikatur sogar ein sog. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (allgemeiner: am Unternehmen) umschließen.500 254 In der Begründung dafür spricht, dass die im Unternehmen zweckhaft organisierte, funktionelle Gesamtheit von Sachen, Rechten und allen Arten sonstiger unkörperlicher Gegenstände wie Know-how, Good-will etc. ganz sicher mehr ist als die Summe der einzelnen Unternehmensbestandteile und deshalb rein aggregativ nicht angemessen geschützt werden kann.501 Gegen jene Inkorporierung spricht, dass Art. 14 GG gerade in Richtung auf den Bestands- bzw. Substanzschutz hin interpretiert wird.502 255 Ein Bestandsschutz hinsichtlich des die „Chancen“ und „Verdienstmöglichkeiten“ konstituierenden Datenkranzes unternehmerischen Handelns kommt indes in einer Wettbewerbswirtschaft nicht in Frage,503 ganz zu schweigen von einer Unternehmensexistenzgarantie oder wenigstens einer Gewähr für das Unternehmensverbleiben am Markt.504 Schwer darstellbar ist deshalb, was eigentlich die durch Art. 14 GG zu schüt-
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496 Zum Begriff und zur daran anknüpfenden ökonomischen Institutionenanalyse gerade im Zusammenhang mit dem neoklassischen Konzept der Wettbewerbsfreiheit s. neben R. Richter ZWS 110 (1990) 571 ff., 575 und Schäfer/Ott Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (1986) 68 auch Buhbe S. 3 ff.; Horn AcP 176 (1976) 307, 313 ff.; Kirchner WuW 1992, 584, 588 ff.; Lehmann Bürgerliches Recht und Handelsrecht. Eine juristische und ökonomische Analyse (1983) 32; Utzig AcP 189 (1989) 158, 160 ff. sowie die von Manne The economics of legal relationships (1975) zusammengestellte Literatur. S.a. Koboldt/Leder/Schmidtchen WiSt 1992, 334 ff. m.w.N. Der Theorieansatz bleibt wertvoll auch dann, wenn man der Chicago School (dazu Rn. 81 ff.), die sich ihm besonders zugewandt hat, z.B. hinsichtlich der Folgerungen für die Privatrechtsinstitutionen, aber auch ganz allgemein, distanziert gegenübersteht. Dazu vor allem auch Fezer JZ 1986, 807, 817 und 1988, 223. 497 BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 339 ff.; Rinck/Schwark Rn. 129; Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. (1987) § 3 B II 3b, c; Scheuner/Küng Der Schutz des Eigentums (1966) 43. 498 Vgl. z.B. für Marken (seinerzeit für eingetragene Warenzeichen) BVerfG 22.5.1979 BVerfGE 51, 193, 216 ff. = GRUR 1979, 773, 778; für Patente BVerfG 15.1.1974 BVerfGE 36, 281, 290 f. = GRUR 1974, 142, 144; für das Urheberrecht BVerfG 7.7.1971 BVerfGE 31, 229, 238 ff. = GRUR 1972, 481, 483 ff.; BVerfG 4.11.1987 BVerfGE 77, 263, 270 = GRUR 1988, 687, 689. 499 BVerfG 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 276 f.; BVerfG 7.5.1969 BVerfGE 25, 371, 407; BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 341 f. 500 So schon BVerfG 30.4.1952 BVerfGE 1, 264, 277 f.; s. sodann z.B. BVerfG 29.11.1967 BVerfGE 22, 380, 386; BVerfG 8.6.1977 BVerfGE 45, 142, 173; BGH 28.1.1957 BGHZ 23, 157, 163; BGH 31.1.1966 BGHZ 45, 150, 154; BGH 8.2.1971 BGHZ 55, 261, 263; BGH 28.10.1982 NJW 1983, 1663; BVerwG 7.3.1958 BVerwGE 6, 247, 266; BVerwG 25.9.1968 BVerwGE 30, 235, 239; BVerwG 1.12.1982 BVerwGE 66, 307, 309; Achatz S. 26 ff.; Friauf DÖV 1976, 624; Friauf/Wendt, passim; Krohn GewArch 1981, 249; Leisner in HdbStR Bd. VI (1989) 1023 ff.; Mayer-Abich Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie (1980) 78 ff.; Schenke AöR 98 (1973) 153. 501 Bryde in v. Münch (Hrsg.), GG 5. Aufl., Bd. 1 (2000) Art. 14 Rn. 19; Leisner in HdbStR VI (1989) 1065 f.; Wendt S. 58 ff., 273 ff. 502 BVerfG 29.11.1961 BVerfGE 13, 225, 229; BVerfG 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 335; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 22 II. 503 Ständige Rspr., z.B. BVerfG 18.3.1970 BVerfGE 28, 119, 142; BVerfG 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 335; BVerfG 31.10.1984 BVerfGE 68, 193, 222; BVerfG 6.10.1987 BVerfGE 77, 84, 118; BVerfG 18.5.1988 BVerfGE 78, 205, 211. 504 BVerfG 20.7.1954 BVerfGE 4, 17; BVerfG 8.6.1977 BVerfGE 45, 179.
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zende Unternehmens-„Substanz“ ausmacht505 bzw. wie die Eingriffskriterien – „Unmittelbarkeit“, „Betriebsbezogenheit“ – operational zu formulieren sind.506 Der spezifische Unternehmensschutz dürfte demnach doch eher dem in der Wettbewerbsdynamik geforderten unternehmerischen Aktionspotential, also der unternehmerischen Betätigung selber, gelten, sedes materiae dafür also Art. 12 Abs. 1 GG sein. Gleichwohl bleibt die Eigentumsfreiheit ein unverzichtbarer Baustein im Gebäude 256 einer eben auch auf Verfügungsfreiheit über Produktionsmittel fundierten Privatwirtschaft, die in der Eigentumsgarantie beschlossene Dispositionsfreiheit integraler Bestandteil einer Wettbewerbswirtschaft ist.507 Sie weist darin über die mikroökonomische Dimension des Eigentumsschutzes, wie sie vor allem in der Lehre vom Grundrechtsschutz des „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes“ zum Ausdruck kommt, weit hinaus. Als Eigentümer im Schutzbereich des Art. 14 GG wächst der Unternehmer vielmehr zugleich in eine makroökonomische Funktion als „Organ der Wirtschaftsverfassung“508 insgesamt hinein. Ohne unternehmerisches Eigentum ist die Kybernetik der Marktwirtschaft undenk- 257 bar, kann die dezentrale, wettbewerbliche Selbstregulation des ökonomischen Handlungssystems nicht in Gang gesetzt werden.509 Mehr noch: Mit der in Art. 14 Abs. 1 GG involvierten Institutsgarantie des Eigentums wird jedenfalls im Verbund mit Artt. 2, 3, 5, 9 und 12 GG die Gesamtentscheidung für den wirtschaftsverfassungsrechtlichen Systementwurf einer marktautonomen Wettbewerbsordnung getroffen510 (s.a. Rn. 143 ff. zur angeblichen „wirtschaftspolitischen Neutralität“ des GG). Auslegung und Anwendung des UWG müssen mithin daran orientiert sein, vor allem diesem Aspekt der Eigentumsgewähr als wesentlicher Funktionsbedingung des Wettbewerbs gerecht zu werden. 3. Europäische Wirtschaftsverfassung. Die Klärung einer europäischen Wirt- 258 schaftsverfassung, verstanden als verfassungsrechtlich verankerte Wirtschaftsordnung mit Maßstabsfunktion für niederrangiges Recht (s.a. Rn. 1 ff.), ist nach dem politisch gescheiterten Projekt einer europäischen Verfassung511 scheinbar nicht möglich. Gleichwohl hat das supranationale Primärrecht in Gestalt der die EU konstituierenden und gestaltenden Verträge (EUV512 und AEUV513) materiell durchaus schon immer Verfassungscharakter514 und liefert dergestalt (also unter Ausschluss des Sekundärrechts) die Basis der europäischen Wirtschaftsverfassung.515
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505 BVerfG 22.5.1979 BVerfGE 51, 193, 221 = GRUR 1979, 773, 779; Badura AöR 98 (1973) 157 f.; Ossenbühl Staatshaftungsrecht, 3. Aufl. (1983) 106; Scholz Entflechtung und Verfassung (1981) 90. 506 Vgl. übersichtsweise Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 122 f. 507 Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. (1987) § 3 B II 3c. 508 Leisner DÖV 1975, 73. 509 Günther Wege zur Europäischen Wettbewerbsordnung (1968) 19 ff.; Rupp Grundgesetz S. 35 f.; Scholz Entflechtung und Verfassung (1981) 91 f. 510 So auch Maunz/Dürig/Papier GG 63. Aufl. (Stand 2011) Art. 14 Rn. 34. 511 Der am 29. Oktober 2004 geschlossene Vertrag über eine Verfassung für Europa (ABl. 2004 C 310 S. 1 ff.) trat wegen ablehnender Referenden in Frankreich und den Niederlanden nicht in Kraft. S. dazu Herdegen § 4 Rn. 26 ff.; Nowak S. 62 ff. 512 ABl. C 115 v. 9.5.2008 (konsolidierte Fassung) S. 13. 513 ABl. C 115 v. 9.5.2008 (konsolidierte Fassung) S. 47. 514 Ganz h.M., vgl. neben EuGH 23.4.1986 – C-294/83 – Slg. 1986, 1339 Tz. 23 – Parti écologiste „Les Verts“ (EWG-Vertrag als „Verfassungsurkunde“ der Gemeinschaft) für viele nur v. Bogdandy EuR 2009, 749 f.; Busch S. 4; Nowak S. 5, 73 ff., 78, 80 ff.; Oppermann DVBl. 2008, 473, 476; Pernice EuZW 2008, 65; s.a. Haratsch/Koenig/Pechstein Rn. 35c; a.A. etwa Heinig JZ 2007, 905 ff. 515 Nowak S. 202 ff.; Oppermann/Classen/Nettesheim § 9 Rn. 24, § 18 Rn. 1 ff.; gleichsinnig z.B. Herdegen § 13 Rn. 1 ff.; Kilian Rn. 193 ff.; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 5 II. S.a. Häberle S. 536 ff. Methodisch nicht unbedenklich deshalb Peukert ZHR 173 (2009) 536, 540: Das Sekundärrecht „spiegelt“
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Im Gegensatz zum GG, das sich ausdrücklich überhaupt nicht zur ökonomischen Thematik äußert (vgl. Rn. 143), ist der normtextliche Befund in den zentralen supranationalen Dokumenten substanzieller. Dies kann nicht überraschen, erinnert man sich an den historischen Ausgangspunkt dieser Abkommen, die sog. Römischen Verträge von 1957, in deren Rahmen insbesondere die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet wurde.516 Obwohl im historischen Verlauf der Folgeverträge517 dieser spezifische Wirtschaftsbezug im europäischen Primärrecht weit weniger im Vordergrund steht als früher, ist er auch im geltenden Primärrecht immer noch ein wichtiges Moment und kann – wesentlich deutlicher als im GG – Argumente für Bestehen und Zuschnitt einer europäischen Wirtschaftsverfassung liefern. Schon der nunmehr obsolete EG-Vertrag in der Fassung des Vertrages von Amster260 dam 1997 nannte in seinen Artt. 3 f. als ein normativ leitendes Prinzip der supranationalen Wirtschaftsordnung mehrfach die „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“. Jedenfalls bei einer oberflächlichen Texterfassung konnte daraus freilich kaum ein klares Bekenntnis zum neoklassischen Konzept der Wettbewerbsfreiheit (vgl. Rn. 92 ff., 105 ff.) herausgelesen werden. Denn andernorts wurde auch ausreichend Raum für ein wohlfahrtsökonomisches Wettbewerbsverständnis mit insbesondere industrie- oder verbraucherpolitischer Färbung bis hin zu einem unverhohlen administrierten Agrarmarkt eröffnet.518 So ließen sich jedenfalls bei kursorischer Betrachtung kein stimmiges Leitbild einer 261 europäischen Wirtschaftsverfassung und schon gar nicht eine Festlegung auf bestimmte wettbewerbstheoretische Positionen ermitteln. Diese (scheinbare, dazu sogleich Rn. 270) „Ambivalenz der europäischen Wirtschaftsverfassung“519 war indes politisch durchaus gewollt, um die Möglichkeit offenzuhalten, die traditionell unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Mitgliedsstaaten über Zulässigkeit und Nutzen staatlicher Interventionen im Marktgeschehen auch auf europäischer Ebene zur Geltung zu bringen.520 Immerhin wurde doch weithin von einer „grundsätzlich marktwirtschaftlichen Orientierung“ der europäischen Wirtschaftsverfassung,521 ja, von einem „positiven Bekenntnis zu einer freien und wettbewerbsverfassten Wirtschaftsordnung“ als einer „Systementscheidung im Gemeinschaftsrecht“522 gesprochen. 262 An diesem Befund hat sich, zumindest prima facie, wenig verändert. Nach wie vor enthält das supranationale Primärrecht in EUV und AEUV auf der Ebene des Normtextes „kein kohärentes Konzept“, liefert aber gleichwohl wie die Vorgängerregelungen zahl-
_____ das Primärrecht nur dann, wenn das Primärrecht zutreffend interpretiert und auf dieser Basis Sekundärrecht gesetzt wird. Ohne diesen Vorbehalt verfängt sich der Ansatz Peukerts in einer petitio principii. 516 Ausführlich Küsters Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1982). 517 S. überblicksweise z.B. Herdegen § 4 Rn. 5 ff.; Nowak S. 55 ff. 518 Vgl. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 47. 519 Peukert Ziele S. 37 (ff.). 520 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 48. Eingehend zu alledem Basedow S. 26 ff.; Mestmäcker Wirtschaftsverfassung, passim. 521 Busch S. 14 m.w.N.; Dreher/Lange FS FIW 161, 164; s. aber auch Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 5 II 3, der die europäische Wirtschaftsverfassung als normative „Gemengelage“ beschreibt und damit im Ergebnis in Parallele zur deutschen Wirtschaftsverfassung stellt, die er i.S. der (abgeschwächten) Neutralitätsthese (s. Rn. 154 ff.) ebenfalls als „relativ offen“ kennzeichnet. Vgl. auch Ch. Herrmann S. 54 f.: Das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell sei zwar kein marktradikales, sei aber in marktwirtschaftlichem Sinn durch eine „grundlegende Prärogative zu Gunsten der Freiheitsrechte“ geprägt. 522 Rittner/Dreher § 2 Rn. 35 f. m.w.N.; gleichsinnig Rittner WuW 2007, 967.
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reiche Anknüpfungspunkte zu einer stärker konturierten Beschreibung der geltenden europäischen Wirtschaftsverfassung.523 Zu nennen sind hier neben dem „gemeinsamen Binnenmarkt“ (Art. 3 Abs. 3 S. 1 EUV) mit der Gewährleistung eines freien Verkehrs von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital (Art. 26 Abs. 2 AEUV) vor allem die „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ (Artt. 119 f. AEUV) und der Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen im Zusammenhang mit den Wettbewerbsregeln (Art. 101 Abs. 1 AEUV), die insgesamt eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Strukturentscheidung für eine wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft voraussetzen. Schon für den früheren, diese Maßgaben ebenfalls aufweisenden Rechtszustand war weithin die Auffassung vertreten worden, wettbewerbskonzeptionell müsse die dadurch statuierte Wirtschaftsverfassung jedenfalls insoweit im Lichte der neoklassischen Theorie gedeutet werden.524 Diese Position hat ihre argumentative Basis grundsätzlich nicht dadurch eingebüßt, dass dieselben Maßgaben nun in einen neu bezeichneten normativen Rahmen Eingang gefunden haben. Allerdings muss konzediert werden, dass das in Art. 3 Abs. 3 EUV normierte, in der Sache schon bislang formulierte Zielbündel als „magisches Achteck“ von ausgewogenem Wachstum, Preisstabilität, Vollbeschäftigung, sozialem Fortschritt, Umweltschutz bzw. verbesserter Umweltqualität und wissenschaftlich-technischem Fortschritt 525 in seinem Verhältnis zu der grundsätzlichen Systementscheidung für Markt und Wettbewerb im Primärrecht jedenfalls expressis verbis „ungeregelt“ ist.526 Gerade wenn das Primärrecht auch jetzt noch im Grundsatz als vom Konzept der Wettbewerbsfreiheit inspiriert zu gelten hat, tritt hier ein unauflöslicher Gegensatz zu Tage: Einerseits ist für die gewünschte Zielerreichung eine Instrumentalisierung des Wettbewerbs erforderlich, andererseits widerspricht eben dies der spontanen Ordnung, die der freiheitlich-wettbewerbsgesteuerte Markt generiert527 (zu den angesprochenen Wettbewerbskonzeptionen s. Rn. 64 ff.). Während diese Zielpunkte im Wesentlichen mit dem früheren Rechtszustand übereinstimmen, ist der Rekurs auf „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ in Art. 3 Abs. 3 EUV neu. Da der Begriffsinhalt der „sozialen Marktwirtschaft“ keineswegs selbsterklärend ist,528 vor allem aber wegen der Notwendigkeit einer autonomen, „eigenen Regeln folgende“ Auslegung des Europarechts,529 können die in Deutschland damit in wettbewerbstheoretischer Hinsicht verbundenen Diskussionslinien hier nicht einfach nachgezogen werden.530 Vielmehr ergibt sich insoweit auch neuer Interpretationsbedarf. Festzustellen ist schließlich, dass umgekehrt das früher in Art. 3 lit. g EG-Vertrag (1997) an prominenter Stelle als Tätigkeitsbereich der Gemeinschaft genannte „System, das den
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523 Hierzu und zum Folgenden Kilian Rn. 195 ff. 524 Grundmann JZ 2000, 1133, 1136 f.; Mestmäcker FS Franz Böhm (1965) 345 ff. zu „offenen Märkten im System des unverfälschten Wettbewerbs in der Europäischen Gemeinschaft“; Ophüls ZHR 124 (1962) 136, 148; Peukert ZHR 173 (2009) 536, 542 f.; ders. Ziele S. 34. 525 Zur dort jetzt ebenfalls aufgeführten „in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft“ sogleich in Folgendem. 526 Kilian Rn. 207. 527 Zutreffend Kilian ebd. 528 Zum im Laufe der Zeit sich wandelnden Begriffsverständnis s. Leisner Soziale Marktwirtschaft S. 36 ff.; speziell im thematischen Zusammenhang Schmidt-Preuß FS Säcker 970 ff. 529 Herdegen § 8 Rn. 73 (ff.); zur Auslegung des EU-Rechts, der dabei verfolgten Ziele und Methoden s. näher Kilian Rn. 348 ff.; Schröder JuS 2004, 180 ff.; s.a. Anweiler Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (1997). 530 Ebenso Nowak S. 238.
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Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt“, nunmehr in einen Erwägungsgrund eines Protokolls531 verschoben worden ist. Auch dieser Vorgang bedarf unter der Fragestellung der geltenden europäischen Wirtschaftsverfassung der Einordnung, ob dadurch eine Schwächung des Wettbewerbsprinzips stattgefunden hat. Damit ist der normtextliche Befund des Primärrechts im Hinblick auf die europäische Wirtschaftsverfassung hinreichend erfasst. Diese disparaten Versatzstücke mit zudem jeweils recht „geringer Direktionskraft“532 zu einem Ganzen zusammenzufügen (statt, wie politisch durchaus erwünscht, unverbunden nebeneinander stehen zu lassen und so sekundär- und nationalrechtlich größtmögliche Spielräume zu lassen), ist dem rechtsstaatlichen Gebot der „Einheit der Rechtsordnung“533 geschuldet, die auch und erst recht innerhalb eines Normkomplexes Geltung beansprucht. Diesem Postulat lässt sich auch nicht dadurch ausweichen, dass man sich im Einzelfall mit einer „praktischen Konkordanz“ zwischen Markt-, Wirtschafts- und Wettbewerbsfreiheit auf der einen Seite und den Gemeinschaftszielen des Art. 3 Abs. 3 EUV auf der anderen Seite begnügen zu können glaubt.534 Gewiss bewegt man sich auf der Ebene der europäischen Wirtschaftsverfassung auf vergleichsweise hohem begrifflichen Abstraktionsniveau, doch macht dies eine notwendige systematische Interpretation mit dem Ziel einer konsistenten Inhaltsbestimmung der europäischen Wirtschaftsverfassung nicht „hochgradig spekulativ“535 und damit dogmatisch unseriös. Bei einem spezifisch auf die ökonomische Dimension des Primärrechts gerichteten Fokus wird nach wie vor von einem „Primat des Wettbewerbsschutzes“536 auszugehen sein, wenn die in Artt. 119 f. AEUV mehrfach rezitierte „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ kein Lippenbekenntnis i.S. bloßer Programmsätze sein, sondern ein echtes „Bekenntnis“ für ein „freies Wirtschaftssystem“537 und geltendes Recht zur Auslegung und Fortbildung des Europarechts insgesamt darstellen sollen.538 Die Verschiebung in den Titel über die Wirtschafts- und Währungspolitik gegenüber der vordem textlich exponierteren Stellung des Art. 4 Abs. 1 EG-Vertrag kann nicht als materielle Zurücksetzung verstanden werden,539 sondern stellt nur einen engeren gliederungstechnischen Bezug zum Regelungsgegenstand dar. Dass das Wettbewerbsprinzip im Übrigen in ein Protokoll abgedrängt wurde statt wie früher mit Art. 4 Abs. 1 des EG-Vertrages in den normativen Grundlagen der Gemein-
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531 Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb (Nr. 27) zum Vertrag von Lissabon (in der Nummerierung der konsolidierten Fassung), ABl. C 83 v. 30.3.2010, S. 309. 532 Nowak S. 204. 533 Grundlegend Engisch Die Einheit der Rechtsordnung (1935), unveränd. Nachdruck mit einem Geleitwort von A. Kaufmann (1987); s. sodann Felix Einheit der Rechtsordnung, passim, z.B. S. 9 ff. 534 So aber Nowak S. 208 f. unter Hinweis auf EuGH 13.3.2001 – C-379/98 – Slg. 2001, I-2099 ff. – PreussenElektra; EuGH 11.12.2007 – C-438/05 – Slg. 2007, I-10799 ff. – Viking Line; EuGH 18.12.2007 – C-341/05 – Slg. 2007, I-11767 ff. – Laval. S. demgegenüber Müller-Graff ZHR 173 (2009) 443, 453: “nebulöser Topos der praktischen Konkordanz“. 535 So aber Hatje in Bogdandy (Hrsg.), S. 683 ff., 724; zustimmend Peukert ZHR 173 (2009) 536, 540. 536 Glöckner S. 509, 512; s.a. Dreher WuW 1998, 656 f.; Wunderle S. 152 ff.; a.A. Peukert Ziele S. 42 ff., 49; Stober FS Stern 613, 618 f. („relativ offene Wirtschaftsverfassung“ der Union wie im GG). 537 R. Schmidt FS Stober 19, 23. 538 Vgl. schon zum früheren insoweit vergleichbaren Recht z.B. EuGH 21.2.1973– C-6/72 – Slg. 1973, 215 Tz. 22 f., 25 – Europemballage u. Continental Can; EuGH 4.4.1974 – C-167/73 – Slg. 1974, 359 Tz. 17, 23 – Franz. Republik; EuGH 13.2.1979 – C-85/76 – Slg. 1979, 461 Tz. 125 – Hoffmann-La Roche; s.a. Reimer EuR 2003, 992 ff.; a.A. wohl Stober FS Stern 613, 618 („relativ offene Wirtschaftsverfassung“) m.w.N. 539 Ch. Herrmann S. 58; Dreher/Lange FS FIW 161, 171; Peukert ZHR 173 (2009) 536, 538 formuliert, die einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtete Wirtschaftspolitik erfahre „systematisch eine Zurücksetzung“, bleibt aber unklar, ob er dies auf das äußere oder innere System des AEUV bezieht.
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schaft erfasst zu sein (vgl. Rn. 260, 267), sollte ebenfalls nicht überbewertet werden, sondern ist als eine offenbar auf Drängen Frankreichs erfolgte540 „Vertragskosmetik“541 zu verstehen, weil Protokolle und Anhänge gemäß Art. 51 EUV ebenfalls „Bestandteil der Verträge“ sind.542 Dadurch jedenfalls haben sich keine merklichen Änderungen der grundsätzlich freiheitlich-wettbewerbsbasierten europäischen Wirtschaftsverfassung ergeben.543 Wie schon bislang ist aber auch heute, nach Maßgabe des Lissabon-Vertrags, davon auszugehen, dass das Primärrecht selber der Wettbewerbsfreiheit immanente Grenzen setzt, namentlich indem es mit Artt. 38 ff. AEUV den Agrarsektor der wirtschaftlichen Administration fast völlig unterwirft. Der Agrarmarkt ist somit der Wettbewerbssteuerung praktisch entzogen,544 Art. 38 Abs. 2 AEUV mit dem Hinweis auf die grundsätzliche Geltung der Vorschriften für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes (und damit auch auf einen wettbewerbsgesteuerten Agrarmarkt) mithin nicht mehr als ein gemeinschaftspolitisches Feigenblatt. Ein anderer Akzent ist z.B. bei der primärrechtlichen Normierung der Industriepolitik nach Art. 173 AEUV zu setzen: Diese soll bestimmte Ziele erreichen, wie etwa Strukturanpassungen erleichtern, den industriellen Mittelstand besonders fördern und auf eine bessere wirtschaftliche Nutzung von Forschung und Entwicklung hinwirken. Insofern steht die Industriepolitik mit den gemeinschaftspolitischen Zielen des „magischen Achtecks“ nach Art. 3 Abs. 3 EUV (vgl. Rn. 265) in Parallele und beide wiederum in Opposition zu einem Wettbewerbskonzept, das in einem systemtheoretisch-neoklassischen Sinn auf selbstreferentielle Marktprozesse setzt, statt zu glauben, den Wettbewerb instrumentalisieren zu können. Es ist deshalb Ausdruck einer gewissen inneren Logik, wenn in Bezug auf derartige primärrechtlich definierte Ziele wohlfahrtsökonomische Wettbewerbskonzepte, wozu auch der „more economic approach“ gehört, in Position gebracht werden, weil zur Zielerreichung aus Sicht des Primärrechts angeblich „offenbar gesonderte Maßnahmen für erforderlich gehalten werden, die nicht durchweg im Einklang mit institutionell-wettbewerbsfunktionalen Ansätzen stehen müssen“.545 Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit gelten in einem solchen Verständnis als unproblematisch, wenn per saldo durch einen hohen Zielerreichungsgrad Wohlfahrtsgewinne realisiert werden (zum „more economic approach“ s. bereits Rn. 102 f.). Immerhin hat auch der EuGH einem solchen Denken Vorschub geleistet, wenn er gelegentlich vom unverfälschten Wettbewerb als „Mittel zur Erreichung“ primärrechtlich gesetzter Ziele gesprochen hat.546 Der versuchten Aushöhlung der Wettbewerbsfreiheit muss auch europarechtlich (zum deutschen Recht s. Rn. 163 ff., 174 ff.) entschieden entgegengetreten werden.547 Abgesehen von leider hinzunehmenden Ausnahmebereichen, in denen das Primärrecht faktisch wettbewerbsfreie oder zumindest wettbewerbsarme Inseln schafft,548 ist zu be-
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540 Zur Historie s. Busch S. 21; Hatje/Kindt NJW 2008, 1761, 1765; Rittner WuW 2007, 967. 541 Peukert ZHR 173 (2009) 536, 538, allerdings nur referierend. 542 S.a. Basedow EuZW 2008, 225. 543 Hatje/Kindt NJW 2008, 1761, 1765; Nowak EuR-Beilage 2011, 21, 30 f.; Rabe NJW 2007, 3153, 3154; Rittner WuW 2007, 967; Streinz ZG 2008, 105, 115; Weber EuZW 2008, 7. 544 Kilian Rn. 210 f. 545 Peukert ZHR 173 (2009) 536, 554; s.a. Wunderle S. 119. 546 EuGH 14.12.1991 – Gutachten 1/91 – Slg. 1991, I-6079 Tz. 50 zu Art. 2 EG-Vertrag. 547 Zusammenfassend Pichler S. 163: „Für Effizienztheorien findet sich im Lauterkeitsrecht weder auf europäischer noch auf deutscher Ebene ein Anhaltspunkt.“ 548 Vgl. neben Art. 173 AEUV für den Agrarsektor z.B. auch Art. 101 Abs. 3 AEUV zur Durchsetzung von verbraucherpolitischen oder technisch-fortschrittspolitischen Zielen.
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tonen, dass sich namentlich „die Grundsatznorm der Europäischen Wirtschaftsverfassung,“549 Art. 119 AEUV, „ohne jede Einschränkung oder Konditionierung durch weitere Fernwirkungen zu einer offenen, unverfälschten Wettbewerbsordnung als selbsttragendem Grundsatz bekennt.“550 Auch für die Industriepolitik ist bei genauerer Betrachtung keine andere Beurteilung am Platz. Denn die diesbezügliche Kompetenz der Europäischen Union „bietet keine Grundlage dafür, dass die Union irgendeine Maßnahme einführt, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte (…)“, wie Art. 173 Abs. 3 (Unterabs. 2) AEUV letztlich nur klarstellt. Ein wirtschaftsverfassungsrechtliches Einfallstor für eine weniger an freiheitlichwettbewerbsgesteuerten Märkten ausgerichtete Politik der Gemeinschaft könnte schließlich der bislang im Primärrecht fehlende Rekurs auf die „ in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ im Katalog des Art. 3 Abs. 3 EUV darstellen. Insbesondere im Blick auf den dort ebenfalls genannten „sozialen Fortschritt“ sowie auf den Verbraucherschutz (Art. 169 AEUV) könnte man der Ansicht zuneigen, diese gemeinschaftspolitischen Ziele könnten und sollten nunmehr durch eine Relativierung des Schutzes eines freien, unverfälschten Wettbewerbs realisiert werden, insbesondere also durch hoheitliche Intervention.551 Damit würde das bislang dominierende verbraucherpolitische Konzept der Gemeinschaft, in dem die Verbraucherwohlfahrt gerade umgekehrt als Indikator eines funktionierenden, unverfälschten Wettbewerbs gesehen wird,552 prinzipiell in Frage gestellt. Die Befürchtung, dass mit der Aufnahme der sozialen Marktwirtschaft in den Vertragstext „letztlich (…) eine Ausweitung sozialpolitischer Kompetenzen“ der Gemeinschaftsorgane beabsichtigt wird,553 lässt sich schon angesichts des notorischen Willens der politischen Klasse zur „Gestaltung“ nicht leicht von der Hand weisen. Das Primärrecht eröffnet selber zahlreiche Betätigungsfelder für solche Gestaltungswünsche, und zwar schon in Art. 3 Abs. 3–5 EUV: die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung sowie die Förderung sozialer Gerechtigkeit, des sozialen Schutzes und des sozialen Zusammenhalts. Art. 9 AEUV wiederholt einen Teil dieser Anliegen, während Artt. 151–164 AEUV einen ganzen Titel der Sozialpolitik widmen, dabei die genannten Ziele erneut aufgreifen und noch erweitern, z.B. um den „sozialen Dialog“ in Artt. 151 Abs. 1, 152 Abs. 1 S. 1 AEUV. Ein Verständnis des Attributes „sozial“ als Rechtfertigung für eine Verwässerung einer wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft würde im Übrigen in Parallele zur Begriffsentwicklung in Deutschland stehen (s.a. Rn. 90, 175), wo ebenfalls leicht übersehen wird, „was die Väter dieses Konzepts darunter verstanden: dass nämlich die Marktwirtschaft aus sich heraus bereits sozial ist und dass darüber hinaus notwendige Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen mit marktkonformen Mitteln erfolgen sollen.“554 Soweit bei der „in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft“ der Akzent auf der Wettbewerbsfähigkeit liegt, macht die Formulierung überhaupt nur Sinn, wenn man sie darauf bezieht, dass die europäische Volkswirtschaft als Ganze in
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549 Geiger/Khan/Kotzur Art. 119 AEUV Rn. 2. 550 Herdegen § 22 Rn. 3. 551 In diesem Sinne namentlich Peukert ZHR 173 (2009) 536, 557 f. unter Hinweis z.B. auf EuGH 16.5.1989 – C-382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 11 ff. – Buet und SARL; s.a. Häberle S. 538, Fn. 868: Relativierung des Marktparadigmas durch soziale Ausgleichsmechanismen. 552 S. EG-Kommission, Verbraucherpolitische Strategie der EU 2007 – 2013, 13.3.2007, KOM (2007) 99 endg., 3; eingehend Keßler/Micklitz Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Reform des UWG (2003) 20. 553 So die Besorgnis von Busch S. 19. 554 Busch S. 19 unter Hinweis auf Müller-Armack Soziale Marktwirtschaft, in Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 9 (1956) 390 ff.
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globaler Konkurrenz steht. In diesem Szenario könnte dann die Zielsetzung einer „wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft“ zur Legitimierung interventionistischer Eingriffe in den europäischen Markt aus industriepolitischen Motiven dienen.555 Zu denken ist aber auch an eine politisch proaktive Verknüpfung von „Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union“ einerseits und europäischer Sozialpolitik durch „Förderung der Beschäftigung“ und „Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen“ im Blick auf die „Entwicklung des Arbeitskräftepotentials“ und ein „dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau“ andererseits, die in einem Atemzug in Art. 151 Abs. 1 und 2 AEUV genannt werden. All dies reicht aber nicht hin, mit Hilfe des neuen primärrechtlichen Bekenntnisses zu einer „in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft“ das System einer freiheitlich-wettbewerbsgesteuerten offenen Marktwirtschaft, den „Primat des Wettbewerbsschutzes“ (s. Rn. 270) normativ aus den Angeln zu heben.556 Der genannte Passus ist zunächst für sich gesehen und europarechtlich-autonom interpretiert viel zu unbestimmt, um überhaupt rechtliche Bedeutung zu gewinnen,557 geschweige denn von solchem Gewicht, um die europäische Wirtschaftsverfassung neu auszurichten. Seine Aufnahme in den Vertragstext ist wohl eher ein Akt politischer Rhetorik, um sich die mit diesem Begriff einstellenden positiven Assoziationen zunutze zu machen.558 Schließlich ist die Verankerung sozialpolitischer Anliegen auf der Ebene des europäischen Primärrechts nichts Neues, wie schon Artt. 2, 136 ff. des EG-Vertrages (in der Fassung von Nizza) zeigen. Schon bisher mussten also sozialpolitische Erwägungen mit dem Kalkül des freien, unverfälschten Wettbewerbs versöhnt werden, ohne ausdrücklich mit der Formel der „in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft“ operieren zu können.559 So gesehen war das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft schon vor dem Reformvertrag von Lissabon im europäischen Primärrecht vorhanden.560 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die europäische Wirtschaftsverfassung in ihrer Gesamtprägung nur als freiheitlich-wettbewerbsgesteuerte marktwirtschaftliche Ordnung zutreffend beschrieben werden kann. Insofern ist das Konfliktpotential mit der gleichartigen deutschen Wirtschaftsverfassung sehr gering. Namentlich mit dem Agrarsektor kennt das europäische Primärrecht freilich eine bedeutende Enklave, in denen die wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft mit Art. 38 Abs. 2 AEUV nur noch einen normativen Merkposten bilden, im Übrigen Artt. 38 ff. AEUV diesen Wirtschaftsbereich aber weitestgehend hoheitlicher Administrierung öffnen. Immerhin spricht gerade der in Art. 38 Abs. 2 AEUV normierte Grundsatz gegen eine Charakterisierung der europäischen Wirtschaftsverfassung als Mischwirtschaft, in der das Wettbewerbsprinzip unverbunden und damit politisch beliebig verfügbar neben hoheitlicher Intervention steht.
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555 Busch ebd. m.w.N. 556 Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 5 Rn. 7; Nowak S. 237 (ff.): „Kein wirtschaftsverfassungsrechtlicher Paradigmenwechsel“; Schmidt-Preuß FS Säcker 975 ff.; Terhechte EuR 2008, 143, 177, alle m.w.N. 557 Müller-Graff ZHR 173 (2009) 443, 450. 558 Müller-Graff ZHR 168 (2004) 1, 6 (im Zusammenhang mit dem gescheiterten Verfassungsvertrag); Nowak S. 238. 559 Vgl. EuGH 11.12.2007 – C-438/05 – Slg. 2007, I-10799 Tz. 43 f., 78 f. – Viking Line; EuGH 18.12.2007 – C-341/05 – Slg. 2007, I-11767 Tz. 90 f., 104 f. – Laval; Nowak S. 238 ff. 560 Bleckmann DVBl. 1992, 335, 341.
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Einleitung Teil B.
B. Geschichtliche Entwicklung. Rechtsquellen Einleitung Teil B. Einl Geschichtliche Entwicklung. Rechtsquellen Einl Pahlow Schrifttum Adler Fortbildung des Warenzeichenrechts durch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, Festgabe zum 50jährigen Bestehen des RPA (1927) 153; Ahrens Das Vertragsauflösungsrecht nach der geplanten UWG-Novelle, WRP 1978, 677; Alexander-Katz Die unredliche Konkurrenz. Juristische Betrachtungen (1892); Allfeld Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen (1894); Bachem Der unlautere Wettbewerb in Handel und Gewerbe und dessen Bekämpfung (1892); ders. Wie ist dem unlauteren Wettbewerb in Handel und Gewerbe zu begegnen? (1893); Baecker Zum Zeichenschutze (1876); Baumbach Das gesamte Wettbewerbsrecht. Systematischer Kommentar, 2. Aufl. (1931); ders. Gesetzgeberische Gedanken zum Wettbewerbsrecht, DJZ 1931, Sp. 58; Beater Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht (2000); Becher Die Regelung des gewerblichen Rechtsschutzes, in: Enderlein (Hrsg.) 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(1998); Dornberger (Hrsg.) Handelsrechtliche Gesetze und Haftpflichtbestimmungen. Textausgabe mit Anmerkungen und Sachregister (1967); Elster Urheber- und Erfinder-, Warenzeichen- und Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. (1928); Fezer Modernisierung des deutschen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb auf der Grundlage einer Europäisierung des Wettbewerbsrechts, WRP 2001, 989; Fikentscher Wirtschaftsrecht, Bd. 2, Deutsches Wirtschaftsrecht (1983); Finger Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs (1897); von Gierke Der Rechtsgrund des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb, Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz 4 (1895), 109; Gosewinkel (Hrsg.) 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law“ in Gesetzesform. Die „Schwarze Liste“ als neuer UWG-Anhang, NJW 2009, 324; dies. Ende der Werbung in Massenmedien? WRP 2008, 563; Schill Der Einfluss der Wettbewerbsideologie des Nationalsozialismus auf den Schutzzweck des UWG. Eine rechtshistorische Untersuchung zur Politisierung des Wettbewerbsrechts durch den Schutz der Allgemeinheit, Diss. Augsburg 2004; Schippel Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (1956); Schlecht Grundlagen und Perspektiven der Sozialen Marktwirtschaft (1990); Schmid Das Warenzeichenrecht nebst einem Überblick über die Bestimmungen wider den unlauteren Wettbewerb (1899); Schrauder Wettbewerbsverstöße als Eingriffe in das Recht am Gewerbebetrieb (1970); Schricker Zur Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Schadensersatzansprüche der Abnehmer und Rücktritt vom Vertrag bei irreführender und unlauterer Werbung, GRUR 1979, 1; Schricker/Henning-Bodewig Elemente einer Harmonisierung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs in der Europäischen Union, WRP 2001, 1367; ders./Lehmann Der Selbstbedienungsgroßhandel. Rechtstatsachen – Rechtsprobleme, 2. Aufl. (1987); Schuler Die Concurrence déloyale und ihre Beziehungen zu Namen, Firma, Marke, Fabrik und Geschäftsgeheimnis im französischen, schweizerischen und deutschen Recht (1895); Seyfferth Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (1909); Simon Die Concurrence Déloyale, ihr Begriff und ihre Behandlung im Zivil- und Strafrecht (1894); Sosnitza Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2008, 1014; von Stechow Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896. Entstehungsgeschichte und Wirkung (2002); Steindorff Einführung in das Wirtschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. (1985); Stephan Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen, 4. Aufl. (1899); Stolleis Geschichte des Öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1, Reichspublizistik und Policeywissenschaft 1600–1800 (1988); Tetzner Recht und Unrecht der Zugabe. Erläuterungen zur ZugabeVO (1953); E. Ulmer Wandlungen und Aufgaben im Wettbewerbsrecht, GRUR 1937, 769; P. Ulmer Der Begriff „Leistungswettbewerb“ und seine Bedeutung für die Anwendung von GWB und UWG-Tatbeständen, GRUR 1977, 565; ders. Rabattgesetz und Wettbewerbsordnung, FS Hefermehl (1972) 377; ders. Verbraucherpreisempfehlung und Rabattverbot. Zur Problematik faktischer Bindungswirkung von Preisempfehlungen für Kraftfahrzeuge aufgrund von PAngVO und RabattG, GRUR Int. 1983, 611; Veracius Illoyale Konkurrenz und Markenschutz, GRUR 1898, 237; Wadle Das Markenschutzgesetz von 1874, JuS 1974, 761; ders. Fabrikzeichenschutz und Markenrecht. Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19. Jahrhundert, 2 Bde. (1977/1983); ders. Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von 1896, in: ders. (Hrsg.) Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, Bd. 2 (2003) 381; Wassermann Unlauterer Wettbewerb unter dem Schutz des Markenrechts, GRUR 1904, 63; Wehler Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2, Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges (1849–1914) (1995); Weiß Die Concurrence Deloyale, ihr Begriff und ihre Behandlung im Civil- und Strafrecht (1894); Wermert Über den unlauteren Wettbewerb und die Konsumvereinsbewegung (1895); Wirth Warenzeichenrecht und gute Sitten, GRUR 1910, 319; Zacher Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland. Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsverfassung in der Rechtswissenschaft der Weimarer Republik (2002).
Gesetzgebungsmaterialien 1. Entwürfe und Motive: Gesetz über Markenschutz mit Motiven, RTDrucks 1874, Nr. 20, S. 632; Bericht der 35. Kommission zur Vorberatung des Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, Verhandlungen des Reichstages, XII. Legislaturperiode, 1909, Bd. 255, S. 8433; Erläuterungen der ZugabeVO, Deutscher Reichsanzeiger, 1932, Nr. 61; Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Warenzeichengesetzes und des Gebrauchsmustergesetzes, BTDrucks IV/2217; Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (16. Ausschuss) über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung – Drucksache IV/2001 – und den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Warenzeichengesetzes und des Gebrauchsmustergesetzes – Drucksache IV/2217 –, BTDrucks IV/3403; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb – Drucksache V/2324 (neu) – mit den Beschlüssen des Rechtsausschusses (12. Ausschuss), BTDrucks V/ 4035 S. 7; Entwurf eines 9. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BTDrucks 8/1670; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BTDrucks 8/2145; Entwurf eines 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG), BTDrucks 9/2008 [30.9.1982]; Entwurf eines 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG),
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in: BTDrucks 10/318 [26.8.1983]; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wirtschafts- und verbraucherrechtlicher Vorschriften, BTDrucks 10/4741 S. 1; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG) – Drucksache 10/119 – und dem Entwurf eines 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG) – Drucksache 10/318 –, BTDrucks 10/5058; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb – Drucksache 15/1487 –, BTDrucks 15/2795; Entwurf eines 1. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BTDrucks 16/10145; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines 1. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb – Drucksache 16/10145 –, BTDrucks 16/11070. 2. Gesetze und Verordnungen: Gesetz über Markenschutz vom 30.11.1874, RGBl 1874, 143; Gesetz zum Schutz der Waarenbezeichnungen vom 12.5.1894, RGBl 1894, 441; Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7.6. 1909, RGBl. 1909, 499 ff.; Verordnung gegen Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen vom 2.11.1923, RGBl I, 1067; Gesetz über den Beitritt des Reiches zu dem Madrider Abkommen, betreffend die Unterdrückung falscher Herkunftsangaben auf Waren vom 21.3.1925, RGBl II, 115; Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze der Wirtschaft vom 9.3.1932, RGBl I, 121; Gesetz über die Errichtung von Zwangskartellen vom 15.7.1933, RGBl I, 488; Gesetz über Änderung der Kartellverordnung vom 15.7.1933, RGBl I, 487; Gesetz über Wirtschaftswerbung vom 12.9.1933, RGBl I, 625; Zweite Bekanntmachung des Werberates der deutschen Wirtschaft vom 1.11.1933, abgedruckt in von Braunmühl/Zweck Wirtschaftswerbung. Kommentar (1934) S. 14; Gesetz über Preisnachlässe (Rabattgesetz) vom 25.11.1933, RGBl I, 1011; Verordnung über Wettbewerb vom 21.12.1934, RGBl I, 1280; Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb vom 26.2.1935, RGBl I, 311; Anordnung vom 4.7.1935 auf Grund des § 9a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung des Reichsgesetzes vom 26.2.1935, Deutscher Reichsanzeiger 1935, Nr. 158, 1; Verordnung zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 8.3.1940, RGBl I, 480; Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft über Sommer- und Winterschlußverkäufe vom 13.7. 1950, Bundesanzeiger 1950, Nr. 135; Gesetz zur Änderung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft vom 20.8.1953, BGBl I, 939; Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Gesetzes über das Zugabewesen und das Rabattgesetzes vom 11.3.1957, BGBl I, 172; Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 27.7.1957, BGBl I, 1081; Sammlung des Bundesrechts zum Sachgebiet Zivilrecht und Strafrecht vom 15.5.1960, BGBl III, 1960 (Folge 11), 147; Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Warenzeichengesetzes und des Gebrauchsmustergesetzes vom 21.7.1965, BGBl I, 625; Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25.6.1969, BGBl I, 645; Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb vom 26.6.1969, BGBl I, S. 633 ff.; Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 3.8.1973, BGBl I, 917; Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) vom 2.3.1974, BGBl I, 469; Gesetz zur Erleichterung der Verwaltungsreform in den Ländern (Zuständigkeitslockerungsgesetz) vom 10.3.1975, BGBl I, 685; Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG) vom 15.5.1986, BGBl I, 721; Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften vom 25.7.1986, BGBl I, 1169; Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 25.7.1994, BGBl I, 1738; Gesetz zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrechtsreformgesetz) vom 25.10.1994, BGBl I, 3082; Gesetz zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften vom 1.9.2000, BGBl I, 1374; Gesetz zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften vom 23.7.2001, BGBl I, 1661; Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3.7.2004, BGBl I, 1414; Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008, BGBl I, 2949. 3. Europarecht: Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Verkaufsförderung im Binnenmarkt (gemäβ Artikel 250, Absatz 2 des EG-Vertrages von der Kommission vorgelegt) vom 25.10.2002 (KOM (2002) 585 endg.); Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.3.2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. EU L 95 v. 15.4.2010).
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Einleitung Teil B.
Systematische Übersicht Der Interventionsstaat des 19. Jahrhunderts ____ 1 Gewerbefreiheit und Zeichenschutz (1869–1896) ____ 6 1. Markenschutz und WZG ____ 7 2. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts ____ 10 Das UWG von 1896 ____ 13 Das UWG von 1909 und seine Nebengesetze ____ 21 1. Die Einführung der Generalklausel im UWG 1909 ____ 22 2. Die Zugabeverordnung von 1932 ____ 25 3. Das Rabattgesetz von 1933 ____ 30
Alphabetisches Stichwortverzeichnis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch (ADHGB) 7, 10 f. Allgemeininteresse 33, 37 Außenhandelsmonopol 51 Concurrence déloyale 7, 11 Deliktsrecht 7, 16, 20, 21 Firma 7, 10 f. Firmenschutz 7 Französische Revolution 12 Generalklausel 12, 14 ff., 21, 22, 32, 34, 40, 46, 58 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 40, 41 Gesetz über die Wirtschaftswerbung 29 Gewerbebetrieb 20 Gewerbefreiheit 5, 6 ff., 12, 22 Gewerbeordnung 5, 6 Gilde 2 Herkunftsgarantie 9 Industrialisierung 4, 7 Interventionsstaat 1 ff., 4 Irreführung 6, 8, 43, 54, 58 Juristentag 14 Kartellrecht 40 f. Kartellverordnung 23 Konkurrentenschutz 10, 33, 45 Liberalisierung 48, 54, 57 Marke 9, 10, 35 Markenrechtsreformgesetz 49 Markenschutz 7 ff., 10
V.
Das Lauterkeitsrecht in der Rechtsprechung des Reichsgerichts (1909–1945) ____ 32 VI. Die Entwicklung des Lauterkeitsrechts in Deutschland nach 1945 ____ 38 1. Das UWG in der BRD (1949–1989) ____ 38 a) Verhältnis zum Kartellrecht ____ 40 b) Schutz der Verbraucherinteressen ____ 42 c) Reformbemühungen ____ 45 2. DDR (1949–1989) ____ 50 VII. Europäische Entwicklungen ____ 52 VIII. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 ____ 57
Markenschutzgesetz 8, 10 f., 33 Mittelstandsschutz 28, 30 Monopol 4, 51 Nahrungspolicey 2 f. Patent 4, 12 Persönlichkeitsrecht 17, 20 Physiokraten 3 Planwirtschaft 50 Preis- und Lohntaxen 2 f. Privilegien 2, 4 Rabattgesetz 30 f. Recht am Gewerbebetrieb, siehe Gewerbebetrieb Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 56 Sonderveranstaltungsrecht 28, 47 soziale Marktwirtschaft 38 Urheberrecht 12 Verbraucherinteressen 42 ff. vergleichende Werbung 36, 53 f. Verordnung über Wettbewerb 31 Warenzeichen 10 f., 16 Warenzeichenrecht 10, 34 f. Weimarer Reichsverfassung 18 Wertreklame 26, 30 Zeichenschutz 6 ff., 8 f., 11 Zugabeverordnung 25 ff. Zunft 2 Zwangskartellgesetz 24
I. Der Interventionsstaat des 19. Jahrhunderts 1
Das Recht des lauteren Wettbewerbs ist ein vergleichsweise junges Rechtsgebiet. In seinem modernen Sinne setzt es nicht nur eine Wirtschaftsordnung voraus, die im Grundsatz auf einem freien Wettbewerb beruht. Vielmehr bedarf es ebenso eines Bewusstseins dafür, dass wettbewerbliches Handeln auch unlauter sein kann und dass es Pahlow
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zu den Aufgaben des Staates gehört, mit rechtlichen Mitteln gegen einen derartigen „unlauteren Wettbewerb“ vorzugehen. Erkennt man diese Voraussetzungen an, dann beginnt die Geschichte des Lauterkeitsrechts in Deutschland im 19. Jahrhundert. Wie in vielen anderen Staaten Europas löste in dieser Zeit eine auf freiem Wettbewerb beruhende Wirtschaftsordnung zunehmend das überkommene absolutistisch-merkantilistische Wirtschaftsregime ab.1 Produktion und Verteilung wurden bis dahin nicht allein den freien Kräften des 2 Marktes bzw. einem freien Wettbewerb überlassen. Neben den tradierten Zunft- und Gildeverfassungen für Handwerk und Handel trat unter einer „absolutistisch“merkantilistischen Wirtschaftspolitik seit dem 17. Jahrhundert zunehmend der Staat bzw. die jeweilige Obrigkeit als Ordnungsfaktor auf. So definierte der Staat es als seine Aufgabe, durch staatliche Maßnahmen (z.B. Preis- und Lohntaxen, Privilegien oder Luxusordnungen) die „gemeine Wohlfahrt“ sicherzustellen. 2 Staatliche Eingriffe in Produktions- und Vertriebsprozesse, u.a. durch eine sog. Gewerbe- oder Nahrungspolicey, waren nicht verpönt, sondern galten als unverzichtbare Bestandteile merkantilistischer Wirtschaftspolitik. Sowohl die ökonomische Theorie als auch die staatliche Praxis legitimierten daher noch im späten 18. Jahrhundert Eingriffe des Staates in den wirtschaftlichen Produktions- und Verteilungsprozess.3 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts traten allerdings verstärkt Wirtschaftstheorien in 3 den Vordergrund, die Eingriffe des Staates in wirtschaftliche Prozesse weitgehend ablehnten. Zunächst unter dem Einfluss der französischen Physiokraten (u.a. François Quesnay) waren es später vor allem die Lehren eines freien, sich weitgehend selbst regulierenden Marktes von Adam Smith, die sich gegen die tradierten obrigkeitlichen Eingriffe in die Wirtschaft aussprachen. Deren Rezeption seit ca. 1790 schlug sich denn auch in Forderungen nach politischen und ökonomischen Freiheitsrechten nieder. Es liegt auf der Hand, dass aus der Sicht dieser liberalen ökonomischen Theorie die Ziele und Mittel der merkantilistisch-absolutistischen Wirtschaftspraxis dezidiert abgelehnt wurden. Stattdessen sollte ein freier Wettbewerb hergestellt und durch ökonomische Freiheitsrechte nachhaltig vor Eingriffen des Staates geschützt werden. Damit wurde im Prinzip allen bisherigen rechtlichen und ökonomischen Ordnungsbegriffen und -instrumenten wie z.B. den administrativen Kompetenzen z.B. der sog. Gewerbe- oder Nahrungspolicey sowie der gesetzlichen Festlegung u.a. von Preis- und Lohntaxen die Legitimationsgrundlage entzogen.4 Dieses Ideal eines freien Marktes blieb jedoch in Deutschland vorerst weitgehend 4 Theorie. Trotz einzelner, z.T. temporärer Reformmaßnahmen um 1800 blieben die tradierten Strukturen weitgehend erhalten, die auch nur mit, nicht gegen den Staat reformiert oder überwunden werden sollten. Zahlreiche Autoren rechtfertigten das Fortbestehen des Interventionsstaates, auch im Bewusstsein einer anti-liberalen Wirtschafts- und Industriepolitik. Im Interesse einer fortschreitenden Industrialisierung und eines wirtschaftlichen Fortschritts sprachen sich viele Autoren der ökonomischen und politischen Theorie u.a. für zeitlich befristete Alleinrechte etwa von Erfindern (z.B. Patente, Privilegien) aus, weil „es nützlich, billig, ja selbst gerecht sei, hier ausnahmsweise von der allgemeinen Freiheit abzugehen“.5 Es sollte dementsprechend weniger ein „Monopol“ sein, als vielmehr u.a. dem Erfinder eine „Belohnung“ für seine Erfindung gewährt wer-
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Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß Einl. E 1 Rn. 1. Knemeyer S. 880 f.; Stolleis S. 377 ff. M. North S. 170 ff., 176 ff.; Wehler S. 233 ff. Zu diesem Prozess näher Klippel in Birtsch S. 313; ders. in Lück S. 77 ff.; ders. in Mohnhaupt S. 349. Leuchs S. 239.
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den.6 Neben technischen Innovationen stellten die Autoren aber ebenso gewerbliche Leistungen unter staatlichen Schutz. Danach hatte allein der Staat markenwidrige oder unlautere Geschäftspraktiken zu unterbinden.7 Derartige Bestrebungen zeigen, dass es nach Auffassung der liberalen ökonomischen Theorie der Staat sein sollte, der durch die Schaffung besonderer, eigentumsähnlicher Rechtspositionen den Aus- und Aufbau effizienter Märkte fördern und damit wirtschaftliches Wachstum im Deutschland des beginnenden 19. Jahrhunderts gewährleisten sollte.8 Der Befund in der ökonomischen und politischen Theorie entspricht mit mehr oder 5 weniger stark ausgeprägten regionalen Unterschieden auch der Wirtschaftspraxis des 19. Jahrhunderts. Das „Zeitalter der Reformen“ kurz nach 1800 verwirklichte wirtschaftliche Freiheit allenfalls in Teilbereichen. Frühindustrielle Marktverhältnisse blieben bis ca. 1860 nur auf wenige Einzelstaaten des Deutschen Bundes beschränkt. Erst mit der politischen Einheit war die Möglichkeit vorhanden, in ganz Deutschland auch die freie Gründung und Betätigung von Unternehmen und damit die Idee eines einheitlichen Marktes nach dem Prinzip der Gewerbefreiheit durchzusetzen. Dies erfolgt u.a. 1869 durch die Einführung der Gewerbeordnung und danach durch eine Reihe weiterer Maßnahmen, die die liberalen Grundlagen einer auf freiem Wettbewerb beruhenden Wirtschaftsordnung, freilich auch mit protektionistischen Einfallstoren, gewährleisten sollten. II. Gewerbefreiheit und Zeichenschutz (1869–1896) 1. Markenschutz und WZG. Die Bedeutung besonderer Verhaltensregeln im Wettbewerb nahm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts u.a. mit der flächendeckenden Einführung der Gewerbefreiheit durch die Gewerbeordnung von 1869 und einem durch die Industrialisierung entfachten, zum Teil sprunghaften wirtschaftlichen Aufschwung zu. Erst in dieser Zeit etablierte sich in ganz Deutschland ein einheitlich geregelter, bisweilen schrankenloser Wettbewerb, der die teilweise noch staatlich reglementierten Marktverhältnisse der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hinter sich ließ.9 Unter der Einwirkung der raschen Bevölkerungs- und Verkehrsentwicklung, der wachsenden Bedeutung der Presse und des steigenden Angebots an Waren und Dienstleistungen nahm der Konkurrenzkampf der Gewerbetreibenden untereinander zu und zum Teil auch bedenkliche Formen an. Das zeigte sich zunächst an der irreführenden Verwendung gewerblicher Kennzeichen. Der Gebrauch gefälschter, auch ausländischer Kennzeichen (u.a. aus England) führte zunehmend zur Beeinträchtigung des redlichen Wettbewerbs und zur Irreführung der Konsumenten.10 7 Die Unternehmer konnten sich bis 1874 kaum gegen diese Entwicklungen schützen. Der handelsrechtliche Firmenschutz nach Art. 27 ADHGB versagte in der Regel, wenn die Firma auf dem Warenetikett oder als Warenbezeichnung unbefugt gebraucht wur-
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6 Leuchs S. 240 f. 7 Pölitz S. 165. 8 Zum Ganzen auch Pahlow Rg. 15 (2009), 109; D. C. North S. 163 ff. 9 Die fehlende Einbeziehung von gewerblichen Kennzeichen wie Warenzeichen in die Debatte um die Anerkennung eines geistigen Eigentums in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hängt nicht nur mit der fehlenden geistigen Schöpferleistung zusammen, wie sie etwa bei Autor- oder Erfinderleistungen zweifellos vorlag. Ein Schutz von Warenbezeichnungen entsprach im weitgehend staatlich reglementierten Markt der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weithin dem Firmen- und Namensschutz des Herstellers, vgl. dazu näher Wadle Fabrikzeichenschutz und Markenrecht. 10 Dazu mit Beispielen Wadle in ders. S. 381, 382 f.
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de.11 Weitergehende gesetzliche Regelungen zum Schutz gewerblicher Kennzeichen waren nicht vorhanden. Allenfalls in den Gebieten des französischen oder rheinischen Rechts wurden von den Obergerichten die in der französischen Rechtspraxis entwickelten Grundsätze der sog. concurrence déloyales angewendet. Gewerbliche Kennzeichen wurden danach deliktsrechtlich nach Art. 1382 Code civil geschützt.12 Der Gesetzgeber reagierte auf diese Defizite bereits nach dem Gründerboom der Jahre 8 1870–1873 durch protektionistische Regelungen.13 Das Markenschutzgesetz von 1874 verfolgte nicht nur einen Zeichen-, sondern unmittelbar auch einen Konkurrenten- und Konsumentenschutz vor Irreführung und unlauterem Wettbewerb durch Zeichenmissbrauch. In den Motiven wurde dieser Irreführungsschutz deutlich formuliert.14 Auch für einen Großteil der Autoren ersetzte das Markenschutzgesetz damit den fehlenden gesetzlichen Schutz vor unredlicher Konkurrenz durch Zeichenmissbrauch; es diene zugleich dem Schutz der Konsumenten vor Irreführung und Täuschung. Der Hauptzweck des Zeichens sei „der Schutz des Publikums gegen Täuschung“.15 Der Zeichenschutz bezwecke „damit nichts, als eben die Redlichkeit, die bona fides im Verkehr selbst“.16 Das Markenschutzgesetz kann vor diesem Hintergrund durchaus als eine Vorstufe des Lauterkeitsrechts in Deutschland angesehen werden.17 Die Einführung des sog. Gesetzes zum Schutz der Waarenbezeichnungen (WZG) 9 vom 12. Mai 189418 hielt an dieser Zielsetzung des Zeichenschutzes fest. Nach der Interpretation von Martin Wassermann beabsichtigte das WZG neben dem Schutz eingetragener Marken auch „die Bekämpfung unlauteren Geschäftsgebahrens“.19 § 7 Abs. 1 Satz 2 WZG schrieb zu diesem Zweck eine publikumsschützende Herkunftsgarantie fest. Ihr wurde bereits im Vorfeld eines gesetzlichen Lauterkeitsrechts die Aufgabe des Schutzes gegen irreführende und damit unlautere Wettbewerbshandlungen zugewiesen. 20 Darüber hinaus trat im WZG auch der Schutz gegen unlautere Wettbewerbshandlungen insoweit deutlich hervor, als die lautere Erwerbstätigkeit in §§ 15 und 16 WZG gegen gewisse Täuschungshandlungen geschützt wurde.21 Nach § 16 WZG war zu bestrafen, „wer Waaren oder deren Verpackung oder Umhüllung oder Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefe, Empfehlungen, Rechnungen oder dergleichen fälschlich mit einem Staatswappen oder mit dem Namen oder Wappen eines Ortes, eines Gemeinde- oder weiteren Kommunalverbandes zu dem Zweck versieht, über Beschaffenheit und Werth der
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11 Vgl. Handelsappellationsgericht Nürnberg 15.3.1886, ZHR 11 (1868), 130 f.; Reichsoberhandelsgericht 9.12.1871 ROHGE 4, 253; ferner die Nachw. bei Klippel in Mohnhaupt S. 124, 151. 12 Vgl. dazu die Nachw. bei Klippel in Mohnhaupt S. 124, 148 ff. 13 Wehler S. 91 ff. 14 RTDrucks 1874 Nr. 20 S. 634: „Waarenzeichen erhalten ihren Werth nicht durch den Handelsstand, sondern durch das Publikum […] Daß das Publikum in seiner Schätzung nicht irregeführt und daß sein Vertrauen nicht zum Vortheile Einzelner ausgebeutet werde, darin liegt allerdings ein öffentliches Interesse von erheblicher wirthschaftlicher Tragweite begründet“. – Zu den Hintergründen des Markenschutzgesetzes auch von Stechow S. 44 ff., 67 ff.; Wadle in ders. S. 381, 382 ff. 15 Baecker S. 2 f.; Hahn S. 3, 7; Wermert, S. 8.; Wadle JuS 1974, 761, 765; ders. in ders. S. 381, 383 f. 16 Hahn S. 2; Katz S. 26. 17 Pahlow in Lange/Klippel/Ohly S. 69, 71 ff. 18 RGBl. 1894, 441. 19 Veracius GRUR 1898, 237 ff.; Wassermann GRUR 1904, 63 ff., 63. – Dazu Pahlow in Lange/Klippel/Ohly S. 69, 73 f. 20 Stephan S. 7; ferner Allfeld S.1, 5: „Das Warenzeichen, die Marke, hat die Bestimmung, den Ursprung der Ware zu kennzeichnen“; Kent S. 1, 145; Pinzger/Heinemann S. 123; ähnlich Schmid S. 66; zur Rechtsprechung RG 19.6.1923 GRUR 1924, 85 – Saccharin; RG 15.1.1904 JW 1904, 123 (Nr. 29); RG 19.10.1895 RGZ 36, 13, 14; LG Dresden 27.2.1924 GRUR 1924, 88 – Kurschwerter. 21 Dazu auch Lobe GRUR 1931, 1215, 1216.
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Waaren einen Irrthum zu erregen, oder wer zu dem gleichen Zweck derartig bezeichnete Waaren in Verkehr bringt oder feilhält“. 10
2. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts. Das Markenschutzgesetz von 1874 diente also – ebenso wie das Warenzeichengesetz von 1894 – nicht nur dem Schutz des Zeicheninhabers und seiner Marke; es erfüllte vielmehr auch eine wettbewerbsschützende Funktion. Zugleich behinderte das Markenschutzgesetz wie auch das WZG durch seine formale, registergebundene Schutzkonzeption jedoch eine richterrechtliche Ausbildung eines redlichen Konkurrentenschutzes. Für die Priorität des Markenrechts war die Anmeldung konstitutiv, nicht angemeldete Warenzeichen kraft bloßer Verkehrsgeltung daher nicht geschützt. Das Reichsgericht folgerte aus dieser gesetzlichen Konzeption im positivistischen Zeitgeist des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts, dass im Wettbewerb prinzipiell erlaubt, was nicht ausdrücklich gesetzlich verboten worden sei.22 Auch die Versuche der Strafrechtspflege, den „offenbaren Schwindel“ in Handel und Gewerbe durch den Betrugstatbestand einzudämmen, blieben meist erfolglos. In ständiger Rechtsprechung ging das Reichsgericht davon aus, dass der Firmen- und Markenschutz im MSchG und im ADHGB abschließend sei. Firma und Marke seien demnach die einzigen Mittel, um sich gegen illoyales Verhalten von Konkurrenten zu schützen.23 Die Folgen dieser engen Auslegung der zeichenrechtlichen Bestimmungen des 11 Markenschutzgesetzes, des WZG oder des Art. 27 ADHGB hätten durch eine subsidiäre Heranziehung von Art. 1382 Code civil zumindest in den linksrheinischen Gebieten überwunden werden können. Die französische Rechtsprechung und Literatur hatte diese Vorschrift im 19. Jahrhundert zur Entwicklung eines umfangreichen Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb herangezogen. 24 Das Reichsgericht lehnte eine Übernahme dieser Grundsätze trotz des bis 1900 in vielen linksrheinischen Gebieten geltenden französischen Rechts ab. Zur Begründung verwies es auf den Firmen- und Warenzeichenschutz, der im ADHGB und im Markenschutzgesetz „einheitlich und erschöpfend“ geregelt sei; folglich sei „abgesehen von der Firma das Warenzeichen das einzige Mittel […], um sich gegen ein illoyales Verhalten von Konkurrenten zu schützen“.25 Die Frage nach den Ursachen für diese ablehnende Haltung des Reichsgerichts 12 wird bis heute unterschiedlich beantwortet. Die methodisch eher positivistische Erklärung, dass die Spezialgesetzgebung in Deutschland den Umkehrschluss eröffnet habe,26 greift für sich aber zu kurz. Sie macht das Reichsgericht im Ergebnis zum Verteidiger eines freien, auch unlauteren Wettbewerbs, was in dieser Konsequenz bezweifelt werden muss.27 Entscheidend war zumindest auch das Fehlen einer in ganz Deutschland geltenden schadensersatzrechtlichen Generalklausel, die erst 1900 mit § 826 BGB geschaffen wurde.28 Darüber hinaus dürfte auch eine unterschiedliche Einstellung gegenüber dem freien Wettbewerb mitentscheidend gewesen sein.29 Mit der Einführung der
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22 So pointiert Kohler S. 44. 23 Vgl. RG 29.4.1892 RGZ 29, 57, 61; RG 7.12.1887 RGZ 20, 71, 75 f.; RG 13.11.1886 RGZ 18, 93, 99 ff.; RG 20.11.1880 RGZ 3, 67, 69; dazu auch Mittler S. 10 m.w.N. – Vgl. von Stechow S. 67 ff. 24 Lammel in Coing Bd. III/3 S. 3749, 3769 ff.; Klippel in Mohnhaupt S. 124, 152 m.w.N. 25 RG 29.4.1892 RGZ 29, 57, 61; RG 7.12.1887 RGZ 20, 71, 75 f.; RG 13.11.1886 RGZ 18, 93, 99 ff.; RG 30.11.1880 RGZ 3, 67, 69. 26 Greiner S. 35 f. 27 Klippel in Mohnhaupt S. 124, 153. 28 Klippel in Mohnhaupt S. 124, 149 ff.; von Stechow S. 69. 29 Vgl. Baumbach/Hefermehl20 UWG Einl. Rn. 16 f.
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Gewerbefreiheit 1869 war die Gewerbetätigkeit Ausfluss einer jedermann zustehenden Handlungsfreiheit, deren Wahrnehmung rechtlich nicht zulässig war, sofern gesetzliche Regelungen dem nicht entgegenstanden.30 In Frankreich wurden dagegen seit der Französischen Revolution nicht nur die Gewerbefreiheit, sondern auch Eingriffe in diese Freiheitssphäre durch Rechte anderer (u.a. Patent- oder Urheberrechte) anerkannt. Der Schutz des redlichen Wettbewerbs wurde also von Anfang an in Übereinstimmung mit der Begründung subjektiver Privatrechte gewährleistet. In Deutschland hingegen war die Anerkennung wettbewerbsbeschränkender Rechtspositionen lange kontrovers diskutiert worden, was u.a. auch die zögerliche Anerkennung von Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechten in der deutschen Rechtswissenschaft nach 1860 belegt.31 III. Das UWG von 1896 Die Rechtsprechung des Reichsgerichts führte zu einer erheblichen Kritik seitens 13 der Rechtswissenschaft und zum Ruf nach dem Gesetzgeber. Im Einklang mit der gewerblichen Wirtschaft forderten zahlreiche Autoren einen weitergehenden Schutz vor unlauteren Wettbewerbshandlungen, die durch das MSchG oder das WZG und deren enge gerichtliche Anwendung nur unzureichend verhindert werden konnten.32 Otto von Gierke plädierte 1895 vehement für ein allgemeines gesetzliches Verbot des unlauteren Wettbewerbs.33 Die Bestrebungen mündeten 1894 in die Erarbeitung von Grundsätzen seitens des 14 Reichsamtes der Justiz und des Inneren, die in den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs einflossen. Als Ergebnis der sich anschließenden Beratungen wurde 1895 ein Entwurf zusammen mit einer Denkschrift veröffentlicht.34 Danach sollte das Gebiet des Wettbewerbs nicht umfassend geregelt werden, sondern das Gesetz sollte nur die gröbsten Auswüchse betreffen, nur „bestimmte, nach den bisherigen Erfahrungen für den redlichen Erwerbsgenossen besonders nachteilige Mißbräuche verhindern“. Eine Generalklausel enthielt dieses Gesetz daher nicht.35 Eine „allgemein gehaltene Vorschrift“, d.h. eine Generalklausel, die „jede denkbare Erscheinungsform des unlauteren Geschäftsgebarens zu treffen vermöge“, wurde im Interesse der Rechtsklarheit abgelehnt.36 Nachdem sich Handels- und Juristentag mit dem vorgeschlagenen Text auseinandergesetzt hatten, wurde der Entwurf mit Zustimmung des Bundesrates in den Reichstag eingebracht und erfuhr dort mehrere Änderungen, um schließlich am 27. Mai 1836 als Gesetz „zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs“ verabschiedet zu werden.37 Obwohl das Gesetz keine umfassende Wettbewerbsverhaltensordnung errichten, 15 sich vielmehr auf die Bekämpfung der gröbsten Missstände beschränken wollte, enthielt
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30 Rückblickend Lobe GRUR 1931, 1215. 31 Dazu Klippel ZNR 4 (1982), 132, 137 ff. 32 Alexander-Katz Die unredliche Konkurrenz (1892); Bachem Der unlautere Wettbewerb in Handel und Gewerbe (1892); ders. Wie ist dem unlauteren Wettbewerb im Handel und Gewerbe zu begegnen? (1893); Böttger S. 30; Katz Gesetz zum Schutz der Waarenbezeichnungen und unlauterer Wettbewerb (1894); Schuler Die Concurrence déloyale (1895); Simon Die Concurrence Déloyale (1894); Wermert Über den unlauteren Wettbewerb und die Konsumvereinsbewegung (1895). 33 von Gierke Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz 4 (1895), 109, 112. 34 Vgl. die Materialien bei Lobe Bekämpfung, Bd. 3 S. 9 ff., 12 ff. 35 Vgl. Lobe GRUR 1931, 1215, 1216. 36 Denkschrift bei Lobe Bekämpfung, Bd. 3 S. 15. 37 Zur Entstehungsgeschichte näher von Stechow S. 154 ff.; Wadle in ders. S. 381.
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es doch eine „allgemein gehaltene Vorschrift“ in Gestalt des § 1, die einer „kleinen Generalklausel“ weitgehend gleichkam. Im Übrigen normierte es eng umrissene Tatbestände der Unlauterkeit, wie die Anschwärzung oder die geschäftliche Verleumdung (§§ 6 und 7), den Kennzeichenmissbrauch (§ 8) sowie den Verrat von Geschäftsgeheimnissen (§ 9). Zugleich ergab sich mit der Einführung des UWG eine konkurrierende Gesetzesla16 ge: Das WZG von 1894 und das UWG von 1896 zielten beide auf einen Wettbewerbsund Unternehmerschutz. Die Rechtswissenschaft um 1900 war damit gezwungen, sich über das Verhältnis von Warenzeichen- und Wettbewerbsrecht Gedanken zu machen.38 Die Diskussion erweiterte sich mit der Einführung des BGB am 1. Januar 1900, als mit § 826 BGB eine deliktsrechtliche Generalklausel hinzukam.39 Neben der normativen Frage, ob der Gesetzgeber über eine Generalklausel oder abschließende Einzeltatbestände eingreifen solle,40 musste aufgrund des § 826 BGB grundsätzlich die Frage nach dem Rechtsgrund von Warenzeichen- und Wettbewerbsschutz beantwortet werden. 17 Die dazu vertretenen Theorien waren vielfältig: Adolf Lobe und Josef Kohler knüpften zur Lösung der Problematik an die Lehre von den Persönlichkeitsrechten an. Geschützt sei die Persönlichkeit auch in ihrer gewerblichen Betätigung, unerlaubter Wettbewerb verletze daher das Persönlichkeitsrecht.41 Andere wie z.B. Heinrich Mittler beurteilten den Aufbau und die Erhaltung einer Kundenbeziehung durch den Unternehmer dagegen als schutzfähige Arbeitsleistung, die zu einem tauglichen Immaterialgut erhoben werden könne.42 Für Alexander Elster war später das Schutzgut des Wettbewerbsrechts sogar Bestandteil eines „Geistesgut-Wettbewerbsrechts“.43 In Anknüpfung an die französische Praxis sahen einige Autoren also im Kunden- oder Abnehmerkreis – ähnlich wie bei den Firmenrechten – eine unternehmerische Leistung, die als subjektives Privatrecht anerkannt werden müsse. Freilich konnte mit dieser Begründung nicht nur § 826 BGB, sondern auch §§ 1004 und 823 BGB als Rechtsbehelf gegen jede Art unlauteren Wettbewerbs mobilisiert werden. Adolf Baumbach hat sich Anfang der 1930er Jahre gegen die persönlichkeits- bzw. 18 immaterialgüterrechtliche Verankerung des Wettbewerbsrechts gewandt, was freilich auch durch die veränderten Rahmenbedingungen der Weimarer Reichsverfassung unterstützt wurde. Unter Berufung auf das Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung nach Art. 151 WRV betrachtete er auch das Wettbewerbsrecht als ein primär „öffentliches, dem Staat gegenüber bestehendes Recht, kein Recht gegenüber Einzelpersonen“. Geschützt sei vielmehr „die gewerbliche Tätigkeit in ihrer Beziehung auf den gewerblichen
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38 Vgl. Kloeppel S. 1 ff.; Wirth GRUR 1910, 319; Osterrieth S. 415: „[…] Chaos von Bestimmungen, die sich aus der Anwendung des BGB, des HGB, des WG und des WzG zum Schutze gegen unlauteren Wettbewerb ergeben“; Katz Gesetz zum Schutz der Waarenbezeichnungen und unlauterer Wettbewerb (1894); Mittler Illoyale Concurrenz und Markenschutz; Veracius GRUR 1898, 237; Wassermann GRUR 1904, 63, 63. 39 Grundlegend RG 27.6.1905 JW 1905, 507; RG 11.4.1901 RGZ 48, 114, 119 f. 40 Dazu siehe z.B. Böttger S. 18 ff.; Katz S. 28 f. 41 Kohler S. 17 ff.; Leonhard S. 14; Lobe Bekämpfung, Bd. 1 S. 145 ff., 174 ff.; ders. Gesetz, S. 5 ff., 34: „Das Rechtsgut, dass er [der Gesetzgeber] schützen will, ist die von jedem Gewerbtreibenden durch seine eigene Thätigkeit erworbene Kundschaft“; Weiß S. 29 f. 42 Mittler S. 2: „Wir haben es hier mit einem immateriellen Gute zu thun, welches aber für den Gewerbetreibenden zu den kostbarsten gehört, da er ihm ja seine Existenz verdankt. Leichter könnte er oft eine Einbuße an seinem Eigenthume an materiellen Vermögensgegenständen oder an ausstehenden Forderungen verschmerzen denn an seiner Kundschaft, da dies die Quelle ist, welche ihm die Möglichkeit bietet, jeden anderweitigen Verlust wiederum zu decken“; Isay S. 23 ff.; ebenso spricht schon RG 26.1.1909 RGZ 70, 226, 229 von „immateriellen Elementen“. 43 Elster S. 21.
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Betrieb, auf das Unternehmen, also auf ein Objekt, nicht auf ein Subjekt“. Das Recht am Unternehmen sei ein absolutes, gegen jedermann wirkendes Recht, das eigentumsähnlich fremde Einwirkung ausschließe.44 Es gelte die „Sittlichkeitshysterie“ allmählich zu überwinden.45 Beide Rechtsbehelfe erwiesen sich in der Rechtspraxis allerdings als wenig hilfreich. 19 Einerseits konnte eine wirksame Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs über § 826 BGB kaum gelingen, weil schon die erforderliche Vermögensschädigung sowie der entsprechende Schädigungsvorsatz nur schwer nachweisbar waren.46 Immerhin bot diese Konzeption aber eine Handhabe, um z.B. gegen Erscheinungsformen des schweren Behinderungswettbewerbs wie Boykott und Diskriminierungsmaßnahmen vorzugehen.47 Andererseits waren die §§ 1004, 823 ff. BGB kaum gegen unlautere Verhaltenswei- 20 sen einsetzbar. Zum einen wurde ein allgemeines Persönlichkeitsrecht vom Reichsgericht nach wie vor nicht anerkannt.48 Zum anderen war das Recht am Gewerbebetrieb49 – wie es Baumbach in Erwägung zog – als Mittel gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten wenigstens aus der Sicht der damaligen reichsgerichtlichen Rechtsprechung weitgehend als untauglich anzusehen. Denn der dadurch vermittelte Schutz beschränkte sich auf unmittelbare Bestandseingriffe oder unmittelbare Eingriffe in die Betriebsführung.50 Im Ergebnis war damit eine Entwicklung abgeblockt worden, die – wie in Frankreich – den Schutz des lauteren Wettbewerbs als solchen dem allgemeinen Deliktsrecht hätte anvertrauen können. Wenngleich das UWG von 1909 hier die Weichen auch endgültig anders gestellt hat, so wirken jene konstruktiven Bemühungen, das Schutzgut des UWG, und damit Sinn und Zweck des ganzen Lauterkeitsrechts zu erklären und eine dogmatische Standortbestimmung des UWG in seinem Verhältnis zum bürgerlich-rechtlichen Deliktsrecht vorzunehmen, bis heute fort.51 IV. Das UWG von 1909 und seine Nebengesetze Den geschilderten Schwächen des bestehenden Lauterkeitsrechts versuchte nach 21 1900 auch der Gesetzgeber zu begegnen. Zu Beginn des Jahres 1909 legte die Reichsregierung einen Entwurf vor, der keineswegs als radikaler Neubeginn gedacht war, vielmehr nur punktuelle Verbesserungen bringen sollte.52 Eine „große“ wettbewerbsrechtliche Generalklausel war zwar nicht vorgesehen, es sollte aber wenigstens die Aktivlegitimation für Klagen aus der deliktsrechtlichen Generalklausel des § 826 BGB auf nicht selbst geschädigte Gewerbetreibende und auf Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen ausgedehnt werden.
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44 Baumbach S. 68 f. 45 Baumbach DJZ 1931, Sp. 58, 61; Lobe GRUR 1931, 1215, 1217. 46 Darauf weist bereits die Denkschrift im Zusammenhang mit den rechtspraktischen Schwierigkeiten hin, dem unlauteren Wettbewerb mit Hilfe des Straftatbestandes „Betrug“ wirksam zu begegnen, vgl. Lobe Bekämpfung, Bd. 3 S. 14. Eben diese Schwäche war ein Beweggrund zur Schaffung des UWG von 1896 gewesen; dagegen noch RG 22.12.1910 RGZ 74, 434, 436; Lobe GRUR 1910, 3, 4. 47 RG 2.2.1905 RGZ 60, 94, 104 f.; RG 11.4.1901 RGZ 48, 114, 127 f. 48 Allenfalls besondere Persönlichkeitsrechte erkannte das Reichsgericht an, z.B. RG 12.5.1926 RGZ 113, 413, 414; RG 4.10.1906 RGZ 64, 155, 156; RG 29.5.1902 RGZ 51, 369, 373. 49 RG 11.4.1901 RGZ 48, 114; vgl. dazu die Nachw. bei Sack S. 3 ff. 50 RG 17.2.1940 GRUR 1940, 375, 378 – Naturessig. – Zur Dogmengeschichte näher Katzenberger Recht am Unternehmen und unlauterer Wettbewerb; Sack Gewerbebetrieb (2007); Schippel S. 38 ff., 56 ff.; Schrauder S. 51 ff. 51 Vgl. Emmerich Unlauterer Wettbewerb, § 3 Rn. 5 ff.; Beater Verbraucherschutz, S. 4 ff. 52 Der Entwurf der Reichsregierung ist abgedruckt in Anlage 1 zur RTDrucks Nr. 1390 in Verhandlungen des Reichstages, XII. Legislaturperiode, Bd. 255, S. 8471.
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1. Die Einführung der Generalklausel im UWG 1909. Nach den ersten Plenumsberatungen des Reichstages wurde eine Kommission beauftragt, die sich von Anfang an einhellig für die Einführung einer „großen“ wettbewerbsrechtlichen Generalklausel aussprach.53 Zum einen müsse eine enumerativ-tatbestandliche Regelung immer unbefriedigend bleiben, zum anderen könne der Rechtsgedanke des § 826 BGB auch bei fahrlässigem Verhalten zum Zuge kommen. Unter dem Eindruck dieses formulierten Regelungszieles wurde in enger sprachlicher Anlehnung an § 826 BGB der neue § 1 UWG formuliert. 54 Damit hatte sich die Auffassung durchgesetzt, dass eine umfassende Schutzgesetzgebung gegen unlauteren Wettbewerb die Gewerbefreiheit weniger materiell einengt als vielmehr deren Ausübung fördert und letztlich überhaupt erst ermöglicht.55 Die bisherige kleine Generalklausel wurde in § 3 UWG beibehalten; im Übrigen wurden die vorhandenen Einzelnormen des bisherigen UWG klarer gefasst.56 Nach dem Ersten Weltkrieg, infolge dessen die freien Kräfte des Marktes weitgehend 23 zugunsten einer staatlich gelenkten Kriegswirtschaft eingeengt oder sogar aufgehoben wurden, kehrte die Wirtschaft nur allmählich auf ihr Leistungsniveau der Vorkriegszeit zurück. In der Weimarer Verfassung wurde zwar die „Freiheit des Handels und Gewerbes […] nach Maßgabe der Reichsgesetze gewährleistet“ (Art. 151 Abs. 3 WRV). Auch die „Ordnung des Wirtschaftslebens“ musste den „Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen“ (Art. 151 Abs. 1 WRV).57 Die zugleich in Art. 152 garantierte Vertragsfreiheit ermöglichte aber in den 1920er und 1930er Jahren die fortschreitende Kartellierung und Konzentration der Unternehmen, auch unter Billigung des Staates. Die Kartellverordnung von 1923, die Kartelle zwar einer staatlichen (Missbrauchs-)Aufsicht unterstellte, sie aber grundsätzlich anerkannte, verhinderte dies nur zum Teil.58 Der Nationalsozialismus knüpfte an diese Lenkungsinteressen an. Das bereits 1933 24 erlassene Zwangskartellgesetz59 läutete die vollständige Formierung der Wirtschaft zu einer zentral verwalteten, mit pathetisch vorgetragenem ideologischem Ballast befrachteten „Volksgemeinwirtschaft“ ein. Wettbewerbsfernes Denken in der Tradition eines wirtschaftlichen Ständestaates wurde mit einer ebenso diffusen wie perversen, letztlich freiheits- und menschenverachtenden Wirtschaftsdoktrin um „Blut und Boden“, Abschaffung der „Zinsknechtschaft“ und des „Zwischenhandels“ flankiert und die letzten Reste einer Wettbewerbswirtschaft zugunsten einer nach 1939 eintretenden Lenkungsund Kriegswirtschaft beseitigt.60
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53 Vgl. den Bericht der 35. Kommission zur Vorberatung des Entwurfs eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb,Verhandlungen des Reichstages, XII. Legislaturperiode, Bd. 255, Nr. 1390 S. 8433. 54 Bericht der 35. Kommission,Verhandlungen des Reichstages, XII. Legislaturperiode, Bd. 255, Nr. 1390 S. 8434 (passim). 55 Bereits Kohler S. 1 ff., 63; E. Ulmer GRUR 1937, 769, 770; kritisch später Hedemann Die Flucht in die Generalklauseln, S. 19 ff. 56 RGBl. 1909, 499. 57 Zum Wirtschaftsverfassungsrecht der Weimarer Republik siehe ausführlich Zacher Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland. 58 VO gegen Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen vom 2.11.1923, RGBl I, 1067; vgl. dazu Fikentscher § 22 II 6a S. 178; Nörr Mühlsteine, S. 143 ff. 59 Gesetz über die Errichtung von Zwangskartellen vom 15.7.1933, RGBl I, 488. – Dem Gesetz ging eine Änderung der KartellVO voraus, vgl. RGBl I, 487. 60 Zu diesem Prozess Gosewinkel Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur; Puppo Die Wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung des Dritten Reiches; Schill Der Einfluss der Wettbewerbsideologie des Nationalsozialismus auf den Schutzzeck des UWG.
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2. Die Zugabeverordnung von 1932. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskri- 25 se nahmen die wirtschaftspolitischen Lenkungsinteressen des Staates am Ende der Weimarer Republik dramatisch zu. Vor allem aus dieser Perspektive müssen die ersten, das UWG von 1909 flankierenden wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen betrachtet werden. Als Teil einer Notverordnung wurde das sog. Zugabewesen streng reglementiert.61 Die ohne Zustimmung des Reichstages am 9. März 1932 eingeführte ZugabeVO ging besonderen Abgrenzungsschwierigkeiten durch ein grundsätzliches Verbot der Zugabe aus dem Weg. Ausnahmen wurden entweder durch niedrige Wertgrenzen der Zugabe als vergleichsweise unattraktiv definiert oder durch deren Anknüpfung an die „Handelsüblichkeit“ (§ 1 Abs. 2 lit. d) ZugabeVO) ganz in den Dienst einer in ruhigen und traditionellen Bahnen verlaufenden Wirtschaft gestellt. In der ZugabeVO fand die tiefe Abneigung des mittelständischen Fachhandels gegen 26 die zunehmend innovativen Marketingaktivitäten der großbetrieblichen Einzelhandelsformen, namentlich der zugabeorientierten Warenhäuser, ab Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts ihren Ausdruck.62 Hinzu kamen Befürchtungen, „daß das sehr viel kapitalkräftigere Ausland sich Teile des deutschen Marktes mit dem Mittel der Zugabereklame erobern werde“. Wenn die bisher zugabeabstinenten Unternehmen gezwungenermaßen ebenfalls zu derartiger Wertreklame greifen müssten, um sich gegen die Konkurrenz zu behaupten, wäre damit „die Zuverlässigkeit des Geschäftsverkehrs in hohem Maße in Frage gestellt“, schon weil das Zugabewesen eine überflüssige und unwirtschaftliche Inanspruchnahme von Lagerraum auf allen Produktions- und Distributionsstufen mit sich brächte. Außerdem werde Nachfrage von jenen Geschäften abgezogen, aus denen die Zugabe branchenmäßig stamme. Schließlich gelte es auch, den Käufer vor einer mit der Zugabe verbundenen Ablenkung von der „Hauptware“ zu schützen.63 Die ZugabeVO traf vor allem jüdische Großhandelsunternehmer, die mit neuen 27 Absatzkonzepten erfolgreich gewesen waren.64 Die auch in der Weimarer Republik vorhandenen antisemitischen Ressentiments verbanden sich nun mit dem Unmut über den immer stärker werdenden ökonomischen Anpassungsdruck zu einem politisch äußerst prekären Zeitpunkt, in dem die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten unmittelbar bevorstand. Freilich fügte sich der zutiefst wettbewerbsfeindliche, auf Konservierung überkommener Strukturen bedachte, dabei kleinbürgerlich-protektionistische Geist der ZugabeVO ideal in das NS-Wirtschaftsregime ein, wie die Rechtsprechung schon bald ebenso geflissentlich wie befriedigt feststellen konnte.65 Von daher greifen ältere Auffassungen,66 die die ZugabeVO angesichts ihres Entstehungsdatums nicht mit nationalsozialistischem Gedankengut in Verbindung bringen wollen, zu kurz; die Fortgeltung der ZugabeVO unter der Herrschaft des Grundgesetzes bis 2001 ist vor diesem Hintergrund ohnehin befremdlich, zumindest peinlich.67
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61 VO des Reichspräsidenten zum Schutze der Wirtschaft vom 9.3.1932, RGBl I, 121. 62 Tetzner S. 10. 63 Vgl. die Erläuterungen der ZugabeVO, Deutscher Reichsanzeiger 1932, Nr. 61 S. 2. 64 Tetzner S. 10. 65 Paradigmatisch KG 4.2.1936 KG JW 1936, 956: „Die grundsätzliche Ablehnung des Zugabewesens entspricht auch nationalsozialistischer Wirtschaftsauffassung“; dazu auch Tetzner S. 14. 66 Vgl. Reimer/Krieger § 1 ZugabeVO Vorbem. 17. 67 Der nachkonstitutionelle Gesetzgeber hat die ZugabeVO durch Änderungen bestätigt und damit die Zwecksetzung des historischen Verordnungsgebers wenn auch nicht ausdrücklich, so doch mittelbar übernommen, vgl. Gesetz zur Änderung der VO zum Schutz der Wirtschaft vom 20.8.1953, BGBl I, 939; Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften vom 25.7.1986, BGBl I, 1169. Der Schutz des mittelständischen Fachhandels und der überkommenen Branchenbilder blieb präsent, vgl. dazu BGH 15.12.1953 GRUR 1954, 170, 173 f.; Baumbach/Hefermehl vor § 1 ZugabeVO Rn. 5; zu Recht kritisch bereits Vorauflage/Schünemann B 24; Schill S. 3 ff.
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Mit dem Erlass der ZugabeVO wurden auch wesentliche Umgestaltungen des UWG (u.a. im Ausverkaufsrecht) vorgenommen.68 Eine Novellierung des Sonderveranstaltungsrechts erfolgte drei Jahre später.69 Von den Ermächtigungen der neuen §§ 9 und 9a UWG machte der Reichswirtschaftsminister durch die Anordnungen über Verkaufsveranstaltungen besonderer Art und über die Neuregelung der Saisonschlussverkäufe alsbald Gebrauch.70 Ursache dieser Neuregelungen war die in der Tat große Zunahme von Sonder- und Ausverkäufen im Rahmen der Weltwirtschaftskrise, die den „regulären“ Warenumsatz sehr erschwerten.71 Motiv war wiederum der Mittelstandsschutz, der seinerzeit gesellschafts- und wirtschaftspolitisch mit dem nationalsozialistischen Programm eng verwoben war und der die Novelle von 1932, jedenfalls aber die von 1935 deutlich prägte.72 Unter dem nationalsozialistischen Wirtschaftsdirigismus verlor das Sonderverkaufswesen immer weiter an Bedeutung. Mit der Einführung einer umfassenden Reichsaufsicht für die gesamte Wirtschafts29 werbung einschließlich des Messewesens durch das Gesetz über die Wirtschaftswerbung vom 12. September 193373 endete faktisch das freie Marketing der Unternehmen in Deutschland. Materiell wurde die Wirtschaftswerbung durch § 3 dieses Gesetzes einem generellen Genehmigungsvorbehalt und damit einem totalitären Aufsichtsanspruch des nationalsozialistischen Wirtschaftsregimes unterworfen.74 Einzelgenehmigungen und Zulassungen zur Wirtschaftswerbung etwa an Werbeberater wurden nur solchen Personen erteilt, die den Nachweis ihrer „fachlichen Befähigung“ führen konnten und deren „Zuverlässigkeit“ es gewährleistete, dass sie die Richtlinien des Werberates beachteten.75
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3. Das Rabattgesetz von 1933. Das Gesetz über Preisnachlässe, sog. Rabattgesetz,76 vom 25.11.1933 wollte die schon mit der ZugabeVO verfolgten Intentionen effektiver umsetzen, nachdem innovative Unternehmen trotz Zugabeverbots Wertreklame nunmehr mit dem Instrument der Rabattierung betrieben. Wie bereits 1932 wurde das Ziel des Mittelstandsschutzes verfolgt,77 der wiederum mit wirtschaftspolitischen Vorstellungen
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68 Sie bestanden in der Einfügung der §§ 7, 7a und 7b UWG (Ausverkaufsrecht) und der prinzipiellen Neufassung der §§ 7–10 UWG. Auch §§ 17 und 18 UWG wurden neu formuliert und die §§ 20a und 27a (Einigungsämter) eingefügt, vgl. RGBl I, 121, 122 ff.; im Zusammenhang mit dem Beitritt des Deutschen Reiches zum Madrider Markenabkommen (MMA) war schon 1925 § 22 UWG geändert worden, vgl. Gesetz über den Beitritt des Reiches zu dem Madrider Abkommen, betreffend die Unterdrückung falscher Herkunftsangaben auf Waren vom 21.3.1925, RGBl II, 115. 69 Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb vom 26.2.1935, RGBl I, 311. 70 Anordnung vom 4.7.1935, Deutscher Reichsanzeiger 1935, Nr. 158, S. 1. 71 Dazu Kind S. 46. Demnach wurden allein 1931 im Bereich der Industrie- und Handelskammer Berlin 1166 „Ausverkäufe“ angemeldet. 72 Vgl. Mewes S. 52 ff. 73 RGBl I, 625. 74 Das zeigen auch die zahlreichen Durchführungsbestimmungen und Bekanntmachungen des sog. Werberates, der die nationalsozialistischen Vorstellungen der Wirtschaftswerbung umsetzte. Die gesetzlichen Grundlagen sind abgedruckt bei von Braunmühl/Zweck Wirtschaftswerbung; vgl. auch Hedemann Deutsches Wirtschaftsrecht, S. 113 f. 75 Vgl. Zweite Bekanntmachung des Werberates der deutschen Wirtschaft vom 1.11.1933 (Nr. 14), abgedruckt in von Braunmühl/Zweck S. 14. 76 Gesetz über Preisnachlässe (Rabattgesetz) vom 25.11.1933, RGBl I, 1011. – Zur Geschichte des RabattG näher Matz S. 245 ff.; Lies-Benachib in Pahlow S. 272. 77 Anschaulich insbesondere die amtliche Begründung zu § 2 RabattG (Reichsanzeiger 1933, Nr. 184): „Die z.T. wilde Steigerung der Preisnachlasshöhe führt zu einer solchen Verminderung des Rohgewinns, dass die Lebensfähigkeit vieler – besonders kleinerer – Geschäfts-, Gewerbe- und Handwerksbetriebe in Frage gestellt wird … höhere Preisnachlässe [als gesetzlich gestattet, L.P.] sind … schädlich“. Vgl. ferner die selbst innerhalb des Rabattgesetzes selbst angelegte weitere Diskriminierung von „Warenhäusern, Einheits-, Klein- oder Serienpreisgeschäften sowie ähnlicher, durch die besondere Art der Preisstellung
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etwa über „normale“, „vernünftige“ und „gesunde“ kaufmännische Kalkulation und Tradition, die es zu gewährleisten gelte, vermengt wurde. Unverkennbar wurde nunmehr auch an die nationalsozialistische Ideologie angeknüpft, die einer freiheitlichen, auf individuellem Unternehmerrisiko beruhenden Wettbewerbswirtschaft eher entgegenstand. Umso befremdlicher ist es, dass nicht nur die grundsätzliche Fortgeltung des RabattG auch in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 möglich, sondern dass gerade die Rechtsprechung mit Rücksicht auf eben diesen vom historischen Gesetzgeber genannten Schutzzweck um eine schlagkräftige Durchsetzung des RabattG bemüht war.78 Die Widersprüche gegenüber einem nachfrageorientierten Preiswettbewerb haben daher vor allem in der Nachkriegszeit zu vehementer Kritik an dem Rabattgesetz geführt.79 Wie stark das NS-Regime einen an der individuellen Wirtschaftsfreiheit orientierten 31 und von den einzelnen Wirtschaftssubjekten jeweils eigens zu verantwortenden Wettbewerb ablehnte, zeigt auch die sog. Verordnung über Wettbewerb vom 21. Dezember 1934.80 Wenngleich sie formal Strafrecht enthielt, stand sie systematisch in engem Zusammenhang mit dem Lauterkeitsrecht. Dabei widmete sich die Verordnung zwar nur einem einzigen Tatbestand, dem sog. Verschleudern, also der Leistungserbringung unter Selbstkosten. Den wettbewerbsfeindlichen Hintergrund machte aber die Präambel deutlich, die als „staatliche Stellungnahme zum Wettbewerb“ gelesen und verstanden wurde.81 Danach dürfe der Wettbewerb niemals „die Sicherung der Ernährung aus heimatlicher Scholle […] beeinträchtigen“. Zu niedrig kalkulierte Preise, aus denen Steuern und Löhne nicht gezahlt und die Gläubiger nicht befriedigt werden könnten, stünden nicht im Einklang mit einem auf Leistung und Verantwortungsbewusstsein gegründeten Wettbewerb und stellten damit nicht den für die Volkswirtschaft besten Preis dar. Angesichts dieser Diktion überrascht es, dass der nachkonstitutionelle Gesetzgeber auch diese Verordnung in seinen Willen aufgenommen hat.82 V. Das Lauterkeitsrecht in der Rechtsprechung des Reichsgerichts (1909–1945) Das Reichsgericht hat nach dem UWG von 1909 nachhaltig die Dogmatik des Wett- 32 bewerbsrechts beeinflusst. Das gilt insbesondere für die Auslegung der Generalklausel des § 1 a.F., zu der sich auch unter dem BGH bis zum UWG von 2004 ein breitgefächerter Kanon unterschiedlicher Fallgruppen entwickelte. Im Folgenden wird auf wesentliche Entwicklungslinien eingegangen, die freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit begründen können. Schon vor dem Ersten Weltkrieg legte das Reichsgericht erste Grundsteine für eine 33 Erweiterung des Schutzzweckes des UWG. Publikumsschützende Motive wurden zwar bereits unter dem Markenschutzgesetz sowie dem WZG aus zeichenrechtlicher Perspektive anerkannt (dazu oben Rn. 6 f.). Im Rahmen des UWG verlieh das Reichsgericht aber
_____ gekennzeichneter Geschäfte …“ durch den in der Bundesrepublik für nichtig erklärten § 6 RabattG (vgl. BVerfG 11.4.1967 GRUR 1967, 605 ff. – Warenhaus-Rabatt). 78 Vgl. BGH 30.6.1983 GRUR 1983, 682 – Fach-Tonband-Kassetten m. Anm. Gloy; BGH 24.2.1978 GRUR 1978, 485, 486 – Gruppenreisen; BGH 6.11.1986 GRUR 1987, 302, 304 – Unternehmeridentität; dazu Vorauflage/Schünemann B 29 m.w.N. 79 Königs NJW 1961, 1041, 1043 f.; P. Ulmer FS Hefermehl, S. 377, 383 ff.; Emmerich Recht des unlauteren Wettbewerbs (1998) § 6, 2a, S. 63 f.; Gröschner BB 1982, 1331; Mestmäcker S. 282 ff.; P. Ulmer GRUR Int. 1983, 611; sowie die weiteren Nachweise bei Vorauflage/Schünemann Einl. B 30. 80 RGBl 1934, I, 1280. 81 Zu alldem auch Hedemann Deutsches Wirtschaftsrecht, S. 114 f. 82 Vgl. die Sammlung des Bundesrechts zum Sachgebiet Zivilrecht und Strafrecht vom 15.5.1960, BGBl III, 1960 (Folge 11), 147.
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dem Verbraucherschutz in einem Urteil vom 7.4.1914 mehr Gewicht, wenn auch zunächst nur als Reflex eines wettbewerbsrechtlichen Interesses „an der Reinhaltung des öffentlichen gewerblichen Verkehrs“.83 Jedoch erhält das „Interesse des Publikums an der Reinhaltung des öffentlichen Verkehrs“ mit dem Urteil aus dem Jahr 1924 zu § 16 UWG eine weitergehende Bedeutung, dessen Zweck nicht nur im Schutz des Konsumenten, sondern gerade auch in den „Interessen der Allgemeinheit“ gesehen wurde.84 1928 wird der Begriff des Allgemeininteresses präzisiert: Das Klagerecht, ja das ganze Wettbewerbsrecht, sollte nicht nur – wie es vordergründig erscheinen mochte – dem Konkurrenten in seiner individuellen Betroffenheit zur Seite stehen, sondern den „Auswüchsen des Wettbewerbs“ auch im öffentlichen Interesse entgegenwirken.85 Später ging das Reichsgericht noch weiter und stützte die Zulässigkeit einer Verbandsklage auf den Rechtsgedanken, dass der Aktivlegitimierte selbst „im öffentlichen Interesse den Auswüchsen des Wettbewerbs überhaupt, d.h. auf irgendeinem Gebiet, entgegentreten“ müsse.86 Dieser neue, einer Popularklage gleichkommende Ansatz wurde in seiner Tragweite für die bisherige, streng am Konkurrentenschutz orientierte Sicht des UWG als wegweisend gewürdigt, wenngleich auch kontrovers beurteilt.87 Selbstbewusst justierte das RG auch das schwierige Verhältnis zwischen Waren34 zeichenrecht und Lauterkeitsrecht vor allem in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts neu. Mit der Einführung des UWG von 1909 wird auch die Einstellung zum Warenzeichenrecht eine andere. Letzteres wird nur noch als Ausschnitt aus dem großen Gebiet des Wettbewerbsrechts betrachtet, als Teil einer „höheren Ordnung“.88 Der Schutz des Warenzeichenrechtes finde seine Schranken an jenen anderen Bestimmungen, insbesondere an denen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 1) und des BGB (§ 826 BGB).89 Seitdem dürfe das „formale Zeichenrecht […] nur innerhalb der Grenzen ausgeübt werden, die das Recht höherer Ordnung setzt, insbesondere nur innerhalb der Grenzen des lauteren Wettbewerbs und guter Sitten, in deren Dienst auch das formale Zeichenrecht steht, nicht aber zur Verübung unlauterer Handlungen und zu Verletzungen materiellen Rechts“.90 Verstößt demnach eine Handlung gegen die guten Sitten, so ist sie unzulässig und wird nicht dadurch zulässig, dass sie in Ausübung eines durch Eintragung in die Zeichenrolle erworbenen Rechtes erfolgt. Diese Auffassung ist bereits in der Literatur zum UWG von 1909 angedacht worden.91 Das vom Reichsgericht ausgerufene Dogma vom Warenzeichenrecht als Teil ei35 ner „höheren Ordnung“ des Wettbewerbsrechts hatte der genutzten und im Verkehr durchgesetzten Marke nach dem Ersten Weltkrieg gegenüber der eingetragenen Marke
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83 RG 7.4.1914 MuW 15 (1915/1916), 48 f., 49 – Ärztlicher Bezirksverein: „Die Vorschriften gegen die unlautere Reklame sollen übrigens neben dem Schutz des Konkurrenten auch der Reinhaltung des öffentlichen gewerblichen Verkehrs im Interesse des Publikums dienen“; vgl. demgegenüber noch RG 14.3.1911 RGZ 75, 370, 373. 84 RG 27.5.1924 RGZ 108, 272, 274. 85 RG 24.1.1928 RGZ 120, 47, 49; Möschel S. 134 f.; Rosenthal § 13 Rn. 2. 86 RG 21.4.1931 RGZ 132, 311, 316; RG 29.4.1930 RGZ 128, 330, 343. – Zu dieser Entwicklung ferner Buxbaum Die private Klage als Mittel zur Durchsetzung wirtschaftspolitischer Rechtsnormen; Kötz in Homburger/ders. S. 69, 92 f.; Sack WRP 1985, 1, 11. 87 Vgl. ablehnend z.B. Callmann § 13 Rn. 2; dafür Rosenthal § 13 Rn. 2. 88 RG 29.10.1926 RGZ 114, 360, 363. – Dazu auch Pahlow in Lange/Klippel/Ohly S. 69, 80 ff. 89 RG 19.6.1925 RGZ 111, 192, 197; RG 2.2.1923 RGZ 106, 250, 254; RG 26.4.1915 RGSt 49, 242 f. 90 RG 19.6.1925 RGZ 111, 192, 197. 91 Seyfferth S. 60, 64: „Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, dass die besondere Art der Benutzung eines Warenzeichens durch den Eingetragenen unter Umständen eine Handlung darstellt, auf die die Vorschriften dieses Gesetzes (§§ 3, 4, besonders aber § 1) Anwendung finden […]“; Finger S. 184.
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deutlich mehr Gewicht verschafft.92 Der zweite Senat hatte damit den Anwendungsbereich des § 1 UWG nicht nur zur Ausfüllung von Lücken, sondern auch als Richtschnur des Warenzeichenrechts herangezogen. Darin lag eine auch in anderen Bereichen des Wirtschaftsrechts feststellbare Tendenz, durch die die sozial- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte der Weimarer Zeit in die Rechtsprechung einfließen konnten.93 In den 1930er Jahren begann das Reichsgericht zudem, wesentliche Weichenstel- 36 lungen für die judikative Bewertung der sog. vergleichenden Werbung vorzunehmen: Während zuvor unter Hinweis auf einen Umkehrschluss aus §§ 14 f. UWG vergleichende Werbung als wettbewerbsrechtlich unbedenklich eingestuft wurde, sprach das Reichsgericht das Verdikt der Sittenwidrigkeit aus, weil sie den „Grundsätzen des anständigen […] ordnungsmäßigen Wettbewerbs“ zuwiderlaufe.94 Außerdem zog das Reichsgericht einen Schlussstrich unter seine jahrzehntelang umstrittene Rechtsprechung, geographischen Herkunftsangaben nur einen recht geringen Schutz im Rahmen des UWG zukommen zu lassen.95 Es liegt auf der Hand, dass gerade unbestimmte Rechtsbegriffe für die verschiede- 37 nen ideologischen Auffassungen über den Schutz des lauteren Wettbewerbs instrumentalisiert werden konnten. Veranschaulicht werden kann das anhand des Begriffes des sog. Allgemeininteresses, der bereits vor 1933 Einzug in die wettbewerbsrechtliche Dogmatik gefunden hatte.96 Seit 1936 sollte das Allgemeininteresse bei der Anwendung des § 1 UWG der praktischen Durchsetzung bestimmter wirtschaftspolitischer Zielsetzungen dienen.97 War das Allgemeininteresse zunächst noch ökonomisch, wenn auch nicht wettbewerbskonform definiert worden, so verkam es in der Folge vollends zum Vehikel einer ideologisch-rassistischen Doktrin. Nachdem schon im allgemeinen Zivilrecht die guten Sitten durch das von nationalsozialistischer Weltanschauung gespeiste, das „Allgemeininteresse“ verkörpernde „gesunde Volksempfinden“ bestimmt wurden,98 berief sich die Rechtsprechung auch im Wettbewerbsrecht offen auf diesen Maßstab. So stand mit den guten Sitten durchaus im Einklang, wenn ein Lieferant seinen Kunden gegenüber darauf hinwies, dass ein anderer Lieferant Jude sei. Die noch kurz zuvor praktizierte Rechtsprechung, die die Bezeichnung eines Versicherungsunternehmens als „internationale Judengesellschaft“ mangels Leistungsbezuges zum Versicherungsschutz für unzulässig erklärt hatte,99 wurde aufgegeben, weil „der volksbewußte Deutsche […] eine geschäftliche Verbindung mit dem Juden vermeiden“ wolle.100
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92 Deutlich Adler Festgabe zum 50jährigen Bestehen des RPA, S. 153 ff., 182: „Die dargestellte Entwicklung zeigt den Sieg des materiellen Prinzips, dass niemand gegen die guten Sitten handeln darf, über das Formalprinzip.“ – Dazu näher Beier GRUR 1967, 628, 630 m.w.N.; vgl. ferner Tetzner § 15 WZG, Rn. 10. 93 Nörr Mühlsteine, S. 158 ff. 94 RG 6.10.1931 GRUR 1931, 1299, 1301. 95 RG 27.11.1933 GRUR 1934, 59, 60; RG 7.2.1933 RGZ 139, 363 ff. 96 Z.B. RG 29.4.1930 RGZ 128, 330, 342 f.; RG 27.5.1924 RGZ 108, 272, 274; – dazu auch Rüthers S. 219 ff.; Schill S. 39 ff. 97 RG 14.10.1937 GRUR 1938, 207, 209; RG 27.3.1936 GRUR 1936, 810, 812. 98 Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen, RG 13.3.1936 RGZ 150, 1, 4 ff. 99 RG 25.2.1936 RGZ 150, 298, 303 ff., 307; siehe auch OLG Köln 27.11.1933 GRUR 1934, 202: Die Bezeichnung eines Unternehmens als „jüdisch getarnt“ sei wettbewerbsrechtlich mangels geschäftlicher Relevanz unzulässig; gleichwohl sei festzustellen, dass der jüdische Einfluss zurückgedrängt werden müsse. Die „hohen Bestrebungen“ der NSDAP seien zu „heilig“, „als daß sie durch Verknüpfung mit reinen Geschäftsinteressen in den Staub eines unfairen Konkurrenzkampfes“ herabgezogen werden dürfe. 100 RG 30.11.1938 JW 1939, 429, 430; ähnlich OLG Hamburg 12.10.1938 JW 1938, 3052. Dazu insgesamt auch Pause S. 313 ff., 314; Rüthers S. 219 ff.; Schill S. 39 ff.
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VI. Die Entwicklung des Lauterkeitsrechts in Deutschland nach 1945 1. Das UWG in der BRD (1949–1989). Nach 1945 zielten die ersten Schritte auf die Wiederherstellung einer auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaftsordnung. Von einschneidender Bedeutung waren der Erlass des die Währungsreform vorbereitenden Gesetzes über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform (sog. Leitsätzegesetz), die Währungsreform selbst sowie die Preisfreigabeanordnung Ludwig Erhards, die als Geburtsstunde der sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland angesehen werden kann.101 39 Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung enthielt das Grundgesetz keine dezidierten Bestimmungen zur Wirtschaftsordnung bzw. -verfassung; letztere musste vielmehr aus einer Zusammenschau unterschiedlicher Verfassungsartikel ermittelt werden.102 Nach der Währungsreform und der grundsätzlichen Preisfreigabe kehrten die Instrumente einer freien Werbewirtschaft zurück. Zur Reglementierung von Schlussverkäufen erging daher schon im Juli 1950 eine auf § 9 UWG gestützte Verordnung über zulässige Sommerund Winterschlussverkäufe.103 Eine erste Nachkriegsänderung des UWG galt 1957 dem in § 27a UWG verankerten Einigungsverfahren.104
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a) Verhältnis zum Kartellrecht. Besonderen Einfluss auf die Entwicklung des Lauterkeitsrechts hatte das zum 1. Januar 1958 in Kraft getretene Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 27. Juli 1957.105 Aus dem Spannungsverhältnis zwischen UWG und GWB106 entwickelte sich zunehmend die Einsicht, dass UWG und GWB in einer höheren, Individual- und Institutionsschutz versöhnenden substantiellen wettbewerbsrechtlichen Einheit verbunden seien.107 Dies war für die Anwendung des Lauterkeitsrechts insbesondere bei der Konkretisierung der Generalklauseln und hier wiederum des Zulässigkeitsmaßstabes der guten Sitten nach § 1 UWG von ausschlaggebendem Gewicht.108 41 Der in § 28 Abs. 2 GWB ausdrücklich normierte Begriff des „leistungsgerechten Wettbewerbs“ hatte nach der zweiten GWB-Novelle von 1973109 das Verständnis des Schutzzwecks bzw. Schutzguts auch des § 1 UWG nunmehr ganz an die Gegenüberstellung von schützenswertem Leistungs- und unlauterem Nichtleistungs- bzw. Behinderungswettbewerb gebunden.110 In der Folgezeit wurde zudem mit dem EGStGB von
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101 Dazu wiederum Fikentscher § 20 II 7a S. 31 ff.; Schlecht Grundlagen und Perspektiven der sozialen Marktwirtschaft; Steindorff S. 15. 102 Zu diesem Prozess und den kontroversen Diskussionen näher Nörr Republik der Wirtschaft, Bd. 1, S. 58 ff., 81 ff. 103 VO des Bundesministers für Wirtschaft vom 13.7.1950, Bundesanzeiger 1950, Nr. 135; dazu auch Kind S. 61 ff. 104 Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Gesetzes über das Zugabewesen und des Rabattgesetzes vom 11.3.1957, BGBl I, 172. Zu einer früheren Neufassung dieser Vorschrift vgl. die Verordnung vom 8.3.1940, RGBl I, 480 f. 105 BGBl I, 1081. – Dazu Nörr Leiden, S. 185 ff. 106 Vgl. insbesondere Königs NJW 1961, 1041, der sich für Wechselwirkungen zwischen UWG und GWB ausspricht. Zudem Knöpfle Rechtsbegriff, S. 345; ders. Marktbezogene Unlauterkeit, S. 7 ff. 107 Vgl. Reimer/von Gamm Wettbewerbsrecht, S. 8. 108 Vgl. z.B. BGH 26.4.1990 GRUR 1990, 687, 688 – Anzeigenpreis II; BGH 26.4.1990 GRUR 1990, 685, 686 – Anzeigenpreis I. 109 BGBl I, 917. 110 Vgl. z.B. P.Ulmer GRUR 1977, 565, 580 („leistungsfremde Verhaltensweisen“); zudem Böhm S. 73 ff., 124 ff.; Lobe Bekämpfung, Bd. 1 S. 47 ff.; dazu schon Nipperdey S. 16 ff.
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1974 durchweg das straf- und ordnungsrechtliche Sanktionsinstrumentarium des UWG bereinigt bzw. angepasst.111 1975 wurde dann § 7d UWG eingefügt.112 b) Schutz der Verbraucherinteressen. Der schon lange proklamierte und geforderte 42 Gedanke, dass das UWG auch Verbraucherinteressen schütze, wurde mit der Novelle vom 21. Juli 1965113 auch verfahrensrechtlich verankert. Der eingefügte § 13 Abs. 1a UWG114 sah ein Klagerecht auch für bestimmte Verbraucherschutzverbände vor. Die Aktivlegitimation im Rahmen des § 1 UWG beschränkte sich auf Formen der irreführenden Werbung, weil man mehrheitlich nur dadurch eine wesentliche Betroffenheit der Verbraucher feststellen zu können glaubte.115 Kritisch wurden dagegen die 1969 eingefügten §§ 6a und 6b UWG aufgenommen.116 43 Unter dem Deckmantel eines Verbraucherschutzes117 war der Versuch unternommen worden, durch einen massiven Eingriff in den sog. Stufenwettbewerb traditionelle Distributionsstrukturen festzuschreiben, nachdem einschlägige Bemühungen, dieses Ziel über § 1 UWG zu erreichen, gescheitert waren.118 Die Literatur hat den Gesetzgeber angemahnt, dass eine Organisation von Produktion und Distribution auf Groß- und Einzelhandelsebene allein Sache der Marktkräfte bleiben müsse und nicht normativ geregelt werden dürfe.119 1969 fügte der Gesetzgeber das Merkmal „zu Zwecken des Wettbewerbs“ in § 3 44 ein120 und änderte dadurch den Tatbestand für die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeitsprüfung nach § 3 UWG. Die bisherigen „unrichtigen Angaben“, die „geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen“, wurden ganz allgemein auf „irreführende Angaben“ über geschäftliche Verhältnisse erweitert. Die alte Normsubstanz hat sich jedoch in dem Straftatbestand des § 4 UWG vorerst noch erhalten. c) Reformbemühungen. Am Ende der 1970er Jahre lassen sich Reformbemühungen 45 feststellen, die allerdings über die parlamentarische Diskussion nicht hinausgingen. Im Einklang mit den Empfehlungen einer Sachverständigenkommission zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sowie in Übereinstimmung mit dem Verbraucherbeirat im Bundeswirtschaftsministerium legte die sozial-liberale Koalition 1978 einen Änderungsentwurf für das UWG vor.121 Dieser sah u.a. eine Verschärfung der Straftatbestände
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111 Insbesondere wurden §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 2, 8, 10, 12, 15 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 3, 18, 20a, 22, 23 Abs. 1 UWG geändert und §§ 11 Abs. 4 sowie 26 UWG aufgehoben. Allerdings erfuhr auch § 27a (Abs. 5 und Abs. 11) UWG dabei eine Umgestaltung, vgl. BGBl I, 469. 112 BGBl I, 685. 113 Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Warenzeichengesetzes und des Gebrauchsmustergesetzes vom 21.7.1965, BGBl I, 625. 114 Vgl. § 13 Abs. 2, 3 UWG. 115 Zur rechtspolitischen Kontroverse, in welcher der weitgehende Entwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion sich nicht durchsetzen konnte, vgl. auch BTDrucks IV/2001 S. 1 f.; BTDrucks IV/2217 S. 1 ff.; BTDrucks IV/3403 S. 1 ff. 116 Dazu Vorauflage/Schünemann B 42. 117 Vgl. die Motive des Rechtsausschusses BTDrucks V/4035 S. 7 ff. 118 BGH 5.5.1959 WuW/E 1959, 339 – Elektrogeräte; BGH 27.6.1958 GRUR 1958, 557 – Direktverkäufe. 119 Gröner/Köhler S. 69 ff.; Kilian Schutz des Verbrauchers (1987); Schricker/Lehmann S. 94 ff.; Mestmäcker S. 285 ff. 120 Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb vom 26.6.1969, BGBl I, 633. Kurz zuvor, am 25.6.1969, war durch Art. 55 des ersten Strafrechtsreformgesetzes § 23 UWG völlig umgestaltet worden (BGBl I, 645). 121 BTDrucks 8/2145 S. 1 ff. (der dem Regierungsentwurf zugrundeliegende Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium ist abgedruckt in WRP 1978, 277). Befürwortend hierzu z.B. Krieger WRP 1978, 1; Schricker GRUR 1979, 1; krit. dagegen Ahrens WRP 1978, 677; Borck WRP 1978, 333, 337 ff.
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(§§ 4 und 17 UWG) sowie die Strafbarkeit progressiver Kundenwerbung (sog. Schneeballsystem) vor. Neuregelungen sollten zudem u.a. die Verbandsklagebefugnis, das Einigungsverfahren und die Streitwertfestsetzung betreffen. Vorgesehen war schließlich auch ein Rücktrittsrecht sowie ein Schadensersatzanspruch des irregeführten Verbrauchers. Ziel der geplanten Reform war es, einem Wandel im Verständnis des UWG Rechnung zu tragen, das sich nunmehr dezidiert neben dem Konkurrentenschutz auch den Verbraucherschutz auf seine Fahnen geschrieben hatte.122 Die Opposition dagegen wollte mit ihrem Entwurf eine Neuorientierung der Generalklausel des § 1 UWG erreichen, „wonach Handlungen untersagt werden [sollten], die geeignet sind, der Wirksamkeit eines leistungsgerechten Wettbewerbs“ entgegen zu wirken.123 Bestimmte Formen der Preisgegenüberstellung und der Werbung mit mengenmäßigen Beschränkungen sollten danach untersagt werden. Beweislastregelung und Neuformulierung des § 23a UWG rundeten das Vorschlagspaket der Opposition ab. Die parlamentarische Diskussion führte bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 1980 zu keinem greifbaren Ergebnis. Auch spätere Novellierungsbemühungen, die etwa Schadensersatzansprüche der Verbraucher auf das negative Interesse beschränken wollten, wurden nicht umgesetzt. Erst 1986 traten mit der christlich-liberalen Koalition die Novellierungsplanungen in eine neue Phase. Der Entwurf der Regierungskoalition sah neben dem Verbot bestimmter Werbeformen mit mengenmäßigen Beschränkungen und Preisgegenüberstellungen eine Straffung i.S. einer Vereinfachung des Sonderveranstaltungsrechts, den Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs für die erste Abmahnung, ein Rücktrittsrecht des irregeführten Verbrauchers sowie eine flexible Streitwertbemessung vor.124 Das sog. Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften wurde am 25. Juli 1986 verabschiedet und trat am 1. Januar 1987 in Kraft.125 Damit waren §§ 6d und 6e, 13a UWG eingefügt und das Sonderveranstaltungsrecht in den §§ 7 f. UWG konzentriert. §§ 9, 9a, 10 und 11 UWG entfielen. § 13 UWG wurde redaktionell überarbeitet und die Aktivlegitimation der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern verdeutlicht. Parallel dazu wurden auch die strafrechtlichen Elemente des UWG neu gestaltet.126 In der Literatur sind die Neuregelungen auf erhebliche Kritik gestoßen, u.a. deshalb, weil ein Teil der Änderungen nicht dem Schutz des Wettbewerbs, sondern dem Schutz mittelständischer Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb diene.127 Eine bescheidende Liberalisierung des Wettbewerbsrechts brachte erst das UWG-Änderungsgesetz von 1994,128 die sog. kleine UWG-Reform. Entscheidende Änderungen erfuhr das UWG durch das Markenrechtsreformgesetz vom 25. Oktober 1994.129 Die kennzeichenrechtliche Bestimmung des UWG (§ 16) wurde
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122 Dazu eingehend Lindemeyer/Henseler WRP 1978, 87. 123 BTDrucks 8/1670 S. 2. 124 BTDrucks 10/4741 S. 1 ff. 125 BGBl 1986, I, 1169. 126 Mit Wirkung zum 1. August 1986 war nun materiellrechtlich mit § 6c UWG die progressive Kundenwerbung strafbar und die Strafbarkeit der Betriebsspionage wurde nach § 17 UWG deutlich verschärft. Verfahrensrechtlich markant ist die Einführung des § 22 Abs. 1 S. 2 UWG, der die §§ 17, 18 und 20 UWG bei besonderem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung zu Offizialdelikten aufgewertet hat, vgl. 2. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BGBl. I, 721. Siehe auch die Regierungsentwürfe aus den Jahren 1982 und 1983 (BTDrucks 9/2008 [30.9.1982] und 10/318 [26.8.1983]) sowie die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses vom 19.2.1986 (BTDrucks 10/5058). 127 Emmerich Recht des unlauteren Wettbewerbs (1998) § 2, 5, S. 9 f. 128 Gesetz zur Änderung des UWG vom 25.7.1994, BGBl I, 1738. 129 BGBl I, 3082.
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aufgehoben. Neben §§ 12 BGB und 37 HGB traten nunmehr die §§ 5, 15 MarkenG als die zentralen Normen des Rechts der geschäftlichen Bezeichnungen. Eine Änderung der materiellen Rechtslage war damit nach Auffassung des Gesetzgebers nicht beabsichtigt. Der häufig wiederholte Hinweis darauf besagt allerdings nicht, dass keine Änderungen eingetreten oder noch zu erwarten sind. Der BGH hat inzwischen das Verhältnis von Kennzeichen- und Lauterkeitsrecht deutlich i.S. einer sog. Vorrangregel zugunsten des MarkenG neu justiert130 und damit zugleich eine dogmatische Diskussion in Gang gesetzt.131 2. DDR (1949–1989). Anders als der Bundesrepublik lag der DDR bekanntlich kei- 50 ne wettbewerbsorientierte Markt-, sondern eine sozialistische Planwirtschaft als Wirtschaftsordnung zugrunde. Dennoch wurde das UWG 1909 trotz seines „Klassencharakters für das Recht“132 formal niemals aufgehoben.133 In das nach sowjetischem Muster geformte Wirtschaftsmodell der DDR passte das UWG freilich nicht.134 Zum einen war die Binnenwirtschaft der DDR vom Prinzip der zentralen staatlichen Planung und Leitung sämtlicher ökonomischer Prozesse bestimmt. Wenn auch eine gewisse, legislativ aber genau umrissene „Eigenverantwortung“ zugebilligt wurde, so blieben die Marktteilnehmer doch stets Ausführungsorgane des Staates, denen die Pflicht oblag, mit den zugeteilten sachlichen und personellen Mitteln die normativ gestellten Aufgaben bestmöglich zu erfüllen. Jeder Planunterworfene musste dabei in dem politischen zentral definierten und ökonomisch mit den Belangen des Einzelnen gleichgesetzten Interesse der Allgemeinheit handeln.135 Die DDR-Volkswirtschaft schloss typische Konkurrenzsituationen aus, ein Wettbewerb im lauterkeitsrechtlichen Sinne war damit nicht möglich. Zum anderen konnte es auch in den außenwirtschaftlichen Beziehungen der DDR 51 keine wettbewerbsrechtlichen Freiräume geben, wenn auch Stimmen in der ostdeutschen Literatur versucht haben, dieses Bild zu kaschieren.136 Zwei Gründe sprechen auch hier dagegen: Erstens gibt es in zentralisierten Wirtschaftsordnungen sowjetischen Musters innerstaatlich keine Betätigungs- und damit keine Niederlassungs- und Handelsfreiheit. Um die interne Autonomie auf dem ökonomischen Feld zu sichern, hatte man daher zweitens das eigene Territorium mit einem staatlich-administrativen Schutzmantel umgeben. Instrument dieser Einigelung war das Außenhandelsmonopol der DDR. Das wiederum hieß, dass die grenzüberschreitenden Waren- und Geldströme im Ex- und Import allein von staatseigenen Unternehmen organisiert und geleitet wurden.137 Die Kontakte mit ausländischen Wirtschaftseinheiten liefen praktisch nur über jene von der politischen Führung akzeptierten und kontrollierten Vermittlungsstellen. Ein Ausländer konnte demnach schon systembedingt nicht einfach Geschäfte mit Betrieben in der DDR
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130 Vgl. BGH 21.9.2006 – I ZR 270/03 – GRUR 2007, 339, 342 – Stufenleitern; BGH 22.11.2001 – I ZR 138/99 – GRUR 2002, 622 – shell.de; BGH 29.4.1999 GRUR 2000, 70, 73 – SZENE; BGH 30.4.1998 GRUR 1999, 161, 162 – MAC Dog. 131 Zu den beiden Standpunkten vgl. u.a. Ohly FS Schricker, 105; Köhler GRUR 2007, 548. 132 Müller/Woltz S. 17. 133 In einer 1967 vom Institut für Zivilrecht der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg herausgebrachten Textausgabe „Handelsrechtliche Gesetze und Haftpflichtbestimmungen“ wurde es noch abgedruckt, vgl. Dornberger S. 363 ff. 134 Vgl. nur Müller/Woltz S. 15 ff.; dazu auch Lieser Deutschlandarchiv 1974, 253, 255 ff. 135 Pleyer/Lieser S. 1 ff., 2. 136 Vgl. z.B. Becher in Enderlein S. 89, 96 f. 137 Vgl. dazu Morawo S. 35 ff.; Lieser/ders. Deutschlandarchiv 1970, 579.
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abschließen. Alle diese Umstände zeigen, dass in der DDR nicht das Klima herrschte, in dem das UWG irgendeinen Funktionswert haben konnte.138 VII. Europäische Entwicklungen Seit Inkrafttreten des EWG-Vertrages im Jahre 1958 nahm das Gemeinschaftsrecht zunehmend Einfluss auf das nationale Wettbewerbsrecht, vor allem mit harmonisierender und liberalisierender Wirkung. Die Kommission hatte dazu bereits Ende der 1950er Jahre eine umfassende Studie in Auftrag gegeben, die die Möglichkeiten einer Angleichung der Wettbewerbsgesetze der damaligen sechs Mitgliedsstaaten untersuchen sollte. Das mehrbändige Gutachten von Eugen Ulmer und seinen Mitarbeitern über das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedsstaaten der EWG kam zu dem Ergebnis, dass eine Angleichung der Wettbewerbsgesetze der Mitgliedsstaaten im Rahmen des Art. 10bis PVÜ durchaus möglich und sinnvoll sei.139 Die Ausarbeitung der ursprünglichen Pläne der Kommission, die auf der Grundlage 53 der Vorschläge von Ulmer ein umfassendes Programm für die Angleichung der nationalen Wettbewerbsgesetze vorsahen, verlor jedoch Ende der 1970er Jahre erheblich an Fahrt. Die Kommission gab daher ihren bisherigen umfassenden Ansatz auf und beschränkte sich stattdessen auf den ihr vordringlich erscheinenden Aspekt des Verbraucherschutzes. Erstes Ergebnis dieser Bemühungen war nach jahrelangen Verhandlungen die freilich nur wenig effektive Richtlinie über irreführende Werbung von 1984 (84/ 450/EWG),140 die allerdings keinen spürbaren Einfluss auf die Wettbewerbsgesetze der Mitgliedsstaaten hatte. Das änderte sich jedoch mit der Richtlinie über vergleichende Werbung von 1997 (97/55/EG).141 Weitere Aspekte wurden unter Verbraucherschutzgesichtspunkten mit einer Vielzahl anderer Richtlinien und Verordnungen geregelt.142 Der sich daraus ergebenden Rechtszersplitterung, die nach Aussage der Kommission zu einem „komplizierten und schwer verständlichen Regelungsrahmen“ geführt hatte,143 sollte damit abgeholfen werden. Seit Mitte der 1990er Jahre ist unter dem Druck des EG-Rechts und unter dem 54 Einfluss neoliberaler Auffassungen eine zunehmende Liberalisierung des Lauterkeitsrechts zu beobachten. Zunächst wurde das gemeinschaftsrechtliche Leitbild des „informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ durch die deutsche Rechtsprechung unwidersprochen übernommen (vgl. § 4 Nr. 1 Rn. 76 ff., 80 ff.). Dies hatte u.a. eine Liberalisierung der bis dahin sehr strengen Handhabung der Irreführungsvorschriften zur Folge. Der Gesetzgeber ließ dann durch Gesetz vom 1. September 2000 in § 2 UWG a.F. in Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG entgegen der bisherigen deutschen Rechtsprechung die vergleichende Werbung zu.144 Mit den Gesetzen vom 23. Juli 2001145 hob er schließlich das RabattG und die ZugabeVO ersatzlos auf und setzte damit die E-CommerceRL um. 52
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138 Ebenso Lieser Deutschlandarchiv 1974, 253, 258 ff.; Berg in Beier/Bastian/Kur S. 89, 91 ff. 139 Bd. 1 des Gutachtens: Vergleichende Darstellung, 1965. – Dazu auch Lettl Der lauterkeitsrechtliche Schutz, S. 8 ff.; Ohly in Schricker/Henning-Bodewig S. 69, 70 ff. 140 ABl. Nr. L 250/17. 141 ABl. Nr. L 290/18; dazu auch Heister Harmonisierung (2004). 142 Z.B. Art. 10 ff. der FernsehRL 1989, überarbeitet zuletzt durch die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (2010/13/EU); Art. 5 ff. der E-CommerceRL (2000/31/EG). 143 So wörtlich Grünbuch zum Verbraucherschutz, S. 5. 144 Gesetz zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften vom 1.9.2000, BGBl I, 1374. 145 BGBl I, 1661, 1663.
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Ein neuer Regelungsansatz lag in der 2001 vorgelegten Verordnung über Ver- 55 kaufsförderung im Binnenmarkt, mit der die Kommission bezweckte, die bisherigen nationalen Verbote für Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Rabatte, Zugaben, Preisausschreiben und Gewinnspiele durch umfassende Informationspflichten der Unternehmen in Verbindung mit der Einführung des Herkunftslandprinzips für die verbleibenden Verbote zu ersetzen.146 Sie ist über das Entwurfsstadium nicht hinausgekommen. 2005 erließ der EU-Gesetzgeber die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 56 vom 11. Mai 2005 (2005/29/EG).147 Die Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt ist dagegen als gescheitert anzusehen.148 Die UGPRL, die nur für das Verhältnis zwischen Unternehmen und Verbrauchern gilt (Art. 3), verbietet generell unlautere Geschäftspraktiken (Art. 5 Abs. 1) und soll damit ein hohes Verbraucherschutzniveau schaffen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 5 Satz 3 und Nr. 11 Satz 1 UGPRL). Der wettbewerbspolitische Ansatz des Unionsrechts orieniert sich dabei immer stärker an Effizienz- und Transparenzkriterien, wobei der Verbrauchernutzen als Ziel der Wettbewerbspolitik im Vordergrund steht. VIII. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 Unmittelbar nach der Aufhebung von ZugabeVO und RabattG setzte die Bundesre- 57 gierung beim Bundesministerium der Justiz 2001 eine Arbeitsgruppe „Unlauterer Wettbewerb“ ein. Sie hatte das Ziel einer weiteren Liberalisierung und europakonformen Modernisierung des nationalen Wettbewerbsrechts.149 Der nun beginnenden Diskussion innerhalb der Arbeitsgruppe waren zwei umfangreiche Gutachten von Fezer150 und Schricker/Henning-Bodewig 151 vorausgegangen. Köhler, Bornkamm und HenningBodewig unterbreiteten dann einen ausformulierten Vorschlag für eine EG-Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform.152 Auf der Grundlage dieser Vorarbeiten legte das Bundesministerium der Justiz Anfang 2003 einen Referentenentwurf zur Reform des UWG vor,153 aus dem im Mai 2003 der Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb hervorging.154 Der Bundesrat nahm dazu im Juni 2003 Stellung und forderte einige Änderungen, denen die Bundesregierung aber nur teilweise nachkam.155 Nachdem der Gesetzentwurf am 15. September 2003 in erster Lesung im Bundestag beraten und an den Rechtsausschuss verwiesen worden war, der weitere Änderungen vorgenommen hatte, nahm ihn der Bundestag am 1. April 2004 in der vom Rechtsausschuss empfohlenen Fassung an.156 Am 8. Juli 2004, einen Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt, trat das neue UWG157 ohne Übergangsvorschrift in Kraft.
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146 Vgl. den Entwurf einer VO über Verkaufsförderung im Binnenmarkt vom 25.10.2002, KOM (2002), 585 endg. (dort Erwägungsgründe 14 u. 17). 147 ABl. 2005 L 149/22. 148 So auch Emmerich Unlauterer Wettbewerb, § 1 Rn. 27. 149 Siehe RegE UWG 2003 S. 12 f. 150 Fezer WRP 2001, 989. 151 Schricker/Henning-Bodewig WRP 2001, 1367. 152 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317. 153 Abgedruckt in GRUR 2003, 298. 154 RegE UWG 2003 S. 1 ff. 155 Vgl. RegE UWG 2003 S. 29 ff. 156 BTDrucks 15/2795. 157 BGBl I, 1414.
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In Aufbau und Systematik des neuen UWG lassen sich die z.T. widersprechenden Ziele der UWG-Reform erkennen: Europäisierung, Kodifizierung von Richterrecht und Betonung des Verbraucherschutzes. Der Einfluss neoliberaler wirtschaftspolitischer Vorstellungen ist im ganzen Entwurf erkennbar: Das UWG hielt am Konzept einer Generalklausel fest (§ 3). Diese wurde nunmehr durch zahlreiche Beispielstatbestände in §§ 4–7 konkretisiert, die in großen Teilen auf den in Rechtsprechung und Literatur zu § 1 a.F. entwickelten Fallgruppen beruhen (Rn. 32 ff., 38 ff.). Insgesamt wurde die Politik der Deregulierung des Wettbewerbsrechts fortgesetzt. Nach der Abschaffung von ZugabeVO und RabattG fanden sich die Verbote des § 6 a.F. (Insolvenzwarenverkauf), § 6a a.F. (Hersteller- und Großhändlerwerbung) und § 6b a.F. (Einkaufsausweise) sowie die Vorschriften über Sonderveranstaltungen (§§ 7, 8 a.F.) nicht mehr im neuen UWG. Die Europäisierung des Wettbewerbsrechts kam etwa in der redaktionellen Anpassung des § 5 (Irreführung) an Art. 3 IrreführungsRL 1997 sowie in der Umsetzung der DatenschutzRL-EK in § 7 Abs. 2 und 3 zum Ausdruck. Die Stärkung des Verbraucherschutzes wurde durch die ausdrückliche Nennung der Verbraucher als Schutzobjekt in der Schutzzweckbestimmung (§ 1 Satz 1) und die Aufnahme eines Gewinnabschöpfungsanspruches in das Gesetz (§ 10) unterstrichen.158 Zur Umsetzung der Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken legte das 59 Bundesministerium der Justiz im Juni 2007 einen Referentenentwurf vor, der vor allem von dem Bestreben geprägt war, die Änderungen des UWG auf das unbedingt notwendige Ausmaß zu beschränken. Der Regierungsentwurf folgte im Sommer 2008.159 Das erste UWG-Änderungsgesetz 2008 trat am 30.12.2008 in Kraft.160 Es trägt dem hohen Verbraucherschutzniveau des europäischen Richtliniengebers, insbesondere der UGPRL Rechnung. Mit der Neuregelung ist eine materielle Zweiteilung der Unlauterkeitstatbestände vorgenommen worden, §§ 3–6 einerseits, § 7 andererseits. Pahlow/Heinze
C. Europäisches Wettbewerbsrecht Einleitung Teil C. Einl Internationalrechtliche Fragen. Europäisches Wettbewerbsrecht Einl
Schrifttum Für Nachweise zur älteren Literatur (bis 1993) vgl. Vorauflage Einl F. V. Stand der Literatur: Mitte 2012 Abbamonte The Unfair Commercial Practices Directive: An Example of the New European Consumer Protection Approach, Columbia Journal of European Law 2006, 695; ders. The Unfair Commercial Practices Directive and its General Prohibition, in: Weatherhill/Bernitz (Hrsg.) The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29 – New Rules and New Techniques (2007), 11; Ackermann Warenverkehrsfreiheit und „Verkaufsmodalitäten“, RIW 1994, 189; ders. Vollharmonisierung im Wettbewerbsrecht, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.) Vollharmonisierung im Privatrecht (2009) 289; Anagnostaras The Unfair Commercial Practices Directive in Context: From Legal Disparity to Legal Complexity? Common Market Law Review 47 (2010) 147; Ahlfeld Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis de Dijon-Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30 EGV (1997); Ahrens Das Herkunftslandprinzip in der E-Commerce-Richtlinie, CR 2000, 835; ders. Das Verhältnis von UWG und Vertragsrecht aufgrund der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, FS Loewenheim (2009) 407; Albrecht Europäisches Werberecht und seine Auswirkungen auf das deutsche Wettbewerbsrecht, WRP 1997, 926; Alexander Vertrag und unlauterer Wettbewerb (2002); ders. Die Sanktions- und Verfahrensvorschriften der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Binnenmarkt – Umsetzungsbedarf in Deutschland? GRUR Int. 2005, 809; ders. Schadensersatz
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158 Zum UWG 2004 vgl. auch die Stellungnahme von Ohly GRUR 2004, 889; Köhler GRUR 2003, 729. 159 BTDrucks 16/10145; zum Bericht des Rechtsausschusses s. BTDrucks 16/11070. 160 BGBl I, 2949; siehe dazu auch die Stellungnahmen von Köhler NJW 2008, 3032; ders. WRP 2009, 109; Sosnitza WRP 2008, 1014; Scherer WRP 2008, 563; dies. NJW 2009, 324.
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und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht (2010); ders. Vertragsrecht und Lauterkeitsrecht unter dem Einfluss der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2012, 515; Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011); Alexandridou The Directive on Unfair Commercial Practices – Aggressive Practices, in: Nikas/Kaissis/Apalagaki/Pipsou/Ladas/Papasteriou/Karassis/Kazakos (Hrsg.) Studia in honorem Pelayia Yessiou-Faltsi (2007), 1; Apostolopoulos Neuere Entwicklungen im europäischen Lauterkeitsrecht: Problematische Aspekte und Vorschläge, WRP 2004, 841; ders. Einige Gedanken zur Auslegung der nationalen Generalklausel im Hinblick auf eine Vollharmonisierung des europäischen Lauterkeitsrechts, WRP 2005, 152; ders. Die Liberalisierung des griechischen Lauterkeitsrechts im Rahmen der europäischen Rechtsangleichung (2007); Armgardt Verbraucherschutz und Wettbewerbsrecht: Unwirksame AGB-Klauseln im Lichte der neueren Rechtsprechung zum UWG und zur UGP-Richtlinie, WRP 2009, 122; Augenhofer Ein Flickenteppich oder doch der große Wurf? – Überlegungen zur neuen RL über unlautere Geschäftspraktiken, ZfRV 2005, 204; dies. Individualrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bei unlauterem Wettbewerbsverhalten des Unternehmers, in: Krejci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.) Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005), 103; dies. Individualrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bei unlauterem Wettbewerbsverhalten des Unternehmers, WRP 2006, 169; dies. Die Zukunft des Europäischen Verbraucherrechts und seine Bedeutung für die Weiterentwicklung des Vertrags- und Wettbewerbsrechts, FS Juristische Fakultät der Humboldt-Universität (2010), 1051; dies. § 4 European Union, in: Henning-Bodewig (Hrsg.) International Handbook on Unfair Competition (2013), 41; Bakardjieva Engelbrekt Fair Trading Law in Flux? (2003); dies. EU and Marketing Practices Law in the Nordic Countries – Consequences of a Directive on Unfair Business-to-Consumer Commercial Practices – Report for the Nordic Council of Ministers Committee on Consumer Affairs (2005), abrufbar unter http://www.juridicum.su.se/jurweb/forskning/publikationer_ files/US2005424.pdf; Barnard Trailing a New Approach to Free Movement of Goods? Cambridge Law Journal 2009, 288; dies. The Substantive Law of the EU – The Four Freedoms, 3. Aufl. (2010); Basedow Der kollionsrechtliche Gehalt der Produktfreiheiten im europäischen Binnenmarkt: favor offerentis, RabelsZ 59 (1995), 1; ders. Zielkonflikte und Zielhierarchien im Vertrag über die Europäische Gemeinschaft, FS Everling (1995) 49; ders. Nationale Justiz und Europäisches Privatrecht (2003); ders. Grundlagen des Europäischen Privatrechts, JuS 2004, 89; ders. Das Sozialmodell von Lissabon – Solidarität statt Wettbewerb? EuZW 2008, 225; ders. Der Europäische Gerichtshof und das Privatrecht, AcP 210 (2010), 157; Basedow/ Hopt/Zimmermann (Hrsg.) Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts (2009); Beater Schutzzweckdenken im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, JZ 1997, 916; ders. Zum Verhältnis von europäischem und nationalem Wettbewerbsrecht – Überlegungen am Beispiel des Schutzes vor irreführender Werbung und des Verbraucherbegriffs, GRUR Int. 2000, 963; ders. Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht (2000); ders. Europäisches Recht gegen den unlauteren Wettbewerb – Ansatzpunkte, Grundlagen, Entwicklung, Erforderlichkeit, ZEuP 2003, 11; ders. Mehr oder weniger Konkurrentenschutz durch Europäisches Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 207; ders. Allgemeininteressen und UWG, WRP 2012, 6; Becker Von „Dassonville“ über „Cassis“ zu „Keck“, EuR 1994, 162; Behrens Die Liberalisierung des Fernsehwerberechts im Kontext der Rundfunkregulierung (2012); Bernitz The Unfair Commercial Practices Directive: Its Scope, Ambitions and Relation to the Law of Unfair Competition, in: Weatherhill/Bernitz (Hrsg.) The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29 – New Rules and New Techniques (2007), 33; Bernreuther Die Rechtsdurchsetzung des Herkunftslandsrechts nach Art. 3 Abs. 2 EC-RiL und das Grundgesetz, WRP 2001, 384; ders. Neues zur Telefonwerbung, WRP 2009, 390; Birk Corporate Responsibility, unternehmerische Selbstverpflichtungen und unlauterer Wettbewerb, GRUR 2011, 196; Bodewig Elektronischer Geschäftsverkehr und Unlauterer Wettbewerb, GRUR Int. 2000, 475; Boesche Drum kopple, wer sich (nicht) ewig bindet, WRP 2011, 1345; Bornkamm Anmerkung (zu „Yves Rocher“ – Rs. C-126/91), GRUR 1993, 747; ders. Anmerkung (zu „Keck und Mithouard“ – Rs. C-267/91), GRUR 1994, 297; ders. Entwicklung der Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht – Vergleichende Werbung, in: Schwarze (Hrsg.) Werbung und Werbeverbote im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts (1999), 134; ders. Wettbewerbs- und Kartellrechtsprechung zwischen nationalem und europäischem Recht, FS BGH (2000), 343; ders. Markenrecht und wettbewerblicher Kennzeichenschutz – Zur Vorrangthese der Rechtsprechung, GRUR 2005, 97; ders. Die Schnittstellen zwischen gewerblichem Rechtsschutz und UWG – Grenzen des lauterkeitsrechtlichen Verwechslungsschutzes, GRUR 2011, 1; Brigola Die Metamorphose der Keck-Formel in der Rechtsprechung des EuGH – Ein Eckpfeiler im System des freien Warenverkehrs in neuem Körper, EuZW 2012, 248; Brömmelmeyer Internetwettbewerbsrecht (2007); ders. Der Binnenmarkt als Leitstern der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2007, 295; Buchner/Rehberg Wann ist der Verbraucher ein „mündiger“ Bürger?
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– Zur Diskussion um die Nutrition & Health Claims-Verordnung der EU, GRUR Int. 2007, 394; Büllesbach Auslegung der irreführenden Geschäftspraktiken des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (2008); Burckhardt Die lauterkeitsrechtliche Beurteilung des modernen Direktmarketings (2000); Busch Ein europäischer Rechtsrahmen für das Lauterkeitsrecht? Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, EuLF 2004, 91; ders. Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht (2008); ders. Welche Folgen hat die Umsetzung der Lauterkeitsrichtlinie für das Vertragsrecht? Der Regierungsentwurf zur Umsetzung der Richtlinie 2005/ 29/EG aus der Perspektive des Gemeinschaftsprivatrechts, GPR 2008, 158; ders. Kapitel 25: Unlauterer Wettbewerb, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.) Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. (2010), 1247; ders. Lauterkeitsrecht in Europa: Acquis Communautaire, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl (Hrsg.) Lauterkeitsrecht in Europa (2011), 1; Büscher Schnittstellen zwischen Markenrecht und Wettbewerbsrecht, GRUR 2009, 230; Calliess/Ruffert EUV/AEUV – Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, 4. Aufl. (2011); Buschle Kommunikationsfreiheit in den Grundrechten und Grundfreiheiten des EG-Vertrages (2004); Castendyk Werbung nach der Fernsehrichtlinie, in: Schwarze (Hrsg.) Werbung und Werbeverbote im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts (1999), 151; Classen Vorfahrt für den Marktzugang – Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 10. Februar 2009, Rs. C-110/85 (Kommission/ Italien), EuR 2009, 555; Collins EC Regulation of Unfair Commercial Practices, in: Collins (Hrsg.) The Forthcoming EC Directive on Unfair Commercial Practices – Contract, Consumer and Competition Law Implications (2004), 1; ders. The Unfair Commercial Practices Directive, European Review of Contract Law 2005, 417; von Danwitz Werbe- und Anreicherungsverbot – Stand und Perspektiven der Auseinandersetzung, ZLR 2005, 201; ders. Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben im Visier des Gesetzgebers, GRUR 2005, 896; Dauses Die Rechtsprechung des EuGH zum Verbraucherschutz und zur Werbefreiheit im Binnenmarkt, EuZW 1995, 425; De Cristofaro Die zivilrechtlichen Folgen des Verstoßes gegen das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken: eine vergleichende Analyse der Lösungen der EU-Mitgliedstaaten, GRUR Int. 2010, 1017; De Groote/De Vulder European Framework for Unfair Commercial Practices: Analysis of Directive 2005/29, Journal of Business Law 2007, 16; Dethloff Europäisierung des Wettbewerbsrechts (2001); de Sadeleer L’examen, au regard de l’article 28 CE, des règles nationales régissant les modalités d’utilisation de certains produits, Journal de droit européen 2009, 247; Deutsch Der Einfluss des europäischen Rechts auf den Irreführungstatbestand § 3 UWG – Gedanken zum Verbraucherleitbild und zur Relevanz bei Täuschungen, GRUR 1996, 541; ders. Noch einmal: Das Verbraucherleitbild des EuGH und das „Nissan“-Urteil, GRUR 1997, 44; Di Fabio Werbeverbote – Bewährungsprobe für europäische Grundfreiheiten und Grundrechte, AfP 1998, 564; Doepner Heilmittelwerberechtliche Publikumswerbeverbote in § 11 Abs. 1 HWG – Auslegungsprobleme angesichts ihrer Ausgestaltung als Gefährdungsdelikte, PharmaR 2010, 560; Dohrn Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – ihre Interpretation und Umsetzung (2008); Dreher Der Verbraucher – Das Phantom in den opera des europäischen und deutschen Rechts, JZ 1997, 167; Drexl Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998); ders. Community Legislation Continued: Complete Harmonisation, Framework Legislation or Non-Binding Measures – Alternative Approaches to European Contract Law, Consumer Protection and Unfair Trade Practices?, European Business Law Review 2002, 557; ders. Mehr oder weniger Verbraucherschutz durch Europäisches Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 227; ders. Internationales Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 11: Internationales Privatrecht, Internationales Wirtschaftsrecht, 5. Aufl. (2010); Dröge Lauterkeitsrechtliche Generalklauseln im Vergleich (2007); Ebenroth Neue Ansätze zur Warenverkehrsfreiheit im Binnenmarkt der Europäischen Union, in: FS Piper (1996) 133; Ebersohl Das neue schwedische Wettbewerbsrecht, RIW 2009, 215; Eckhard Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation – Auswirkungen auf Werbung mittels elektronischer Post, MMR 2003, 557; Ehricke Das Verbot des Weiterverkaufs zum Verlustpreis und Gemeinschaftsrecht – Zum Keck-Urteil des EuGH vom 24 November 1993, WuW 1994, 108; Eichholz Herabsetzung durch vergleichende Werbung (2008); Enchelmaier Moped Trailers, Mickelsoon & Roos, Gysbrechts: The ECJ’s Case Law on Goods keeps on moving, Yearbook of European Law 29 (2010) 190; Engels/Brunn Ist § 7 II Nr. 2 UWG europarechtswidrig? GRUR 2010, 886; Faber Elemente verschiedener Verbraucherbegriffe in EG-Richtlinien, zwischenstaatlichen Übereinkommen und nationalem Zivil- und Kollisionsrecht, ZEuP 1998, 854; Faßbender Der grundrechtliche Schutz der Werbefreiheit in Deutschland und Europa, GRUR Int. 2006, 965; Fezer Europäisierung des Wettbewerbsrechts – Gemeinschaftsrechtliche Grenzen im Recht des unlauteren Wettbewerbs, JZ 1994, 317; ders. Das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot als ein normatives Modell des verständigen Ver-
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brauchers im Europäischen Unionsrecht. Zugleich eine Besprechung der Entscheidung „Mars“ des EuGH vom 6. Juli 1995 – Rechtssache C-470/93, WRP 1995, 671; ders. Modernisierung des deutschen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb auf der Grundlage einer Europäisierung des Wettbewerbsrechts, WRP 2001, 989; ders. Plädoyer für eine offensive Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche UWG, WRP 2006, 781; ders. Das Informationsgebot der Lauterkeitsrichtlinie als subjektives Verbraucherrecht – Zur Umsetzung des Art. 7 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in § 5 UWG, WRP 2007, 1021; ders. Imitationsmarketing als irreführende Produktvermarktung, GRUR 2009, 451; ders. Der Dualismus der Lauterkeitsrechtsordnungen des b2c-Geschäftsverkehrs und des b2b-Geschäftsverkehrs im UWG, WRP 2009, 1163; ders. Kumulative Normenkonkurrenz zwischen Markenrecht und Lauterkeitsrecht – Schutzzweckkompatibilität zwischen Immaterialgüterrecht als Funktionseigentum und Wettbewerbsrecht, GRUR 2010, 953; Fezer/Koos Das gemeinschaftsrechtliche Herkunftslandprinzip und die e-commerce-Richtlinie, IPRax 2000, 349; Fischer Schutz der Entscheidungsfreiheit im Rahmen der Verkaufsförderung – Ein Vergleich des deutschen, französischen und englischen Rechts (2008); Franck Europäisches Absatzrecht (2006); Fleischer Vertragsschlußbezogene Informationspflichten im Gemeinschaftsprivatrecht, ZEuP 2000, 772; Franzen Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft (1999); Fritzsche Der Einfluss der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auf die Dogmatik des Lauterkeitsrechts, in H. Roth (Hrsg.) Europäisierung des Rechts – Ringvorlesung der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg 2009/2010 (2010), 27; Füller Grundlagen und inhaltliche Reichweite der Warenverkehrsfreiheit nach dem EG-Vertrag (2000); Gamerith Neue Herausforderungen für ein europäisches Lauterkeitsrecht. Studie für den Arbeitskreis „UWG“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, WRP 2003, 143; ders. Der Richtlinienvorschlag über unlautere Praktiken – Möglichkeiten einer harmonischen Umsetzung, WRP 2005, 391; Glöckner „Cold Calling“ und europäische Richtlinie zum Fernabsatz – ein trojanisches Pferd im deutschen Lauterkeitsrecht, GRUR Int. 2000, 29; ders. Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken, deutsches UWG oder die schwierige Umsetzung von europarechtlichen Generalklauseln, WRP 2004, 936; ders. Ist die Union reif für die Kontrolle an der Quelle? WRP 2005, 795; ders. Europäisches Lauterkeitsrecht (2006); ders. Der Schutz vor Verwechslungsgefahr im Spannungsfeld von Kennzeichenrecht und verbraucherschützendem Lauterkeitsrecht, in: Ohly/Klippel (Hrsg.) Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit (2007), 145; ders. Entwicklungslinien des Lauterkeitsrechts, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 263; ders. Der gegenständliche Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts nach der UWG-Novelle 2008 – Ein Paradigmenwechsel mit Folgen, WRP 2009, 1175; ders. § 17 – Europäisches Lauterkeitsrecht, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.) Europarecht – Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2. Aufl. (2010), 664; ders. The Scope of Application of the UCP Directive – „I Know What You Did Last Summer“, IIC 2010, 570; ders. The Regulatory Framwork for Comparative Advertising in Europa – Time for a New Round of Harmonisation, IIC 2012, 35; Glöckner/Henning-Bodewig EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken: Was wird aus dem „neuen“ UWG? WRP 2005, 1311; Göhre Frischer Wind aus Brüssel? Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt und das Grünbuch der Europäischen Kommission zum Verbraucherschutz in der Europäischen Union, WRP 2002, 36; Gómez The Unfair Commercial Practices Directive: A Law and Economics Perspective, European Review of Contract Law 2006, 4; Grabitz/ Hilf/Nettesheim Das Recht der Europäischen Union, 50. Ergänzungslieferung (2013); von der Groeben/ Schwarze Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Band 1: Art. 1–53 EUV, Art. 1–80 EGV, 6. Aufl. (2003); Groß Die internationale Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes (2009); Grundmann „Inter-Instrumental-Interpretation“ – Systembildung durch Auslegung im Europäischen Unionsrecht, RabelsZ 75 (2011) 882; Gülbay Vergleichende Werbung, Subsidiarität und Europa. Die Richtlinie zur vergleichenden Werbung unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzip im Recht der Europäischen Union (1997); Gundel Fernsehwerbeverbote und Grundfreiheiten: Zur Durchsetzung nationaler Werbeverbote im europäischen Binnenmarkt, EWS 2004, 398; Günther Erwünschte Regelung unerwünschter Werbung? Zur Auslegung von Artikel 10 der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG, CR 1999, 172; Halfmeier Vom Cassislikör zur E-Commerce-Richtlinie: Auf dem Weg zu einem europäischen Mediendeliktsrecht, ZEuP 2001, 837; Handig EG-Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken – Anlass für ein Reform des UWG, ÖBl 2005, 196; ders. The Unfair Commercial Practices Directive – A Milestone in the European Unfair Competition Law? European Business Law Review 2005, 1117; ders. Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in der EU (2006); ders. Informationspflichten und Lauterkeitsrecht, ecolex 2007, 779; ders. Was erfordert „die Einheit und die Kohärenz des Unionsrechts“? – das urheberrechtliche Nachspiel der EuGH-Entscheidung Football Associa-
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tion Premier League, GRUR Int. 2012, 9; Hatje Werbung und Grundrechtsschutz in rechtsvergleichender Betrachtung, in: Schwarze (Hrsg.) Werbung und Werbeverbote im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts (1999), 37; Hecker Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken: Einige Gedanken zu den „aggressiven Geschäftspraktiken“ – Umsetzung in das deutsche Recht, WRP 2006, 640; Heermann Das deutsche Wettbewerbsrecht und die „Keck“-Rechtsprechung des EuGH. Missverständnisse und Argumentationsdefizite rund um den Begriff der „Verkaufsmodalitäten“, WRP 1999, 381; ders. Art. 30 EGV im Lichte der „Keck“-Rechtsprechung, GRUR Int. 1999, 579; ders. Warenverkehrsfreiheit und deutsches Unlauterkeitsrecht (2004); ders. Richtlinienkonforme Auslegung und Anwendung von § 4 Nr. 2 UWG, GRUR 2011, 781; Heinze Europäisches Primärrecht und Zivilprozess, EuR 2008, 654; Heister Harmonisierung des Rechts der vergleichenden Werbung durch die Richtlinie 97/55/EG? (2004); Helm Der Abschied vom „verständigen“ Verbraucher, WRP 2005, 931; Henning-Bodewig Werbung nach der Fernsehrichtlinie, in: Schwarze (Hrsg.) Werbung und Werbeverbot im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts (1999), 170; dies. E-Commerce und irreführende Werbung, WRP 2001, 771; dies. Das Europäische Wettbewerbsrecht: Eine Zwischenbilanz, GRUR Int. 2002, 389; dies. Herkunftslandprinzip im Wettbewerbsrecht: Erste Erfahrungen, GRUR 2004, 822; dies. Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken und UWG-Reform, GRUR Int. 2004, 183; dies. Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR Int. 2005, 629; dies. Neuorientierung von § 4 Nr. 1 und 2 UWG? WRP 2006, 621; dies. Unfair Competition Law – European Union and Member States (2006); dies. Was gehört zum Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 9; dies. Die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in den EU-Mitgliedstaaten: eine Bestandsaufnahme, GRUR Int. 2010, 273; dies. Nationale Eigenständigkeit und europäische Vorgaben im Lauterkeitsrecht, GRUR Int. 2010, 549; dies. UWG und Geschäftsethik, WRP 2010, 1094; Henning-Bodewig/Schricker, Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht zum Grünbuch für Verbraucherschutz in der EU, KOM (2002) 531 endg., GRUR Int. 2002, 319; Herresthal Rechtsfortbildung im europäischen Bezugsrahmen – Methoden, Kompetenzen, Grenzen dargestellt am Beispiel des Privatrechts (2006); Hertig Randall Commercial Speech under the European Convention on Human Rights: Subordinate or Equal? Human Rights Law Review 2006, 53; Heselhaus Rechtfertigung unmittelbar diskriminierender Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit, EuZW 2001, 645; Hess Europäisches Zivilprozessrecht (2010); Hilty The Law Against Unfair Competition and Its Interfaces, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Law Against Unfair Competition – Towards a New Paradigm in Europe? (2007), 1; Holtz Vergleichende Werbung in Deutschland (2008); Hödl Die Beurteilung von verkaufsbehindernden Maßnahmen im Europäischen Binnenmarkt. Neue Interpretationsansätze zu Art. 30 EGV auf der Grundlage der Keck-Entscheidung (1997); Hoeren Das neue UWG und dessen Auswirkungen auf den B2B-Bereich, WRP 2009, 789; Hoffmann Unlauterer Wettbewerb und Art. 81 EG (2003); Hösch Der Einfluß der Freiheit des Warenverkehrs (Art. 30 EWGV) auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs (1994); Howells Unfair commercial practices – future directions, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.) European Private Law – Current Status and Perspectives (2011), 133; Howells/Micklitz/Wilhelmsson European Fair Trading Law – the Unfair Commercial Practices Directive (2006); Hucke Erforderlichkeit der Harmonisierung des Wettbewerbsrechts (2001); Hüttebräucker Vorschlag für eine EU-Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben in Bezug auf Lebensmittel – eine kritische Bestandsaufnahme, WRP 2004, 188; Incardona/Poncibò The average consumer, the unfair commercial practices directive, and the cognitive revolution, Journal of Consumer Policy 2007, 21; Isele Die Wettbewerbsverbote des § 1 UWG im Lichte der Dienstleistungsfreiheit nach Artt. 49 ff. EGV. Eine Untersuchung der Gemeinschaftsrechtskonformität der Großen Generalklausel des deutschen UWG (2002); Jänich Das Ende abstrakter Gefährdungstatbestände im Lauterkeitsrecht? – Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 14.1. 2010, Rs. C-304/08, GPR 2010, 149; von Jagow Auswirkungen der UWG-Reform 2008 auf die Durchsetzung wettbewerblicher Ansprüche im Gesundheitsbereich, GRUR 2010, 190; Joliet Das Recht des unlauteren Wettbewerbs und der freie Warenverkehr, GRUR Int. 1994, 1; ders. Der freie Warenverkehr: Das Urteil Keck und Mithouard und die Neuorientierung der Rechtsprechung, GRUR Int. 1994, 979; Jung Die Health Claims Verordnung – Neue Grenzen gesundheitsbezogener Werbung für Lebensmittel, WRP 2007, 389; Kebbedies Vergleichende Werbung (2005); Keirsbilck The New European Law of Unfair Commercial Practices and Competition Law (2011); Keßler Das System der Warenverkehrsfreiheit im Gemeinschaftsrecht (1997); ders. Vom Recht des unlauteren Wettbewerbs zum Recht der Marktkommunikation – Individualrechtliche und institutionelle Aspekte des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts, in: Krejci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.) Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005), 81 (siehe auch ders. WRP 2005, 1203); ders. Lauterkeitsschutz und Wettbewerbsordnung – zur Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken
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in Deutschland und Österreich, WRP 2007, 714; Keßler/Micklitz Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Reform des UWG (2003); dies. Der Richtlinienvorschlag über unlautere Praktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr, BB 2003, 2073; dies. Das neue UWG – auf halbem Weg nach Europa, VuR 2009, 88; Kieninger Verbot des Multi-Level-Marketing in Deutschland – Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit des EG-Vertrages? EWS 1998, 277; Kingreen Die Struktur der Grundfreiheiten des EG-Rechts (1999); Kisseler Das deutsche Wettbewerbsrecht im Binnenmarkt, WRP 1994, 1; Klauer Die Europäisierung des Privatrechts – der EuGH als Zivilrichter (1997); Kleist/ Scheuer Neue Regelungen für audiovisuelle Mediendienste – Vorschriften zu Werbung und Jugendschutz und ihre Anwendung in den Mitgliedstaaten, MMR 2006, 206; Koch Die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken – Aggressives Geschäftsgebaren in Deutschland und England und die Auswirkungen der Richtlinie (2006); Köhler Irreführungsrichtlinie und deutsches Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 1994, 396; ders. Was ist „vergleichende Werbung“? GRUR 2005, 273; ders. Zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2005, 793; ders. Das Verhältnis des Wettbewerbsrechts zum Recht des geistigen Eigentums – Zur Notwendigkeit einer Neubestimmung auf Grund der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2007, 548; ders. „Wettbewerbshandlung“ und „Geschäftspraktiken“ – Zur richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs der Wettbewerbshandlung und zu seiner Definition im künftigen UWG, WRP 2007, 1393; ders. Vom deutschen zum europäischen Lauterkeitsrecht – Folgen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken für die Praxis, NJW 2008, 3032; ders. Zur richtlinienkonformen Auslegung und Neuregelung der „Bagatellklausel“ in § 3 UWG, WRP 2008, 10; ders. Die Unlauterkeitstatbestände des § 4 UWG und ihre Auslegung im Lichte der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2008, 841; ders. Die UWG-Novelle 2008, WRP 2009, 109; ders. Der Schutz vor Produktnachahmung im Markenrecht, Geschmacksmusterrecht und neuen Lauterkeitsrecht, GRUR 2009, 445; ders. Unzulässige geschäftliche Handlungen bei Abschluss und Durchführung eines Vertrags, WRP 2009, 898; ders. Kopplungsangebote neu bewertet – Zugleich Besprechung der „Plus Warenhandelsgesellschaft“-Entscheidung des EuGH, GRUR 2010, 177; ders. Neujustierung des UWG am Beispiel der Verkaufsförderungsmaßnahmen, GRUR 2010, 767; ders. „Fachliche Sorgfalt“ – Der weiße Fleck auf der Landkarte des UWG, WRP 2012, 22; ders. Richtlinienkonforme Gesetzgebung statt richtlinienkonforme Auslegung: Plädoyer für eine weitere UWG-Novelle, WRP 2012, 251; Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig Vorschlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform, WRP 2002, 1317; Köhler/Lettl Das geltende europäische Lauterkeitsrecht, der Vorschlag für eine EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und die UWG-Reform, WRP 2003, 1019; Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004); Koos Europäischer Lauterkeitsmaßstab und globale Integration (1996); ders. Vergleichende Werbung und die Fesseln der Harmonisierung – Erweiterungen des Zulässigkeitsbereichs vergleichender Werbung im Lichte der Richtlinie 97/55/EG, WRP 2005, 1096; Koppensteiner Das UWG nach der Novelle 2007, WBl 2009, 1; Kort Schranken der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Recht, JZ 1996, 132; Krimphove Europäisches Werberecht (2002); Kugelmann Werbung als Dienstleistung, EuR 2001, 363; Kunz-Hallstein/Loschelder Stellungnahme zum „Grünbuch zum Verbraucherschutz in der Europäischen Union“, GRUR 2002, 408; dies. Zum Vorschlag für eine Verordnung über „Verkaufsförderung im Binnenmarkt“, GRUR 2002, 410; dies. Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern – KOM (2003) 356 endg., GRUR 2004, 215; Kur Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts durch Angleichungsmaßnahmen in angrenzenden Gebieten, in: Schricker/Henning-Bodewig (Hrsg.) Neuordnung des Wettbewerbsrechts (1999), 116; dies. Das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie: Chancen und Risiken, FS Erdmann (2002) 629; Lampert/Niejahr/Kübler/Weidenbach EG-KartellVO – Praxiskommentar zur Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (2004); Lehmann Zur Notwendigkeit einer maßvollen Liberalisierung des Wettbewerbsrechts, GRUR 1995, 380; ders. Electronic Commerce und Verbraucherschutz in Europa, EuZW 2000, 517; Leible Das neue deutsche UWG – Übersicht und erste Erfahrungen, in: Krejci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.) Lauterkeitsrecht im Umbruch – Europa – Deutschland – Österreich (2005), 19; ders. Auswirkungen der UWG-Reform 2008 auf die Durchsetzung wettbewerblicher Ansprüche im Gesundheitsbereich – Die Bedeutung der black list“, GRUR 2010, 183; Leible/Schäfer Proaktive Informationspflichten aus Art. 7 UGP-RL, WRP 2012, 32; Leistner Unfair Competition or Consumer Protection? The Commission’s Unfair Commercial Practices Proposal 2003, in: Bell/Kilpatrick (Hrsg.) The Cambridge Yearbook of European Legal Studies 6 (2003–2004), 141; ders. Verbraucherschutz oder Recht des unlauteren Wettbewerbs? – Die aktuellen Initiativen der Europäischen Kommission auf dem Feld der unlauteren Geschäftspraktiken, in: Tietze/McGuire/Bendel/Kähler/Nickel/ Reich/Sachse/Wehling (Hrsg.) Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2004 – Europäisches Privatrecht
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Einleitung Teil C.
– Über die Verknüpfung von nationalem und Gemeinschaftsrecht (2005), 185; ders. Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007); ders. Behavioural Economics und Lauterkeitsrecht – Versuch einer Annäherung, ZGE 2009, 3; ders. Bestand und Entwicklungsperspektiven des Europäischen Lauterkeitsrechts, ZEuP 2009, 56; ders. in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.) Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht (2011), 122; Leistner/Pothmann E-Mail-Direktmarketing im neuen europäischen Recht und in der UWG-Reform, WRP 2003, 815; Lenz Unlauterer Wettbewerb und freier Warenverkehr in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, ZEuP 1994, 624; Lettl Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa (2004); ders. Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, GRUR Int. 2004, 85; ders. Gemeinschaftsrecht und neues UWG, WRP 2004, 1079; Loosen „Großer Bruder“ statt „schöne neue Welt“ – nährwert- und gesundheitsbezogene Werbung für Lebensmittel nach Verabschiedung der Health-Claims-Verordnung, ZLR 2006, 521; Ludwig Irreführende und vergleichende Werbung in der Europäischen Gemeinschaft (1995); Lüder Die Grenzen der Keck-Rechtsprechung – Neue Entwicklungen im Bereich grenzüberschreitender Werbung im Binnenmarkt, EuZW 1996, 615; Lurger/Augenhofer Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht (2008); Mand EU- und grundrechtliche Vorgaben für die Anwendung und Auslegung des nationalen Werberechts, JZ 2010, 337; Mankowski Das Herkunftslandprinzip als Internationales Privatrecht der e-commerce-Richtlinie, ZVglRWiss 100 (2001), 137; ders. Herkunftslandprinzip und deutsches Umsetzungsgesetz zur e-commerce-Richtlinie, IPRax 2002, 257; ders. Ist die Bagatellklausel des § 3 UWG bei belästigender Werbung (§ 7 UWG) zu beachten?, WRP 2008, 15; Mäsch Europäisches Lauterkeitsrecht – von Gesetzen und Würsten, EuR 2005, 625; Mäsch/Hesse Multi-Level-Marketing im straffreien Raum – Veränderungen der strafrechtlichen Beurteilung von Direktvertriebssystemen durch die UWG-Novelle 2004, GRUR 2010, 10; Massaguer El Nuevo Derecho contra Competencia Desleal – La Directiva 2005/29/CE sobre las Prácticas Comerciales Desleales (2006); Martin-Ehlers Die Irreführungsverbote des UWG im Spannungsfeld des freien europäischen Warenverkehrs (1996); Meier Produktspezifische Werberegeln in Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft (1996); Meisterernst/Haber Die VO (EG) 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben – Neues Recht der Lebensmittelwerbung, WRP 2007, 363; Metzger Extra legem intra ius – Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht (2009); Meyer Europäischer Binnenmarkt und produktspezifisches Werberecht, GRUR Int. 1996, 697; Micklitz A General Framework Directive on Fair Trading, in: Collins (Hrsg.) The Forthcoming EC Directive on Unfair Commercial Practices – Contract, Consumer and Competition Law Implications (2004), 43; ders. Das Konzept der Lauterkeit in der Richtlinie 2005/29/EG, in: Liber amicorum Stauder (2006) 297; ders. Verbraucherschutz in: Dauses (Hrsg.) Handbuch des EU-Wirtschaftsrecht, Loseblattsammlung, 32. Ergänzungslieferung (2013); ders. Full Harmonisation of Unfair Commercial Practices under Directive 2005/29, IIC 2009, 371; Micklitz/Keßler Europäisches Lauterkeitsrecht – Dogmatische und ökonomische Aspekte einer Harmonisierung des Wettbewerbsverhaltensrechts im europäischen Binnenmarkt, GRUR Int. 2002, 885; Micklitz/Schirmbacher Distanzkommunikation im europäischen Lauterkeitsrecht, WRP 2006, 148; Millarg Die Schranken des freien Warenverkehrs in der EG (2001); Möschel Einflüsse der europäischen auf die deutsche Wirtschaftsordnung, FS Zöllner (1999) 395; Möstl Grenzen der Rechtsangleichung im europäischen Binnenmarkt – Kompetenzielle, grundfreiheitliche und grundrechtliche Schranken des Gemeinschaftsgesetzgebers, EuR 2002, 318; Münker Harmonisierung des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb in der Europäischen Union, WRP 1996, 990; Namyslowska Trifft die Schwarze Liste der unlauteren Geschäftspraktiken ins Schwarze? Bewertung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung, GRUR Int. 2010, 1033; Nestoruk Das polnische und deutsche Lauterkeitsrecht auf dem Hintergrund der europäischen Harmonisierungsvorhaben – Beispiel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, in: Dlugosz/Witkowski (Hrsg.) Perspektiven für Europa – eine neue Öffnung? – Perspectives of Europe – The New Opening? (2006), 95; Niemöller Das Verbraucherleitbild in der deutschen und europäischen Rechtsprechung. Verhandlungs- und Vertragsparität als Regelungsgehalt des § 3 UWG (1999); Nippe Belästigende Wettbewerbshandlungen – Tatbestände, Rechtfertigungsgründe, Rechtsprechung, WRP 2007, 19; Nordemann Irreführung und vergleichende Werbung in Europa, in: Schwarze (Hrsg.) Werbung und Werbeverbote im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts (1999), 148; Obergfell Vollharmonisierung im Lauterkeitsrecht, in: Stürner (Hrsg.) Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht? (2010), 159; Ohly Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs (1997); ders. Die Bemühungen um eine Rechtsvereinheitlichung auf EU-Ebene von den Anfängen bis zur Richtlinie über irreführende Werbung von 1984, in: Schricker/Henning-Bodewig (Hrsg.) Neuordnung des Wettbewerbsrechts (1998/99), 69; ders. Das Herkunftslandprinzip im Bereich vollständig angeglichenen Wettbewerbsrechts – Überlegungen zur Binnenmarktklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und zum
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Internationalrechtliche Fragen. Europäisches Wettbewerbsrecht
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BGH-Urteil „Arzneitmittelwerbung im Internet“, WRP 2006, 1401; ders. Bausteine eines Europäischen Lauterkeitsrechts – Zugleich Besprechung von Jochen Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, WRP 2008, 177; ders. Mehr oder weniger Leistungsschutz durch Europäisches Lauterkeitsrecht? in: Hilty/HenningBodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 181; Oliver Some further reflections on the scope of Articles 28–30 (ex 30–36) EC, Common Market Law Review 36 (1999) 873; ders. Of Trailers and Jet Skis: Is the Case Law on Article 34 TFEU Hurtling in a New Direction? Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423; Omsels Überlegungen zu einer Reform des Rechts der geografischen Herkunftsangaben in Deutschland, GRUR Int. 2009, 971; Otken Eriksson/Öberg, The Unfair Commercial Practices Directive in Context, in: Weatherhill/Bernitz (Hrsg.) The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29 – New Rules and New Techniques (2007), 91; Peifer Die Zukunft der irreführenden Geschäftspraktiken, WRP 2008, 556; ders. Schutz ethischer Werte im Europäischen Lauterkeitsrecht oder rein wirtschaftliche Betrachtungsweise, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 125; ders. Vergleichende Werbung und sonst nichts? WRP 2011, 1; Peukert Güterzuordnung als Rechtsprinzip (2007); ders. Der Wandel der europäischen Wirtschaftsverfassung im Spiegel des Sekundärrechts – Erläutert am Beispiel des Rechts gegen unlauteren Wettbewerb, ZHR 173 (2009) 537; ders. Die Ziele des Primärrechts und ihre Bedeutung für das Europäische Lauterkeitsrecht: Auflösungserscheinungen eines Rechtsgebiets? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 27; ders. Das Prinzip der Selbstverantwortung im Lauterkeitsrecht, in: Riesenhuber (Hrsg.) Das Prinzip der Selbstverantwortung (2011), 395; Pflüger Reichweite internationalrechtlicher Vorgaben, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 65; ders. Der internationale Schutz gegen unlauteren Wettbewerb (2010); Piekenbrock Die Bedeutung des Herkunftslandprinzips im europäischen Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 2005, 997; ders. Vorlagen an den EuGH nach Art. 267 AEUV im Privatrecht, EuR 2011, 317; Plaß Die gesetzliche Neuregelung der vergleichenden Werbung, NJW 2000, 3161; Podszun Der „more economic approach“ im Lauterkeitsrecht, WRP 2009, 509; ders. Spezielle Wettbewerbsförderung durch Europäisches Lauterkeitsrecht: Plädoyer für ein allgemeines Europäisches Wettbewerbsrecht, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 151; Radeideh The Principle of Fair Trading in EC Law (2005); Ranacher Grundfreiheiten und Spürbarkeitstheorie, ZfRV 2001, 95; Rauber Quo vadis, „Keck“? – zum Problem von Verwendungsbeschränkungen im freien Warenverkehr, ZEuS 2010, 15; Reese Grenzüberschreitende Werbung in der Europäischen Gemeinschaft (1994); ders. Die „6-Korn-Eier“-Entscheidung des EuGH – Leitentscheidung für ein Leitbild? WRP 1998, 1035; Reich Zur Theorie des Europäischen Verbraucherrechts, ZEuP 1994, 381; ders. The „November Revolution“ of the European Court of Justice: Keck, Meng and Audi revisited, Common Market Law Review 31 (1994) 459; ders. „Nutzungsbeschränkungen“ als „Verkaufsmodalitäten“ oder „Marktzugangssperren“? Kurzbesprechung der Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 8.7.2008 in der Rechtssache C-110/05 (Kommission/Italien), EuZW 2008, 485; Reich/Micklitz Europäisches Verbraucherrecht, 4. Aufl. (2003); dies. AGB-Recht und UWG – (endlich) ein Ende des Kästchendenkens nach EuGH Pereničová und Invitel, EWS 2012, 257; Remien Grenzen der gerichtlichen Privatrechtsangleichung mittels der Grundfreiheiten des EG-Vertrages – Bemerkungen zu den Urteilen des EuGH vom 24.11.1993 (Keck und Mithouard) und 15.12.1993 (Hünermund u.a.), JZ 1994, 349; ders. Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages (2003); Reuthal Verstößt das deutsche Irreführungsverbot gegen Art 30 EGV? WRP 1997, 1154; Riehm Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten bei vollharmonisierenden Richtlinien, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.) Vollharmonisierung im Privatrecht – Die Konzeption der Richtlinie am Scheideweg? (2010), 83; Riesenhuber System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts (2003); ders. Kein Zweifel für den Verbraucher, JZ 2005, 829; ders. § 11 Die Auslegung, in: Riesenhuber (Hrsg.) Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. (2010), 316; Ritscher/Beutler Vergleichende Werbung – die neue EU-Richtlinie im Vergleich mit dem schweizerischen Recht, sic! 1998, 261; Rösler Europäisches Konsumentenvertragsrecht (2004); ders. Auslegungsgrundsätze des Europäischen Verbraucherprivatrechts in Theorie und Praxis, RabelsZ 71 (2007) 495; ders. Primäres EU-Verbraucherrecht: Vom Römischen Vertrag bis zum Vertrag von Lissabon, EuR 2008, 800; ders. Europäische Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet des Zivilrechts (2012); W.-H. Roth Zur Tragweite der Harmonisierung im Recht des unlauteren Wettbewerbs, FS Mestmäcker (1996) 725; ders. Freier Warenverkehr nach „Keck“, FS Großfeld (1999) 929; ders. Diskriminierende Regelungen des Warenverkehrs und Rechtfertigung durch die „zwingenden Erfordernissse“ des Allgemeininteresses, WRP 2000, 979; ders. Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, 385; ders. Freier Dienstleistungsverkehr und Verbraucherschutz, VuR 2007, 161; Röthel Normkonkretisierung im Privatrecht (2004); dies. Vorwirkung von Richtlinien: Viel Lärm um selbstverständliches, ZEuP 2009, 34; Röttinger Verfahrensrechtliche Aspekte
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Einleitung Teil C.
des RL-Vorschlags über „unlautere Geschäftspraktiken“, ecolex 2004, 78; Rüffler Der Einfluß des Europarechts auf das österreichische UWG, in: Koppensteiner (Hrsg.) Österreichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht, Teil 6/2: Wettbewerbsrecht – UWG (1998); ders. Aspekte primärrechtskonformer und sekundärrechtskonformer Auslegung nationalen Lauterkeitsrechts, in: Schulze (Hrsg.) Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts (1999), 97; Sack Auswirkungen der Art. 30, 36 und 59 ff. EGVertrag auf das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, GRUR 1998, 871; ders. Staatliche Werbebeschränkungen und die Art. 30 und 59 EG-Vertrag, WRP 1998, 103; ders. Die Berücksichtigung der Richtlinie 97/55/EG über irreführende und vergleichende Werbung bei der Anwendung der §§ 1 und 3 UWG, WRP 1998, 241; ders. Das Verbraucherleitbild und das Unternehmerleitbild im europäischen und deutschen Wettbewerbsrecht, WRP 1998, 264; ders. Die Präzisierung des Verbraucherleitbilds durch den EuGH, WRP 1999, 399; ders. Vergleichende Werbung nach der UWG-Novelle, WRP 2001, 327; ders. Irreführende vergleichende Werbung, GRUR 2004, 89; ders. Internationales Lauterkeitsrecht nach der Rom II-VO, WRP 2008, 845; ders. Die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV und die Ungleichbehandlung von Inlands- und Importware, EWS 2011, 265; Säcker Das UWG zwischen den Mühlsteinen europäischer Harmonisierung und grundrechtsgebotener Liberalisierung, WRP 2004, 1199; Scherer Privatrechtliche Grenzen der Verbraucherwerbung (1996); dies. Die „wesentliche Beeinflussung“ nach der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2008, 708; dies. Verleiten zum Vertragsbruch – Neukonzeption aufgrund § 4 Nr. 10 UWG und der RL-UGP, WRP 2009, 518; dies. Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht – Veränderung des Verhältnisses durch § 2 I Nr. 1 UWG? WRP 2009, 761; Schillig Konkretisierungskompetenz und Konkretisierungsmethoden im Europäischen Privatrecht (2009); Schlachter/Ohler (Hrsg.) Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008); Schlemmer Die Europäisierung des UWG (2005); Schmid Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung (2000); Schmitz Die kommerzielle Kommunikation im Binnenmarkt im Lichte der neueren Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit (2000); Schreiber Wettbewerbsrechtliche Kennzeichenrechte? GRUR 2009, 113; Schricker Die europäische Angleichung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs – ein aussichtsloses Unterfangen? GRUR Int. 1990, 771; ders. (Hrsg.) Recht der Werbung in Europa, 8. Ergänzungslieferung (2002); Schricker/Henning-Bodewig Elemente einer Harmonisierung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs in der Europäischen Union, WRP 2001, 1367; dies. Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht zum Grünbuch zum Verbraucherschutz in der EU KOM (2002) 531 endg., GRUR Int. 2002, 319; Schroeder Verbraucherleitbild – Verbraucherverantwortung – Verbrauchererziehung, ZLR 2002, 275; Schork Imitationsmarketing (2011); Schöttle Aus eins mach zwei – die neuen Generalklauseln im Lauterkeitsrecht, GRUR 2009, 546; Schuhmacher The Unfair Commercial Practices Directive, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Law Against Unfair Competition – Towards a New Paradigm in Europe? (2007), 127; Schulte-Nölke/Busch Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken KOM (2003) 356 endg., ZEuP 2004, 99; Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/ Ebers EG-Verbraucherrechtskompendium – Rechtsvergleichende Studie (2007), abrufbar unter http:// ec.europa.eu/consumers/rights/docs/consumer_law_compendium_comparative_analysis_de_final.pdf; Schulze/Janssen Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den EU-Mitgliedstaaten, EuLF 2004, 77; Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.) Analysis of National Fairness Laws Aimed at Protecting Consumers in Relation to Commercial Practices (2003), abrufbar unter http://ec.europa.eu/consumers/cons_int/safe_shop/fairbus_ pract/green_pap_comm/studies/unfair_practices_en.pdf; Schwarze Werbung im Gemeinschaftsrecht – Rechtsbestand und Grundfragen, in: Schwarze (Hrsg.) Werbung und Werbeverbote im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts (1999), 9; Schwarze/Becker/Hatje/Schoo EU-Kommentar, 3. Aufl. (2012); Seichter Der Umsetzungsbedarf der Richtlinie über unlauterer Geschäftspraktiken, WRP 2005, 1087; Skouris Werbung und Grundrechte in Europa – Ergebnisse einer rechtsvergleichenden Analyse, EuZW 1995, 438; Snell The Notion of Market Access: A Concept or a Slogan? Common Market Law Review 47 (2010) 437; Solbach Staatliche Regelungen von Verkaufsmodalitäten als Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 30 EGV (1996); Sosnitza Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung – Erscheinungsformen und Ursachen auf dem Gebiet des Lauterkeitsrechts (1995); ders. Gesundheitsbezogene Werbung für Lebensmittel – Paradigmenwechsel in Europa, WRP 2003, 669; ders. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – Voll- oder Teilharmonisierung? WRP 2006, 1; ders. Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2008, 1014; Spaventa Leaving Keck behind? The free movement of goods after the rulings in Commission v Italy and Mickelsson and Roos, European Law Review 34 (2009) 914; Springer Europäisches Gemeinschaftsrecht und die Auslegung des Irreführungsverbots gemäß § 3 UWG (1995); Steinbeck Zur europarechtskonformen Auslegung des Irre-
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Internationalrechtliche Fragen. Europäisches Wettbewerbsrecht
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führungsverbots nach § 3 UWG, EWS 1996, 234; dies. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken: Irreführende Geschäftspraktiken – Umsetzung in das deutsche Recht, WRP 2006, 632; dies. Die Zukunft der aggressiven Geschäftspraktiken, WRP 2008, 865; Steindorff Unlauterer Wettbewerb im System des EG-Rechts, WRP 1993, 139; ders. EG-Vertrag und Privatrecht (1996); Stock EU-Medienfreiheit – Kommunikationsgrundrecht oder Unternehmerfreiheit? K&R 2001, 289; Streinz (Hrsg.) Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2. Aufl. (2012); Streinz/Leible Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, EuZW 2000, 459; Strepp Irreführung und Verwechslungsgefahr – Einige dogmatische Aspekte des Verhältnisses von Wettbewerbs- und Markenrecht (2000); Stuby Unlautere Praktiken – Die neuen europäischen Vorgaben für das UWG (2007); Stuyck The Unfair Commercial Practices Directive and its Consequences for the Regulation of Sales Promotion and the Law of Unfair Competiton, in: Weatherhill/Bernitz (Hrsg.) The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29 – New Rules and New Techniques (2007), 159; ders. Unfair competition law in the EU in the years to come in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.) European Private Law – Current Status and Perspectives (2011), 107; Stuyck/ Terryn/van Dyck Confidence through fairness? The new directive on unfair business-to-consumer commercial practices in the internal market, Common Market Law Review 43 (2006) 107; Tettenborn/Bender/ Lübben/Karenfort Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr – Kommentierung zur EG-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und zum Elektronischen Geschäftsverkehr-Gesetz-EGG: Inhalt – Auswirkungen, Umsetzung in Deutschland, K&R Beilage 1 zu Heft 12/2001, 1; Thouvenin Funktionale Systematisierung von Wettbewerbsrecht (UWG) und Immaterialgüterrechten (2007); Tiller Gewährleistung und Irreführung – Eine Untersuchung zum Schutz des Verbrauchers bei irreführender Werbung (2005); Tilmann, Der „verständige“ Verbraucher, FS Piper (1996) 481; ders. Richtlinie vergleichende Werbung, GRUR 1997, 790; Timmermans Werbung und Grundfreiheiten, in: Schwarze (Hrsg.) Werbung und Werbeverbote im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts (1999), 26; Schünemann „Unlauterkeit“ in den Generalklauseln und Interessenabwägung nach neuem UWG, WRP 2004, 925; Tonner/Tamm Zur Auslegung des europäischen Verbrauchervertragsrechts – insbesondere zur Auslegungsregel „in dubio pro consumatore“, Liber amicorum Stauder (2006) 527; Twigg-Flesner/Parry The Challenges Posed by the Implementation of the Directive into Domestic Law – a UK Perspective, in: Weatherhill/Bernitz (Hrsg.) The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29 – New Rules and New Techniques (2007), 215; Ulbrich Irreführungs- und Verwechslungsgefahr im Lauterkeits- und Markenrecht – Empirische oder normative Feststellung (2005); Ullmann Die Europäische Union und das nationale Wettbewerbs- und Urheberrecht, JZ 1994, 928; Veelken Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen, EuR 1997, 311; ders. Kundenfang gegenüber dem Verbraucher, WRP 2004, 1; de Vrey Towards a European Unfair Competition Law – A Clash between Legal Families – A comparative study of English, German and Dutch law in light of existing European and international legal instruments (2006); Wagner-von Papp § 9 Wettbewerbsrecht, in: Langenbucher (Hrsg.) Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. (2013), 482; Walter Grundlagen und Reichweite des Transparenzgebotes bei Wettbewerbshandlungen (2008); Weatherhill After Keck: Some thought on how to clarify the clarification, Common Market Law Review 33 (1996) 885; ders. Who is the „Average Consumer“? in: Weatherhill/Bernitz (Hrsg.) The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29 – New Rules and New Techniques (2007), 115; Weiler Spamming – Wandel des europäischen Rechtsrahmens, MMR 2003, 223; Weinand Europarecht und Recht gegen den unlauteren Wettbewerb – Entwicklung und Harmonisierung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb (1998); Whittaker The Relationship of the Unfair Commercial Practices Directive to European and National Contract Laws, in: Weatherhill/Bernitz (Hrsg.) The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29 – New Rules and New Techniques (2007), 139; Wiebe Die „guten Sitten“ im Wettbewerb – eine europäische Regelungsaufgabe? WRP 2002, 283; ders. Umsetzung der Geschäftspraktikenrichtlinie und Perspektiven für eine UWG-Reform, JBl 2007, 67; Wiltschek/ Majchrzak Die UWG-Novelle 2007 – Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Österreich, ÖBl 2008, 4; Wunderle Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht (2010); Wurmnest Markmacht und Verdrängungsmissbrauch (2010); Wuttke Die Europäisierung des Wettbewerbsrechts – Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbot (2005); ders. Die Bedeutung der Schutzzwecke für ein liberales Wettbewerbsrecht – Zugleich eine Anmerkung zu BGH I ZR 234/03 – Warnhinweis II, WRP 2007, 119.
Einleitung Teil C. Einl Internationalrechtliche Fragen. Europäisches Wettbewerbsrecht Einl Heinze
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Einleitung Teil C.
Gesetzgebungsmaterialien Siehe die Darstellung zur Entstehungsgeschichte der Richtlinien 2005/29/EG (Rn. 228) und 2006/ 114/EG (Rn. 333–334).
I.
II.
Übersicht Allgemeine Lehren des Unionsrechts ____ 3 1. Anwendungsvorrang und Effektivitätsgrundsatz ____ 4 a) Anwendungsvorrang des Unionsrechts ____ 4 b) Geltungsvorrang des Primärrechts ____ 6 c) Effektivitätsgrundsatz ____ 7 d) Verfassungsrechtliche Grenzen ____ 8 2. Unmittelbare Wirkung ____ 9 a) Primärrecht ____ 10 b) Verordnungen ____ 11 c) Richtlinien ____ 12 aa) Richtlinienkonforme Auslegung ____ 13 bb) Indirekte Wirkung von Richtlinien ____ 15 3. Auslegung des Unionsrechts ____ 16 a) Material des Auslegungsvorgangs ____ 17 b) Wortlaut ____ 20 c) Rechtsaktimmanente und rechtsaktübergreifende Systematik ____ 22 d) Sinn und Zweck ____ 25 e) Entstehungsgeschichte ____ 27 f) Rechtsvergleichung ____ 29 4. Anwendung des Unionsrechts ____ 30 a) Tatsachenfeststellung und Subsumtion ____ 30 b) Konkretisierung von Generalklauseln ____ 31 c) Einfluss des nationalen Rechts ____ 33 5. Das Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH ____ 34 a) Vorlagerecht ____ 34 b) Vorlagepflicht ____ 36 aa) Letztinstanzliche Gerichte ____ 36 bb) Gültigkeitszweifel ____ 38 c) Wirkung von Vorabentscheidungen ____ 39 d) Verletzung der Vorlagepflicht ____ 41 e) Rechtsbehelfe ____ 45 Das Lauterkeitsrecht als Teil der europäischen Wirtschaftsordnung ____ 47
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1.
III.
Lauterkeitsrecht und Wettbewerbsregeln ____ 48 a) Unterschiedlichkeit der Schutzziele ____ 50 b) Sperrwirkung des Kartellrechts? ____ 55 c) Wertungstransfer und Widerspruchsfreiheit ____ 58 2. Lauterkeitsrecht und Grundfreiheiten ____ 60 3. Lauterkeitsrecht und Rechtsangleichung ____ 63 a) Lauterkeitsrecht und Verbraucherschutz ____ 64 aa) Marktfunktionaler Verbraucherschutz im allgemeinen Lauterkeitsrecht ____ 65 bb) Marktkorrigierender Verbraucherschutz im sektoriellen Lauterkeitsrecht ____ 67 cc) Verzahnung über die Richtlinie 2005/29/EG als allgemeiner Teil ____ 68 b) Lauterkeitsrecht und geistiges Eigentum ____ 69 4. Lauterkeitsrecht und Grundrechte ____ 73 5. Lauterkeitsrecht und Staatsverträge ____ 74 6. Begriff des Europäischen Lauterkeitsrechts ____ 78 a) Europäisches Lauterkeitsrecht als Marktverhaltensrecht ____ 79 b) Europäisches Lauterkeitsrecht als rechtsschutzorientiertes Marktverhaltensrecht ____ 84 c) Andere Ansätze ____ 86 Lauterkeitsrecht und Grundfreiheiten ____ 88 1. Allgemeines ____ 90 a) Vorrang des Sekundärrechts ____ 90 b) Adressaten ____ 91 c) Unionsbezug ____ 95 d) Abgrenzung der Grundfreiheiten ____ 99 2. Warenverkehrsfreiheit: Schutzbereich ____ 101
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Internationalrechtliche Fragen. Europäisches Wettbewerbsrecht
3.
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a) Die Dassonville-Formel: Unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder potentielle Handelsbehinderung ____ 103 b) Grenzen der DassonvilleFormel ____ 106 aa) Handelsbehinderung zu ungewiss und zu mittelbar (Relevanzregel) ____ 107 bb) Bestimmte Verkaufsmodalitäten (Keck) ____ 110 (1) Produktbezogene Regeln ____ 111 (2) Bestimmte Verkaufsmodalitäten ____ 112 (a) Verkaufsmodalitäten ____ 113 (b) Rechtliche Universalität und tatsächliche Neutralität ____ 115 (c) Konsequenzen von Keck für das Lauterkeitsrecht ____ 120 c) Die neue Drei-StufenFormel ____ 121 aa) Diskriminierende Maßnahmen ____ 124 (1) Begriff ____ 124 (2) Beispiele ____ 126 (3) Relevanz für das Lauterkeitsrecht ____ 127 bb) Produktbezogene Regelungen ____ 128 (1) Begriff ____ 128 (2) Beispiele ____ 129 (3) Relevanz für das Lauterkeitsrecht ____ 130 cc) Sonstige Marktzugangsbehinderungen ____ 131 (1) Fortschreibung der Dassonville-Formel ____ 132 (2) Integration der Relevanzformel ____ 133 (3) Integration der KeckDoktrin ____ 134 (4) Kriterien der Marktzugangsbehinderung ____ 137 (5) Relevanz für das Lauterkeitsrecht ____ 140 Warenverkehrsfreiheit: Rechtfertigung ____ 141 a) Art. 36 AEUV ____ 142 aa) Gesundheitsschutz ____ 143
IV.
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bb) Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ____ 145 cc) Öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit ____ 147 b) Zwingende Erfordernisse, insbesondere Lauterkeit und Verbraucherschutz ____ 149 aa) Allgemeines zu den zwingenden Erfordernissen ____ 149 bb) Das europäische Verbraucherleitbild ____ 154 cc) Irreführung und Informationsgebot ____ 158 (1) Information geht vor Vermarktungsverbot ____ 160 (2) Kein Verbraucherschutz vor (wahrer) Information ____ 163 (3) Geringfügige oder nur abstrakt mögliche Irreführungen sind hinzunehmen ____ 168 (4) Berücksichtigung aller Umstände ____ 169 dd) Belästigende und aggressive Geschäftspraktiken ____ 170 ee) Konkurrentenschutz ____ 173 c) Sonstiges kollidierendes Primärrecht ____ 178 4. Dienstleistungsfreiheit: Schutzbereich ____ 179 a) Begriff der Dienstleistung ____ 180 b) Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit ____ 185 5. Dienstleistungsfreiheit: Rechtfertigung ____ 192 Lauterkeitsrecht und Grundrechte ____ 194 1. Anwendbarkeit europäischer Grundund Menschenrechte ____ 195 2. Verhältnis von EuGRCh und EMRK ____ 199 3. Meinungs- und Informationsfreiheit ____ 200 a) Überblick ____ 200 b) Schutzbereich und Eingriff ____ 203 c) Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit ____ 205 aa) Gesetzlich vorgesehen ____ 207 bb) Legitimer Zweck ____ 208 cc) In einer demokratischen Gesellschaft notwendig (Verhältnismäßigkeit) ____ 209
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V.
Einleitung Teil C.
(1) Unterscheidung von kommerzieller Kommunikation und Beiträgen von allgemeinem Interesse ____ 210 (2) Kritik ____ 213 dd) Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung ____ 218 d) Einzelfälle ____ 220 4. Freiheit der Kunst und der Wissenschaft ____ 222 5. Freiheit der unternehmerischen Betätigung ____ 223 a) Schutzbereich und Eingriff ____ 223 b) Rechtfertigung ____ 224 6. Verbraucher- und Gesundheitsschutz ____ 225 Lauterkeitsrecht und Rechtsangleichung ____ 226 1. Allgemeines ____ 226 2. Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken ____ 228 a) Entstehungsgeschichte ____ 228 b) Regelungsziele ____ 229 aa) Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen ____ 229 bb) Verhältnis zur Binnenmarktintegration ____ 230 cc) Mittelbarer Schutz rechtmäßig handelnder Mitbewerber ____ 231 dd) Allgemeininteressen ____ 232 ee) Kritik ____ 233 c) Harmonisierungstiefe und Binnenmarktklausel ____ 236 d) Systematische Stellung innerhalb des Unionsrechts ____ 241 e) Anwendungsbereich ____ 243 aa) Geschäftspraktiken ____ 245 (1) Absatzförderung, Verkauf, Lieferung ____ 246 (2) Unmittelbarkeitszusammenhang ____ 249 (3) Geschäftspraktiken ohne Unmittelbarkeitszusammenhang ____ 252 (4) Bezugsförderung ____ 254 (5) Vor, während und nach Abschluss eines Handelsgeschäfts ____ 255 bb) Von Unternehmen gegenüber Verbrauchern ____ 259 (1) Gewerbetreibende ____ 260 (2) Verbraucher ____ 263
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cc) Mitbewerberschutz und gewerblicher Geschäftsverkehr ____ 266 (1) Lediglich mitbewerberschützende Vorschriften ____ 267 (2) Geschäftspraktiken, die sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen ____ 277 (3) Irreführende Werbung im unternehmerischen Verkehr ____ 280 dd) Schutz anderer als wirtschaftlicher Verbraucherinteressen ____ 281 (1) Gesundheitsschutz und Produktsicherheit ____ 282 (2) Privatsphäre und Datenschutz ____ 285 (3) Gesetzliche Anforderungen der guten Sitten und des Anstands ____ 286 (4) Sonstige nicht-wirtschaftliche Interessen ____ 290 ee) Abgrenzung zu Nachbardisziplinen des Lauterkeitsrechts ____ 294 (1) Vertragsrecht und individuelle Klagen geschädigter Verbraucher ____ 295 (2) Wettbewerbsregeln ____ 303 (3) Geistiges Eigentum ____ 304 ff) Speziellere Vorschriften des besonderen Marktordnungsrechts ____ 306 (1) Besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken ____ 307 (2) Restriktivere nationale Maßnahmen ____ 316 (3) Regeln für reglementierte Berufe ____ 319 (4) Finanzdienstleistungen und Immobilien ____ 323 (5) Vergleichende Werbung und anerkannte Werbeund Marketingmethoden ____ 326 f) Überblick über die Regelungsstruktur ____ 328 g) Umsetzung ____ 332 Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung ____ 333 a) Entstehungsgeschichte ____ 333
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Internationalrechtliche Fragen. Europäisches Wettbewerbsrecht
4.
5.
b) Regelungsziele und Harmonisierungstiefe ____ 335 c) Systematische Stellung innerhalb des Unionsrechts ____ 337 d) Anwendungsbereich und Regelungsstruktur ____ 340 aa) Werbung ____ 341 bb) Irreführende Werbung ____ 342 cc) Vergleichende Werbung ____ 344 e) Umsetzung ____ 352 Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr ____ 353 a) Regelungsziele und Harmonisierungstiefe ____ 353 b) Anwendungsbereich ____ 355 c) Bedeutung für das Lauterkeitsrecht ____ 359 d) Umsetzung ____ 368 Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt ____ 369 a) Regelungsziele und Harmonisierungstiefe ____ 369 b) Anwendungsbereich ____ 371 c) Bedeutung für das Lauterkeitsrecht ____ 374 aa) Verhältnis zur Richtlinie 2005/29/EG ____ 375 bb) Dienstleistungsfreiheit ____ 376 cc) Informationspflichten ____ 379 dd) Kommerzielle Kommunikation reglementierter Berufe ____ 380 d) Umsetzung ____ 381
Alphabetisches Stichwortverzeichnis Abgeleitetes Recht (EU-Recht) 11 ff., 63 ff., 226 ff. Aggressive Geschäftspraktiken 170, 330 Allgemeinheit, Schutz der (EU-Recht) 147, 281 ff. Anerkennungsgrundsatz (freier Warenverkehr) 128 ff., 103, 111 Angleichung, siehe Rechtsangleichung Anlehnende Werbung (EU-Recht) 71, 173, 346 Anwendung des EU-Rechts 30 ff. Anwendungsvorrang 4 ff. – verfassungsrechtliche Grenzen 8 Arzneimittel 424, 219 Äquivalenzprinzip (freier Warenverkehr) 103, 111, 128 ff. Äquivalenzprinzip (Rechtsdurchsetzung) 7, 422 ff. Arbeitsweise der Europäischen Union, Vertrag über die 1 Audiovisuelle Medien 382 ff. Ausländerdiskriminierung (EU-Recht, Grundfreiheiten) 115, 124 ff. Auslegung des EU-Rechts 16 ff.
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7. 8. 9.
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Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste ____ 382 a) Regelungsziele und Harmonisierungstiefe ____ 382 b) Anwendungsbereich ____ 384 c) Bedeutung für das Lauterkeitsrecht ____ 385 d) Umsetzung ____ 392 Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher ____ 393 Richtlinie 98/6/EG über Preisangaben ____ 396 Richtlinie 2002/58/EG über Datenschutz in der elektronischen Kommunikation ____ 401 Rechtsdurchsetzung ____ 405 a) Richtlinien 2005/29/EG und 2006/114/EG ____ 405 b) Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen ____ 412 c) Verordnung 2006/2004 über die Zusammenarbeit der Verbraucherschutzbehörden ____ 414 d) Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr ____ 416 e) Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ____ 421 f) Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz ____ 422 Sektorspezifische Regelungen ____ 424
Auslegung (richtlinienkonforme) 13 f. Belästigende Geschäftspraktiken 170, 330 Beweislast 409, 423 Binnenmarkt 417, 60 ff., 63 „Cassis de Dijon“ 103, 111, 128 ff. „Dassonville“ 103 ff., 132 – Handelsbehinderung 103 ff., 132 – Verkaufsmodalitäten 110 ff. – zu ungewiss und zu mittelbar 107 ff., 133 Datenschutz 285, 401 ff. Dienstleistungsfreiheit 179 ff., 369 ff. – Beeinträchtigung 185 ff. – Begriff der Dienstleistung 180 ff. – elektronische Dienstleistungen 353 ff. – Rechtfertigung 192 f. – Schutzbereich 179 ff. – Werbung 188, 190 f. Diskriminierung – Grundfreiheiten 124 ff., 115 ff.
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– und Lauterkeitsrecht 292 Durchsetzung 405 ff. E-Commerce 353 ff. Effektivitätsgrundsatz (Auslegung) 25 f. Effektivitätsgrundsatz (Rechtsdurchsetzung) 422 f. EG-Vertrag 47, 1 Elektronischer Geschäftsverkehr 353 ff. EMRK und Lauterkeitsrecht 210 ff., 73 Entstehungsgeschichte (Auslegung des EURechts) 27 f. Erkennbarkeit von Werbung 390 f. Erschöpfung 145 f. Erwägungsgründe (Auslegung des EU-Rechts) 17, 25 Europa 2, 47 EU-Vertrag 2, 47 Europäische Menschenrechtskonvention und Lauterkeitsrecht 73, 210 ff. Europäische Union 1 Europäischer Gerichtshof (EuGH) 3, 34 ff. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 194 ff. Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) 1 Europäisches Lauterkeitsrecht (Begriff) 78 ff. EWG-Vertrag 47 Fernabsatz 394, 356 Fernsehen, siehe audiovisuelle Medien Fernsehrichtlinie, siehe Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste Firmenrechte 145 Freie Meinungsäußerung 200 ff. Freier Dienstleistungsverkehr 47, 179 ff., 369 ff. Freier Warenverkehr 47, 101 ff. Freiheit der unternehmerischen Betätigung 223 ff. Freiheit der Wissenschaft und Kunst 222 Geistiges Eigentum – und Grundfreiheiten 145 f. – und Lauterkeitsrecht 69 ff. Geltungsvorrang des Primärrechts 6 Generalklauseln, Konkretisierung (EU-Recht) 31 f. Geographische Angabe 145 Gerichtshof der Europäischen Union 3, 34 ff. Geschäftliche Äußerungen und Grundrechte 210 ff. Geschäftspraktiken 245 ff. Gesetzlicher Richter und Vorlageverfahren zum EuGH 41 ff. Gesundheitsschutz – als Schranke Grundfreiheiten 143 ff. – Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 282 ff. Gewerbetreibender 260 ff. Gewerbliches Eigentum und Grundfreiheiten 145 f. Gewerbliche Schutzrechte und Lauterkeitsrecht 69 ff., 304 f.
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Grenzüberschreitender Bezug (Grundfreiheiten) 95 ff. Grundfreiheiten (siehe auch Warenverkehrsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit) – Abgrenzung der Grundfreiheiten 99 f. – Adressaten 91 ff. – grenzüberschreitender Bezug (Unionsbezug) 95 ff. – und Lauterkeitsrecht 88 ff., 60 ff. – Vorrang des Sekundärrechts 90 Grundrechte und Lauterkeitsrecht 73, 194 ff. Grundrechtecharta (EU-Recht) 73, 194 ff. Gültigkeitszweifel (Vorlagepflicht) 38 Handelsname 145 Harmonisierung 63 ff., 90 Herkunftsangabe 145 Herkunftslandprinzip – Grundfreiheiten 103, 111, 128 ff. – Richtlinie 2000/31/EG über elektronischen Geschäftsverkehr 360 ff. – Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Dienste 386 ff. – Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken 239 f. Immaterialgüterrecht und Lauterkeitsrecht 69 ff. Informationspflichten und Lauterkeitsrecht 158 ff., 300 f., 395 Inländerdiskriminierung 98 Internationale Verträge und Europäisches Lauterkeitsrecht 74 ff. Irreführende Werbung – Grundfreiheiten 158 ff. – Sekundärrecht 333 ff. Kartellrecht (EU-Recht) – Verhältnis zum Lauterkeitsrecht 48 ff. – Sperrwirkung 55 ff. – Wertungstransfer 58 „Keck“ 110 ff. Kennzeichnung (Grundfreiheiten) 160 ff. Klagebefugnis 84, 406 Kollektiver Rechtsschutz 412 ff. Kommerzielle Kommunikation 245, 380 Konkurrentenschutz 173, 80, 266 ff. Lauterkeit des Handelsverkehrs und Grundfreiheiten 149 ff. Lauterkeitsrecht (Begriff im EU-Recht) 78 ff. Lebensmittel 424 Letztinstanzliche Gerichte und Vorlagepflicht 36 Markenrecht – und Grundfreiheiten 145 – und Lauterkeitsrecht 69 ff., 305 – und vergleichende Werbung 339 Marketing und Grundfreiheiten (Euro-Marketing) 118 Marktverhaltensrecht 79 ff.
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Marktzugang (Grundfreiheiten) 61, 88, 97, 110, 115 f., 121, 131 ff. Medienspezifische Regeln 353 ff., 382 ff. Meinungsfreiheit und Lauterkeitsrecht – Schutzbereich und Eingriff 203 ff. – Rechtfertigung 205 ff. – Verhältnismäßigkeit 209 ff. Menschenrechte und Lauterkeitsrecht 194 ff., 73 Mindestharmonisierung 153, 237, 241, 280, 316 ff., 335 Nationales Recht (Auslegung des EU-Rechts) 33 Neue Formel (Grundfreiheiten) 121 ff. – diskriminierende Maßnahmen 124 ff. – produktbezogene Regelungen 128 ff. – sonstige Marktzugangsbehinderungen 131 ff. Öffentliche Ordnung 147, 286 ff. Pariser Verbandsübereinkunft und Europäisches Lauterkeitsrecht 74 ff. Patentrechte und Grundfreiheiten 147 Preisangaben 396 ff. Pressefreiheit und Lauterkeitsrecht 200 ff. Primärrecht – Auslegung, primärrechtskonforme 23 Produktbezogene Regeln (Grundfreiheiten) 128 ff. Rechtsangleichung – und geistiges Eigentum 69 ff. – und Lauterkeitsrecht 63 ff., 226 ff. – und Verbraucherschutz 64 ff., 229 Rechtsbehelfe (bei Lauterkeitsverstößen) 405 ff. Rechtsbehelfe (bei Verletzung der Vorlagepflicht) 45 Rechtsdurchsetzung 405 ff. Rechtsvergleichung (Auslegung des EU-Rechts) 29 Rechtsschutzorientierung des Lauterkeitsrechts 84 f. Relevanzformel (Grundfreiheiten) 107 ff., 133 Richtlinie – richtlinienkonforme Auslegung 13 f. – indirekte Wirkung 15 – 84/450/EWG über irreführende Werbung 333 ff. – 97/7/EG über vergleichende Werbung 333 ff. – 98/6/EG über Preisangaben 396 ff. – 2000/31 über den elektronischen Geschäftsverkehr 353 ff. – 2002/58/EG über Datenschutz in der elektronischen Kommunikation 401 ff. – 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken 228 ff. – 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung 333 ff. – 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt 369 ff. – 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste 382 ff.
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– 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher 393 ff. Sanktionen 405 ff. Schleichwerbung 390 f. Schutzzweck des Lauterkeitsrechts 64 ff., 78 ff. Sektorspezische Regeln 424 Sekundärrecht – und Lauterkeitsrecht 63 ff., 226 ff. – Vorrang (Grundfreiheiten) 90 Spürbarkeit (Grundfreiheiten) 107, 109 Staatsverträge – Auslegung des EU-Rechts 24 – und Europäisches Lauterkeitsrecht 74 Systematik (Auslegung des EU-Rechts) 22 ff. Tatsachenfeststellung (Anwendung des EU-Rechts) 30 ff. Trennungsgebot 390 f. Unionsbezug (Grundfreiheiten) 95 ff. Unionsrecht 2 Unlauterer Wettbewerb und Dienstleistungsfreiheit 60 ff., 179 ff. Unlauterer Wettbewerb und Grundrechte 73, 194 ff. Unlauterer Wettbewerb und Harmonisierung 63 ff., 226 ff. Unlauterer Wettbewerb und Warenverkehrsfreiheit 60 ff., 101 ff. Unmittelbare Wirkung – EU-Recht 9 ff. – Staatsverträge 75 Urheberrechte und Grundfreiheiten 145 Unternehmer, Begriff 260 ff. Unternehmerfreiheit – Schutzbereich und Eingriff 223 – Rechtfertigung 224 Ursprungsangabe 145 Verbandsklage 412 ff. Verbraucher, Begriff 263 ff. Verbraucher, Richtlinie über die Rechte der 393 ff. Verbraucherleitbild 154 ff., 343 Verbraucherschutz – und Grundrechtecharta 225 – und Primärrecht 64 – und Rechtsangleichung 65 ff. Verbraucherschutz und Lauterkeitsrecht – marktfunktionaler Verbraucherschutz 65 f. – marktkorrigierender Verbraucherschutz 67 f. Verbraucherverbände 412 Vergleichende Werbung 344 ff. Verkaufsmodalitäten 112 ff. Verordnung 11 Verwechslungsgefahr 158, 173, 269, 305, 339 Vollharmonisierung 62, 89, 153, 236 Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH 34 ff. Vorlagerecht und Vorlagepflicht 34 ff.
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Einleitung Teil C.
– letztinstanzliche Gerichte 36 – Gültigkeitszweifel 38 Vorrang (EU-Recht) 4 f. Vorrang des Sekundärrechts 90 Warenkennzeichnung 160 ff. Warenverkehrsfreiheit – Beeinträchtigung 103 ff. – Dassonville-Formel 103 ff. – diskriminierende Maßnahmen 115, 124 ff. – Handelsbehinderung 103 ff. – Keck-Formel 110 ff. – Marktzugangsbehinderungen 61, 88, 115 f., 131 ff. – Maßnahmen gleicher Wirkung 103 – produktbezogene Regelungen 128 ff. – Relevanzformel 107 ff., 133 – Schutzbereich 101 ff. – Werbung 114, 116, 118, 144 – Zwingende Erfordernisse 149 ff., 192 ff.
Werbung – aggressive 170, 330 – belästigende 170, 286 ff. – Erkennbarkeit 390 f. – irreführende 342 – Schleichwerbung 390 f. – vergleichende 344 Wettbewerbsregeln (Art. 101 ff. AEUV) 48 ff. Wettbewerbsordnung, europäische 47 Wettbewerbsschutz 47, 82 Wirkung, unmittelbare (EU-Recht) 9 ff. Wirtschaftsordnung, europäische und Lauterkeitsrecht 47 Wortlaut (Auslegung des EU-Rechts) 20 f. Zweck (Auslegung des EU-Rechts) 25 f. Zwingende Erfordernisse – Irreführung und Informationsgebot 158 ff. – Konkurrentenschutz 173 ff. – Verbraucherschutz/Verbraucherleitbild 149 ff., 154 ff.
*Mit dem Vertrag von Lissabon1 und der jüngst erfolgten Erweiterung2 der Europäischen Union (EU) erfasst der europäische Integrationsprozess 28 Mitgliedstaaten und verbindet diese – gemeinsam mit den eng assoziierten Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums 3 (EWR) – zum größten integrierten Wirtschaftsraum der Welt. 4 Die rechtliche Verfassung dieses Wirtschaftsraums ist gekennzeichnet durch das supranationale Recht der Europäischen Union (Unionsrecht), das vom nationalen Recht der Mitgliedstaaten unabhängig ist, unmittelbare Wirkung für und gegen die Mitgliedstaaten und z.T. auch deren Bürger hat und im Verhältnis zum nationalen Recht Anwendungsvorrang genießt.5 Das Unionsrecht gliedert sich in das in erster Linie6 in dem Vertrag über die Eu2 ropäische Union 7 (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen 1
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* Bearbeitungsstand: August 2012; Rechtsprechung und Literatur z.T. mit Bearbeitungsstand Oktober 2013. 1 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007, ABl. C 306 vom 17.12.2007, S. 1. 2 Zum 1.7.2013 ist Kroatien beigetreten. Es laufen Beitrittsverhandlungen mit Island und der Türkei, die Staaten Mazedonien, Montenegro und Serbien sind Kandidatenländer, die übrigen Staaten des westlichen Balkans gelten als potentielle Kandidaten, http://ec.europa.eu/enlargement/the-policy/ countries-on-the-road-to-membership/index_de.htm. 3 Zum EWR zählen gegenwärtig noch Island, Liechtenstein und Norwegen. Zahlreiche Regeln des Primär- und Sekundärrechts wurden auf den EWR erstreckt, darunter auch die Grundfreiheiten und die Richtlinien 2005/29/EG und 2006/114/EG, siehe Art. 8, 28, 31, 36, 40 und Anhang XVII (Geistiges Eigentum) und XIX (Verbraucherschutz) des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl. L 1 vom 3.1.1994, S. 3 sowie die Beschlüsse Nr. 93/2006 (ABl. L 289 vom 19.10.2006, S. 34) und Nr. 34/2010 (ABl. L 143 vom 10.6.2010, S. 29) des Gemeinsamen EWR-Ausschusses. 4 Zur Entwicklung bis zum Vertrag von Maastricht Vorauflage/Schricker Einl F 318 f. 5 EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 65 – Einheitliches Patentgerichtssystem. 6 Daneben existieren auch ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsätze im Rang des Primärrechts, z.B. der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, EuGH (Große Kammer) 8.6.2010 – C-58/08 – Slg. 2010, I-4999 Tz. 51 – Vodafone. Allerdings ist nicht jedem allgemeinen Rechtsgrundsatz im Unionsrecht auch der Rang des Primärrechts zuzubilligen, Basedow AcP 210 (2010) 153, 178 ff.; eingehend Metzger Extra legem intra ius – Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht (2009). 7 Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union, ABl. C 83 vom 10.3.2010, S. 13.
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Union8 (AEUV) sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union9 (EuGRCh) niedergelegte europäische Primärrecht und das durch die Organe der Union geschaffene abgeleitete Recht (Sekundärrecht) in Gestalt von Verordnungen, Richtlinien, Beschlüssen, Empfehlungen und Stellungnahmen (Art. 288 AEUV). Das Lauterkeitsrecht wird durch beide Regelungsebenen beeinflusst, wobei sich insbesondere die Einflüsse der Grundfreiheiten, der europäischen Grundrechte und der Rechtsangleichung unterscheiden lassen. Vor einem Blick auf diese Einzelfelder soll aber zunächst auf die für die Rechtsanwendung bedeutsamen allgemeinen Lehren des Unionsrechts und die Stellung des Lauterkeitsrechts innerhalb der europäischen Wirtschaftsordnung eingegangen werden. I. Allgemeine Lehren des Unionsrechts Das Recht der Europäischen Union stellt eine gegenüber dem Recht der Mitglied- 3 staaten eigenständige Rechtsordnung dar, „zu deren Gunsten die Staaten … ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben und deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch deren Bürger sind“.10 Die wesentlichen Merkmale dieser Rechtsordnung sind ihr Anwendungsvorrang im Verhältnis zum Recht der Mitgliedstaaten, die unmittelbare Wirkung zahlreicher ihrer Bestimmungen und die Verpflichtung zur europäisch-autonomen Auslegung ihrer Vorschriften. Die Wahrung des Unionsrechts ist gemeinsam dem Gerichtshof der Europäischen Union11 (EuGH) und den Gerichten der Mitgliedstaaten anvertraut, die durch die unmittelbare Anwendung des Unionsrechts und den Dialog mit dem EuGH über das Vorabentscheidungsverfahren an der ordnungsgemäßen Anwendung und einheitlichen Auslegung des Unionsrechts sowie am Schutz der den Einzelnen von dieser Rechtsordnung gewährten Rechte mitwirken.12 1. Anwendungsvorrang und Effektivitätsgrundsatz a) Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Wesentliches Charakteristikum des 4 Unionsrechts ist zunächst sein Anwendungsvorrang gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten.13 Dieser Vorrang ist umfassend, so dass das Unionsrecht dem mitgliedstaatlichen Recht jeder Regelungsebene bis hinauf zum nationalen Verfassungsrecht vor-
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8 Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. C 83 vom 10.3.2010, S. 47; zum Zusammenhang der Verträge Art. 1 UAbs. 3 EUV. 9 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 83 vom 10.3.2010, S. 389; zur Einbeziehung in das Primärrecht Art. 6 Abs. 1 EUV. 10 EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 65 – Einheitliches Patentgerichtssystem; bereits EuGH 6.4.1962 – 13/61 – Slg. 1962, 91, 110 – Bosch: innerstaatliches Recht und Recht der Gemeinschaft „zwei selbständige, voneinander verschiedene Rechtsordnungen“; EuGH 5.2.1963 – 26/72 – Slg. 1963, 3, 25 – van Gend & Loos. Zur Struktur des Europäischen Privatrechts Metzger Extra legem intra ius – Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht (2009), S. 111 ff.; Basedow AcP 210 (2010) 157, 164 ff. 11 Das Gericht der Europäischen Union (EuG) ist für das Lauterkeitsrecht nicht relevant. 12 EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 66, 83–85 – Einheitliches Patentgerichtssystem. 13 EuGH 15.7.1964 – 6/64 – Slg. 1964, 1251, 1269 – Costa; EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 65 – Einheitliches Patentgerichtssystem; siehe auch die 17. Erklärung zum Vorrang als Teil der Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat, ABl. C 115 vom 9.5.2008, S. 344.
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geht.14 Voraussetzung für ein Eingreifen des Anwendungsvorrangs in einem zivilrechtlichen Verfahren ist allerdings, dass die betreffende Vorschrift des Unionsrechts auch unmittelbar anwendbar ist.15 Raum für eine ergänzende Anwendung der deutschen Grundrechte bleibt damit 5 nur dort, wo das Unionsrecht den Mitgliedstaaten einen Spielraum bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht belässt, also das Handeln eines Mitgliedstaats nicht vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird.16 Ist dies – wie im Anwendungsbereich vollharmonisierender Richtlinien wie der Richtlinie 2005/29/EG regelmäßig – nicht der Fall, so sind die Richtlinie und auch das ihrer Durchführung (Art. 51 Abs. 1 EuGRCh) dienende nationale Umsetzungsgesetz (UWG) wohl ausschließlich an den Unionsgrundrechten zu messen.17 Als weitere Folge des Anwendungsvorrangs ist jedes nationale Gericht zur Nichtanwendung nationalen Rechts auch ohne Vorlage an den EuGH befugt, wenn es der Auffassung ist, dass die nationale Norm im konkreten Fall mit einer unmittelbar anwendbaren Norm des Unionsrechts konfligiert.18 6
b) Geltungsvorrang des Primärrechts. Innerhalb des Unionsrechts geht das Primärrecht dem sekundären Recht vor (vgl. Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV). Dies verpflichtet nicht nur zur primärrechtskonformen Auslegung des Sekundärrechts, sondern kann in letzter Konsequenz auch zur Ungültigkeit der primärrechtswidrigen Bestimmungen des Sekundärrechtsaktes19 und ggfs. auch des nationalen Umsetzungsgesetzes20 führen. Allerdings haben die nationalen Gerichte insofern das Verwerfungsmonopol des Ge-
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14 EuGH 9.3.1978 – 106/77 – Slg. 1978, 629 Tz. 16 – Simmenthal: „jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar“; EuGH 19.6.1990 – C-213/89 – Slg. 1990, I-2433 Tz. 19 ff. – Factortame. 15 Dazu unten Rn. 9–15. 16 EuGH (Große Kammer) 26.2.2013 – C-617/10 – Tz. 29 – Åkerberg Fransson (mit dem Vorbehalt, dass die Anwendung der nationalen Grundrechte weder das Schutzniveau der Charta noch den Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen darf); BVerfG 18.7.2005 – 2 BvR 2236/04 – BVerfGE 113, 273, 300 ff. = NJW 2005, 2289; BVerfG 19.7.2011 – 1 BvR 1916/09 – NZG 2011, 1262 Tz. 88. 17 Vgl. EuGH (Große Kammer) 26.2.2013 – C-617/10 – Tz. 29 – Åkerberg Fransson: „Hat das Gericht eines Mitgliedstaats zu prüfen, ob mit den Grundrechten eine nationale Vorschrift oder Maßnahme vereinbar ist, die in einer Situation, in der das Handeln eines Mitgliedstaats nicht vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird, das Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchführt, steht es somit den nationalen Behörden und Gerichten weiterhin frei, nationale Schutzstandards für die Grundrechte anzuwenden, sofern durch diese Anwendung weder das Schutzniveau der Charta, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt wird, noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden“ (Hervorhebung nicht im Original). Der EuGH scheint also davon auszugehen, dass bei „vollständiger“ Bestimmung des mitgliedstaatlichen Handelns durch das Unionsrechts der Rückgriff auf nationale Grundrechtsstandards ausgeschlossen ist. Siehe auch BVerfG 13.3.2007 – 1 BvF 1/05 – BVerfGE 118, 79, 97 = NVwZ 2007, 937; BVerfG 19.7.2011 – 1 BvR 1916/09 – NZG 2011, 1262 Tz. 91. 18 EuGH (Große Kammer) 19.1.2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365 Tz. 55 – Kücükdeveci; EuGH 20.10.2011 – C-396/09 – EuZW 2011, 912 Tz. 38 – Interedil. 19 EuGH 4.2.1988 – 157/86 – Slg. 1988, 673 Tz. 11 – Murphy; siehe auch EuGH (Große Kammer) 1.3.2011 – C-236/09 – NJW 2011, 907 Tz. 34 – Test-Achats. 20 Bei den Konsequenzen für das nationale Umsetzungsgesetz hängt es davon ab, worauf die Ungültigkeit des Sekundärrechtsaktes beruht: Liegt ein Verstoß gegen Unionsgrundrechte vor, so führt dies, da auch die nationalen Gesetzgeber bei Durchführung des Unionsrechts an die Unionsgrundrechte gebunden sind (Art. 51 Abs. 1 EuGRCh), zur Unanwendbarkeit auch des nationalen Umsetzungsgesetzes, Wernsmann NZG 2011, 1241, 1243; str. ist allerdings, ob dies nur das BVerfG nach Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG feststellen darf, so BVerfG 13.3.2007 – 1 BvF 1/05 – BVerfGE 118, 79, 97 = NVwZ 2007, 937. Beruht der Primärrechtsverstoß hingegen auf einer Kompetenzüberschreitung bei Erlass der Richtlinie, so führt dies nicht zur Unwirksamkeit auch des nationalen Umsetzungsgesetzes (etwa des UWG).
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richtshofs zu beachten und müssen in Hauptsacheverfahren die Gültigkeitsfrage dem EuGH vorlegen, bevor sie den Sekundärrechtsakt nicht anwenden.21 c) Effektivitätsgrundsatz. Neben der Wahrung des Anwendungsvorrangs sind die 7 nationalen Gerichte gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV gehalten, gemeinsam mit dem Gerichtshof „die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus diesem Recht erwachsen“.22 Den nationalen Gerichten kommt damit neben dem EuGH die Aufgabe zu, die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts im Allgemeinen23 und die effektive und gegenüber vergleichbaren Regeln des nationalen Rechts gleichwertige (äquivalente) Durchsetzung des Unionsrechts im Besonderen sicherzustellen.24 Der Effektivitätsgrundsatz erfordert eine wirksamkeitsorientierte Auslegung des Unionsrechts 25 und eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts.26 Darüber hinaus erweitert er den Wirkungsbereich des Unionsrechts in die nichtharmonisierten Areale des nationalen Rechts,27 weil die Anwendung nichtharmonisierten nationalen Rechts die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts und insbesondere die mit einer Richtlinie verfolgten Ziele nicht beeinträchtigen darf.28 So dürfen etwa die nationalen Regeln für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen,29 nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die Regeln für vergleichbare innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz),30 und die nationalen Regeln dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität).31
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21 Dazu unten Rn. 38. Hält ein Fachgericht ein Umsetzungsgesetz sowohl für verfassungs- wie für primärrechtswidrig, so steht es ihm frei, dem EuGH (Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV) oder dem BVerfG (Art. 100 Abs. 1 GG) vorzulegen, BVerfG 11.7.2006 – 1 BvL 4/00 – BVerfGE 116, 202 Tz. 52 = NJW 2007, 51. 22 EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 68 – Einheitliches Patentgerichtssystem; EuGH (Große Kammer) 19.1.2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365 Tz. 45 – Kücükdeveci. 23 EuGH 8.4.1976 – 48/75 – Slg. 1976, 497 Tz. 74/75 – Royer; EuGH (Große Kammer) 4.7.2006 – C-212/04 – Slg. 2006, I-6057 Tz. 93 – Adeneler. 24 EuGH 21.9.1988 – 68/88 – Slg. 1989, 2965 Tz. 24 – Kommission/Griechenland: Sanktion muss gleichwertig und „jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein“; ausdrücklich Art. 11 Abs. 1 Satz 1, 13 RL 2005/29/EG; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 RL 2006/114/EG. 25 EuGH 9.3.2006 – C-174/05 – Slg. 2006, I-2443 Tz. 20 – Zuid-Hollandse Milieufederatie und Natuur en Milieu; bereits EuGH 15.7.1963 – 34/62 – Slg. 1962, 289, 318 – Kommission/Deutschland. 26 EuGH 10.4.1984 – 14/83 – Slg. 1984, 1891 Tz. 26 – von Colson und Kamann; EuGH (Große Kammer) 5.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01 – Slg. 2004, I-8835 Tz. 110 ff. – Pfeiffer; EuGH (Große Kammer) 19.1.2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365 Tz. 45 ff. – Kücükdeveci. 27 Zudem liegt der Effektivitätsgedanke auch der Lehre vom Anwendungsvorrang und von der unmittelbaren Wirkung zugrunde, Heinze Effektivitätsgrundsatz in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.) Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts (2009), S. 337, 338 f. m.w.N. Ausführlich zum Effektivitätsgrundsatz im Privatrecht Heinze Schadensersatz im Unionsprivatrecht, § 1 II (im Erscheinen). 28 EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 136 – L’Oréal. 29 Zur Rechtsdurchsetzung unten Rn. 422–423. 30 „Gleichwertigkeit“ verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, die jeweils günstigste innerstaatliche Regelung auf alle Klagen zu erstrecken, die im Bereich des Lauterkeitsrechts erhoben werden, sondern verlangt einen Vergleich zwischen den Klagen, die auf die Verletzung des Unionsrechts gestützt sind, und solchen, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt sind und einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben, EuGH 8.7.2010 – C-246/09 – Slg. 2010, I-6999 Tz. 26 f. – Bulicke; zusammenfassend zur Äquivalenz Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 14.2.2012 – C-618/10 – Tz. 62 f. – Calderón Camino. 31 EuGH (Große Kammer) 15.4.2008 – C-268/06 – Slg. 2008, I-2483 Tz. 46 – Impact; grundlegend EuGH 16.12.1976 – 33/76 – Slg. 1976, 1989 Tz. 5 – Rewe.
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d) Verfassungsrechtliche Grenzen. Aus deutscher Sicht endet der Anwendungsvorrang dort, wo der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG berührt wird (Identitätskontrolle) oder wo sich ausbrechende Rechtsakte der europäischen Organe nicht in den Grenzen der ihnen im Wege der begrenzten Einzelermächtigung eingeräumten Hoheitsrechte halten und Rechtsschutz auf Unionsebene nicht zu erlangen ist (Ultra-viresKontrolle).32 Dabei übt das BVerfG im Bereich der Grundrechte seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von Unionsrecht und die innerstaatlichen Umsetzungsvorschriften nur solange nicht aus, wie die Organe der EU „einen wirksamen Schutz der Grundrechte generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt“.33 Für das Lauterkeitsrecht erscheinen diese verfassungsrechtlichen Vorbehalte kaum bedeutsam, auch weil das Verfassungsgericht die Kontrolle nur „zurückhaltend“ und „europarechtsfreundlich“ handhabt und dem EuGH eine „Fehlertoleranz“ zubilligt.34
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2. Unmittelbare Wirkung. Ein Eingreifen des Anwendungsvorrangs in einem konkreten Fall setzt voraus, dass die betreffende Vorschrift des Unionsrechts durch die nationalen Behörden und Gerichte unmittelbar anzuwenden ist, also nach ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem der Union Rechte des Einzelnen zu begründen vermag.
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a) Primärrecht. Die unmittelbare Wirkung hat der Gerichtshof zunächst für Vorschriften des Primärrechts bejaht, die inhaltlich hinreichend genau und bestimmt, unbedingt und vorbehaltslos sind und keiner im Ermessen stehenden Ausführungshandlung bedürfen.35 So können sich Einzelne – auch in Verfahren zwischen Privaten – unmittelbar auf die Grundfreiheiten36 und Diskriminierungsverbote,37 die europäischen Grundrechte38 und die Wettbewerbsregeln des Vertrages39 berufen, wobei (mit Ausnahme der Wettbewerbsregeln) umstritten ist, in welchem Umfang diese Regeln nicht nur die Auslegung und Anwendung der dem Privatrechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsnormen
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32 BVerfG 30.6.2009 – 2 BvE 2/08 – BVerfGE 123, 267 Tz. 240 = NJW 2009, 2267 m.w.N. 33 BVerfG 2.3.2010 – 1 BvR 256/08 – BVerfGE 125, 260 Tz. 181 = NJW 2010, 883; BVerfG 4.10.2011 – 1 BvL 3/08 – NJW 2012, 45 Tz. 46 m.w.N. 34 BVerfG 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06 – BVerfGE 126, 286 Tz. 58, 66 = NJW 2010, 3422. 35 EuGH 5.2.1963 – 26/72 – Slg. 1963, 3, 24 f. – van Gend & Loos; EuGH 15.1.1986 – 44/84 – Slg. 1986, 29 Tz. 47 – Hurd; für ein Gegenbeispiel EuGH 10.3.2011 – C-379/09 – NZA 2011, 561 Tz. 14 – Casteels; gegen unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 169 AEUV Leible/Schäfer WRP 2012, 32, 35; dazu auch EuGH 7.3.1996 – C-192/94 – Slg. 1996, I-1281 Rn. 20 f. – El Corte Inglés. 36 Zur Warenverkehrsfreiheit EuGH 19.12.1968 – 13/68 – Slg. 1968, 680, 692 – Salgoil; EuGH 3.3.2011 – C-161/09 – GRUR Int. 2011, 314 Tz. 22 – Kakavetsos-Fragkopoulos; zur Niederlassungsfreiheit EuGH 21.6.1974 – 2/74 – Slg. 1974, 631 Tz. 30 – Reyners; zur Dienstleistungsfreiheit EuGH 3.12.1974 – 33/74 – Slg. 1974, 1299 Tz. 24/26 – van Binsbergen. 37 EuGH 8.4.1976 – 43/75 – Slg. 1976, 455 Tz. 21/24, 38/39 – Defrenne II (Art. 157 AEUV); EuGH 6.6.2000 – C-281/98 – Slg. 2000, I-4139 Tz. 35 f. – Angonese (Diskriminierungsverbot als Teil der Arbeitnehmerfreizügigkeit); EuGH (Große Kammer) 19.1.2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365 Tz. 50 f. – Kücükdeveci (Verbot der Altersdiskriminierung als „spezifische Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes“). 38 EuGH 2.4.2009 – C-421/07 – Slg. 2009, I-2629 Tz. 25 – Damgaard; siehe auch Art. 51 EuGRCh. 39 EuGH 6.4.1962 – 13/61 – Slg. 1962, 91, 112 – Bosch; EuGH 18.3.1997 – C-282/95 P – Slg. 1997, I-1503 Tz. 39 – Guérin; EuGH 20.9.2001 – C-453/99 – Slg. 2001, I-6297 Tz. 23 f. – Courage; EuGH 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04 – Slg. 2006, I-6619 Tz. 39 – Manfredi; EuGH (Große Kammer) 14.6.2011 – C-360/09 – EuZW 2011, 598 Tz. 19, 28 – Pfleiderer.
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beeinflussen (also z.B. zur Nichtanwendbarkeit grundfreiheitswidriger nationaler Vorschriften führen können), sondern auch unmittelbare Verpflichtungen Privater begründen.40 Demgegenüber sind die Vorgaben in Art. 119 AEUV über die Europäische Wirtschaftsverfassung keine Bestimmungen, die den Mitgliedstaaten klare und unbedingte Verpflichtungen auferlegen, auf die sich Einzelne vor den nationalen Gerichten berufen könnten.41 Die unmittelbare Wirkung des Primärrechts gebietet zunächst die primärrechtskonforme Auslegung und in letzter Konsequenz auch die Nichtanwendung des nationalen Rechts, sofern eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist.42 b) Verordnungen. Unmittelbare Geltung zwischen Privaten kommt sodann Ver- 11 ordnungen gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV zu,43 zu deren Durchsetzung im Interesse der Wirksamkeit des Unionsrechts auch Private befugt sind. Dies gilt nicht nur für klassisch privatrechtliche Normen, sondern auch für Normen des Marktordnungsrechts wie etwa lebensmittelrechtliche Kennzeichnungsvorschriften.44 c) Richtlinien. Demgegenüber sind Richtlinien (Art. 288 Abs. 3 AEUV) vom Grund- 12 satz der unmittelbaren Wirkung in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten ausgenommen. Soweit die konkrete Richtlinienvorschrift nicht zugleich im Rang eines (auch gegenüber Privaten unmittelbar anwendbaren) allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts steht,45 kann sie nur Rechte, nicht jedoch Verpflichtungen für Private begründen.46 Ein Einzelner kann sich „nicht gegenüber einem Mitgliedstaat auf eine Richtlinie berufen, wenn es sich um eine Verpflichtung des Staates handelt, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Erfüllung einer anderen Verpflichtung steht, die aufgrund dieser Richtlinie einem Dritten obliegt“.47 Die fehlerhafte oder gänzlich unterbliebene Richtlinienumsetzung48 kann deshalb unmittelbar nur Rechte gegenüber dem Mitgliedstaat oder staatsbeherrschten Einrichtungen49 begründen.50 Als Kompensation für die fehlende Direktwir-
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40 Zur Diskussion bei den Grundfreiheiten unten Rn. 91–94. 41 EuGH 3.10.2000 – C-9/99 – Slg. 2000, I-8207 Tz. 25 – Echirolles Distribution. 42 EuGH 4.2.1988 – 157/86 – Slg. 1988, 673 Tz. 11 – Murphy. 43 Wegen ihrer unmittelbaren Geltung ist es problematisch, Verordnungen durch gleichgestaltete nationale Durchführungsgesetze zu spiegeln, EuGH 10.10.1973 – 34/73 – Slg. 1973, 981 Tz. 11 – Variola. 44 EuGH 17.9.2002 – C-253/00 – Slg. 2002, I-7289 Tz. 27 – Muñoz; EuGH 14.7.2011 – C-4/10 und C-27/10 – GRUR 2011, 926 Tz. 40 – Bureau national interprofessionnel du Cognac. 45 Dies ist etwa beim Verbot der Altersdiskriminierung als „spezifische Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes“ bejaht worden, EuGH (Große Kammer) 19.1.2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365 Tz. 50 f. – Kücükdeveci. 46 EuGH 26.2.1986 – 152/84 – Slg. 1986, 723 Tz. 48 – Marshall; EuGH 14.7.1994 – C-91/92 – Slg. 1994, I-3325 Tz. 20 – Faccini Dori; EuGH (Große Kammer) 17.7.2008 – C-152/07 bis C-154/07 – Slg. 2008, I-5959 Tz. 35 – Arcor; EuGH (Große Kammer) 19.1.2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365 Tz. 46 – Kücükdeveci. 47 EuGH (Große Kammer) 17.7.2008 – C-152/07 bis C-154/07 – Slg. 2008, I-5959 Tz. 35 – Arcor. 48 Zu den Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien EuGH 10.5.2001 – C-144/99 – Slg. 2001, I-3541 Tz. 20 f. – Kommission/Niederlande; EuGH 7.5.2002 – C-478/99 – Slg. 2002, I-4147 Tz. 18 – Kommission/Schweden. 49 EuGH 19.4.2007 – C-356/05 – Slg. 2007, I-3067 Tz. 40 – Farrell: Eine fehlerhaft umgesetzte Richtlinie kann auch einer Einrichtung entgegengehalten werden, „die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen“. 50 EuGH 23.4.2009 – C-378/07 und C-380/07 – Slg. 2009, I-3071 Tz. 193 – Angelidaki: Gegenüber dem Staat können sich Private „immer dann auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen […], wenn sich diese als inhaltlich unbedingt und hinreichend genau darstellen“.
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kung von Richtlinien gegenüber Privaten besteht ein Anspruch auf Staatshaftung wegen fehlerhafter Richtlinienumsetzung.51 aa) Richtlinienkonforme Auslegung. Praktisch wirkt sich die Beschränkung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien allerdings selten aus. Der Grund ist die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts.52 Danach müssen die nationalen Gerichte ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie53 „unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung ihrer Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt“.54 Zwar orientiert sich die richtlinienkonforme Auslegung am Methodenkanon des nationalen Rechts.55 Auch darf sie nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem herangezogen werden oder Rechtsgrundsätze wie das Rechtssicherheitsgebot oder das Rückwirkungsverbot verletzen.56 Dennoch kommt es infolge der richtlinienkonformen Auslegung auch in Streitigkei14 ten zwischen Privaten regelmäßig zu einer faktischen Direktwirkung von Richtlinien,57 zumindest wenn eine Rechtsmaterie wie das Lauterkeitsrecht infolge von Generalklauseln und offenen Tatbeständen der Auslegung besonders zugänglich ist und wenn die Vorschriften wie die des UWG ausdrücklich das Ziel der Richtlinienumsetzung58 verfolgen. In einem solchen Fall ist nämlich im Fall der Richtlinienwidrigkeit der Umsetzungsvorschriften im Zweifel von einer planwidrigen Unvollständigkeit auszugehen, so dass der Weg zur richtlinienkonformen Fortbildung des UWG eröffnet wird.59 So hat auch der Bundesgerichtshof aus der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung gefolgert, dass das deutsche Recht über die Auslegung im engeren Sinn hinaus 13
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51 EuGH 19.11.1991 – C-6/90 und C-9/90 – Slg. 1991, I-5357 Tz. 39 ff. – Francovich eröffnet eine Schadensersatzhaftung der Mitgliedstaaten für fehlerhaft umgesetzte Richtlinien, wenn (1) Ziel der Richtlinie die Verleihung von Rechten an Einzelne ist, (2) der Inhalt dieser Rechte auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden kann und (3) ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die dem Mitgliedstaat auferlegte Verpflichtung und dem entstandenen Schaden besteht, zusammenfassend EuGH 23.4.2009 – C-378/07 und C-380/07 – Slg. 2009, I-3071 Tz. 202 – Angelidaki. 52 EuGH 10.4.1984 – 14/83 – Slg. 1984, 1891 Tz. 26 – von Colson und Kamann; EuGH 14.7.1994 – C-91/92 – Slg. 1994, I-3325 Tz. 26 – Faccini Dori; EuGH (Große Kammer) 5.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01 – Slg. 2004, I-8835 Tz. 110 ff. – Pfeiffer; EuGH (Große Kammer) 19.1.2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365 Tz. 45 ff. – Kücükdeveci; von Danwitz JZ 2007, 697, 700, 702 ff.; Mörsdorf EuR 2009, 219, 222 ff. Im Zweifel ist auch „überschießend“ angeglichenes Recht richtlinienkonform auszulegen, BGH 9.4.2002 – XI ZR 91/99 – NJW 2002, 1882, 1884. 53 EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 39 – VTB-VAB; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 29 – Plus Warenhandelsgesellschaft; Röthel ZEuP 2009, 34. 54 EuGH (Große Kammer) 4.7.2006 – C-212/04 – Slg. 2006, I-6057 Tz. 111 – Adeneler; EuGH 10.3.2011 – C-109/09 – EuZW 2011, 305 Tz. 55 – Deutsche Lufthansa. 55 OGH 15.2.2011 – 4 Ob 208/10g – Medien und Recht 2011, 41 Tz. 2.2, abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at/Jus/– Fußballer des Jahres IV (zu § 9a Abs. 1 östUWG). 56 EuGH 10.3.2011 – C-109/09 – EuZW 2011, 305 Tz. 54 – Deutsche Lufthansa; zu den Grenzen nach deutschem Verfassungsrecht BVerfG 26.9.2011 – 2 BvR 2216/06 – EuZW 2012, 196 Tz. 51 ff. 57 Für ein Beispiel BGH 5.10.2010 – I ZR 4/06 – GRUR 2011, 532, 535 Tz. 25 – Millionen-Chance II. 58 BTDrucks. 16/10145 S. 10. 59 Siehe BGH 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 – NJW 2009, 427, 428 f. Tz. 24 – Quelle, der aus den Gesetzesmaterialien den Willen zur richtlinienkonformen Umsetzung ableitet und dies als Argument für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes ansieht; ebenso BGH 21.12.2011 – VIII ZR 70/08 – NJW 2012, 1073 Tz. 32, 34; explizit zum Lauterkeitsrecht OGH 15.2.2011 – 4 Ob 208/10g – Medien und Recht 2011, 41 Tz. 2.3, abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at/Jus/– Fußballer des Jahres IV (zu § 9a Abs. 1 östUWG). Zu den Auswirkungen einer Verletzung richtlinienwidriger Marktverhaltensregeln auf § 4 Nr. 11 UWG Omsels WRP 2013, 1286.
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durch Analogie oder teleologische Reduktion richtlinienkonform fortzubilden ist.60 Auch ausländisches Lauterkeitsrecht wird durch die richtlinienkonforme Auslegung zugänglicher, weil infolge der Vollharmonisierung im Zweifel von einer Richtlinienkonformität ausgegangen werden kann.61 Allerdings entbindet die richtlinienkonforme Auslegung die Mitgliedstaaten nicht von ihrer Verpflichtung, eine Richtlinie, durch die individuelle Rechte und Pflichten begründet werden sollen, hinreichend klar und bestimmt umzusetzen,62 was beim UWG nicht vollständig geglückt erscheint.63 bb) Indirekte Wirkung von Richtlinien. Die faktische Direktwirkung durch richtli- 15 nienkonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Rechts wird durch die indirekte Horizontalwirkung von Richtlinien zwischen Privaten verstärkt. Verstößt eine Vorschrift des nationalen Rechts (z.B. über Produktsicherheitsstandards) gegen eine europäische Richtlinie, so kann sich eine Partei auch im Privatrechtsstreit (z.B. gestützt auf § 4 Nr. 11 UWG) auf die richtlinienwidrige nationale Vorschrift nicht berufen.64 Anerkannt ist zudem eine sogenannte mittelbare Reflexwirkung von Richtlinien im Dreiecksverhältnis. Danach „rechtfertigen bloße negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter, selbst wenn sie gewiss sind, es nicht, einem Einzelnen das Recht auf Berufung auf die Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat zu versagen“.65 Allerdings ist diese Judikatur auf verwaltungs- und regulierungsrechtliche Drittbeziehungen zugeschnitten. Sie ist daher wohl nur für die verwaltungsbehördliche, nicht aber für die zivilgerichtliche Durchsetzung des Lauterkeitsrechts relevant.66 3. Auslegung des Unionsrechts. Weitere Folge der Eigenständigkeit des Unions- 16 rechts ist die Verpflichtung zu seiner autonomen Auslegung. Nach dieser Maxime müssen „die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich67 auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel68 in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhal-
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60 BGH 26.11.2008 – NJW 2009, 427, 428 f. Tz. 21 – Quelle; BGH 21.12.2011 – VIII ZR 70/08 – NJW 2012, 1073 Tz. 30; zur Übertragung auf das Lauterkeitsrecht OGH 15.2.2011 – 4 Ob 208/10g – Medien und Recht 2011, 41 Tz. 2.3, abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at/Jus/– Fußballer des Jahres IV (zu § 9a Abs. 1 östUWG); Fezer/Fezer Einleitung E Rn. 422: „richtlinienoptimierende Auslegung“; allgemein zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung Schnorbus AcP 201 (2001), 860; Herresthal Rechtsfortbildung im europarechtlichen Bezugsrahmen (2006), insbesondere S. 217 ff.; ders. EuZW 2007, 396. 61 Vgl. LG Berlin 1.6.2010 – Az. 16 O 525/08 – WRP 2010, 1422 Tz. 54 (juris) – Kreditkartengebühr. 62 Zu den Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien EuGH 10.5.2001 – C-144/99 – Slg. 2001, I-3541 Tz. 20 f. – Kommission/Niederlande; EuGH 7.5.2002 – C-478/99 – Slg. 2002, I-4147 Tz. 18 – Kommission/Schweden. 63 Zur Kritik an der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG unten Rn. 332. 64 Siehe EuGH 30.4.1996 – C-194/94 – Slg. 1996, I-2201 Tz. 54 – CIA Security (Lauterkeitsrecht); EuGH 26.9.2000 – C-443/98 – Slg. 2000, I-7535 Tz. 49, 51 – Unilever (Vertragsrecht); EuGH 6.6.2002 – C-159/00 – Slg. 2002, I-5031 Tz. 50, 52 – Eco-Emballages (Vertragsrecht). 65 EuGH (Große Kammer) 17.7.2008 – C-152/07 und C-154/07 – Slg. 2008, I-5959 Tz. 36 – Arcor. 66 Siehe aber OGH 15.2.2011 – 4 Ob 208/10g – Medien und Recht 2011, 41 Tz. 2.2, abrufbar unter http:// www.ris.bka.gv.at/Jus/– Fußballer des Jahres IV: „Auf dieser Grundlage könnte angenommen werden, dass sich der in Anspruch Genommene gegenüber dem Staat auf die Unanwendbarkeit von § 9a Abs. 1 Z 1 UWG berufen kann, sodass Unterlassungsgebote nicht mehr zulässig sind; der damit verbundene Wegfall von Unterlassungsansprüchen anderer Marktteilnehmer wäre nur eine die unmittelbare Anwendung nicht hindernde „negative Auswirkung“ im Sinn der oben darstellten Rechtsprechung“. 67 Für ein Beispiel eines expliziten Verweises EuGH (Große Kammer) 5.7.2011 – C-263/09 P – GRUR 2011, 1132 Tz. 44, 47 ff. – Edwin Co Ltd. 68 Für ein Beispiel eines impliziten Verweises auf nationales Recht EuGH 12.12.1996 – C-74/95 und C-129/95 – Slg. 1996, I-6609 Tz. 30 – Strafverfahren gegen X; zu einer Vorfrage bei Auslegung der Grundfreiheiten EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-210/06 – Slg. 2008, I-9641 Tz. 109 – Cartesio; zum
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ten“.69 Dies gilt in besonderer Weise für die Richtlinie 2005/29/EG, die mit dem Konzept der Vollharmonisierung ausdrücklich darauf abzielt, „die in den Mitgliedstaaten existierenden unterschiedlichen Generalklauseln und Rechtsgrundsätze zu ersetzen“, so dass ein impliziter Verweis auf nationales Recht in aller Regel ausscheidet.70 Um diesen autonomen und einheitlichen Sinn zu ermitteln, ist auf den Wortlaut, den systematischen Zusammenhang und die Ziele zurückzugreifen, die mit der konkreten Regelung und dem Rechtsakt insgesamt verfolgt werden.71 a) Material des Auslegungsvorgangs. Material des Auslegungsvorgangs sind nicht nur die konkret auszulegenden Normen, sondern auch die zugehörigen Erläuterungen und Definitionen an anderer Stelle des Rechtsaktes.72 Auch die dem Rechtsakt vorangestellten Erwägungsgründe (Art. 296 Abs. 2 AEUV) sind in den Auslegungsvorgang einzubeziehen, weil sie neben allgemeinen Erwägungen zum Erlass des Rechtsakts regelmäßig zu jeder Einzelvorschrift konkrete Erläuterungen enthalten. Zwar sieht der Gerichtshof die Begründungserwägungen als rechtlich nicht verbindlich an. Sie können daher nicht herangezogen werden, um von den Bestimmungen des Rechtsaktes abzuweichen oder sie in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht.73 18 Andererseits wird die Schwelle zu einer Abweichung oder einem offensichtlichen Widerspruch zum Wortlaut nur selten erreicht werden.74 Zudem vermögen die Erwägungsgründe sogar den Wortlaut zu überspielen, wenn sie den Zweck des Rechtsakts zum Ausdruck bringen.75 Auch sind die Erwägungsgründe aufgrund ihrer prominenten 17
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impliziten Verweis auch Franzen Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft (1999), S. 476 ff. 69 EuGH (Große Kammer) 18.10.2011 – C-34/10 – GRUR 2011, 1104 Tz. 25 – Brüstle (siehe auch den Hinweis auf die Binnenmarktharmonisierung Tz. 27 f. als Argument für autonome Auslegung); ferner EuGH 7.12.2006 – C-306/05 – Slg. 2006, I-11519 Tz. 31 – SGAE; EuGH 14.12.2006 – C-316/05 – Slg. 2006, I-12083 Tz. 21 – Nokia; EuGH 30.6.2011 – C-271/10 – GRUR 2011, 913 Tz. 25 – VEWA; zur RL 2005/29/EG EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Tz. 25 – BKK Mobil Oil; siehe bereits EuGH 19.3.1964 – 75/63 – Slg. 1964, 379, 396 – Unger. 70 Erwägungsgrund 13 Satz 1 RL 2005/29/EG; EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Tz. 25 f. – BKK Mobil Oil; Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 59. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Richtlinie – insbesondere bei der Verknüpfung mit nicht harmonisierten Nachbarbereichen – an nationale Begrifflichkeiten anknüpft, wie bei dem durch das nationale Vertragsrecht definierten „Umfang der Verpflichtungen des Gewerbetreibenden“ (Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2005/29/EG). 71 EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 54 – eDate Advertising; EuGH 22.9.2011 – C-482/09 – GRUR Int. 2011, 939 Tz. 39 – Budějovický Budvar; EuGH 22.9.2011 – C-244/10 und C-245/10 – GRUR Int. 2012, 53 Tz. 40 – Mesopotamia Broadcast; siehe bereits EuGH 6.10.1982 – 283/81 – Slg. 1982, 3415 Tz. 18-20 – C.I.L.F.I.T.; zum Primärrecht EuGH 5.3.1963 – 26/62 – Slg. 1963, 1, 27 – van Gend und Loos: „Geist, Systematik und Wortlaut des Vertrages“; speziell zur RL 2005/29/EG EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 58 – VTB-VAB; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 46 – Plus Warenhandelsgesellschaft: „Fragen […] im Licht des Inhalts und der allgemeinen Systematik der […] Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 zu prüfen“. 72 Z.B. die Definitionen in Art. 2 RL 2005/29/EG. 73 EuGH 19.11.1998 – C-162/97 – Slg. 1998, I-7477 Tz. 54 – Nilsson; EuGH 24.11.2005 – C-136/04 – Slg. 2005, I-10095 Tz. 32 – Deutsche Milchkontor; EuGH (Große Kammer) 10.1.2006 – C-344/04 – Slg. 2006, I-403 Tz. 76 – International Air Transport Association: „Hierzu ist jedoch festzustellen, dass die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsakts zwar dessen Inhalt präzisieren können […], dass sie es aber nicht erlauben, von den Regelungen des Rechtsakts abzuweichen“. 74 Vgl. EuGH (Große Kammer) 10.1.2006 – C- 344/04 – Slg. 2006, I-403 Tz. 76 – International Air Transport Association: „Differenz nicht so erheblich, dass die Regelung widersprüchlich würde“. 75 Für eine Definition des Zwecks anhand der Erwägungsgründe etwa EuGH 15.4.2010 – C-511/08 – Slg. 2010, I-3047 Tz. 54 – Handelsgesellschaft Heinrich Heine; EuGH 27.1.2011 – C-168/09 – GRUR 2011, 216 Tz. 38 – Flos; EuGH (Große Kammer) 18.10.2011 – C-34/10 – GRUR 2011, 1104 Tz. 27 – Brüstle.
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Stellung nicht lediglich der entstehungsgeschichtlichen Auslegung zuzuordnen,76 mit entsprechend geminderter Bedeutung für den Auslegungsvorgang.77 Angesichts des untrennbaren Zusammenhangs zwischen Erwägungsgründen und verfügendem Teil des Rechtsaktes78 sind die Erwägungsgründe vielmehr in die Auslegung anhand von Wortlaut, Systematik und Zweck einzubeziehen. Nicht mehr zum auszulegenden Normtext zählen erläuternde Berichte europäischer 19 Organe zur Auslegung des Unionsrechts, die nach Erlass des Rechtsaktes erstellt wurden.79 Zwar mögen solche Berichte gewissen Aufschluss über die Auslegung des Unionsrechts bieten, zumal wenn Rechtsprechung aus Luxemburg noch aussteht.80 Verbindlich sind sie aber weder für den EuGH noch für nationale Gerichte, weil zur letztverbindlichen Klärung von Auslegungszweifeln der Gerichtshof berufen ist (Art. 19 EUV, Art. 267 AEUV). b) Wortlaut. Ausgangspunkt für die Auslegung des Unionsrechts ist der Wortlaut 20 der auszulegenden Norm81 i.S.d. „gewöhnlichen Sprachgebrauchs“.82 Dabei verbietet es die einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts, eine Bestimmung in einer Sprachfassung isoliert zu betrachten. Geboten ist vielmehr, sie nach dem wirklichen Willen ihres Urhebers und dem von diesem verfolgten Zweck83 unter Berücksichtigung ihrer Fassungen in den anderen Amtssprachen auszulegen und anzuwenden,84 was allerdings bei 24 Amtssprachen85 in der Rechtspraxis an Grenzen stößt. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen voneinander ab, so muss die fragliche Vorschrift nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört.86 Der Wortlaut ist stets nur Ausgangspunkt, nicht aber Grenze der Auslegung.87 Auch 21 Beschränkungen des Wortlauts schließen ein abweichendes Auslegungsergebnis nicht
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76 So Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009) 1, 15; vgl. auch MünchKomm/Leible EG A Rn. 157. 77 Für eine hohe Relevanz der Erwägungsgründe auch Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009) 1, 15. 78 Vgl. EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 55 – eDate Advertising „In diesem Sinne ist der verfügende Teil eines Unionsrechtsakts untrennbar mit seiner Begründung verbunden und erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu seinem Erlass geführt haben“; zurückhaltender noch EuGH 13.7.1989 – 215/88 – Slg. 1989, 2789 Tz. 31 – Casa Fleischhandel. 79 Etwa der Kommissionsbericht SEK (2009) 1666. Zur Entstehungsgeschichte der RL 2005/29/EG Rn. 228. 80 Vgl. EuGH (Große Kammer) 2.12.2009 – C-358/08 – Slg. 2009, I-11305 Tz. 42 – Aventis Pasteur zu einem Anwendungsbericht der Kommission zur Produkthaftungsrichtlinie. 81 Siehe etwa EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – GRUR 2011, 930 Tz. 31 – Ving Sverige; bereits EuGH 21.12.1954 – 1/54 – Slg. 1954, 7, 27 – Französische Republik/Hohe Behörde. 82 EuGH 10.3.2005 – C-336/03 – Slg. 2005, I-1947 Tz. 21 – easyCar; EuGH 5.7.2012 – C-49/11 – Rn. 32 f. – Content Services. 83 EuGH 3.6.2010 – C-569/08 – Slg. 2010, I-4871 Tz. 35 – Schlicht. 84 EuGH 6.10.1982 – 283/81 – Slg. 1982, 3415 Tz. 18 – C.I.L.F.I.T.; EuGH 4.10.2007 – C-457/05 – Slg. 2007, I-8075 Tz. 17 – Diageo; EuGH 3.6.2010 – C-569/08 – Slg. 2010, I-4871 Tz. 33–35 – Schlicht; EuGH 9.6.2011 – C-52/10 – GRUR Int. 2011, 733 Tz. 23 – Alter Channel; EuGH 17.11.2011 – C-412/10 – NJW 2012, 441 Tz. 28 – Homawoo; zur Auslegung mehrsprachigen Unionsrechts auch Weiler ZEuP 2010, 861. 85 Zu den Vertragssprachen Art. 55 Abs. 1 EUV; zu den Amtssprachen des Sekundärrechts Art. 1 der Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. 17 vom 6.10.1958, S. 385, geändert durch Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung einiger Verordnungen und Beschlüsse […] aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien, ABl. L 158 vom 10.6.2013, S.1. Zur Gleichwertigkeit der Sprachfassungen EuGH 17.9.2009 – C-347/08 – Slg. 2009, I-8661 Tz. 26 – Voralberger Gebietskrankenkasse. 86 EuGH 27.10.1977 – 30/77 – Slg. 1977, 1999 Tz. 13/14 – Bouchereau; EuGH 4.10.2007 – C-457/05 – Slg. 2007, I-8075 Tz. 18 – Diageo; EuGH 17.9.2009 – C-347/08 – Slg. 2009, I-8661 Tz. 26 – Voralberger Gebietskrankenkasse; EuGH 9.6.2011 – C-52/10 – GRUR Int. 2011, 733 Tz. 24 – Alter Channel. 87 Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009) 1, 10.
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aus, weil die besondere Bedeutung der teleologischen Auslegung im Unionsrecht Wortlautbeschränkungen zu überwinden vermag.88 Dies gilt in besonderem Maße im Lauterkeitsrecht, das – sieht man von einzelnen Regeln im Anhang I zur Richtlinie 2005/29/EG ab – vor allem durch Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe und offene Tatbestände geprägt ist. 22
c) Rechtsaktimmanente und rechtsaktübergreifende Systematik. Neben dem Wortlaut ist die Regelungssystematik der auszulegenden Norm in die Auslegung einzubeziehen, wobei zwischen der rechtsaktimmanenten und der rechtsaktübergreifenden Systematik zu unterscheiden ist. Für die Auslegung zu berücksichtigen ist zunächst die rechtsaktimmanente Systematik, also die Stellung der Norm im Gesamtgefüge des betreffenden Rechtsaktes.89 Dabei formuliert der Gerichtshof regelmäßig den Grundsatz, dass die Ausnahmebestimmungen eines Rechtsakts im Zweifel eng auszulegen sind, weil sonst die Ausnahme entgegen der Konzeption des Gesetzgebers zur Regel zu werden droht (singularia non sunt extendenda).90 Andererseits hat der EuGH auch entschieden, dass der Verbraucherschutzgedanke nicht absolut zu verstehen ist, so dass eine zu enge Auslegung der Ausnahmetatbestände, die diese ihrer praktischen Wirksamkeit berauben würde, nicht angezeigt ist.91 Die Reichweite einer Ausnahmevorschrift lässt sich daher stets nur im Einzelfall bestimmen. Bei einer beispielhaften Aufzählung einzelner Tätigkeiten zur Konkretisierung einer Ausnahmevorschrift geht der EuGH davon aus, dass die „Ausnahme nur für Tätigkeiten gilt, die entweder dort ausdrücklich genannt sind oder derselben Kategorie zugeordnet werden können (eiusdem generis)“.92 Daneben zeichnet sich in der jüngeren Rechtsprechung immer stärker auch eine Be23 rücksichtigung der rechtsaktübergreifenden systematischen Stellung der auszulegenden Norm innerhalb der Unionsrechtsordnung insgesamt ab. Für die Einbeziehung höherrangigen Rechts (insbesondere der Grundrechte und Grundfreiheiten, des Binnenmarktkonzepts, des Verbraucherschutzziels und des Ziels unverfälschten Wettbewerbs) in die Auslegung ergibt sich dies bereits aus der Pflicht zur primärrechtskonformen Auslegung infolge des Geltungsvorrangs des Primärrechts.93 In der Judikatur
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88 EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 35 f. – Toshiba (wörtliche Auslegung abzulehnen, da sie Widerspruch zu Zielen benachbarter Richtlinie begründet); siehe auch EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 61 – de Landtsheer; EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – GRUR 2011, 930 Tz. 29 – Ving Sverige; EuGH (Große Kammer) 18.10.2011 – C-34/10 – GRUR 2011, 1104 Tz. 31 f. – Brüstle. 89 Siehe etwa EuGH 28.7.2011 – C-195/09 – GRUR Int. 2011, 934 Tz. 39 ff. – Synthon; siehe auch EuGH 2.9.2010 – C-66/09 – GRUR Int. 2010, 974 Tz. 42 – Kirin Amgen: einheitlicher Begriff in unterschiedlichen Regeln eines Rechtsaktes grundsätzlich einheitlich auszulegen. 90 EuGH 20.1.2005 – C-27/02 – Slg. 2005, I-481 Tz. 42 f. – Engler; EuGH 15.4.2010 – C-215/08 – Slg. 2010, I-2947 Tz. 32 – E.Friz (Ausnahmen von unionsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften eng auszulegen); für Anwendung herkömmlicher Auslegungsregeln auch auf Ausnahmevorschriften Riesenhuber Die Auslegung in: Riesenhuber (Hrsg.) Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. (2010), § 11 Rn. 62. 91 EuGH 1.3.2012 – C-166/11 – NJW 2012, 1709 Tz. 27 – Nationale Nederlanden (zu den Ausnahmetatbeständen des Art. 3 Abs. 2 der Haustürwiderrufsrichtlinie 85/577/EWG (= Art. 3 Abs. 3 RL 2011/83/EU). 92 EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-73/07 – Slg. 2008, I-9831 Tz. 41 – Satakunnan Markkinapörssi. 93 EuGH 4.2.1988 – 157/86 – Slg. 1988, 673 Tz. 11 – Murphy. Zu den Grundfreiheiten Art. 4 und Erwägungsgrund 2 Satz 1, 4 Satz 2 und 5 Satz 1 RL 2005/29/EG; EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 12 – Clinique; EuGH 16.1.2003 – C-14/00 – Slg. 2003, I-513 Tz. 66 – Kommission/Italienische Republik; EuGH (Große Kammer) 17.4.2007 – C-470/03 – Slg. 2007, I-2749 Tz. 59 f. – A.G.M.-COS.MET; EuGH 4.10.2007 – C-457/05 – Slg. 2007, I-8075 Tz. 22 – Diageo; zu den Grundrechten Erwägungsgrund 25 RL 2005/29/EG und EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 67 – RTL; EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 49 – Karner; EuGH 2.4.2009 – C-421/07 – Slg. 2009, I-2629 Tz. 25 ff. – Damgaard; zum Gleichbehandlungsgrundsatz EuGH 19.11.2009 – C-402/07 und C-432/07 – Slg. 2009, I-10923 Tz. 48 –
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des EuGH lässt sich zudem auch umgekehrt zumindest eine Inspiration bei der Auslegung des Primärrechts durch Regeln des abgeleiteten Rechts beobachten,94 die nicht aus normhierarchischen Gründen verworfen, sondern vielmehr als Beitrag zur Konkretisierung der häufig vagen Begriffe der EU-Verträge begrüßt werden sollte. Im Verhältnis von gleichrangigen Rechtsakten wie parallelen Richtlinien oder Ver- 24 ordnungen sind im Interesse der Einheit und Kohärenz der Unionsrechtsordnung die in unterschiedlichen Rechtsakten verwendeten Begriffe zumindest dann gleich auszulegen, wenn der Unionsgesetzgeber keinen abweichenden Willen zum Ausdruck gebracht hat und der betreffende Rechtsakt auf den Grundsätzen und Bestimmungen des betreffenden Sachgebiets beruht.95 Für die Richtlinie 2005/29/EG folgt aus diesem horizontalen Kohärenzpostulat, dass sie als allgemeines Regelungswerk innerhalb der Unionsgesetzgebung auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes aufgefasst werden muss, das einer kohärenten Auslegung mit den benachbarten besonderen Verbraucherschutzinstrumenten (z.B. des Verbrauchervertragsrechts) bedarf, um Wertungswidersprüche zu vermeiden.96 Das Kohärenzpostulat erstreckt sich, soweit der Unionsgesetzgeber keinen abweichenden Willen zum Ausdruck gebracht hat, grundsätzlich auch auf die für die Union verbindlichen internationalen Verträge wie das TRIPS,97 die im Lauterkeitsrecht indes – im Unterschied zum Recht des geistigen Eigentums – nur selten Relevanz erlangen dürften.98 d) Sinn und Zweck. Eine besondere Bedeutung unter den Auslegungsmethoden 25 kommt den Zielen der Regelung zu,99 die sich regelmäßig aus den einleitenden Bestimmungen des Rechtsakts,100 aus den Erwägungsgründen101 oder aus der Unionsrechtsordnung insgesamt102 ableiten lassen. Bei der Auslegung ist grundsätzlich zwischen den
_____ Sturgeon; siehe auch EuGH (Große Kammer) 26.6.2007 – C-305/05 – Slg. 2007, I-5305 Tz. 28 – Ordre des barreaux francophones: im Zweifel Auslegung abgeleiteten Rechts zu wählen, die mit dem EG-Vertrag vereinbar ist. 94 Zur Inspiration der Auslegung der Grundfreiheiten durch das Sekundärrecht vgl. EuGH 5.12.2000 – C-448/98 – Slg. 2000, I-10663 Tz. 28 – Guimont; EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-Tz. 107 – Deutscher Apothekerverband; EuGH 23.2.2006 – C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 28 – A-Punkt Schmuckhandel; EuGH 8.11.2007 – C-143/06 – Slg. 2007, I-9623 Tz. 33 ff. – Ludwigs-Apotheke. 95 EuGH (Große Kammer) 4.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 187 f. – Football Association Premier League; zu den Grenzen einer rechtsaktübergreifenden Auslegung infolge einer spezielleren Regelung (lex specialis) aber auch EuGH (Große Kammer) 3.7.2012 – C-128/11 – Tz. 60 – UsedSoft; siehe auch EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 35 f. – Toshiba für den Auslegungszusammenhang zwischen RL 84/450/EWG und RL 89/104/EWG; zur Bedeutung dieses Postulats Handig GRUR Int. 2012, 9, 10; allgemein zur rechtsaktübergreifenden Systematik Grundmann RabelsZ 75 (2011) 882, 909 ff. 96 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 88 ff., 125 – Pereničová; siehe auch Art. 7 Abs. 5 (zu Informationspflichten) und Erwägungsgrund 10 RL 2005/29/EG; EuGH 15.3.2010 – C-453/10 – Tz. 43 – Pereničová. 97 EuGH (Große Kammer) 4.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 189 – Football Association Premier League. 98 Siehe unten Rn. 74–77. 99 Vgl. EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 35 f. – Toshiba (wörtliche Auslegung abzulehnen, da sie Widerspruch zu Zielen benachbarter Richtlinie begründet); siehe auch EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 61 – de Landtsheer; EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – GRUR 2011, 930 Tz. 29 – Ving Sverige; EuGH (Große Kammer) 18.10.2011 – C-34/10 – GRUR 2011, 1104 Tz. 31 f. – Brüstle. 100 Siehe dazu die Darstellung zu den einzelnen Rechtsakten bei Rn. 229, 335, 353, 369, 382, 396. 101 Für eine Definition des Zwecks anhand der Erwägungsgründe etwa EuGH 15.4.2010 – C-511/08 – Slg. 2010, I-3047 Tz. 54 – Handelsgesellschaft Heinrich Heine; EuGH 27.1.2011 – C-168/09 – GRUR 2011, 216 Tz. 38 – Flos; EuGH (Große Kammer) 18.10.2011 – C-34/10 – GRUR 2011, 1104 Tz. 27 – Brüstle. 102 Etwa den Kompetenzvorschriften, im Lauterkeitsrecht also regelmäßig Art. 114 AEUV, vgl. EuGH 4.12.1997 – C-97/96 – Slg. 1997, I-6843 Tz. 18 ff. – Daihatsu. Andere Grundwertungen finden sich in Art. 2
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Zielen der konkret auszulegenden Norm, die sich manchmal aus einem konkreten Erwägungsgrund zu dieser Vorschrift entnehmen lassen, und den Zielen der gesamten Richtlinie zu unterscheiden, auch wenn letztere nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs maßgeblich auf die Auslegung der Einzelnormen ausstrahlen.103 Als Regelungsziel lässt sich für die Richtlinie 2005/29/EG das Anliegen identifizieren,104 einheitliche und vollständig harmonisierte Regeln für unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern aufzustellen,105 um zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus106 beizutragen.107 Ziel der Regeln über vergleichende Werbung in der Richtlinie 2006/114/EG ist es, den Wettbewerb zwischen den Anbietern von Waren und Dienstleistungen im Interesse der Verbraucher zu fördern, indem den Mitbewerbern erlaubt wird, durch vergleichende Werbung die Vorteile der verschiedenen vergleichbaren Erzeugnisse objektiv herauszustellen.108 Eine Variante der teleologischen Auslegung ist die Auslegung unionsrechtlicher 26 Vorschriften im Interesse ihrer praktischen Wirksamkeit (Effektivität), die es gebietet, bei mehreren Auslegungsalternativen derjenigen den Vorzug zu geben, die die praktische Wirksamkeit (effet utile) der Vorschrift zu wahren am besten geeignet ist,109 beispielsweise indem Umgehungstaktiken der Normunterworfenen durch weite Auslegung vorgebeugt wird oder indem durch Auslegung besonders häufige unlautere Geschäftspraktiken erfasst werden.110 27
e) Entstehungsgeschichte. Schließlich lassen sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Sekundärrechtsaktes111 Hinweise für die autonome Auslegung des Unions-
_____ und Art. 3 EUV und den Querschnittsklauseln der Art. 8 ff., ferner in Art. 114 Abs. 3, 119 Abs. 1, 147 Abs. 2, 167 Abs. 4, 168 Abs. 1, 169 Abs. 1, 173 Abs. 3 und 179 Abs. 1 AEUV. 103 Zur Auslegung des Art. 7 Abs. 4 RL 2005/29/EG im Lichte des hohen Verbraucherschutzniveaus EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – GRUR 2011, 930 Tz. 29 – Ving Sverige; kritisch zur Vermischung der Ziele einer konkreten Vorschrift und des Gesamtrechtsakts Herresthal ZEuP 2009, 598, 604. 104 Siehe auch unten Rn. 229. 105 Der Vollharmonisierung kommt dabei der Vorrang zu, so dass eine Abweichung auch nicht gestattet ist, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 52 – VTB-VAB; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 41 – Plus Warenhandelsgesellschaft. 106 EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – GRUR 2011, 930 Tz. 29 – Ving Sverige: „Nur eine nicht restriktive Auslegung des Begriffs der Aufforderung zum Kauf steht mit einem der Ziele dieser Richtlinie im Einklang, nämlich dem in Art. 1 genannten Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen“. Dazu auch unten Rn. 154 und Holm WRP 2013, 710; Scherer WRP 2013, 977. 107 Art. 1, Erwägungsgrund 5, 6 RL 2005/29/EG; EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 51 – VTB-VAB. 108 EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 33 – Lidl Belgium; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 20 f. – Lidl SNC. 109 EuGH 9.3.2006 – C-174/05 – Slg. 2006, I-2443 Tz. 20 – Zuid-Hollandse Milieufederatie und Natuur en Milieu; siehe bereits EuGH 15.7.1963 – 34/62 – Slg. 1962, 289, 318 – Kommission/Deutschland: „jeder Wirksamkeit berauben würde“; zur Richtlinie 2005/29/EG EuGH 19.9.2013 – C-435/11 – Tz. 46 – CHS Tour Services. 110 Zu Umgehungstaktiken EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – GRUR 2011, 930 Tz. 39 – Ving Sverige; EuGH (Große Kammer) 18.10.2011 – C-34/10 – GRUR 2011, 1104 Tz. 50 – Brüstle; siehe auch EuGH 1.12.2011 – C-446/09 und C-495/09 – WRP 2012, 303 Tz. 72-74 – Philips; zur Einbeziehung häufiger Praktiken EuGH 19.9.2013 – C-435/11 – Tz. 46 – CHS Tour Services. 111 Regelmäßig unergiebig sind die Materialien zum Primärrecht, vgl. EuGH (Große Kammer) 12.4.2005 – C- 61/03 – Slg. 2005, I-2477 Tz. 29 – Kommission/Vereinigtes Königreich, die zudem erst in jüngerer Zeit veröffentlicht wurden, vgl. Schulze/Hoeren Dokumente zum Europäischen Recht (2000).
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rechts gewinnen, selbst wenn diese nicht explizit in die Erwägungsgründe112 oder den verfügenden Teil des Rechtsaktes Eingang gefunden haben. Obwohl die Gleichrangigkeit der entstehungsgeschichtlichen Auslegung in der Rechtsprechung des EuGH im Verhältnis zu Wortlaut, Systematik und Zweck unsicher ist,113 so spielen entstehungsgeschichtliche Argumente doch zumindest dann eine Rolle, wenn sich aus den anderen Auslegungsmethoden kein eindeutiges Ergebnis gewinnen lässt oder wenn ein anderweitig begründetes Ergebnis abgesichert werden soll.114 Bei der Auslegung der lauterkeitsrechtlichen Richtlinien empfiehlt sich deshalb eine sorgfältige Analyse der Gesetzgebungsmaterialien,115 also insbesondere der Begründung der Kommission,116 der Diskussionen im Europäischen Parlament117 und der Änderungen durch den Rat, insbesondere im Gemeinsamen Standpunkt.118 Die entstehungsgeschichtlichen Argumente stehen allerdings unter dem Vorbehalt, 28 dass sie auch in der endgültigen Fassung des Rechtsaktes Fortwirkung entfalteten und Niederschlag fanden, insbesondere dass dort keine abweichende Regelung aufgenommen wurde.119 An einer solchen Fortwirkung wird es bei Stellungnahmen einzelner Staaten im Rat (z.B. Protokollerklärungen einzelner Mitgliedstaaten) häufig fehlen, weil angesichts der in Art. 114 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Mehrheitsentscheidung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nicht ohne weiteres davon auszugehen ist, dass der Inhalt der Protokollerklärung auch im endgültigen Rechtsakt Niederschlag fand. Zudem ist bei der Würdigung entstehungsgeschichtlicher Argumente zu beachten, dass der gegenwärtige Stand des Unionsrechts und nicht sein Stand zum Zeitpunkt der Beratung des Rechtsaktes Referenzpunkt der Auslegung sein muss.120
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112 Zuweilen wird auch die Heranziehung der Erwägungsgründe des Rechtsaktes als Teil der entstehungsgeschichtlichen Auslegung angesehen, etwa MünchKomm/Leible EG A Rn. 157. Angesichts des untrennbaren Zusammenhangs zwischen Erwägungsgründen und verfügendem Teil des Rechtsaktes werden sie hier aber als Teil des auszulegenden Normenmaterials eingestuft, siehe oben Rn. 17. 113 Siehe EuGH (Große Kammer) 9.3.2010 – C-518/07 – Slg. 2010, I-1885 Tz. 29 – Kommission/Deutschland: keine Berücksichtigung entstehungsgeschichtlicher Argumente, wenn aufgrund von Wortlaut, Zielen und Systematik „klare Auslegung“ möglich ist; für Gleichrangigkeit Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009) 1, 15. 114 Für Beispiele EuGH 3.4.2008 – C-306/06 – Slg. 2008, I-1923 Tz. 25 – 01051 Telecom; EuGH (Große Kammer) 4.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 201 f. – Football Association Premier League. Zuweilen wird ein entstehungsgeschichtliches Argument dadurch verdeckt, dass sich der Gerichtshof auf die Schlussanträge des Generalanwalts bezieht, der sich wiederum auf die Entstehungsgeschichte stützt, siehe etwa EuGH 22.12.2010 – C-393/09 – GRUR 2011, 220 Tz. 38 – BSA mit Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 14.10.2010 – C-393/09 –Tz. 61 – BSA, der in Tz. 60 f. wiederum auf seine Auslegung anhand der Kommissionsbegründung zum ursprünglichen Richtlinienvorschlag verweist (Tz. 47). 115 Für die einzelnen lauterkeitsrechtlichen Richtlinien finden sich Nachweise zur Entstehungsgeschichte jeweils zum Beginn der Einzelkommentierungen unten bei Rn. 228, 333–334. 116 Für Beispiele EuGH 25.2.2010 – C-381/08 – Slg. 2010, I-1255 Tz. 52 – Car Trim; EuGH 28.10.2010 – C-203/09 – EuZW 2011, 24 Tz. 40 – Volvo Car Germany. 117 Für ein Beispiel EuGH 16.10.2003 – C-363/01 – Slg. 2003, I-11893 Tz. 50 – Flughafen HannoverLangenhagen. 118 Für Beispiele EuGH 17.4.2008 – C-404/06 – Slg. 2008, I-2685 Tz. 30 – Quelle; EuGH (Große Kammer) 4.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 201 – Football Association Premier League. 119 Siehe EuGH 3.12.1998 – C-233/97 – Slg. 1998, I-8069 Tz. 23 – KappAhl Oy; EuGH 10.1.2006 – C-402/03 – Slg. 2006, I-199 Tz. 42 – Skov und Bilka; EuGH 17.4.2008 – C-404/06 – Slg. 2008, I-2685 Tz. 32 – Quelle. 120 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 33 – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 19 – Mediaprint; grundlegend bereits EuGH 6.10.1982 – 283/81 – Slg. 1982, 3415 Tz. 20 – C.I.L.F.I.T.
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f) Rechtsvergleichung. Eine nur untergeordnete Bedeutung bei der Auslegung des Unionsrechts kommt der Rechtsvergleichung zu.121 Zwar vermag diese sowohl den Gesetzgebungsprozess wie die Herausbildung allgemeiner Rechtsgrundsätze auf Unionsebene und nicht zuletzt auch die Entscheidungsfindung des supranational besetzten Gerichtshofes zu beeinflussen. Allerdings sind diese Einflüsse eher implizit, auch weil die vergleichenden Vorarbeiten in den Entscheidungen des Gerichtshofes regelmäßig überhaupt nicht und in den Schlussanträgen der Generalanwälte häufig nur in Ansätzen offengelegt werden und weil ein umfassender Vergleich aller nationalen Rechtsordnungen in einer Union mit 28 Mitgliedstaaten kaum mehr zu leisten ist. Zudem nimmt als Folge der Verdichtung des Unionsrechts die Neigung zu selbstreferentieller Auslegung zum Nachteil der Rechtsvergleichung zu.122 Vor allem aber verfolgt das Unionsrecht gerade auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts eigene und gegenüber den nationalen Rechtsordnungen z.T. unterschiedliche (Binnenmarktintegration) Ziele, die durch eine vergleichende Analyse der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht adäquat abgebildet werden.123 Ungeachtet dieser Bedenken sind die Erkenntnisse der Rechtsvergleichung (z.B. zur Umsetzung europäischer Richtlinien in anderen Staaten als vergleichende Implementationsforschung) von Interesse, um das Panorama denkbarer Auslegungsvarianten zu erkunden und sachgerechte Vorlagefragen an den Gerichtshof zu formulieren.124 4. Anwendung des Unionsrechts
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a) Tatsachenfeststellung und Subsumtion. Trotz ihrer Verpflichtung zur europäisch-autonomen Auslegung verbleibt den nationalen Gerichten in der Praxis ein erheblicher Spielraum bei der Anwendung des Unionsrechts. Dieser umfasst neben der Tatsachenfeststellung125 vor allem die konkrete Subsumtion unter die vom EuGH entfalteten Begrifflichkeiten des Unionsrechts, die der Gerichtshof im Sekundärrecht regelmäßig den nationalen Gerichten überlässt,126 auch wenn er manchmal im Einzelfall dem
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121 Vgl. MünchKomm/Leible EG A Rn. 171, der zwischen der Auslegung des primären und des sekundären Unionsrechts unterscheidet; auch Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009) 1, 17: „kein eigenständiges Auslegungskriterium“. Für eine größere Bedeutung der Rechtsvergleichung Martens Rechtsvergleichung und grenzüberwindende Jurisprudenz in: Busch/Kopp/McGuire/Zimmermann (Hrsg.) Europäische Methodik: Konvergenz und Diskrepanz europäischen und nationalen Privatrechts – Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009 (2010), S. 27, 32, 39. 122 Vgl. Metzger Extra legem intra ius – Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht (2009), S. 556, der einen Bedeutungsverlust der aus Rechtsvergleichung geschöpften Rechtsgrundsätze prognostiziert. 123 Wurmnest/Heinze General Principles of Tort Law in the Jurisprudence of the European Court of Justice in: Schulze (Hrsg.) Compensation of Private Losses (2011), S. 39, 50. Siehe nur den Begriff der beruflichen Sorgfalt in Art. 5 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG, dem trotz seiner (möglichen) Beeinflussung durch nationale Vorbilder etwa im italienischen Recht (Art. 2598 Nr. 3 Codice Civile) eine eigenständige autonome Bedeutung zukommt, vgl. Dröge Lauterkeitsrechtliche Generalklauseln im Vergleich (2007), S. 69 ff., 77 ff.; Dohrn Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2008), S. 132 f. Gleiches gilt für das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 52 f. 124 Piper/Ohly/Sosnitza § 6 Rn. 10. 125 EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 33 – L’Oréal. 126 EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 33 – Lidl SNC: konkrete Prüfung der Substituierbarkeit sei Sache der nationalen Gerichte; EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – GRUR 2011, 930 Tz. 48, 58, 70 f. – Ving Sverige: Beurteilung der hinreichenden Verbraucherinformation für eine informierte geschäftliche Entscheidung im Einzelfall Sache des nationalen Gerichts; siehe bereits EuGH 27.3.1963 – 28/62 bis 30/62 – Slg. 1963, 63, 81 – da Costa.
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nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die diesem für seine Entscheidung dienlich sein könnten.127 b) Konkretisierung von Generalklauseln. Darüber hinaus lässt sich beobachten, 31 dass der Gerichtshof zuweilen – etwa bei der Auslegung von Generalklauseln128 oder der Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen129 – auch echte Rechtsfragen an die nationalen Gerichte zurückdelegiert und sich auf die Vorgabe übergeordneter Auslegungsdirektiven beschränkt, so dass es zur Ausbildung gleichsam halbautonomer Rechtsbegriffe kommt.130 Synonym für diese Entwicklung steht die Entscheidung Freiburger Kommunalbauten, in welcher der EuGH zwischen den allgemeinen Kriterien für die Beurteilung einer missbräuchlichen Vertragsklausel, die vom Gerichtshof selbst definiert werden, und der Anwendung dieser Kriterien auf konkrete Klauseln unterschied, die durch die nationalen Gerichte anhand der Umstände des konkreten Falles vorzunehmen sei.131 Ungeachtet der allgemeinen Diskussion um die Konkretisierung von Generalklau- 32 seln im europäischen Recht132 ist dennoch im unionalen Lauterkeitsrecht an einer umfassenden Konkretisierungskompetenz des EuGH auch bei Generalklauseln und Abwägungsentscheidungen festzuhalten.133 Für eine umfassende Kompetenz spricht nicht nur der Zweck der Richtlinie 2005/29/EG,134 die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vollständig zu harmonisieren, um im Interesse eines reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes einheitliche Regeln für Unternehmer wie Verbraucher zu definieren.135 Auch ist der Kontext im Lauterkeitsrecht ein anderer als bei der Angemessenheitskontrolle von Vertragsklauseln, weil zur Konkretisierung des Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG durch die speziellen Tatbestände der Art. 6–9, den Anhang I der RL 2005/29/EG, die Judikatur zum Primärrecht (insbesondere den Grundfreiheiten) und die Regeln des besonderen unionalen Lauterkeitsrechts in weit
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127 EuGH 10.7.2008 – C-54/07 – Slg. 2008, I- 5187 Tz. 19 – Feryn. 128 EuGH 1.4.2004 – C- 237/02 – Slg. 2004, I-3403 Tz. 22 – Freiburger Kommunalbauten; EuGH 16.11.2010 – C-76/10 – Rn. 56, 60 – Pohotovosť; siehe auch MünchKomm/Leible EG A Rn. 257 zur Konkretisierungsbefugnis bei unbestimmten Rechtsbegriffen. Allgemein zur Funktion von Generalklauseln im Unionsprivatrecht Basedow AcP 210 (2010) 157, 174 f. 129 EuGH (Große Kammer) 29.1.2008 – C-275/06 – Slg. 2008, I-271 Tz. 68 – Promusicae. 130 Basedow AcP 210 (2010) 157, 173: „Eindruck einer nur partiellen Harmonisierung“. 131 EuGH 1.4.2004 – C-237/02 – Slg. 2004, I-3403 Tz. 22 – Freiburger Kommunalbauten; jüngst EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-137/08 – EuZW 2011, 27 Tz. 40, 42, 44 – Ferenc Schneider. 132 Für eine umfassende Konkretisierungskompetenz des EuGH Röthel Normkonkretisierung im Privatrecht (2004) S. 407; Basedow AcP 210 (2010) 157, 173; a.A. etwa Roth FS Drobnig (1998), 135, 140 ff. 133 Sosnitza WRP 2006, 1, 6; Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 138 ff.; Leistner ZEuP 2009, 56, 83; Schillig Konkretisierungskompetenz und Konkretisierungsmethoden im Europäischen Privatrecht (2009), S. 236, 244; Schmidt Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht (2009), S. 157. 134 Die Vollharmonisierung betrifft auch die vergleichende Werbung (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 RL 2006/114/ EG) und zahlreiche Rechtsakte des besonderen Lauterkeitsrechts. Soweit sich das unionale Lauterkeitsrecht auf eine Mindestharmonisierung beschränkt (etwa bei der irreführenden Werbung gegenüber Unternehmern, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 RL 2006/114/EG), verbleibt den Mitgliedstaaten naturgemäß ein Konkretisierungsspielraum. Dennoch ist auch hier dem EuGH eine umfassende Konkretisierungskompetenz im Hinblick auf die Definition des unionsrechtlichen Mindeststandards zuzubilligen, um die Kohärenz des europäischen Lauterkeitsrechts zu wahren. 135 EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 51 f. – VTB-VAB unter Hinweis auf Art. 1 und 4 und Erwägungsgrund 4 und 5 RL 2005/29/EG; zum Scheitern der Harmonisierung bei verweigerter Konkretisierung von Generalklauseln Basedow AcP 210 (2010) 157, 173. Das Ziel des Verbraucherschutzes ist dem Ziel einheitlicher Regeln im Interesse der Binnenmarktintegration untergeordnet, so dass eine Abweichung auch dann nicht gestattet ist, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 52 – VTB-VAB; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 41 – Plus Warenhandelsgesellschaft.
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stärkerem Maße europäische Vorgaben existieren als bei der Konkretisierung der Klauselrichtlinie, deren Referenzmaßstab in weiten Teilen das nichtharmonisierte nationale Vertragsrecht ist.136 Allerdings dürfte sich abzeichnen, dass der EuGH bei den unflexiblen Tatbeständen der schwarzen Liste in Anhang I eher den Fall durchentscheiden wird als bei der Auslegung der Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG, bei der es wegen der Situationsgebundenheit (Erwägungsgrund 7 Satz 5 RL 2005/29/EG) häufig unumgänglich sein wird, lediglich – wenn auch detaillierte – Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben und die konkrete Subsumtion dem nationalen Gericht zu überlassen.137 33
c) Einfluss des nationalen Rechts. Auch bei umfassender Konkretisierungskompetenz des EuGH wird die Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 allerdings nicht vom nationalen Recht unbeeinflusst bleiben, weil die „Erfordernisse der beruflichen Sorgfaltspflicht“ in Art. 5 Abs. 2 lit. a und Art. 2 lit. h RL 2005/29/EG auch durch nationale Vorschriften bestimmt werden können.138 Zwar ist der an die berufliche Sorgfaltspflicht anzulegende Maßstab europäisch-autonom zu definieren.139 Im Rahmen dieses autonom-europäischen Begriffs der beruflichen Sorgfalt kann aber von einem Gewerbetreibenden (mindestens) erwartet werden, dass „er seine geschäftliche Tätigkeit im Einklang mit der relevanten Gesetzgebung ausübt und besondere Sorgfalt im Umgang mit einem Verbraucher an den Tag legt“,140 so dass auch nationale Regeln über verbrauchergerichtete Geschäftspraktiken, die im Rahmen der durch den Unionsgesetzgeber eröffneten Regelungsspielräume erlassen wurden,141 den Maßstab der beruflichen Sorgfalt ausfüllen können. Als Beispiele sind etwa Regeln für reglementierte Berufe oder berufsständische Verhaltenskodizes142 (Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG) oder die durch das anwendbare nationale Vertragsrecht definierten Angaben über den „Umfang der Verpflichtungen des Gewerbetreibenden“ (Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2005/29/EG) zu nennen.143 Ein weiteres Einfallstor nationaler Wertungen könnte die Konkretisierung der „sozialen, kulturellen und sprachlichen Faktoren“ (Erwägungsgrund 18 Satz 2 RL 2005/29/EG) sein.144
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136 Sosnitza WRP 2006, 1, 6; Leistner ZEuP 2009, 56, 83. Siehe auch Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 63 f., der unter Hinweis auf KOM (2003) 356, S. 16 Rn. 58 („Sicherheitsnetz“) herausarbeitet, dass die Delegation der Entscheidung auf die Gerichte durch die Generalklausel aus Gründen der Flexibilisierung, nicht aus Gründen der Delegation von Auslegungskompetenz auf die nationale Ebene gewählt wurde. 137 Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 140. 138 BGH 5.6.2008 – I ZR 4/06 – GRUR 2008, 807 Tz. 20 – Millionen-Chance I; BGH 11.3.2009 – I ZR 194/06 – GRUR 2009, 1064 Tz. 19 – Geld-zurück-Garantie II. 139 Busch Lauterkeitsrecht in Europa: Acquis communautaire in: Schmidt-Kessel/Schubmehl (Hrsg.) Lauterkeitsrecht in Europa (2011), S. 1, 19. 140 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 106 – Pereničová; siehe auch von Walter Rechtsbruch als unlauteres Marktverhalten (2007), S. 188. 141 Dazu im Kontext des § 4 Nr. 11 UWG Böhler Alter und neuer Rechtsbruchtatbestand (2009), S. 191. 142 Für einen Rückgriff allein auf europäische Verhaltenskodizes demgegenüber Busch Lauterkeitsrecht in Europa: Acquis communautaire in: Schmidt-Kessel/Schubmehl (Hrsg.) Lauterkeitsrecht in Europa (2011) S. 1, 20. 143 Für irreführende Unterlassungen sieht Erwägungsgrund 15 Satz 5 RL 2005/29/EG vor, dass die Verletzung von den Mitgliedstaaten „auf der Grundlage von Mindestklauseln“ eingeführten Informationsanforderungen, „die über das hinausgehen, was im Gemeinschaftsrecht geregelt ist“, einem irreführenden Unterlassen nach der Richtlinie nicht gleichkommt. Diese Formulierung wirft die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verletzung von Informationspflichten bei Vertragstypen, die bisher überhaupt keine (nicht einmal eine Mindest-)Harmonisierung auf Unionsebene erfahren haben, ein irreführendes Unterlassen nach der Richtlinie begründen kann, für Richtlinienkonformität unter Hinweis auf Art. 7 Abs. 1 RL 2005/29/EG BGH 11.3.2009 – I ZR 194/06 – GRUR 2009, 1064 Tz. 18 f. – Geld-zurückGarantie II. 144 Köhler WRP 2012, 22, 25.
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5. Das Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH a) Vorlagerecht. Zur verbindlichen Auslegung und Sicherung einer einheitlichen 34 Anwendung des Unionsrechts145 ist der Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg berufen (Art. 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 lit. b EUV). Art. 267 Abs. 2 AEUV146 eröffnet deshalb jedem Gericht147 eines Mitgliedstaates die Möglichkeit, Fragen über die Auslegung der Verträge (Art. 267 Abs. 1 lit. a AEUV) und des europäischen Sekundärrechts („Handlungen der Organe“, Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV) einschließlich der von der Union geschlossenen internationalen Übereinkommen148 dem Gerichtshof unter Darlegung der Sach- und Rechtslage149 zur Vorabentscheidung vorzulegen, soweit es die Beantwortung dieser Fragen als entscheidungserheblich ansieht.150 Der Gerichtshof ist zudem nach Art. 267 AEUV auch dann zur Auslegungsentschei- 35 dung befugt, wenn der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, aber die nationalen Rechtsvorschriften nach dem Vorbild europäischer Regelungen gestaltet wurden (überschießend angeglichenes Recht). Gerade in dieser Situation besteht ein offensichtliches Unionsinteresse daran, dass jede unionsrechtliche Bestimmung unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden soll, einheitlich ausgelegt wird.151 Der Gerichtshof entscheidet im Vorabentscheidungsverfahren allerdings nicht über die Auslegung des nationalen
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145 Zur Wahrung der einheitlichen Auslegung und Wirkung des Unionsrechts als Funktion des Vorabentscheidungsverfahrens EuGH 6.4.1962 – 13/61 – Slg. 1962, 97, 111 – De Geus; EuGH 24.5.1977 – 107/76 – Slg. 1977, 957 Tz. 5 – Hoffmann-La Roche; EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 83 – Einheitliches Patentgerichtssystem. 146 Ausführlich nunmehr Rösler Europäische Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet des Zivilrechts (2012) mit innovativen Untersuchungen zur Vorlagepraxis und –häufigkeit (S. 165 ff.); zu Rechtsproblemen des Vorlageverfahrens aus jüngerer Zeit auch Piekenbrock EuR 2011, 317. 147 Zur Entscheidung, ob es sich bei der vorlegenden Einrichtung um ein Gericht i.S.v. Art. 267 AEUV handelt, stellt der EuGH „auf eine Reihe von Gesichtspunkten ab, wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch diese Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit“, EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-210/06 – Slg. 2008, I-9641 Tz. 55 ff. – Cartesio (zu Registergerichten und nichtstreitigen Verfahren). 148 EuGH (Große Kammer) 4.5.2010 – C-533/08 – Slg. 2010, I-4107 Tz. 60 – TNT Express. Vorlagefähig sind auch internationale Übereinkommen, soweit die Union die Zuständigkeiten übernommen hat, die zuvor von den Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich eines internationalen Übereinkommens, das nicht von der Union geschlossen wurde, ausgeübt wurden, so dass die Bestimmungen dieses Übereinkommens für die Union bindend geworden sind, EuGH (Große Kammer) 4.5.2010 – C-533/08 – Slg. 2010, I-4107 Tz. 62 – TNT Express. Infolge der zumindest mittelbaren Bindung der Union an die PVÜ (dazu unten Rn. 75) erstreckt sich die Vorlageberechtigung auch auf Art. 2 und Art. 10bis PVÜ, vgl. MünchKommBGB/Drexl IntImmGR Rn. 105 unter Hinweis auf EuGH (Große Kammer) 16.11.2004 – C-245/02 – Slg. 2004, I-10989 Tz. 64 – Anheuser Busch. 149 EuGH 16.7.2009 – C-126/08 – Slg. 2009, I-6809 Tz. 16 – Hasselt. Zur Abfassung von Vorlagebeschlüssen Latzel/Streinz NJOZ 2013, 97. 150 Zur Abfassung der Vorlagefragen durch das nationale Gericht (nicht durch die Parteien) und zur Beurteilung von Erforderlichkeit und Erheblichkeit EuGH 13.10.2011 – C-148/10 – Tz. 25 ff. – Express Line. Die Entscheidungserheblichkeit ist grundsätzlich allein durch das nationale Gericht zu beurteilen und wird vom EuGH vermutet, EuGH (Große Kammer) 5.4.2011 – C-119/09 – EuZW 2011, 681 Tz. 21 – Société fiduciaire nationale d’expertise comptable. Nur bei offensichtlicher Irrelevanz kann der EuGH eine Frage zurückweisen, EuGH 16.7.2009 – C-189/08 – Slg. 2009, I-6917 Tz. 35 f. – Zuid-Chemie; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 24 f. – Plus Warenhandelsgesellschaft. Speziell zur Entscheidungserheblichkeit bei Unterlassungsbegehren nach Beendigung des Verhaltens EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 300 Tz. 34 f. – eDate Advertising. 151 EuGH 31.3.2011 – C-546/09 – Tz. 24 – Aurubis Balgaria; zur Abgrenzung gegenüber der restriktiveren Kleinwort Benson-Judikatur (EuGH 28.3.1995 – C-346/93 – Slg. 1995, I-615) siehe EuGH 14.12.2006 – C-217/ 05 – Slg. 2006, I-11987 Tz. 21 – Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicio.
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Rechts oder die Vereinbarkeit nationaler Rechtsnormen mit dem Unionsrecht. Er ist aber befugt, dem vorlegenden Gericht alle Kriterien für die Auslegung des Unionsrechts an die Hand zu geben, die es diesem ermöglichen, für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache über eine solche Vereinbarkeit zu befinden.152 Vorlagefragen nach der Wirksamkeit nationaler Vorschriften werden vom Gerichtshof daher so verstanden, dass geklärt werden soll, ob eine Vorschrift des Unionsrechts dahin auszulegen ist, dass sie dem Inhalt einer bestimmten nationalen Vorschrift entgegensteht.153 b) Vorlagepflicht aa) Letztinstanzliche Gerichte. Das Vorlagerecht der nationalen Gerichte verdichtet sich zur Vorlagepflicht, wenn die Hauptsacheentscheidung154 des nationalen Gerichts im konkreten Fall155 nicht mehr mit ordentlichen156 Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann (Art. 267 Abs. 3 AEUV).157 Eine „konkrete Letztinstanzlichkeit“ kann auch bei Instanzgerichten gegeben sein, wenn im konkreten Fall kein Rechtsmittel mehr eröffnet ist, z.B. wenn die Berufungssumme zum OLG nicht erreicht wird (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder wenn die Revision nicht zugelassen wird und auch die Beschwer für die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 26 Nr. 8 EGZPO) nicht gegeben ist.158 Bei zulassungsgebundenen Rechtsmitteln (z.B. der Revision) ist erst das übergeordnete Gericht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage verpflichtet, wenn die Fragen des Unionsrechts, von denen die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt, im Fall der Nichtzulassung des Rechtsmittels durch das Berufungsgericht im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zum Gegenstand revisionsrechtlicher Klärung gemacht und auf diesem Wege vom Revisionsgericht dem EuGH zugeführt werden können.159 37 Von der Vorlageverpflichtung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV gestattet der Gerichtshof eine Ausnahme, „wenn die gestellte Frage tatsächlich bereits in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist“,160 „wenn bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofes vorliegt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst
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152 EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 7 – Pall; EuGH 8.9.2011 – C-78/08 bis C-80/08 – EuZW 2011, 878 Tz. 34 – Paint Graphos. 153 Exemplarisch EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 7 – Pall; EuGH 7.10.2010 – C-224/09 – EuZW 2010, 867 Tz. 17 f. – Nußberger. 154 Im einstweiligen Rechtsschutz besteht bei Auslegungszweifeln nur eine Vorlageberechtigung, keine Vorlageverpflichtung konkret letztinstanzlicher Gerichte, EuGH 24.5.1977 – 107/76 – Slg. 1977, 957 Tz. 4 f. – Hoffmann-La Roche; EuGH 27.10.1982 – 35/82 und 36/82 – Slg. 1982, 3723 Tz. 8 f. – Morson; Heinze Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht (2007), S. 399 ff. 155 EuGH 4.6.2002 – C-99/00 – Slg. 2002, I-4839 Tz. 15 – Strafverfahren gegen Lyckeskog; EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-210/06 – Slg. 2008, I-9641 Tz. 76 – Cartesio. 156 Ordentliche Rechtsmittel sind Rechtsbehelfe wie etwa Berufung oder Revision, mit denen eine von einem Gericht erlassene Entscheidung von einer übergeordneten Gerichtsinstanz überprüft werden kann, nicht aber außerordentliche Rechtsbehelfe mit spezifischen Auswirkungen wie z.B. das Wiederaufnahmeverfahren oder die Verfassungsbeschwerde, Calliess/Ruffert/Wegener Art. 267 AEUV Rn. 26. 157 Zur Funktion des Art. 267 Abs. 3 AEUV EuGH 12.6.2008 – C-458/06 – Slg. 2008, I-4207 Tz. 23 – Gourmet Classic. 158 Nach der Reform des § 522 ZPO können auf diese Norm gestützte Beschlüsse mit demselben Rechtsmittel angefochten werden, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre (§ 522 Abs. 3 ZPO), so dass sie regelmäßig nicht mehr konkret letztinstanzlich sind. 159 Vgl. EuGH 4.6.2002 – C-99/00 – Slg. 2002, I-4839 Tz. 16 f. – Strafverfahren gegen Lyckeskog; EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-210/06 – Slg. 2008, I-9641 Tz. 76 – Cartesio. 160 EuGH 6.10.1982 – 283/81 – Slg. 1982, 3415 Tz. 13 – C.I.L.F.I.T.
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ist“161 oder wenn „die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig [ist], dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der Frage bleibt“ (acte clair).162 Allerdings darf der nationale Richter von einem solchen acte clair nur ausgehen, wenn er überzeugt ist, „dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde“, wobei die Eigenheiten des Unionsrechts, die besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung (verschiedene Sprachfassungen, autonome Begriffsbildung, Zusammenhang, Ziel und Entwicklungsstand des Unionsrechts) und die Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen zu berücksichtigen sind.163 Auch wenn der Gerichtshof die Ausnahmen zur Vorlageverpflichtung eng interpretiert, so ist den nationalen Gerichten zuzugestehen, in ihrer Entscheidung über eine Vorlage das Interesse der Parteien an einer Entscheidung in angemessener Frist164 zu berücksichtigen. bb) Gültigkeitszweifel. Eine Vorlagepflicht nationaler Gerichte (auch Instanzge- 38 richte) besteht auch über Art. 267 Abs. 3 AEUV hinaus, wenn ein nationales Gericht – sei es aufgrund eines Verstoßes gegen Primärrecht, sei es aufgrund einer Unvereinbarkeit mit einem für die Union verbindlichen internationalen Abkommen165 – die Gültigkeit eines Sekundärrechtaktes bezweifelt und diesen im konkreten Fall nicht anwenden möchte. In diesem Fall sind die nationalen Gerichte selbst nicht befugt, den Unionsrechtsakt für ungültig zu erklären und nicht anzuwenden, sondern sie müssen die Frage dem für Ungültigkeitsentscheidungen zuständigen EuGH vorlegen.166 Allerdings dürfte dieser Fall im Lauterkeitsrecht nur selten praktische Relevanz erlangen, weil es im Unterschied zum europäischen Marken- und Kartellrecht weitgehend an Einzelfallentscheidungen europäischer Behörden fehlt167 und Gültigkeitszweifel an den Richtlinien und Verordnungen wohl nur selten durchgreifen werden.168 Eine Gültigkeitsprüfung europäischen Sekundärrechts nimmt der Gerichtshof nur vor, wenn das vorlegende Gericht Zweifel an der Gültigkeit der Bestimmung äußert; nicht ausreichend ist, dass sich lediglich die Parteien auf die Ungültigkeit berufen.169
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161 EuGH 6.10.1982 – 283/81 – Slg. 1982, 3415 Tz. 14 – C.I.L.F.I.T. 162 EuGH 6.10.1982 – 283/81 – Slg. 1982, 3415 Tz. 14 – C.I.L.F.I.T.; EuGH 11.9.2008 – C-428/06 bis C-434/06 – Slg. 2008, I-6747 Tz. 42 – UGT Rioja. 163 EuGH 6.10.1982 – 283/81 – Slg. 1982, 3415 Rn. 17-20 – C.I.L.F.I.T.; EuGH 15.9.2005 – C-495/03 – Slg. 2005, 8151 Tz. 33 – Intermodal Transports. 164 Dazu Heinze EuR 2008, 654, 674. 165 Zu internationalen Abkommen als Gültigkeitsmaßstab des Sekundärrechts zusammenfassend EuGH (Große Kammer) 3.6.2008 – C-308/06 – Slg. 2008, I-4057 Tz. 42 ff. – Intertanko. 166 EuGH 22.10.1987 – 314/85 – Slg. 1987, 4199 Tz. 15, 20 – Foto-Frost; EuGH (Große Kammer) 22.6.2010 – C-188/10 und C-189/10 – Slg. 2010, I-5665 Tz. 54 – Aziz Melki. Die Vorlagepflicht wegen Gültigkeitszweifeln besteht auch im einstweiligen Rechtsschutz, allerdings darf das nationale Gericht in der Zwischenzeit die Vollziehung des Unionsvorschrift aussetzen oder positive Maßnahmen treffen, durch die die Unionsvorschrift vorläufig unanwendbar wird, EuGH 21.2.1991– C-143/88 und C-92/89 – Slg. 1991, I-415 Tz. 17-20, 24 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen; EuGH 9.11.1995 – C-465/93 – Slg. 1995, I-3761 Tz. 20– 29, 32 f., 51 – Atlanta Fruchthandelsgesellschaft. Bei Gültigkeitszweifeln findet die Ausnahme zur Vorlagepflicht wegen acte clair keine Anwendung, EuGH (Große Kammer) 6.12.2005 – C-461/03 – Slg. 2005, I-10513 Tz. 19 – Gaston Schul. 167 Zur Bindung an Kommissionsentscheidungen im Kartellrecht Art. 16 Abs. 1 VO 1/2003; zur Bindung an Eintragungsentscheidungen des HABM im Markenrecht und zur Vorlagepflicht nationaler Gerichte Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 10.11.2005 – C-206/04 P – Slg. 2005, I-2717 Tz. 70 ff. – Mülhens; ausführlich Krämer EuR 2007, 208, 217 ff. 168 Siehe aber immerhin EuGH 5.5.2011 – C-316/09 – GRUR 2011, 1160 Tz. 20 ff. – Merckle. 169 EuGH 5.5.2011 – C-316/09 – GRUR 2011, 1160 Tz. 24 – Merckle.
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c) Wirkung von Vorabentscheidungen. An die Entscheidung des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren ist das nationale Gericht bei der Entscheidung des Ausgangsverfahrens hinsichtlich der Auslegung oder der Gültigkeit der fraglichen Rechtsakte der Union gebunden.170 Es muss daher bei der Entscheidung des Ausgangsverfahrens gegebenenfalls von der rechtlichen Beurteilung der übergeordneten Gerichte abweichen und erforderlichenfalls – in den Grenzen der unmittelbaren Anwendbarkeit der betreffenden Bestimmung des Unionsrechts171 – jede entgegenstehende nationale Bestimmung aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lassen, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser nationalen Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste.172 Eine unmittelbare Bindung für andere Verfahren entfaltet die Vorabentscheidung 40 des Gerichtshofes bei Auslegungsentscheidungen173 demgegenüber nicht. Allerdings ergibt sich eine faktische Verbindlichkeit aus der Verpflichtung der nationalen Gerichte, bei der Auslegung des Unionsrechts die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu berücksichtigen, wenn sie von einer erneuten Vorlage nach Art. 267 AEUV absehen wollen.174 In zeitlicher Hinsicht ist die durch den EuGH vorgenommene Auslegung grundsätzlich auch auf Rechtsverhältnisse zu erstrecken, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, sofern nicht ausnahmsweise aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit wegen des guten Glaubens der Betroffenen und der Gefahr schwerwiegender Störungen die Berufung auf die Auslegung zu versagen ist.175 41
d) Verletzung der Vorlagepflicht. Verletzt ein nationales Gericht seine Vorlageverpflichtung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV, so liegt darin zugleich eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen zukommenden Beurteilungsspielraum bei der Handhabung der Vorlagepflicht176 in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt hat. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerfG der Fall, wenn (1) das letztinstanzliche Hauptsachegericht eine Vorlage an den EuGH trotz Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), oder (2) wenn es in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft) oder (3) wenn zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des EuGH noch nicht vorliegt oder wenn eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet hat oder wenn eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des
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170 EuGH 3.2.1977 – 52/76 – Slg. 1977, 163 Tz. 26/27 – Benedetti. 171 Dazu oben Rn. 9–15. 172 EuGH 20.10.2011 – C-396/09 – EuZW 2011, 912 Tz. 36–38 – Interedil. 173 Bei Gültigkeitsentscheidungen stellt die Ungültigerklärung durch den Gerichtshof, „obwohl sein unmittelbarer Adressat nur das Gericht ist, das den Gerichtshof angerufen hat, für jedes angerufene Gericht einen ausreichenden Grund dafür dar, diese Handlung bei den von ihm zu erlassenden Entscheidungen als ungültig anzusehen“, EuGH 13.5.1981 – 66/80 – Slg. 1981, 1191 Tz. 13 – International Chemical Corporation. 174 EuGH 6.10.1982 – 283/81 – Slg. 1982, 3415 Tz. 13 f. – C.I.L.F.I.T.; BGH 21.4.1994 – I ZR 31/92 – GRUR 1994, 794, 795 – Rolling Stones. 175 EuGH 13.4.2010 – C-73/08 – Slg. 2010, I-2735 Tz. 90 f. – Bressol. 176 Entscheidend ist die Handhabung des Art. 267 Abs. 3 AEUV, nicht die Vertretbarkeit der Auslegung des materiellen Unionsrechts, BVerfG 21.12.2010 – 1 BvR 506/09 – GRUR 2011, 225 Tz. 16.
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EuGH nicht nur als entfernte Möglichkeit erscheint und das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung).177 Letzteres kann insbesondere dann der Fall sein, wenn „mögliche Gegenauffassun- 42 gen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind“.178 Dabei überprüft das Bundesverfassungsgericht aber nur, „ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist“, so dass auch Sachverhaltsfehler noch keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG begründen, solange nicht ein willkürliches Vorgehen des Gerichts anzunehmen ist. 179 Ebenso sollen nach der Entscheidung des Fachgerichts ergangene Entscheidungen des EuGH, die Zweifel am Standpunkt des Fachgerichts aufwerfen, keine „Unvollständigkeit der Rechtsprechung“ begründen können, weil für die „verfassungsrechtliche Beurteilung der Handhabung der Vorlagepflicht … ausschließlich auf die Einschätzung der (Gemeinschafts-)Rechtslage zur Zeit der Entscheidung abzustellen“ sein soll.180 Die nur eingeschränkte Kontrolle der Nichtvorlage in Fallgruppe 3 (Unvollständig- 43 keit der Rechtsprechung) begegnet in jüngerer Zeit Kritik unter dem Gesichtspunkt des unionsrechtlichen Effektivitätsgebots (Art. 4 Abs. 3 EUV). Die überzeugende Kritik zielt darauf, in unionsrechtskonformer Auslegung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter bereits dann zu bejahen, „wenn objektiv ernst zu nehmende Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts bestehen und das letztinstanzlich entscheidende Fachgericht gleichwohl nicht dem EuGH vorlegt“.181 Diese Kritik ist nicht nur deshalb überzeugend, weil in einer solchen Situation eindeutig eine unionsrechtliche Vorlagepflicht gegeben ist,182 sondern auch weil die unterschiedliche Handhabung der richterlichen Kontrolle der Vorlagepflicht gemäß Art. 100 GG und Art. 267 Abs. 3 AEUV183 vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Äquivalenzgrundsatzes zweifelhaft erscheint. Um eine Kontrolle am Maßstab des europäischen Rechts und insbesondere des 44 Art. 267 Abs. 3 AEUV zu ermöglichen, muss das Fachgericht die Gründe darlegen, weshalb es von einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen hat.184 e) Rechtsbehelfe. Zur Geltendmachung eines Verstoßes gegen Art. 267 Abs. 3 AEUV 45 wegen unterbliebener Vorlage an den EuGH stehen den Prozessparteien – abgesehen von der Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Art. 101 GG185 – nur bescheidene Rechtsbehelfe zur Verfügung. Abgesehen von der informellen Benachrichtigung der Kommission zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens (Art. 258 AEUV)186 mag man auf Ebene des Unionsrechts zunächst an einen Staatshaftungsanspruch wegen ju-
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177 BVerfG 31.5.1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87 – NVwZ 1991, 53, 58; BVerfG 4.6.1998 – 1 BvR 2652/95 – GRUR 1999, 247, 250 – Metro; BVerfG 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06 – NJW 2010, 3422 Tz. 90. 178 BVerfG 11.12.2008 – 1 BvR 1563/08 – GRUR-RR 2009, 223 Tz. 10. 179 BVerfG 22.6.2011 – 1 BvR 2553/10 – NJW-RR 2011, 1608 Tz. 27, 30. 180 BVerfG 6.5.2008 – 2 BvR 1830/06 – NJW 2008, 2325 Tz. 11. 181 Wernsmann NZG 2011, 1241, 1244. 182 Wernsmann NZG 2011, 1241, 1244. 183 Dazu Wernsmann NZG 2011, 1241, 1244. 184 BVerfG 21.12.2010 – 1 BvR 506/09 – GRUR 2011, 225 Tz. 17 f. 185 Deren Wirksamkeit maßgeblich von der Auslegung des Willkürkriteriums abhängt, siehe oben Rn. 41–43. 186 Dazu MünchKomm/Leible EG A Rn. 235 Fn. 694.
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dikativen Unrechts denken,187 der allerdings häufig am Kausalitätsnachweis scheitern wird.188 Auf der Ebene des nationalen Rechts kommt unterhalb der Verfassungsbeschwerde wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zunächst das Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung (Berufung, Beschwerde oder Revision) in Betracht. Handelt es sich um ein zulassungsgebundenes Rechtsmittel, so muss bei Rechtsstreitigkeiten, bei denen sich voraussichtlich die Notwendigkeit einer Vorlage an den EuGH ergibt, stets die „grundsätzliche Bedeutung“ i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bejaht werden, damit das Revisionsgericht auch tatsächlich erreichbar ist und es nicht zu einer „Vorlagelücke“ kommt.189 Daneben mag man eine entsprechende Anwendung von § 321a ZPO erwägen, die allerdings wohl nur versehentliche Fehler des Prozessgerichts auffangen kann.190 Auch wenn die Vorlagepflicht verletzt wurde und es deshalb zu einem Unionrechts46 verstoß gekommen ist, verlangt das Unionsrecht grundsätzlich nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Vorschriften zur Rechtskraft abzusehen, selbst wenn dadurch ein Verstoß gegen Unionsrecht abgestellt werden könnte.191 Abhilfe schafft hier auch nicht die Restitutionsklage nach § 580 Nr. 8 ZPO, die nur greift, wenn der EGMR eine Verletzung der durch die EMRK garantierten Menschenrechte festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht, nicht wenn der EuGH einen Verstoß gegen einfaches Unionsrechts festgestellt hat. Im Interesse der effektiven und gleichwertigen Durchsetzung des Unionsrechts sollte § 580 Nr. 8 ZPO nur dann analog angewandt werden, wenn der EuGH eine Verletzung unionaler Grundrechte (nicht anderer Unionsrechtssätze) festgestellt hat und das rechtskräftige Urteil auf dieser Verletzung beruht.192 II. Das Lauterkeitsrecht als Teil der europäischen Wirtschaftsordnung 47
Seit ihrer Gründung als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zählt die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes (Binnenmarktes193) zu den zentralen Zielen der Europäischen Union.194 Zur seiner Verwirklichung sah der ursprüngliche EWG-Vertrag drei Instrumente vor: Die Zollunion195 und die Grundfreiheiten196 zielten auf einen „Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist“ (Binnenmarkt197).
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187 EuGH 30.9.2003 – C-224/01 – Slg. 2003, I-10239 Tz. 50, 55 – Köbler. 188 Haratsch JZ 2006, 1176, 1178. 189 Streinz/Herrmann GRUR Int. 2004, 459, 465 und BVerfG 22.12.1992 – 2 BvR 557/88 – NVwZ 1993, 883, 884 zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. 190 Poelzig ZZP 121 (2008) 233, 247; Prütting/Gehrlein/Thole, ZPO, 2. Aufl. (2010) § 321a Rn. 9. 191 EuGH 16.3.2006 – C-234/04 – Slg. 2006, I-2585 Tz. 21, 24 – Kapferer; zu einer Ausnahme EuGH – C-119/05 – Slg. 2007, I-6199 Tz. 59–63 – Lucchini; Poelzig JZ 2007, 858, 867. 192 Skeptischer Prütting/Gehrlein/Meller-Hanich, ZPO, 2. Aufl. (2010) § 580 Rn. 11. 193 „Gemeinsamer Markt“ und „Binnenmarkt“ sind synonym zu verstehen, zur flächendeckenden Ersetzung des Begriffs „Gemeinsamer Markt“ durch „Binnenmarkt“ im Vertrag von Lissabon Grabitz/Hilf/Nettesheim/Bast Art. 26 AEUV Rn. 14. 194 Art. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957, BGBl 1957 II S. 766 ff. (EWG-Vertrag): „Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind.“ Heute findet sich das Binnenmarktziel in Art. 3 Abs. 3 AEUV. 195 Heute Art. 28 ff. AEUV. 196 Heute Art. 34 ff. AEUV; Art. 45 ff. AEUV; Art. 56 ff. AEUV; Art. 63 ff. AEUV. 197 Zur Definition Art. 26 Abs. 2 AEUV. Siehe bereits Art. 3 lit. a, c EWG-Vertrag, heute Art. 3 Abs. 3 EUV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. a, 4 Abs. 2 lit. a AEUV.
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Dieser Schutz vor staatlichen198 Handelsbeschränkungen wurde flankiert durch die Wettbewerbsregeln der (heute) Art. 101 ff. AEUV, die den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Beeinträchtigungen und Verfälschungen (auch) durch Private schützen sollten.199 Als dritte Säule der Binnenmarktintegration eröffnete der EWG-Vertrag eine Kompetenz der Gemeinschaft zur „Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, soweit dies für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist“.200 1. Lauterkeitsrecht und Wettbewerbsregeln. Innerhalb dieses Dreiecks der Euro- 48 päischen Marktordnung201 fand der Schutz vor unlauterem Wettbewerb zunächst keinen klar zugewiesenen Platz.202 Die auf den ersten Blick naheliegende Anbindung an die Wettbewerbsregeln der europäischen Verträge bringt aus lauterkeitsrechtlicher Perspektive nur geringen Ertrag. Zwar hat die Grundnorm des Art. 3 lit. f EWG-Vertrag203 mit dem Begriff der „Verfälschungen“ des Wettbewerbs ebenso wie der Hinweis auf den „redlichen Wettbewerb“ in der Präambel204 durchaus das Potential, gewisse Inhalte des Lauterkeitsrechts wie etwa die Abwehr von Irreführungen aufzunehmen.205 Aber auch wenn man das Lauterkeitsrecht ebenso wie das Kartellrecht als Teil des 49 Systems eines unverfälschten Wettbewerbs ansehen mag,206 so fehlt es in den europäi-
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198 Inzwischen erfassen die Grundfreiheiten auch bestimmte Verhaltensweisen Privater, dazu unten Rn. 91–94. 199 Ehemals Art. 3 lit. f i.V.m. Art. 85 ff. EWG-Vertrag; heute Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 3 Abs. 1 lit. b, 101 ff. AEUV und Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb, ABl. 2010, C 83, S. 309. Zur Fortgeltung des Ziels unverfälschten Wettbewerbs nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon EuGH 17.2.2011 – C-52/09 – EuZW 2011, 339 Tz. 20 f. – Telia Sonera; EuGH 17.11.2011 – C-496/09 – EuZW 2012, 112 Tz. 60 – Kommission/Italien. 200 Art. 3 lit. h i.V.m. Art. 100 ff. EWG-Vertrag, heute Art. 3 Abs. 3 EUV i.V.m. Art. 4 Abs. 2 lit. a, 114 AEUV. 201 Zu den drei Wurzeln der unionsrechtlichen Lauterkeitsrechtskonzeption Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 345 f., der als dritte Wurzel neben den Grundfreiheiten und den Art. 101 ff. AEUV einen insbesondere in Art. 114 AEUV verankerten binnenmarktfunktional verstandenen Verbraucherschutz ausmacht. 202 Fikentscher Recht und wirtschaftliche Freiheit (1992) S. 68, 72. 203 „Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt“; heute Art. 3 Abs. 3 EUV i.V.m. dem Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb, ABl. 2010, C 83, S. 309, zu dessen Rang Art. 51 EUV. Zur Fortgeltung des Ziels unverfälschten Wettbewerbs nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon EuGH 17.2.2011 – C-52/09 – EuZW 2011, 339 Tz. 20 f. – Telia Sonera; EuGH 17.11.2011 – C-496/09 – EuZW 2012, 112 Tz. 60 – Kommission/ Italien. 204 Heute in der Präambel zum AEUV. 205 EuGH 29.1.1985 – 231/83 – Slg. 1985, 305 Tz. 10 – Cullet/Leclerc: Schutz vor Verfälschungen „allgemeines Ziel“; zum benachbarten Markenrecht EuGH 17.10.1990 – C-10/89 – Slg. 1990, I-3711 Tz. 13 – Hag II. Siehe auch Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2006/114/EG: „Irreführende und unzulässige vergleichende Werbung ist geeignet, zur Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt zu führen“; Glöckner GRUR 2008, 960, 964: Streben nach der Herstellung eines Binnenmarkts und Schutz der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs (Verbraucherautonomie, Markttransparenz, Verhinderung künstlicher Marktzutrittsschranken, Verbot der Berücksichtigung wettbewerbsbezogener Allgemeininteressen strukturpolitischer Natur wie z.B. den Mittelstandsschutz). 206 In diesem Sinne EuGH 21.5.1987 – 249/85 – Slg. 1987, 2345 Tz. 16 – Albako/BALM; siehe auch Koos Europäischer Lauterkeitsmaßstab und globale Integration (1996), S. 46; Dethloff Europäisierung des Wettbewerbsrechts (2001), S. 8; Lettl Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa (2004), S. 3; Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 17, 279 ff., 487 ff., 494, 500 ff.; Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 342; Ohly WRP 2008, 177, 179; Podszun WRP 2009, 509, 510; Wunderle Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht (2010), S. 117; zur Richtlinie 2005/29/EG Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 297; ähnlich auch MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 108, 115.
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schen Verträgen an einem konkretisierenden Kapitel, das den allgemeinen (konkretisierungsbedürftigen) Grundsatz des unverfälschten Wettbewerbs für die lauterkeitsrechtliche Praxis anwendbar und subsumierbar macht.207 Insbesondere das Kapitel über die Wettbewerbsregeln sah von Anfang an in seinem Abschnitt 1 über Unternehmen nur Regeln über Wettbewerbsbeschränkungen (Art. 101 AEUV), den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) und öffentliche Unternehmen bzw. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (Art. 106 AEUV) vor und enthielt sich einer Regelung zum unlauteren Wettbewerb.208 Auch die Verpflichtung auf eine offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 119 Abs. 1, 120 AEUV) begründet für die Mitgliedstaaten keine klaren und unbedingten Verpflichtungen, auf die sich Einzelne vor nationalen Gerichten berufen könnten. Es handelt sich vielmehr „um einen allgemeinen Grundsatz, dessen Anwendung komplexe wirtschaftliche Beurteilungen erfordert, die in die Zuständigkeit des Gesetzgebers oder der nationalen Verwaltung fallen“.209 50
a) Unterschiedlichkeit der Schutzziele. Folge des lauterkeitsrechtlichen Normenmangels auf der Ebene des Primärrechts war eine getrennte Entwicklung der beiden Schwesterdisziplinen des Wettbewerbsrechts. Während sich das Kartellrecht auf Grundlage der Art. 101 ff. AEUV auf europäischer Ebene immer weiter ausdifferenzierte, blieb das Lauterkeitsrecht – abgesehen vom Einfluss der Grundfreiheiten – lange Zeit eine Domäne des nationalen Rechts. Im Verhältnis beider Teildisziplinen des Wettbewerbsrechts kristallisierte sich eine Unterschiedlichkeit der Schutzrichtungen und eine
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207 Zur Konkretisierungsbedürftigkeit EuGH 24.1.1991 – C-339/89 – Slg. 1991, I-107 Tz. 10 – Alsthom Atlantique: Schutz des Wettbewerbs vor Verfälschungen nach Art. 3 lit. f EWG-Vertrag „ein in mehreren anderen Wettbewerbsbestimmungen konkretisiertes Ziel“; ähnlich EuGH 3.10.2000 – C-9/99 – Slg. 2000, I-8207 Tz. 22 – Echirolles Distribution: Art. 3 EGV enthalte „die allgemeinen Grundsätze des Gemeinsamen Marktes“, „die in Verbindung mit den sie jeweils konkretisierenden Kapiteln des EG-Vertrages angewandt werden“; Koos Europäischer Lauterkeitsmaßstab und globale Integration (1996), S. 47; Beater Rn. 448. 208 Zu den Grenzen der Aufgreiftatbestände des Art. 101 AEUV etwa EuGH 13.3.2008 – C-446/05 – Slg. 2008, I-1377 Rn. 20 f. – Strafverfahren gegen Ioannis Doulamis: „Wie der Gerichtshof entschieden hat, liegt eine Verletzung der Art. 10 EG und 81 EG vor, wenn ein Mitgliedstaat gegen Art. 81 EG verstoßende Kartellabsprachen vorschreibt oder begünstigt oder die Auswirkungen solcher Absprachen verstärkt oder wenn er seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt“. Siehe auch die Aufzeichnung über die Wettbewerbsregeln im Vertrag über den Gemeinsamen Europäischen Markt vom 20.10.1956, abgedruckt in Schulze/Hoeren Dokumente zum Europäischen Recht III, Dok. 60, S. 5 unter II 2 (zu Verdrängungspraktiken): „Die den unlauteren Wettbewerb betreffenden Vorschriften sollten aber, falls solche in den Vertrag aufgenommen werden, aus systematischen Gründen von den der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs dienenden Bestimmungen getrennt werden“. Eine Erwähnung fand das Lauterkeitsrecht allerdings im Verbot von „Praktiken unlauteren Wettbewerbs“ in Art. 60 § 1 Abs. 1 des inzwischen ausgelaufenen Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18.4.1951, BGBl 1951 II S. 445 ff. Der Vertrag endete gemäß Art. 97 am 23.7.2002, Rechtsnachfolgerin wurde die EG, vgl. das Protokoll über die finanziellen Folgen des Ablaufs des EGKSVertrages und über den Forschungsfonds für Kohle und Stahl im Vertrag von Nizza, ABl. 2001 Nr. C 80/1. Umstritten war, ob diese Vorschrift tatsächlich dem Schutz der Lauterkeit oder nicht vielmehr dem Schutz vor Monopolbildung diente, Fikentscher Recht und wirtschaftliche Freiheit (1992) S. 70 f. Siehe allerdings Fikentscher Recht und wirtschaftliche Freiheit (1992) S. 76, 79, der in Teilbereichen die Anwendung der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs für möglich hielt; vgl. auch Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 204 ff. und Podszun Spezielle Wettbewerbsförderung durch Europäisches Lauterkeitsrecht: Plädoyer für ein allgemeines Europäisches Wettbewerbsrecht in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 151, 175 mit einem Plädoyer für ein am Wettbewerbsprinzip ausgerichtetes Lauterkeitsrecht. 209 EuGH 3.10.2000 – C-9/99 – Slg. 2000, I-8207 Tz. 25 – Echirolles Distribution.
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daraus resultierende (weitgehend) unbeeinflusste Koexistenz heraus, die auch heute noch das Verhältnis der beiden Disziplinen auf europäischer Ebene prägt. So hat der Gerichtshof bereits früh entschieden, dass die Verhinderung unlauteren 51 Wettbewerbs eine Einschränkung der Wettbewerbsregeln der Art. 101 ff. AEUV nicht rechtfertigen könne und es vielmehr Sache der einzelnen geschädigten Unternehmen sei, derartigen Praktiken durch Rückgriff auf das Lauterkeitsrecht zu begegnen.210 Damit zeichnet sich nicht nur ab, dass eine – aus normhierarchischen Gründen ohnehin problematische – Sperrwirkung des Lauterkeitsrechts für das Kartellrecht nicht in Betracht kommt,211 sondern auch, dass das Europäische Kartellrecht eine parallele Anwendung lauterkeitsrechtlicher Normen zulässt. Diese Linie setzte sich in den Folgeentscheidungen fort: So lassen sich aus kartellrechtlichen Regeln für Vertriebsverträge keine Aussagen über lauterkeitsrechtliche Ansprüche gegen Dritte ableiten,212 die Wirksamkeit eines Vertriebsbindungssystems i.S.d Art. 101 AEUV verlangt nicht, dass ein solches System nach nationalem Lauterkeitsrecht gegenüber Außenseitern durchgesetzt werden kann,213 und für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Vereinbarung nach Art. 101 AEUV ist es unerheblich, ob diese Außenseitern im Wege einer Klage wegen unlauteren Wettbewerbs entgegengehalten werden kann.214 Auch im Sekundärrecht kommen die unterschiedlichen Schutzrichtungen von Kar- 52 tellrecht und Lauterkeitsrecht nun prägnant zum Ausdruck. Bereits auf der Ebene des Kollisionsrechts unterscheidet Art. 6 Rom II-Verordnung zwischen außervertraglichen Schuldverhältnissen „aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“215 (Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom
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210 Vgl. bereits EuGH 17.1.1984 – 43/82 und 63/82 – Slg. 1984, 19 Tz. 37 – VBVB und VBBB/ Kommission: „Der Umstand, dass ein System der vertikalen Preisbindung nebenbei zur Folge haben kann, einen unlauteren Wettbewerb […] zu verhindern, ist jedoch kein hinreichender Grund, einen ganzen Marktsektor […] von der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 auszunehmen. Es ist Sache der Unternehmen, die durch unlautere Handelspraktiken geschädigt worden sind, auf die für das Gebiet der Handelsbräuche erlassenen Rechtsvorschriften zurückzugreifen, die es in der einen oder anderen Form in allen Mitgliedstaaten gibt und durch die Missbräuchen der Art, auf die die Klägerinnen hingewiesen haben, begegnet werden kann. Das Bestehen derartiger Missbräuche kann dagegen in keinem Fall eine Einschränkung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft rechtfertigen“; siehe auch Beater Rn. 452. 211 Für einen mittelbaren Einfluss des Lauterkeitsrechts auf das Kartellrecht wird vorgebracht, dass auch das Lauterkeitsrecht durch den Schutz des Wettbewerbs vor Verfälschungen (Protokoll Nr. 27 zum AEUV) eine primärrechtliche Grundlage habe, Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 188 f.; siehe auch EuGH 13.7.1966 – 32/65 – Slg. 1966, S. 457, 483 – Italien/Kommission. Allerdings lassen sich aus dieser Verpflichtung keine konkreten Vorgaben für die Ausgestaltung und Reichweite des Lauterkeitsrechts entnehmen, so dass die Verhinderung unlauteren Wettbewerbs nur kartellrechtsimmanent gewürdigt werden kann, dazu unten Rn. 59. 212 EuGH 15.2.1996 – C-226/94 – Slg. 1996, I-651 Tz. 16, 18 f. – Grand garage albigeois; EuGH 15.2.1996 – C-309/94 – Slg. 1996, I-677 Tz. 16, 18 f. – Nissan France; EuGH 20.2.1997 – C-128/95 – Slg. 1997, I-967 Tz. 13, 16 f. – Fontaine. 213 EuGH 5.6.1997 – C-41/96 – Slg. 1997, I-3123 Tz. 14 – VAG-Händlerbeirat: Erfordernis der Lückenlosigkeit des Vertriebsbindungssystems als Voraussetzung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche gegen Außenseiter mit Art. 85 EG (Art. 101 AEUV) vereinbar; zur späteren Aufgabe des Lückenlosigkeitserfordernisses im deutschen Recht Piper/Ohly § 4.10 Rn. 10/70. 214 EuGH 13.1.1994 – C-376/92 – Slg. 1994, I-15 Tz. 24 – Metro. 215 Dazu zählen nach der Kommissionsbegründung KOM (2003) 427 S. 17 „Handlungen, die auf die Nachfrage Einfluss zu nehmen trachten (z.B. Täuschung und Zwang), Handlungen, die das Angebot von Wettbewerbern behindern sollen (z.B. Störung der Zulieferung, Abwerbung von Angestellten oder Boykott), oder Handlungen, mit denen die Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden (z.B. Schaffung einer Verwechslungsgefahr oder Ausnutzung seines Bekanntheitsgrades)“.
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II-VO) und „aus einem den Wettbewerb einschränkenden Verhalten“216 (Art. 6 Abs. 3 Rom II-VO) und unterwirft diese z.T. unterschiedlichen Kollisionsregeln.217 Die Abgrenzung anhand unterschiedlicher Schutzziele setzt sich auf der Ebene des 53 materiellen Rechts fort. So dürfen die Mitgliedstaaten nach Erwägungsgrund 9 Satz 4 i.V.m. Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003218 „innerstaatliche Rechtsvorschriften anwenden, mit denen unlautere Handelspraktiken – unabhängig davon, ob diese einseitig ergriffen oder vertraglich vereinbart werden – untersagt oder geahndet werden“. Solche Rechtsvorschriften verfolgen nämlich „ein spezielles Ziel, das die tatsächlichen oder vermuteten Wirkungen solcher Handlungen auf den Wettbewerb auf dem Markt“ und damit das Ziel der Art. 101 und 102 AEUV219 unberücksichtigt lässt.220 Die Verordnung unterscheidet also zwischen dem „Wettbewerb auf dem Markt“ als Schutzziel der Art. 101 und 102 AEUV221 und dem davon zu trennenden Schutz vor unlauterem Wettbewerb.222 Gegen eine Übertragung der Trennungskonzeption der Verordnung 1/2003 auf das 54 Verhältnis des Unionskartellrechts zum nunmehr europäisierten Lauterkeitsrecht wird vorgebracht, dass sie auf den Unterschieden zwischen den nationalen Lauterkeitsrechtsordnungen beruhe und angesichts des Schutzes vor Wettbewerbsverfälschungen als gemeinsamer konzeptioneller Grundlage und sich teilweise überschneidender Schutzzwecke und Anwendungsbereiche von Kartell- und Lauterkeitsrecht nicht mehr sachgerecht sei.223 Dem ist zuzugeben, dass eine strikte Trennung zu weit geht und ein gewisser Wer-
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216 Erwägungsgrund 23 Rom II-VO: „Für die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff der Einschränkung des Wettbewerbs Verbote von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen und abgestimmten Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs in einem Mitgliedstaat oder innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken, sowie das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung in einem Mitgliedstaat oder innerhalb des Binnenmarktes erfassen, sofern solche Vereinbarungen, Beschlüsse, abgestimmte Verhaltensweisen oder Missbräuche nach den Artikeln 81 und 82 des Vertrags oder dem Recht eines Mitgliedstaats verboten sind“. 217 Vgl. Art. 6 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 3 lit. b Rom II-VO. 218 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1. 219 Erwägungsgrund 9 Satz 1 VO 1/2003. 220 Als Beispiele nennt Erwägungsgrund 9 Satz 6 VO 1/2003 Rechtsvorschriften, „mit denen Unternehmen untersagt wird, bei ihren Handelspartnern ungerechtfertigte, unverhältnismäßige oder keine Gegenleistungen umfassende Bedingungen zu erzwingen, zu erhalten oder den Versuch hierzu zu unternehmen“. 221 Mit Recht weisen Lampert/Niejahr/Kübler/Weidenbach EG-KartellVO (2004) Art. 3 Rn. 122 darauf hin, dass im Kontext des Art. 3 Abs. 3 VO 1/2003 nur auf den „Schutz des Wettbewerbs auf dem Markt“ als Ziel der Art. 101, 102 AEUV abzustellen ist (Erwägungsgrund 9 S. 1 VO 1/2003), nicht auf das ebenfalls durch die Wettbewerbsvorschriften verfolgte Ziel der Binnenmarktintegration. Andernfalls käme es mit nahezu jeder lauterkeitsrechtlichen Vorschrift des Sekundärrechts zu einer Zielüberschneidung, weil die betreffenden Richtlinien schon aus kompetenziellen Gründen (Art. 114 AEUV) auch auf die Binnenmarktintegration zielen. 222 Einschränkend Lampert/Niejahr/Kübler/Weidenbach EG-KartellVO (2004) Art. 3 Rn. 123: Regeln des UWG zum Schutz der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers seien von Art. 3 Abs. 3 VO 1/2003 erfasst, nicht aber nationale Regeln, die direkt und nicht nur als Reflex die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Wettbewerbern auf dem Markt regeln wie etwa die „marktbezogene Unlauterkeit“. M.E. ist nicht allein auf die Regelung des „Wettbewerbs auf dem Markt“ abzustellen, sondern zusätzlich erforderlich, dass der Wettbewerb auf dem Markt vor den spezifisch in Art. 101, 102 AEUV geregelten Wettbewerbsbeschränkungen geschützt werden soll. Diese Sichtweise wird durch Rechtssache Mediaprint bestätigt: Während Lampert/Niejahr/Kübler/Weidenbach EG-KartellVO (2004) Art. 3 Rn. 124 Regeln zur Sicherung der Medienvielfalt nicht mehr unter Art. 3 Abs. 3 VO 1/2003 fassen wollen, hat der EuGH die Richtlinie 2005/29/EG für anwendbar gehalten, EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 26 – Mediaprint. 223 Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 190 Fn. 572.
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tungstransfer vor allem vom Kartellrecht in das Lauterkeitsrecht sinnvoll und geboten ist. Andererseits ist an der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen dem Schutz des unbeschränkten Wettbewerbs auf dem Markt i.S.d. Art. 101, 102 AEUV und dem Schutz des lauteren Wettbewerbs224 festzuhalten, denn eine solche Unterscheidung findet sich nicht nur in der Verordnung 1/2003, sondern auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs und in Art. 6 Rom II-VO. Sie deutet sich auch in Erwägungsgrund 9 Satz 2 RL 2005/ 29/EG an,225 demzufolge die Richtlinie 2005/29/EG nicht „die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft und die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung derselben“ berührt.226 b) Sperrwirkung des Kartellrechts? Infolge der unterschiedlichen Schutzrichtun- 55 gen scheidet eine Sperrwirkung des Europäischen Kartellrechts gegenüber national oder unional fundiertem Lauterkeitsrecht grundsätzlich aus, weil das Lauterkeitsrecht in aller Regel nicht (überwiegend227) dem Schutz des Wettbewerbs auf dem Markt i.S.d. Art. 101, 102 AEUV dient (Art. 3 Abs. 3 VO 1/2003). Ein Regelungskonflikt zwischen Kartell- und Lauterkeitsrecht kann sich aus europäischer Perspektive nur ergeben, wenn die lauterkeitsrechtlichen Vorschriften ausnahmsweise überwiegend auf den Schutz des Wettbewerbs auf dem Markt i.S.d. Art. 101, 102 AEUV abzielen. Ist dies der Fall, so ist zwischen einseitigen Maßnahmen i.S.d. Art. 102 AEUV und Vereinbarungen i.S.d. Art. 101 AEUV zu unterscheiden. Bei einseitigen Maßnahmen wie etwa der Kampfpreisunterbietung228 scheidet eine 56 Sperrwirkung des Europäischen Kartellrechts selbst dann aus, wenn die betreffende Lauterkeitsvorschrift ausnahmsweise „überwiegend“ denselben Zielen wie Art. 102 AEUV dient, weil das Europäische Kartellrecht selbst im Verhältnis zu nationalen Kartellvorschriften nur für das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen i.S.d. Art. 101 AEUV (Art. 3 Abs. 1 VO 1/2003), nicht aber für missbräuchliche einseitige Handlungen von Unternehmen (Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003) einen Vorrang des Unionsrechts anordnet.229
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224 Insbesondere vor unzulässigen Einwirkungen auf die informierte geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers (vgl. Art. 2 lit. e, j, k RL 2005/29/EG). 225 Siehe auch Lübbig GPR 2010, 268, 272 für eine Lösung über Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG. 226 Vgl. EuGH 11.3.2010 – C-522/08 – Slg. 2010, I-2079 Tz. 33 – Telekommunikacja Polska, wo der Gerichtshof offenbar von einer parallelen Anwendbarkeit regulierungsrechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Kopplungsverbote ausgeht. Siehe auch KOM (2003) 356, S. 12 Rn. 41: „Die vorgeschlagene Richtlinie befasst sich nicht mit Kartellfragen wie etwa wettbewerbswidrigen Absprachen, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, Fusionen und Übernahmen“. Aufgrund der Beschränkung auf verbraucherschützende Vorschriften (Erwägungsgrund 8 Satz 3 RL 2005/29/EG) dürften Überschneidungen mit dem Kartellrecht ohnehin selten sein. Siehe aber die Diskussion um die Frage, ob unter den Begriff der „Ausnutzung einer Machtposition“ in Art. 2 lit. j RL 2005/29/EG auch die Ausnutzung wirtschaftlicher Machtpositionen und somit der Missbrauch von Marktmacht fällt, Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 191. 227 Art. 3 Abs. 3 a.E. VO 1/2003. Eine „Reflexwirkung“ auf den Wettbewerb schadet nicht, Lampert/Niejahr/Kübler/Weidenbach EG-KartellVO (2004) Art. 3 Rn. 123. 228 Diese kann unter Art. 102 AEUV fallen, vgl. EuGH 3.7.1991 – C-62/86 – Slg. 1991, I-3359 Tz. 70 ff. – Akzo. Bei generellen Verboten des Verkaufs unter Einstandspreis, die nicht an die Marktmacht des Unternehmens anknüpfen, dürfte es auch nicht um den Schutz des Wettbewerbs auf dem Markt i.S.d. Art. 101, 102 AEUV gehen, sondern allein um den Schutz kleinerer Unternehmen vor aggressivem Preiswettbewerb, so dass diese Regeln als lauterkeitsrechtlich einzustufen sind, überzeugend Wurmnest Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch (2010), S. 513 ff. Ein generelles, dem Verbraucherschutz dienendes Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis verstößt gegen die Richtlinie 2005/29/EG, EuGH 7.3.2013 – C-343/12 – Tz. 22, 29, 31 – Euronics Belgium. 229 Zwar dürfen die nationalen Behörden neben Art. 102 AEUV zusätzlich ihre nationalen Missbrauchsvorschriften anwenden. Sie dürfen aber keine negative Sachentscheidung treffen, die einen
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Es ist daher zulässig, die Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtposition als unzulässige Beeinflussung i.S.d. Art. 2 lit. j RL 2005/29/EG anzusehen, selbst wenn die Voraussetzungen des Art. 102 AEUV nicht gegeben sind.230 Bei Vereinbarungen i.S.d. Art. 101 AEUV hingegen ist entscheidend, ob die Wirkun57 gen solcher Vereinbarungen auf den Wettbewerb auf dem Markt bei der lauterkeitsrechtlichen Prüfung (weitgehend) unberücksichtigt bleiben, weil die Regeln des Lauterkeitsrechts (überwiegend) andere Ziele verfolgen.231 Soweit das nationale Lauterkeitsrecht derartige Verhaltensweisen „überwiegend“ aufgrund ihrer wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen auf den Markt zu verbieten sucht und damit demselben Ziel wie Art. 101 AEUV dient, bewegt es sich außerhalb der Ermächtigung des Art. 3 Abs. 3 VO 1/ 2003 und hat folglich den durch Art. 3 Abs. 2 S. 1 VO 1/2003 angeordneten Vorrang des Art. 101 AEUV zu beachten.232 58
c) Wertungstransfer und Widerspruchsfreiheit. Trotz der sich im Unionsrecht abzeichnenden parallelen Anwendbarkeit beider Teildisziplinen des Wettbewerbsrechts empfiehlt es sich, diese in Richtung einer widerspruchsfreien Koexistenz fortzuentwickeln. Danach stehen Lauterkeitsrecht und Kartellrecht grundsätzlich als Folge ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen nebeneinander und sind parallel anzuwenden. Eine Sperrwirkung des Europäischen Kartellrechts kommt – bis auf wenige Ausnahmen233 – nicht in Betracht, eine Sperrwirkung des Lauterkeitsrechts scheitert bereits aus normhierarchischen Gründen. Jedoch sind bei der Konkretisierung der offenen Tatbestände des Lauterkeitsrechts die Wertungen der Schwesterdisziplin zu berücksichtigen, um zu widerspruchsfreien Lösungen zu gelangen. So ist es aus Gründen der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und der praktischen Wirksamkeit der höherrangigen Art. 101, 102 AEUV ausgeschlossen, dass das Lauterkeitsrecht ein Verhalten legitimiert oder gar zu einem Verhalten verpflichtet, das aus der Perspektive des Kartellrechts verboten ist.234 Beispielsweise darf etwa die Abweichung von kartellrechtswidrig vorgeschriebenen Preisen nicht als lauterkeitswidrig sanktioniert werden.235 Ebenso wenig wäre es zulässig, in lauterkeitsrechtliche Verhaltenskodizes236 Regelungen aufzunehmen, die im Widerspruch zu den Kartellvorschriften stehen.237
_____ Verstoß gegen Art. 102 AEUV verneint, EuGH (Große Kammer) 3.5.2011 – C-375/09 – GRUR Int. 2011, 606 Tz. 28 ff. – Tele2 Polska. 230 Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 191 f. Wenn die Voraussetzungen des Art. 102 AEUV gegeben sind, bleibt diese Vorschrift als speziellere und ranghöhere Vorschrift selbstverständlich neben den Lauterkeitsnormen anwendbar. 231 MünchKomm Kartellrecht/Böge/Bardong, Band 1: Europäisches Wettbewerbsrecht (2007), Art. 3 VO 1/2003 Rn. 21 ff. 232 Lampert/Niejahr/Kübler/Weidenbach EG-KartellVO (2004) Art. 3 Rn. 123: Fallgruppe der „marktbezogenen Unlauterkeit“ nicht von der Ausnahmeklausel des Art. 3 Abs. 3 VO 1/2003 gedeckt. 233 Siehe oben Rn. 57. 234 EuGH 9.2.1995 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 Tz. 25 – Leclerc-Siplec; siehe auch EuGH 17.1.1984 – 43/82 und 63/82 – Slg. 1984, 19 Tz. 37 – VBVB und VBBB/Kommission. 235 EuGH 1.10.1987 – 311/85 – Slg. 1987, 3801 Tz. 24 – Vereniging van Vlaamse Reisbureaus. 236 Definiert in Art. 2 lit. f RL 2005/29/EG als „eine Vereinbarung oder ein Vorschriftenkatalog, die bzw. der nicht durch die Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates vorgeschrieben ist und das Verhalten der Gewerbetreibenden definiert, die sich in Bezug auf eine oder mehrere spezielle Geschäftspraktiken oder Wirtschaftszweige auf diesen Kodex verpflichten“; dazu auch BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 13, 15 – FSA-Kodex: Verstoß gegen Verhaltenskodex nicht bereits als solcher unlauter; siehe auch Art. 6 Abs. 2 lit. b und Erwägungsgrund 20 RL 2005/29/EG. 237 KOM (2003) 356 S. 18 Rn. 73: „Dadurch [EU-weite Verhaltenskodizes] könnten die Hindernisse für den Binnenmarkt abgebaut werden, sofern gewährleistet ist, dass derartige Kodizes den Wettbewerb nicht verhindern, einschränken oder verzerren“.
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Weniger Spielraum besteht umgekehrt für einen Import lauterkeitsrechtlicher 59 Wertungen in das Kartellrecht. Zwar sollen die Wettbewerbsregeln des AEUV nur auf die „Gewährleistung eines redlichen Wettbewerbs“ zielen,238 so dass Art. 101 AEUV auf Vereinbarungen keine Anwendung finden soll, die sich ausschließlich gegen unlauteren Wettbewerb richten.239 Allerdings wirft dies die Frage auf, wann sich Vereinbarungen ausschließlich gegen unlauteren Wettbewerb richten. Durch die Richtlinie 2005/29/EG steht zwar für verbrauchergerichtete Geschäftspraktiken nunmehr ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab zur Verfügung. Indes erfasst diese Richtlinie nicht das weite Feld ausschließlich konkurrentenschützender Lauterkeitsnormen, so dass die Gefahr nationaler Unterschiede bei der Definition des „redlichen Wettbewerbs“ nicht von der Hand zu weisen ist. Zudem gebieten die normhierarchische Stellung der Art. 101 ff. AEUV und ihr vom Lauterkeitsrecht abweichender Schutzzweck Vorsicht bei der Begrenzung kartellrechtlicher Aufgreiftatbestände aufgrund lauterkeitsrechtlicher Wertungen. Die Ausnahme sollte daher nur sehr zurückhaltend gehandhabt werden.240 Die Beurteilung einer Geschäftspraktik als unlauter ist deshalb nur als ein Indiz für die kartellrechtliche Zulässigkeit einer Branchenvereinbarung anzusehen, mit der die betreffende Geschäftspraktik unterbunden werden soll. 2. Lauterkeitsrecht und Grundfreiheiten. Relevanter als die Wettbewerbsregeln 60 des Vertrages war der Einfluss der Grundfreiheiten auf das Lauterkeitsrecht.241 Aus der Perspektive der Verkehrsfreiheiten wurden die Regeln des nationalen Lauterkeitsrechts zunächst vor allem als störende Beeinträchtigung der seit Dassonville242 weit verstandenen Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit wahrgenommen.243 Ihr Einfluss zielte dementsprechend auf eine Negativintegration,244 indem nationale Lauterkeitsregeln überwunden wurden, die als unverhältnismäßige Beschränkung der Grundfreiheiten galten.245 Bereits in den siebziger Jahren akzeptierte der EuGH allerdings in der Entscheidung Cassis de Dijon, dass neben den geschriebenen Rechtfertigungstatbeständen des Art. 36 EWG-Vertrag (Art. 36 AEUV) auch die Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Verbraucherschutz als zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls eine Beschränkung der Grundfreiheiten zu rechtfertigen vermag.246 In der Folge kam es über die Rechtfertigungsprüfung der Grundfreiheiten in be- 61 grenztem Umfang auch zu einer positiven Herausbildung europäischer Lauterkeitsmaßstäbe,247 obgleich das Recht des unlauteren Wettbewerbs nach wie vor Sache der Mit-
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238 EuGH 13.7.1966 – 32/65 – Slg. 1966, S. 457, 483 – Italien/Kommission; Beater Rn. 459. 239 Mestmäcker/Schweizer Europäisches Wettbewerbsrecht (2004) § 10 Rn. 35 ff.; MünchKomm/Sosnitza Grundl Rn. 40 f. 240 So wohl auch EuGH 17.1.1984 – 43/82 und 63/82 – Slg. 1984, 19 Tz. 37 – VBVB und VBBB/ Kommission; siehe auch Hoffmann Unlauterer Wettbewerb und Art. 81 EG (2003), S. 189 f. 241 Ausführlich noch unten Rn. 88–193. 242 EuGH 11.7.1974 – 8/74 – Slg. 1974, 837 Tz. 5 – Dassonville. 243 Vgl. Bachmann AcP 210 (2010) 425, 457: Lauterkeitsrecht habe „latent protektionistisches Potential“. 244 Reich/Micklitz Europäisches Verbraucherrecht, 4. Aufl. (2003) § 1 Tz. 1.25; zur Unterscheidung von „negativer“ (Grundfreiheiten) und „positiver“ (Sekundärrecht) Angleichung bereits die Mitteilung der Kommission Notwendigkeit eines neuen Impulses für die Politik zum Schutz der Verbraucher, Bulletin EG 6/86, S. 10 Tz. 11. 245 Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 329: „auf Liberalisierung abzielend“; zu einem Vergleich von Negativ- und Positivintegration Johnston/Unberath CMLR 44 (2007) 1237. 246 Wenig enthusiastisch EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8 – Rewe Zentral, „Cassis de Dijon“: Hemmnisse „müssen hingenommen werden“. 247 Keirsbilck The New European Law of Unfair Commercial Practices and Competition Law (2011), S. 6, 63 ff.
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gliedstaaten blieb und verkaufsbezogene Lauterkeitsregeln durch die Keck-Doktrin von der Kontrolle am Maßstab der Warenverkehrsfreiheit weitgehend ausgenommen wurden. Für die Grundfreiheiten charakteristisch war ein wettbewerbs- und binnenmarktfunktionaler Zugriff auf das Lauterkeitsrecht.248 Dem Gerichtshof ging es in erster Linie um den diskriminierungsfreien und so weit wie möglich ungehinderten Marktzugang EUausländischer Produkte zu den Märkten anderer Mitgliedstaaten. Bloße Verkaufsmodalitäten, die für alle Marktteilnehmer rechtlich und faktisch gleiche Wirkungen entfalten und nicht den Marktzugang für ausländische Anbieter versperren, wurden daher seit Keck nicht als Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit angesehen. Auch verbraucherschützende Standardisierungs-, Etikettierungs- und Informationspflichten und der Schutz gegen Irreführung wurden als zwingende Erfordernisse gebilligt, um eine freie und informierte Entscheidung der Marktgegenseite als Grundlage eines funktionierenden Binnenmarktes zu ermöglichen, während generelle Informations- und Werbeverbote oder überzogene Irreführungsstandards verworfen wurden.249 In jüngerer Zeit haben die Grundfreiheiten durch die Vollharmonisierung wichtiger 62 Teile des Lauterkeitsrechts wieder an Bedeutung eingebüßt, weil der Gerichtshof nationale Maßnahmen im vollharmonisierten Bereich vorrangig250 anhand der Bestimmungen der Harmonisierungsmaßnahme und nicht der Grundfreiheiten beurteilt.251 Indes bleiben die Grundfreiheiten auch im harmonisierten Bereich in ihrer Funktion einer übergeordneten Direktive zur Auslegung und Anwendung des Sekundärrechts bedeutsam,252 so dass eine gewisse Kontinuität der Rechtsprechung zu erwarten ist. Hinzu tritt ihre Relevanz für die nicht (vollständig) harmonisierten Felder des Lauterkeitsrechts, also den unternehmerischen Geschäftsverkehr und den Schutz anderer als wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher, soweit dort nicht sektorspezifisches Sekundärrecht eine Vollharmonisierung bewirkt. 63
3. Lauterkeitsrecht und Rechtsangleichung. Der Bedeutungsverlust der Grundfreiheiten ist die Kehrseite des heutzutage wichtigsten europäischen Einflusses auf das Lauterkeitsrecht, der Rechtsangleichung durch Sekundärrecht (Richtlinien und Verordnungen) auf Grundlage der Binnenmarktkompetenz des Art. 114 AEUV (Positivintegration). Nach Auffassung des EuGH kann der Unionsgesetzgeber Art. 114 AEUV „im Fall von Unterschieden zwischen den nationalen Regelungen heranziehen, wenn diese Unterschiede geeignet sind, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen253 oder Wettbewerbs-
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248 Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 433; Peukert ZHR 173 (2009) 536, 548 ff. m.w.N. (siehe allerdings auch den Verweis auf S. 557 f. auf die Rechtssache Buet). 249 Ausführlich unten Rn. 149–177. 250 Unklar ist, ob der Vorrang harmonisierenden Sekundärrechts absolut ist oder ob auch die Union an die Grundfreiheiten gebunden ist, dazu unten Rn. 90. 251 EuGH 6.11.2011 – C-443/10 – BeckRS 2011, 81435 Tz. 22 – Bonnarde; ferner EuGH 13.12.2001 – C-324/99 – Slg. 2001, I-9897 Tz. 32 – DaimlerChrysler; EuGH (Große Kammer) 14.12.2004 – C-210/03 – Slg. 2004, I-11893 Tz. 81 – Swedish Match; EuGH 9.3.2006 – C-421/04 – Slg. 2006, I-2303 Tz. 20 – Matratzen Concord; EuGH 16.12.2008 – C-205/07 – Slg. 2008, I-9947 Tz. 33 – Gysbrecht; EuGH 24.1.2008 – C-257/06 – Slg. 2008, I-189 Tz. 14 – Roby Profumi. 252 Zur Auslegung EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 12 – Clinique; EuGH 16.1.2003 – C-14/00 – Slg. 2003, I-513 Tz. 66 – Kommission/Italienische Republik; EuGH 4.10.2007 – C-457/05 – Slg. 2007, I-8075 Tz. 22 – Diageo; zur Anwendung EuGH (Große Kammer) 17.4.2007 – C-470/03 – Slg. 2007, I-2749 Tz. 59 f. – A.G.M.-COS.MET. 253 EuGH 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 37 – Deutschland/Parlament und Rat (Tabakwerberichtlinie II).
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verzerrungen254 zu verursachen und sich auf diese Weise unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts auszuwirken“.255 Dies ist der Fall, „wenn Handelshemmnisse bestehen oder solche Hemmnisse wahrscheinlich entstehen werden, weil die Mitgliedstaaten hinsichtlich eines Erzeugnisses … divergierende Maßnahmen erlassen haben …, die ein unterschiedliches Schutzniveau gewährleisten und dadurch den freien Verkehr mit dem oder den betreffenden Erzeugnissen in der Gemeinschaft behindern“.256 Ist diese – eher niedrige –Schwelle erreicht, so darf der Gesetzgeber im Rahmen seines politischen Ermessens auch andere als handelsfunktionale Kriterien (insbesondere Gesundheit, Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz, Art. 114 Abs. 3 AEUV) bei der Ausgestaltung des Rechtsaktes sogar „entscheidend“ heranziehen.257 a) Lauterkeitsrecht und Verbraucherschutz. Infolge der Öffnung der Binnenmarkt- 64 kompetenz für andere als rein handelsfunktionale Aspekte hatte die Rechtsangleichung zur Folge, dass auch Gesichtspunkte in das Europäische Lauterkeitsrecht Eingang fanden, die im ursprünglich vor allem auf die Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen und Handelshemmnissen ausgerichteten EWG-Vertrag nicht oder nur in Ansätzen258 angelegt waren.259 In erster Linie ist insofern der inzwischen in die Verträge aufgenommene260 (Art. 12, 114 Abs. 3, 169 AEUV, Art. 38 EuGRCh) Verbraucherschutzgedanke zu nennen, der mit der Richtlinie 2005/29/EG zum zentralen und der Binnenmarktintegration gleichrangigen Anliegen des Europäischen Lauterkeitsrechts aufgestiegen ist (Art. 1 RL 2005/29/EG).
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254 EuGH 5.10.2000 – C-376/98 – Slg. 2000, I-8419 Tz. 84 und 106 – Deutschland/Parlament und Rat (Tabakwerberichtlinie I). 255 EuGH 10.2.2009 – C-301/06 – Slg. 2009, I-593 Tz. 63 – Irland/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union (Vorratsdatenspeicherung); EuGH 8.6.2010 – C-58/08 – Slg. 2010, I-4999 Tz. 32 – The Queen, auf Antrag von Vodafone Ltd/Secretary of State (Roaming-VO). Wird Art. 114 AEUV EG als Rechtsgrundlage herangezogen, „um der Entstehung neuer Hindernisse für den Handel infolge einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, [so] muss zudem das Entstehen solcher Hindernisse wahrscheinlich sein und die fragliche Maßnahme ihre Vermeidung bezwecken“, EuGH 10.2.2009 – C-301/06 – Slg. 2009, I-593 Tz. 64 – Irland/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union (Vorratsdatenspeicherung); EuGH 8.6.2010 – C-58/08 – Slg. 2010, I-4999 Tz. 33 – The Queen, auf Antrag von Vodafone Ltd/Secretary of State (Roaming-VO). 256 EuGH 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 41 – Deutschland/Parlament und Rat (Tabakwerberichtlinie II). 257 EuGH 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 39 – Bundesrepublik Deutschland/Europäisches Parlament (Tabakwerberichtlinie II): Maßnahme darf auf Art. 114 AEUV gestützt werden, „auch wenn dem Gesundheitsschutz bei den zu treffenden Entscheidungen maßgebliche Bedeutung zukommt“; ebenso EuGH 8.6.2010 – C-58/08 – Slg. 2010, I-4999 Tz. 36 – The Queen, auf Antrag von Vodafone Ltd/Secretary of State (Roaming-VO) (zum Verbraucherschutz). Zu den einzelnen Rechtsakten unten Rn. 226 ff. 258 Zwar hatte der EuGH in Cassis de Dijon bereits den Verbraucherschutz als Rechtfertigung einer Grundfreiheitsbeschränkung akzeptiert. Allerdings blieb die Ausgestaltung weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen, der EuGH beschränkte sich auf eine „Negativintegration“. 259 Peukert Die Ziele des Primärrechts und ihre Bedeutung für das Europäische Lauterkeitsrecht: Auflösungserscheinungen eines Rechtsgebiets? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 27, 34: „Diversifizierung und Materialisierung“. 260 Auch im ursprünglichen EWG-Vertrag hatte der Verbraucherschutz insofern seinen Platz, als bereits durch die Garantie des freien Wettbewerbs und die Errichtung eines europäischen Binnenmarktes die Interessen der Verbraucher an einem breiten Waren- und Dienstleistungsangebot und niedrigen Preisen befriedigt wurden, siehe EuGH 26.6.1980 – 136/79 – Slg. 1980, 2033 Tz. 20 – National Panasonic; EuGH 22.10.2002 – C-94/00 – Slg. 2002, I-9011 Tz. 42 – Roquette Frères; EuGH 17.2.2011 – C-52/09 – EuZW 2011, 339 Tz. 22 – Telia Sonera: Die Wettbewerbsregeln der Art. 101 ff. AEUV „sollen verhindern, dass der Wettbewerb entgegen dem öffentlichen Interesse und zum Schaden der einzelnen Unternehmen und der Verbraucher verfälscht wird, und sollen damit zum wirtschaftlichen Wohl in der Gemeinschaft beitragen“. Allerdings handelte es sich dabei nicht um einen spezifischen Schutz der Verbraucher, sondern der gesamten Marktgegenseite. Zum Verbraucherschutz im Primärrecht Rösler EuR 2008, 800.
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Der Aufstieg des Verbraucherschutzgedankens261 hatte eine Neujustierung des traditionell auf den Schutz der Wettbewerber und des Wettbewerbs ausgerichteten Lauterkeitsrechts262 zur Folge, das inzwischen in weiten Teilen vom europäischen Gesetzgeber als Teil des Verbraucherrechts begriffen wird.263 65
aa) Marktfunktionaler Verbraucherschutz im allgemeinen Lauterkeitsrecht. Allerdings darf die Einbettung wichtiger Teile des Europäischen Lauterkeitsrechts in den Kontext des Verbraucherrechts nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zumindest im allgemeinen Europäischen Lauterkeitsrecht (also den Richtlinien 2005/29/EG, 2006/114/ EG264 und 98/6/EG) und in wichtigen Teilen des medienspezifischen Lauterkeitsrechts (insbesondere der Richtlinie 2000/31/EG) im Kern nach wie vor um ein binnenmarktfunktionales Verständnis des Verbraucherschutzes geht.265 Ziel dieser Rechtsakte ist es nämlich, eine informierte geschäftliche Entscheidung266 des Verbrauchers als Voraussetzung eines funktionierenden Wettbewerbs im Binnenmarkt überhaupt erst zu ermöglichen (sog. marktkonstitutiver oder marktkomplementärer Verbraucherschutz).267
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261 Siehe bereits die Entschließung des Rates vom 14. April 1975 betreffend ein Erstes Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und der Unterrichtung der Verbraucher, ABl. C 92 vom 25.4.1975, S. 1. Dort wird der Verbraucherschutz mit Art. 2 EWG-Vertrag verknüpft: „Die Verbesserung der Lebensqualität ist eine der Aufgaben der Gemeinschaft; diese Aufgabe setzt den Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher voraus“. Ersichtlich erstmals findet sich der Verbraucherschutzgedanke im Kommissionsdokument „Unlauterer Wettbewerb – Arbeitsdokument“, Dok. Nr. XLV/156/72-D vom 28.2.1972, wiedergegeben bei Schricker GRUR Int. 1973, 141, 146. Die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und anderen (Gesundheit, Sicherheit) Verbraucherinteressen findet sich auch im Zweiten Gemeinschaftsprogramm für die Verbraucher – Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für die Verbraucher, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Beilage 4/1979; zum heutigen Stand Rösler Verbraucher und Verbraucherschutz in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.) Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts (2009), S. 1599, 1602. Zum Verbraucherschutzgedanken im UWG bereits Ulmer GRUR 1937, 769, 772 f.; Schricker RabelsZ 36 (1972) 315. 262 Siehe etwa Kühnemann Unlauterer Wettbewerb in: Schlegelberger (Hrsg.) Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes (1938), S. 747: Als Schutzobjekt des Lauterkeitsrechts in Betracht kommen der Unternehmer, das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit, die Wirtschaftsordnung im Staat und die „Volksgemeinschaft“. 263 Ausdrücklich Art. 3 lit. a i.V.m. dem Anhang Nr. 16 der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden („Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz“), ABl. L 364 vom 9.12.2004, S. 1. 264 Soweit vergleichende Werbung dort geregelt wird. Zudem zeigt der Schutz der Gewerbetreibenden vor Irreführung, dass der Schutz der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit der Marktgegenseite kein auf Verbraucherbeziehungen begrenztes Anliegen des Unionsrechts ist. 265 Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 194 f.; MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 39; Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 345; Augenhofer Individualrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bei unlauterem Wettbewerbsverhalten des Unternehmers in: Krejci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.) Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005), S. 103, 105 f.; Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 297; Beater Rn. 462, 470 ff. 266 Siehe Art. 2 lit. e, j; Art. 5 Abs. 2 lit. b; Art. 7 Abs. 1 a.E., Art. 7 Abs. 2 a.E., Art. 8 a.E., Erwägungsgründe 6 Satz 5 a.E., 14 Satz 1 und 16 Satz 1, Anhang I Nr. 7 RL 2005/29/EG; Erwägungsgrund 8 RL 2006/114/EG: zulässige vergleichende Werbung als „Mittel zur Unterrichtung des Verbrauchers“; Art. 5, 6 und Erwägungsgrund 29 RL 2000/31/EG: „Transparenzerfordernisse“; Art. 9 Abs. 1 lit. b RL 2010/13/EU (Verbot der unterschwelligen Beeinflussung); näher Wunderle Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht (2010), S. 192 ff. 267 Die Unterscheidung zwischen marktkonstitutivem (marktkomplementärem) und marktkompensatorischem (marktkorrigierendem) Verbraucherschutz findet sich – mit nicht immer einheitlicher Terminologie und Zuordnung der einzelnen Fallgruppen – u.a. bei Reich Markt und Recht (1977), S. 198 ff.; Drexl Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 9, 288 ff., 302 (der allerdings den lauterkeitsrechtlichen Irreführungsschutz als marktkompensatorisch, weil ein Vertrags-
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Diese Dimension des Verbraucherschutzes zielt nicht auf eine Korrektur der Marktergebnisse aus rechtsethischen oder sozialpolitischen Gründen. Es geht vielmehr um die Sicherung der Funktionsbedingungen des Marktmechanismus, indem eine tatsächlich freie und präferenzkonforme Entscheidung der Verbraucher als Marktteilnehmer ermöglicht wird.268 Sie steht dem Lauterkeitsrecht traditionell nahe, weil sie vor allem durch Regeln zum Schutz vor irreführenden oder anderweitig unzulässigen Beeinflussungen der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers verwirklicht wird.269 Der binnenmarktfunktionalen Ausrichtung widerspricht auch nicht das Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus,270 weil mit dieser Verpflichtung zwar das Optimierungsniveau angehoben, nicht zwangsläufig aber auch das Optimierungsziel von einem binnenmarktfunktionalen zu einem stärker marktkompensatorisch ausgerichteten Verbraucherschutz verschoben wird.271 Trotz der im Kern wettbewerbsfunktionalen Ausrichtung lassen sich allerdings auch 66 im allgemeinen Europäischen Lauterkeitsrecht Einzelregelungen ausmachen, die sich nicht allein durch den Schutz der informierten Entscheidung des Verbrauchers und damit wettbewerbsfunktionale Anliegen erklären lassen.272 Erste Indizien für einen am Marktergebnis orientierten marktkorrigierenden Verbraucherschutz finden sich bereits im Anhang I zur Richtlinie 2005/29/EG, insbesondere in Nr. 14 (Verbot von Schneeball- und Pyramidensystemen), Nr. 16 (Verbot der Werbung mit erhöhten Chancen bei Glücksspielen) und Nr. 26 (Verbot hartnäckigen und unerwünschten Ansprechens über Telefon, Fax
_____ und Wettbewerbsversagen kompensierend qualifiziert, S. 554); ders. FS Sonnenberger (2004) S. 771, 783; Martinek Unsystematische Überregulierung und kontraintentionale Effekte im Europäischen Verbraucherschutzrecht oder: Weniger wäre mehr in: Grundmann (Hrsg.) Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts (2000), S. 511, 515; Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 194 f.; Voland Verbraucherschutz und Welthandelsrecht (2007), S. 40 ff.; Fornasier Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht (2013), S. 65 ff. Siehe auch Rösler Europäisches Konsumentenvertragsrecht (2004), S. 140: „Primat einer ökonomischen und rechtlichen Konsumentensouveränität“ als „Makroprinzip“. 268 Siehe auch Wagner ZEuP 2010, 243, 257, der zu den ökonomischen Funktionen des zwingenden Vertragsrechts die Internalisierung externer Kosten, die Sicherungen für rationales Entscheiden, den Ausgleich von Informationsasymmetrien und den Ausgleich von situativer (nicht genereller) Marktmacht zählt, nicht aber die Privilegierung bestimmter Personengruppen. 269 Der Schutz gegen Irreführungen gilt traditionell als Teil des Lauterkeitsrechts, vgl. nur Art. 10bis Abs. 3 Nr. 3 PVÜ. Allerdings wurde der Irreführungsschutz zunächst nur dann dem Lauterkeitsrecht zugeordnet, wenn er den Wettbewerber schützt, während der Schutz der Abnehmer vor Irreführungen dem Gewerbepolizeirecht zugewiesen wurde, Kühnemann Unlauterer Wettbewerb in: Schlegelberger, Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes (1938), S. 747, 756. 270 Zu den Konsequenzen für die Auslegung der Einzeltatbestände EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – GRUR 2011, 930 Tz. 29 – Ving Sverige; Peukert ZHR 173 (2009) 536, 560 f. In Richtung eines stärker auf den Schutz des individuellen Verbrauchers als „wirtschaftlich schwächer[e] und rechtlich weniger erfahren[e]“ Vertragspartei ausgerichtenen Verbraucherschutzkonzepts aber nunmehr EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Tz. 35 f. – BKK Mobil Oil. 271 Ähnlich wertungsneutral sind die Regeln zur Rechtsdurchsetzung, bei denen es maßgeblich von den zugrundeliegenden (durchzusetzenden) Vorschriften des materiellen Lauterkeitsrechts abhängt, ob sie marktfunktionale oder marktkorrigierende Ziele verfolgen, vgl. Wunderle Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht (2010), S. 256. 272 Die Verschärfung des Lauterkeitsmaßstab bei besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Art. 5 Abs. 3 RL 2005/29/EG) und der gegenüber der Irreführungsrichtlinie 2006/114/EG ausgebaute Irreführungsschutz (Art. 6 RL 2005/29/EG; Art. 4 lit. a RL 2006/114/EG) ebenso wie die weitreichenden Informationspflichten (Art. 7 Abs. 1 RL 2005/29/EG) lassen sich wohl noch marktfunktional durch eine Verfeinerung ökonomischer Konzepte erklären, weil es für eine informierte Entscheidung der Verbraucher im Vergleich zu Gewerbetreibenden oder bestimmter Gruppen von Verbrauchern ausführlicherer Informationen oder besonderer „beruflicher Sorgfalt“ bedarf, Leistner ZEuP 2009, 56, 74 ff., 88; zu diesen Beispielen auch Peukert ZHR 173 (2009) 536, 561 f.
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oder Email) der Richtlinie 2005/29/EG. Diese Vorschriften knüpfen tatbestandlich nicht an eine Irreführung273 oder Entscheidungsbeeinflussung274 an und lassen sich daher nicht mit dem Schutz der informierten Verbraucherentscheidung erklären.275 67
bb) Marktkorrigierender Verbraucherschutz im sektoriellen Lauterkeitsrecht. Während sich das allgemeine Europäische Lauterkeitsrecht in Gestalt der Richtlinien 2005/29/EG, 2006/114/EG und 98/6/EG mit der Ausrichtung auf die informierte Entscheidung der Marktgegenseite zumindest im Wesentlichen noch in wettbewerbsfunktionalen Bahnen bewegt, finden sich im sektoriellen Lauterkeitsrecht der Union inzwischen zahlreiche Normen, die nicht nur auf den Schutz der informierten Verbraucherentscheidung zielen, sondern immer stärker auch das Ergebnis der Verbraucherentscheidung und damit das Marktergebnis im Sinne außerwettbewerblicher Zwecke zu beeinflussen suchen. So wird zum einen die Werbung für bestimmte Produkte beschränkt, weil der Konsum aus gesundheitlichen Gründen unerwünscht ist (Tabak)276 oder nicht durch kommerzielle Werbung beeinflusst werden soll (Arzneimittel).277 Zum anderen werden nährwert- und gesundheitsbezogene Werbeangaben bei Lebensmitteln ungeachtet ihres Irreführungspotentials eingeschränkt, um das Verbraucherverhalten in Richtung einer gesunden Ernährung zu lenken.278 Und zum dritten werden bestimmte Werbeformen und Werbeinhalte
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273 Bei Anhang I Nr. 16 ist dies str., Bornkamm/Köhler Anh zu § 3 III Rn. 16.3; a.A. Piper/Ohly/Sosnitza Anh zu § 3 III Rn. 38. Gegen ein Irreführungserfordernis in Anhang I Nr. 31 auch EuGH 18.10.2012 – C-428/11 – GRUR 2012, 1269 Tz. 46 – Purely Creative. 274 Zu Anhang I Nr. 26 Leistner Verbraucherschutz oder Recht des unlauteren Wettbewerbs? – Die aktuellen Initiativen der Europäischen Kommission auf dem Feld der unlauteren Geschäftspraktiken in: Tietze/McGuire/Bendel/Kähler/Nickel/Reich/Sachse/Wehling (Hrsg.) Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2004 – Europäisches Privatrecht – Über die Verknüpfung von nationalem und Gemeinschaftsrecht (2005), S. 185, 222 f. 275 Micklitz in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht 21. Ergänzungslieferung (2008), H. V. 5. Rn. 496. Zum Schutz vor irrationalem Verhalten nunmehr auch EuGH 18.10.2012 – C-428/11 – GRUR 2012, 1269 Tz. 38 – Purely Creative: „psychologische Wirkung“; kritisch Scherer WRP 2013, 143, 146. 276 Erwägungsgrund 3 Satz 2 der Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen, ABl. L 152 vom 20.6.2003, S. 16; zur Fernsehwerbung auch Art. 9 Abs. 1 lit. d und Erwägungsgrund 88 der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste, ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1. Siehe auch Erwägung M in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten, ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 58: „in der Erwägung, dass für bestimmte Erzeugnisse wie Tabak, Alkohol, Arzneimittel und Glücksspiele im Internet wegen ihrer besonderen Eigenschaften eine angemessene Regelung der Internetwerbung erforderlich ist, um Missbrauch, Abhängigkeit und Fälschungen zu verhindern“. Siehe auch die Bemühungen um das „plain packaging“ von Tabakprodukten, die in erster Linie Fragen der Vereinbarkeit mit den grundrechtlich durch die Eigentumsgarantie und völkerrechtlich durch das TRIPS geschützten Markenrechten der Tabakhersteller aufwerfen, Davison EIPR 2012, 498; Schroeder ZLR 2012, 405. 277 Art. 86 ff. der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67; zum Schutzzweck EuGH 8.9.2007 – C-374/05 – Slg. 2007, I-9517 Tz. 56 – Gintec: „Wie die deutsche und die slowenische Regierung zutreffend vorgetragen haben, wird bei der Werbung für ein Arzneimittel in Form von Verlosungen der unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung dieses Arzneimittels Vorschub geleistet, indem es als Preis oder Geschenk dargestellt wird und der Verbraucher so von einer sachlichen Prüfung der Frage, ob die Einnahme des Arzneimittels erforderlich ist, abgelenkt wird“; EuGH 5.5.2011 – C-316/09 – GRUR 2011, 1160 Tz. 30 – Merckle. 278 Vgl. Art. 3 lit. c, d (zur Irreführung Art. 3 lit. a) und Erwägungsgrund 9 sowie den Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 9. Zu Art. 4 Abs. 3 VO 1924/2006 Schlussanträge des Generalanwalts Mazák vom 29.3.2012 – C-544/10 – Tz. 49 –
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eingeschränkt, um außerwettbewerbliche Ziele wie Jugendschutz,279 Schutz der Privatsphäre280 oder die Gleichstellung von Mann und Frau und die Bekämpfung unerwünschter Diskriminierungen281 zu fördern. In Extremfällen nehmen Normen des Unionsrechts sogar einen Eingriff in den Marktmechanismus vor, indem sie zum Schutz der Verbraucher Höchstpreise für Dienstleistungen festsetzen, wenn der Wettbewerbsmechanismus als Preiskontrolle versagt.282 cc) Verzahnung über die Richtlinie 2005/29/EG als allgemeiner Teil. Auch wenn 68 sich die marktkorrigierenden Eingriffe bisher vor allem auf das sektorielle Marktverhaltensrecht der Union konzentrieren, so könnte die Verzahnung der Richtlinie 2005/ 29/EG mit sektorspezifischen Regeln ein Einfallstor für entsprechende Wertungen in das allgemeine Lauterkeitsrecht bieten.283 Trotz der Öffnungsklauseln für sektorspezifische Verbotsnormen (Art. 3 Abs. 3, 4, 8, 9 RL 2005/29/EG) ist es nämlich denkbar, das allgemeine Verbot unlauterer Geschäftspraktiken in Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG zur Durchsetzung sektorspezifischer Verhaltensstandards zu nutzen, indem der Maßstab der „beruflichen Sorgfalt“ (Art. 5 Abs. 2 lit. a) anhand sektorspezifischer (ggfs. mit außerwettbewerblichen Zielsetzungen aufgeladener) Regeln bestimmt wird.284 Ebenso könnten andere als wettbewerbsfunktionale Wertungen aus Sondergesetzen über das Irreführungsverbot importiert werden, indem ein Verstoß gegen zwingende Regeln mit marktkompensatorischen Zwecken als Irreführung über den Umfang der Verpflichtungen des Gewerbetreibenden gewertet wird (Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2005/29/EG)285 oder die fehlende Aufklärung über die wahre (für den Verbraucher günstige) Rechtslage als irreführende Unterlassung angesehen wird (Art. 7 Abs. 1, 5 RL 2005/29/EG). Zumindest auf diesem
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Deutsche Weintor: Ziel besteht darin, „jegliche positive gesundheitsbezogene Begleitvorstellung, die irgendwie geeignet sein könnte, zum Konsum alkoholischer Getränke anzuregen, zu vermeiden“. 279 Art. 9 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1. Siehe auch Rn. 26 ff. (etwa Rn. 31 zur Vermeidung von Werbung mit extrem mageren Models) der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten, ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 58. 280 Art. 13 Abs. 3 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37, vorbehalten in Erwägungsgrund 14 Satz 8 RL 2005/29/EG. 281 Perspektivisch Erwägung N und O sowie Rn. 15 und 32 ff. in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten, ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 58. 282 Siehe etwa Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 717/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2007 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG, ABl. L 171 vom 29.6.2007, S. 32, gebilligt durch EuGH (Große Kammer) 8.6.2010 – C-58/08 – Slg. 2010, I-4999 Tz. 69 – Vodafone; nunmehr neugefasst durch Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union, ABl. L 172 vom 30.6.2012, S. 10. 283 Siehe auch unten Rn. 312–313. Vgl. auch Glöckner GRUR 2013, 568, 571 zur europarechtlich bedingten Zweiteilung des § 4 Nr. 11 UWG. 284 Vgl. Erwägungsgrund 20 Satz 2 RL 2005/29/EG; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 106 – Pereničová: Im Rahmen der beruflichen Sorgfalt könne von einem Gewerbetreibenden (mindestens) erwartet werden, dass „er seine geschäftliche Tätigkeit im Einklang mit der relevanten Gesetzgebung ausübt und besondere Sorgfalt im Umgang mit einem Verbraucher an den Tag legt“. Siehe auch die Debatte zur Durchsetzung des Datenschutzrechts unten Rn. 285 und Rn. 313. 285 Wenn beispielsweise ein Vermieter dem Mieter vertraglich zwingende (marktkompensatorische) Mieterrechte per AGB vorzuenthalten sucht, könnte dies lauterkeitsrechtlich bekämpft werden, indem darin eine Irreführung des Verbrauchers über seine Rechte erblickt wird.
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Umweg könnte sich daher auch das allgemeine Lauterkeitsrecht anderen als rein wettbewerbsfunktionalen Zielen öffnen. Andererseits bliebe in solchen Fällen neben dem Maßstab der beruflichen Sorgfalt der Filter der Relevanz (Art. 5 Abs. 2 lit. b, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 RL 2005/29/EG: Eignung zur wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens der Verbraucher) als Voraussetzung eines Unlauterkeitsverdikts im Rahmen der Richtlinie erhalten, der einer Instrumentalisierung des Lauterkeitsrechts für außerwettbewerbliche Ziele gewisse Grenzen setzt.286 b) Lauterkeitsrecht und geistiges Eigentum. Das Verhältnis zwischen dem Lauterkeitsrecht und dem Recht des geistigen Eigentums soll an dieser Stelle nicht vertieft werden.287 Im Zusammenhang mit der Darstellung der europäischen Rechtsangleichung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich im Dickicht der zahlreichen europäischen Rechtsakte zum Immaterialgüterrecht288 auch Normen mit lauterkeitsrechtlichen Bezügen verbergen. So ist zunächst festzuhalten, dass sich auch die Ausschließlichkeitsrechte des 70 geistigen Eigentums, mindestens aber der Schutz durch das Markenrecht auf die dem Lauterkeits- und Kartellrecht gemeinsame Wurzel des unverfälschten Wettbewerbs zurückführen lassen.289 Zudem hat das Unionsrecht in bestimmten Fällen einen Sonderrechtsschutz geschaffen, in denen in Deutschland traditionell das UWG zur Anwendung kam. Dies gilt etwa für den Schutz von Designs durch das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster,290 für den urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen,291 für den Schutz bekannter Marken gegen Rufausbeutung292 und -schädigung oder für den Sui-generis-Schutz von Datenbanken.293 Im Übrigen sehen die Rechtsakte des Unionsrechts regelmäßig eine Vorschrift vor, 71 die lauterkeitsrechtliche Ansprüche neben dem Sonderrechtsschutz vorbehält. So gestattet Art. 5 Abs. 5 Markenrechtsrichtlinie den Mitgliedstaaten, an ihren „Bestimmun-
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286 Für diesen Hinweis danke ich Matthias Leistner. 287 Zum Verhältnis der Richtlinie 2005/29/EG zum Markenrecht unten Rn. 304–305; zum Verhältnis der vergleichenden Werbung zum Markenrecht unten Rn. 339. 288 Für einen Überblick Heinze Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht (2007), S. 26 ff. 289 Zum Markenrecht EuGH 17.10.1990 – C-10/89 – Slg. 1990, I-3711 Tz. 13 – Hag II. 290 Art. 1 Abs. 2 lit. a, Art. 19 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, ABl. L 3 vom 5.1.2002, S. 1. 291 Zum urheberrechtlichen Schutz Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 91/250/EWG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl. L 122 vom 17.5.1991, S. 42; nunmehr Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl. L 111 vom 5.5.2009, S. 16; dazu Heinze Journal of Intellectual Property, Information Technology and E-Commerce-Law (JIPITEC) 2 (2011) Rn. 4. 292 Art. 5 Abs. 2 Erste Richtlinie 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. L 40 vom 11.2.1989, S. 1; nunmehr Richtlinie 2008/95/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. L 299 vom 8.11.2008, S. 25; zur Reform siehe den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung), KOM (2013) 162; Art. 9 Abs. 1 lit. c Verordnung (EG) Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke, ABl. L 11 vom 14.1.1994, S. 1; nunmehr Verordnung (EG) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke, ABl. L 78 vom 24.3.2009, S. 1; zur Reform siehe den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke, KOM (2013) 161; zu Art. 9 Abs. 1 lit. c EuGH 14.9.1999 – C-375/97 – Slg. 1999, I-5421 Tz. 31 – General Motors; EuGH 23.10.2003 – C-408/01 – Slg. 2003, I-12537 Tz. 29 – Adidas Salomon; EuGH 27.11.2008 – C-252/07 – Slg. 2008, I-8823 Tz. 29, 77 – Intel; EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 38 ff. – L’Oréal. 293 Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken, ABl. L 77 vom 27.3.1996, S. 20; dazu Leistner Der Rechtsschutz des Datenbankherstellers im deutschen und europäischen Recht (2000).
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gen über den Schutz gegenüber der Verwendung eines Zeichens zu anderen Zwecken als der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen [festzuhalten], wenn die Benutzung dieses Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt“.294 Ähnliche Regeln finden sich in Art. 14 Abs. 2 der GemeinschaftsmarkenVO, Art. 96 Abs. 1 und Erwägungsgrund 31 der GemeinschaftsgeschmacksmusterVO, Art. 16 und Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen und Art. 8 Abs. 1 der Softwarerichtlinie 2009/24/EG. Auf lauterkeitsrechtlicher Seite sind Erwägungsgrund 6 Satz 5 und 9 Satz 2 RL 2005/29/EG zu nennen. Die durch diese Vorschriften nahegelegte parallele Anwendung von europäischem 72 Immaterialgüterschutz und nationalem Lauterkeitsrecht könnte allerdings nur einen Zwischenzustand beschreiben. Nicht nur mehren sich die Stimmen, die unter bestimmten Bedingungen eine Anwendung des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes ausschließen wollen, soweit das Unionsrecht eine Materie abschließend immaterialgüterrechtlich überformt hat.295 Darüber hinaus hat auch die Kommission Arbeiten in Angriff genommen, „um zu ermitteln, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die derzeitige Fragmentierung des Rechtsrahmens mit Blick auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und den Schutz vor anderen Praktiken eines ‚Wettbewerbs am Rande des Gesetzes‘, wie etwa Nachahmungen, hat“.296 Dies könnten die Vorboten einer europäischen Harmonisierung des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes sein, die eine sinnvolle Abgrenzung von Lauterkeitsrecht und Immaterialgüterrecht auf europäischer Ebene umso dringender machen würde. 4. Lauterkeitsrecht und Grundrechte. Als jüngster europäischer Einfluss auf das 73 Lauterkeitsrecht sind schließlich die Vorgaben der europäischen Grund- und Menschenrechte zu nennen.297 Während der Schutz durch die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten298 (EMRK) zunächst nur einen komplementären Schutz zum deutschen Grundgesetz vermittelte, sperrt infolge der Vollharmonisierung weiter Teile des Lauterkeitsrechts mittlerweile der Anwendungsvorrang des europäischen Sekundärrechts weitgehend den Rückgriff auf deutsches Verfassungsrecht,299 so dass die Vorgaben der europäischen Grund- und Menschenrechte immer stärker die verfassungsrechtlichen Leitplanken des Europäischen Lauterkeitsrechts definieren. Der Einfluss der europäischen Grund- und Menschenrechte dürfte sich vor allem in der Auslegung des Sekundärrechts, insbesondere der „Erfordernisse der beruflichen Sorgfalt“ in Art. 5 Abs. 2
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294 Dazu EuGH (Große Kammer) 16.11.2004 – C-245/02 – Slg. 2004, I-10989 Tz. 64 – Anheuser Busch: bei „Benutzung des […] streitigen Zeichens zu einem anderen Zweck als dem der Unterscheidung der betroffenen Erzeugnisse […] – insbesondere als Handelsname oder Unternehmensbezeichnung –, ist nach Artikel 5 Absatz 5 der Richtlinie 89/104 auf die Rechtsordnung des betroffenen Mitgliedstaats abzustellen, um den Umfang und gegebenenfalls den Inhalt des Schutzes zu bestimmen, der einem Markeninhaber gewährt wird, der eine Beeinträchtigung durch die Benutzung des Zeichens als Handelsname oder Unternehmensbezeichnung geltend macht“; zur Fortentwicklung Max Planck Institute for Intellectual Property and Competition Law Study on the Overall Functioning of the European Trade Mark System (2011), Rn. 2.211, 2.221 f., http://www.ip.mpg.de/shared/data/pdf/mpi_final_report.pdf. 295 Siehe auch Ohly ZEuP 2004, 296, 311 f. zur ergänzenden Anwendung des Lauterkeitsrechts neben dem Geschmacksmusterschutz; für eine ausführliche rechtsvergleichende Studie Derclaye/Leistner, Intellectual Property Overlaps: A European Perspective (2011). 296 KOM (2011) 287 S. 20. 297 Dazu ausführlich unten Rn. 194–225. 298 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950, BGBl. 1952 II 685, 953; BGBl. 1954 II 14. 299 Siehe oben Rn. 5.
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lit. a RL 2005/29/EG niederschlagen. Hier könnte der Einfluss der Grundrechte eine Liberalisierung zur Folge haben, indem die Kommunikationsfreiheiten bestimmte Werbepraktiken vor dem Verdikt der Unlauterkeit bewahren. Umgekehrt ist auch eine Verschärfung des Lauterkeitsrechts denkbar, indem es zur Sanktionierung von Grundrechtsverletzungen über das Kriterium der beruflichen Sorgfaltspflichtverletzung instrumentalisiert wird, wobei das zusätzliche Erfordernis der „wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ (Art. 5 Abs. 2 lit. b, 2 lit. e RL 2005/29/EG) insofern als Korrektiv wirken kann, da allein die Grundrechtsverletzung durch eine Werbung nicht zwangsläufig auch die informierte Entscheidung des Verbrauchers beeinträchtigt. 5. Lauterkeitsrecht und Staatsverträge. Nur geringen Einfluss auf die Ausgestaltung des Europäischen Lauterkeitsrechts hatten (bisher) die völkerrechtlichen Vorgaben des Art. 10bis PVÜ.300 Dies beruht zum einen auf Unsicherheiten über die Verbindlichkeit und die unmittelbare Anwendbarkeit der PVÜ innerhalb der Unionsrechtsordnung, zum anderen auf sachlichen Gründen. 75 Im Hinblick auf die formale Verbindlichkeit der PVÜ sprechen die besseren Gründe dafür, zumindest eine mittelbare Bindung der Union an die PVÜ zu bejahen, obwohl die EU der PVÜ im Unterschied zum TRIPS301 nicht formell beigetreten ist und obwohl der Verweis in Art. 2 Abs. 1 TRIPS auf die PVÜ („in Bezug auf die Teile II bis IV“) Art. 10bis PVÜ nicht erfasst.302 Zum einen setzen nach Art. 2 Abs. 2 des (auch für die Union verbindlichen) TRIPS die in den Teilen I bis IV des TRIPS enthaltenen Bestimmungen die Verpflichtungen der Mitglieder untereinander aus PVÜ und RBÜ nicht außer Kraft. Infolge dieser Verpflichtung ist die Union somit, obwohl sie nicht Vertragspartei der PVÜ ist, verpflichtet, die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der PVÜ nicht zu beeinträchtigen, so dass die PVÜ auch in der Unionsrechtsordnung mittelbare Wirkungen entfaltet (vgl. auch Art. 351 Abs. 1 AEUV).303 Zum anderen können nach der Rechtsprechung des EuGH internationale Übereinkommen auch ohne formellen Beitritt für die Union verbindlich werden, wenn alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien des Übereinkommens sind und die Union die Befugnisse vollständig übernommen hat, die zuvor von den Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeübt wurden.304 Dies ist zwar im Lauterkeitsrecht nicht generell der Fall, sollte aber zumindest für die vollharmonisierten Teile des konsumentenschützenden Lauterkeitsrechts bejaht werden. Wenn man auf diesen Wegen zumindest eine mittelbare Verbindlichkeit bejaht, dann hat auch die vom EuGH abgelehnte unmittelbare Anwendbarkeit von PVÜ305 und TRIPS306 nicht zur Folge,
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300 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums; dazu bereits Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 19 ff. 301 Siehe Beschluss des Rates Nr. 94/800 über den Abschluß der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche, ABl. L 336 vom 23.12.1994, S. 1. 302 Zur Reichweite des Art. 2 Abs. 1 TRIPS eingehend MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 32; gegen eine Inkorporation Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 289 f. 303 Zur entsprechenden Argumentation im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 WPPT-Vertrag und das RomAbkommen EuGH 15.3.2012 – C-135/10 – GRUR 2012, 593 Tz. 50 – SCF; zur Anwendung von Art. 351 AEUV auf Art. 1–21 der Berner Übereinkunft EuGH 9.2.2012 – C-277/10 – GRUR 2012, 489 Tz. 58, 61 ff. – Luksan. 304 EuGH (Große Kammer) 3.6.2008 – C-308/06 – Slg. 2008, I-4057 Tz. 49 – Intertanko; vgl. auch EuGH (Große Kammer) 4.5.2010 – C-533/08 – Slg. 2010, I-4107 Tz. 62 – TNT Express. 305 EuGH 25.10.2007 – C-238/06 P – Slg. 2007, I-9375 Tz. 40 ff. – Develey Holding. 306 EuGH 14.12.2000 – C-300/98 und C-392/98 – Slg. 2000, I-11307 Tz. 43 ff. – Dior; EuGH 6.7.2010 – C-428/08 – Slg. 2010, I-6761 Tz. 71 – Monsanto; EuGH 15.3.2012 – C-135/10 – GRUR 2012, 593 Tz. 45 f. – SCF; zur Kritik Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 48 ff.; Busche/Stoll/Brand TRIPS (2007) Art. 2 Rn. 12, 109 ff.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 29.
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dass diese Abkommen bedeutungslos wären, denn auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht eine Verpflichtung zur TRIPS-konformen Auslegung der vom Anwendungsbereich des TRIPS erfassten Regeln des Unionsrechts,307 die entsprechend auf die PVÜ zu erstrecken ist. Inhaltlich lässt sich gegen eine Einbeziehung von Art. 10bis PVÜ in den Acquis des 76 Europäischen Lauterkeitsrechts einwenden, dass die Generalklausel des Art. 10bis Abs. 2 PVÜ308 aufgrund ihrer Konkretisierung anhand der Gebräuche des jeweiligen Schutzlandes309 kaum geeignet ist, das Europäische Lauterkeitsrecht über den Bestand des Unionsrechts hinaus zu konkretisieren.310 Auch mag man sich daran stoßen, dass Art. 10bis PVÜ noch dem traditionellen Modell der Geschäftsmoral und des Schutzes der anständigen Gewerbetreibenden verhaftet ist und aus einer Zeit stammt, in der der Verbraucherschutz allenfalls als Reflex zu den Schutzzwecken des Lauterkeitsrechts gezählt wurde.311 Selbst wenn man alle diese Bedenken berücksichtigt, so lassen sich zumindest die 77 Sondertatbestände des Art. 10bis Abs. 3 PVÜ als allgemeine Rechtsgrundsätze des Europäischen Lauterkeitsrechts ansehen, die vor allem für die nicht harmonisierten Teilbereiche des konkurrentenschützenden Lauterkeitsrechts gewisse Minima vorgeben.312 Angesichts der bestehenden europäischen Regeln zum Schutz vor Irreführungen313 dürfte sich die praktische Bedeutung von Art. 10bis Abs. 3 PVÜ für das Unionsrecht allerdings auf den lauterkeitsrechtlichen Schutz gegen Verwechslungen314 (Art. 10bis Abs. 3 Nr. 1 PVÜ) und vor Anschwärzungen 315 (Art. 10bis Abs. 3 Nr. 2 PVÜ) beschränken. Hinzu kommt der in Art. 39 TRIPS316 verankerte Schutz nicht offenbarter Informationen. Im unionsrechtlich harmonisierten Bereich dürfte Art. 10bis PVÜ demgegenüber kaum Kor-
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307 EuGH 16.6.1998 – C-53/86 – Slg. 1998, I-3603 Tz. 28 – Hermès; EuGH 14.12.2000 – C-300/98 und C-392/98 – Slg. 2000, I-11307 Tz. 47 – Dior; EuGH 13.9.2001 – C-89/99 – Slg. 2001, I-5851 Tz. 35 – SchievingNijstad. Daneben ist unter bestimmten Voraussetzungen eine mittelbare Wirkung durch die Inzidentkontrolle von Sekundärrecht am Maßstab völkerrechtlicher Verpflichtungen der EU denkbar, vgl. MünchKommBGB/Drexl IntImmGR Rn. 99 f. Angesichts der engen Voraussetzungen (der betreffende Unionsrechtsakt muss zum Ausdruck bringen, dass der Unionsgesetzgeber völkerrechtliche Vorgaben umsetzt und damit zum Ausdruck bringen, sich an diese auch intern halten zu wollen, MünchKommBGB/Drexl IntImmGR Rn. 100) dürfte dies im Lauterkeitsrecht nicht in Betracht kommen, weil die lauterkeitsrechtlichen Richtlinien nicht der Umsetzung völkerrechtlicher Vorgaben dienen. 308 „Unlauterer Wettbewerb ist jede Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel zuwiderläuft“. 309 Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 53 ff.; Pflüger Reichweite internationalrechtlicher Vorgaben in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 65, 78 f., 84 Fn. 79. 310 Der weitere Einwand, dass Art. 10bis PVÜ nach überwiegender Auffassung nur gegenüber ausländischen Verbandsangehörigen Anwendung findet (vgl. Pflüger Der internationale Schutz gegen unlauteren Wettbewerb (2010), S. 111 f.), so dass die Vorschrift eine ungünstigere Behandlung von Inländern nicht verbietet, trifft auch auf die Grundfreiheiten zu. 311 Henning-Bodewig Was gehört zum Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 9, 11; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 28; zum damaligen Verständnis Kühnemann Unlauterer Wettbewerb in: Schlegelberger (Hrsg.) Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes (1938), S. 747: Als Schutzobjekt des Lauterkeitsrechts in Betracht kommen der Unternehmer, das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit, die Wirtschaftsordnung im Staat und die „Volksgemeinschaft“. 312 In diesem Sinne wohl auch EuGH 2.3.1982 – 6/81 – Slg. 1982, 707 Tz. 9 – Beele. 313 Art. 6–7 RL 2005/29/EG; Art. 3 RL 2006/114/EG. Daneben existieren spezielle Irreführungsverbote, z.B. Art. 13 Abs. 1 lit. c, d VO 510/2006. 314 Zum markenrechtlichen Schutz vor Verwechslungen siehe aber Art. 5 MarkenRL 2008/95/EG. 315 Zum Schutz im speziellen Kontext vergleichender Werbung bereits Art. 4 lit. d RL 2006/114/EG. 316 Zudem garantiert das TRIPS den Bestand des Markenrechts und den Schutz geographischer Angaben, Art. 15 ff., 22 ff. TRIPS, die nach deutschem (und wohl auch europäischem) Verständnis aber zum Immaterialgüterrecht und nicht zum Lauterkeitsrecht zu zählen sind, vgl. (im Kontext von Art. 6 Rom II-VO) MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 125.
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rekturen des Sekundärrechts erforderlich machen, da diese Norm und insbesondere die Generalklausel Art. 10bis Abs. 2 PVÜ den Vertragsstaaten einen erheblichen Gestaltungsspielraum belässt, den diese unionsrechtskonform auszufüllen haben.317 78
6. Begriff des Europäischen Lauterkeitsrechts. Bemüht man sich zum Ende des Rundgangs durch den lauterkeitsrechtlichen Acquis Communautaire um eine übergreifende Begriffsbestimmung des Europäischen Lauterkeitsrechts, so fällt die Antwort jenseits tautologischer oder formaler Umschreibungen schwer.318 Der Grund liegt zum einen im Charakter des Lauterkeitsrechts als allgemeiner Auffangordnung des Wirtschaftsrechts, zum anderen in seiner Ausprägung in Generalklauseln, die der Dynamik wirtschaftlicher, technologischer und sozialer Innovation standhalten müssen. So ist gerade der offene Begriff der Unlauterkeit kaum geeignet, dem Rechtsgebiet klare Konturen zu verleihen.319 Auf europäischer Ebene wird die Suche nach einer übergreifenden Definition durch die kompetenz- und konsensbedingte Zersplitterung der Unionsgesetzgebung zusätzlich kompliziert, die angesichts der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten320 auch nicht auf ein einheitliches rechtsvergleichendes Vorverständnis zurückgreifen kann.
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a) Europäisches Lauterkeitsrecht als Marktverhaltensrecht. Ein gewisser Konsens zeichnet sich immerhin insofern ab, als das Lauterkeitsrecht als allgemeines Marktverhaltensrecht321 nur Handlungen mit Marktbezug322 erfassen soll. Dieses Definitionselement bringt zunächst zum Ausdruck, dass es um die Steuerung von Verhalten geht (Marktverhaltensrecht), nicht um den Schutz absoluter Rechte.323 Zum zweiten ist die Anknüpfung an das Marktverhalten so zu verstehen, dass nur das unternehmerische Handeln am Markt324 vom Lauterkeitsrecht erfasst wird, also das Handeln im
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317 EuGH 9.2.2012 – C-277/10 – GRUR 2012, 489 Tz. 62 f. – Luksan: Wenn eine völkerrechtliche Übereinkunft einen Mitgliedstaat lediglich „gestattet, eine unionsrechtswidrige Maßnahme zu treffen, ohne ihn jedoch dazu zu verpflichten, so muss er vom Erlass einer solchen Maßnahme absehen“. 318 Eingehend Schünemann Einl A Rn. 1 ff.; aus europäischer Perspektive Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 5; Henning-Bodewig Was gehört zum Lauterkeitsrecht? in: Hilty/HenningBodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 9, 21 ff. 319 Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 11; Ohly WRP 2008, 177, 179; Leistner Unlauterer Wettbewerb und Verkehrsfreiheiten in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.) Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts (2009), S. 1571. 320 Kurzer Überblick bei Ohly Unlauterer Wettbewerb in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.) Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts (2009), S. 1564, 1566; Henning-Bodewig Was gehört zum Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 9, 15 ff. 321 Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 3 (unter Verweis auf Bernitz Marknadsrätt (1969); Svensk och internationell marknadsrätt, S. 1 ff.), Rn. F 334: „Recht der Marktverhaltenskontrolle“; Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 5. 322 Siehe bereits Kühnemann Unlauterer Wettbewerb in: Schlegelberger (Hrsg.) Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes (1938), S. 747 (mit der zusätzlichen Präzisierung, dass sich die Handlungen gegen das fremde Unternehmen als solches richten müssen, um nicht etwa die bloße Inbrandsetzung der Betriebsstätte zu erfassen); zum Unionsrecht Ohly WRP 2008, 177, 179; ders. Unlauterer Wettbewerb in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.) Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts (2009), S. 1564, 1565 („Marktbezug“); Leistner Unlauterer Wettbewerb und Verkehrsfreiheiten in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.) Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts (2009), S. 1571 („Marktbezug“, „Regulierung des Marktverhaltens“); ähnlich Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 6: „Wettbewerbshandlungen im Sinne von Marktverhalten“. 323 Henning-Bodewig Was gehört zum Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 9, 21, 23. 324 Vgl. Art. 1, 2 lit. b, 2 lit. d, 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG: „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr von Unternehmen gegenüber Verbrauchern“; Art. 2 lit. a RL 2006/114/EG: „Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs“; Art. 2 lit. d RL 98/6/EG: „‚Händler‘ [ist] jede natürliche
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Rahmen der gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit. Das Lauterkeitsrecht erfasst nicht das Handeln zu konsumtiven Zwecken,325 auch wenn diesem ein Marktbezug im weiteren Sinne zukommen mag. Schließlich weist die Bezeichnung als Marktverhaltensrecht auf den Schutzzweck des Europäischen Lauterkeitsrechts hin. So dient die auf den Verbraucherschutz fokussierte Richtlinie 2005/29/EG zumindest mittelbar auch dem Schutz rechtmäßig handelnder Mitbewerber und dem Schutz des lauteren Wettbewerbs (Erwägungsgrund 8 Satz 2 RL 2005/29/EG). Gleiches gilt für die Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung, die auch nach ihrer Neufassung noch auf die Interessen der Verbraucher wie der Gewerbetreibenden (Erwägungsgrund 4) ebenso wie auf den Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen (Erwägungsgrund 3) Bezug nimmt.326 Auch die Kollisionsnorm des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO als Metanorm des Europäischen Lauterkeitsrechts soll die Wettbewerber, die Verbraucher und die Öffentlichkeit schützen und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft sicherstellen (Erwägungsgrund 21 Rom IIVO). Der kurze Rundgang durch die Schutzzwecke des Sekundärrechts legt den Schluss nahe, dass die Doppelfunktionalität der Normen die einende Klammer des Europäischen Lauterkeitsrechts ausmacht. Offenbar geht es neben dem Schutz der Interessen der Marktgegenseite (i.d.R. der Verbraucher) und der Mitbewerber stets zugleich auch um dem Schutz des Marktes insgesamt vor einer Verfälschung oder Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen. Europäisches Lauterkeitsrecht lässt sich damit als Marktverhaltensrecht konstruieren, das in seinen Einzelnormen nicht (nur) individuelle Verbraucher und Mitbewerber schützen, sondern stets zugleich auch Maßstäbe für das Verhalten auf dem Markt insgesamt etablieren will. Vor diesem Hintergrund mag man erwägen, das Europäische Lauterkeitsrecht sogar ausschließlich anhand des Schutzes eines funktionsfähigen Wettbewerbs zu definieren, dem manche einen generellen Vorrang gegenüber dem Verbraucher- und Mitbewerberschutz einräumen wollen.327 Dagegen ist in jüngerer Zeit eingewandt worden, dass mit der Fragmentierung des Lauterkeitsrechts durch die Richtlinie 2005/29/EG, ihrer Ausrichtung auf ein hohes Verbraucherschutzniveau und der Diversifizierung sowohl der Ziele des Primärrechts wie des (vor allem sektoriellen) Lauterkeitsrechts (Gesundheitsschutz, Schutz der Privatsphäre, Menschenwürde etc.) ein Primat des Wettbewerbsschutzes zweifelhaft erscheine.328 Vielmehr zeichneten sich „Auflösungserscheinungen“ des Europäischen Lauterkeitsrechts als einheitliches Rechtsgebiet ab. Der Kritik ist zuzugeben, dass eine alleinige Ausrichtung auf den funktionsfähigen Wettbewerb als Schutzobjekt des Lauterkeitsrechts spätestens im sektoriellen Lauterkeitsrecht an seine Grenzen stößt. Dies bedeutet indes nicht, dass auch der Begriff des Markt-
_____ oder juristische Person, die unter ihre kommerzielle oder berufliche Tätigkeit fallende Erzeugnisse verkauft oder zum Verkauf anbietet“. 325 Henning-Bodewig Was gehört zum Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 9, 21. 326 Die Streichung der Verbraucherinteressen im Hinblick auf die irreführende Werbung erklärt sich durch die eigenständige Regelung der Irreführung in den Art. 6 und 7 RL 2005/29/EG. 327 Pointiert Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 509: „Primat des Wettbewerbsschutzes über den Konkurrenten- und den Konsumentenschutz“, S. 512: „Tatsächlich bildet allein das […] Allgemeininteresse am Schutz des funktionsfähigen Wettbewerbs das Schutzobjekt eines modern verstandenen Lauterkeitsrechts“. 328 Insbesondere Peukert Die Ziele des Primärrechts und ihre Bedeutung für das Europäische Lauterkeitsrecht: Auflösungserscheinungen eines Rechtsgebiets? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) S. 27, 44: systematische Aufspaltung in Verbraucher- (RL 2005/29/EG) und Mitbewerberzweig (RL 2006/114/EG).
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verhaltensrechts als übergreifende Klammer des Lauterkeitsrechts aufzugeben wäre. So zeigen die Regeln zur Klagebefugnis sowohl der individuellen Mitbewerber (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 RL 2005/29/EG) wie der Wettbewerbs- und Verbraucherverbände329 (Art. 1 i.V.m. Anhang I RL 2009/22/EG) und die Einbeziehung des sektoriellen Lauterkeitsrechts in die Rechtsschutzinstrumentarien des allgemeinen Europäischen Lauterkeitsrechts,330 dass sowohl die den wirtschaftlichen Verbraucherinteressen dienenden Regeln der Richtlinie 2005/29/EG wie das z.T. anderen Zwecken dienende sektorielle Lauterkeitsrecht die Funktion haben, als Marktverhaltensrecht einheitliche Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt sicherzustellen. Dabei ist der Begriff des Marktverhaltensrechts nicht zwangsläufig mit wettbewerbsfunktionalen Inhalten verknüpft; vielmehr kann es auch um die Durchsetzung anderer (z.B. gesundheitsschützender) Verhaltensregeln auf dem Markt gehen. Entscheidend für die hier entfaltete Charakterisierung als rechtsschutzorientiertes Marktverhaltensrecht ist nur, dass im Interesse einheitlicher Wettbewerbsbedingungen einheitliche Verhaltensregeln (auch) von Mitbewerbern durchgesetzt werden können, nicht dass diese einheitlichen Regeln wettbewerbsfunktionale Ziele verfolgen. b) Europäisches Lauterkeitsrecht als rechtsschutzorientiertes Marktverhaltensrecht. Die Klageberechtigung der Mitbewerber und Verbände weist damit den Weg zu einem rechtsschutzorientierten Verständnis des Lauterkeitsrechts, dessen Funktion auch darin besteht, individuellen Mitbewerbern und Verbänden (und vielleicht irgendwann auch individuellen Verbrauchern) ein allgemeines Regime zur Durchsetzung der für alle Marktteilnehmer geltenden Verhaltensstandards durch private Klagerechte zu eröffnen, um gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer331 und damit zugleich die effektive Durchsetzung des Unionsrechts durch die Indienstnahme Privater als Wächter des Unionsrechts zu gewährleisten.332 Ein solches Verständnis des Lauterkeitsrechts als rechtsschutzorientiertes Marktverhaltensrecht geht über die wettbewerbsfunktionalen Regeln des allgemeinen Lauterkeitsrechts hinaus und erstreckt sich auch auf Regeln zum Gesundheitsschutz oder zur Produktsicherheit, für die durch die Richtlinie 2005/29/EG nunmehr ein allgemeines Durchsetzungsinstrumentarium bereit gestellt wird.333 Das rechtsschutzorientierte Verständnis des Lauterkeitsrechts begründet zugleich einen Unterschied zum Immaterialgüterrecht, wo die Durchsetzung der Ausschließlichkeitsrechte dem Rechtsinhaber, bestimmten Lizenznehmern und allenfalls noch Verwertungsgesellschaften und Berufsorganisationen mit anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums vorbehalten sind (vgl. Art. 4 RL 2004/48/EG).334 In seinen Einzeltatbeständen erfasst das Europäische Lauterkeitsrecht eine Reihe 85 unterschiedlicher Verhaltensweisen, die von der Beeinflussung der Marktgegenseite
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329 Während der Schutz der Mitbewerber sowohl durch Individual- wie Kollektivklagerechte gewährleistet wird, bleibt die Durchsetzung der Verbraucherinteressen auf Verbände als Sachwalter der kollektiven Verbraucherinteressen beschränkt, vgl. Erwägungsgrund 9 Satz 1 RL 2005/29/EG. 330 Vgl. den Anhang II zur Richtlinie 2005/29/EG und den Anhang I Nr. 9 zur Richtlinie 2009/22/EG, die beide auf die dem Gesundheitsschutz dienende Richtlinie 2001/83/EG verweisen und damit allgemeines und sektorielles Lauterkeitsrecht verzahnen. 331 Henning-Bodewig Was gehört zum Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 9, 22. 332 EuGH 17.9.2002 – C-253/00 – Slg. 2002, I-7289 Tz. 29 ff. – Muñoz. 333 Siehe oben Rn. 68. 334 Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 45; zur Aktivlegitimation im Immaterialgüterrecht Heinze Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht (2007), S. 283 ff.
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durch irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken335 über die Behinderung des Angebots von Wettbewerbern336 (z.B. durch Störung der Liefer- oder Geschäftsbeziehungen, Abwerben von Angestellten, Boykott) bis zur Herabsetzung oder Anschwärzung von Mitbewerbern337 und zur unlauteren Ausnutzung der Vorteile eines Wettbewerbers reichen (z.B. Schaffung einer Verwechslungsgefahr338 oder Ausnutzung seines Bekanntheitsgrades339).340 Unter den Oberbegriff des Marktverhaltensrechts lassen sich auch Praktiken wie Bestechung, Industriespionage, Ausforschung von Geschäftsgeheimnissen341 oder Anstiftung zum Vertragsbruch subsumieren, obwohl der Marktbezug – zumindest nach Auffassung des europäischen Gesetzgebers bei Erlass der Rom II-Verordnung342 – bei derartigen Praktiken nicht so ausgeprägt ist, dass er eine Überwindung der allgemeinen deliktischen Anknüpfungsregeln zugunsten einer Anwendung des Rechts am Marktort rechtfertigen könnte (vgl. Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO). Denn auch solche bilateralen Wettbewerbshandlungen weisen einen Marktbezug auf, weil grundsätzlich „jede Wettbewerbshandlung, die sich gezielt gegen einen Wettbewerber richtet, im Verhältnis zu anderen Wettbewerbern wettbewerbsverzerrende Wirkung“ hat.343 c) Andere Ansätze. Über den Begriff des Marktverhaltensrechts hinausgehende 86 oder von ihr abweichende Eingrenzungen der Materie erweisen sich als schwierig. So lässt sich zwar feststellen, dass es dem Europäischen Lauterkeitsrecht wesentlich um den Schutz der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit der Marktbeteiligten geht.344 Allerdings zeigen einzelne Normen zum Konkurrentenschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht345 und die Einbeziehung wettbewerbsfremder Schutzziele wie der Schutz von Gesundheit oder Privatsphäre im sektoriellen Lauterkeitsrecht346 oder der Vorbehalt zugunsten ethischer, 347 kultureller und sittlicher 348 Lauterkeitsnormen der nationalen
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335 Vgl. Art. 6–9 RL 2005/29/EG; Art. 3, 4 lit. a RL 2006/114/EG. 336 Diese Fallgruppe wird auf kollisionsrechtlicher Ebene lauterkeitsrechtlich qualifiziert, KOM (2003) 427 S. 17. Auf sachrechtlicher Ebene fehlt es im Unionsrecht allerdings weitgehend an mitbewerberschützenden Vorschriften, Ohly WRP 2008, 177, 179. 337 Art. 4 lit. d RL 2006/114/EG; Art. 10bis Abs. 3 Nr. 2 PVÜ. 338 Art. 4 lit. h RL 2006/114/EG; Art. 10bis Abs. 3 Nr. 1 PVÜ. Diese Funktion wird in weiten Teilen auch bereits durch das Markenrecht wahrgenommen, vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL. 339 Vgl. Art. 4 lit. f., g RL 2006/114/EG; Art. 5 Abs. 5 MarkenRL. 340 Zu diesen Beispielen KOM (2003) 427 S. 17. 341 Art. 39 TRIPS. Mit Hinweis auf den Geheimnisschutz kritisch zur Bezeichnung als Marktverhaltensrecht Sack Diskussion in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 63. 342 Zu den Beispielen KOM (2003) 427 S. 18. Zur Auslegung und Abgrenzung von Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom II-VO Heinze IPRax 2009, 231, 236 f. m.w.N. in Fn. 60. 343 BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – GRUR Int. 2010, 882 Tz. 19 – Ausschreibungsdienst im Ausland; ähnlich KOM (2003) 427 S. 18: nicht völlig ausgeschlossen, „dass solche Handlungen auch negative Auswirkungen auf einen bestimmten Markt haben“. 344 Vor allem der Richtlinie 2005/29/EG, siehe Art. 2 lit. e RL 2005/29/EG; Henning-Bodewig Was gehört zum Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 9, 23: im „Kernbereich“ „Sicherung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit aller Marktbeteiligten“; aber auch S. 22: zudem Schutz der Leistungsergebnisse vor Ausbeutung durch bestimmte Wettbewerbshandlungen sowie gegen nichtwettbewerbskonforme, gezielte Behinderungen. 345 Vgl. Art. 4 lit. f., g RL 2006/114/EG; Art. 5 Abs. 5 MarkenRL. 346 Siehe Art. 3 Abs. 3, Erwägungsgrund 14 Satz 8 RL 2005/29/EG. 347 Art. 9 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1. 348 Erwägungsgrund 7 Satz 4-5 RL 2005/29/EG.
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Rechtsordnungen, dass sich der Schutz der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit der Marktbeteiligten nicht als allumspannendes Definitionsmerkmal eignet. Auch die innovative Interpretation des Lauterkeitsrecht als Recht der Marktkom87 munikation 349 beschreibt zwar mit den Irreführungs- und Informationstatbeständen zentrale Inhalte des unionalen Lauterkeitsrechts, vermag allerdings bestimmte unlautere Geschäftspraktiken, die nicht (in erster Linie) durch Kommunikation umgesetzt werden,350 nicht zu erfassen. Diese Bedenken scheint auch der Unionsgesetzgeber zu teilen, weil er offenbar ein Bedürfnis sah, den Begriff der kommerziellen Kommunikation (Mitteilung) in Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG durch die allgemeinere Umschreibung „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung“ zu ergänzen. Auch wirft eine Konzeption des Lauterkeitsrechts als Recht der Marktkommunikation zumindest die begriffliche Frage auf, weshalb nicht auch das Markenrecht als Teil des Lauterkeitsrechts anzusehen ist, bei dem es regelmäßig auch um die Regulierung der Marktkommunikation geht. III. Lauterkeitsrecht und Grundfreiheiten 88
Der durch die Grundfreiheiten verbürgte freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital (Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 26 Abs. 2 AEUV) zählt zu den grundlegenden Prinzipien der Union.351 Es überrascht daher nicht, dass die Grundfreiheiten den ältesten und bis zur Richtlinie 2005/29/EG intensivsten europäischen Einfluss auf das Lauterkeitsrecht markierten. Ausgangspunkt war der weite Begriff der „Maßnahmen gleicher Wirkung“ in Art. 34 AEUV, der seit Dassonville „jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“ erfasst.352 Infolge dieser weiten Definition der Beeinträchtigung, die der EuGH später für die Dienstleistungsfreiheit nachvollzogen hat,353 wurden die Grundfreiheiten zu Beschränkungsverboten ausgebaut, so dass neben der (mittelbaren oder unmittelbaren) Diskriminierung EU-ausländischer Anbieter auch unterschiedslos anwendbare Maßnahmen ihrer Kontrolle unterworfen wurden.354 Auch wenn der Aufgreiftatbestand der Warenverkehrsfreiheit für bestimmte Verkaufsmodalitäten in der Rechtssache Keck wieder zurückgenommen wurde,355 so sind diskriminierende, produktregulierende oder allgemein den Marktzugang ausländischer Anbieter behindernde lauterkeitsrechtliche Normen356 nach wie vor als rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Verkehrsfreiheiten anzusehen.357
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349 Keßler Vom Recht des unlauteren Wettbewerbs zum Recht der Marktkommunikation – Individualrechtliche und institutionelle Aspekte des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts in: Krejci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.) Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005), S. 81, 92 ff., 99 ff.; MünchKomm/ Micklitz EG D Rn. 15. 350 Wie etwa die Betriebsspionage oder bestimmte Formen der Behinderung von Wettbewerbern. 351 Siehe nur EuGH (Große Kammer) 24.5.2011 – C-54/08 – NJW 2012, 2941 Tz. 78 – Kommission/ Deutschland. 352 EuGH 11.7.1974 – 8/74 – Slg. 1974, 837 Tz. 5 – Dassonville; EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 33 – Kommission/Italien; EuGH 6.11.2011 – C-443/10 – BeckRS 2011, 81435 Tz. 26 – Bonnarde. 353 EuGH 3.12.1974 – 33/74 – Slg. 1974, 1299 Tz. 10/12 – van Binsbergen; EuGH 25.7.1991 – C-76/90 – Slg. 1991, I-4221 Tz. 12 – Säger. 354 EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 6, 14 f. – Rewe Zentral, „Cassis de Dijon“; EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 35, 37 – Kommission/Italien. 355 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 16 f. – Keck und Mithouard; EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 36 – Kommission/Italien. 356 Zu den nach Keck verbliebenen Fallgruppen Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 565 ff. 357 Ausführlich unten Rn. 121–140.
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In jüngerer Zeit haben die Grundfreiheiten allerdings durch die Vollharmonisie- 89 rung wichtiger Teile des Lauterkeitsrechts wieder an Bedeutung eingebüßt, weil von der Harmonisierung abweichende mitgliedstaatliche Regeln auch nicht über die Rechtfertigungsgründe der Grundfreiheiten legitimiert werden können.358 Die Bedeutung der Grundfreiheiten konzentriert sich daher heute auf die nicht (vollständig) harmonisierten Felder des Lauterkeitsrechts,359 also in erster Linie den unternehmerischen Geschäftsverkehr und den Schutz anderer als wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher. Hinzu tritt die Funktion einer übergeordneten Direktive zur Auslegung und Anwendung des Sekundärrechts.360 1. Allgemeines a) Vorrang des Sekundärrechts. Voraussetzung für die Kontrolle am Maßstab der 90 Grundfreiheiten ist zunächst, dass kein vorrangiges Sekundärrecht der Union zur Anwendung kommt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist nämlich „jede nationale Regelung in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, anhand der fraglichen Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand des Primärrechts zu beurteilen“.361 Zwar gelten die Grundfreiheiten nicht nur für nationale Maßnahmen, sondern auch für Maßnahmen der Unionsorgane, so dass auch das Sekundärrecht grundsätzlich am Maßstab der Grundfreiheiten zu messen ist.362 Allerdings billigt der EuGH dem Unionsgesetzgeber bei Rechtsangleichungsmaßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes (Art. 114 AEUV) zu, im Rahmen seines politischen Ermessens auch anderen als handelsfunktionalen Kriterien (z.B. Verbraucherschutz oder Gesundheitsschutz, vgl. Art. 114 Abs. 3 AEUV) bei der Ausgestaltung des Rechtsaktes maß-
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358 Siehe bereits EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8 – Cassis de Dijon: „in Ermangelung einer gemeinschaftlichen Regelung […] ist es Sache der Mitgliedstaaten“; ausdrücklich EuGH 30.11.1983 – 227/82 – Slg. 1983, 3883 Tz. 35 – van Bennekom. 359 Für den Anwendungsvorbehalt der Grundfreiheiten zur Kontrolle nationaler Regeln, die über eine Mindestharmonisierung hinausgehen EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, Slg. 2003, I-4887 Tz. 64 – DocMorris; EuGH 16.12.2008 – C-205/07 – Slg. 2008, I-9947 Tz. 34 – Gysbrecht. 360 Zur Auslegung EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 12 – Clinique; EuGH 16.1.2003 – C-14/00 – Slg. 2003, I-513 Tz. 66 – Kommission/Italienische Republik; EuGH 4.10.2007 – C-457/05 – Slg. 2007, I-8075 Tz. 22 – Diageo; zur Anwendung EuGH (Große Kammer) 17.4.2007 – C-470/03 – Slg. 2007, I-2749 Tz. 59 f. – A.G.M.-COS.MET. Purnhagen JZ 2012, 742, 745 sieht diese Funktion der Grundfreiheiten infolge der neuen Formel (dazu unten Rn. 121 ff.) beeinträchtigt, weil nach der neuen Formel Maßnahmen in minimal- oder maximalharmonisierenden Sekundärrechtsakten, die früher als Produktmodalität und damit als Maßnahme gleicher Wirkung eingestuft worden wären (als Beispiel wählt er EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 13 ff. – Clinique), mangels Marktzugangsbehinderung (infolge der Harmonisierung) nicht mehr als Maßnahme gleicher Wirkung zu klassifizieren seien. M.E. sind diese Bedenken nicht begründet: Zum einen ist der Zugriff der Grundfreiheiten auf harmonisierendes Sekundärrecht ohnehin deutlich geringer als auf nationale Maßnahmen (unten Rn. 90), zum anderen steht neben der Kategorie der sonstigen Marktzugangsbehinderungen nach wie vor die Kategorie der Beeinträchtigung durch Produktmodalitäten als zweite Stufe der neuen Formel (unten Rn. 128–130). 361 EuGH 6.11.2011 – C-443/10 – BeckRS 2011, 81435 Tz. 22 – Bonnarde; ferner EuGH 13.12.2001 – C-324/99 – Slg. 2001, I-9897 Tz. 32 – DaimlerChrysler; EuGH (Große Kammer) 14.12.2004 – C-210/03 – Slg. 2004, I-11893 Tz. 81 – Swedish Match; EuGH 9.3.2006 – C-421/04 – Slg. 2006, I-2303 Tz. 20 – Matratzen Concord; EuGH 16.12.2008 – C-205/07 – Slg. 2008, I-9947 Tz. 33 – Gysbrecht; EuGH 24.1.2008 – C-257/06 – Slg. 2008, I-189 Tz. 14 – Roby Profumi; zur Richtlinie 2005/29/EG (Art. 3 Abs. 9 RL 2005/29/EG) EuGH 18.7.2013 – C-265/12 – WRP 2013, 1308 Tz. 31 – Citroën Belux. 362 EuGH 14.12.2004 – C-210/03 – Slg. 2004, I-11893 Tz. 59 – Swedish Match; a.A. Calliess/Ruffert/ Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 110.
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gebliche Bedeutung zuzumessen,363 solange eine gewisse Binnenmarktrelevanz noch erreicht wird. Dieses politische Ermessen ist konsequenterweise auch bei der Kontrolle unionaler Maßnahmen am Maßstab der Grundfreiheiten zu achten,364 so dass die Rechtsakte des Unionsgesetzgebers in aller Regel nicht gegen die Grundfreiheiten verstoßen werden. Von größerer Bedeutung als die Rechtmäßigkeitskontrolle ist daher die Auslegung des Sekundärrechts im Lichte der Grundfreiheiten,365 zumal der EuGH dazu neigt, seine Judikatur zu den Grundfreiheiten auf spätere Sekundärrechtsakte zu übertragen.366 Indes ist auch bei der Berücksichtigung der Grundfreiheiten als Auslegungsdirektive zu beachten, dass der Abbau von Handelsschranken und die Integration des Binnenmarktes regelmäßig nur eines von mehreren Zielen einer Harmonisierungsmaßnahme ist.367 91
b) Adressaten. Adressaten der Grundfreiheiten sind in erster Linie die Mitgliedstaaten. Ihnen sind auch privatrechtliche Organisationen zuzurechnen, die durch staatliches Gesetz geschaffen wurden und durch gesetzlich vorgesehene Pflichtbeiträge finanziert werden.368 Auch privatrechtliche Einrichtungen, die „zum Zweck der Erstellung technischer Normen auf einem bestimmten Gebiet sowie zur Zertifizierung von Erzeugnissen anhand dieser technischen Normen gegründet worden sind“, sind bei der Ausübung dieser Normierungs- und Zertifizierungstätigkeit an Art. 34 AEUV gebunden, „wenn der nationale Gesetzgeber die Erzeugnisse, die mit einem Zertifikat dieser privatrechtlichen Einrichtung versehen sind, ausdrücklich als gesetzeskonform ansieht und in der Praxis daher ein Vertrieb von Erzeugnissen, die nicht mit einem solchen Zertifikat versehen sind, kaum möglich ist“.369 Dies gilt auch dann, wenn die privatrechtliche
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363 EuGH 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 39 – Bundesrepublik Deutschland/Europäisches Parlament (Tabakwerberichtlinie II): Maßnahme darf auf Art. 114 AEUV gestützt werden, „auch wenn dem Gesundheitsschutz bei den zu treffenden Entscheidungen maßgebliche Bedeutung zukommt“; ebenso EuGH 8.6.2010 – C-58/08 – Slg. 2010, I-4999 Tz. 36 – Vodafone (zum Verbraucherschutz). 364 Zum Zusammenhang zwischen dem legislativen Ermessen des Unionsgesetzgebers nach Art. 114 AEUV zur Berücksichtigung anderer als binnenmarktfunktionaler Ziele (Art. 114 Abs. 3 AEUV) und der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Unionsrechtsakten insbesondere EuGH 14.12.2004 – C-210/03 – Slg. 2004, I-11893 Tz. 60 f. – Swedish Match (Rückverweis auf Tz. 56); zur großzügigeren Verhältnismäßigkeitskontrolle (insbesondere bei wirtschaftlich komplexen Sachverhalten) auch EuGH 9.8.1994 – C-51/93 – Slg. 1994, I-3879 Tz. 20 f. – Meyhui; EuGH 13.5.1997 – C-233/94 – Slg. 1997, I-2405 Tz. 42 f., 54 ff. – Deutschland/Parlament und Rat; EuGH 2.4.1998 – C-127/95 – Slg. 1998, I-1531 Tz. 90 – Norbrook Laboratories; eingehend Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 82 ff.; MünchKomm/Leible EG A Rn. 118 f. 365 EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 12 – Clinique; EuGH 13.9.2001 – C-169/99 – Slg. 2001, I-5901 Tz. 36 ff. – Schwarzkopf; EuGH 16.1.2003 – C-14/00 – Slg. 2003, I-513 Tz. 66 – Kommission/ Italienische Republik; EuGH 4.10.2007 – C-457/05 – Slg. 2007, I-8075 Tz. 18 – Diageo; Bachmann AcP 210 (2010) 425, 441 f. 366 Vgl. EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 Tz. 30 f. – Gut Springenheide zur Übertragung des Verbraucherleitbilds vom Primär- ins Sekundärrecht; zum Markenrecht EuGH 11.7.1996 – C-427/93, C-429/93 und C-436/93 – Slg. 1996, I-3457 Tz. 31, 36 – Bristol-Myers Squibb. 367 Vgl. EuGH 24.1.2008 – C-257/06 – Slg. 2008, I-189 Tz. 14 – Roby Profumi zum Ausgleich von Warenverkehrsfreiheit und Gesundheitsschutz. 368 EuGH 5.11.2002 – C-325/00 – Slg. 2002, I-9977 Tz. 17 ff. – Kommission/Deutschland; siehe bereits EuGH 24.11. 1982 – 249/81 – Slg. 1982, 4005 Tz. 15 – Kommission/Irland. 369 EuGH 12.7.2012 – C-171/11 – Tz. 27–30 – Fra.bo: „Drittens erschwert nach Ansicht des vorlegenden Gerichts in der Praxis das Fehlen einer Zertifizierung durch den DVGW den Vertrieb der betreffenden Erzeugnisse auf dem deutschen Markt erheblich. Auch wenn nämlich mit der AVBWasserV nur allgemeine Verkaufsbedingungen im Verhältnis zwischen Wasserversorgungsunternehmen und ihren Kunden festgelegt werden, von denen die Parteien frei abweichen können, geht aus den Akten hervor, dass in der Praxis fast alle deutschen Verbraucher nur solche Kupferfittings kaufen, die vom DVGW zertifiziert sind“; das Zitat im Text stammt aus den Schlussanträgen der Generalanwältin Trstenjak vom 28.3.2012 – C-171/11 – Tz. 50 – Fra.bo.
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Zertifizierungseinrichtung ohne Gewinnzweck arbeitet, ihre Tätigkeit nicht von einem Mitgliedstaat finanziert wird, und der Mitgliedstaat keinen maßgebenden Einfluss auf die Normungs- und Zertifizierungstätigkeiten des DVGW ausübt.370 Darüber hinaus ist auch die Union an die Grundfreiheiten gebunden, obgleich der Gerichtshof ihren Organen bei der Rechtsangleichung ein weites politisches Ermessen zubilligt.371 Umstritten und für die einzelnen Grundfreiheiten unterschiedlich zu beantworten ist 92 die Frage, ob die Wirksamkeit oder der Inhalt privatautonomer Willenserklärungen, Verträge oder Satzungen unmittelbar an den Grundfreiheiten zu messen ist (Drittwirkung der Grundfreiheiten).372 Bei der Warenverkehrsfreiheit hat der Gerichtshof eine Drittwirkung ausdrücklich verneint.373 Dies bedeutet freilich nicht, dass sich Private im Zivilprozess nicht auf die Warenverkehrsfreiheit berufen könnten. Als Folge der unmittelbaren Wirkung und des Vorrangs der Grundfreiheiten hat das nationale Zivilgericht auch die Warenverkehrsfreiheit bei der Auslegung und Anwendung des staatlichen Privatrechts zu berücksichtigen.374 Nur ein unmittelbarer Einfluss auf die Wirksamkeit privater Vereinbarungen scheidet aus. Zudem ist eine Diskriminierung von EU-Ausländern durch privatautonome Vereinbarungen bereits aufgrund des drittwirkenden375 allgemeinen Diskriminierungsverbots (Art. 18 AEUV) verboten, so dass der Ausschluss der Drittwirkung nur für die Beschränkungsverbote des Art. 34 AEUV relevant ist. Noch nicht endgültig geklärt sind die Konsequenzen der aus Art. 34–36 AEUV i.V.m. 93 Art. 4 Abs. 3 EUV abgeleiteten Schutzverpflichtung der Mitgliedstaaten, „den freien Warenverkehr in [ihrem] Gebiet zu gewährleisten, indem [sie] die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen ergreif[en], um gegen Beeinträchtigungen durch Handlungen von Privatpersonen einzuschreiten, unabhängig davon, ob diese Handlungen die Einfuhr, die Ausfuhr oder die bloße Durchfuhr von Waren betreffen“.376 Aus dieser Schutzverpflichtung dürfte sich allerdings nicht unmittelbar eine Pflicht zu staatlichem Vorgehen gegen jede Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit durch Private ableiten lassen, sondern es ist stets eine Abwägung mit den durch die Grundrechtecharta verbürgten Freiheitsspielräumen Privater erforderlich. Bei der Dienstleistungsfreiheit (und der Arbeitnehmer- und Niederlassungsfrei- 94 heit) ist die Lage etwas anders. Hier deutet die Judikatur des Gerichtshofs darauf hin,
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370 EuGH 12.7.2012 – C- 171/11 – Tz. 24 – Fra.bo. 371 Dazu vorige Rn. 90. 372 Ausführlich Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 632 ff.; Bachmann AcP 210 (2010) 425, 465 ff.; Schmid Die Instrumentalisierung des Privatrechts durch die Europäische Union (2010), S. 524 ff.; siehe auch die Zusammenfassung des Meinungsstands in den Schlussanträgen der Generalanwältin Trstenjak vom 28.3.2012 – Rn. 29 ff. – Fra.bo. 373 EuGH 1.10.1987 – 311/85 – Slg. 1987, 3801 Tz. 30 – ASBL Vereniging van Vlaamse Reisbureaus; EuGH 27.9.1988 – 65/86 – Slg. 1988, 5249 Tz. 11 – Bayer; EuGH 6.6.2002 – C-159/00 – Slg. 2002, I-5031 Tz. 74 – Eco-Emballages; a.A. noch EuGH 22.1.1981 – 58/80 – Slg. 1981, 181 Tz. 17 – Dansk Supermarked; zur restriktiven Auslegung von Dansk Supermarked W.-H. Roth FS Everling, S. 1231, 1237; Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 698 f.; Bachmann AcP 210 (2010) 424, 465 Fn. 204. Siehe auch die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 28.3.2012 – C-171/11 – Tz. 44 f. – Fra.bo, die sich für eine Übertragung der Judikatur zur Bindung an die Grundfreiheiten bei kollektiven Regelungen nicht öffentlich-rechtlicher Natur (dazu unten Rn. 94) auch auf die Warenverkehrs- und Kapitalverkehrsfreiheit ausspricht. 374 Vgl. EuGH 9.6.1992 – C-47/90 – Slg. 1992, I-3669 Tz. 29 – Delhaize. 375 Vgl. EuGH 6.6.2000 – C-281/98 – Slg. 2000, I-4139 Tz. 34 f. – Angonese. Dort überträgt der Gerichtshof seine Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung des Art. 157 AEUV (Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen) auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die er als „spezifische Anwendung des in [Art. 18 AEUV] ausgesprochenen allgemeinen Diskriminierungsverbots“ bezeichnet. 376 EuGH 12.6.2003 – C-112/00 – Slg. 2003, I-5659 Tz. 60 – Schmidberger.
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dass eine Drittwirkung der Dienstleistungsfreiheit zumindest dann zu bejahen ist, wenn es sich um kollektive Regelungen im Arbeits- oder Dienstleistungsbereich handelt.377 Für das Lauterkeitsrecht ist insofern vor allem an Verbandsrichtlinien der Werbeindustrie oder Werbevorschriften (staatsfreier) berufsständischer Organisationen zu denken.378 Die Einbeziehung Privater wird von Teilen des Schrifttums kritisiert, die eine Drittwirkung aus systematischen (vgl. Art. 57 Abs. 3, 52, 54 AEUV) und grundrechtsdogmatischen Gründen ablehnen.379 c) Unionsbezug. Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten ist es, dass der Sachverhalt nicht einen Mitgliedstaat rein intern betrifft.380 So soll die Warenverkehrsfreiheit nicht gewährleisten, „dass Waren aus nationaler Produktion in jedem Fall genauso behandelt werden wie eingeführte Waren; eine Ungleichbehandlung von Waren, die nicht geeignet ist, die Einfuhr zu behindern oder den Absatz eingeführter Waren zu erschweren, fällt nicht unter … diese Artikel“.381 Sie kommt nur insoweit zur Anwendung, als die nationalen Vorschriften „auf Sachverhalte Anwendung finde[n], die einen Bezug zur Einfuhr von Waren im innergemeinschaftlichen Handel aufweisen“.382 Gleiches gilt für die Dienstleistungsfreiheit: Auch hier kann eine nationale Regelung „nur dann Vertragsbestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit betreffen, wenn sie auf Sachlagen anwendbar ist, die eine Verbindung zum innergemeinschaftlichen Handel aufweisen“ (vgl. Art. 56 Abs. 1, 57 Abs. 3 AEUV).383 Allerdings hat das Erfordernis des Unionsbezugs nicht zur Folge, dass eine Ausei96 nandersetzung zweier deutscher Parteien von den Grundfreiheiten stets ausgenommen wäre, wenn sämtliche Elemente der Streitigkeit innerhalb Deutschlands angesiedelt sind.384 Zum einen besteht nämlich grundsätzlich eine verfahrensrechtliche Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der durch das nationale Gericht verfassten 95
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377 Vgl. EuGH 12.12.1974 – 36/74 – Slg. 1974, 1405 Tz. 15, 20 – Walrave und Koch; EuGH 11.4.2000 – C-51/96 und C-191/97 – Slg. 2000, I-2549 Tz. 47 – Deliège; EuGH 19.2.2002 – C-309/99 – Slg. 2002, I-1577 Tz. 120 – Wouters; zur Berücksichtigung der Dienstleistungsfreiheit bei der Kontrolle staatlicher Regelungen, die beschränkende Vereinbarungen in privatrechtlichen Verträgen sanktionieren auch EuGH (Große Kammer) 23.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 88 – Murphy: „Zwar liegt die Hauptursache für die Behinderung des Empfangs solcher Dienste in den zwischen den Sendeunternehmen und ihren Kunden geschlossenen Verträgen, in denen sich die Gebietsbeschränkungsklauseln widerspiegeln, die in den zwischen den Sendeunternehmen und den Inhabern der Rechte des geistigen Eigentums geschlossenen Verträgen enthalten sind. Da aber die fragliche Regelung diese Beschränkungen unter rechtlichen Schutz stellt und ihre Einhaltung unter Androhung zivilrechtlicher und finanzieller Sanktionen vorschreibt, beschränkt sie selbst den freien Dienstleistungsverkehr“; eingehend Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 683 ff. 378 MünchKomm/Glöckner EG C Rn. 76; zum Werberecht einer Standesorganisation auch EuGH (Große Kammer) 5.4.2011 – C-119/09 – EuZW 2011, 681 Tz. 43 – Société fiduciaire nationale d’expertise comptable. Handelt die Standesorganisation aufgrund delegierter staatlicher Rechtssetzungsbefugnis, so ist sie dem Mitgliedstaat zuzurechnen. 379 Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 721 ff.; Bachmann AcP 210 (2010) 424, 466 ff.; Calliess/Ruffert/Kluth Art. 56, 57 AEUV Rn. 49 f. jeweils m.w.N. 380 Etwas anderes gilt für die Garantien der Unionsbürgerschaft (Art. 20 AEUV), auf die sich jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates auch gegenüber seinem Herkunftsmitgliedstaat berufen kann, EuGH 5.5.2011 – C-434/09 – EuZW 2011, 522 Tz. 48 – McCarthy. 381 EuGH 5.12.2000 – C-448/98 – Slg. 2000, I-10663 Tz. 15 – Guimont. 382 EuGH 5.12.2000 – C-448/98 – Slg. 2000, I-10663 Tz. 21 – Guimont. 383 EuGH 31.1.2008 – C-380/05 – Slg. 2008, I-349 Tz. 65 – Centro Europa 7; EuGH 22.10.2010 – C-245/09 – Tz. 12 – Omalet. 384 Vgl. EuGH 22.10.1998 – C-184/96 – Slg. 1998, I-6197 Tz. 17 – Kommission/Frankreich (nicht ein einziger konkreter Fall mit Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat muss eingetreten sein).
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Vorlagefragen.385 Eine Zurückweisung durch den Gerichtshof erfolgt nur, wenn „offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der erbetenen Auslegung oder Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens besteht“.386 Und zum anderen hat der Gerichtshof die Zulässigkeit einer Vorlage auch bei einem 97 rein nationalen Sachverhalt bejaht, wenn (bei der Dienstleistungsfreiheit) sich „nicht ausschließen [lässt], dass … in anderen Mitgliedstaaten … ansässige Unternehmen an der Erbringung der betreffenden Dienstleistung interessiert waren oder sind“387 oder (bei der Warenverkehrsfreiheit) wenn die Entscheidung über einen rein internen Fall der Feststellung dienlich sein kann, ob eine konkrete nationale Vorschrift eine potenzielle Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels darstellen kann, weil möglicherweise auch ausländische Anbieter durch sie betroffen sind und vom Markteintritt abgehalten werden (potentielle Marktzugangsbehinderung ausländischer Anbieter).388 Dabei ist eine Verbindung zum innergemeinschaftlichen Handel zu vermuten, „wenn an dem in Rede stehenden Markt ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht“.389 Darüber hinaus ist ein Unionsbezug auch dann gegeben, wenn das nationale Recht vorschreibt, dass einem nationalen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen wie Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten in der gleichen Lage390 (nationales Verbot der Inländerdiskriminierung) oder wenn sich die nationalen Rechtsvorschriften zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte an den europäischen Regeln orientieren, so dass eine Entscheidung des Gerichtshofs die einheitliche Auslegung des überschießend angeglichenen Rechts sicherstellt.391 Im Ergebnis ist die Schwelle zum Unionsbezug damit schnell erreicht,392 so dass ein 98 rein interner Sachverhalt wohl der Ausnahmefall bleiben dürfte.393 Dieser rechtliche Befund korrespondiert mit der tatsächlichen Beobachtung, dass sich in der Mehrzahl der grundfreiheitsbezogenen Entscheidungen zum Lauterkeitsrecht ein einheimischer Anbie-
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385 EuGH 5.12.2000 – C-448/97 – Slg. 2000, I-10663 Tz. 22 f. – Guimont; EuGH 15.5.2003 – C-300/01 – Slg. 2003, I-4899 Tz. 30 ff. – Salzmann; zur Dienstleistungsfreiheit EuGH 17.7.2008 – C-500/06 – Slg. 2008, I-5785 Tz. 23 – Corporación Dermoestética. 386 EuGH 5.12.2000 – C-448/97 – Slg. 2000, I-10663 Tz. 23 – Guimont. 387 EuGH 31.1.2008 – C-380/05 – Slg. 2008, I-349 Tz. 66 – Centro Europa 7; EuGH 18.7.2013 – C-265/12 – WRP 2013, 1308 Tz. 33 – Citroën Belux. Siehe auch die Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit EuGH (Große Kammer) 1.6.2010 – C-570/07 – Slg. 2010, I-4629 Tz. 40 – Pérez; ähnlich EuGH 11.3.2010 – C-384/08 – Slg. 2010, I-2055 Tz. 23 f. – Attanasio. 388 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 19-21 – Karner; siehe auch EuGH 5.12.2000 – C-448/97 – Slg. 2000, I-10663 Tz. 21-23 – Guimont (unterschiedslos anwendbare Maßnahmen); EuGH 7.5.1997 – C-321/94 bis C-324/94 – Slg. 1997, I-2343 Tz. 44 – Pistre (diskriminierende Maßnahmen); MünchKomm/Heermann, EG B Art. 28 EG Rn. 11. 389 EuGH 31.1.2008 – C-380/05 – Slg. 2008, I-349 Tz. 67 – Centro Europa 7. 390 EuGH 5.12.2000 – C-448/97 – Slg. 2000, I-10663 Tz. 23 – Guimont; zur Dienstleistungsfreiheit EuGH 22.10.2010 – C-245/09 – Tz. 15 – Omalet. 391 EuGH 15.5.2003 – C-300/01 – Slg. 2003, I-4899 Tz. 34 – Salzmann. 392 Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 927 f.; Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 38. 393 Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34-36 AEUV Rn. 16 geht für die Warenverkehrsfreiheit sogar davon aus, dass das Merkmal „keine selbständige Anwendungsvoraussetzung“ sei; ähnlich Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 928 Fn. 69: „ambit of the purely internal situation rule has been eroded to the point of becoming rather fictional“. Siehe aber EuGH 15.7.2004 – C-239/02 – Slg. 2004, I-7007 Tz. 57 – Douwe Egberts: „Jedoch ist die Anwendung einer nationalen Werberegelung, die gegen die Artikel 28 EG und 30 EG verstößt, anders als diejenige nationaler Vorschriften, die hinsichtlich der Etikettierung gegen die Richtlinie 2000/13 verstoßen und weder auf eingeführte Lebensmittel noch auf Lebensmittel einheimischen Ursprungs angewendet werden können, nur in Bezug auf eingeführte Erzeugnisse, nicht aber auf einheimische Erzeugnisse untersagt“.
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Einleitung Teil C.
ter mit Hilfe der Grundfreiheiten der Anwendung seines Heimatrechts entziehen wollte, während tatsächlich grenzüberschreitende Fälle die Ausnahme darstellten.394 Kommt man trotz enger Auslegung des rein internen Sachverhalts zu dem Ergebnis, dass die Grundfreiheiten keine Anwendung finden, dann stellt sich die Frage, ob eine sich daraus ergebende Inländerdiskriminierung zulässig ist. Dies ist allerdings keine Frage des Unionsrechts und daher nach den Kriterien des deutschen Verfassungsrechts zu beantworten.395 d) Abgrenzung der Grundfreiheiten. Die Abgrenzung der Grundfreiheiten untereinander orientiert sich zunächst an ihrem Schutzgegenstand (körperliche Ware vs. unkörperliche Dienstleistung vs. Transfer von gesetzlichen Zahlungsmitteln als Kapitalverkehr). Betrifft eine nationale Maßnahme sowohl den freien Warenverkehr als auch eine weitere Grundfreiheit (z.B. die Dienstleistungsfreiheit),396 so prüft der Gerichtshof die Maßnahme „grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser beiden Grundfreiheiten …, wenn sich herausstellt, dass die eine der beiden Freiheiten gegenüber der anderen völlig zweitrangig ist und ihr untergeordnet werden kann“.397 Dies hat der EuGH etwa für den Verkauf von Waren über das Internet und deren Lieferung zum Verbraucher nach Hause angenommen (ausschließlich Art. 34 AEUV).398 Auch die Verbreitung von Werbeaussagen ist grundsätzlich gegenüber dem Vertrieb der Waren als untergeordnet anzusehen.399 Demgegenüber ist die Bereitstellung von Decodern zum Empfang kodierter Rundfunkdienste (Pay-TV) eine bloße „Modalität der Organisation oder Abwicklung“ der Dienstleistungserbringung und allein am Maßstab der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen.400 Die Regelung der Abschlussprovisionen für Verbraucherkredite betrifft nur die Dienstleistungs- und nicht die Kapitalverkehrsfreiheit.401 Eine Schwerpunktbetrachtung ist allerdings nur dann möglich, wenn die „gemisch100 te Leistung“ dieselbe Rechtsbeziehung betrifft. Deshalb scheidet die Verdrängung einer Grundfreiheit durch eine andere aus, wenn die Leistungen und damit die Grundfreiheiten unterschiedliche Rechtsverhältnisse402 oder unterschiedliche Anbieter403 (z.B. Warenhändler und Werbedienstleister) betreffen. Ebenso ist zwischen den Grundfreihei99
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394 Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 564 Fn. 17. 395 Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 64 f.; differenzierend Epiney Umgekehrte Diskriminierungen (1995), S. 177 ff., 339 ff. Für eine partielle Einbeziehung der Inländerdiskriminierung in das Unionsrecht Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 6.5.2004 – C-72/03 – Slg. 2004, I-8027 Tz. 63 f. – Carbonati Apuani. 396 Zum Zusammenhang von Warenabsatz und Dienstleistung vgl. EuGH 7.7.2005 – C-418/02 – Slg. 2005, I-5873 Tz. 34 – Praktiker Bau. 397 EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 43 – Ker-Optika; EuGH (Große Kammer) 23.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 78 – Murphy. Demgegenüber lässt sich aus Art. 57 AEUV kein genereller Nachrang der Dienstleistungsfreiheit ableiten, EuGH (Große Kammer) 3.10.2006 – C-452/04 – Slg. 2006, I-9521 Tz. 32 – Fidium Finanz. 398 EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 44 – Ker-Optika; siehe auch EuGH 26.5.2005 – C-20/03 – Slg. 2005, I-4133 Tz. 35 – Burmanjer (ambulanter Verkauf von Waren betrifft nur Warenverkehrsfreiheit), EuGH 24.3.1994 – C-275/92 – Slg. 1994, I-1039 Tz. 22 ff. – Schindler (Verkauf von Lotterielosen betrifft nur Dienstleistungsfreiheit). 399 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 47 – Karner. 400 EuGH (Große Kammer) 23.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 81 ff. – Murphy; zur parallelen Anwendung von Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit demgegenüber EuGH 22.1.2002 – C-390/99 – Slg. 2002, I-607 Tz. 29 ff. – Canal Satélite. 401 EuGH 12.7.2012 – C-602/10 – SC Volksbank România – Tz. 70 f. 402 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 21.10.2008 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 108 f. – VTB-VAB und Galatea. 403 EuGH 26.4.1988 – 352/85 – Slg. 1988, 2085 Tz. 13 ff. – Bond van Adverteereders; EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 44 ff., 50 – de Agostini; EuGH 28.10.1999 – C-6/98 – Slg. 1999, I-7599 Tz. 47 ff. – Pro Sieben Media.
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ten zu unterscheiden, wenn sich die „gemischte Leistung“ in selbständige Einzelleistungen aufgliedern lässt404 oder wenn sich eine Zweitrangigkeit einer Teilleistung nicht ausmachen lässt.405 Aus der Warenverkehrsfreiheit auszunehmen ist auch die Erfüllung der aus grenzüberschreitenden Warenabsätzen resultierenden Zahlungsverpflichtungen, die der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) unterliegt.406 2. Warenverkehrsfreiheit: Schutzbereich Artikel 34 AEUV Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Artikel 35 AEUV Mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.
Die Warenverkehrsfreiheit407 gewährleistet das Recht, Waren „zu erwerben, anzubie- 101 ten, auszustellen oder feilzuhalten, zu besitzen, herzustellen, zu befördern, zu verkaufen, entgeltlich oder unentgeltlich abzugeben, einzuführen oder zu verwenden“.408 Waren sind (bewegliche) „Erzeugnisse, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können“.409 Dazu zählen auch Abfälle,410 Spiele für elektronische Rechner411 und Elektrizität,412 nicht aber Rechte,413 Ausweise für Heimtiere414 oder Geld, das unter die Kapitalverkehrsfreiheit fällt. Die Waren müssen nach Art. 28 Abs. 2 AEUV aus einem Mitgliedstaat stammen oder sich als drittstaatliche Waren im freien Verkehr in den Mitgliedstaaten befinden.415 Als reine Produktverkehrsfreiheit knüpft die
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404 Für ein Beispiel EuGH 30.4.1974 – 155/73 – Slg. 1974, 409 Tz. 6 ff. – Sacchi (Fernsehsendung als Dienstleistung, Handel mit Tonträgern, Filmen und Erzeugnissen für die Ausstrahlungen als freier Warenverkehr). 405 EuGH 22.1.2002 – C-390/99 – Slg. 2002, I-607 Tz. 32 f. – Canal Satélite. 406 EuGH 23.2.1995 – C-358/93 und C-416/93 – Slg. 1995, I-361 Tz. 12 ff. – Bordessa. 407 Vorrangige Regeln des Primärrechts finden sich für Beeinträchtigungen fiskalischer Art mit zollgleicher Wirkung (Art. 28, 30, 110 AEUV; dazu EuGH 17.6.2003 – C-383/01 – Slg. 2003, I-6065 Tz. 32 – De Danske Bilimportorer; EuGH 7.4.2011 – C-402/09 – IStR 2011, 342 Tz. 33 – Tatu), für staatliche Handelsmonopole (Art. 37 AEUV; Bestimmungen über das Bestehen und die Funktionsweise des Monopols sind an Art. 37 AEUV zu messen, während die Auswirkungen der anderen nationalen Bestimmungen, die sich von der Funktionsweise des Monopols trennen lassen, Art. 34 AEUV unterfallen, EuGH 5.6.2007 – C-170/04 – Slg. 2007, I-4071 Tz. 17 f. – Rosengren; EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 22 f. – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre); für landwirtschaftliche Produkte mit gemeinsamer Marktorganisation (Art. 38 Abs. 2, 39 ff. AEUV) und für Waffen, Munition und Kriegsmaterial (Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV). Das Verhältnis zu den Beihilfevorschriften ist unsicher, vgl. Calliess/Ruffert/ Cremer Art. 107 AEUV Rn. 81 ff.; tendenziell für Idealkonkurrenz EuGH 13.3.2001 – C-379/98 – Slg. 2001, I-2099 Tz. 54 ff., 68 ff. – PreussenElektra. Zum Vorrang des Sekundärrechts bereits oben Rn. 90. 408 EuGH 27.6.1996 – C-293/94 – Slg. 1996, I-3159 Tz. 6 – Brandsma (zu Maßnahmen gleicher Wirkung i.S.d. Art. 34 AEUV); zusammenfassend zur Warenverkehrsfreiheit auch SEC(2009) 673 final. 409 EuGH 12.12.1968 – 7/68 – Slg. 1968, 617, 626 – Kommission/Italien; EuGH 14.4.2011 – C-42/10, C-45/10 und C-57/10 – Tz. 68 – Vlaamse Dierenartsenvereniging VZW. 410 EuGH 9.7.1992 – C-2/90 – Slg. 1992, I-4431 Tz. 28 – Kommission/Belgien. 411 EuGH 26.10.2006 – C-65/05 – Slg. 2006, I-10341 Tz. 24 – Kommission/Griechenland. 412 EuGH 27.4.1994 – C-393/92 – Slg. 1994, I-1477 Tz. 28 – Almelo. 413 EuGH 21.10.1999 – C-97/98 – Slg. 1999, I-7319 Tz. 33 ff. – Jägerskiöld: Aktien, Schuldverschreibungen und Wertpapiere. 414 EuGH 14.4.2011 – C-42/10, C-45/10 und C-57/10 – Tz. 69 – Vlaamse Dierenartsenvereniging VZW. 415 Zum Begriff Art. 29 AEUV; zu Waren aus Drittstaaten Art. 207 AEUV.
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Warenverkehrsfreiheit nur an die Wareneigenschaft an, so dass sich auch Drittstaatsangehörige auf sie berufen können.416 Die Warenverkehrsfreiheit verbietet – vorbehaltlich einer Rechtfertigung – sowohl 102 mengenmäßige Handelsbeschränkungen wie Maßnahmen gleicher Wirkung. Mengenmäßige Handelsbeschränkungen417 zielen durch vollständige418 oder nach Menge, Wert oder Zeitraum beschränkte419 Handelsverbote spezifisch auf die Ein-, Aus- oder Durchfuhr und bewirken eine unüberwindbare Handelsbeschränkung, während Maßnahmen gleicher Wirkung den Handel regelmäßig nur verteuern.420 Zumindest aus der Perspektive des Lauterkeitsrechts haben mengenmäßige Handelsbeschränkungen heutzutage keine Bedeutung mehr.421 Deshalb konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf das Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung.422 103
a) Die Dassonville-Formel: Unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder potentielle Handelsbehinderung. Unter einer „Maßnahme gleicher Wirkung“ wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung i.S.d. Art. 34 AEUV versteht der EuGH seit der grundlegenden423 Dassonville-Entscheidung aus dem Jahr 1974 „jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“.424 Mit der weiten Dassonville-Formel, spätestens aber mit der Folgeentscheidung Cassis de Dijon425 eröffnete
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416 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Leible/T. Streinz Art. 34 AEUV Rn. 32; a.A. Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 33 (nur Unionsbürger). 417 Zur einheitlichen Auslegung in Art. 34 und Art. 35 AEUV EuGH 12.7.1973 – 2/73 – Slg. 1973, 865 Tz. 7 – Risi; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 17.7.2008 – C-205/07 – Slg. 2008, I-9947 Tz. 29 – Gysbrechts. 418 EuGH 14.12.1979 – 34/79 – Slg. 1979, 3795 Tz. 12 – Henn und Darby. 419 EuGH 12.7.1973 – 2/73 – Slg. 1973, 865 Tz. 7 – Geddo: „gänzliche oder teilweise Untersagung der Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr“. 420 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Leible/T. Streinz Art. 34 AEUV Rn. 52. 421 Zum Bedeutungsverlust MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 22 ff.; siehe aber zum schwedischen Importverbot für Alkohol unlängst EuGH (Große Kammer) 5.6.2007 – C-170/04 – Slg. 2007, I-4071 Tz. 33 – Rosengren. 422 Die folgende Darstellung konzentriert sich auf die lauterkeitsrechtliche Perspektive und die Judikatur des Gerichtshofs. Die vor allem im europarechtlichen Schrifttum vorgebrachten alternativen Konzepte, insbesondere die Interpretation der Grundfreiheiten als reine Gleichheitsrechte, können hier nicht vertieft werden, dazu insbesondere Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 69 ff.; Rn. 73: „Beeinträchtigung anzunehmen, wenn es nicht gelingt, die Ungleichbehandlung ohne Rückgriff auf die verbotenen Differenzierungskriterien zu begründen“. 423 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 33 – Kommission/Italien; EuGH 6.11.2011 – C-443/10 – BeckRS 2011, 81435 Tz. 26 – Bonnarde; zur Integration von Dassonville in den Beeinträchtigungsbegriff der neuen Drei-Stufen-Formel unten Rn. 132. 424 EuGH 11.7.1974 – 8/74 – Slg. 1974, 837 Tz. 5 – Dassonville. Siehe auch bereits Art. 3 der Richtlinie 70/50/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1969, gestützt auf die Vorschriften des Artikels 33 Absatz 7 über die Beseitigung von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, die nicht unter andere auf Grund des EWG-Vertrags erlassene Vorschriften fallen, ABl. L 13 vom 19.1.1970, S. 29: „Diese Richtlinie betrifft weiterhin die Maßnahmen über die Vermarktung von Waren, insbesondere betreffend die Form, die Ausmaße, das Gewicht, die Zusammensetzung, die Aufmachung, die Identifizierung, die Aufbereitung, welche unterschiedslos auf inländische und eingeführte Maßnahmen anwendbar sind und deren beschränkende Wirkungen auf den Warenverkehr den Rahmen der solchen Handelsregelungen eigentümlichen Wirkungen überschreiten. Dies ist insbesondere der Fall, – wenn die den freien Warenverkehr beschränkende Wirkung außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel steht; – wenn das gleiche Ziel durch ein anderes Mittel erreicht werden kann, das den Warenaustauch am wenigsten behindert“. 425 EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8 – Rewe Zentral, „Cassis de Dijon“: „Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben, [müssen nur dann] hingenommen werden, soweit diese
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der Gerichtshof den Tatbestand des Art. 34 AEUV auch für unterschiedslos anwendbare Maßnahmen. Art. 34 AEUV wurde ausgebaut von einem Diskriminierungsverbot zu einem Prinzip der „gegenseitigen Anerkennung von Erzeugnissen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht wurden“ (Herkunfts- oder Ursprungslandprinzip).426 Vor allem produktbezogene Regeln der Mitgliedstaaten, die dazu führen, dass im Ursprungsstaat rechtmäßig hergestellte und in Verkehr gebrachte Waren im Zielstaat bestimmten Vorschriften entsprechen müssen, wurden nunmehr als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen angesehen, selbst wenn diese Vorschriften unterschiedslos für in- wie ausländische Erzeugnisse galten.427 Art. 34 AEUV fiel damit generell die Aufgabe zu, den „Erzeugnissen aus der Gemeinschaft einen freien Zugang zu den nationalen Märkten zu gewährleisten“.428 Bereits nach dem Wortlaut des Art. 34 AEUV („Maßnahme gleicher Wirkung“) setzt 104 die Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit nicht voraus, dass eine mitgliedstaatliche Maßnahme auf eine Beschränkung der Einfuhren abzielt429 oder einen besonderen Handelsbezug aufweist.430 Ebenso wenig ist es zur Feststellung einer Maßnahme gleicher Wirkung erforderlich, einen Rückgang der Einfuhren konkret nachzuweisen („potentiell zu behindern“).431 Infolge des weiten Beeinträchtigungsbegriffs gerieten auch lauterkeitsrechtliche Normen in den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit, wobei
_____ Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden“; siehe auch Sack EWS 2011, 265, 266 Fn. 8 und 9 m.w.N. Die ebenfalls mit Cassis de Dijon verbundene Erweiterung der geschriebenen Rechtfertigungstatbestände des Art. 36 AEUV um die ungeschriebenen „zwingenden Erfordernisse“ des Allgemeinwohls wird hier als Frage der Rechtfertigung, nicht des Vorliegens eines „Maßnahme gleicher Wirkung“ verstanden, so auch EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 58 f. – Kommission/Italien m.w.N.: „stellt […] eine Maßnahme mit gleicher Wirkung […] dar“, „kann durch einen der in Art. 30 EG aufgezählten Gründe des Gemeinwohls oder zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein“. 426 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 34 – Kommission/Italien; grundlegend EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 14 – Rewe Zentral, „Cassis de Dijon“: Es gebe „keinen stichhaltigen Grund dafür, zu verhindern, dass in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte und in Verkehr gebrachte alkoholische Getränke in die anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden“; siehe auch die Mitteilung der Kommission über die Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 („Cassis de Dijon“), ABl. 1980 Nr. C 256/2 und das Weißbuch Vollendung des Binnenmarkts, KOM (85) 310 S. 6, 19 Rn. 13, 65. Zur Umsetzung bei technischen Vorschriften Verordnung (EG) Nr. 764/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 zur Festlegung von Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter nationaler technischer Vorschriften für Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 3052/95/EG, ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 21. 427 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 35 – Kommission/Italien. 428 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 34 – Kommission/Italien; siehe bereits EuGH 14.7.1983 – 174/82 – Slg. 1983, 2445 Tz. 26 – Sandoz: „Das mit dem freien Warenverkehr verfolgte Ziel besteht gerade darin, für die Erzeugnisse der verschiedenen Mitgliedstaaten den Zugang zu Märkten zu gewährleisten, auf denen sie vorher nicht erhältlich waren“. 429 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 35 – Kommission/Italien: „bezweckt oder bewirkt wird, Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln“ (Hervorhebung nicht im Original); siehe auch EuGH 11.7.1985 – 60/84 und 61/84 – Slg. 1985, 2605 Tz. 21 – Cinéthéque. 430 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Leible/T. Streinz Art. 34 AEUV Rn. 62. 431 EuGH (Große Kammer) 14.12.2004 – C-463/01 – Slg. 2004, I-11705 Tz. 65 – Kommission/Deutschland (Maßnahme gleicher Wirkung trotz Ansteigens der Einfuhren); ähnlich EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-7195 Tz. 22 – Gourmet (Anstieg ausländischer Einfuhren hätte ohne Maßnahme noch größer sein können); anschaulich auch EuGH 22.10.1998 – C-184/96 – Slg. 1998, I-6197 Tz. 17 – Kommission/ Frankreich (nicht ein einziger konkreter Fall mit Bezug zum einem anderen Mitgliedstaat muss eingetreten sein). Wird der Nachweis geführt, spricht dies allerdings für eine Maßnahme gleicher Wirkung, EuGH 26.10.2006 – C-65/05 – Slg. 2006, I-10341 Tz. 30 – Kommission/Griechenland.
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sich ein konkreter Änderungsbedarf für das deutsche Recht erst zu Beginn der neunziger Jahre abzeichnete.432 Während der EuGH den Begriff der Maßnahme gleicher Wirkung bei den Einfuhrbe105 schränkungen (Art. 34 AEUV) sehr früh zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot ausbaute, wurde der Parallelbegriff bei den Ausfuhrbeschränkungen (Art. 35 AEUV433) lange Zeit als reines Diskriminierungsverbot verstanden.434 Nach der Groenveld-Formel sollte Art. 35 AEUV nur Maßnahmen erfassen, „die spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken und damit unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel eines Mitgliedstaats und für seinen Außenhandel schaffen, so dass die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangt“.435 In jüngerer Zeit deutet sich allerdings an, dass der EuGH auch den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung in Art. 35 AEUV in Richtung eines Beschränkungsverbots zu öffnen sucht.436 Aufgrund dieser Anzeichen für eine Parallelisierung von Art. 34 und Art. 35 AEUV und der erheblich geringeren Bedeutung von Ausfuhrbeschränkungen für das Lauterkeitsrecht konzentriert sich die folgende Darstellung auf den Begriff der Maßnahme gleicher Wirkung in Art. 34 AEUV.437
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432 Insbesondere mit EuGH 7.3.1990 – 362/88 – Slg. 1990, I-667 Tz. 8, 13 ff. – GB-INNO-BM (Werbung mit Verkaufsangeboten zu herabgesetzten Preisen und unter Hinweis auf die Dauer des Angebots sowie auf die früheren Preise) und EuGH 18.5.1993 – C-126/91 – Slg. 1993, I-2361 Tz. 9 ff., 22 – Yves Rocher (Verbot der Werbung mit Eigenpreisvergleichen); zu produktbezogenen Maßnahmen auch bereits EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 13, 15 ff. – Pall; zu diskriminierenden Maßnahmen auch bereits EuGH 6.11.1984 – 177/83 – Slg. 1984, 3651 Tz. 15 ff. – Kohl. Die früheren Entscheidungen EuGH 10.7.1980 – 152/78 – Slg. 1980, 2299 Tz. 11, 17 f. – Kommission/Frankreich (Werbeverbot für Alkohol gerechtfertigt sofern nicht diskriminierend); EuGH 2.3.1982 – 6/81 – Slg. 1982, 707 Tz. 7, 9 ff. – Beele (Verbot der sklavischen Nachahmung zwar Maßnahme gleicher Wirkung, aber gerechtfertigt); EuGH 15.12.1982 – 286/81 – Slg. 1982, 4575 Tz. 15 ff. – Oosthoek (Zugabenverbot zwar Maßnahme gleicher Wirkung, aber gerechtfertigt); EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299 Tz. 22 ff. – Prantl (Verwendung von Bocksbeutelflaschen Maßnahme gleicher Wirkung und nicht gerechtfertigt, ebenso bereits BGH 26.1.1979 – I ZR 112/78 – GRUR 1979, 415, 416 – Cantil-Flasche: „Rest von Täuschungsgefahr […] hinzunehmen“) und EuGH 16.5.1989 – 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 9, 13 ff. – Buet (Verbot des Haustürverkaufs für pädagogisches Material zwar Maßnahme gleicher Wirkung, aber gerechtfertigt) billigten entweder die nationale Regelung oder hatten auf das deutsche Recht keinen Einfluss. 433 Sofern nicht die Waren Gegenstand einer gemeinsamen Marktordnung nach Art. 40 AEUV waren, wo auch bei Ausfuhrbeschränkungen die Dassonville-Formel galt, EuGH 26.2.1980 – 94/79 – Slg. 1980, 327 Tz. 8 – Vriend; EuGH 15.4.1997 – C-272/95 – Slg. 1997, I-1905 Tz. 24 – Deutsches Milch-Kontor; EuGH 3.3.2011 – C-161/09 – GRUR Int. 2011, 314 Tz. 27 – Kakavetsos-Frakopoulos. 434 EuGH 7.2.1984 – 237/82 – Slg. 1984, 483 Tz. 22 – Jongeneel Kaas; EuGH 24.3.1994 – C-80/92 – Slg. 1994, I-1019 Tz. 24 f. – Kommission/Belgien. 435 EuGH 8.11.1979 – 15/79 – Slg. 1979, 3409 Tz. 7 – Groenveld. 436 EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-205/07 – Slg. 2008, I-9947 Tz. 43 f. – Gysbrecht: ein unterschiedslos für alle Wirtschaftsteilnehmer geltendes Verbot, beim Fernabsatz vor Ablauf der Rücktrittsfrist eine Anzahlung zu verlangen, betreffe „tatsächlich“ die Ausfuhren „stärker als den Absatz der Waren auf dem inländischen Markt“ und stelle deshalb eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung dar. Dies wird als Annäherung an die Dassonville-Formel gedeutet, Brigola EuZW 2009, 479, 482; Safari ZEuP 2011, 706, 712, 719. 437 Im Anwendungsbereich des Art. 35 AEUV ist aus lauterkeitsrechtlicher Perspektive vor allem die Rechtsprechung zur Bindung der Verwendung einer geographischen Herkunftsangabe an Bedingungen erwähnenswert, die das Erzeugungsgebiet betreffen, EuGH 3.3.2011 – C-161/09 – GRUR Int. 2011, 314 Tz. 30 – Kakavetsos-Frakopoulos: „Bindung der Verwendung einer […] g.U. [geographischen Ursprungsangabe] an Bedingungen, die das Erzeugungsgebiet betreffen, [stellt] ebenfalls eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 29 EG [Art. 35 EUV]“ dar. Diese Maßnahme kann allerdings zum Schutz der Rechte an geographischen Ursprungsangaben als „Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums“ (Art. 36 AEUV) gerechtfertigt sein, EuGH 20.3.2003 – C-108/01 – Slg. 2003, I-5121 Tz. 62 ff. – Consorzio del Prosciutto di Parma; EuGH 3.3.2011 – C-161/09 – GRUR
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b) Grenzen der Dassonville-Formel. Infolge der Ausweitung des Beeinträchti- 106 gungsbegriffs durch die weite Dassonville-Formel entstand ein Bedürfnis, den Begriff der Maßnahme gleicher Wirkung zu begrenzen, um nicht jede nationale Handelsbeschränkung durch ein „zwingendes Erfordernis“ oder ein Schutzgut des Art. 36 AEUV rechtfertigen zu müssen.438 Diese Bemühungen mündeten in zwei Rechtsprechungsstränge, die bis heute die Grenzen des Art. 34 AEUV markieren. Zum einen darf die Handelsbehinderung „nicht zu ungewiss und zu mittelbar“ sein (Relevanzregel), zum anderen werden bestimmte Verkaufsmodalitäten nicht als geeignet angesehen, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern (Keck). aa) Handelsbehinderung zu ungewiss und zu mittelbar (Relevanzregel). Eine 107 erste Begrenzung des Art. 34 AEUV setzt am Kausalzusammenhang zwischen mitgliedstaatlicher Maßnahme und Handelsbehinderung an.439 Seit den achtziger Jahren finden sich Entscheidungen des Gerichtshofs, in denen er bestimmten Maßnahmen eine Eignung zur Handelsbehinderung abspricht, weil die restriktiven Wirkungen auf den freien Warenverkehr „zu ungewiss und zu mittelbar“ sind, als dass die Maßnahme „als geeignet angesehen werden könnte, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern“.440 Diese Fallgruppe wurde zuweilen als Widerspruch zur Dassonville-Formel angesehen, weil Dassonville ausdrücklich auch potentielle (ungewisse) und mittelbare Handelsbehinderungen als Maßnahme gleicher Wirkung qualifiziert.441 Wenn man die Dassonville-Formel indes nicht uferlos weit verstehen will, so lässt sich die Relevanzformel durchaus als ihr Gegenstück begreifen, indem sie schlichtweg diejenigen Maßnahmen umschreibt, bei denen der Kausalzusammenhang so hypothetisch und konstruiert ist,442 dass er selbst den weiten Kriterien von Dassonville nicht mehr genügt.443 Die Relevanzformel ist nicht im Sinne eines quantitativen Spürbarkeitserfordernisses zu verstehen,444 sondern kommt dort zum Tragen, wo eine mitgliedstaatliche Regelung so weit vom Einfuhr- und Absatzgeschäft entfernt oder ihm nachgelagert ist, dass die Marktteilnehmer sie nicht in die Entscheidung über den Warenimport oder den Erwerb
_____ Int. 2011, 314 Tz. 37 ff. – Kakavetsos-Frakopoulos. Zum abschließenden Charakter der VO 510/2006 EuGH (Große Kammer) 8.9.2009 – C-478/07 – Slg. 2009, I-7721 Tz. 129 – Budějovický Budvar. 438 Überblick über die Rechtsprechung bis 1993 in den Schlussanträgen des Generalanwalts Tesauro vom 27.10.1993 – C-292/92 – Slg. 1993- I-6800 Tz. 12 ff. – Hünermund. 439 Vgl. die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 17.7.2008 – C-205/07 – Slg. 2008, I-9947 Tz. 56 – Gysbrechts (zu Art. 35 AEUV): „Bei dem genannten Kriterium handelt es sich wohlgemerkt um den Kausalzusammenhang zwischen der Maßnahme und der Ausfuhrbeschränkung, nicht aber um die Frage der Intensität der Ausfuhrbeschränkung“. 440 EuGH 13.10.1993 – C-93/92 – Slg. 1993, I-5009 Tz. 12 – CMC Motorradcenter; zuvor bereits EuGH 25.11.1986 – 148/85 – Slg. 1986, 3449 Tz. 19 – Forest; EuGH 7.3.1990 – C-69/88 – Slg. 1990, I-583 Tz. 11 – Krantz; EuGH 7.4.2011 – C-291/09 – EuZW 2011, 429 Tz. 17 – Guarnieri; kritisch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 14.12.2006 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 46 – Mickelsson und Roos: Kriterien schwer zu konkretisieren und der Rechtssicherheit abträglich; siehe auch EuGH 24.1.1991 – C-339/89 – Slg. 1991, I-107 Tz. 14 f. – Alsthom Atlantique (allerdings zu Maßnahmen gleicher Wirkung wie Ausfuhrbeschränkungen, Art. 35 AEUV). 441 MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 99. 442 Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 55; Streinz/Schroeder Art. 34 AEUV Rn. 71. 443 Treffend Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1430 f., 1469: „rule of remoteness“, „part and parcel of the Dassonville formula“. 444 So aber Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 11.7.2002 – C-112/00 – Slg. 2003, I-5659 Tz. 65 – Schmidberger; in diese Richtung auch EuGH (Große Kammer) 21.7.2005 – C-231/03 – Slg. 2005, I7287 Tz. 20 – Coname (zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit); siehe unten Rn. 109 zur Ablehnung eines Spürbarkeitserfordernisses.
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von Importware einstellen werden.445 Sie findet sich auch bei anderen Grundfreiheiten.446 Die Relevanzformel kommt insbesondere bei den Regeln des allgemeinen Zivil- (z.B. 108 Vertrags- und Sachenrechts) und Zivilprozessrechts der Mitgliedstaaten zur Anwendung. Beispiele sind etwa die aus culpa in contrahendo begründete vorvertragliche Aufklärungspflicht im Vertragsrecht,447 die Regeln über ein Pfandrecht des Fiskus an unter Eigentumsvorbehalt stehender Importware,448 die Prozesskostensicherheit für Ausländer,449 die fehlende Möglichkeit eines Mahnverfahrens gegen im Ausland ansässige Schuldner,450 das Erfordernis einer Übersetzung von Patentschriften,451 die Kontingentierung der Mehlerzeugung, 452 die Erlaubnispflicht bei Eröffnung von Einzelhandelsgeschäften,453 die staatliche Festsetzung der Tarife im Güterkraftverkehr,454 die Regeln zur Entsorgung von chemischen Substanzen,455 die Verpflichtung von Mineralölgroßhändlern zur Versorgung bestimmter Inseln456 und die Pflicht zur Inanspruchnahme örtlicher Festmacherdienste in Häfen.457 Die Relevanzformel ist allerdings nicht im Sinne eines an die Intensität, die Wesent109 lichkeit oder den Umfang der Handelsbehinderung anknüpfenden Spürbarkeitserfordernisses zu verstehen.458 Nach diesem immer wieder vorgeschlagenen Kriterium soll eine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit (bei nicht-diskriminierenden) Maßnahmen nur dann bejaht werden, wenn sie den Absatz von Importware wesentlich oder spürbar beeinträchtigen.459 Demgegenüber hat der EuGH quantitative Anforderungen an
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445 Die zuweilen in diesem Zusammenhang ebenfalls zitierte Entscheidung EuGH 25.5.2005 – C-20/03 – Slg. 2005, I-4133 Tz. 31 („zu unbedeutend und zufällig“) – Burmanjer zum ambulanten Verkauf von Abonnements ist m.E. eher der Keck-Ausnahme zuzuordnen. 446 EuGH – C-190/98 – Slg. 2000, I-493 Tz. 24 f. – Graf (Ausschluss der Abfindung bei eigener Kündigung des Arbeitnehmers keine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit); EuGH (Große Kammer) 15.10. 2010 – C-211/08 – Slg. 2010, I-5267 Tz. 72 – Kommission/Spanien (zur Dienstleistungsfreiheit). 447 EuGH 13.10.1993 – C-93/92 – Slg. 1993, I-5009 Tz. 12 – CMC Motorradcenter: „Demnach sind die restriktiven Wirkungen, die von der [vorvertraglichen] Aufklärungspflicht auf den freien Warenverkehr ausgehen könnten, zu ungewiß und zu mittelbar, als daß diese Verpflichtung als geeignet angesehen werden könnte, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern“. 448 EuGH 7.3.1990 – C-69/88 – Slg. 1990, I-583 Tz. 11 – Krantz: „daß Bürger anderer Mitgliedstaaten zögern würden, Sachen an Käufer in dem betreffenden Mitgliedstaat auf Raten zu verkaufen, weil die Gefahr bestünde, daß diese Sachen vom Steuereinnehmer gepfändet würden, wenn die Käufer ihre niederländischen Steuerschulden nicht beglichen, ist weiter so ungewiß und von nur mittelbarer Bedeutung, daß eine nationale Bestimmung, die eine solche Pfändung zulässt, nicht als geeignet angesehen werden kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern“. 449 EuGH 7.4.2011 – C-291/09 – EuZW 2011, 429 Tz. 17 – Guarnieri. Diskriminierende Vorschriften des Prozessrechts sind allerdings unabhängig von Art. 34 AEUV bereits durch das allgemeine Verbot einer Diskriminierung anhand der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) untersagt, Heinze JZ 2011, 709, 712. 450 EuGH 22.6.1999 – 412/97 – Slg. 1999, I-3845 Tz. 11 – ED (allerdings zum engeren Art. 35 AEUV). Ein entsprechendes Mahnverfahren ist inzwischen durch die Verordnung Nr. 1896/2006 eingeführt worden. 451 EuGH 21.9.1999 – C-44/98 – Slg. 1999, I-6269 Tz. 21 – BASF. 452 EuGH 25.11.1986 – 148/85 – Slg. 1986, 3449 Tz. 19 – Forest. 453 EuGH 17.10.1995 – C-140/94, C-141/94 und C-142/94 – Slg. 1995, I-3257 Tz. 29 – DIP. 454 EuGH 5.10.1995 – C-96/94 – Slg. 1995, I-2883 Tz. 41 – Centro Servizi Spediporto. 455 EuGH 14.7.1994 – C-379/92 – Slg. 1994, I-3453 Tz. 24 – Peralta. 456 EuGH 30.11.1995 – C-134/94 – Slg. 1995, I-4223 Tz. 24 – Esso Española. 457 EuGH 18.6.1998 – C-266/96 – Slg. 1998, I-3949 Tz. 22 – Corsica Ferries. 458 Siehe nur EuGH 18.5.1993 – C-126/91 – Slg. 1993, I-2361 Tz. 21 – Yves Rocher. 459 Jüngst erneut Barnard The Substantive Law of the EU, 3. Aufl. (2010), S. 107, 143 f. unter Hinweis auf EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 56 – Kommission/Italien; Sack EWS 2011, 265, 279; bereits ders. EWS 1994, 37, 40 f., 45; ferner Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom
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den Umfang der Beeinträchtigung i.S.e. Wesentlichkeit oder Spürbarkeit stets zurückgewiesen.460 Die Skepsis erscheint berechtigt, weil ein Spürbarkeitserfordernis im Recht des Warenverkehrs viel schwieriger zu konkretisieren ist als bei Art. 101 AEUV, wo auf Marktanteile und Umsatzzahlen zurückgegriffen werden kann.461 Zudem soll Art. 34 AEUV ja gerade den erstmaligen Marktzutritt für ausländische Anbieter eröffnen, so dass über die Spürbarkeit einer Beeinträchtigung zu einem Zeitpunkt zu entscheiden wäre, zu dem die quantitativen Wirkungen kaum zuverlässig beurteilt werden können. bb) Bestimmte Verkaufsmodalitäten (Keck). Eine zweite Ausnahme zu Dassonvil- 110 le betrifft Verkaufsmodalitäten. Auch hier zeichnete sich seit den achtziger Jahren ab, dass der EuGH manche vertriebsbezogene Regelungen nicht als Maßnahme gleicher Wirkung ansehen wollte.462 In der Rechtssache Keck rationalisierte der Gerichtshof diese Zurückhaltung durch eine allgemeine Unterscheidung zwischen produktbezogenen Regeln und bestimmten 463 Verkaufsmodalitäten. Bei der Anwendung der KeckDoktrin ist allerdings zu berücksichtigen, dass der EuGH den Begriff der Maßnahme gleicher Wirkung seit 2009 durch eine neue Drei-Stufen-Formel umschreibt, die auch die Elemente der Keck-Doktrin neu justiert, insbesondere den Fokus vom formalen Kriterium der Verkaufsmodalität zu den materiellen Wirkungen der Maßnahme für den Marktzugang verschiebt.464 (1) Produktbezogene Regeln. Für produktbezogene Regeln, also Vorschriften für 111 Waren „hinsichtlich ihrer Bezeichnung, ihrer Form, ihrer Abmessungen, ihres Gewichts,
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12.12.1989 – C-69/88 – Slg. 1990, I-583 Tz. 11 – Krantz; Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 24.11.1994 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 Tz. 41 f., 49 – Leclerc-Siplec. 460 EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299 Tz. 20 – Prantl; EuGH 5.4.1984 – 177/82 und 178/82 – Slg. 1984, 7197 Tz. 13 – van de Haar; EuGH 18.5.1993 – C-126/91 – Slg. 1993, I-2361 Tz. 21 – Yves Rocher; EuGH 3.12.1998 – C-67/97 – Slg. 1998, I8033 Tz. 9, 19 f. – Bluhme (Art. 34 AEUV beeinträchtigt, obwohl die Beschränkung nur eine dänische Insel mit 2365 Einwohnern betrifft); EuGH 11.9.2008 – C-141/07 – Slg. 2008, I-6935 Tz. 43 – Kommission/Deutschland; ebenso MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 111. 461 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Leible/T. Streinz Art. 34 AEUV Rn. 65; Streinz/Schroeder Art. 34 AEUV Rn. 70. 462 Siehe etwa EuGH 14.7.1981 – 155/80 – Slg. 1981, 1993 Tz. 20 – Oebel (Verbot der Abgabe von Backwaren zur Nachtzeit an Endverbraucher und den Einzelhandel „kann keine Beschränkung der Einfuhr oder Ausfuhr zwischen den Mitgliedstaaten bewirken); EuGH 31.3.1982 – 75/81 – Slg. 1982, 1211 Tz. 8 f. – Blesgen („beschränkende Wirkung“ eines Verbots des Verkaufs hochprozentiger Alkoholika auf öffentlichen Plätzen überschreitet nicht „den Rahmen der solchen Handelsregelungen eigentümlichen Wirkungen“); EuGH 23.11.1989 – C-145/88 – Slg. 1989, 3851 Tz. 14 – Torfaen (innerstaatliche Regelung der Verkaufszeiten im Einzelhandel „nicht dazu bestimmt, die Handelsströme zwischen den Mitgliedstaaten zu regeln“); EuGH 11.7.1990 – C-23/89 – Slg. 1990, I-3059 Tz. 11 – Quietlynn und EuGH 7.5.1991 – C-350/89 – Slg. 1991, I-2389 (Verbote des Verkaufs nicht verbotener Sexartikel in Sexshops bzw. im Versandhandel ohne Konzession „stehen in Wirklichkeit in keinem Zusammenhang mit dem innergemeinschaftlichen Handelsverkehr, da die Erzeugnisse, für die dieses Gesetz gilt, in Ladengeschäften“ mit Konzession „und über andere Vertriebswege abgesetzt werden können“). Siehe auch die Analyse der Entscheidungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts Tesauro vom 27.10.1993 – C-292/92 – Slg. 1993, I-6800 Tz. 12 ff. – Hünermund und den Schlussanträgen des Generalanwalts van Gerven vom 18.11.1992 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1994, I-6097 Tz. 5 Fn. 9 – Keck und Mithouard. 463 Das Adjektiv „bestimmt“ wird zuweilen genutzt, um zu unterstreichen, dass „sonstige Verkaufsmodalitäten“, die nicht den Kriterien rechtlicher und tatsächlicher Neutralität genügen, nicht unter die Keck-Formel fallen, vgl. MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 150, 156. 464 Dazu unten Rn. 121. Aufgrund der Unsicherheiten über die Konsequenzen der neuen Formel für die Keck-Doktrin (dazu unten Rn. 134–136) wird hier im Interesse der Übersichtlichkeit für die mit der traditionellen Lesart vertrauten Leser an einer eigenen Darstellung der Keck-Doktrin festgehalten, auch wenn sie nach hier zugrunde gelegtem Verständnis in der neuen Formel aufgeht.
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ihrer Zusammensetzung, ihrer Aufmachung, ihrer Etikettierung und ihrer Verpackung“,465 bestätigte der EuGH in Keck zunächst die bereits aus Cassis de Dijon466 bekannte Formel: „Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften daraus ergeben, dass Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften entsprechen müssen (wie etwa hinsichtlich ihrer Bezeichnung, ihrer Form, ihrer Aufmachung, ihrer Etikettierung und ihrer Verpackung), [stellen] selbst dann, wenn diese unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten, nach Artikel 30 EWGVertrag [Art. 34 AEUV] verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung dar“.467 Auch nach aktueller Rechtsprechung stellen produktbezogene Regeln per se eine rechtfertigungsbedürftige Maßnahme gleicher Wirkung dar (Kategorie 2 der neuen Formel).468 112
(2) Bestimmte Verkaufsmodalitäten. Im Unterschied zu produktbezogenen Regeln sind nach Keck nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, „sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren“.469
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(a) Verkaufsmodalitäten. Der Begriff der Verkaufsmodalität470 bezeichnet alle nationalen Vorschriften über die zeitlichen, sachlichen und räumlichen Voraussetzungen, unter denen Waren verkauft werden dürfen.471 Dazu zählen Ladenschlusszeiten und Sonntagsverkaufsverbote,472 das Verbot des Vertriebs durch Haustürgeschäfte,473 im Versandhandel474 oder über das Internet,475 Regeln über den ambulanten Verkauf von Zeitschriftenabonnements,476 das Verbot des Verkaufs zum Verlustpreis477 oder mit äußerst
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465 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 15 – Keck und Mithouard. 466 EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8 – Rewe Zentral, „Cassis de Dijon“. 467 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 15 – Keck und Mithouard. 468 Zu produktbezogenen Regeln unter der neuen Drei-Stufen-Formel unten Rn. 128–130. 469 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 16 – Keck und Mithouard; EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 36 – Kommission/Italien; siehe bereits White CMLR 26 (1989) 235, 246 f.; ders. offenbar als Vertreter der Kommission im Verfahren C-145/88, siehe Schlussanträge des Generalanwalts van Gerven vom 29.6.1989 – C-145/88 – Slg. 1989, 3851 Tz. 13 – Torfaen. 470 Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 27.10.1993 – C-292/92 – Slg. 1993- I-6800 Tz. 20 – Hünermund: „allgemeine Maßnahmen, die die Modalitäten der Ausübung der Handelstätigkeit zum Gegenstand haben und somit nur in mittelbarem Zusammenhang mit den Einfuhren stehen“; zum Begriff MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 126. 471 EuGH 2.6.1994 – C-401/92 und C-402/92 – Slg. 1994, I-2199 Tz. 14 – Tankstation. Zu den Entscheidungen bis 2006 siehe auch die Auflistung bei MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 231 ff., Rn. 270 ff. 472 EuGH 2.6.1994 – C-401/92 und C-402/92 – Slg. 1994, I-2199 Tz. 14 – Tankstation; EuGH 2.6.1994 – C-69/93 und C-258/93 – Slg. 1994, I-2355 Tz. 13 – Punto Casa; EuGH 20.6.1996 – C-418/93 – Slg. 1996, I-2975 Tz. 24 – Semeraro Casa Uno; siehe auch EuGH 1.7.2010 – C-393/08 – Slg. 2010, I-6333 Tz. 32, 35 – Sbarigia: bereits Eignung zur Handelsbehinderung verneint. 473 EuGH 23.2.2006 – C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 17 – A-Punkt Schmuckhandel. 474 EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 51 – Ker-Optika. 475 EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 68 f. – Deutscher Apothekerverband. 476 EuGH 26.5.2005 – C-20/03 – Slg. 2005, I-4133 Tz. 26 – Burmanjer. 477 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 18 – Keck und Mithouard. Umstritten ist, ob eine Mindestpreisregelung, die unabhängig von den Gestehungskosten des Händlers
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niedrigen Gewinnspannen, 478 Mindestverkaufspreise für Bücher, 479 die Beschränkung des Vertriebs auf bestimmte Verkaufsstätten,480 das Erfordernis einer ortsfesten Betriebsstätte als Voraussetzung für das Feilbieten von Waren im Umherziehen481 oder das Prinzip, dass nur regionale Apotheken mit Krankenhäusern Arzneimittelversorgungsverträge abschließen dürfen. 482 Auch das in Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 2005/29/EG erwähnte Verbot des Ansprechens in der Öffentlichkeit ist als Verkaufsmodalität anzusehen. Ebenfalls zu den Verkaufsmodalitäten zählen Werbeverbote und Werbebeschrän- 114 kungen wie z.B. Beschränkungen der Fernsehwerbung,483 ein Werbeverbot für Apotheker außerhalb der Apotheke für apothekenübliche Waren,484 ein Verbot der Bewerbung als Konkursware485 oder ein Verbot der Werbung für den Bezug im Inland nicht zugelassener Arzneimittel.486 Keine Verkaufsmodalität, sondern als Produktregelung per se eine Maßnahme gleicher Wirkung sind produktbezogene Werbebeschränkungen, die eine Umetikettierung des Produkts erforderlich machen, weil die Werbung mit der Ware selbst oder ihrer Verpackung verbunden ist.487 (b) Rechtliche Universalität und tatsächliche Neutralität. Neben dem Vorliegen 115 einer Verkaufsmodalität setzt die Keck-Doktrin zweitens voraus, dass die Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und dass sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berüh-
_____ festgesetzt wird, nach wie vor als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen ist, weil sie dem Importeur seinen Kostenvorteil nimmt, Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34-36 AEUV Rn. 156 (zu Höchstpreisregelungen). 478 EuGH 11.8.1995 – C-63/94 – Slg. 1995, I-2467 Tz. 13 – Belgapom. 479 EuGH 30.4.2009 – C-531/07 – Slg. 2009, I-3717 Tz. 20 – LIBRO; siehe auch EuGH (Große Kammer) 29.3.2011 – C-565/08 – NJW 2011, 1575 Tz. 49 ff., 53 – Kommission/Italien zu Maximalgebühren für anwaltliche Dienstleistungen; zu Mindestpreisen für Treibstoff vor Keck EuGH 29.1.1985 – 231/83 – Slg. 1985, 305 Tz. 29 – Cullet/Leclerc. Demgegenüber hat EuGH (Große Kammer) 5.12.2006 – C-94/04 und C-202/04 – Slg. 2006, I-I-11421 Tz. 58 ff. – Cipolla bei anwaltlichen Mindestgebühren eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Gesichtspunkt der Marktzugangsbehinderung für ausländische Anbieter bejaht. 480 EuGH 14.12.1995 – C-387/93 – Slg. 1995, I-4663 Tz. 35 f. – Banchero (Beschränkung des Tabakhandels auf zugelassene Vertriebshändler); EuGH 29.6.1995 – C-391/92 – Slg. 1995, I-1621 Tz. 14 f. – Kommission/Griechenland (Verbot des Vertriebs von Säuglingsmilch außerhalb von Apotheken). 481 EuGH 13.1.2000 – C-254/98 – Slg. 2000, I-151 Tz. 24 – TK-Heimdienst. 482 EuGH 11.9.2008 – C-141/076 – Slg. 2008, I-6935 Tz. 30 f. – Kommission/Deutschland. 483 EuGH 9.2.1995 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 Tz. 22 – Leclerc-Siplec: Einschränkung der Fernsehwerbung betrifft „Verkaufsmodalitäten insoweit, als sie eine bestimmte Form der Förderung (Fernsehwerbung) einer bestimmten Methode des Absatzes (Vertrieb) von Erzeugnissen verbietet“; EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 39, 41 – de Agostini; EuGH 28.10.1999 – C-6/98 – Slg. 1999, I-7599 Tz. 45 f. – Pro Sieben Media. 484 EuGH 15.12.1993 – C- 292/92 – Slg. 1993, 6787 Tz. 22 f. – Hünermund; siehe auch EuGH 11.5.1999 – C-255/97 – Slg. 1999, I-2835 Tz. 20 f. – Pfeiffer zum Verbot einer europaweit einheitlichen Werbekonzeption zum Schutz vor Verwechslungen mit einer prioritätsälteren lokalen Geschäftsbezeichnung (gerechtfertigt nach Art. 36 AEUV). 485 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 30 – Karner. 486 EuGH 10.11.1994 – C-320/93 – Slg. 1994, I-5243 Tz. 9 ff. – Ortscheit (konkret wurde das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung bejaht, weil die Vorschrift – nach Auffassung des EuGH – nur Einfuhren betraf; dazu kritisch Sack EWS 2011, 265, 272); ebenso EuGH 8.11.2007 – C-143/06 – Slg. 2007, I-9623 Tz. 20 – Ludwigs-Apotheke. 487 EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 Tz. 13 – Mars.
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ren.488 Das Kriterium der rechtlichen Universalität („für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten“)489 hat in der Judikatur kaum Relevanz erlangt.490 Größere Bedeutung hat das Erfordernis tatsächlicher Neutralität („tatsächlich in der gleichen Weise berühren“). Es lässt sich am besten im Zusammenhang mit dem Nachsatz in Tz. 17 der Keck-Formel verstehen, dass (nur) bei rechtlich wie tatsächlich gleicher Berührung von inländischen wie ausländischen Erzeugnissen die Anwendung der Verkaufsmodalität auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten „nicht geeignet [ist], den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut“.491 Maßgeblich für die tatsächliche Neutralität ist damit das Fehlen einer Marktzugangsbehinderung für ausländische Produkte, so dass sich die Keck-Formel in die beiden Kriterien rechtliche Gleichbehandlung und Fehlen einer tatsächlichen Marktzugangsbehinderung für ausländische Erzeugnisse auflösen lässt.492 Zur Feststellung einer Marktzugangsbehinderung bedient sich der Gerichtshof nicht 116 quantitativer Methoden,493 sondern neigt einer normativen Beurteilung zu, die vor allem die besondere Position ausländischer Anbieter als neueintretende Marktteilnehmer berücksichtigt.494 Im Unterschied zu einheimischen Anbietern können ausländische Anbieter weder auf eine Vertrautheit der Verbraucher mit ihren Erzeugnissen aufbauen, noch steht ihnen ein etabliertes Vertriebssystem mit unterschiedlichen Vertriebswegen zur Verfügung. Neben dem Erfordernis einer regionalen Niederlassung495 wirken sich deshalb vor allem solche rechtlich unterschiedslos wirkenden Verkaufsmodalitäten ungünstiger für den Marktzugang ausländischer Anbieter aus, die ihnen ein Vermarktungsmittel verwehren, das für den unmittelbaren Zugang zu diesem Markt besonders wirksam ist,496 etwa Werbung generell verbieten497 oder besonders wirksame Wer-
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488 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 16 – Keck und Mithouard; EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 36 – Kommission/Italien. 489 Wiederholt im zweiten Teil der Keck-Formel („den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren“). Die Wiederholung wird als redundant angesehen, Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1443; Sack EWS 2011, 265, 276. 490 Dazu Schlussanträge des Generalanwalts van Gerven vom 16.3.1994 – C-401/92 und C-402/92 – Slg. 1994, I-2199 Tz. 21 – Tankstation; siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts van Gerven vom 23.3.1994 – C-69/93 und C-258/93 – Slg. 1994, I-2355 Tz. 9 – Punto Casa: Regelung muss „ihrer Zielsetzung und ihrem Wortlaut nach gleichermaßen auf inländische und eingeführte Erzeugnisse anwendbar sein“. 491 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 17 – Keck und Mithouard. 492 MünchKomm/Glöckner EG C Rn. 50. Deutlicher als in Keck findet sich dies in EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-1795 Tz. 17 – Gourmet International Products und in der neuen Formel, dazu unten Rn. 134 ff. 493 EuGH 29.6.1995 – C-391/92 – Slg. 1995, I-1621 Tz. 17 – Kommission/Griechenland: Statistischer Nachweis nicht erforderlich. Ebenso wenig ist erforderlich, dass die von der Beschränkung betroffene Importware überhaupt im Zielstaat hergestellt wird, EuGH 29.6.1995 – C-391/92 – Slg. 1995, I-1621 Tz. 17 – Kommission/Griechenland; kritisch Sack EWS 2011, 265, 274 (der dieses Problem allerdings durch das neue Kriterium der Marktzugangsbehinderung beseitigt sieht). 494 Nicht ausreichend ist eine allzu ungewisse und mittelbare Schlechterstellung ausländischer Anbieter, Vgl. EuGH 13.1.2000 – C-254/98 – Slg. 2000, I-151 Tz. 30 – TK-Heimdienst. Die Feststellung der Marktneutralität wird wegen ihrer Einzelfallabhängigkeit als „offene Flanke“ der Keck-Doktrin angesehen, Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Glöckner Einl B Rn. 30. 495 Zur Unzulässigkeit einer Verpflichtung, nur in dem Verwaltungsbezirk Waren im Umherziehen anzubieten, wo auch eine feste Betriebsstätte unterhalten wird, EuGH 13.1.2000 – C-254/98 – Slg. 2000, I-151 Tz. 28 ff. – TK-Heimdienst, oder nur von Apotheken mit Niederlassung im Lieferbezirk Medikamente zu beziehen, EuGH 11.9.2008 – C-141/076 – Slg. 2008, I-6935 Tz. 35 f. – Kommission/Deutschland. 496 EuGH 30.6.2011 – C-212/08 – EuZW 2012, 674 Tz. 74 – Zeturf. 497 EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-1795 Tz. 20 f., 25 – Gourmet International Products (Werbeverbot für Alkohol); siehe auch (vor Keck) EuGH 10.7.1980 – 152/78 – Slg. 1980, 2299 Tz. 11 – Kommission/Frankreich.
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bemaßnahmen498 untersagen, weil inländische Produkte, mit denen der Verbraucher besser vertraut ist, weniger auf Werbung angewiesen sind. Auch die Entstehung zusätzlicher Kosten speziell für ausländische Anbieter kann ein Indiz für eine Marktzugangsbehinderung sein,499 wobei nur solche Kosten als Marktzugangsbehinderung anzusehen sind, die „daraus resultieren, dass die nationalen Vorschriften die besondere Situation der eingeführten Erzeugnisse und insbesondere nicht berücksichtigen, dass diese Erzeugnisse bereits den Vorschriften ihres Herkunftsstaates genügen mussten“.500 Ähnliches gilt für Vertriebsbeschränkungen. Vor allem die Beschränkung des Ver- 117 triebs über den Versandhandel und/oder das Internet trifft ausländische Anbieter stärker als heimische Akteure, weil sie häufig über keine anderen Vertriebswege verfügen501 und weil gerade der Vertriebsweg über das Internet und den Versandhandel leichter aufzubauen ist und sich daher als besonders wirksam erweisen kann, um den Marktzutritt für neue Wettbewerber zu eröffnen.502 Zu weit gehen dürfte allerdings die Folgerung, sogleich jede Beschränkung eines eu- 118 ropaweit einheitlichen Werbe- und Vertriebskonzepts (Euro-Marketing) als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen, weil eine europaweit einheitliche Werbung an den Zielstaat angepasst werden muss.503 Vielmehr dürfte es auf die Wirksamkeit und Bedeutung der konkret verbotenen Maßnahme ankommen. Handelt es sich um ein zentrales Ele-
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498 EuGH 15.7.2004 – C-239/02 – Slg. 2004, I-7007 Tz. 52 f. – Douwe Egberts (Verbot der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben wie „Schlankerwerden“); siehe bereits EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 43 – de Agostini (Verbot der Fernsehwerbung als einziges wirksames Werbemittel); Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 24.11.1994 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 Tz. 21 – Leclerc-Siplec; zumindest eingeschränkt dürfte EuGH 9.2.1995 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 Tz. 19 ff., 24 – Leclerc-Siplec sein, wo Werbeverbote noch großzügiger bewertet wurden; siehe auch Sack EWS 2011, 265, 273, der mit Recht auf die Bedeutung von Werbung hinweist. 499 EuGH 13.1.2000 – C-254/98 – Slg. 2000, I-151 Tz. 26 – TK-Heimdienst; EuGH 5.2.2004 – C-270/02 – Slg. 2004, I-1559 Tz. 19 – Kommission/Italien; Behrens Die Liberalisierung des Fernsehwerberechts im Kontext der Rundfunkregulierung (2012) S. 74 f. 500 Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 30.3.2006 – C-158/04 und C-59/04 – Slg. 2006, I-8135 Tz. 44 – Alfa Vita. Nicht ausreichend ist regelmäßig das Entstehen zusätzlicher Kosten für alle Marktteilnehmer, EuGH 17.2.2005 – C-134/03 – Slg. 2005, I-1167 Tz. 37 f. – Viacom Outdoor; EuGH 8.9.2005 – C-544/03 und C-545/03 – Slg. 2005, I-7723 Tz. 31 – Mobistar, sofern diese Kosten nicht spezifisch ausländische Anbieter treffen, siehe EuGH 29.11.2001 – C-17/00 – Slg. 2001, I-9445 Tz. 32 ff. – De Coster im Vergleich zu vorzitierten Judikaten. 501 EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 74 – Deutscher Apothekerverband; siehe auch EuGH 11.9.2008 – C-141/076 – Slg. 2008, I-6935 Tz. 35 f. – Kommission/Deutschland zum Erfordernis einer Niederlassung im jeweiligen Lieferbezirk. 502 EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 54 – Ker-Optika: durch Vorenthalten des Internetvertriebs als „besonders effiziente Modalität“ für den Vertrieb wird Marktzugang „erheblich behindert“; zurückhaltender noch für den Haustürvertrieb EuGH 23.2.2006 – C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 23 – A-Punkt Schmuckhandel: „die Tatsache, dass sich eine Vertriebsmethode als effizienter und wirtschaftlicher erweist, [reicht] nicht aus, um festzustellen, dass die nationale Vorschrift“ unter Art. 34 AEUV fällt. Die unterschiedliche Bedeutung des Internetvertriebs und der breitwirkenden Werbung im Vergleich zu beispielsweise den Ladenöffnungszeiten für den Markteintritt ausländischer Anbieter erklärt m.E. auch den Unterschied zwischen EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 74 – Deutscher Apothekerverband einerseits (mögliche Behinderung ausländischer Anbieter ausreichend) und EuGH 13.1.2000 – C-254/98 – Slg. 2000, I-151 Tz. 30 – TK-Heimdienst andererseits. 503 Vgl. MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 169 ff., insbesondere Rn. 210 f.; Calliess/Ruffert/ Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 177 ff.; Behrens Die Liberalisierung des Fernsehwerberechts im Kontext der Rundfunkregulierung (2012) S. 71, 75: Zur Feststellung einer Beeinträchtigung nicht allein auf den „Diversifikationszwang als solchen“ abzustellen.
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ment wie die Geschäftsbezeichnung, die aufgrund nationaler Regelung angepasst werden muss, so ist eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten zu bejahen.504 Keine Aussage trifft Keck über sonstige Maßnahmen, die weder Produktbezug auf119 weisen noch eine Verkaufsmodalität darstellen (wie Herstellungsbedingungen,505 Nutzungsbeschränkungen506 oder immaterialgüterrechtliche Vertriebs- und Werbebeschränkungen507). Für derartige Maßnahmen bleibt es bei der allgemeinen Dassonville-Formel bzw. dem entsprechenden Kriterium der sonstigen Marktzugangsbehinderungen unter der neuen Formel. 120
(c) Konsequenzen von Keck für das Lauterkeitsrecht. Insbesondere für die Beurteilung lauterkeitsrechtlicher Vorschriften der Mitgliedstaaten hatte die Keck-Doktrin erhebliche Konsequenzen, da gerade das UWG häufig Verkaufsmodalitäten regelt.508 So handelt es sich etwa bei den Regeln über unzumutbare Belästigung (§ 7 UWG), getarnte Werbung (§ 4 Nr. 3 UWG), unangemessene unsachliche Beeinflussung (§ 4 Nr. 1 UWG), Kampfpreisunterbietung (§ 4 Nr. 10 UWG),509 Verkauf zum Verlustpreis510 oder mit äußerst niedrigen Gewinnspannen, 511 Zugaben, 512 Kopplungsangebote, 513 Haustürwerbung, 514 Ei-
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504 Vgl. EuGH 11.5.1999 – C-255/97 – Slg. 1999, I-2835 Tz. 20 – Pfeiffer: „Das Verbot [der Verwendung einer bestimmten Geschäftsbezeichnung] ist nämlich geeignet, die Durchführung einer gemeinschaftsweit einheitlichen Werbekonzeption durch diese Unternehmen zu beeinträchtigen, da es sie dazu zwingen kann, das Erscheinungsbild ihrer Geschäfte je nach dem Ort der Niederlassung unterschiedlich zu gestalten“; für eine Beschränkung dieser Entscheidung auf die Niederlassungsfreiheit Behrens Die Liberalisierung des Fernsehwerberechts im Kontext der Rundfunkregulierung (2012) S. 75 Fn. 300. 505 EuGH 14.9.2006 – C-158/04 und C-59/04 – Slg. 2006, I-8135 Tz. 19 – Alfa Vita (Verbot des Aufbackens von vorgebackenem Brot in Supermärkten): „Einfuhrhindernis, das nicht als Verkaufsmodalität angesehen werden kann“; Reich EuZW 2008, 485, 486 sieht darin eine Produktions- und damit eine Produktmodalität. 506 EuGH 11.7.2000 – C-473/98 – Slg. 2000, I-5681 Tz. 35 ff. – Toolex; EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 56 ff. – Kommission/Italien; EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 28 – Mickelsson und Roos; siehe auch EuGH 10.4.2008 – C-265/06 – Slg. 2008, I-2245 Tz. 32 ff. – Kommission/Portugal; zu diskriminierenden Nutzungsbeschränkungen bereits RL 66/283 und EuGH 13.3.1979 –119/78 – Slg. 1979, 975 Tz. 22 – Peureux. Siehe auch EuGH 5.10.1994 – C-323/93 – Slg. 1994, I-5077 Tz. 29 – La Crespelle zur Verpflichtung, eingeführten Rindersamen gegen Entgelt in einer zugelassenen Station zu lagern. 507 Vgl. EuGH 4.11.997 – C-337/95 – Slg. 1997, I-6013 Tz. 51 – Dior. Sack EWS 2011, 265, 274 sieht darin eine Verkaufsmodalität, wenn das Werbeverbot die Produktdarstellung betrifft. 508 Zur Beurteilung der vor Keck ergangenen Entscheidungen ausführlich MünchKomm/Heermann EG B Rn. 196 ff. 509 Köhler/Bornkamm Einl UWG Rn. 3.23. 510 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 18 – Keck und Mithouard. Umstritten ist, ob eine Mindestpreisregelung, die unabhängig von den Gestehungskosten des Händlers festgesetzt wird, nach wie vor als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen ist, weil sie dem Importeur seinen Kostenvorteil nimmt, Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 156 (ebenso zu Höchstpreisregelungen). Sofern sich keine marktabschottende Wirkung feststellen lässt, dürfte es sich nach Keck und Belgapom bei Festpreisregeln um eine Verkaufsmodalität handeln, vgl. OLG München 2.7.2009 – 29 U 3992/08 – GRUR-RR 2010, 53, 55 – Treuebonus II. 511 EuGH 11.8.1995 – C-63/94 – Slg. 1995, I-2467 Tz. 13 – Belgapom. 512 EuGH 15.12.1982 – 286/81 – Slg. 1982, 4575 Tz. 15 – Oosthoek; MünchKomm/Micklitz EG G Rn. 15. 513 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 21.10.2008 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 116 – VTB-VAB; siehe aber auch EuGH 18.7.2013 – C-265/12 – Tz. 36 – Citroën Belux (Eingriff in Dienstleistungsfreiheit bei Verbot eines Kopplungsangebots bejaht, aber durch Verbraucherschutz gerechtfertigt; allerdings zwang das Verbot den Anbieter zur Modifikation seines Angebots, dazu unten Rn. 188). 514 EuGH 23.2.2006 – C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 17 – A-Punkt Schmuckhandel gegenüber EuGH 16.5.1989 – 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 9, 13 ff. – Buet.
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genpreisvergleiche515 und Werbung mit Verkaufsangeboten zu herabgesetzten Preisen unter Hinweis auf die Dauer des Angebots516 um Regeln über Verkaufsmodalitäten i.S.d. Keck-Doktrin, die dem Zugriff von Art. 34 AEUV entzogen sind,517 sofern nicht im Einzelfall eine rechtliche Ungleichbehandlung518 oder eine tatsächlich unterschiedliche Auswirkung auf in- und ausländische Erzeugnisse bejaht werden kann, z.B. weil dem ausländischen Anbieter eine besonders wirksame Werbe-519 oder Vertriebsmaßnahme520 vorenthalten wird, auf die er im Unterschied zu heimischen Anbietern in besonderer Weise angewiesen ist. c) Die neue Drei-Stufen-Formel. Die Keck-Doktrin markierte nicht das Ende der De- 121 batte. Sie wurde nicht nur wegen der schwierigen Abgrenzung von Produkt- und Verkaufsmodalitäten als unbefriedigend empfunden,521 sondern auch wegen ihrer problematischen Übertragbarkeit auf andere Grundfreiheiten gescholten.522 Es mehrten sich die Stimmen, die ebenso wie bei den anderen Verkehrsfreiheiten523 die Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit allein anhand des Kriteriums der Marktzugangsbehinderung feststellen wollten.524 Auf der anderen Seite wurde für eine Ausdehnung der Keck-Dok-
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515 EuGH 18.5.1993 – C-126/91 – Slg. 1993, I-2361 Tz. 9 ff., 22 – Yves Rocher. 516 EuGH 7.3.1990 – 362/88 – Slg. 1990, I-667 Tz. 8, 13 ff. – GB-INNO-BM; ähnlich MünchKomm/ Heermann EB Art. 28 EG Rn. 203. 517 Zu einzelnen Entscheidungen siehe auch MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 196 ff. Zur fehlenden Beeinträchtigung des Art. 34 AEUV durch eine lauterkeitsrechtlich begründete Hinweispflicht auf die durch Erstzulassung verkürzte Garantiefrist bei reimportierten Neuwagen Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 579 ff. 518 Für ein Werbeverbot für importierte Waren (vom EuGH wohl unzutreffend festgestellt, Sack EWS 2011, 265, 272) EuGH 10.11.1994 – C-320/93 – Slg. 1994, I- 5243 Tz. 9 – Ortscheit; EuGH 8.11.2007 – C-143/06 – Slg. 2007, I-9623 Tz. 30 – Ludwigs-Apotheke. 519 EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-1795 Tz. 20 f., 25 – Gourmet International Products (Werbeverbot); EuGH 15.7.2004 – C-239/02 – Slg. 2004, I-7007 Tz. 52 f. – Douwe Egberts (Verbot der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben wie „Schlankerwerden“); siehe bereits EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 43 – de Agostini (Verbot der Fernsehwerbung als einziges wirksames Werbemittel); Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 24.11.1994 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 Tz. 21 – Leclerc-Siplec; zumindest eingeschränkt dürfte EuGH 9.2.1995 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 Tz. 19 ff., 24 – Leclerc-Siplec sein, wo Werbeverbote noch großzügiger bewertet wurden. 520 EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 74 – Deutscher Apothekerverband; EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 54 – Ker-Optika: durch Vorenthalten des Internetvertriebs als „besonders effiziente Modalität“ für den Vertrieb wird Marktzugang „erheblich behindert“; zurückhaltender noch für den Haustürvertrieb EuGH 23.2.2006 – C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 23 – A-Punkt Schmuckhandel: „die Tatsache, dass sich eine Vertriebsmethode als effizienter und wirtschaftlicher erweist, [reicht] nicht aus, um festzustellen, dass die nationale Vorschrift“ unter Art. 34 AEUV fällt. 521 Aus jüngerer Zeit nur Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 30.3.2006 – C-158/04 und C-59/04 – Slg. 2006, I-8135 Tz. 31 f. – Alfa Vita; Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 8.7.2008 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 79 ff. – Kommission/Italien; Sack EWS 2011, 265, 274 f.; siehe bereits Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 24.11.1994 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 Tz. 38 – LeclercSiplec; Vorauflage/ Schricker Einl F 389c; Streinz/Schroeder Art. 34 AEUV Rn. 66. 522 Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 30.3.2006 – C-158/04 und C-59/04 – Slg. 2006, I-8135 Tz. 33 – Alfa Vita; Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 8.7.2008 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 82 – Kommission/Italien. 523 Zum Marktzugangskriterium bei der Niederlassungsfreiheit vgl. EuGH 24.3.2011 – C-400/08 – EuZW 2011, 557 Tz. 64 – Kommission/Spanien. 524 Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 24.11.1994 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 Tz. 42 – Leclerc-Siplec; Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 8.7.2008 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 108 ff.; Becker EuR 1994, 162, 172 f.; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Leible/T. Streinz Art. 34 AEUV Rn. 83; Streinz/Schroeder Art. 34 AEUV Rn. 44.
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Einleitung Teil C.
trin auf mitgliedstaatliche Nutzungs- und Verwendungsbeschränkungen plädiert, die Verkaufsmodalitäten gleichzusetzen seien.525 Den vorläufigen Schlusspunkt der Debatte markiert eine Entscheidung der Großen 122 Kammer zu Nutzungsbeschränkungen in der Rechtssache Kommission/Italien,526 die der EuGH zum Anlass nahm, seine Rechtsprechung in einer neuen Formel527 zu präzisieren.528 Nach einer Wiedergabe der Dassonville-Formel stellte der Gerichtshof zunächst klar, dass Art. 34 AEUV „die Verpflichtung widerspiegelt, sowohl die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der gegenseitigen Anerkennung von Erzeugnissen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht wurden, einzuhalten als auch Erzeugnissen aus der Gemeinschaft einen freien Zugang zu den nationalen Märkten zu gewährleisten“.529 Die drei Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der gegenseitigen Anerkennung von Erzeugnissen und des Marktzugangs stützte der Gerichtshof in den nächsten beiden Textziffern sowohl auf das produktbezogene Anerkennungsprinzip aus Cassis de Dijon530 wie auf die Keck-Doktrin zu den Verkaufsmodalitäten,531 bevor er zusammenfassend resümierte: „Daher sind Maßnahmen eines Mitgliedstaats, mit denen bezweckt oder bewirkt wird, Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln, sowie die in Randnr. 35 des vorliegenden Urteils genannten Maßnahmen532 als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen im Sinne des Art. 28 EG [Art. 34 AEUV] anzusehen. Ebenfalls unter diesen Begriff fällt jede sonstige Maßnahme, die den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert“.533
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525 So Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 14.12.2006 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 47, 55 f., 66 f. – Mickelsson und Roos; kritisch Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1456: Nutzungsbeschränkungen wirkten intensiver als Verkaufsmodalitäten. 526 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 37 – Kommission/Italien; bestätigt durch EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 24 – Mickelsson und Roos; EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 49 f. – Ker-Optika; EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 34 f. – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre; leicht variierend EuGH 6.10.2011 – C-443/10 – BeckRS 2011, 81435 Tz. 26 f. – Bonnarde. 527 Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 54. 528 Purnhagen JZ 2012, 742, 744 sieht Kommission/Italien als ersten „Testballon“ an, der sich erst in der Folgejudikatur (mit der Rs. Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre) verstetigt habe. 529 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 34 – Kommission/Italien. 530 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 35 – Kommission/Italien. 531 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 36 – Kommission/Italien mit Zitat von EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 16 f. – Keck und Mithouard. 532 In Tz. 35 ging es um die Cassis-Doktrin, also „Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften daraus ergeben, dass Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften entsprechen müssen, selbst dann Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen dar, wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten“; ausdrücklich EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 34 – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre: „Demgemäß sind Maßnahmen eines Mitgliedstaats, mit denen bezweckt oder bewirkt wird, Waren aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln, ebenso als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen anzusehen wie Vorschriften über die Voraussetzungen, denen die Waren entsprechen müssen, selbst wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten“ (Hervorhebung nicht im Original). 533 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 37 – Kommission/Italien. Die „neue Formel“ findet sich außerdem in EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 24 – Mickelsson und Roos; EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 49 f. – Ker-Optika; EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 34 f. – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre; leicht variierend EuGH 6.10.2011 – C-443/10 – BeckRS 2011, 81435 Tz. 26 f. – Bonnarde. Für einen ähnlichen Ansatz siehe bereits die Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 30.3.2006 – C-158/04 und C-159/04 – Slg. 2006, I-8135 Tz. 43 ff. – Alfa Vita.
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Nach Kommission/Italien lassen sich damit drei534 Kategorien von „Maßnahmen 123 gleicher Wirkung“ i.S.d. Art. 34 AEUV unterscheiden, nämlich (1) „Maßnahmen, mit denen bezweckt oder bewirkt wird, Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln“ (diskriminierende Maßnahmen), (2) produktbezogene Regeln i.S.v. Cassis de Dijon und Tz. 15 der Keck-Formel,535 die vorsehen, dass Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten im Importstaat bestimmten Voraussetzungen entsprechen müssen, selbst wenn diese Regeln unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten, und (3) „jede sonstige Maßnahme, die den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert“.536 Die Entscheidung fasst damit die bisherigen Leitentscheidungen in einer neuen Formel zusammen, allerdings mit einer – insbesondere im Vergleich zu Keck – stärkeren Akzentuierung auf dem Kriterium des Marktzugangs.537 aa) Diskriminierende Maßnahmen (1) Begriff. Als diskriminierende Maßnahmen („bezweckt oder bewirkt wird, Er- 124 zeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln“538) sind nicht nur Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit anzusehen, sondern auch alle anderen Differenzierungen, die einer Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit oder die Herkunft gleichkommen, wie eine Differenzierung anhand des Wohnsitzes,539 des Niederlassungsortes oder des Ursprungslands.540 Indes geht es zu weit, neben rechtlichen
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534 Sack EWS 2011, 265: „Drei-Stufen-Test“; Purnhagen JZ 2012, 742: „3-Stufen-Prüfung“. 535 Der Produktbezug ergibt sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme in EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 37 – Kommission/Italien auf Tz. 35 dieser Entscheidung, die wiederum die Grundsätze aus Cassis de Dijon wiedergibt und mittelbar (nämlich über EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 8 – Familiapress und EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 67 – Deutscher Apothekerverband) auf Tz. 15 der Keck-Entscheidung verweist; ohne den Verweis findet sich die neue Formel in EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 24 – Mickelsson und Roos; EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 49 f. – Ker-Optika; EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 34 f. – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre: „Vorschriften über die Voraussetzungen, denen die Waren entsprechen müssen, selbst wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten“. 536 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 37 – Kommission/Italien; EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 24 – Mickelsson und Roos; EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 49 f. – Ker-Optika; EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 34 f. – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre; leicht variierend EuGH 6.10.2011 – C-443/10 – BeckRS 2011, 81435 Tz. 26 f. – Bonnarde. Für einen ähnlichen Ansatz siehe bereits die Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 30.3.2006 – C-158/04 und C-159/04 – Slg. 2006, I-8135 Tz. 43 ff. – Alfa Vita. 537 Zur Integration der bisherigen Rechtsprechung (Dassonville, Relevanzformel und Keck) unten Rn. 132–136. 538 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 37 – Kommission/Italien. Die Formulierung „bezweckt oder bewirkt“ findet sich auch in der Judikatur zu Art. 35 AEUV, die lange Zeit unterschiedslos wirkende Maßnahmen nicht erfasste, vgl. EuGH 8.11.1979 – 15/79 – Slg. 1979, 3409 Tz. 7 – Groeneveld; EuGH 7.2.1984 – 237/82 – Slg. 1984, 483 Tz. 22 – Jongeneel Kaas; EuGH 24.3.1994 – C-80/92 – Slg. 1994, I-1019 Tz. 24 f. – Kommission/Belgien; zur Parallele Enchelmaier Yearbook of European Law 29 (2010) 190, 202; Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1462 Fn. 207. Inzwischen wurde Art. 35 AEUV aber in Richtung unterschiedslos wirkender Maßnahmen geöffnet, EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-205/07 – Slg. 2008, I-9947 Tz. 43 f. – Gysbrecht. Zum Begriff „bezweckt und bewirkt“ siehe auch EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 28, 35 – Alpine Investments. 539 Zum Wohnsitz EuGH 16.12.2010 – C-137/09 – GRUR Int. 2011, 245 Tz. 58 f. – Josemans. 540 Zum Ursprungsland EuGH 2.3.1982 – 6/81 – Slg. 1982, 707 Tz. 8 – Beele; EuGH 30.6.2005 – C-28/04 – Slg. 2005, I-5781 Tz. 19 f. – Tod’s und Tod’s France.
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Ungleichbehandlungen541 auch rechtlich unterschiedslos geltende Maßnahmen dieser Kategorie zuzuordnen, die den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten i.S.d. Keck-Vorbehalts nur tatsächlich in unterschiedlicher Weise berühren.542 Derartige Maßnahmen lassen sich, wie bereits Tz. 17 der Keck-Entscheidung zeigt, sachgerechter über die dritte Kategorie der sonstigen Marktzugangsbehinderung erfassen, auch um ein uferlos weites Verständnis der ersten Kategorie zu vermeiden, das zu umfangreichen Überlappungen mit den Folgekategorien führen würde.543 Bei den diskriminierenden Maßnahmen ist außerdem unsicher, ob der bloße Um125 stand der Diskriminierung per se eine Maßnahme gleicher Wirkung begründet oder ob zusätzlich durch die Ungleichbehandlung der Marktzugang behindert werden muss.544 Gegen die letztgenannte Auffassung spricht auch hier, dass ein zusätzliches Erfordernis der Marktzugangsbehinderung die Fallgruppe der diskriminierenden Maßnahmen in der Auffangkategorie der sonstigen Marktzugangsbehinderungen aufgehen lassen würde. 126
(2) Beispiele545 für diskriminierende Maßnahmen sind Regeln, die nur für ausländische Erzeugnisse546 oder nur für ausländische Wirtschaftsteilnehmer gelten, wobei „ausländisch“ nicht nur an die Staatsangehörigkeit, sondern auch an den Wohnsitz oder das Ursprungsland anknüpft. Dies betrifft auch Maßnahmen, die an die Einfuhr anknüpfen, insbesondere Grenzkontrollen und gesonderte Untersuchungen, um importierte Waren auf ihre Zusammensetzung, Etikettierung oder Unbedenklichkeit zu prüfen,547 ferner Einfuhrformalitäten und Einfuhrgenehmigungen.548 Ebenfalls als rechtlich diskriminierend sind nationale Vorschriften anzusehen, die bestimmte Vergünstigungen nur für
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541 Rauber ZEuS 2010, 15, 38: „lediglich direkte, an die Herkunft der Ware geknüpfte Schlechterstellungen“; Purnhagen JZ 2012, 742, 744: „erste Stufe (Diskriminierungsverbot) ist in der Tat eine Wiederholung des Verbots der rechtlichen Ungleichbehandlung, wie es bereits in der Keck-Formel vorkam“. 542 So Sack EWS 2011, 265, 276: „Diskriminierungsverbot, das dem der Keck-Doktrin für Regelungen von Verkaufsmodalitäten ähnlich ist“; ähnlich Enchelmaier Yearbook of European Law 29 (2010) 190, 202, der „distinctly and indistinctly applicable measures“ erfasst sieht; ähnlich auch Stuyck Unfair competition law in the EU in the years to come in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.) European Private Law – Current Status and Perspectives (2011), S. 107, 114: „first test seems to cover Keck“. 543 Für eine solche Lesart spricht m.E. EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 36 f. – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre: ein den Tabakeinzelhändlern auferlegtes Verbot, die Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen auszuüben, stellt keine diskriminierende Maßnahme, sondern eine sonstige Marktzugangsbehinderung dar. Siehe auch Enchelmaier Yearbook of European Law 29 (2010) 190, 203, der auf Grundlage seines weiten Diskriminierungsbegriffs die zweite Kategorie in der ersten umfasst sieht. 544 Im letzteren Sinne Sack EWS 2011, 265, 277. 545 Siehe auch die Auflistung bei MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 219. 546 EuGH 10.7.1980 – 152/78 – Slg. 1980, 2299 Tz. 12 ff. – Kommission/Frankreich (Werbeverbot für Alkoholika betrifft importierte Erzeugnisse); EuGH 21.6.2001 – C-30/99 – Slg. 2001, I-4619 Tz. 74 – Kommission/Irland: unterschiedliche Prägestempel bei in- und ausländischen Edelmetallen; EuGH 10.11.1994 – 320/93 – Slg. 1994, I- 5243 Tz. 8 – Ortscheit: Werbebeschränkungen für importierte Waren (in der Sache dürfte dies in dem konkreten Fall unzutreffend gewesen sein, weil für inländische Erzeugnisse eine vergleichbare Regelung nur an anderer Stelle vorgesehen war, Sack EWS 2011, 265, 272; ebenso EuGH 8.11.2007 – C-143/06 – Slg. 2007, I-9623 Tz. 30 – Ludwigs-Apotheke. 547 EuGH 20.9.1988 – 190/87 – Slg. 1988, 4689 Tz. 8 – Moormann. 548 EuGH 28.9.2006 – C-434/04 – Slg. 2006, I-9171 Tz. 20 f., 34 – Ahokainen; siehe aber auch EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 36 f. – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre: ein den Tabakeinzelhändlern auferlegtes Verbot, die Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen auszuüben, stellt keine diskriminierende Maßnahme, sondern eine sonstige Marktzugangsbehinderung dar.
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inländische Erzeugnisse vorsehen549 oder die ausländische Erzeugnisse von der Erstattungsfähigkeit der Sozialversicherungen ausschließen.550 Rechtlich diskriminierend sind auch besondere Kennzeichnungspflichten für eingeführte Waren551 oder umgekehrt der Vorbehalt bestimmter Gattungsbezeichnungen, Kennzeichnungen und Verpackungen allein für heimische Waren.552 Gleiches gilt für Nutzungs- oder Verwendungsbeschränkungen für Importwaren553 und eine Preisbindung ausschließlich für importierte Waren.554 Handelt es sich demgegenüber um eine nationale Maßnahme, die unabhängig von der Herkunft und Einfuhr eine Prüfung oder Zulassung für ein Inverkehrbringen oder den Gebrauch bestimmter Erzeugnisse zur Voraussetzung macht, so ist die Regelung nicht diskriminierend, sondern eine sonstige Marktzutrittsbehinderung.555 (3) Relevanz für das Lauterkeitsrecht. Für das Lauterkeitsrecht dürfte die Katego- 127 rie der diskriminierenden Maßnahmen nur geringe Bedeutung haben, weil es kaum Vorschriften kennt, die zwischen heimischer und importierter Ware differenzieren würden.556 In diese Kategorie fallen allerdings Hinweis- und Kennzeichnungsvorschriften, die eine Ungleichbehandlung oder besondere Kennzeichnung von Importware vorsehen,557 oder bestimmte Kennzeichnungen nur für heimische Produkte vorsehen, z.B. Ursprungsbezeichnungen, die an eine Erzeugung oder Verarbeitung in einem bestimmten Gebiet anknüpfen.558
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549 EuGH 27.6.1996 – C-240/95 – Slg. 1996, I-3179 Tz. 16 ff. – Rémy Schmit zu einer französischen Regelung, die nur für inländische, nicht aber für parallel importierte Kraftfahrzeuge die Möglichkeit vorsah, bei Zulassung in der zweiten Jahreshälfte das Folgejahr als Zulassungsjahr anzugeben. 550 EuGH 28.4.1998 – C-120/95 – Slg. 1998, I-1831 Tz. 34 ff. – Decker. 551 Vgl. EuGH 6.11.1984 – 177/83 – Slg. 1984, 3651 Tz. 15 ff. – Kohl (Benutzung eines Firmensignets nur mit der Begründung untersagt, die Öffentlichkeit könnte über die in- oder ausländische Herkunft getäuscht werden, ohne dass weitere Tatsachen festgestellt werden, die das Vorliegen unlauteren Wettbewerbs bewiesen; „in einem solchen Fall betrifft diese Vorschrift in Wirklichkeit ausschließlich den Vertrieb ausländischer Erzeugnisse“). 552 EuGH 20.2.1975 – 12/74 – Slg. 1975, 181 Tz. 14 – Kommission/Deutschland; EuGH 26.11.1985 – 182/84 – Slg. 1985 Tz. 22 – Miro; EuGH 7.5.1997 – C-321/94 bis C-324/94 – Slg. 1997, I-2343 Tz. 49 ff. – Pistre; EuGH 5.11.2002 – C-325/00 – Slg. 2002, I-9977 Tz. 23 f. – Kommission/Deutschland: siehe auch Art. 2 Abs. 3 lit. s RL 70/50/EWG. 553 Siehe EuGH 13.3.1979 – 119/78 – Slg. 1979, 975 Tz. 22 – Peureux. 554 EuGH 30.4.2009 – C-531/07 – Slg. 2009, I-3717 Tz. 21 f. – LIBRO. 555 Siehe etwa EuGH 20.9.2007 – C-297/05 – Slg. 2007, I-7467 Tz. 73-75 – Kommission/Niederlande: eine Regelung, die unterschiedslos alle Fahrzeuge, die älter als drei Jahre sind, einer Untersuchung unterzieht, ist nicht diskriminierend, aber gleichwohl eine Beeinträchtigung; a.A. Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 134 Fn. 389. 556 Für ein (wohl unzutreffendes, Sack EWS 2011, 265, 272) Beispiel einer Werbebeschränkung für Importware EuGH 10.11.1994 – C-320/93 – Slg. 1994, I- 5243 Tz. 8, 12 – Ortscheit; EuGH 8.11.2007 – C-143/06 – Slg. 2007, I-9623 Tz. 30 – Ludwigs-Apotheke; zur Modifikation importierter Ware auch EuGH 27.11.1990 – 67/88 – Slg. 1990, I-4285 Tz. 3 – Kommission/Italien: Inverkehrbringen von importierten Produkten vom Zusatz von Sesamöl abhängig. EuGH 4.11.997 – C-337/95 – Slg. 1997, I-6013 Tz. 49 ff. – Dior betrifft zwar ein Werbeverbot für Parallelimporte, allerdings dürften die zugrundeliegenden Vorschriften des Marken- und Urheberrechts auch für vergleichbare inländische Produkte gelten. 557 EuGH 17.6.1981 – 113/80 – Slg. 1981, 1625 Tz. 2 ff. – Kommission/Irland. 558 Zu Art. 35 AEUV EuGH 20.3.2003 – C-108/01 – Slg. 2003, I-5121 Tz. 55 ff. – Consorzio del Prosciutto di Parma; EuGH 3.3.2011 – C-161/09 – GRUR Int. 2011, 314 Tz. 30 – Kakavetsos-Frakopoulos.
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bb) Produktbezogene Regelungen 128
(1) Begriff. Die zweite Kategorie erfasst produktbezogene Regelungen i.S.d. CassisRechtsprechung559 und Tz. 15 der Keck-Formel („Vorschriften über die Voraussetzungen, denen die Waren entsprechen müssen, selbst wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten“).560 Sie zielt in erster Linie auf unterschiedslos anwendbare Vorschriften („selbst dann, wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten“), ist aber nicht auf solche beschränkt und kann sich daher mit der ersten Fallgruppe überschneiden, soweit es um rechtlich diskriminierende produktbezogene Regeln geht.561 In der Sache geht es um das Anerkennungs- oder Herkunftslandprinzip aus Cassis de Dijon. Produktbezogene Regeln, die sich auf den Inhalt562 oder die Merkmale der vertriebenen Erzeugnisse selbst beziehen, insbesondere eine Änderung oder Anpassung des Produkts an die im Vermarktungsmitgliedstaat geltenden Regeln erforderlich machen563 (z.B. eine Änderung der Verpackung,564 Kennzeichnung oder Etikettierung565), sind danach per se als Maßnahmen gleicher Wirkung anzusehen, ohne dass es wie in der dritten Kategorie erforderlich wäre, eine Marktzugangsbehinderung nachzuweisen.566
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(2) Beispiele. Als Maßnahme gleicher Wirkung ist daher jede Änderung oder Anpassung des Produkts an die im Vermarktungsmitgliedstaat geltenden Regeln567 anzusehen,568 z.B. der Bezeichnung,569 der Form, der Abmessungen, des Gewichts, des In-
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559 Stuyck Unfair competition law in the EU in the years to come in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.) European Private Law – Current Status and Perspectives (2011), S. 107, 114; Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1462. 560 EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 34 f. – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre. Der Produktbezug ergibt sich in Kommission/Italien aus der ausdrücklichen Bezugnahme in EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 37 – Kommission/Italien auf Tz. 35 dieser Entscheidung, die wiederum die Grundsätze aus Cassis de Dijon wiedergibt und mittelbar (nämlich über EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 8 – Familiapress und EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 67 – Deutscher Apothekerverband) auf Tz. 15 der Keck-Entscheidung verweist; ohne den Verweis findet sich die neue Formel in EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 24 – Mickelsson und Roos; EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 49 f. – Ker-Optika. 561 Zur Überlappung Enchelmaier Yearbook of European Law 29 (2010) 190, 203, 205 (allerdings aufgrund eines weiterreichenden Diskriminierungsbegriffs als hier befürwortet); Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1462. 562 EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 11 – Familiapress. 563 EuGH 22.1.2002 – C-390/99 – Slg. 2002, I-607 Tz. 30 – Canal Satélite. Zu den Entscheidungen bis 2006 die Darstellung bei MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 220 ff. 564 EuGH 16.1.2003 – C-12/00 – Slg. 2003, I-459 Tz. 76 – Kommission/Spanien; EuGH (Große Kammer) 14.12.2004 – C-463/01 – Slg. 2004, I-11705 Tz. 67 f. – Kommission/Deutschland. 565 EuGH 3.6.1999 – C-33/97 – Slg. 1999, I-3175 Tz. 37 – Colim; EuGH 14.2.2008 – C-244/06 – Slg. 2008, I-505 Tz. 31 – Dynamic Medien; vor Keck auch bereits EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 13 – Pall. 566 Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 921: „absolute presumption that they always hinder market access“; bereits Reich CMLR 31 (1994) 459, 487 „regulations on ‚product presentation‘ per se have an intra-Community effect“. Siehe nur EuGH 18.10.2012 – C-385/10 – EuZW 2013, 21 Tz. 24 f. – Elenca. 567 Zu Beispielen bereits EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 15 – Keck und Mithouard; siehe auch die Auflistung bei MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 220 ff. 568 EuGH 22.1.2002 – C-390/99 – Slg. 2002, I-607 Tz. 30 – Canal Satélite. 569 EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 27 ff. – Estée Lauder; EuGH 5.12.2000 – C-448/98 – Slg. 2000, I-10663 Tz. 26 – Guimont; EuGH 16.1.2003 – C-14/00 – Slg. 2003, I-513 Tz. 75 – Kommission/ Italien; EuGH 16.1.2003 – C-12/00 – Slg. 2003, I-459 Tz. 79 – Kommission/Spanien: Verwendung einer anderen Verkehrsbezeichnung.
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halts,570 der Zusammensetzung,571 des Haltbarkeitsdatums,572 der Aufmachung,573 der Etikettierung574 und der Verpackung.575 Auch nationale Zulassungs- und Kontrollverfahren als Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die unterschiedslos für heimische und für importierte Erzeugnisse gelten, stellen eine produktbezogene Regelung und damit eine Maßnahme gleicher Wirkung dar.576 Gleiches gilt für das Erfordernis eines nationalen Prüf- und Einstufungsverfahrens zum Schutz Minderjähriger als Voraussetzung für den Vertrieb von Bildträgern über den Versandhandel.577 (3) Relevanz für das Lauterkeitsrecht. Für das Lauterkeitsrecht behält die Fall- 130 gruppe der produktbezogenen Regeln damit die gleiche Relevanz wie nach Cassis de Dijon und Keck: Alle lauterkeitsrechtlichen Regelungen mit Produktbezug, die Einfluss auf die Gestaltung der Ware selbst haben (z.B. den Inhalt,578 die Bezeichnung, die Form, die Abmessungen, das Gewicht, die Zusammensetzung, die Aufmachung, die Etikettierung oder die Verpackung),579 sind als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen, auch wenn sie rechtlich unterschiedslos für in- und ausländische Produkte gelten.
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570 EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 11 – Familiapress. 571 EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8 – Rewe Zentral, „Cassis de Dijon“; EuGH 14.7.1994 – C-17/93 – van der Veldt – Slg. 1994, I-3537; bestätigt durch EuGH 5.4.2001 – C-123/00 – Slg. 2001, I-2795 Tz. 11 f. – Bellamy; ferner EuGH 19.6.2003 – C-420/01 – Slg. 2003, I-6445 Tz. 28 – Kommission/Italien (Verbot der Vermarktung von Energiegetränken mit hohem Koffeingehalt); EuGH 5.2.2004 – C-95/01 – Slg. 2004, I-1333 Tz. 33 f. – Abel (Inverkehrbringen von mit Vitaminen angereicherten Lebensmitteln). 572 EuGH 13.11.2003 – C-294/01 – Slg. 2003, I-13429 Tz. 50 f. – Granarolo; siehe auch EuGH 1.6.1994 – C-317/92 – Slg. 1994, I-2039 Tz. 12 – Kommission/Deutschland. 573 EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 13 – Pall (vor Keck). 574 EuGH 3.6.1999 – C- 33/97 – Slg. 1999, I-3175 Tz. 36 f. – Colim (Etikettierung); EuGH 12.9.2000 – C-366/98 – Slg. 2000, I-6579 Tz. 21 f., 28 – Geffroy (Etikettierung in bestimmter Sprache und zur Vermeidung einer Irreführung); EuGH 16.11.2000 – C-217/99 – Slg. 2000, I-10251 Tz. 17 f. – Kommission/Belgien; EuGH 14.2.2008 – C-244/06 – Slg. 2008, I-505 Tz. 31 – Dynamic Medien (Etikett). 575 EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 Tz. 13 – Mars (Werbung auf Verpackung); EuGH 12.10.2000 – C-3/99 – Slg. 2000, I-8749 Tz. 48 – Ruwet (Verpackung); EuGH 16.1.2003 – C-12/00 – Slg. 2003, I-459 Tz. 76 – Kommission/Spanien (Verpackung und Kennzeichnung); EuGH 18.9.2003 – C-416/00 – Slg. 2003, I-9343 Tz. 29 f. – Morellato (Verpackung oder Kennzeichnung); EuGH (Große Kammer) 14.12.2004 – C-463/01 – Slg. 2004, I-11705 Tz. 67 f. – Kommission/Deutschland (Verpackungen); EuGH (Große Kammer) 14.12.2004 – C-309/02 – Slg. 2004, I-11763 Tz. 71 – Radlberger (Verpackungen); EuGH 24.11.2005 – C-366/04 – Slg. 2005, I-10139 Tz. 29 – Schwarz; EuGH 4.10.2007 – C-457/05 – Slg. 2007, I-8075 Tz. 25 – Diageo (Fertigpackungen). 576 EuGH 22.1.2002 – C-390/99 – Slg. 2002, I-607 Tz. 37 – Canal Satélite (auch Tz. 29 f. zur Verpflichtung, sich in einem nationalen Register einzutragen und darin die Erzeugnisse anzugeben, die das ausländische Unternehmen in Verkehr bringen will); siehe auch EuGH 28.1.2010 – C-333/08 – Slg. 2010, I-757 Tz. 75 ff. – Kommission/Frankreich zu einem Zulassungssystem für Lebensmittelzusatzstoffe. Ein Grenzfall zu den sonstigen Maßnahmen sind nationale Altersregelungen für den Vertrieb von Produkten, Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 923. 577 Siehe EuGH 14.2.2008 – C-244/06 – Slg. 2008, I-505 Tz. 33 – Dynamic Medien; für Produktbezug auch Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34-36 AEUV Rn. 142 Fn. 415. 578 EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 11 – Familiapress. 579 EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 13, 19 – Clinique; EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 Tz. 13 – Mars (zu Werberegeln, die für die Produktgestaltung Konsequenzen haben); EuGH 26.11.996 – C-313/94 – Slg. 1996, I-6039 Tz. 16 ff. – Graffione (Vertriebsverbot für mit einer bestimmten Marke versehene Produkte); EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 27 ff. – Estée Lauder (Verbot irreführender Produktbezeichnung); Körber Grundfreiheiten und Privatrecht (2004) S. 565 f.: „produktregelnde Anwendung von Lauterkeitsnormen“ und „Produkt- oder personenbezogene Bezeichnungsverbote“. Unter diese Kategorie fallen auch die vor Keck ergangenen Entscheidungen EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299 Tz. 22 ff. – Prantl (Verwendung von Bocksbeuteln) und EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 13 – Pall (auf § 3 UWG a.F. gestütztes Verbot der Aufmachung eines Erzeugnisses) und wegen seines Produktbezugs wohl auch das Verbot sklavischer Nachahmung aus EuGH 2.3.1982 – 6/81 – Slg. 1982, 707 Tz. 7, 9 ff. – Beele.
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cc) Sonstige Marktzugangsbehinderungen. Die größte praktische Bedeutung, zugleich aber auch die größten Unsicherheiten weist die dritte Kategorie der sonstigen Marktzugangsbehinderungen („jede sonstige Maßnahme, die den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert“580) auf.
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(1) Fortschreibung der Dassonville-Formel. Sicher erscheint zunächst, dass diese Kategorie eine Fortschreibung der allgemeinen Dassonville-Formel in Richtung auf das Kriterium der Behinderung des Marktzugangs darstellt, das nun offenbar als Synonym für die Dassonville-Formel von der aktuellen oder potentiellen, mittelbaren oder unmittelbaren Handelsbehinderung verwendet wird.581 Die dritte Fallgruppe erfasst damit als Auffangtatbestand582 alle sonstigen Maßnahmen, die weder diskriminierende583 (Kategorie 1) noch produktbezogene (Kategorie 2) Maßnahmen betreffen. So fallen nicht nur Nutzungs- und Verwendungsbeschränkungen in diese Kategorie,584 sondern sie erstreckt sich generell auf alle nationale Regeln, die das „Verhalten der Käufer beeinflussen und folglich Auswirkungen auf den Zugang zum Markt dieses Mitgliedstaats haben“ können.585
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(2) Integration der Relevanzformel. In diesen Auffangtatbestand lässt sich auch die Relevanzformel („zu ungewiss und zu mittelbar“) integrieren, indem man statt des fehlenden Kausalzusammenhangs mit einer Handelsbehinderung (wie bei Dassonville) auf den fehlenden Kausalzusammenhang mit einer Marktzutrittsbehinderung abstellt, dessen Fehlen die Marktzugangsbehinderung und damit eine Maßnahme gleicher Wirkung ausschließt.586 So hat der EuGH bei Nutzungsbeschränkungen eine Behinderung des Marktzugangs und damit eine Beeinträchtigung des Art. 34 AEUV nur bejaht, wenn es sich entweder um eine absolutes Nutzungsverbot handelt587 oder wenn die Beschrän-
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580 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 37 – Kommission/Italien; EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 24 – Mickelsson und Roos; EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 50 – Ker-Optika; EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 35 – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre. 581 Siehe EuGH 6.10.2011 – C-443/10 – BeckRS 2011, 81435 Tz. 26 – Bonnarde, wo statt der dritten Stufe die allgemeine Dassonville-Formel wiederholt wird; EuGH 1.3.2012 – C-484/10 – EuZW 2012, 264 Tz. 52 f. – Ascafor; ferner Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 922: „substituted the Dassonville formula […] for a market access test“; Sack EWS 2011, 265, 277: „inhaltlich stimmt Stufe (3) des Drei-Stufen-Tests mit der umfassenden Dassonville-Formel überein“; Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1462: „the Court is merely telling us that these residual measures are governed by the general Dassonville formula“; zurückhaltender Stuyck Unfair competition law in the EU in the years to come in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.) European Private Law – Current Status and Perspectives (2011), S. 107, 115: Marktzugangshinderung „higher threshold than the notion of obstacle to free movement“. 582 Barnard Cambridge Law Journal 2009, 288, 289; Classen EuR 2009, 555, 559; Rauber ZEuS 2010, 15, 34; Sack EWS 2011, 265, 277. 583 Für diskriminierende Maßnahmen ebenso Enchelmaier Yearbook of European Law 29 (2010) 190, 203. 584 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 56 ff. – Kommission/Italien; EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 28 – Mickelsson und Roos; siehe auch bereits EuGH 11.7.2000 – C-473/98 – Slg. 2000, I-5681 Tz. 35 ff. – Toolex; EuGH 10.4.2008 – C-265/06 – Slg. 2008, I-2245 Tz. 32 ff. – Kommission/Portugal; zu diskriminierenden Nutzungsbeschränkungen bereits EuGH 13.3.1979 – 119/78 – Slg. 1979, 975 Tz. 22 – Peureux. 585 EuGH 6.10.2011 – C-443/10 – BeckRS 2011, 81435 Tz. 30 – Bonnarde (Erfordernis des Vermerks „Vorführwagen“ als Voraussetzung für einen Umweltbonus nach französischem Recht). 586 In diese Richtung auch Barnard The Substantive Law of the EU, 3. Aufl. (2010), S. 144 (die allerdings selbst ein Spürbarkeitskriterium befürwortet); a.A. Rauber ZEuS 2010, 15, 39: Kriterium des „zu ungewiss und zu mittelbar“ werde durch die neue Formel ersetzt. 587 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 56 ff. – Kommission/Italien.
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kungen die Abnehmer der Erzeugnisse daran hindern, von den Waren „den ihnen eigenen und wesensimmanenten Gebrauch zu machen“ oder „deren Nutzung stark … behindern“.588 Alle anderen Nutzungsbeschränkungen, so ist im Gegenschluss zu folgern, stellen keine Beeinträchtigung des Art. 34 AEUV dar, weil ihr Einfluss auf den Warenabsatz offenbar „zu ungewiss und zu mittelbar“ ist, als dass sie den Marktzutritt behindern könnten.589 (3) Integration der Keck-Doktrin. Unsicherer ist demgegenüber das Schicksal der 134 Keck-Doktrin unter der Herrschaft der neuen Formel. Vorgeschlagen wird einerseits, die Verkaufsmodalitäten der Keck-Doktrin als zusätzliche Fallgruppe neben der dritten Kategorie anzusehen,590 andererseits dass die Keck-Doktrin durch die Kategorie der sonstigen Marktzugangsbehinderungen obsolet geworden sei.591 Angesichts der ausdrücklichen Herleitung der dritten Kategorie auch aus der Keck-Entscheidung592 und der Bezugnahme auf die Verkaufsmodalitäten in den Folgeentscheidungen593 erscheint es indes am überzeugendsten, eine auf das Marktzugangskriterium neu ausgerichtete Keck-Doktrin als Teil der neuen Formel zu begreifen.594 Für eine solche Lesart sprechen vor allem die Parallelen zwischen der neuen Formel 135 und der Keck-Doktrin. So ist nach der Keck-Doktrin eine Maßnahme gleicher Wirkung dann nicht gegeben, wenn es sich erstens um eine Verkaufsmodalität (im Unterschied zu produktbezogenen Regeln i.S.v. Cassis de Dijon) handelt, die zweitens diskriminierungsfrei für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt und die drittens den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berührt.595 Wendet man diese Kriterien ins Positive, so liegt eine Maßnahme gleicher Wirkung vor, wenn es sich um rechtlich diskriminierende Maßnahmen handelt (Kategorie 1 der neuen Formel), wenn die Regulierung das Produkt selbst und nicht bloß seinen Verkauf betrifft (Kategorie 2 der neuen Formel) oder wenn die Maßnahme tatsächlich den Absatz der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stär-
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588 EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 28 – Mickelsson und Roos; siehe auch EuGH 10.4.2008 – C-265/06 – Slg. 2008, I-2245 Tz. 32 ff. – Kommission/Portugal. 589 Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1467. 590 So Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1462: „Nor has the Court made it clear whether only residual measures that are neither product-bound nor related to selling arrangements can fall within the third category; but the better view is that this category is limited to those measures“, 1469 f. 591 So Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 923; Stuyck Unfair competition law in the EU in the years to come in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.) European Private Law – Current Status and Perspectives (2011), S. 107, 115; Sack EWS 2011, 265, 277; für eine Aufgabe des Kriteriums der Verkaufsmodalitäten auch Rauber ZEuS 2010, 15, 39. 592 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 36 – Kommission/Italien. 593 EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 51 ff. – Ker-Optika. 594 Siehe auch Classen EuR 2009, 555, 559: „kein Anhaltspunkt dafür, dass es dem EuGH […] inhaltlich um eine Neuausrichtung […] ging“; Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1463: „it seems premature to conclude that this ruling has made any change at all in the pre-existing law“; Enchelmaier Yearbook of European Law 29 (2010) 190, 204: „does not exactly abandon the concept of rules relating to ‚selling arrangements‘“; Brigola EuZW 2012, 248, 252; siehe auch Barnard CLJ 2009, 288, 290: „Keck has been confined to situations concerning arrangements for sale in the narrowest possible sense and seems unlikely to be extended“; dies. Substantive Law of the EU, 3. Aufl. (2011), S. 141: „Commission v. Italy has modified (corrected?) the first limb of paragraph 17 in Keck to include a market access test“; Purnhagen JZ 2012, 742, 744: „konsequente Anwendung der Keck-Rechtsprechung in der Evolution durch den EuGH“. 595 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 16 – Keck und Mithouard; EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 36 – Kommission/Italien.
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ker berührt, also den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert (Kategorie 3 der neuen Formel). Die einzelnen Elemente der Keck-Doktrin sind nach dem hier zugrunde gelegten 136 Verständnis der neuen Formel also nicht obsolet geworden, sondern lediglich anderen Oberbegriffen zugeordnet worden. So ist der Begriff der Verkaufsmodalität nach der neuen Formel – wie bereits unter Keck – zunächst als Gegenbegriff zu den produktbezogenen Regeln von Interesse (Kategorie 2 der neuen Formel), die per se als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen sind. Bejaht man nämlich das Vorliegen einer Verkaufsmodalität, so ist eine Maßnahme gleicher Wirkung nur dann gegeben, wenn es sich entweder um eine rechtlich diskriminierende Maßnahme handelt (Kategorie 1 der neuen Formel) oder wenn die Verkaufsmodalität den Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten in sonstiger Weise behindert (Kategorie 3 der neuen Formel). In beiden Fällen waren auch bereits nach der Keck-Doktrin Verkaufsmodalitäten als Maßnahmen gleicher Wirkung anzusehen, jedenfalls wenn man die tatsächliche Absatzbehinderung als Ausprägung des Marktzugangskriteriums verstand.596 Deshalb lässt sich die bisherige Rechtsprechung zu rechtlich wie tatsächlich neutralen Verkaufsmodalitäten597 auch unter Herrschaft der neuen Formel zur Konkretisierung der Marktzugangsbehinderung fruchtbar machen, indem bei derartigen Maßnahmen eine Beeinträchtigung verneint wird. In der Zukunft dürfte allerdings die neue Formel der sich noch unter der KeckDoktrin abzeichnenden Akzentverschiebung vom formalen Kriterium der Verkaufsmodalität zum materiellen Kriterium des Marktzugangs zum Durchbruch verhelfen, weil der Schwerpunkt der Prüfung nicht mehr das Vorliegen einer Verkaufsmodalität ist, sondern ihre Neutralität für den Marktzugang ausländischer Anbieter. 137
(4) Kriterien der Marktzugangsbehinderung. Wegen der Weite der dritten Fallgruppe ist von besonderem Interesse, welche Kriterien an die Marktzugangsbehinderung anzulegen sind. Festzuhalten ist zunächst, dass eine Marktzugangsbehinderung in jeder sonstigen Maßnahme liegen kann, so dass nicht nur handelsbezogene, sondern auch alle anderen nationalen Vorschriften erfasst werden.598 Auch bedarf es zur Feststellung einer Marktzugangsbehinderung ebenso wenig wie nach der Dassonville-Formel599
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596 Siehe nur EuGH 13.1.2000 – C-254/98 – Slg. 2000, I-151 Tz. 25 f. – TK-Heimdienst: „Sie [nationale Regelung, die den Vertrieb im Umherziehen ohne ortsfeste Niederlassung verbietet] berührt jedoch das Inverkehrbringen inländischer und aus anderen Mitgliedstaaten stammender Erzeugnisse nicht in der gleichen Weise. Eine derartige Regelung verpflichtet nämlich Bäcker, Fleischer und Lebensmittelhändler, die bereits eine ortsfeste Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat haben und die ihre Waren in einem bestimmten Verwaltungsgebiet, wie etwa einem österreichischen Verwaltungsbezirk, im Umherziehen feilbieten wollen, in diesem Verwaltungsgebiet oder einer angrenzenden Gemeinde eine andere ortsfeste Betriebsstätte zu errichten oder zu erwerben, während die örtlichen Wirtschaftsteilnehmer die Voraussetzung der ortsfesten Betriebsstätte bereits erfüllen. Somit haben Waren aus anderen Mitgliedstaaten gleichen Zugang zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats wie inländische Waren nur, nachdem sie mit zusätzlichen Kosten belastet worden sind“ (Hervorhebung nicht im Original). Zum Verständnis als Marktzugangsregelung auch MünchKomm/Glöckner EG C Rn. 50; Reich EuZW 2008, 485, 486; zurückhaltender Barnard Substantive Law of the EU, 3. Aufl. (2011), S. 125: „market access test not presented as a condition of its own, but rather as a consequence of the fact that the paragraph 16 proviso is satisfied“. 597 Dazu oben Rn. 113–119. 598 Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 924. 599 EuGH (Große Kammer) 14.12.2004 – C-463/01 – Slg. 2004, I-11705 Tz. 65 – Kommission/Deutschland (Maßnahme gleicher Wirkung trotz Ansteigens der Einfuhren); ähnlich EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-7195 Tz. 22 – Gourmet (Anstieg ausländischer Einfuhren hätte ohne Maßnahme noch größer sein können); anschaulich auch EuGH 22.10.1998 – C-184/96 – Slg. 1998, I-6197 Tz. 17 – Kommission/ Frankreich (nicht ein einziger konkreter Fall mit Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat muss eingetreten
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eines ökonomischen oder statistischen Nachweises oder einer Spürbarkeit600 der Zugangsbehinderung.601 Vielmehr ist die Marktzugangsbehinderung vom Gericht anhand einer eigenen Ein- 138 schätzung der Eigenarten der Regelung und einer plausiblen Abschätzung der Maßnahmewirkungen zu beurteilen,602 wobei allzu ungewisse und mittelbare Behinderungen nach der Relevanzformel auszunehmen sind. So genügt es für das Vorliegen einer Marktzugangsbehinderung nicht allein, dass sich ausländische Anbieter bei ihrem Warenangebot und ihrer Preisgestaltung an die strengeren oder wirtschaftlich weniger attraktiven inländischen Vorschriften halten müssen.603 Allerdings kann die Entstehung zusätzlicher Kosten speziell für ausländische Anbieter ein Indiz für eine Marktzugangsbehinderung sein,604 wobei nur solche Kosten als Marktzugangsbehinderung anzusehen sind, die „daraus resultieren, dass die nationalen Vorschriften die besondere Situation der eingeführten Erzeugnisse und insbesondere nicht berücksichtigen, dass diese Erzeugnisse bereits den Vorschriften ihres Herkunftsstaates genügen mussten“.605 Darüber hinaus sind auch die unter der Keck-Doktrin als Beeinträchtigung eingestuften Maßnahmen wie insbesondere absolute oder weitreichende Werbeverbote oder das Vorenthalten besonders wirksamer Vertriebsmaßnahmen (z.B. des Direkt- oder Internetvertriebs oder des Preiswettbewerbs) als Marktzugangsbehinderung einzustufen.606 Auch ein den Tabakeinzelhändlern auferlegtes Verbot, die Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen selbst und unmittelbar auszuüben, stellt eine sonstige Marktzugangsbehinderung dar, weil einerseits Tabakerzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nur vermarktet werden können, wenn ein solches Erzeugnis im Erzeugnissortiment der zugelassenen Großhändler angeboten wird und diese Großhändler es vorrätig haben, so dass die Nachfrage
_____ sein). Werden konkrete Auswirkungen nachgewiesen, spricht dies natürlich für die Marktzugangsbehinderung, EuGH 26.10.2006 – C-65/05 – Slg. 2006, I-10341 Tz. 30 – Kommission/ Griechenland. 600 So aber Barnard The Substantive Law of the EU, 3. Aufl. (2010), S. 107, 143 f. unter Hinweis auf EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 56 – Kommission/Italien: „erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Verbraucher“; Sack EWS 2011, 265, 279 f. (als Kompensation des aus seiner Sicht aufgegebenen Keck-Kriteriums der Verkaufsmodalitäten). 601 Gegen ein Spürbarkeitserfordernis auch Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 924. Zur bisherigen Rechtsprechung EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299 Tz. 20 – Prantl; EuGH 5.4.1984 – 177/82 und 178/82 – Slg. 1984, 7197 Tz. 13 – van de Haar; EuGH 18.5.1993 – C-126/91– Slg. 1993, I-2361 Tz. 21 – Yves Rocher; EuGH 3.12.1998 – C-67/97 – Slg. 1998, I8033 Tz. 9, 19 f. – Bluhme (Art. 34 AEUV beeinträchtigt, obwohl die Beschränkung nur eine dänische Insel mit 2365 Einwohnern betrifft); EuGH 11.9.2008 – C-141/07 – Slg. 2008, I-6935 Tz. 43 – Kommission/Deutschland; ebenso MünchKomm/ Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 111; zur Diskussion bereits oben Rn. 109. 602 Barnard The Substantive Law of the EU, 3. Aufl. (2010), S. 144; Oliver Fordham International Law Journal 33 (2011) 1423, 1469: „This test involves an examination of the inherent characteristics of the measure and does not entail an economic or statistical analysis“. 603 Vgl. EuGH 12.9.2013 – C-475/11 – Tz. 47 f. – Kostas Konstantinides zur Bindung ausländischer Ärzte an die Regeln der deutschen Honorarordnung. 604 EuGH 13.1.2000 – C-254/98 – Slg. 2000, I-151 Tz. 26 – TK-Heimdienst; EuGH 5.2.2004 – C-270/02 – Slg. 2004, I-1559 Tz. 19 – Kommission/Italien; Behrens Die Liberalisierung des Fernsehwerberechts im Kontext der Rundfunkregulierung (2012) S. 74 f. 605 Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 30.3.2006 – C-158/04 und C-59/04 – Slg. 2006, I-8135 Tz. 44 – Alfa Vita. Nicht ausreichend ist regelmäßig das Entstehen zusätzlicher Kosten für alle Marktteilnehmer, EuGH 17.2.2005 – C-134/03 – Slg. 2005, I-1167 Tz. 37 f. – Viacom Outdoor; EuGH 8.9.2005 – C-544/03 und C-545/03 – Slg. 2005, I-7723 Tz. 31 – Mobistar, sofern diese Kosten nicht spezifisch ausländische Anbieter treffen, siehe EuGH 29.11.2001 – C-17/00 – Slg. 2001, I-9445 Tz. 32 ff. – De Coster im Vergleich zu vorzitierten Judikaten. 606 Dazu bereits im Kontext der Keck-Formel oben Rn. 116–119.
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nicht direkt, schnell und flexibel befriedigt werden kann. Zudem sind Tabakeinzelhändler daran gehindert, ihren Bedarf in den anderen Mitgliedstaaten zu decken, auch wenn die dort niedergelassenen Hersteller oder Großhändler insbesondere in den Grenzregionen günstigere Bezugsbedingungen anbieten können.607 Die Kategorie der sonstigen Marktzugangsbehinderungen erfasst sodann nicht nur 139 diejenigen Regeln, die am Eintritt auf einen bestehenden Markt hindern, sondern auch solche Vorschriften, die wie die Nutzungsbeschränkungen in Kommission/Italien608 den erreichbaren Markt von vorneherein begrenzen oder ausschließen, dass sich überhaupt ein Markt für entsprechende Erzeugnisse entwickelt.609 Mit dieser Rechtsprechung verstärkt sich die Tendenz, die Verkehrsfreiheiten zu allgemeinen wirtschaftlichen Freiheitsrechten auf Marktzugang zu erheben. Da dies nicht ihrer ursprünglichen Konzeption als spezifische Garantien für den grenzüberschreitenden Handel entspricht,610 andererseits aber das Fortschreiten der Binnenmarktintegration im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der Union in gewissem Umfang eine Fortentwicklung der Grundfreiheiten zu allgemeinen wirtschaftlichen Freiheitsrechten rechtfertigt,611 sollte eine zweistufige Prüfung erfolgen: 612 Handelt es sich um eine Regelung, die den Marktzugang ausländischer Anbieter tatsächlich stärker als den der Inländer berührt, insbesondere weil ihnen ein für sie besonders wirksames Vermarktungsmittel genommen wird, so ist das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung zu bejahen. Handelt es sich demgegenüber um eine Maßnahme, die in- und ausländische Anbieter auch faktisch in gleicher Weise berührt, so ist eine Maßnahme gleicher Wirkung nur dann zu bejahen, wenn der erreichbare Markt sehr weitgehend begrenzt oder generell verschlossen wird
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607 EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 36 f., 39, 41 – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre. 608 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 56 ff. – Kommission/Italien; EuGH 4.6.2009 – C-142/05 – Slg. 2009, I-4273 Tz. 28 – Mickelsson und Roos. 609 Siehe auch die Analogie zur Dienstleistungsfreiheit von Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 924. 610 Rauber ZEuS 2010, 15, 36 f.; ebenso auch die der neuen Formel bereits sehr ähnlichen Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 30.3.2006 – C-158/04 und C-59/04 – Slg. 2006, I-8135 Tz. 37, 41, 43 ff. – Alfa Vita: „Denn die Bestimmungen […] über den freien Warenverkehr sollen die Durchlässigkeit der nationalen Märkte gewährleisten […], nicht aber eine allgemeine Deregulierung der nationalen Volkswirtschaften fördern“; „nicht Aufgabe des Gerichtshofes […], systematisch die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten in Frage zu stellen“; Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 25.3.2004 – C-442/04 – Slg. 2004, 8961 Tz. 63 – Caixa Bank France: Ziel der Grundfreiheiten nicht „Errichtung eines Marktes, in dem Regeln grundsätzlich verboten sind, soweit sie nicht erforderlich und angemessen sind, um zwingenden Erfordernissen des Gemeinwohls zu genügen“. 611 Für ein solches Verständnis Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 924 f.: „broader aim of ensuring the competitiveness of the internal market as a whole“; 929: „freedom to trade“. Die Expansion des Tatbestands wird teilweise durch Absenkung der Maßstäbe der Rechtfertigungsprüfung kompensiert, EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 59 f., 65 – Kommission/Italien; Spaventa European Law Review 34 (2009) 914, 925 f. 612 Zusammenfassend zur Praxis des Gerichtshofs Snell CMLR 47 (2010) 437, 471: „Currently, the Court’s analysis in the main seems to focus on the significance of the impact of the measure, with all the uncertainties this approach entails. At the same time, it denies that rules with an insignificant effect fall outside the scope of the Treaty and employs discrimination analysis for certain categories of measures, such as export restrictions on goods and national tax rules“. Dies entspricht im Kern der hier vorgeschlagenen Differenzierung, auch wenn rechtliche Ungleichbehandlungen nach meiner Lesart der neuen Formel in die erste Kategorie der diskriminierenden Maßnahmen fallen. Siehe auch die Ausführungen zur Parallelproblematik bei der Dienstleistungsfreiheit unten Rn. 188.
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(z.B. durch generelle oder sehr weitgehende Nutzungsbeschränkungen); nicht aber wenn nur das Marktverhalten reguliert wird (z.B. durch Ladenöffnungszeiten613). (5) Relevanz für das Lauterkeitsrecht. Die Relevanz der dritten Fallgruppe für das 140 Lauterkeitsrecht ist unsicher.614 Zwar dürfte die neue Formel im bisher (eher) sicheren Hafen der Verkaufsmodalitäten einige Wellen schlagen. Andererseits zeichnete sich in jüngerer Zeit auch unter der „reinen“ Keck-Doktrin bereits ab, dass das materielle Kriterium der Marktzugangsbehinderung die formelle Anknüpfung an die Verkaufsmodalität immer stärker überlagerte, so dass die Unterschiede zumindest zu einer am Marktzugang ausgerichteten Keck-Doktrin wohl überschaubar bleiben dürften, zumal nach dem hier vorgeschlagenen Verständnis nicht jede Marktzugangsbehinderung sogleich eine Maßnahme gleicher Wirkung darstellt615 und die Kategorien der rechtlichen Ungleichbehandlung und der produktbezogenen Vorschriften neben der allgemeinen Marktzugangsbehinderung eine gewisse Konkretisierung des Begriffs der Maßnahme gleicher Wirkung sicherstellen.616 3. Warenverkehrsfreiheit: Rechtfertigung Artikel 36 AEUV Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder-beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.
Die Verbote der Art. 34 und 35 AEUV gelten nicht absolut. Vielmehr können men- 141 genmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung durch einen der in Art. 36 AEUV abschließend aufgezählten Gründe des Gemeinwohls, durch sonstiges kollidierendes Primärrecht oder durch die ungeschriebenen Erfordernisse der Cassis-Formel gerechtfertigt sein.617 In allen Fällen muss die nationale Maßnahme „geeignet sein, die
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613 Dazu jüngst (offenlassend) EuGH 4.12.2012 – C-559/11 – Pelckmans Turnhout. 614 Siehe auch Stuyck Unfair competition law in the EU in the years to come in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.) European Private Law – Current Status and Perspectives (2011), S. 107, 115: „In other words, since Keck, but still after Mickelsoon, the application of unfair competition law in a cross-border import situation will very often not come under the scope of Article 34 TFEU, because this law will typically not affect imports more than it affects domestic trade“. 615 Siehe die vorige Rn. 139. 616 Purnhagen JZ 2012, 742, 745 sieht eine Schwäche der neuen Formel darin, dass sie Maßnahmen in minimal- oder maximalharmonisierenden Sekundärrechtsakten, die früher als Produktmodalität und damit als Maßnahme gleicher Wirkung eingestuft worden wären (als Beispiel wählt er EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 13 ff. – Clinique), mangels Marktzugangsbehinderung (infolge der Harmonisierung) nicht mehr als Maßnahme gleicher Wirkung klassifizieren würde. M.E. sind diese Bedenken nicht begründet: Zum einen ist der Zugriff der Grundfreiheiten auf harmonisierendes Sekundärrecht ohnehin deutlich geringer als auf nationale Maßnahmen (oben Rn. 90), zum anderen steht neben der Kategorie der sonstigen Marktzugangsbehinderungen nach wie vor die Kategorie der Beeinträchtigung durch Produktmodalitäten als zweite Stufe der neuen Formel. 617 Ein Rückgriff auf die Rechtfertigungstatbestände ist ausgeschlossen, wenn eine abschließende sekundärrechtliche Harmonisierung erfolgt ist, EuGH 12.11.1998 – C-102/96 – Slg. 1998, I-6871 Tz. 21 – Kommission/Deutschland: „ ist die Anwendung dieser Bestimmung [Art. 36 AEUV] ausgeschlossen, wenn Richtlinien der Gemeinschaft die Harmonisierung der Maßnahmen vorsehen, die zur Verwirklichung des
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Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist“ (Verhältnismäßigkeit).618 Zudem ist die im Unionsrecht vorgesehene „Rechtfertigung im Lichte der allgemeinen Rechtsgrundsätze und der Grundrechte auszulegen“.619 Die Verhältnismäßigkeit lässt sich gedanklich in vier Schritten prüfen.620 Es bedarf zunächst eines legitimen Ziels, das im Schutz eines der Güter des Art. 36 AEUV oder in einem zwingenden Erfordernis i.S.d. Cassis-Doktrin bestehen kann. Die einschränkende Maßnahme muss sodann geeignet sein, dieses Ziel zu fördern, wobei die Auswahl geeigneter Maßnahmen grundsätzlich den Mitgliedstaaten obliegt und nur im Fall eines offensichtlichen Ermessensfehlers beanstandet wird.621 Die Prüfung der Erforderlichkeit und (soweit noch notwendig) Angemessenheit ist abhängig von Ziel und Kontext der Maßnahme und soll daher im Folgenden im Zusammenhang mit der Darstellung der einzelnen Schutzgüter erfolgen. 142
a) Art. 36 AEUV. Eine Maßnahme gleicher Wirkung622 kann zunächst zum Schutz eines der in Art. 36 Satz 1 AEUV genannten Güter gerechtfertigt sein. Zu den dort abschließend 623 aufgezählten Schutzgütern (öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, Gesundheit und Leben von Menschen, Tieren oder Pflanzen, nationales Kulturgut, gewerbliches und kommerzielles Eigentum) zählt allerdings weder der Schutz des (lauteren) Wettbewerbs noch der Verbraucherschutz,624 so dass diese Interessen nur als zwingende Erfordernisse i.S.d. Cassis-Formel berücksichtigt werden können. Dennoch schließt dies den Rückgriff auf Art. 36 AEUV im Lauterkeitsrecht nicht aus, weil eine wettbewerbsrechtliche Regelung im Einzelfall auch anderen als wettbewerblichen oder verbraucherschützenden Zielen dienen kann. Dann kann der Rückgriff auf Art. 36 AEUV bedeutsam sein, weil die Schutzgüter des Art. 36 AEUV – im Unterschied zu den zwingenden Erfordernissen der Cassis-Doktrin, bei denen dies umstritten ist – auch diskriminierende Maßnahmen zu rechtfertigen vermögen.625 Das Verbot willkürlicher Diskriminierungen und
_____ konkreten Zieles, das durch den Rückgriff auf Artikel 36 erreicht werden soll, erforderlich sind […]. Dieser Ausschluß muß auch dann gelten, wenn Erfordernisse des Verbraucherschutzes geltend gemacht werden“; ebenso EuGH 24.10.2002 – C-99/01 – Slg. 2002, I-9375 Tz. 25 – Linhart. 618 Zusammenfassend EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 59 – Kommission/Italien; siehe auch EuGH 26.11.996 – C-313/94 – Slg. 1996, I-6039 Tz. 23 – Graffione: „ist es zur Rechtfertigung der zum Schutz der Verbraucher erlassenen Maßnahme darüber hinaus jedoch notwendig, daß sie zur Erreichung dieses Zieles tatsächlich erforderlich ist, daß sie in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht und daß dieser Zweck nicht durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken“. 619 EuGH 18.6.1991 – C-260/89 – Slg. 1991, I-2925 Tz. 43 – ERT; EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 24 – Familiapress. 620 Siehe Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34-36 AEUV Rn. 88 ff. 621 EuGH 15.9.1994 – C-293/93 – Slg. 1994, I-4249 Tz. 22 – Houtwipper; für einen Fall der Ungeeignetheit EuGH 10.7.1980 – 152/78 – Slg. 1980, 2299 Tz. 15 f. – Kommission/Frankreich (Werbeverbot für Alkohol). 622 Der Wortlaut „Einfuhr, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote“ in Art. 36 AEUV ist zu eng, die Vorschrift erfasst auch Maßnahmen gleicher Wirkung, von der Groeben/Schwarze/Müller-Graff Art. 30 EG Rn. 10; MünchKomm/Heermann, EG B Art. 30 EG Rn. 2. 623 EuGH 9.6.1982 – 95/81 – Slg. 1982, 2187 Tz. 27 – Kommission/Italien. 624 EuGH 17.6.1981 – 113/80 – Slg. 1981, 1625 Tz. 8 – Kommission/Irland; zu den nicht-wirtschaftlichen Tatbeständen des Art. 36 AEUV auch EuGH 19.12.1961 – 7/61 – Slg. 1961, 695, 720 – Kommission/Italien; EuGH 28.3.1995 – C-324/93 – Slg. 1995, I-563 Tz. 36 – Evans (Überleben eines Unternehmens kein Rechtfertigungsgrund i.S.d. Art. 36 AEUV). 625 Vgl. EuGH 16.12.2010 – C-137/09 – GRUR Int. 2011, 245 Tz. 58 f., 65 ff. – Josemans (Zutritt zu Coffeeshops wird in den Niederlanden ansässigen Personen vorbehalten); siehe auch EuGH 3.3.1988 – 434/85 – Slg. 1988, 1245 Tz. 34 f. – Generics.
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verschleierter Handelsbeschränkungen in Art. 36 Satz 2 AEUV hat in der Rechtsprechung keine eigenständige Bedeutung neben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erlangt.626 aa) Gesundheitsschutz. Unter den einzelnen Schutzgütern des Art. 36 AEUV hat 143 der Schutz der Gesundheit praktisch wie rechtlich den ersten Rang.627 Allerdings sind inzwischen auch auf diesem Gebiet zahlreiche Harmonisierungsmaßnahmen ergangen, die eine Vollharmonisierung bewirken und damit den Regelungsspielraum der nationalen Gesetzgeber begrenzen.628 Fehlt es an einer Rechtsangleichung durch die Union, so stellt sich zunächst die Frage, wie der Gesundheitsschutz von den ungeschriebenen zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes abzugrenzen ist. Sachgerecht erscheint ein Unmittelbarkeitserfordernis, so dass nur Maßnahmen, die unmittelbar dem Schutz des Lebens oder der Gesundheit dienen, durch Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden können; ansonsten bleibt es bei der Cassis-Formel.629 Handelt es sich um eine unmittelbar dem Gesundheitsschutz dienende Maßnahme, 144 so ist es nach der Rechtsprechung des EuGH „Sache der Mitgliedstaaten, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen und unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs … zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz gewährleisten wollen“.630 Allerdings lässt sich eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit auch im Interesse des Gesundheitsschutzes nur rechtfertigen, „wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des verfolgten legitimen Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist“.631 Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung sind schon wegen der Hochrangigkeit des Schutzgutes präventive Maßnahmen wie Zulassungsverfahren bei Zusatzstoffen in Lebensmitteln zulässig.632 Wegen des Charakters des Art. 36 AEUV als eng auszulegende Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs ist allerdings durch die nationalen Organe „in jedem Einzelfall im Licht der nationalen Ernährungsgewohnheiten und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung darzulegen, dass ihre Regelung zum wirksamen Schutz der von dieser Bestimmung erfassten Interessen erforderlich ist, und insbesondere, dass das Inverkehrbringen der in Frage stehenden Erzeugnisse eine
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626 EuGH 14.7.1983 – 174/82 – Slg. 1983, 2445 Tz. 18 – Sandoz: „jedoch verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Artikel 36 Satz 2 EWG-Vertrag zugrunde liegt“; zusammenfassend zu den Interpretationen im Schrifttum Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34-36 AEUV Rn. 102. 627 EuGH 8.11.2007 – C-143/06 – Slg. 2007, I-9623 Tz. 27 – Ludwigs-Apotheke; EuGH 9.12.2010 – C-421/09 – GRUR Int. 2011, 252 Tz. 32 – Humanplasma (zum österreichischen Verbot des Inverkehrbringens von Blut und Blutprodukten, für deren Spende der Spender eine Bezahlung erhalten haben); vgl. dazu auch BGH 30.4.2009 – I ZR 117/07 – GRUR 2009, 1189 – Blutspendedienst. 628 Siehe den Überblick zum sektoriellen Lauterkeitsrecht unten Rn. 424. 629 MünchKomm/Heermann EG B Art. 39 EG Rn. 15: „schutzzweckorientierte Betrachtung“; siehe auch EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 28 – Estée Lauder: Das Kriterium des Durchschnittverbrauchers „gilt auch im Bereich des Vertriebs kosmetischer Mittel, wenn ein Irrtum über die Eigenschaften des Produkts – wie im Ausgangsverfahren – die Gesundheit nicht beeinträchtigen kann“. Zum Verhältnis zum Umweltschutz siehe auch EuGH (Große Kammer) 21.12.2011 – C-28/09 – EuGRZ 2012, 48 Tz. 123 – Kommission/Österreich. 630 EuGH 8.11.2007 – C-143/06 – Slg. 2007, I-9623 Tz. 27 – Ludwigs-Apotheke; EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 58 – Ker-Optika: „Wertungsspielraum“; EuGH 9.12.2010 – C-421/09 – GRUR Int. 2011, 252 Tz. 32 – Humanplasma; siehe auch die Rechtsprechung zu den skandinavischen Alkoholgesetzen EuGH 28.9.2006 – C-434/04 – Slg. 2006, I-9171 Tz. 32 – Ahokainen: „Beurteilungsspielraum“. 631 EuGH 9.12.2010 – C-421/09 – GRUR Int. 2011, 252 Tz. 34 – Humanplasma. 632 Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 199, 203; siehe auch EuGH 5.3.2009 – C-88/07 – Slg. 2009, I-1353 Tz. 89 ff. – Kommission/Spanien (Zulassungsverfahren bei pflanzlichen Arzneimitteln).
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tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt“.633 Auch legt der Gerichtshof im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Wert darauf, dass die mit der Regelung angestrebten Ziele vollständig verwirklicht werden können.634 Berücksichtigt wird zudem die Praxis anderer Mitgliedstaaten,635 auch wenn die Verhältnismäßigkeit der nationalen Bestimmungen nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil ein Mitgliedstaat andere Schutzvorschriften als ein anderer Mitgliedstaat erlassen hat.636 Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall637 steht der Gerichtshof auch beim Gesundheitsschutz Vertriebsbeschränkungen skeptisch gegenüber, wenn der für den Marktzugang wichtige Vertriebskanal über das Internet638 abgeschnitten wird oder Werbung generell verboten ist.639 145
bb) Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums. Eine mittelbare Bedeutung für das Lauterkeitsrecht hat außerdem der Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums. Zwar lässt sich der Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs nicht unter den Schutz des gewerblichen Eigentums in Art. 36 AEUV fassen.640 Aber immerhin hat der Gerichtshof neben den klassischen Immaterialgüterrechten (Patente,641 eingetragene und nicht eingetragene Marken,642 Urheberrechte643 und verwandte
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633 EuGH 15.11.2007 – C-319/05 – Slg. 2007, I-9811 Tz. 88 – Kommission/Deutschland; ebenso EuGH 29.4.2004 – C-150/00 – Slg. 2004, I-3887 Tz. 89 – Kommission/Österreich (zur Kontrolle von Lebensmittelzusatzstoffen); EuGH 5.3.2009 – C-88/07 – Slg. 2009, I- 1353 Tz. 89 – Kommission/Spanien (zur Kontrolle von pflanzlichen Arzneimitteln); EuGH 19.6.2003 – C-420/01 – Slg. 2003, I-6445 Tz. 30 ff. – Kommission/Italien (Verbot der Vermarktung von Energiegetränken mit hohem Koffeingehalt). 634 EuGH 5.6.2007 – C-170/04 – Slg. 2007, I-4071 Tz. 53 f. – Rosengren. 635 EuGH 9.12.2010 – C-421/09 – GRUR Int. 2011, 252 Tz. 41 – Humanplasma. 636 EuGH 14.10.2004 – C-36/02 – Slg. 2004, I-9609 Tz. 38 – Omega. 637 Zu den Entscheidungen bis 2006 MünchKomm/Heermann EG B Art. 30 EG Rn. 16 f. Siehe aus jüngerer Zeit EuGH 28.9.2006 – C-434/04 – Slg. 2006, I-9171 Tz. 31 ff. – Ahokainen; EuGH 5.6.2007 – C-170/04 – Slg. 2007, I-4071 Tz. 44ff. – Rosengren (jeweils zu Importbeschränkungen bei Alkohol); EuGH 5.3.2009 – C-88/07 – Slg. 2009, I- 1353 Tz. 89 ff. – Kommission/Spanien (Zulassungsverfahren bei pflanzlichen Arzneimitteln); EuGH 9.12.2010 – C-421/09 – GRUR Int. 2011, 252 Tz. 38 ff. – Humanplasma. 638 EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 112 ff. – Deutscher Apothekerverband (Verbot des Vertriebs nicht apothekenpflichtiger Arzneimittel über das Internet; auch zur Gleichwertigkeit der Aufsicht durch einen anderen Mitgliedstaat in Tz. 105); EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 65 ff. – Ker-Optika (Verbot des Vertriebs von Kontaktlinsen über das Internet). 639 EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-1795 Tz. 26 ff. – Gourmet International Products (Werbeverbot für Alkohol); EuGH 15.7.2004 – C-239/02 – Slg. 2004, I-7007 Tz. 41 ff.; 56 ff. – Douwe Egberts (Verbot der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben wie „Schlankerwerden“); großzügiger noch EuGH 10.7.1980 – 152/78 – Slg. 1980, 2299 Tz. 17 – Kommission/Frankreich (Werbeverbot für Alkohol). 640 EuGH 17.6.1981 – 113/80 – Slg. 1981, 1625 Tz. 8 – Kommission/Irland; von der Groeben/Schwarze/Müller-Graff Art. 30 EG Rn. 74; ausführlich Beater Rn. 531 ff. 641 EuGH 31.10.1974 – 15/74 – Slg. 1974, 1147 Tz. 6 ff. – Centrafarm/Sterling; EuGH 14.7.1981 – 187/80 – Slg. 1980, 2063 Tz. 4, 9 – Stephar; EuGH 9.7.1985 – 19/84 – Slg. 1985, 2281 Tz. 25 ff. – Hoechst; EuGH 3.3.1988 – 434/85 – Slg. 1988, 1245 Tz. 9 ff. – Generics; EuGH 30.6.1988 – 35/87 – Slg. 1988, 3585 Tz. 21 – Fiamma. Auch Gebrauchsmuster zählen zu Rechten des gewerblichen Eigentums i.S.d. Art. 36 AEUV, Grabitz/Hilf/Nettesheim/Leible/T. Streinz Art. 36 AEUV Rn. 33. 642 EuGH 3.7.1974 – 192/73 – Slg. 1974, 731 Tz. 7 ff. – HAG I; EuGH 31.10.1974 – 16/74 – Slg. 1974, 1183 Tz. 9 – Centrafarm/Winthrop; EuGH 23.5.1978 – 102/77 – Slg. 1978, 1139 Tz. 6 ff. – Hoffmann-La Roche; EuGH 11.7.1996 – C-427/93, C-429/93 und C-436/93 – Slg. 1996, I-3457 Tz. 42 f. – Bristol-Myers Squibb; EuGH 12.10.1999 – C-379/97 –Slg. 1999, I-6927 Rn. 14 ff. – Paranova; EuGH 30.11.1993 – C-317/91 – Slg. 1993, I-6227 Tz. 14, 39 Deutsche Renault (zu nicht eingetragenen Marken, sog. Ausstattungsrechten). 643 EuGH 18.3.1980 – 62/79 – Slg. 1980, 881 Tz. 15 f. – Coditel I; EuGH 20.1.1981 – 55/80 und 57/80 – Slg. 1981, 147 Tz. 9 – Gema; EuGH 6.10.1982 – 262/81 – Slg. 1982, 3381 Tz. 10 – Coditel II.
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Schutzrechte,644 Geschmacksmusterrechte,645 Sortenschutzrechte646) auch die dem Lauterkeitsrecht nahestehenden geographischen Herkunftsangaben, 647 Ursprungsbezeichnungen648 und durch das nationale Recht geschützte Geschäfts-649 und Firmenbezeichnungen650 als Rechte des gewerblichen Eigentums i.S.d. Art. 36 AEUV anerkannt; auch ein durch nationales Recht geschaffenes Leistungsschutzrecht von Sportveranstaltern dürfte erfasst sein.651 Nicht unter Art. 36 AEUV, sondern unter die Lauterkeit des Handelsverkehrs als Teil der Cassis-Doktrin fällt der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz652 und der rein lauterkeitsrechtliche Irreführungsschutz bei geographischen Angaben.653 Im Rahmen des durch Art. 36 AEUV gerechtfertigten Schutzes des gewerblichen und 146 kommerziellen Eigentums unterschied der EuGH zunächst zwischen dem (vom EWG-Vertrag unberührten) Bestand dieser Rechte und ihrer (vom EWG-Vertrag erfassten) Ausübung.654 Nachdem diese Formel auf Kritik gestoßen war,655 stellt der Gerichtshof mittlerweile nur noch auf den spezifischen Gegenstand des betreffenden Rechts ab: Art. 36 AEUV gestattet Beschränkungen des freien Warenverkehrs zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, „soweit sie zur Wahrung der Rechte berechtigt sind, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen“.656 Dieser spezifische Gegenstand657 umfasst insbesondere die Befugnis, das Inverkehrbringen oder die Bereitstellung der Schutzgegenstände dadurch kommerziell zu nutzen, dass gegen Zahlung einer Vergütung Lizenzen erteilt werden.658 Garantiert wird allerdings nur eine an-
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644 EuGH 28.6.1971 – 78/70 – Slg. 1971, 487 Tz. 11 – Deutsche Grammophon. 645 EuGH 14.9.1982 – 144/81 – Slg. 1982, 2853 Tz. 14 – Keurkoop; EuGH 5.10.1988 – 53/87 – Slg. 1988, 6039 Tz. 10 ff. – Cicra. 646 EuGH 8.6.1982 – 258/78 – Slg. 1982, 2015 Tz. 35 – Nungesser (im Rahmen einer kartellrechtlichen Entscheidung). 647 EuGH 10.11.1992 – C-3/91 – Slg. 1992, I-5529 Tz. 23 ff., 39 – Exportur. Keine geographische Herkunftsangabe ist das CMA-Gütezeichen, EuGH 5.11.2002 – C-325/00 – Slg. 2002, I-9977 Tz. 26 f. – Kommission/Deutschland. 648 EuGH 6.6.1992 – C-47/90 – Slg. 1992, I-3669 Tz. 16 – Delhaize; EuGH 16.5.2000 – C-388/95 – Slg. 2000, I-3123 Tz. 54 – Belgien/Spanien; EuGH 20.3.2003 – C-108/01 – Slg. 2003, I-5121 Tz. 62 ff. – Consorzio del Prosciutto di Parma; EuGH 3.3.2011 – C-161/09 – GRUR Int. 2011, 314 Tz. 37 ff. – KakavetsosFrakopoulos; siehe auch EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299 Tz. 34 ff. – Prantl. 649 EuGH 11.5.1999 – C-255/97 – Slg. 1999, I-2835 Tz. 20 ff. – Pfeiffer (Schutz von Geschäftsbezeichnungen gegen Verwechslungsgefahr). 650 EuGH 22.6.1976 – 119/75 – Slg. 1976, 1039 Tz. 5 ff. – Terrapin. 651 EuGH (Große Kammer) 23.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 102 ff. – Murphy. 652 EuGH 2.3.1982 – 6/81 – Slg. 1982, 707 Tz. 7, 9 ff. – Beele (zur sklavischen Nachahmung); Köhler/Bornkamm Einl UWG Rn. 3.33; a.A. Sack GRUR 1998, 871, 875; differenzierend Beater Rn. 531 ff. 653 Büscher GRUR Int. 2008, 977, 981 f.; siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 25.5.2000 – C-312/98 – Slg. 2000, I-9187 Tz. 51 – Warsteiner. Zur Parallelität der Irreführungsprüfung gemäß Art. 36 AEUV und unter der Cassis-Doktrin Omsels GRUR Int. 2009, 971, 974. 654 EuGH 3.7.1974 – 192/73 – Slg. 1974, 731 Tz. 7 ff. – HAG I; EuGH 31.10.1974 – 15/74 – Slg. 1974, 1147 Tz. 6 ff. – Centrafarm/Sterling; EuGH 3.3.1988 – 434/85 – Slg. 1988, 1245 Tz. 8 ff. – Generics. 655 Vgl. Beier GRUR Int. 1989, 603, 609. 656 Die Formel vom „spezifischen Gegenstand“ findet sich bereits in EuGH 28.6.1971 – 78/70 – Slg. 1971, 487 Tz. 11 – Deutsche Grammophon; aus jüngerer Zeit auch EuGH 23.10.2003 – C-115/02 – Slg. 2003, I-12705 Tz. 23 – Rioglass; EuGH (Große Kammer) 23.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 106 – Murphy; dazu Peifer GRURPrax 2011, 435; Leistner JZ 2011, 1140. 657 Zum spezifischen Gegenstand bei den einzelnen Schutzrechten von der Groeben/Schwarze/MüllerGraff Art. 30 EG Rn. 79 ff.; MünchKomm/Heermann EG B Art.30 EG Rn. 26 ff.; Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Leible/T. Streinz Art. 36 AEUV Rn. 21. 658 Siehe EuGH 21.6.2012 – C-5/11 – Tz. 36 – Donner: spezifischer Gegenstand des Urheberrechts gewährt ein ausschließliches Verwertungsrecht. Zur Substanz des Patentschutzes zählt neben dem
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gemessene, nicht die höchstmögliche Vergütung; d.h. die Vergütung muss „in einem vernünftigen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung stehen“, insbesondere „mit der tatsächlichen oder potenziellen Zahl der Personen in Zusammenhang stehen, die in ihren Genuss kommen oder kommen sollen“.659 Darüber hinaus ist die Reichweite der gewerblichen Schutzrechte durch den aus der Warenverkehrsfreiheit abgeleiteten Erschöpfungsgrundsatz begrenzt, so dass der Rechteinhaber den Import und die Verbreitung der mit seiner Zustimmung in anderen Mitgliedstaaten in den Verkehr gebrachten Waren und Erzeugnisse nicht untersagen kann.660 In jüngerer Zeit hat der Schutz des gewerblichen Eigentums als Ausnahme zur Warenverkehrsfreiheit an Bedeutung eingebüßt, weil inzwischen zahlreiche Ausschließlichkeitsrechte durch Richtlinien und Verordnungen (vollständig) harmonisiert wurden.661 Andererseits ist die Harmonisierung bei weitem noch nicht abgeschlossen, so dass Art. 36 AEUV nach wie vor bedeutsam ist, um die durch die Verschiedenheit der nationalen Immaterialgüterrechte hervorgerufenen Handelsbeschränkungen zu rechtfertigen.662 147
cc) Öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit. Für das Lauterkeitsrecht nur von untergeordneter Bedeutung ist das Schutzgut der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit. Bei der öffentlichen Sicherheit geht es um Fragen der „Existenz eines Staates“, das „Funktionieren seiner Wirtschaft“ und „das seiner Einrichtungen und seiner wichtigen öffentlichen Dienste“ bis hin zum „Überleben seiner Bevölkerung“663 und damit um Fragen, die das Lauterkeitsrecht nicht regelt. Auch ein Rückgriff auf die öffentliche Ordnung scheidet regelmäßig aus. So hat der Gerichtshof den Verbraucherschutz aus dem Begriff der öffentlichen Ordnung i.S.d. Art. 36 AEUV ausgeklammert und den zwingenden Erfordernissen der Cassis-Doktrin zugeordnet.664 Zudem ist das Schutzgut der öffentlichen Ordnung in Art. 36 AEUV nur betroffen, wenn eine „tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der
_____ Vergütungsrecht auch ein Anspruch auf ein gerichtliches Unterlassungsgebot, EuGH 30.6.1988 – 35/87 – Slg. 1988, I-3585 Tz. 24 – Thetford. 659 EuGH (Große Kammer) 23.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 107 ff. – Murphy; zum spezifischen Gegenstand des Patentrechts EuGH 31.10.1974 – 15/74 – Slg. 1974, 1147 Tz. 9 – Centrafarm/Sterling; EuGH 3.3.1988 – 434/85 – Slg. 1988, 1245 Tz. 11 ff. – Generics (auch zu den Konsequenzen einer Erklärung zur Lizenzbereitschaft); zum Markenrecht EuGH 31.10.1974 – 16/74 – Slg. 1974, 1183 Tz. 8 – Centrafarm/Winthrop; zum Urheberrecht EuGH 18.3.1980 – 62/79 – Slg. 1980, 881 Tz. 14 – Coditel I; EuGH 28.4.1998 – C-200/96 – Slg. 1998, I-1953 Tz. 15 ff. – Metronome Musik; EuGH 22.9.1998 – C-61/97 – Slg. 1998, I-5171 Tz. 13 ff., 18 – FDV. 660 EuGH 28.6.1971 – 78/70 – Slg. 1971, 487 Tz. 12 f. – Deutsche Grammophon (zum Urheberrecht); EuGH 22.6.1994 – C-9/93 – Slg. 1994, I-2789 Tz. 34 – IHT Internationale Heiztechnik (zum Markenrecht); nunmehr kodifiziert in Art. 4 Abs. 2 RL 2001/29/EG und Art. 7 Abs. 1 RL 2008/95/EG. 661 Zur RL 2008/95/EG zum Markenrecht EuGH (Große Kammer) 30.11.2004 – C-16/03 – Slg. 2004, I11313 Tz. 30 – Peak Holding: „vollständige Harmonisierung der Vorschriften über die Rechte aus der Marke“ durch Art. 5-7 RL 2008/95; zum abschließenden Charakter der VO 510/2006 für geographische Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen EuGH (Große Kammer) 8.9.2009 – C-478/07 – Slg. 2009, I-7721 Tz. 129 – Budějovický Budvar; zur RL 2001/29/EG zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft BGH GRUR 2009, 840 Tz. 19 – Le Corbusier Möbel II. 662 Siehe nur EuGH 21.6.2012 – C-5/11 – Tz. 33 – Donner: immaterialgüterrechtliche Handelsbeschränkungen infolge der Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen hinzunehmen, „wenn sie auf dem Unterschied zwischen den Regelungen beruhen [z.B. hinsichtlich des Schutzgegenstands oder der Schutzdauer] und dieser untrennbar mit dem Bestehen der ausschließlichen Rechte verknüpft ist“. 663 EuGH 10.7.1984 – 72/83 – Slg. 1984, 2727 Tz. 34 – Campus Oil (zur Sicherung der Erdölversorgung). 664 EuGH 6.11.1984 – 177/83 – Slg. 1984, 3651 Tz. 19 – Kohl (zum Irreführungsverbot).
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Gesellschaft berührt“.665 Lauterkeitsrechtliche Regelungen lassen sich daher nur unter die öffentliche Ordnung subsumieren, wenn sie über den Verbraucherschutz hinausgehen und dem Schutz eines elementaren Grundinteresses dienen. In Betracht kommt etwa ein Verbot von Werbung, die gegen die Menschenwürde666 oder andere Grundrechte oder sonst elementare Werte verstößt,667 wobei ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung nicht voraussetzt, dass die nationale Maßnahme „einer allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Auffassung darüber entspricht, wie das betreffende Grundrecht oder berechtigte Interesse zu schützen ist“.668 Die bloße Strafbewehrung qualifiziert ein Verbot nicht bereits als Element der öffentlichen Ordnung.669 Für weniger hochstehende Rechtsgüter wie die nach Erwägungsgrund 7 Richtlinie 148 2005/29/EG den Mitgliedstaaten vorbehaltenen „Fragen der guten Sitten und des Anstands“ (z.B. Ansprechen in der Öffentlichkeit670) bleibt der Rückgriff auf die öffentliche Sittlichkeit. Auch hier ist es Sache jedes Mitgliedstaats, den „Begriff der öffentlichen Sittlichkeit für sein Gebiet im Einklang mit seiner eigenen Wertordnung und in der von ihm gewählten Form auszufüllen“.671 Allerdings genügt dazu nicht bereits ein Hinweis auf die öffentliche Meinung,672 sondern es bedarf einer normativen Verfestigung der öffentlichen Sittlichkeit.673 Darüber hinaus ist auch hier zu beachten, dass der Verbraucherschutz nicht zu den Schutzgütern des Art. 36 AEUV zählt.674 Zwar ließe sich argumentieren, dass dies nur auf den Schutz der (wirtschaftlichen) Interessen speziell der Verbraucher zielt, während der Schutz aller Personen (nicht nur der Verbraucher) vor Belästigung im Rahmen der Sittlichkeit durch Art. 36 AEUV gedeckt wird. Auf der anderen Seite lässt sich der Belästigungsschutz etwa gegenüber Gewerbetreibenden im Rahmen der Cassis-Doktrin als Teil der Lauterkeit des Handelsverkehrs verwirklichen, so dass es sachgerechter erscheint, dort sämtliche lauterkeits- und verbraucherschützenden Vorschriften einschließlich des Schutzes vor Belästigungen zu verankern, soweit es nicht ausnahmsweise explizit um eines der Schutzgüter des Art. 36 AEUV (z.B. Menschenwürde als Teil der öffentlichen Ordnung, Gesundheitsschutz, Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums) geht. b) Zwingende Erfordernisse, insbesondere Lauterkeit und Verbraucherschutz aa) Allgemeines zu den zwingenden Erfordernissen. Wegen der – abgesehen 149 vom Gesundheitsschutz – geringen Bedeutung des Art. 36 AEUV für das Lauterkeitsrecht
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665 EuGH 14.10.2004 – C-36/02 – Slg. 2004, I-9609 Tz. 30 – Omega; zu weiteren Beispielen MünchKomm/Heermann EG B Art. 30 EG Rn. 10 f. 666 Zum (gerechtfertigten) Verbot simulierter Tötungshandlungen siehe EuGH 14.10.2004 – C-36/02 – Slg. 2004, I-9609 – Omega, wo einerseits auf die „öffentliche Ordnung“ (Tz. 28, 31, 41), andererseits auch unmittelbar auf den Grundrechtsschutz (Tz. 34 f.) als (eigenständige?) Rechtfertigungskategorie abgestellt wird. 667 Zum Verbot von Lotterien und Glücksspielen auch EuGH 24.3.1994 – C-275/92 – Slg. 1994, I-1039 Tz. 54 ff. – Schindler; EuGH 21.9.1999 – C-124/97 – Slg. 1999, I-6067 Tz. 30 ff. – Läärä (unklar bleibt, ob das Verbot durch die öffentliche Sittlichkeit oder aufgrund zwingender Erfordernisse i.S.v. Cassis de Dijon gerechtfertigt ist). 668 EuGH 14.10.2004 – C-36/02 – Slg. 2004, I-9609 Tz. 37 – Omega. 669 EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299 Tz. 33 – Prantl. 670 Eine Regelung zum Ansprechen in der Öffentlichkeit dürfte regelmäßig bereits auf tatbestandlicher Ebene nicht als Maßnahme gleicher Wirkung angesehen werden. 671 EuGH 14.12.1979 – 34/79 – Slg. 1979, 3795 Tz. 15 – Henn und Darby (Einfuhrverbot für Waren „anstößigen oder unzüchtigen Charakters“). 672 EuGH 19.3.1998 – C-1/96 – Slg. 1998, 1251 Tz. 66 f. – Compassion in World Farming. 673 Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34-36 AEUV Rn. 196. 674 EuGH 6.11.1984 – 177/83 – Slg. 1984, 3651 Tz. 19 – Kohl (zum Irreführungsverbot).
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konzentriert sich die Rechtfertigungsprüfung regelmäßig auf die zwingenden Erfordernisse der Cassis-Doktrin. Seit Cassis de Dijon müssen „Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben, hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes“.675 Mit dieser Formel hat der EuGH nicht nur den Tatbestand der Warenverkehrsfreiheit zu einem Beschränkungsverbot für unterschiedslos anwendbare Maßnahmen ausgebaut, sondern zudem die geschriebenen Rechtfertigungsgründe des Art. 36 AEUV um zusätzliche ungeschriebene zwingende Erfordernisse erweitert.676 Das Ziel des Verbraucherschutzes beinhaltet dabei nicht nur wirtschaftliche Vorteile für den Verbraucher, sondern auch die Erweiterung des Sortiments an Erzeugnissen, unter denen die Verbraucher wählen können.677 Im Unterschied zu den Schutzgütern des Art. 36 AEUV sind die zwingenden Erfor150 dernisse nicht abschließend („insbesondere“). Neben den bereits in Cassis genannten Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit,678 der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes zählt der Gerichtshof zu den zwingenden Erfordernissen außerdem den Umweltschutz,679 raumplanerische Zwecke,680 den Schutz öffentlicher Netze,681 die Kohärenz des Steuersystems,682 die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die Sicherung der Gläubiger,683 die Qualität rechtlicher Beratungsleistungen684 oder anderer beruflicher Leistungen,685 den Schutz der Interessen der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter, der Arbeitnehmer oder des Fiskus,686 die Bewahrung der Medienvielfalt 687 und der Qualität des Fernsehpro-
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675 EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8 – Rewe Zentral, „Cassis de Dijon“. 676 Auch wenn die Formulierung in Cassis de Dijon nahe legt, die zwingenden Erfordernisse als immanente Schranke des Verbotstatbestands zu begreifen (so MünchKomm/Leible EG A Rn. 96, allerdings mit Klarstellung in Fn. 259), werden sie heute als Rechtfertigungsgründe verstanden, vgl. EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 59 – Kommission/Italien m.w.N.: „kann durch einen der in Art. 30 EG aufgezählten Gründe des Gemeinwohls oder zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein“. 677 Vgl. EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 54 – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre. 678 Dieses Schutzgut ist ausdrücklich in Art. 36 AEUV genannt und daher nicht den zwingenden Erfordernissen der Cassis-Formel zuzuordnen, siehe MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 Rn. 52. 679 EuGH 20.9.1988 – 302/86 – Slg. 1988, 4607 Tz. 8 f. – Kommission/Dänemark; zu Rücknahmepflichten für Einwegverpackungen EuGH (Große Kammer) 14.12.2004 – C-463/01 – Slg. 2004, I-11705 – Kommission/Deutschland; EuGH (Große Kammer) 14.12.2004 – C-309/02 – Slg. 2004, I-11763 – Radlberger. 680 EuGH 1.6.1999 – C-302/97 – Slg. 1999, I-3099 Tz. 40 – Konle. 681 EuGH 13.12.1991 – 18/88 – Slg. 1991, I-5941 Tz. 31 f. – GB-INNO-BM. 682 EuGH 14.11.1995 – C-484/93 – Slg. 1995, I-3955 Tz. 16 – Svensson und Gustavsson. 683 Zum Rechtsberatungsgesetz EuGH 12.12.1995 – C-3/95 – Slg. 1996, I-6511 Tz. 36 – Reisebüro Broede; zur Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Bestimmung der erstattungsfähigen Prozesskosten auch EuGH 11.12.2003– C-289/02 – Slg. 2003, I-15059 Tz. 30 – AMOK (Anwendung des Kostenrechts des Gerichtsstaates auf ausländische Anwälte); zu anwaltlichen Mindestgebühren EuGH (Große Kammer) 5.12.2006 – C-94/04 und C-202/04 – Slg. 2006, I-I-11421 Tz. 64 – Cipolla; allgemein zum Verhältnis von Grundfreiheiten und Zivilprozessrecht Heinze EuR 2008, 654, 674 ff. 684 EuGH 25.7.1991 – C-76/90 – Slg. 1991, I-4221 Tz. 15 f. – Saeger. 685 EuGH 21.3.2002 – C-298/99 – Slg. 2002, I-3129 Tz. 38 – Kommission/Italien (Architekten). 686 EuGH 5.11.2002 – C-208/00 – Slg. 2002, I-9919 Tz. 92 – Überseering. 687 EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 23 – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda (pluralistischer Rundfunk); EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 18 – Familiapress;
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gramms,688 die Sicherung eines im Allgemeinen einheitlichen Erzeugnissortiments,689 die Bewahrung des kulturellen und künstlerischen Erbes690 und den Schutz von Büchern als Kulturgut,691 den Schutz der eigenen Amtssprachen,692 den Schutz der sozialen Sicherungssysteme,693 die Sicherheit des Straßenverkehrs,694 die Versorgung in abgelegenen Gebieten eines Mitgliedstaats,695 die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Glücksspiel.696 Rein wirtschaftliche Motive, insbesondere der Erhalt eines bestimmten Wirtschaftszweiges oder die Rentabilität einer bestimmten Tätigkeit stellen demgegenüber keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses dar, die eine Beschränkung einer Grundfreiheit rechtfertigen könnten.697 Allerdings können wirtschaftliche Ziele als Zwischenziele zulässig sein, wenn sie hinter einem nicht ökonomischen Endziel (z.B. Erhalt kleiner Anbieter aus Gründen der Versorgungssicherheit oder der Medienvielfalt) zurücktreten.698 Durch Cassis wurde nicht geklärt, ob die Rechtfertigung durch zwingende Erforder- 151 nisse bei allen Beeinträchtigungen der Warenverkehrsfreiheit eröffnet ist oder ob bei Diskriminierungen nur der Rückgriff auf Art. 36 AEUV möglich sein soll. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu dieser Frage ist alles andere als konsistent. Sicher scheint nur, dass ein Rückgriff auf die zwingenden Erfordernisse jedenfalls dann möglich ist, wenn es sich um eine rechtlich wie tatsächlich unterschiedslos geltende und wirkende Maßnahme handelt.699 Einigermaßen sicher scheint auch, dass eine Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse zudem möglich ist, wenn die Maßnahme zwar rechtlich unterschiedslos anwendbar ist, aber tatsächlich ausländische Anbieter stärker beeinträchtigt werden, so dass ein tatsächliches Marktzugangshindernis i.S.d. Keck-Formel (und der
_____ siehe bereits EuGH 11.7.1985 – 60/84 und 61/84 – Slg. 1985, 2605 Tz. 21, 23 – Cinéthéque (Schaffung von Filmwerken als solchen). 688 EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 27 – Collective Antennevoorziening Gouda (Verbraucherschutz vor Übermaß kommerzieller Fernsehwerbung und Bewahrung der Programmqualität). 689 Erwogen in EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 52 – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre. 690 EuGH 26.2.1991 – C-180/89 – Slg. 1991, I-709 Tz. 20 – Kommission/Italien. 691 EuGH 30.4.2009 – C-531/07 – Slg. 2009, I-3717 Tz. 32, 34 – LIBRO. 692 EuGH 5.3.2009 – C-222/07 – Slg. 2009, I-1407 Tz. 26 f. – UTECA. 693 EuGH 28.4.1998 – C-120/95 – Slg. 1998, I-1831 Tz. 39 – Decker; bereits EuGH 7.2.1984 – 238/82 – Slg. 1984, 523 Tz. 16 – Duphar. 694 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 60 – Kommission/Italien. 695 Erwogen in EuGH 13.1.2000 – C-254/98 – Slg. 2000, I-151 Tz. 34 – TK-Heimdienst; zurückhaltender EuGH 29.1.1985 – 231/83 – Slg. 1985, 305 Tz. 31 – Cullet/Leclerc. 696 EuGH (Große Kammer) 6.3.2007 – C-338/04, C-359/04 und C-360/04 – Slg. 2007, I-1891 Tz. 46 – Placanica (zur Dienstleistungsfreiheit). Davon zu unterscheiden sind allerdings Verlosungen in kleinem Rahmen und Preisausschreiben, die nur einen Gesichtspunkt der Absatzförderung darstellen, EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 23 – Familiapress. 697 EuGH 26.4.1988 – 352/85 – Slg. 1988, 2085 Tz. 34 – Bond van Adverteereders; EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 11 – Collective Antennevoorziening Gouda; EuGH 5.6.1997 – C-398/95 – Slg. 1997, I-3091 Tz. 23 – SETTG; EuGH 16.1.2003 – C-388/01 – Slg. 2003, I-721 Tz. 22 – Kommission/Italien; EuGH 11.3.2010 – C-384/08 – Slg. 2010, I-2055 Tz. 55 – Attanasio; EuGH 22.12.2010 – C-338/09 – Slg. 2010, I-13927 Tz. 51 – Yellow Cab; EuGH 25.4.2012 – C-456/10 – EuZW 2012, 508 Tz. 53 – Asociación Nacional de Expendedores de Tabaco y Timbre. 698 Streinz/Schroeder Art. 36 AEUV Rn. 49. 699 Siehe die Konkretisierung der Cassis-Formel in EuGH 10.11.1982 – 261/81 – Slg. 1982, 3961 Tz. 12 – Rau: „Hemmnisse […] hinzunehmen, soweit eine solche nationale Regelung, die unterschiedslos für einheimische wie für eingeführte Erzeugnisse gilt, dadurch gerechtfertigt werden kann, dass sie notwendig ist, um zwingenden Erfordernisses […] gerecht zu werden“ (Hervorhebung nicht im Original); Calliess/ Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 82.
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dritten Kategorie der neuen Formel) besteht.700 Und schließlich deutet sich in jüngerer Zeit an, dass der Gerichtshof offenbar – entgegen anderslautender Judikatur701 – nun auch bei rechtlich diskriminierenden Maßnahmen eine Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse gestatten will.702 Diese Entwicklung ist zu begrüßen, weil der Katalog des seit dem Jahr 1957 nicht geänderten Art. 36 AEUV immer weniger den heutigen Bedürfnissen gerecht wird. Nicht nur werden zentrale Schutzgüter wie der Umweltschutz, der Verbraucherschutz oder die Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme nicht abgebildet, auch war bei Formulierung der Ausnahmen wohl kaum daran gedacht, dass die Grundfreiheiten zu umfassenden Beschränkungsverboten ausgebaut würden. Um den Begriff der öffentlichen Ordnung in Art. 36 AEUV nicht zu überladen703 erscheint es daher sinnvoll, eine Rechtfertigung aufgrund zwingender Erfordernisse bei sämtlichen Maßnahmen gleicher Wirkung zu gestatten, auch wenn sie rechtlich oder tatsächlich, mittelbar oder unmittelbar diskriminierend sein mögen.704 Unter den zwingenden Erfordernissen kommt der Lauterkeit des Handelsverkehrs 152 und dem Verbraucherschutz die größte Bedeutung zu.705 Grundsätzlich hindert die Warenverkehrsfreiheit nicht, die in einem Mitgliedstaat „geltenden Vermarktungsvorschrif-
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700 Siehe EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 44 ff. – de Agostini: selbst wenn das Verbot der Fernsehwerbung den Absatz ausländischer Erzeugnisse stärker als den inländischer Waren berührt (also Ausländer stärker beeinträchtigt), ist dennoch eine Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse wie die Lauterkeit des Handelsverkehrs und den Verbraucherschutz möglich; ähnlich EuGH 15.7.2004 – C-239/02 – Slg. 2004, I-7007 Tz. 52 f., 55 – Douwe Egberts 701 EuGH 11.5.1989 – 25/88 – Slg. 1989, 1105 Tz. 10 – Wurmser; EuGH 25.7.1991 – C-1/90 und C-176/90 – Slg. 1991, I-4151 Tz. 13 – Aragonesa; EuGH 7.5.1997 – C-321/94 bis C-324/94 – Slg. 1997, I-2343 Tz. 52 – Pistre; EuGH 29.4.1999 – C-224/97 – Slg. 1999, I-2517 Tz. 16 – Ciola. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 18.12.2008 – C-531/07 – Slg. 2009, I-3717 Tz. 104 – LIBRO. 702 Siehe etwa EuGH 29.11.2007 – C-404/05 – Slg. 2007, I-10239 Tz. 50 ff. – Kommission/Deutschland [zur Rechtfertigung des Erfordernisses einer Niederlassung im Mitgliedstaat der Leistungserbringung (= Diskriminierung) wird der Verbraucherschutz als zwingendes Erfordernis geprüft]; EuGH 30.4.2009 – C-531/07 – Slg. 2009, I-3717 Tz. 21 f., 32, 34 – LIBRO [zur Rechtfertigung einer Buchpreisbindung für eingeführte Bücher (= Diskriminierung) wird das zwingende Erfordernis des Schutzes von Büchern als Kulturgut erörtert, obwohl Art. 36 AEUV nicht greift); EuGH 5.3.2009 – C-222/07 – Slg. 2009, I-1407 Tz. 26 ff. – UTECA [Verpflichtung zur Förderung der Filmproduktion in der eigenen Amtssprache (= Diskriminierung) wird durch den Schutz der Vielsprachigkeit als zwingendes Erfordernis gerechtfertigt]; siehe auch bereits die umfassende Prüfung unterschiedlichster zwingender Erfordernisse zur Rechtfertigung einer Ausländerklausel im Profisport in EuGH 15.12.1995 – C-415/93 – Slg. 1995, I-4921 Tz. 121 ff. – Bosman. 703 Für eine Ansiedlung sämtlicher ungeschriebener Rechtfertigungsgründe im Begriff des Art. 36 AEUV (öffentliche Ordnung) Schorkopf EuR 2009, 645, 658; Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 85. 704 Für eine Ausdehnung der Cassis-Formel auf (unmittelbare) Diskriminierungen Sack GRUR 1998, 871, 876; Weiß EuZW 1999, 493, 497 f.; Streinz/Schroeder Art. 36 AEUV Rn. 34; a.A. MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 45, 187 ff.; Beater Rn. 507. 705 Der EuGH unterscheidet regelmäßig nicht zwischen den beiden Schutzgütern, vgl. EuGH 2.3.1982 – 6/81 – Slg. 1982, 707 Tz. 9 – Beele; EuGH 15.9.1994 – C-293/93 – Slg. 1994, I-4249 Tz. 20 – Houtwipper; EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 15 ff. – Clinique; EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 Tz. 15 ff. – Mars; EuGH 27.6.1996 – C-240/95 – Slg. 1996, I-3179 Tz. 23 ff. – Rémy Schmit; siehe aber auch die Unterscheidung in EuGH 26.11.1985 – 182/84 – Slg. 1985, 3731 Tz. 11 ff. (Irreführung der Verbraucher), Tz. 16 ff. (Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten) – Miro; EuGH 16.5.1989 – 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 12 ff. – Buet (nur Diskussion des Verbraucherschutzes); EuGH 18.5.1993 – C-126/91 – Slg. 1993, I-2361 Tz. 15 ff. – Yves Rocher. In der Literatur wird z.T. eine Unterscheidung befürwortet, Beater Rn. 551, 558 ff.; von der Groeben/Schwarze/Müller-Graff Art. 28 EG Rn. 209 ff. (Lauterkeit des Handelsverkehrs umfasse „Regelungen gegen Kundenfang, gegen Behinderung oder Ausbeutung des Wettbewerbers oder gegen Vorsprung durch Rechtsbruch“) und Rn. 214 ff. (Verbraucherschutz habe „Rolle eines Auffangtatbestands“); Köhler/Bornkamm Einl UWG Rn. 3.28; Streinz/Schroeder Art. 36 AEUV Rn. 40.
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ten auf die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Waren“ anzuwenden.706 Auch die Regeln des Lauterkeitsrechts können deshalb den Vertrieb eingeführter Waren untersagen, „wenn die Umstände, unter denen diese Waren abgesetzt werden, einen Verstoß gegen das darstellen, was im Einfuhrstaat als guter und redlicher Handelsbrauch betrachtet wird“.707 Allerdings kann „die bloße Einfuhr einer Ware, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden ist, nicht als unzulässige oder unlautere Handelspraxis angesehen werden, da eine solche Qualifizierung des Absatzes nur aufgrund von Umständen möglich ist, die von der eigentlichen Einfuhr unabhängig sind“.708 Die im Folgenden dargestellten Konkretisierungen des lauteren Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes sind als Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verstehen.709 Ihre Grenzen sind durch den Gerichtshof und die nationalen Gerichte voll überprüfbar.710 Infolge der Vollharmonisierung durch die Richtlinie 2005/29/EG ist allerdings beim 153 Rückgriff auf die Lauterkeit des Handelsverkehrs und den Verbraucherschutz nunmehr Zurückhaltung geboten. So ist es innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG nicht mehr gestattet, auf den Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen zur Rechtfertigung von Beschränkungen des freien Warenverkehrs zurückzugreifen, weil die Richtlinie – vorbehaltlich einzelner Öffnungsklauseln zur Mindestharmonisierung – insofern eine abschließende Regelung vornimmt (Art. 4 RL 2005/29/EG).711 Die Rechtsprechung zum Ausgleich von Grundfreiheiten und Verbraucherschutz ist daher heutzutage vor allem mittelbar als Induktionsmaterial zur Konkretisierung der offenen Tatbestände der Richtlinie bedeutsam. bb) Das europäische Verbraucherleitbild. Referenzpunkt für die Beurteilung der 154 Verhältnismäßigkeit von verbraucherschützenden Vorschriften des nationalen Rechts ist „die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“,712 die anhand der sozialen, kulturellen oder sprachlichen Eigenheiten des betreffenden Mitgliedstaates zu bestimmen ist.713
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706 EuGH 22.1.1981 – 58/80 – Slg. 1981, 181 Tz. 15 – Dansk Supermarked. 707 EuGH 22.1.1981 – 58/80 – Slg. 1981, 181 Tz. 15 – Dansk Supermarked; siehe auch EuGH 26.11.1985 – 182/84 – Slg. 1985, 3731 Tz. 24 – Miro „im System des Gemeinsamen Marktes [müssen] Interessen wie die Lauterkeit des Handelsverkehrs unter allseitiger Achtung lauterer Praktiken und herkömmlicher Übungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten gewährleistet werden“. 708 EuGH 22.1.1981 – 58/80 – Slg. 1981, 181 Tz. 16 – Dansk Supermarked. 709 Zum europäischen Verbraucherleitbild EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 28 – Estée Lauder. 710 EuGH 26.11.1985 – 182/84 – Slg. 1985, 3731 Tz. 14 – Miro: keine Bindung an die Beurteilung des nationalen Gesetzgeber z.B. hinsichtlich nationaler Verkehrsanschauungen. 711 Siehe bereits EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8 – Cassis de Dijon: „in Ermangelung einer gemeinschaftlichen Regelung […] ist es Sache der Mitgliedstaaten“ (Hervorhebung nicht im Original); ausdrücklich EuGH 30.11.1983 – 227/82 – Slg. 1983, 3883 Tz. 35 – van Bennekom. 712 EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 Tz. 31 – Gut Springenheide; EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 27 – Estée Lauder; EuGH 21.6.2001 – C-30/99 – Slg. 2001, I-4619 Tz. 32 – Kommission/Irland; EuGH 6.11.2003 – C-358/01 – Slg. 2003, I-13145 Tz. 53 – Kommission/Spanien; siehe bereits EuGH 9.8.1994 – C-51/93 – Slg. 1994, I-3879 Tz. 18 – Meyhui; „durchschnittliche[r] Verbraucher“; zum Sekundärrecht auch EuGH 28.1.1999 – C-303/97 – Slg. 1999, I-513 Tz. 36 – Sektkellerei Kessler; EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 55 – Pippig Augenoptik; EuGH 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 78 – Lidl Belgium (zur Irreführungsrichtlinie); siehe auch EuGH 9.3.2006 – C-421/04 – Slg. 2006, I-2303 Tz. 24 – Matratzen Concord (zur Unterscheidungskraft in Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL). Zur Berücksichtigung von irrationalem Verbraucherverhalten siehe aber auch EuGH 18.10.2012 – C-428/11 – GRUR 2012, 1269 Tz. 38 – Purely Creative; dazu Scherer WRP 2013, 705; siehe auch oben Rn. 66–68. 713 EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 29 – Estée Lauder; siehe bereits EuGH 26.11.996 – C-313/94 – Slg. 1996, I-6039 Tz. 22 – Graffione: „ist es nämlich möglich, daß wegen sprachlicher,
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Diese vom Gerichtshof zunächst für die Fallgruppe der Irreführung entwickelten Kategorien wurden in Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG übernommen und damit für das gesamte (verbraucherbezogene) Lauterkeitsrecht generalisiert.714 Ein strengerer Maßstab als der Durchschnittsverbraucher ist anzulegen, wenn ein Irrtum über die Produkteigenschaften die Gesundheit (dazu Art. 36 AEUV) und damit ein besonders sensibles Schutzgut beeinträchtigen kann715 oder wenn sich die Geschäftspraktik an besonders schutzbedürftige Adressaten richtet.716 Neuerdings deutet sich sogar an, dass sich der EuGH im Bereich des verbraucherschützenden Sekundärrechts auch der psychologischen Wirkung von Werbung öffnet und sogar irrationales Verbraucherverhalten bei der Auslegung zumindest der Verbotstatbestände des Anhangs I zur Richtlinie 2005/29/EG berücksichtigt.716a Ob es sich dabei lediglich um einen Ausnahmefall oder um eine generelle Tendenz handelt, ist offen.716b Angesichts paralleler legislatorischer Tendenzen im sektoriellen Lauterkeitsrecht716c könnte es sich um einen Vorboten eines kontextabhängigen Verbraucherleitbilds handeln, das zwar im Grundsatz durch den verständigen Durchschnittsverbraucher geprägt wird, das aber zugleich akzeptiert, dass in bestimmten, näher definierten Situationen irrational-psychologische Motive die Verbraucherentscheidung überlagern, die auch bei der Auslegung der Lauterkeitsnormen einzubeziehen sind. 155 Seine Entsprechung außerhalb des Verbraucherrechts findet der Durchschnittsverbraucher im umsichtigen Wirtschaftsteilnehmer,717 der Maßstab für die Irreführung außerhalb des B2C-Verhältnisses ist und von dem etwa erwartet werden kann, dass er sich anhand des Registers über die Schutzrechtslage informiert.718 Bisher liegt dem Kriterium des Durchschnittsverbrauchers ein eher robuster Maß156 stab zugrunde.719 So kann von verständigen Verbrauchern „erwartet werden, dass sie wissen, dass zwischen der Größe von Werbeaufdrucken, die auf eine Erhöhung der Men-
_____ kultureller und sozialer Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten eine Marke, die in einem Mitgliedstaat nicht geeignet ist, den Verbraucher irrezuführen, diese Eignung in einem anderen Mitgliedstaat besitzt“. 714 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.3.2010 – C-540/08 – Tz. 101 – Mediaprint: „Wie dem 18. Erwägungsgrund zu entnehmen ist, entspricht der in der Richtlinie 2005/29 verwendete Begriff des Durchschnittsverbrauchers genau dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Leitbild eines Verbrauchers“. 715 EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 28 – Estée Lauder: Das Kriterium des Durchschnittverbrauchers „gilt auch im Bereich des Vertriebs kosmetischer Mittel, wenn ein Irrtum über die Eigenschaften des Produkts – wie im Ausgangsverfahren – die Gesundheit nicht beeinträchtigen kann“. 716 EuGH 16.5.1989 – 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 13 – Buet (besonderer Bildungsrückstand); siehe auch Art. 5 Abs. 3 und Erwägungsgrund 18 Satz 2–4 RL 2005/29/EG. 716a EuGH 18.10.2012 – C-428/11 – GRUR 2012, 1269 Tz. 38 – Purely Creative. 716b Siehe die Analyse von Scherer WRP 2013, 705, 706 ff.; siehe auch Holm WRP 2013, 710. 716c Oben Rn. 66–68. 717 EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 21 – Pall. 718 EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 21 – Pall. 719 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.3.2010 – C-540/08 – Tz. 103 f. – Mediaprint: „zugetraut, das Gefährdungspotenzial bestimmter Geschäftspraktiken zu erkennen und entsprechend rational zu handeln“; Durchschnittsverbraucher ist „bewusst, dass Werbung und Verkaufsförderung in einer freien Marktwirtschaft nicht allein mit dem Preis und der Qualität einer Ware Kunden zu gewinnen suchen, sondern eine Vielzahl an Zusatznutzen versprechen“, die emotionaler Natur (Werbung mit dem Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) oder wirtschaftlicher Natur sein können (Zugaben). „Es ist daher folgerichtig, einem entsprechend normal informierten und angemessen aufmerksamen und kritischen Verbraucher innerhalb des vom Gemeinschaftsrecht festgelegten Regelungsrahmens die Entscheidung vorzubehalten, ob er ein Produkt aufgrund der beworbenen Vorzüge oder wegen seiner Qualität oder gar seines niedrigen Preises erwirbt“. Siehe aber auch oben Rn. 154 a.E.
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ge des Erzeugnisses hinweisen, und dem Ausmaß dieser Erhöhung nicht notwendig ein Zusammenhang besteht“.720 Auch rechtfertigen bestimmte Vorstellungen der heimischen Verbraucher von der Zusammensetzung eines bestimmten Erzeugnisses nicht die Beschränkung des freien Warenverkehrs.721 Von den Durchschnittsverbrauchern kann nämlich nach Auffassung des Gerichtshofs erwartet werden, dass sie, wenn sie „sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung der Erzeugnisse richten, zunächst das Zutatenverzeichnis lesen“, so dass der Durchschnittsverbraucher nicht durch Inhaltsstoffe irregeführt werden kann, auf deren Präsenz das Zutatenverzeichnis ordnungsgemäß hinweist.722 Auch der Erwartungshorizont des Durchschnittsverbrauchers darf nicht überspannt werden. So versteht ein Durchschnittsverbraucher den Hinweis „dermatologisch getestet“ auf einem Kosmetikprodukt nur dahingehend, „dass das Mittel einem Test zur Ermittlung seiner Auswirkungen auf die Haut unterzogen wurde, und … dass festgestellt wurde, dass es für die Haut gut verträglich oder zumindest unschädlich ist“, misst ihm aber keine medizinischen Wirkungen zu, so dass keine Angaben über Gegenstand und Ergebnis des ärztlichen Gutachtens auf der Packung erforderlich sind.723 Eine Irreführung am Maßstab des Durchschnittsverbrauchers kann das Gericht im 157 Regelfall aus eigener Sachkunde ohne Sachverständigengutachten oder empirische Verbraucherbefragung feststellen.724 Allerdings hat der EuGH nicht ausgeschlossen, dass ein nationales Gericht „zumindest bei Vorliegen besonderer Umstände nach seinem nationalen Recht ein Sachverständigengutachten einholen oder eine Verbraucherbefragung in Auftrag geben kann, um beurteilen zu können, ob eine Werbeaussage irreführen kann“,725 etwa wenn die Feststellung der Irreführung dem nationalen Gericht besondere Schwierigkeiten bereitet.726 cc) Irreführung und Informationsgebot. Bei der Konkretisierung der Lauterkeit 158 des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes stand in der Rechtsprechung des Gerichtshofs vor allem der Schutz der Verbraucher (und damit mittelbar auch des lauteren Handelsverkehrs) vor Irreführung und Verwechslung im Vordergrund. Zwar wird diese Problematik inzwischen mit der Irreführungsrichtlinie 84/450/EWG727 (heute Richtlinie 2006/114/EG), der Richtlinie 2005/29/EG und zahlreichen sektorspezifischen Irreführungsverboten728 zu wesentlichen Teilen der Kontrolle durch die Grundfreiheiten ent-
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720 EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 Tz. 24 – Mars. 721 EuGH 6.11.2003 – C-358/01 – Slg. 2003, I-13145 Tz. 52 – Kommission/Spanien. 722 EuGH 4.4.2000 – C-465/98 – Slg. 2000, I-2297 Tz. 22 – Darbo; siehe bereits EuGH 26.10.1995 – C-51/94 – Slg. 1995, I-3599 Tz. 34 – Kommission/Deutschland. 723 EuGH 24.10.2002 – C-99/01 – Slg. 2002, I-9375 Tz. 31 – Linhart und Biffl. 724 EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 Tz. 32 – Gut Springenheide; siehe auch Erwägungsgrund 18 Satz 5-6 RL 2005/29/EG: Gerichte müssen sich „auf ihre eigene Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshof verlassen“. Zum relevanten Prozentsatz bei Irreführungsurteilen auch EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 35 f. – Estée Lauder. 725 EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 Tz. 35 – Gut Springenheide. 726 EuGH 28.1.1999 – C-303/97 – Slg. 1999, I-513 Tz. 37 – Sektkellerei Kessler. Daran dürfte trotz Erwägungsgrund 18 Satz 6 RL 2005/29/EG festzuhalten sein, weil der Erwägungsgrund zuvor ausdrücklich auf die „Auslegung des Gerichtshofs“ Bezug nimmt. 727 Richtlinie 84/450/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19.9.1984, S. 17; dazu EuGH 16.1.1992 – C-373/90 – Slg. 1992, I-131 – Strafverfahren gegen X (Nissan). 728 Siehe nur Art. 6 Abs. 3 Satz 1 RL 76/768/EWG (Kosmetik); Art. 3 Abs. 1 RL 90/314/EWG (Pauschalreisen); Art. 2 RL 2000/13/EG (Lebensmitteletikettierung); Art. 87 Abs. 3, Art. 90 lit. j, k i.V.m. Art. 97 RL 2001/83/EG (Arzneimittel); Art. 3 Satz 2 lit. a VO 1924/2006 (nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln); Art. 9 Abs. 1 lit. a Satz 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. j RL 2010/13/EU (audiovisuelle Mediendienste).
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zogen. Auch beschränkt sich die Rechtfertigungsprüfung regelmäßig auf irreführende Etikettierungen, Bezeichnungen und Anpreisungen mit Produktbezug (d.h. eine Änderung der Produktgestaltung ist erforderlich), weil die Regeln über irreführende Werbung ohne Produktbezug in aller Regel bereits als Verkaufsmodalität i.S.d. Keck-Doktrin729 tatbestandlich keine Maßnahme gleicher Wirkung i.S.d. Art. 34 AEUV sind, sofern nicht ausnahmsweise eine rechtliche oder tatsächliche Benachteiligung ausländischer Anbieter vorliegt. Zudem ist bei der Fallgruppe der Irreführungs- und Verwechslungsgefahr zu unterscheiden: Einer Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes bedarf nur der rein lauterkeitsrechtliche Irreführungsschutz,730 während der Irreführungs- und Verwechslungsschutz durch das Markenrecht, das Recht der Geschäftsbezeichnungen731 und das Recht der geographischen Herkunftsangaben dem Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums (Art. 36 AEUV) zuzurechnen ist. Trotz dieser Einschränkungen bleibt die Judikatur zu den Grundfreiheiten bedeut159 sam, weil der Gerichtshof seine Rechtsprechung zum irreführenden Charakter einer Bezeichnung, einer Marke oder einer Werbeaussage im Primär- und Sekundärrecht einheitlich verstanden wissen will732 und das Sekundärrecht „im Lichte der Bestimmungen des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr auszulegen“ ist.733 Es liegt daher nahe, dass sich der Gerichtshof auch bei Auslegung der sekundärrechtlichen Irreführungstatbestände durch seine Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten inspirieren lassen wird. 160
(1) Information geht vor Vermarktungsverbot. Ausgangspunkt für die Konkretisierung des Irreführungsschutzes als Schranke der Warenverkehrsfreiheit war die Rechtsprechung zu nationalen Standardisierungsvorschriften über die Produktbeschaffenheit,734 Produktbezeichnung735 und Produktverpackung.736 Zwar hat der EuGH den Mitgliedstaaten das Recht zur Standardisierung zum Schutz der Verbraucher nicht generell abgesprochen737 und auch eine Änderung der Bezeichnung eines Lebensmittels gestattet, „wenn dieses Erzeugnis nach seiner Zusammensetzung oder Herstellungsweise so stark
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729 Bzw. nicht spezifisch den Marktzugang hindernde Maßnahme i.S.d. neuen Formel, dazu oben Rn. 131–139. 730 Zum lauterkeitsrechtlichen Irreführungsschutz bei geographischen Angaben Büscher GRUR Int. 2008, 977, 981 f.; siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 25.5.2000 – C-312/98 – Slg. 2000, I-9187 Tz. 51 – Warsteiner; zur Parallelität der Irreführungsprüfung gemäß Art. 36 AEUV und unter der Cassis-Doktrin Omsels GRUR Int. 2009, 971, 974; zum lauterkeitsrechtlichen Irreführungsschutz bei Firmenkennzeichen und Marken EuGH 6.11.1984 – 177/83 – Slg. 1984, 3651 Tz. 15 f. – Kohl. 731 Vgl. EuGH 11.5.1999 – C-255/97 – Slg. 1999, I-2835 Tz. 21 ff. – Pfeiffer. 732 Siehe insbesondere EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 Tz. 30 – Gut Springenheide; Erwägungsgrund 18 Satz 2 RL 2005/29/EG „in der Auslegung des Gerichtshofs als Maßstab“. 733 EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 12 – Clinique; ebenso EuGH 16.1.2003 – C-14/00 – Slg. 2003, I-513 Tz. 66 – Kommission/Italien. 734 EuGH 17.3.1983 – 94/82 – Slg. 1983, 947 Tz. 8 – de Kikvorsch (Verbot des Inverkehrbringens von Bier, das nicht die Voraussetzungen für Säuregehalt erfüllt): „Insbesondere spricht kein Verbraucherschutzargument für eine Vorschrift, die den einheimischen Verbraucher daran hindert, ein nach einer anderen Tradition gebrautes Bier eines anderen Mitgliedstaats kennenzulernen, dessen Etikett deutlich die Herkunft aus einem anderen Gebiet der Gemeinschaft anzeigt“; EuGH 14.7.1988 – 407/85 – Slg. 1988, 4233 Tz. 16, 22 – 3 Glocken (Teigwaren aus Weichweizengrieß). 735 EuGH 26.11.1985 – 182/84 – Slg. 1985, 3731 Tz. 22, 25 – Miro (Genever); EuGH 12.3.1987 – 178/84 – Slg. 1987, 1227 Tz. 35 – Kommission/Deutschland (Bier). 736 EuGH 10.11.1982 – 261/81 – Slg. 1982, 3961 Tz. 17 – Rau (kubische Margarinewürfel zur Unterscheidung von Butter nicht erforderlich zur Vermeidung von Verwechslungen); EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299 Tz. 26 ff. – Prantl (Bocksbeutel). 737 EuGH 26.11.1985 – 182/84 – Slg. 1985, 3731 Tz. 23 – Miro.
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von den in der Gemeinschaft unter dieser Bezeichnung allgemein bekannten Waren abweicht, dass es nicht mehr der gleichen Kategorie zugerechnet werden kann“.738 Regelmäßig ging der EuGH aber von einer nur „geringfügigen Abweichung“ aus, bei der eine angemessene Etikettierung ausreicht,739 um den Verbraucherschutz und die Lauterkeit des Handelsverkehrs zu wahren und dem Verbraucher die erforderlichen Informationen zu vermitteln, um „seine Wahl in Kenntnis aller Umstände zu treffen“.740 Deshalb dürfen bestimmte Gattungsbegriffe, Produktbezeichnungen und Verpackun- 161 gen nicht einheimischen Produkten vorbehalten bleiben.741 Selbst bei einer Abweichung von den nationalen Vorschriften z.B. zum Mindestalkoholgehalt oder zu den Produktzutaten dürfen Erzeugnisse aus anderen Staaten unter derselben Bezeichnung vertrieben werden, „wenn diese im Ursprungsstaat einer lauteren herkömmlichen Praxis entsprechend hergestellt und unter derselben Bezeichnung in den Verkehr gebracht werden und wenn eine sachgerechte Information des Käufers gewährleistet ist“.742 Dabei darf auch nicht verpflichtend durch die nationalen Gesetzgeber eine Herkunftsangabe der Erzeugnisse vorgesehen werden; zulässig sind aber freiwillige Herkunftsangaben der Anbieter.743 Auch wenn die Etikettierungsrechtsprechung heute durch vollharmonisierendes Sekundärrecht in weiten Teilen obsolet ist,744 so entfaltet sich in ihr ein erster Grundsatz zur Abwägung zwischen Grundfreiheit und Lauterkeitsschutz, das Informationsgebot:745 „Verbraucherinformation geht vor Vertriebsverbot“.746 Aus dem Informationsgebot folgt auch die Zulässigkeit nationaler Etikettierungsvor- 162 schriften, die den Verbraucher über die Inhaltsstoffe747 oder die Eigenart748 der Erzeugnisse informieren, auch wenn dies geeignet ist, bestimmte Produkte zu begünstigen.749 Dabei kann es in bestimmten Fällen zur Vermeidung von Irreführungen erforderlich sein, einen Zusatz zur Verkehrsbezeichnung zu verlangen; nicht aber, wenn die betref-
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738 EuGH 16.1.2003 – C-14/00 – Slg. 2003, I-513 Tz. 80 – Kommission/Spanien. 739 EuGH 16.1.2003 – C-14/00 – Slg. 2003, I-513 Tz. 81 – Kommission/Spanien; EuGH 6.11.2003 – C-358/ 01 – Slg. 2003, I-13145 Tz. 50 – Kommission/Spanien: „Das Anbringen eines Etiketts mit Angaben über Art und wesentliche Merkmale des Erzeugnisses […] reicht nämlich vollkommen aus, um die Verbraucher über Eigenschaften und Zusammensetzung von Erzeugnissen […] zu informieren“. 740 EuGH 12.3.1987 – 178/84 – Slg. 1987, 1227 Tz. 35 – Kommission/Deutschland; ebenso EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299 Tz. 29 – Prantl (Bocksbeutel); EuGH 14.7.1988 – 407/85 – Slg. 1988, 4233 Tz. 16, 22 – 3 Glocken. 741 EuGH 26.11.1985 – 182/84 – Slg. 1985, 3731 Tz. 22 – Miro. 742 EuGH 26.11.1985 – 182/84 – Slg. 1985, 3731 Tz. 25 – Miro; zum deutschen Reinheitsgebot für Bier auch EuGH 12.3.1987 – 178/84 – Slg. 1987, 1227 Tz. 32 – Kommission/Deutschland: nationale Vorschriften dürfen nicht dazu dienen, gegebene Verbrauchsgewohnheiten zu zementieren. 743 EuGH 25.4.1985 – 207/83 – Slg. 1983, 1201 Tz. 20 f. – Kommission/Vereinigtes Königreich. 744 Insbesondere durch die Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, ABl. L 109 vom 6.5.2000, S. 29, nunmehr Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 18. Für einen Überblick über die Rechtsakte im Lebensmittelrecht unten Rn. 424. 745 Steindorff EG-Vertrag und Privatrecht (1996), S. 195: „Der Binnenmarkt beruht auf einem ‚Informationsmodell‘“; Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 195 ff., 522; MünchKomm/ Micklitz EG D Rn. 112: „Informationsparadigma“; siehe auch Fleischer ZEuP 2000, 772, 783. 746 Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006) S. 123. 747 EuGH 14.7.1994 – C-17/93 – Slg. 1994, I-3537 Tz. 29, 31 – van der Veldt. 748 EuGH 9.2.1999 – C-383/97 – Slg. 1999, I-731 Tz. 32 f. – van der Laan. 749 EuGH 12.3.1987 – 178/84 – Slg. 1987, 1227 Tz. 35 – Kommission/Deutschland (Bier).
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fende Zutat im Zutatenverzeichnis aufgenommen ist.750 Ebenso billigt der Gerichtshof die Verpflichtung, dass die Angaben auf eingeführten Erzeugnissen in der Sprache des Verkaufsgebiets oder einer anderen für die dortigen Verbraucher leicht verständlichen Sprache verfasst sein müssen, solange dies den Einsatz anderer Mittel wie Zeichnungen, Symbole oder Piktogramme nicht ausschließt und sich die Übersetzungspflicht auf die von dem betreffenden Mitgliedstaat zwingend vorgeschriebenen Angaben beschränkt.751 Allerdings steht Art. 34 AEUV einer nationalen Regelung entgegen, „die die Verwendung einer bestimmten Sprache für die Etikettierung von Lebensmitteln vorschreibt, ohne die Möglichkeit vorzusehen, eine andere für den Käufer leicht verständliche Sprache zu verwenden oder die Unterrichtung des Käufers durch andere Maßnahmen zu gewährleisten“.752 (2) Kein Verbraucherschutz vor (wahrer) Information.753 Eng verwandt mit dem Vorrang der Verbraucherinformation vor dem Verkehrsverbot ist die Judikatur zu Informations- und Werbeverboten des nationalen Rechts. In GB-Inno-BM ging es um zwei Verbote des luxemburgischen Rechts, nämlich die Dauer eines Sonderangebots anzugeben und auf den früheren Preis hinzuweisen. Gerechtfertigt wurden diese Verbote mit der Vermeidung von Verwechslungen zwischen Sonderverkäufen und zeitlich begrenzten Schlussverkäufen sowie dem Umstand, dass die Verbraucher normalerweise nicht die Richtigkeit des früheren Preises überprüfen könnten und einem psychologischen Druck ausgesetzt würden. Unter Hinweis auf seine Etikettierungsrechtsprechung und verschiedene Programme des Rates zur Verbesserung der Information der Verbraucher stellte der EuGH fest, „dass das Gemeinschaftsrecht eines der grundlegenden Erfordernisse des Verbraucherschutzes in der Unterrichtung der Verbraucher sieht“. Art. 34 AEUV könne daher nicht in dem Sinne ausgelegt werden, „daß nationale Rechtsvorschriften, die den Verbrauchern den Zugang zu bestimmten Informationen verwehren, durch zwingende Erfordernisse des Verbraucherschutzes gerechtfertigt werden könnten.754 164 In diese Linie passt auch die Entscheidung Yves Rocher zum deutschen Verbot der blickfangmäßigen Gegenüberstellung von alten und neuen Preisen. Es wurde mit dem Schutz der Verbraucher vor Irreführung gerechtfertigt, weil die Gegenüberstellung regelmäßig für Verbraucher nicht überprüfbar sei und insgesamt günstige Preise suggeriere, ohne dass dies für das gesamte Sortiment zutreffen müsse. Abgesehen von einem Hinweis auf die weniger einschneidenden Maßnahmen in anderen Mitgliedstaaten sah der EuGH das deutsche Verbot deshalb als zu weitgehend an, weil es jede blickfangmäßige Werbung mit Preisgegenüberstellungen verbietet, unabhängig davon, ob sie wahr ist oder nicht. Gerade eine in keiner Weise irreführende Gegenüberstellung von Preisen könne aber sehr nützlich sein, um dem Verbraucher eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage zu ermöglichen.755 Neben einer Bestätigung des Grundsatzes „Kein Ver163
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750 EuGH 26.10.1995 – C-51/94 – Slg. 1995, I-3599 Tz. 33 f. – Kommission/Deutschland. 751 EuGH 3.6.1999 – C- 33/97 – Slg. 1999, I-3175 Tz. 39, 41 f. – Colim. 752 EuGH 12.9.2000 – C-366/98 – Slg. 2000, I-6579 Tz. 28 – Geffroy. 753 Fleischer ZEuP 2000, 772, 783: „Verbraucherschutz nicht vor, sondern durch Verbraucherinformation“. 754 EuGH 7.3.1990 – 362/88 – Slg. 1990, I-667 Tz. 18, 13 ff. – GB-INNO-BM; zur Ankündigung von Preisermäßigungen unter der Richtlinie 2005/29/EG nunmehr EuGH 15.12.2011 – C-126/11 – Tz. 29 f. – INNO: eine nationale Regelung, die allgemeines Verbot von Ankündigungen von Preisermäßigungen und Ankündigungen, die eine Preisermäßigung vermuten lassen, während bestimmter Zeiten vor den Schlussverkaufszeiten vorsieht, ist nur mit der Richtlinie 2005/29/EG unvereinbar, soweit mit dieser Bestimmung Ziele des Verbraucherschutzes verfolgt werden. 755 EuGH 18.5.1993 – C-126/91 – Slg. 1993, I-2361 Tz. 16 f. – Yves Rocher.
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braucherschutz vor Information“ legt die Entscheidung Yves Rocher nahe, dass ein Verbot der Werbung mit wahren Tatsachen regelmäßig nicht durch den Schutz der Verbraucher oder die Lauterkeit des Handelsverkehrs gerechtfertigt werden kann.756 Die liberale Linie in GB-Inno-BM und Yves Rocher spiegelt sich zumindest in der 165 Grundtendenz auch in der Liberalisierung der Preisvergleiche durch die harmonisierten Vorschriften zur vergleichenden Werbung (Art. 4 RL 2006/114/EG) wider, die den Wettbewerb zwischen den Anbietern von Waren und Dienstleistungen im Interesse der Verbraucher fördern sollen, indem den Mitbewerbern erlaubt wird, durch vergleichende Werbung die Vorteile der verschiedenen vergleichbaren Erzeugnisse objektiv herauszustellen.757 Weiterer Beleg für die liberale Linie des Gerichtshofs ist seine Skepsis gegenüber 166 präventiven Werbeverboten. Anstelle eines präventiven Werbeverbots mit Erlaubnisvorbehalt ist vielmehr grundsätzlich die Werbung zunächst zuzulassen und der Hersteller zu verpflichten, „in Zweifelsfällen die Richtigkeit der Werbeaussagen nachzuweisen“.758 Damit stellt auch die Zulassungspflichtigkeit von nicht-irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben ein ungerechtfertigtes Hindernis für den freien Warenverkehr dar.759 Seine Grenze findet der Grundsatz „Kein Verbraucherschutz vor wahrer Information“, 167 wenn die konkrete Gefahr eine Irreführung besteht. So gestattet die Warenverkehrsfreiheit das Verbot einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten, etwa der Bewerbung eines Markenerzeugnisses mit besonderen Eigenschaften, obwohl alle gleichartigen Erzeugnisse dieselben Eigenschaften aufweisen.760 (3) Geringfügige oder nur abstrakt mögliche Irreführungen sind hinzuneh- 168 men. Eine weitere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist die Regel, dass eine Irreführung über für den Verbraucher untergeordnete Gesichtspunkte nicht genügt, um eine Beschränkung des Warenverkehrs zu rechtfertigen, so dass eine gewisse Irreführung hinzunehmen ist.761 Dies zeigt sich etwa in der Rechtssache Pall. Dort ging es um das Verbot der Verwendung des Symbols ®, weil es die Verbraucher irreführe, wenn das Warenzeichen nicht in dem Land eingetragen ist, in dem die Waren in Verkehr gebracht werden. Der EuGH wies dieses Argument selbst bei unterstellter Irreführung zurück, „da die Verbraucher sich mehr für die Eigenschaften einer Ware als dafür interessieren, wo das Warenzeichen eingetragen ist“.762 In diesen Zusammenhang
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756 Ebenso EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 Tz. 21 – Mars; EuGH 16.1.1992 – C-373/90 – Slg. 1992, I-131 Tz. 17 – Strafverfahren gegen X (Nissan). Aus der Perspektive der Grundfreiheiten kann es sich bei solchen Werbeverboten (sofern sie keinen Produktbezug aufweisen) allerdings um Verkaufsmodalitäten handeln, die bereits nicht die Schwelle zu einer Maßnahme gleicher Wirkung überwinden und deshalb keiner Rechtfertigung bedürfen, MünchKomm/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 203. 757 EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 33 – Lidl Belgium; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 20 f. – Lidl SNC. 758 EuGH 28.1.1999 – C-77/97 – Slg. 1999, I-431 Tz. 33, 35 – Österreichische Unilever; vgl. Art. 12 RL 2005/29/EG; Art. 7 RL 2006/114/EG; siehe auch EuGH 15.7.2004 – C-239/02 – Slg. 2004, I-7007 Tz. 42 f., 45, 56 f. – Douwe Egberts. 759 EuGH 24.10.2002 – C-99/01 – Slg. 2002, I-9375 Tz. 42 ff. – Linhart. Allerdings finden sich entsprechende Regeln inzwischen auf Unionsebene in der VO 1924/2006 und sind damit der Grundfreiheitenkontrolle entzogen. 760 EuGH 5.4.2001 – C-123/00 – Slg. 2001, I-2795 Tz. 22 – Bellamy (zur RL 79/112/EWG). 761 EuGH 26.10.1995 – C-51/94 – Slg. 1995, I-3599 Tz. 34 – Kommission/Deutschland; EuGH 26.11.1996 – C-313/94 – Slg. 1996, I-6039 Tz. 24 – Graffione. 762 EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 19 – Pall. Auch den Einwand unlauteren Wettbewerbsverhaltens (Tz. 20 f.) gegenüber den Mitbewerbern, weil sich die Hersteller für die Eintragung im Staat mit den geringsten Anforderungen entscheiden würden, wies der EuGH zurück, denn es gehe bei
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passen auch Entscheidungen, die eine nur abstrakt mögliche Irreführung als unzureichend für eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit einstufen. So war in Mars vorgetragen, dass die Einzelhändler den Zuschlag „+10% Eiskrem“ bei Mars-Riegeln zum Anlass für eine Preiserhöhung nehmen könnten, was wiederum eine Irreführung der Verbraucher bewirken würde, die einen gleichbleibenden Preis erwarteten. Der EuGH stellte fest, dass die Mitgliedstaaten zwar auf „eindeutig nachgewiesene Vorgänge reagieren können, die eine Irreführung der Verbraucher zur Folge haben“, dass aber nicht bereits die bloße Möglichkeit der Preiserhöhung eine Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels rechtfertigen könne.763 Auch die Irreführung von Verbrauchern in Einzelfällen genügt nicht, um eine Beschränkung des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen.764 169
(4) Berücksichtigung aller Umstände. Mit dem Informationsgebot und der Toleranz gegenüber geringfügigen Irreführungen korrespondiert auch der Grundsatz, dass die Irreführung stets anhand aller relevanten Gesichtspunkt zu beurteilen ist und nicht auf lediglich einzelne Gesichtspunkte des Angebots verengt werden darf. So stellte der Gerichtshof in Clinique klar, dass bei der Beurteilung der Irreführungsgefahr nicht nur die Bezeichnung selbst („Clinique“ als Hinweis auf medizinische Eigenschaften), sondern auch die Rahmenbedingungen des Vertriebs (nur in Drogerien und Kosmetikabteilungen, nicht in Apotheken) und der Produktaufmachung und sogar die (fehlende) Irreführung der Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen seien.765 Auch wenn der Hinweis auf die Irreführung in anderen Ländern wegen der Sprachunterschiede wenig glücklich erscheint,766 so ist zutreffend, dass das Gericht zur Beurteilung der Irreführungsgefahr alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigen muss. „Dazu gehören die Umstände, unter denen die Erzeugnisse verkauft werden, die auf der Verpackung der Erzeugnisse angebrachten Informationen und die Klarheit, mit der sie gegeben werden, Aufmachung und Inhalt der Werbung sowie die Gefahr einer Irreführung der betroffenen Verbrauchergruppe“.767 Dieser Grundsatz spiegelt sich inzwischen auch in Erwägungsgrund 7 a.E. der Richtlinie 2005/29/EG.768
_____ der Eintragung in erster Linie um den rechtlichen Schutz im Eintragungsstaat, nicht um die Verwendung des Zeichens ®. 763 EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 Tz. 19 – Mars; siehe bereits EuGH 17.3.1983 – 94/82 – Slg. 1983, 947 Tz. 11 f. – de Kikvorsch: Schutz gegen irreführende Etikettierungen bis zum Verbot möglich, aber nur bei tatsächlicher Irreführung oder Verwechslungsgefahr; EuGH 10.11.1982 – 261/81 – Slg. 1982, 3961 Tz. 17 – Rau; EuGH 28.1.1999 – C-303/97 – Slg. 1999, I-513 Tz. 33 – Sektkellerei Kessler: „Verwendung einer Marke [kann] nur dann als geeignet angesehen werden, Verwechslungen oder eine Irreführung der Personen, an die sie sich richtet, hervorzurufen, wenn anhand der Auffassungen oder Gewohnheiten der betroffenen Verbraucher festgestellt wird, daß tatsächlich die Gefahr einer Beeinflussung ihres wirtschaftlichen Verhaltens besteht“. 764 EuGH 26.10.1995 – C-51/94 – Slg. 1995, I-3599 Tz. 34 – Kommission/Deutschland; EuGH 4.4.2000 – C-465/98 – Slg. 2000, I-2297 Tz. 28 – Darbo gegenüber EuGH 16.1.1992 – C-373/90 – Slg. 1992, I-131 Tz. 15 f. – Strafverfahren gegen X (Nissan): „geeignet, eine erhebliche Zahl von Verbrauchern von ihrer Kaufentscheidung abzuhalten“. 765 EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 21 – Clinique. 766 Richtig EuGH 26.11.996 – C-313/94 – Slg. 1996, I-6039 Tz. 22 – Graffione: Berücksichtigung sprachlicher, kultureller und sozialer Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. 767 EuGH 26.11.996 – C-313/94 – Slg. 1996, I-6039 Tz. 26 – Graffione; EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 30 – Estée Lauder: „unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte“; EuGH 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 79 – Lidl Belgium (zur Irreführungsrichtlinie). 768 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.3.2010 – C-540/08 – Tz. 78, 100 – Mediaprint; siehe auch EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 62 f., 65 – VTB-VAB.
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dd) Belästigende und aggressive Geschäftspraktiken. Während die Recht- 170 sprechung zur Irreführung insbesondere im sektoriellen Lauterkeitsrecht kaum mehr überschaubar ist, finden sich nur wenige Entscheidungen zum Schutz vor aggressiven Geschäftspraktiken.769 Dies liegt vor allem an der Keck-Doktrin, die zahlreiche Vertriebsmethoden als Verkaufsmodalität bereits aus dem Tatbestand des Art. 34 AEUV ausnimmt, sofern sie rechtlich und tatsächlich nicht den Marktzugang für ausländische Produkte stärker behindern.770 Hervorzuheben ist immerhin die Rechtssache Buet zum französischen Verbot des 171 Haustürvertriebs771 von pädagogischem Material, in der es um den Schutz der Verbraucher vor der Gefahr unüberlegter Käufe ging. Dazu stellte der EuGH zunächst fest, dass dieser Gefahr in aller Regel durch das vertragliche Rücktrittsrecht nach der Haustürwiderrufsrichtlinie begegnet werde.772 Dennoch billigte der Gerichtshof die französische Regelung, weil die Gefahr unüberlegter Käufe beim Vertrieb von Unterrichtsleistungen oder pädagogischem Material besonders ausgeprägt sei, denn der Kunde habe einen Bildungsrückstand, den er aufholen wolle, was ihn besonders schutzlos mache.773 Zudem handele es sich nicht nur um Güter des täglichen Bedarfs, so dass ein unüberlegter Kauf nicht nur nachteilige finanzielle Folgen habe, sondern auch – bei Vertrieb von minderwertigem Material – „die Möglichkeit für den Verbraucher gefährden kann, sich weiterzubilden und damit seine Stellung auf dem Arbeitsmarkt zu stärken“.774 Auch in A-Punkt Schmuckhandels GmbH hat der Gerichtshof bekräftigt, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eines Verbots von Haustürgeschäften die größere Gefahr einer Irreführung der Verbraucher infolge „mangelnder Information, der nicht vorhandenen Möglichkeit eines Preisvergleichs, ungenügenden Garantien in Bezug auf die Echtheit der Schmuckstücke und dem psychologischen Kaufdruck“ zu berücksichtigen ist.775 Die auf Haustürgeschäfte bezogene Argumentation in Buet und A-Punkt wird durch 172 die Entscheidung Alpine Investments zum Verbot des Cold Calling von Finanzdienstleistern ergänzt. Auch hier billigte der EuGH die Beschränkung der Grundfreiheit, wenn auch – weil die betreffenden Behörden zum Schutz ausländischer Verbraucher nicht zuständig waren – zur „Aufrechterhaltung des guten Rufes des nationalen Finanzsektors“.776 Eine durch das Cold Calling überraschte Privatperson sei „nicht in der Lage, sich über die Risiken, die sich aus der Art der ihr vorgeschlagenen Transaktionen ergeben, zu informieren oder die Qualität und den Preis der Dienstleistungen des Anrufers mit den Angeboten der Konkurrenten zu vergleichen“. Da der Warenterminmarkt äußerst spekulativ und für wenig erfahrene Kapitalanleger schwer durchschaubar ist, sei es erforderlich, sie vor den „aggressivsten Methoden der Kundenwerbung“ zu schützen.777 Zudem betreffe das Verbot nur die telefonische oder persönliche Kontaktaufnahme mit poten-
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769 Dazu eingehend Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 408 ff. 770 Für den Haustürvertrieb siehe EuGH 23.2.2006 – C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 17 – A-Punkt Schmuckhandel gegenüber EuGH 16.5.1989 – 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 9, 13 ff. – Buet. 771 Siehe auch Reich Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Haustürwerbung in Deutschland: unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftswissenschaftlichen und wirtschaftlichen Hintergründe sowie der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Haustürwerbung in anderen ausgewählten Ländern (2010), S. 290 ff. 772 EuGH 16.5.1989 – 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 12 – Buet. 773 EuGH 16.5.1989 – 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 13 – Buet. 774 EuGH 16.5.1989 – 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 14 – Buet. 775 EuGH 23.2.2006 – C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 29 – A-Punkt Schmuckhandel. 776 EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 44 – Alpine Investments. 777 EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 46 – Alpine Investments.
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tiellen Kunden ohne deren vorherige schriftliche Zustimmung und sei auf den Markt für Warenterminverträge beschränkt, so dass andere Märkte und andere Formen der Kontaktaufnahme mit potentiellen Kunden oder die Kontaktaufnahme mit bereits akquirierten Kunden unberührt blieben.778 Gegen ein solches Verbot spreche schließlich auch nicht, dass andere Mitgliedstaaten weniger weitgehende Regelungen erlassen haben und dass es alle Unternehmen des Marktes treffe, weil allgemein das Vertrauen in den Markt wiederhergestellt werden müsse.779 ee) Konkurrentenschutz. Ähnlich spärlich wie Judikatur zu belästigenden und aggressiven Vertriebsmethoden sind Entscheidungen zum wettbewerbsrechtlichen Konkurrentenschutz. In einer frühen Entscheidung hat sich der Gerichtshof immerhin zum niederländischen Verbot sklavischer Nachahmungen geäußert. Er sah die Regelung vom Schutzgut der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes umfasst.780 Zur Begründung verwies er auf die grundsätzliche Anerkennung in der Rechtsprechung der meisten Mitgliedstaaten und den Grundgedanken des Art. 10bis PVÜ, „wonach jegliches Tun, das geeignet ist …, eine Verwechslung mit den Waren eines Wettbewerbers hervorzurufen, untersagt ist“.781 Die Entscheidung verengt das Problem damit auf den Aspekt der Verwechslungsgefahr, der inzwischen auch Eingang in Anhang I Nr. 13 RL 2005/29/EG gefunden hat, und lässt wesentliche Aspekte des Konkurrentenschutzes und der Erschöpfungslehre außen vor.782 Immerhin legt sie eine Verallgemeinerung des Rückgriffs auf Art. 10bis Abs. 3 PVÜ nahe, so dass offenbar der Schutz vor Verwechslungen, Anschwärzungen und Irreführungen zu einem wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb auch im Sinne der Cassis-Doktrin zu zählen sind.783 Gegen eine derartige Verallgemeinerung mag man vorbringen, dass Art. 10bis PVÜ das heute überholte Konzept des Konkurrentenschutzes und der Geschäftsmoral zugrunde liegt.784 Angesichts der weiten Verbreitung verbraucherschützender Lauterkeitsnormen im Unionsrecht erscheint es indes unbedenklich, Art. 10bis Abs. 3 PVÜ zumindest auf dem unionsrechtlich noch wenig explorierten Terrain des Konkurrentenschutzes als einen Baustein des Europäischen Lauterkeitsrechts anzusehen.785 Ein weiterer Baustein des konkurrentenschützenden Lauterkeitsrechts enthüllte sich 174 in einer eher entlegenen Entscheidung zur Arbeitnehmerentsendung. Dort hat es der Gerichtshof als legitimes Ziel des nationalen Gesetzgebers und eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigendes zwingendes Erfordernis angesehen, „einen unlauteren Wettbewerb seitens der Unternehmen zu verhindern, die ihren Arbeitnehmern 173
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778 EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 54 – Alpine Investments. 779 EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 50 f., 52 f. – Alpine Investments. 780 EuGH 2.3.1982 – 6/81 – Slg. 1982, 707 Tz. 9 – Beele. 781 EuGH 2.3.1982 – 6/81 – Slg. 1982, 707 Tz. 9 – Beele. 782 Beater Rn. 593. 783 Zum Teil oder vollständig werden diese Aspekte allerdings inzwischen durch Sekundärrecht geregelt und sind damit nicht mehr am Maßstab der Grundfreiheiten zu messen, siehe zum Schutz vor Irreführung Art. 6, 7 RL 2005/29/EG und Art. 3 RL 2006/114/EG. Daneben existieren spezielle Irreführungsverbote, z.B. Art. 13 Abs. 1 lit. c, d VO 510/2006; zum markenrechtlichen Schutz vor Verwechslungsgefahr Art. 5 MarkenRL 2008/95/EG. 784 Demgegenüber dürfte die Generalklausel des Art. 10bis Abs. 2 PVÜ aufgrund ihrer Bezogenheit auf die Gebräuche des jeweiligen Schutzlandes (Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 53 ff.; Pflüger Reichweite internationalrechtlicher Vorgaben in: Hilty/Henning-Bodewig [Hrsg.] Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire [2009], S. 65, 78 f., 84 Fn. 79) aus sich heraus nichts zu einer europäisch-autonomen Konkretisierung der zwingenden Erfordernisse beitragen. 785 Ohly WRP 2008, 177, 179: Art. 10bis PVÜ nur erster ungefährer Anhaltspunkt.
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einen Lohn zahlen, der unterhalb des Mindestlohns liegt“.786 Mit dieser Rechtsprechung deutet sich an, dass das Unionsrecht auch die Sicherung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer als legitimes Ziel lauterkeitsrechtlicher Einschränkungen der Marktfreiheiten billigt, so dass eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung von Gesetzesverstößen der Mitbewerber zulässig erscheint. In gewisser Weise korrespondiert dies mit der Rechtsprechung zum Klagerecht von Wettbewerbern bei Verstößen gegen sekundärrechtliche Kennzeichnungsvorschriften für Lebensmittel.787 Ferner ist im Kontext des Konkurrentenschutzes noch die Rechtsprechung zu Rabat- 175 ten und Preisnachlässen zu erwähnen. Derartige Regeln hat der EuGH zunächst, wie für das Verbot zum Verkauf unter Einstandspreis und zu äußerst niedrigen Gewinnspannen entschieden wurde, als Verkaufsmodalität i.S.d. Keck-Doktrin und damit nicht als Maßnahme gleicher Wirkung angesehen.788 Gleiches gilt für eine gesetzliche Preisregulierung, wenn sie weder rechtlich noch tatsächlich zwischen einheimischen und importierten Erzeugnissen unterscheidet789 bzw. – unter Geltung des Marktzugangskriteriums – wenn sie nicht den Zugang ausländischer Anbieter „unter Bedingungen eines normalen und wirksamen Wettbewerbs“ zum heimischen Markt beeinträchtigt.790 Allerdings kann die Schwelle zur Marktzugangsbehinderung gerade bei Verboten 176 besonders attraktiver Preise überschritten sein, weil naturgemäß der Wettbewerb über den Preis eine der wirksamsten Methoden ist, um auf dem Markt eines Mitgliedstaats Fuß zu fassen.791 Ist eine Beeinträchtigung der Verkehrsfreiheit gegeben, so können gesetzliche Preisbindungen nicht allein durch den Erhalt kleinerer Anbieter im gesamten Staatsgebiet, die Vermeidung eines „ruinösen Preiswettbewerbs“ oder gar die „heftige[n] Reaktionen, mit denen von Seiten der durch einen unbegrenzten Wettbewerber bedrohten“ Marktteilnehmer zu rechnen wäre, gerechtfertigt werden.792 Zudem ist stets den Besonderheiten des konkreten Marktes Rechnung zu tragen,793 insbesondere im Einzelfall
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786 EuGH 12.10.2004 – C-60/03 – Slg. 2004, I-9553 Tz. 41 – Wolff & Müller. 787 EuGH 17.9.2002 – C-253/00 – Slg. 2002, I-7289 Tz. 27 – Muñoz. 788 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 Tz. 18 – Keck und Mithouard; EuGH 11.8.1995 – C-63/94 – Slg. 1995, I-2467 Tz. 13 – Belgapom; zur Rechtsprechung vor Keck Streinz/Schroeder Art. 34 AEUV Rn. 65. Ein generelles und einzelfallunabhängiges, dem Verbraucherschutz dienendes Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis verstößt inzwischen gegen die Richtlinie 2005/29/EG, EuGH 7.3.2013 – C-343/12 – Tz. 22, 29, 31 – Euronics Belgium. 789 EuGH 30.4.2009 – C-531/07 – Slg. 2009, I-3717 Tz. 20 – LIBRO (Preisbindung für Bücher; im konkreten Fall bejahte der EuGH eine Diskriminierung und damit eine Beeinträchtigung des Art. 34, Tz. 21 f.); vor Keck auch EuGH 10.1.1985 – 229/83 – Slg. 1985, 1 Tz. 23, 25 f., 28 ff. – Leclerc; bestätigt durch EuGH 3.10.2000 – C-9/99 – Slg. 2000, I-8207 Tz. 22 – Echirolles; zu Mindestpreisen für Treibstoff vor Keck EuGH 29.1.1985 – 231/83 – Slg. 1985, 305 Tz. 29 – Cullet. Aus jüngster Zeit EuGH (Große Kammer) 29.3.2011 – C-565/08 – NJW 2011, 1575 Tz. 49 ff., 53 – Kommission/Italien zu anwaltlichen Maximalgebühren (Beeinträchtigung verneint, da italienische Gebührenregelung flexibel war und unter bestimmten Umständen Gebührenerhöhungen und Gebührenvereinbarungen gestattete). Bei Mindestpreisen für anwaltliche Dienstleistungen hat der EuGH (Große Kammer) 5.12.2006 – C-94/04 und C-202/04 – Slg. 2006, I-I-11421 Tz. 58 – Cipolla demgegenüber eine Beeinträchtigung bejaht, weil durch Mindestpreise der Marktzugang für ausländische Anbieter behindert werde. 790 EuGH (Große Kammer) 29.3.2011 – C-565/08 – NJW 2011, 1575 Tz. 51, 53 – Kommission/Italien (Gebührenhöchstsätze für Anwälte); EuGH 12.9.2013 – C-475/11 – Tz. 47 f. – Kostas Konstantinides (Bindung ausländischer Ärzte an die Regeln der deutschen Honorarordnung). 791 EuGH (Große Kammer) 5.10.2004 – C-442/02 – Slg. 2004, I-8961 Tz. 14 – CaixaBank France (Wettbewerb über den Zinssatz für Sichteinlagen bei Banken). 792 EuGH 29.1.1985 – 231/83 – Slg. 1985, 305 Tz. 32 f. – Cullet/Leclerc. 793 EuGH 30.4.2009 – C-531/07 – Slg. 2009, I-3717 Tz. 35 – LIBRO: Bei der Buchpreisbindung ist es unzulässig, für den Mindestpreis auf den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis abzustellen, sondern es muss dem Verleger erlaubt sein, einen Verkaufspreis für den Importmarkt festzusetzen, der den Besonderheiten dieses Marktes Rechnung trägt.
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zu prüfen, ob das legitime Ziel der Preisbindung (z.B. Qualität von bestimmten Waren oder Dienstleistungen, Erhalt der kulturellen Vielfalt) durch die konkrete Regelung erreicht werden kann, etwa weil eine Wechselbeziehung zwischen Preis und Qualität besteht, weil die Empfänger der Dienstleistung ihre Qualität nicht beurteilen können oder weil durch Mindestpreise auf einem durch hohen Konkurrenzdruck geprägten Markt ein qualitativ minderwertiges Billigangebot vermieden wird. Positiver steht der Gerichtshof demgegenüber der gesetzlichen Preisregulierung und sogar der staatlichen Bedürfnisprüfung gegenüber, wenn es sich um regulierte Berufe handelt, deren Regulierung zur Aufrechterhaltung berufsrechtlicher und berufsethischer Standards und damit letztlich dem Schutz hochstehender Rechtsgüter wie dem Gesundheitsschutz, der Versorgung mit medizinischen Leistungen oder der Rechtspflege dient. Derartige Einschränkungen halten regelmäßig der Grundfreiheitenkontrolle stand, sofern die nationale Regulierung in kohärenter Weise erfolgt.794 Schließlich verdient an dieser Stelle noch eine Entscheidung zum niederländischen 177 Zugabenverbot Erwähnung. Der EuGH billigte die niederländische Regelung, weil „das Angebot von Zugaben als Mittel der Absatzförderung bei den Verbrauchern einen Irrtum über die tatsächlichen Preise der Erzeugnisse bewirken und die Bedingungen eines auf Leistung beruhenden Wettbewerbs verfälschen kann“.795 Obwohl die Entscheidung in erster Linie auf die Gefahr einer Irreführung der Verbraucher abhebt, so deutet sie den Gedanken „eines auf Leistung beruhenden Wettbewerbs“ zumindest an, der für konkurrentenschützende Lauterkeitsnormen bedeutsam sein kann. In der Sache ist die Entscheidung inzwischen überholt: Zum einen sind Zugabenverbote und Regeln zu Kopplungsangeboten als Verkaufsmodalität anzusehen und daher regelmäßig aus dem Tatbestand des Art. 34 AEUV ausgenommen.796 Zum anderen werden sie von der Richtlinie 2005/29/EG erfasst und sind daher – jedenfalls bei Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern (Art. 2 lit. d, 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG) – infolge der Vollharmonisierung der Kontrolle am Maßstab der Grundfreiheiten entzogen.797 Entsprechendes gilt für absatzfördernde Glücksspiele (Verlosungen) und Preisausschreiben,798 die der Gerichtshof in Familiapress noch am Maßstab der Medienvielfalt und der Meinungsfreiheit als zwingende Erfordernisse i.S.d. Cassis-Doktrin gemessen hat.799
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794 EuGH (Große Kammer) 5.12.2006 – C-94/04 und C-202/04 – Slg. 2006, I-11421 Tz. 67 ff. – Cipolla (gesetzliche Mindesthonorare für Anwälte grundsätzlich zulässig); EuGH 12.9.2013 – C-475/11 – Tz. 47 f., 57 – Kostas Konstantinides (Bindung von Ärzten an das heimische Gebühren- und Werberecht grundsätzlich zulässig); EuGH 26.9.2013 – C-539/11 –Tz. 46 ff. – Ottica New Line (regionale Bedürfnisprüfung für Optikergeschäfte zulässig, sofern diese in kohärenter Weise erfolgt). 795 EuGH 15.12.1982 – 286/81 – Slg. 1982, 4575 Tz. 18 – Oosthoek; ähnlich jüngst EuGH 18.7.2013 – C-265/12 – WRP 2013, 1308 Tz. 39 ff. – Citroën Belux (Verbot gerechtfertigt aus Gründen des Verbraucherschutzes wegen der „erhöhte[n] Gefahr mangelnder Transparenz bei den Bedingungen, dem Preis und dem genauen Inhalt der Dienstleistung“). 796 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 21.10.2008 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 116 – VTB-VAB; MünchKomm/Micklitz EG G Rn. 15. 797 EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 50, 52 – VTB-VAB (Kopplungsangebote). Soweit eine Bereichsausnahme zur Vollharmonisierung wie etwa bei Finanzdienstleistungen (Art. 3 Abs. 9 RL 2005/29/EG) eingreift, hat der Gerichtshof das – durch Ausnahmetatbestände eingegrenzte – Verbot von Kopplungsangeboten bei Finanzdienstleistungen als verhältnismäßige Grundfreiheitenbeschränkung angesehen, EuGH 18.7.2013 – C-265/12 – WRP 2013, 1308 Tz. 39 ff. – Citroën Belux. 798 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 36 f., 41 – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 18, 30 – Mediaprint (Teilnahme an einer Lotterie oder einem Preisausschreiben als Maßnahme zur Absatzförderung). 799 EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 24 ff. – Familiapress.
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c) Sonstiges kollidierendes Primärrecht. Zu den sonstigen Regeln des Primär- 178 rechts, die eine Beschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen können, zählen insbesondere die Unionsgrundrechte.800 Hier sind drei801 eng benachbarte Konstellationen zu unterscheiden: Zum einen können sich Privatpersonen zur Rechtfertigung einer von ihnen ausgehenden Beeinträchtigung der Grundfreiheiten auf ihre Grundrechte berufen (Drittwirkungskonstellation).802 Zum zweiten kann ein Mitgliedstaat davon absehen, gegen eine von Privaten ausgehende Beeinträchtigung der Grundfreiheiten einzuschreiten, um die Grundrechte der privaten „Störer“ zu respektieren (negative Schutzkonstellation).803 Und zum dritten ist denkbar, dass ein Staat gerade zum Schutz der Grundrechte Dritter eine Grundfreiheit beschränkt (positive Schutzkonstellation). 804 Der letztgenannte Fall dürfte allerdings besser in die Kategorie der öffentlichen Ordnung i.S.d. Art. 36 AEUV passen, denn die Beschränkung der Grundfreiheit resultiert nicht in erster Linie aus der Grundrechtsausübung Privater, sondern im Eingreifen des Staates zum Schutz der Grundrechte als Bestandteil der öffentlichen Ordnung. Von der Meinungsfreiheit nicht garantiert wird die öffentliche Äußerung eines Beamten in hoheitlicher Funktion.805 4. Dienstleistungsfreiheit: Schutzbereich Artikel 56 AEUV Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Union ansässig sind. Artikel 57 AEUV Dienstleistungen im Sinne der Verträge sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere: a) gewerbliche Tätigkeiten, b) kaufmännische Tätigkeiten, c) handwerkliche Tätigkeiten, d) freiberufliche Tätigkeiten.
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800 Bei Beeinträchtigung von Grundfreiheiten ist umstritten, ob der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte gemäß Art. 51 EuGRCh eröffnet ist, dazu unten Rn. 196–197. 801 Dazu Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 79, der allerdings die zweite und die dritte Kategorie zusammenfasst. 802 Siehe etwa die Rechtfertigung des Handelns Privater durch die Vereinigungsfreiheit oder das Grundrecht auf kollektive Maßnahmen (Art. 28 EuGRCh) in EuGH 15.12.1995 – C-415/93 – Slg. 1995, I-4921 Tz. 79 f. – Bosman; EuGH (Große Kammer) 18.12.2007– C-341/05 – Slg. 2007, I-11767 Tz. 93 – Laval. 803 Siehe etwa die im Interesse des Demonstrationsrechts unterlassene Aufhebung der Straßenblockade in EuGH 12.6.003 – C-112/00 – Slg. 2003, I-5659 Tz. 74 ff. – Schmidberger. 804 Siehe das Einschreiten der deutschen Behörden zum Schutz der Menschenwürde in EuGH 14.10.2004 – C-36/02 – Slg. 2004, I-9609 Tz. 35 – Omega. 805 EuGH (Große Kammer) 17.4.2007 – C-470/03 – Slg. 2007, I-2749 Tz. 72 – A.G.M.-COS.MET: „Die Mitgliedstaaten können sich jedoch nicht auf die Meinungsäußerungsfreiheit ihrer Beamten berufen, um eine Behinderung zu rechtfertigen und sich dadurch ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verantwortung zu entziehen“.
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Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Mitgliedstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt.
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Neben der Warenverkehrsfreiheit hat vor allem die Dienstleistungsfreiheit Einfluss auf das Lauterkeitsrecht der Mitgliedstaaten. Hier sind grundsätzlich zwei Konstellationen zu unterscheiden: Zum einen kommt Art. 56 AEUV zum Tragen, wenn es schwerpunktmäßig um den grenzüberschreitenden Vertrieb von Dienstleistungen und nicht von Waren geht.806 Darüber hinaus hat die Dienstleistungsfreiheit auch Bedeutung für die Werbedienstleistungen selbständiger Dritter, denn während die Werbung durch den Warenanbieter durch die Warenverkehrsfreiheit erfasst wird, müssen Beschränkungen der Werbedienstleistungen selbständiger Dritter den Anforderungen des Art. 56 AEUV standhalten. Berechtigt aus der Dienstleistungsfreiheit sind nur „Angehörige der Mitgliedstaaten“ (Art. 56 AEUV), denen Gesellschaften mit satzungsmäßigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Union gleichgestellt sind (Art. 62 i.V.m. Art. 54 AEUV). Zudem ist im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit zu beachten, dass für eine große Zahl von Dienstleistungen durch die Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt807 inzwischen über die Dienstleistungsfreiheit z.T. hinausgehende Freizügigkeitsrechte begründet wurden.
a) Begriff der Dienstleistung. Ausgangspunkt für die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Dienstleistungsfreiheit ist der Begriff des Dienstleistungsverkehrs in Art. 56 Abs. 1 AEUV. Dieser umfasst sowohl die aktive (positive) Dienstleistungserbringungsfreiheit (vgl. Art. 57 Abs. 3 AEUV) wie die passive (negative) Dienstleistungsempfangsfreiheit als ihre „notwendige Ergänzung“. 808 Ausreichend ist es auch, wenn nur die Dienstleistung den Grenzübertritt vollzieht, wie dies etwa bei Telefon- oder Online-Dienstleistungen der Fall ist,809 oder wenn Leistender und Empfänger sich beide in einen anderen Mitgliedstaat begeben, um dort den Leistungsaustausch zu bewirken.810 Art. 56 AEUV verbietet daher nicht nur vom Staat des Leistungsempfängers, sondern auch vom Staat des Leistungserbringers auferlegte Beschränkungen, wenn die Leistungen an Empfänger in anderen Mitgliedstaaten erbracht werden.811 Unter Dienstleistungen im Sinne der Verträge sind nach Art. 57 Abs. 1 AEUV Leis181 tungen zu verstehen, „die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen“. Charakteristikum der Dienstleistungsfreiheit ist damit die Entgeltlichkeit der Leistung und die Subsidiarität gegenüber anderen Grundfreiheiten. Den Begriff des Entgelts hat der Gerichtshof anhand von Art. 57 Abs. 2 AEUV er182 schlossen, wonach als Dienstleistungen insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten gelten. Daraus leitet er als Wesensmerkmal
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806 Dazu oben Rn. 99–100. 807 Dazu unten Rn. 369–381. 808 EuGH 31.1.1984 – 286/82 und 26/83 – Slg. 1984, 377 Tz. 10 – Luisi; EuGH (Große Kammer) 5.10.2010 – C-512/08 – EuZW 2010, 861 Tz. 31 – Kommission/Frankreich; zu den Begriffen Schwarze/Holoubek Art. 56, 57 AEUV Rn. 34, 36; Calliess/Ruffert/Kluth Art. 56, 57 AEUV Rn. 27, 30. 809 EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 30 – Alpine Investments (Telefonmarketing); EuGH 3.6.2010 – C-258/08 – Slg. 2010, I-4757 Tz. 15 f. – Ladbrokes Betting & Gaming (Online-Glücksspiele). 810 EuGH 26.2.1991 – C-154/89 – Slg. 1991, I-659 Tz. 10 – Kommission/Frankreich. 811 EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 30 – Alpine Investments.
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des Entgelts ab, „dass es die wirtschaftliche Gegenleistung für die betreffende Leistung darstellt, wobei die Gegenleistung in der Regel zwischen dem Erbringer und dem Empfänger der Leistung vereinbart wird“.812 Allerdings ist es nicht erforderlich, dass die Dienstleistung von demjenigen bezahlt wird, dem sie zugutekommt.813 Der Hinweis auf die Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit in Art. 57 Abs. 1 AEUV 183 ist nicht im Sinne einer generellen Nachrangigkeit der Dienstleistungsfreiheit zu verstehen, sondern dient der Klarstellung, dass der Begriff der Dienstleistungen alle „nicht von den übrigen Freiheiten erfassten Leistungen mit dem Ziel ab[deckt], keine wirtschaftliche Tätigkeit aus dem Geltungsbereich der Grundfreiheiten herausfallen zu lassen“.814 Im Verhältnis zur Warenverkehrsfreiheit dient dabei grundsätzlich die Körperlichkeit der Leistung als Abgrenzungsmerkmal,815 im Verhältnis zur Arbeitnehmerfreizügigkeit die Selbständigkeit der Tätigkeit. In Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) kommt die Dienstleis- 184 tungsfreiheit zum Tragen, wenn der Erbringer einer Dienstleistung seine Tätigkeit im anderen Mitgliedstaat vorübergehend ausübt, wobei der vorübergehende Charakter „nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen ist“.816 Dabei schließt „der vorübergehende Charakter der Leistung nicht die Möglichkeit … aus, sich im Aufnahmestaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist“.817 Nicht die Dienstleistungsfreiheit, sondern die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) kommt deshalb zur Anwendung, wenn ein Angehöriger eines Mitgliedstaates in beständiger und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt.818 b) Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit. Art. 56 AEUV verlangt nicht nur 185 die Beseitigung sämtlicher (offener und versteckter819) Diskriminierungen des Dienstleistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit (Art. 57 Abs. 3 AEUV), sondern auch „jeder Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus den anderen Mitgliedstaaten gilt820 –, sofern sie geeignet ist, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.“821 Bei un-
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812 EuGH 27.9.1988 – 263/86 – Slg. 1988, 5365 Tz. 16 f. – Humbel und Edel; EuGH 20.5.2010 – C-56/09 – Slg. 2010, 4517 Tz. 30 – Zanotti. 813 EuGH 26.4.1988 – 352/85 – Slg. 1988, 2085 Tz. 16 – Bond van Adverteereders. 814 EuGH (Große Kammer) 3.10.2006 – C-452/04 – Slg. 2006, I-9521 Tz. 32 – Fidium Finanz. 815 Dazu oben Rn. 99. 816 EuGH 30.11.1995 – C-55/94 – Slg. 1995, I-4165 Tz. 26 – Gebhard. 817 EuGH 30.11.1995 – C-55/94 – Slg. 1995, I-4165 Tz. 27 – Gebhard. 818 EuGH 30.11.1995 – C-55/94 – Slg. 1995, I-4165 Tz. 28 – Gebhard; EuGH 1.7.2010 – C-393/08 – Slg. 2010, I-6333 Tz. 26 – Sbarigia. 819 EuGH 3.2.1982 – 62/81 – Slg. 1982, 223 Tz. 8 – Seco. 820 Der Ausbau der Dienstleistungsfreiheit von einem Diskriminierungs- zu einem Beschränkungsverbot erfolgte spätestens mit EuGH 25.7.1991 – C-76/90 – Slg. 1991, I-4221 Tz. 12 – Säger; siehe auch bereits EuGH 3.12.1974 – 33/74 – Slg. 1974, 1299 Tz. 10/12 – van Binsbergen. Häufig wird auch EuGH 30.11.1995 – C-55/94 – Slg. 1995, I-4165 Tz. 37 – Gebhard genannt. 821 EuGH (Große Kammer) 8.9.2009 – C-42/07 – Slg. 2009, I-4221 Tz. 51 – Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International; ebenso EuGH (Große Kammer) 28.4.2009 – C-518/06 – Slg. 2009, I-3491 Tz. 62 – Kommission/Italien; EuGH (Große Kammer) 23.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 85 – Murphy; EuGH 12.7.2012 – C-602/10 – Tz. 73 – SC Volksbank România; EuGH 18.7.2013 –
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terschiedslos anwendbaren Maßnahmen ist von einer Beschränkung i.S. des Art. 56 AEUV nicht bereits deshalb auszugehen, weil andere Mitgliedstaaten die Erbringer gleichartiger Dienstleistungen weniger strengen oder wirtschaftlich interessanteren Vorschriften unterwerfen822 oder weil sich ausländische Anbieter mit den im Zielstaat geltenden Regeln vertraut machen müssen.823 Entscheidend ist vielmehr, dass die von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, „den Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten betreffen und somit den innergemeinschaftlichen Handel behindern“.824 Mit der Ausrichtung auf den Marktzugang geraten auch die lauterkeitsrechtlichen 186 Regelungen des Marktortes in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit, so dass sich die Frage stellt, wo die Grenzen des Beeinträchtigungstatbestands liegen. Eine erste Grenze markiert ebenso wie bei der Warenverkehrsfreiheit die Relevanzformel: Soweit die Auswirkungen einer nationalen Regelung „zu ungewiss und mittelbar“ sind, um Einfluss auf das Angebot oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu haben, können sie nicht als geeignet angesehen werden, um den freien Dienstleistungsverkehr zu behindern.825 So genügt die Erforderlichkeit einer Anpassung bestimmter Vertragsklauseln nicht, um eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit zu begründen, wenn dies weder zu einer zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung für den Anbieter noch zu einer Änderung der Unternehmenspolitik und -strategien zwingt.826 Darüber hinaus ist zu fragen, ob zudem eine Tatbestandsausnahme für Verkaufs187 modalitäten nach dem Vorbild der Keck-Doktrin in Betracht kommt. Die Rechtsprechung des EuGH ist insofern nicht eindeutig.827 Häufig wird eine unmittelbare Übertragung der Keck-Doktrin bereits tatbestandlich scheitern, weil eine staatliche Maßnahme, die für die Zwecke des Art. 34 AEUV als bloße Verkaufsmodalität anzusehen ist, nicht zwangsläufig auch für die Zwecke des Art. 56 AEUV als Verkaufsmodalität anzusehen ist.828 Zudem ist zu berücksichtigen, dass der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung
_____ C-265/12 – WRP 2013, 1308 Tz. 35 – Citroën Belux; siehe auch bereits EuGH 25.7.1991 – C-76/90 – Slg. 1991, I-4221 Tz. 12 – Säger. 822 EuGH (Große Kammer) 28.4.2009 – C-518/06 – Slg. 2009, I-3491 Tz. 63 – Kommission/Italien; EuGH 12.7.2012 – C-602/10 – Tz. 74 – SC Volksbank România; EuGH 12.9.2013 – C-475/11 – Tz. 47 ff. – Kostas Konstantinides (Bindung von Ärzten an das heimische Gebührenrecht nur dann Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit, wenn dies auf Ärzte aus anderen Mitgliedstaaten abschreckend wirkt). 823 EuGH 29.3.2011 – C-565/08 – NJW 2011, 1575 Tz. 50 – Kommission/Italien. 824 EuGH (Große Kammer) 28.4.2009 – C-518/06 – Slg. 2009, I-3491 Tz. 64 – Kommission/Italien. 825 EuGH (Große Kammer) 15.10.2010 – C-211/08 – Slg. 2010, I-5267 Tz. 72 – Kommission/Spanien; EuGH 12.7.2012 – C-602/10 – Tz. 81 – SC Volksbank România; zur Relevanzformel bereits oben Rn. 107–109, zur Integration in die neue Drei-Stufen-Formel Rn. 133. 826 EuGH 12.7.2012 – C-602/10 – Tz. 79 – SC Volksbank România. 827 In EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 38 – Alpine Investments lehnt der EuGH eine Anwendung der Keck-Doktrin ab, weil das Verbot des Telefonvertriebs vom Sitzstaat des Leistungserbringers ausgeht und „unmittelbar den Zugang zum Dienstleistungsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten“ beeinflusst. In EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 44 ff., 50 – de Agostini und EuGH 28.10.1999 – C-6/98 – Slg. 1999, I-7599 Tz. 47 f., 49 – Pro Sieben Media bejahte der Gerichtshof das Vorliegen einer Verkaufsmodalität für die Warenverkehrsfreiheit, nimmt aber für die Dienstleistungsfreiheit eine Beeinträchtigung an. In EuGH 22.1.2002 – C-390/99 – Slg. 2002, I-607 Tz. 30 – Canal Satélite prüfte der Gerichtshof die Keck-Ausnahme, allerdings in einer parallelen Erörterung der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit. 828 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/Forsthoff, Art. 57 AEUV Rn. 108. Dies lässt sich am Beispiel inhaltlicher Vorgaben für die Werbung illustrieren: Während entsprechende Regeln für die Zwecke der Warenverkehrsfreiheit regelmäßig als Verkaufsmodalität anzusehen sind, solange sie nicht Auswirkungen auf die Produktgestaltung haben, betreffen inhaltliche Vorgaben für die Werbegestaltung den Kern der Dienstleistung des Werbeunternehmens – sie haben „Produktbezug“ und sind bereits aus diesem Grund
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zur Warenverkehrsfreiheit durch die neue Formel eine allgemeine Kategorie der sonstigen Marktzugangsbehinderungen für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten herausgebildet hat, die auch die Keck-Doktrin umfasst, so dass sich der Akzent ohnehin vom formalen Kriterium der Verkaufsmodalität zum materiellen Merkmal des Marktzugangs verschiebt. Auch wenn eine Übertragung der Keck-Doktrin auf die Dienstleistungsfreiheit damit unwahrscheinlich ist, lässt sich der überspannende und durch die neue Formel bei der Warenverkehrsfreiheit stärker akzentuierte Gedanke der Marktzugangsbehinderung für die Dienstleistungsfreiheit ohne weiteres fruchtbar machen. So finden sich gerade in jüngerer Zeit mehrere Entscheidungen, die zur Feststellung einer Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit ausdrücklich auf die Behinderung des Marktzugangs „unter Bedingungen eines normalen und wirksamen Wettbewerbs“829 abstellen.830 Dies wirft ebenso wie bei der Warenverkehrsfreiheit die Frage auf, ob jede Markt- 188 zugangsbehinderung eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit darstellt oder ob es auf die spezifische Behinderung des Marktzugangs ausländischer Anbieter ankommt. Hier hält der EuGH grundsätzlich daran fest, dass es auf den „Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten“831 ankommt. Allerdings neigt der Gerichtshof dazu, auch allgemeine Behinderungen des Marktzugangs für in- wie ausländische Anbieter als Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit anzusehen, wenn entweder (1) der Markt generell verschlossen wird832 oder wenn (2) den Anbietern ein besonders wirksames Vermarktungsmittel (z.B. durch eine weitgehende Beschränkung der Werbung833 oder der Vertriebsmethoden834 oder das Verbot besonders günstiger
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keine Verkaufsmodalität, zu diesem Beispiel Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/Forsthoff Art. 57 AEUV Rn. 108. 829 EuGH 29.3.2011 – C-565/08 – NJW 2011, 1575 Tz. 51, 53 – Kommission/Italien. 830 EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 38 – Alpine Investments (Verbot des Cold Calling); EuGH (Große Kammer) 5.10.2004 – C-442/02 – Slg. 2004, I-8961 Tz. 12 – CaixaBank France; EuGH 13.12.2007 – C-250/06 – Slg. 2007, I-11135 Tz. 38 – United Pan-Europe Communications; EuGH 17.7.2008 – C-500/06 – Slg. 2008, I-5785 Tz. 33 – Corporación Dermoestética (Werbebeschränkungen); EuGH (Große Kammer) 28.4.2009 – C-518/06 – Slg. 2009, I-3491 Tz. 64 – Kommission/Italien (Kontrahierungszwang im Versicherungssektor); EuGH 29.3.2011 – C-565/08 – NJW 2011, 1575 Tz. 51 – Kommission/Italien (Gebührenhöchstsätze für Anwälte). 831 EuGH (Große Kammer) 28.4.2009 – C-518/06 – Slg. 2009, I-3491 Tz. 64 – Kommission/Italien; ähnlich EuGH 31.1.2008 – C-380/05 – Slg. 2008, I-349 Tz. 79 – Centro Europa 7: „Allerdings steht Art. 49 EG der Anwendung jeder nationalen Regelung entgegen, die die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten im Ergebnis gegenüber der Leistung von Diensten im Inneren eines Mitgliedstaats erschwert“ (Hervorhebung nicht im Original). 832 EuGH 26.4.1988 – 352/85 – Slg. 1988, 2085 Tz. 22 – Bond van Adverteereders; EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 17 f. – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda; EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 50 – de Agostini (jeweils: Werbeverbot hindert Werbung durch und für im Empfangsstaat ansässige Werbefirmen und Sendeanstalten); EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-7195 Tz. 39 – Gourmet (Werbeverbot für Alkoholika in Printmedien beeinträchtigt das grenzüberschreitende Angebot von Anzeigenraum); EuGH 31.1.2008 – C-380/05 – Slg. 2008, I-349 Tz. 66, 99 – Centro Europa 7 (Zuteilung von Sendefrequenzen für den Fernsehrundfunk); EuGH (Große Kammer) 10.3.2009 – C-169/07 – Slg. 2009, I-1721 Tz. 36 (Bedarfsprüfung bei Krankenanstalten) – Hartlauer; EuGH 11.3.2010 – C-384/08 – Slg. 2010, I-2055 Tz. 23 f. – Attanasio; EuGH (Große Kammer) 1.6.2010 – C-570/07 – Slg. 2010, I-4629 Tz. 40 – Pérez. 833 EuGH 17.7.2008 – C-500/06 – Slg. 2008, I-5785 Tz. 33 – Corporación Dermoestética (Verbot der nationalen Fernsehwerbung); EuGH (Große Kammer) 5.4.2011 – C-119/09 – EuZW 2011, 681 Tz. 43 – Société fiduciaire nationale d’expertise comptable (generelles Verbot der Kundenakquise für Wirtschaftsprüfer); EuGH 12.9.2013 – C-475/11 – Tz. 56 f. Kostas Konstantinides (Verbot standeswidriger Werbung von Ärzten). 834 EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 38 – Alpine Investments (Verbot des Cold Calling zum Vertrieb von Finanzprodukten in anderen Staaten); EuGH 30.6.2011 – C-212/08 – EuZW 2011, 674 Tz. 74 – Zeturf (Verbot des Internetvertriebs).
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Preise835 oder Konditionen836) genommen wird, auf das ausländische Anbieter als Newcomer besonders angewiesen sind, um den arrivierten (heimischen) Anbietern wirksam Konkurrenz zu machen,837 oder wenn (3) – in Analogie zu den produktbezogenen Regeln nach der Cassis-Formel – die Regeln des Marktortes den ausländischen Anbieter zu einer (erheblichen) Änderung des Inhalts seiner Dienstleistung zwingen.838 Nicht ausreichend für eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit ist demgegenüber der Umstand, dass ausländische Anbieter ebenso wie heimische Unternehmen bestimmten Abgaben unterworfen werden, z.B. für Außenwerbung.839 Demgegenüber kann (4) die Entstehung zusätzlicher Kosten speziell für ausländische Anbieter ein Indiz für eine Marktzugangsbehinderungs sein,840 wenn diese Kosten „daraus resultieren, dass die nationalen Vorschriften die besondere Situation der eingeführten Erzeugnisse und ins-
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835 Allerdings billigt der Gerichtshof die gesetzliche Preisregulierung und sogar die staatliche Bedürfnisprüfung im Regelfall, wenn es sich um regulierte Berufe handelt. Derartige Maßnahmen stellen entweder bereits keine Beeinträchtigung dar, solange sie keine abschreckende Wirkung spezifisch für ausländische Anbieter entfalten (siehe EuGH 12.9.2013 – C-475/11 – Tz. 47 f., 57 – Kostas Konstantinides: Bindung von Ärzten an das heimische Gebühren- und Werberecht grundsätzlich zulässig), oder sie halten zumindest der Rechtfertigungsprüfung stand, sofern die nationale Regulierung in kohärenter Weise erfolgt, siehe EuGH (Große Kammer) 5.12.2006 – C-94/04 und C-202/04 – Slg. 2006, I-11421 Tz. 67 ff. – Cipolla (gesetzliche Mindesthonorare für Anwälte grundsätzlich zulässig); EuGH 26.9.2013 – C-539/11 – Tz. 46 ff. – Ottica New Line (regionale Bedürnisprüfung für Optikergeschäfte zulässig, sofern diese in kohärenter Weise erfolgt). 836 EuGH 5.10.2004 – C-442/02 – Slg. 2004, I- 8961 Tz. 12 ff. – CaixaBank (Verbot der Verzinsung von Sichteinlagen). 837 EuGH 12.7.2012 – C-602/10 – Tz. 80 – SC Volksbank România: „Möglichkeit, […] mit den […] ansässigen Unternehmen wirksam in Wettbewerb zu treten“. Siehe auch die Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit oben Rn. 138, die auf die Dienstleistungsfreiheit übertragbar ist, vgl. die Verweise in EuGH 30.6.2011 – C-212/08 – EuZW 2011, 674 Tz. 74 – Zeturf (Verbot des Internetvertriebs). 838 Vgl. EuGH 26.4.1988 – 352/85 – Slg. 1988, 2085 Tz. 22 – Bond van Adverteereders; EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 17 f. – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda; (jeweils: niederländische Regelung verhindert Weiterleitung ausländischer Fernsehprogramme); EuGH (Große Kammer) 28.4.2009 – C-518/06 – Slg. 2009, I-3491 Tz. 67 ff. (Verpflichtung zur Übernahme aller angebotenen Versicherungsrisiken und zur maßvollen Tarifgestaltung führt zu zusätzlichen Belastungen für ausländische Anbieter und zur erheblichen Erweiterung des Angebots an Versicherungsleistungen; siehe auch EuGH 22.1.2002 – C-390/99 – Slg. 2002, I-607 Tz. 30 – Canal Satélite (allerdings bei gemeinsamer Prüfung der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit); zum Problem der Kumulation von Beschränkungen auch EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 51 – de Agostini: „Behinderungen der vom Vertrag […] garantierten Freiheit [können] daher rühren, daß innerstaatliche Vorschriften, die alle im Inland ansässigen Personen erfassen, auf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässige Erbringer von Dienstleistungen angewandt werden, die bereits den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats genügen müssen“. Siehe auch EuGH 12.7.2012 – C-602/10 – Tz. 79 – SC Volksbank România: „Unternehmenspolitik und -strategien zu ändern“, was sich dort auf die konkrete Dienstleistung bezieht; ferner EuGH 18.7.2013 – C-265/12 – WRP 2013, 1308 Tz. 36 – Citroën Belux (belgisches Verbot von Kopplungsangeboten mit Finanzdienstleistungen hat zur Folge, dass die ausländischen Unternehmen „diese Geschäfte nämlich nicht auf dem belgischen Markt anbieten [können] und (…) zudem prüfen [müssen], ob die Angebote in Einklang mit dem belgischen Recht stehen, was in Bezug auf andere Mitgliedstaaten nicht erforderlich wäre“). 839 EuGH 17.2.2005 – C-134/03 – Slg. 2005, I-1167 Tz. 37 f. – Viacom Outdoor; EuGH 8.9.2005 – C-544/03 und C-545/03 – Slg. 2005, I-7723 Tz. 31 – Mobistar. Anderes gilt, wenn diese Kosten nicht spezifisch ausländische Anbieter treffen, siehe EuGH 29.11.2001 – C-17/00 – Slg. 2001, I-9445 Tz. 32 ff. – De Coster. 840 EuGH 13.1.2000 – C-254/98 – Slg. 2000, I-151 Tz. 26 – TK-Heimdienst; EuGH 5.2.2004 – C-270/02 – Slg. 2004, I-1559 Tz. 19 – Kommission/Italien; EuGH 12.7.2012 – C-602/10 – Tz. 79 – SC Volksbank România: „zusätzliche Belastung“; Behrens Die Liberalisierung des Fernsehwerberechts im Kontext der Rundfunkregulierung (2012) S. 105 f.
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besondere nicht berücksichtigen, dass diese Erzeugnisse bereits den Vorschriften ihres Herkunftsstaates genügen mussten“.841 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass der Einfluss der Dienstleistungsfreiheit 189 auf das Lauterkeitsrecht begrenzt ist. Zunächst differenzieren die Regeln des UWG nicht nach der Herkunft der Marktakteure oder der angebotenen Leistungen, so dass eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch offene oder versteckte rechtliche Diskriminierungen kaum Relevanz erlangt.842 Selten finden sich im Lauterkeitsrecht auch an die Person des Dienstleistungserbringers anknüpfende Marktzugangshindernisse,843 die eher dem öffentlichen Gewerberecht und dem Standesrecht der regulierten Berufe entstammen und lauterkeitsrechtlich allenfalls über § 4 Nr. 11 UWG zum Tragen kommen können. Auch lauterkeitsrechtliche Vorgaben zu den konkreten Inhalten einer Dienstleistung sind selten. In Betracht kommt hier etwa die Verwendung unzulässiger AGB, die allerdings im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern bereits durch die Richtlinie 2005/29/ EG erfasst wird, oder das Verbot von Kopplungsangeboten. Aus lauterkeitsrechtlicher Perspektive interessanter ist die generelle Versagung des 190 Marktzugangs für die Anbieter von Werbedienstleistungen, die im Zielstaat verboten sind (z.B. Cold Calling, Printwerbung für Alkoholika). Solche generellen Verbote stellen „angesichts des internationalen Charakters des Marktes der Werbung“844 eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit der Anbieter entsprechender Werbedienstleistungen dar (z.B. Cold Calling), die allerdings gerechtfertigt sein kann.845 Die Dienstleistungsfreiheit bleibt insofern trotz der Richtlinie 2005/29/EG anwendbar, soweit die nationale Werbebeschränkung nicht dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher, sondern anderen Zielen (z.B. Gesundheitsschutz, Jugendschutz) dient. Abgesehen vom Fall der Werbedienstleister führen lauterkeitsrechtliche Vorschrif- 191 ten i.d.R. nicht zur Versagung des Marktzugangs, sondern lediglich zur Modifikation der Bedingungen der Marktteilnahme. In diesen Fällen liegt nur dann eine spezifische Behinderung des Marktzugangs ausländischer Anbieter und damit eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit vor, wenn ein für ausländische Anbieter besonders bedeutsames Werbe- oder Vertriebsinstrument versagt wird und damit die Marktverhältnisse zugunsten etablierter (im Zweifel heimischer) Anbieter verfestigt werden.846
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841 Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 30.3.2006 – C-158/04 und C-59/04 – Slg. 2006, I-8135 Tz. 44 – Alfa Vita. Nicht ausreichend ist regelmäßig das Entstehen zusätzlicher Kosten für alle Marktteilnehmer, EuGH 17.2.2005 – C-134/03 – Slg. 2005, I-1167 Tz. 37 f. – Viacom Outdoor; EuGH 8.9.2005 – C-544/03 und C-545/03 – Slg. 2005, I-7723 Tz. 31 – Mobistar, sofern diese Kosten nicht spezifisch ausländische Anbieter treffen, siehe EuGH 29.11.2001 – C-17/00 – Slg. 2001, I-9445 Tz. 32 ff. – De Coster im Vergleich zu vorzitierten Judikaten. 842 MünchKomm/Glöckner EG C Rn. 77. 843 MünchKomm/Glöckner EG C Rn. 70. 844 EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-7195 Tz. 39 – Gourmet. 845 Siehe EuGH 26.4.1988 – 352/85 – Slg. 1988, 2085 Tz. 22 – Bond van Adverteereders und EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 17 f. – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda; EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 50 – de Agostini (jeweils: Werbeverbot im Fernsehen hindert Werbung durch und für im Empfangsstaat ansässige Werbefirmen und Sendeanstalten); ferner EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 38 – Alpine Investments (Verbot des Cold Calling zum Vertrieb von Finanzprodukten in anderen Staaten); EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-7195 Tz. 39 – Gourmet (Werbeverbot für Alkoholika in Printmedien beeinträchtigt das grenzüberschreitende Angebot von Anzeigenraum). 846 MünchKomm/Glöckner EG C Rn. 72 f.; siehe bereits oben Rn. 188, zu Art. 34 AEUV oben Rn. 138– 139.
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5. Dienstleistungsfreiheit: Rechtfertigung Artikel 62 AEUV Die Bestimmungen der Artikel 51 bis 54 finden auf das in diesem Kapitel geregelte Sachgebiet Anwendung. Artikel 52 AEUV (1) Dieses Kapitel und die aufgrund desselben getroffenen Maßnahmen beeinträchtigen nicht die Anwendbarkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind. (2) Das Europäische Parlament und der Rat erlassen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Richtlinien für die Koordinierung der genannten Vorschriften.
Ebenso wie bei der Warenverkehrsfreiheit lassen sich Beeinträchtigungen der Dienstleistungsfreiheit entweder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses847 oder durch die in Art. 62 i.V.m. Art. 52 AEUV vorgesehenen Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit848 rechtfertigen, sofern die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Die Auslegung der geschriebenen Rechtfertigungsgründe entspricht der Praxis in Art. 36 AEUV,849 so dass auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden kann.850 Im Unterschied zu Art. 36 AEUV erwähnt Art. 52 AEUV zwar nicht den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, der allerdings vom EuGH als zwingender Grund des Allgemeininteresses auch zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit anerkannt ist.851 Eine Rechtfertigung nationaler Vorschriften aus zwingenden Gründen des All193 gemeininteresses hat nach der Gebhard-Formel vier Voraussetzungen: „Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist“.852 Die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe sind damit der Cassis-Formel weitgehend angenähert,853 so dass erneut auf die Ausführungen zur Warenverkehrsfreiheit verwiesen werden kann.854 Ebenso wie bei der Warenverkehrsfreiheit zählen die Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Verbraucherschutz zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses,855 192
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847 Siehe auch die Aufzählung der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses in Art. 4 Nr. 8 und Erwägungsgrund 40 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36 (u.a. Schutz der Verbraucher und Dienstleistungsempfänger; Lauterkeit des Handelsverkehrs). 848 Siehe auch die Erläuterung in Erwägungsgrund 41 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG zur öffentlichen Ordnung („insbesondere Fragen der menschlichen Würde, des Schutzes von Minderjährigen sowie der Tierschutz“) und Sicherheit. 849 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/Forsthoff, Art. 62 AEUV Rn. 10, 12. 850 Oben Rn. 142–148. 851 EuGH 18.3.1980 – 62/79 – Slg. 1980, 881 Tz. 15 f. – Coditel I; EuGH (Große Kammer) 23.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 94 – Murphy. Allerdings kennt die Dienstleistungsfreiheit im Unterschied zur Warenverkehrsfreiheit keine Erschöpfung, für eine Erstreckung auf die Dienstleistungsfreiheit die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 3.2.2011 – C-403/08 und C-429/08 – Tz. 183 ff. – Murphy, zurückhaltend Leistner JZ 2011, 1140, 1142. 852 EuGH 30.11.1995 – C-55/94 – Slg. 1995, I-4165 Tz. 37 – Gebhard. 853 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Forsthoff Art. 45 AEUV Rn. 371. 854 Oben Rn. 149–177. 855 EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 14 – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda: „In diesem Zusammenhang gehören zu den vom Gerichtshof bereits anerkannten zwingenden
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während rein wirtschaftliche Motive eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nur rechtfertigen können, wenn hinter den wirtschaftlichen Überlegungen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel wie z.B. der Verbraucherschutz steht.856 Auch setzt die Rechtfertigung voraus, dass der nationale Gesetzgeber seine Ziele in kohärenter857 und widerspruchsfreier858 Weise verfolgt, sonst kann es an der Geeignetheit fehlen. In jüngerer Zeit zeichnet sich bei der Dienstleistungs-, aber auch bei der Kapitalverkehrsfreiheit ab, dass der Gerichtshof diese Freiheiten nicht einseitig als Instrument zur Deregulierung versteht, sondern sich vielmehr gegenüber nationalen Beschränkungen bei regulierten Berufen und Industrien wie etwa gesetzlichen Honorarordnungen,858a standesrechtlichen Werbebeschränkungen,858b staatlichen Bedürfnisprüfungen858c oder sogar Privatisierungsverboten858d aufgeschlossen zeigt, wenn diese dazu dienen, im Interesse des Gesundheits- und Verbraucherschutzes oder anderer zwingender Gründe des Allgemeininteresses bestimmte berufsethische Standards durchzusetzen oder die sichere und regional gleichmäßige Versorgung mit wichtigen Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen. IV. Lauterkeitsrecht und Grundrechte Als jüngster und zunehmend bedeutsamer859 europäischer Einfluss auf das Lauter- 194 keitsrecht sind die Vorgaben der europäischen Grundrechte860 zu nennen. Diese sind vom EuGH zunächst als ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts aus der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfrei-
_____ Gründen des Allgemeininteresses die zum Schutz der Empfänger von Dienstleistungen bestimmten Berufsregeln […], der Schutz des geistigen Eigentums […], der Schutz der Arbeitnehmer […], der Schutz der Verbraucher […], die Erhaltung des nationalen historischen und künstlerischen Erbes […], die Aufwertung der archäologischen, historischen und künstlerischen Reichtümer und die bestmögliche Verbreitung von Kenntnissen über das künstlerische und kulturelle Erbe eines Landes […]“; EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/ 95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 53 – de Agostini; EuGH (Große Kammer) 8.9.2009 – C-42/07 – Slg. 2009, I-4221 Tz. 56 – Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International; siehe auch EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 43 f. – Alpine Investments (guter Ruf des nationalen Finanzsektors als zwingender Grund des Allgemeininteresses); EuGH 18.7.2013 – C-265/12 – WRP 2013, 1308 Tz. 38 f. – Citroën Belux (Rechtfertigung des Verbots von Kopplungsangeboten durch das Ziel des Verbraucherschutzes). 856 EuGH 26.4.1988 – 352/85 – Slg. 1988, 2085 Tz. 34 – Bond van Adverteereders; EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 29 – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda (Erhalt der Einnahmen einer inländischen Stiftung kein zwingender Grund); aber auch EuGH 22.10.2013 – C-105/12 u.a. – Tz. 51 f. – Essent (Privatisierungsverbot für Energieversorger kann unionsrechtskonform sein). 857 EuGH 15.9.2011 – C-347/09 – EuZW 2011, 841 Tz. 56 – Dickinger. 858 EuGH 17.7.2008 – C-500/06 – Slg. 2008, I-5785 Tz. 39 – Corporación Dermoestética. 858a EuGH (Große Kammer) 5.12.2006 – C-94/04 und C-202/04 – Slg. 2006, I-11421 Tz. 67 ff. – Cipolla (gesetzliche Mindesthonorare für Anwälte grundsätzlich zulässig); EuGH 12.9.2013 – C-475/11 – Tz. 47 ff. – Kostas Konstantinides (Bindung ausländischer Ärzte an die deutsche Honorarordnung grundsätzlich keine Beeinträchtigung des Art. 56 AEUV). 858b EuGH 12.9.2013 – C-475/11 – Tz. 57 – Kostas Konstantinides (Werbebeschränkungen für Ärzte). 858c EuGH (Große Kammer) 1.6.2010 – C-570/07 und C-571/07 – Slg. 2010, I-4629 Tz. 112 f. – Blanco Pérez (regionale Bedürfnisprüfung für Apotheken grundsätzlich zulässig, sofern in verhältnismäßiger Weise gehandhabt); EuGH 26.9.2013 – C-539/11 – Tz. 46 ff. – Ottica New Line (regionale Bedürfnisprüfung für Optikergeschäfte zulässig, sofern in kohärenter Weise gehandhabt). 858d EuGH 22.10.2013 – C-105/12 u.a. – Tz. 51 f., 66 f. – Essent (Privatisierungsverbot bei Energieunternehmen). 859 Allgemein Kirchhof NJW 2011, 3681, 3684: „beträchtlicher Einfluss“; siehe aber auch Skouris MMR 2011, 423, 426: EuGH „kein spezifisches Grundrechtsgericht“, sondern eher „oberste[s] Fachgericht“. 860 Vgl. Erwägungsgrund 25 Richtlinie 2005/29/EG.
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heiten861 (EMRK) und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten entwickelt worden.862 Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist nunmehr in erster Linie auf die dem Primärrecht gleichrangige (Art. 6 Abs. 1 EUV) Charta der Grundrechte der Europäischen Union 863 (EuGRCh) zurückzugreifen. 864 Die EuGRCh baut sowohl auf der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten865 (EMRK) wie auf der Judikatur des EuGH zu den Gemeinschaftsgrundrechten auf und vermittelt, soweit ihre Rechte den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, mindestens den gleichen Schutz wie die korrespondierenden Rechte der EMRK (Art. 52 Abs. 3 EuGRCh). Bei Auslegung der Charta sind die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte866 von den Gerichten der Union und der Mitgliedstaaten gebührend zu berücksichtigen (Art. 52 Abs. 7 EuGRCh). 1. Anwendbarkeit europäischer Grund- und Menschenrechte Artikel 51 EuGRCh Anwendungsbereich (1) Diese Charta gilt für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend achten sie die Rechte, halten sie sich an die Grundsätze und fördern sie deren Anwendung entsprechend ihren jeweiligen Zuständigkeiten und unter Achtung der Grenzen der Zuständigkeiten, die der Union in den Verträgen übertragen werden. (2) Diese Charta dehnt den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union, noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.
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Gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EuGRCh gilt die Charta „für die Organe und Einrichtungen der Organ unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzip und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“. Da der unmittelbare Vollzug durch Unionsorgane im Lauterkeitsrecht kaum Bedeutung hat, ist vor allem der zweite Halbsatz von Interesse. „Durchführung des Rechts der Union“ bezeichnet hier die „Durchführung“ des harmonisierenden Sekundärrechts durch nationale Gerichte, also die Anwendung, Auslegung und Konkretisierung europäischer Verordnungen und des UWG und seiner Nebengesetze, soweit die betreffenden Vorschriften auf voll- oder teilharmonisierenden Richtlinien der Union beruhen.867 Dabei ist der Begriff der „Durchfüh-
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861 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950, BGBl. 1952 II 685, 953; BGBl. 1954 II 14; BGBl. 2002 II Nr. 18, S. 1055; allgemein zum Einfluss der EMRK auf das Zivilrecht Rebhahn AcP 210 (2010) 489. 862 Allgemein EuGH 14.5.1974 – 4/73 – Slg. 1974, 491 Tz. 13 – Nold; zur Meinungsfreiheit EuGH 18.6.1991 – 260/89 – Slg. 1991, I-2925 Tz. 44 – ERT; vgl. Art. 6 Abs. 3 EUV. 863 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 1. 864 Die Bedeutung der Grundrechtsgarantie in Art. 6 Abs. 3 EUV neben der EuGRCh dürfte sich auf die subsidiäre Lückenfüllung zur künftigen Rechtsfortbildung beschränken, weil die EuGRCh die bisherigen Garantien der Gemeinschaftsgrundrechte aufnimmt, vgl. Ludwig EuR 2011, 715, 732 f. 865 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950, BGBl. 1952 II 685, 953; BGBl. 1954 II 14; BGBl. 2002 II Nr. 18, S. 1055. 866 ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17. 867 Grundlegend zur Grundrechtsbindung in der „Durchführungskonstellation“ EuGH 13.7.1989 – 5/88 – Slg. 1989, I-2609 Tz. 19 – Wachauf: „auch die Mitgliedstaaten diese Erfordernisse [des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung] bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zu beachten haben“; zur „Durchführung“ bei Vollzug von nationalem Recht, das der Umsetzung von Richtlinien dient EuGH 12.12.1996 – C-74/95 und C-75/95 – Slg. 1996, I-6609 Tz. 26 – Strafverfahren gegen X; EuGH 20.5.2003 – C-465/00 – Slg. 2003, I-4989 Tz. 68, 80 –
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rung des Rechts der Union“ nicht allein auf die Umsetzungsmaßnahmen zu verengen, sondern erfasst auch die „späteren und konkreten Anwendungen der in einer Richtlinie genannten Regelungen und allgemein alle Fälle …, in denen eine nationale Regelung einen von einer Richtlinie, für die die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, geregelten Bereich ‚erfasst‘ oder ‚berührt‘“.868 In diesem Bereich verdrängen die europäischen Grundrechte infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts das nationale Verfassungsrecht im Bereich des vollharmonisierten Lauterkeitsrechts wohl vollständig,869 so dass ein Rückgriff auf nationales Recht lediglich außerhalb des (voll-)harmonisierten Bereichs gestattet ist.870 Umstritten ist, ob über den Wortlaut von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EuGRCh hinaus der 196 Anwendungsbereich der europäischen Grundrechte auch dann eröffnet ist, wenn das nationale Recht nicht durch Unionsrichtlinien vorgeprägt ist, aber dennoch der „Anwendungsbereich“ des Unionsrechts eröffnet ist.871 Diese Konstellation betrifft im Lauterkeitsrecht die Kontrolle nationaler Regeln außerhalb des durch Sekundärrecht harmonisierten Bereichs am Maßstab der europäischen Grundfreiheiten und Freizügigkeitsgarantien, also die Rechtfertigung von Eingriffen in grundfreiheitlich geschütztes Verhalten. Für eine Geltung der Unionsgrundrechte auch in dieser Situation spricht die frühere Judikatur des EuGH zu den Gemeinschaftsgrundrechten. Dort hat der EuGH eine Bindung an europäische Grundrechte neben der „Durchführungskonstellation“872 auch dann bejaht, wenn eine nationale Regelung in den „Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts“ fällt.873 Es kommt hinzu, dass die bei der Auslegung der EuGRCh zu berücksichtigenden874 Erläuterungen zu Art. 51 Abs. 1 EuGRCh keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung nahelegen.875 Allerdings hat die Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte in diesem Bereich keine Verdrängung der nationalen Grundrechte zur Folge, weil das Handeln der Mitgliedstaaten nicht vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird. Vielmehr steht es „den nationalen Behörden und Gerichten weiterhin frei, nationale Schutzstandards für die Grundrechte anzuwenden, sofern durch diese Anwendung weder das Schutzniveau der Charta … noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden.875a Zudem müsste man, wenn man Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EuGRCh enger interpretieren 197 wollte, zwar eine Anwendung der EuGRCh verneinen, aber dennoch einen Rückgriff auf
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ORF; BGH GRUR 2011, 513 Tz. 20 – AnyDVD; BGH 18.11.2010 – I ZR 137/09 – GRUR 2011, 631 Tz. 19 – Unser wichtigstes Cigarettenpapier; Mand JZ 2010, 337, 340. 868 Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 5.4.2011 – C-108/10 – Tz. 119 – Scattolon unter Verweis auf EuGH 23.11.2010 – C-145/09 – NVwZ 2011, 221 Tz. 50–52 – Tsakouridis und EuGH 19.1.2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365 Tz. 22 ff. – Kücükdeveci. 869 Siehe OLG Hamburg 30.6.2009 – 3 U 13/09 – GRUR-RR 2010, 74, 77 – Läusemittel (zum HWG); zu den Grenzen des Anwendungsvorrangs oben Rn. 8; Kirchhof NJW 2011, 3681, 3684. 870 Für ein Beispiel (§ 4 Nr. 7 UWG) BGH 19.5.2011 – Az. I ZR 147/09 – Tz. 27 (juris) – CoachingNewsletter. 871 So wohl EuGH 22.12.2010 – C-279/09 – EuZW 2011, 137 Tz. 30, 59 ff. – DEB; EuGH (Große Kammer) 26.2.2013 – C-617/10 – Tz. 21 – Åkerberg Fransson; siehe Lennaerds EuR 2012, 3, 5 f. Zum Meinungsstand Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 51 EU-GRCharta Rn. 13 ff.; zu den Grenzen der unionalen Grundrechtskontrolle auch Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro vom 12.9.2007 – C-380/05 – Slg. 2008, I-349 Tz. 14 ff. – Centro Europa 7. Zumindest von einer ergänzenden Anwendung des Art. 5 GG geht offenbar BGH 19.5.2011 – I ZR 147/09 – GRUR 2012, 74 Tz. 28 – Coaching-Newsletter aus. 872 Oben Fn. 853. 873 EuGH 18.6.1991 – 260/89 – Slg. 1991, I-2925 Tz. 42 f. – ERT; EuGH 25.3.2004 – C-71/02 Slg. 2004, I-3025 Tz. 49 – Karner. 874 Art. 6 Abs. 1 Satz 3 EUV; Art. 52 Abs. 7 EuGRCh. 875 Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 5.4.2011 – C-108/10 – Tz. 118 – Scattolon. 875a EuGH (Große Kammer) 26.2.2013 – C-617/10 – Tz. 29 – Åkerberg Fransson.
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die als allgemeine Rechtsgrundsätze anerkannten Unionsgrundrechte gestatten,876 denn in Art. 51 und 53 EuGRCh findet sich keinerlei Anhalt, dass mit der Charta der Anwendungsbereich der europäischen Grundrechte verengt werden sollte. Den vor dem Hintergrund möglicher Freiheitsbeschränkungen durch eine Drittwirkung der Unionsgrundrechte geäußerten Bedenken gegen ein weites Verständnis des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EuGRCh kann man begegnen, indem man eine solche Drittwirkung über Art. 53 EuGRCh verhindert, wonach „keine Bestimmung dieser Charta als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen [ist], die in dem jeweiligen Anwendungsbereich … durch die Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden“.877 Einfacher als der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte lässt sich der Anwen198 dungsbereich der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten878 (EMRK) definieren. Sie gilt in Deutschland – auch für rein innerstaatliche Sachverhalte – im Rang eines Bundesgesetzes.879 Sie steht damit unterhalb der deutschen Grundrechte,880 hat aber auch für die Auslegung des Grundgesetzes erhebliche Bedeutung, weil das BVerfG wegen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Konventionsverstöße zu vermeiden sucht, so dass Entscheidungen des EGMR einer rechtserheblichen Änderung gleichstehen können und damit die Rechtskraft gegenläufiger Entscheidungen des BVerfG überwinden können.881 Im Zweifel kann daher davon ausgegangen werden, dass ein Verstoß gegen die EMRK zugleich auch einen Verstoß gegen die Grundrechte des Grundgesetzes begründet. 2. Verhältnis von EuGRCh und EMRK Artikel 52 EuGRCh Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze (1) Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. (2) Die Ausübung der durch diese Charta anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, erfolgt im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen. (3) Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt. (4) Soweit in dieser Charta Grundrechte anerkannt werden, wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, werden sie im Einklang mit diesen Überlieferungen ausgelegt. (5) Die Bestimmungen dieser Charta, in denen Grundsätze festgelegt sind, können durch Akte der Gesetzgebung und der Ausführung der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie durch Akte der Mitgliedstaaten zur Durchführung des Rechts der Union in Aus-
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876 Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 5.4.2011 – C-108/10 – Tz. 120 – Scattolon. 877 Siehe Kirchhof NJW 2011, 3681, 3685. 878 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950, BGBl. 1952 II 685, 953; BGBl. 1954 II 14; BGBl. 2002 II Nr. 18, S. 1055. 879 BVerfG 4.5.2011 – 2 BvR 2365/09 u.a. – NJW 2011, 1931 Tz. 87. 880 BVerfG 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 – NJW 3407, 3408. 881 BVerfG 4.5.2011 – 2 BvR 2365/09 u.a. – NJW 2011, 1931 Tz. 82.
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übung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten umgesetzt werden. Sie können vor Gericht nur bei der Auslegung dieser Akte und bei Entscheidungen über deren Rechtmäßigkeit herangezogen werden. (6) Den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ist, wie es in dieser Charta bestimmt ist, in vollem Umfang Rechnung zu tragen. (7) Die Erläuterungen, die als Anleitung für die Auslegung dieser Charta verfasst wurden, sind von den Gerichten der Union und der Mitgliedstaaten gebührend zu berücksichtigen. Artikel 53 EuGRCh Schutzniveau Keine Bestimmung dieser Charta ist als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen, die in dem jeweiligen Anwendungsbereich durch das Recht der Union und das Völkerrecht sowie durch die internationalen Übereinkünfte, bei denen die Union oder alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind, darunter insbesondere die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie durch die Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden.
Mangels formellen Beitritts der EU zur EMRK882 ist die Menschenrechtskonvention 199 formaljuristisch für die Union nicht verbindlich, so dass der EGMR die mitgliedstaatliche Umsetzung von Unionsrecht grundsätzlich nicht am Maßstab der EMRK misst.883 In der Sache orientierte sich der EuGH aber in der Vergangenheit regelmäßig sehr eng an der Judikatur des EGMR,884 so dass es nicht zu einer Verkürzung des unionalen Grundrechtsschutzes im Vergleich zur EMRK kam. Diese Verzahnung unionaler und konventionsrechtlicher Standards findet nun in Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EuGRCh eine explizite Stütze, denn nach dieser Vorschrift sollen die Rechte der EuGRCh, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, (mindestens) die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird.885 In der Sache empfiehlt es sich daher, unter Rückgriff auf die regelmäßig ausgeprägtere Judikatur des EGMR zunächst den Inhalt der korrespondierenden Garantie der EMRK zu ermitteln, bevor man den Text der EuGRCh auslegt. 3. Meinungs- und Informationsfreiheit Artikel 11 EuGRCh Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. (2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet. Artikel 10 EMRK Freiheit der Meinungsäußerung (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
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882 Vgl. aber Art. 6 Abs. 2 EUV, Art. 218 Abs. 8 UAbs. 2 Satz 2 AEUV. 883 EGMR 30.6.2005 – App. No. 45036/98 –Slg. 2005-VI § 165 – Bosphorus. 884 Zur Anlehnung an die EMRK beim Schutz von Werbung als Meinungsäußerung siehe etwa EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 73 – RTL; EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 50 f. – Karner; Faßbender GRUR Int. 2006, 965, 974. 885 EuGH 22.12.2010 – C-279/09 – EuZW 2011, 137 Tz. 35 – DEB.
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(2) Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.
a) Überblick. Art. 11 Abs. 1 EuGRCh enthält eine allgemeine Garantie der freien Meinungsäußerung, die sowohl die Meinungsfreiheit wie die Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EuGRCh) umfasst. Die Vorschrift entspricht Art. 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 EMRK, so dass das Grundrecht die gleiche Bedeutung und Tragweite wie sein Pendant in der Menschenrechtskonvention hat (Art. 52 Abs. 3 EuGRCh).886 Das gilt auch für Einschränkungen des Art. 11 EuGRCh, die gemäß Art. 52 Abs. 3 EuGRCh nicht über die in Art. 10 Abs. 2 EMRK geregelten Fälle hinausgehen dürfen.887 Art. 11 EuGRCh ist daher unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK auszulegen.888 Auch den Vorbehalt in Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK zugunsten mitgliedstaatlicher Genehmigungserfordernisse für Hörfunk, Fernseh- oder Kinounternehmen889 macht sich das Unionsrecht zu eigen, allerdings mit dem Hinweis, dass die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Einführung von Genehmigungsregelungen durch das Wettbewerbsrecht der Union begrenzt werden kann.890 Meinungsfreiheit und unternehmerische Freiheit (Art. 16 EuGRCh) kommen bei kommerzieller Kommunikation (Werbung) parallel zur Anwendung.891 Art. 11 Abs. 2 EuGRCh sieht eine zusätzliche, in der EMRK nicht explizit erwähnte 201 Garantie der Freiheit und Pluralität der Medien vor, die „die Auswirkungen von Absatz 1 hinsichtlich der Freiheit der Medien“ erläutert.892 Art. 11 Abs. 2 EuGRCh gründet auf
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886 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 21. 887 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 21. 888 Für eine Analyse der Rechtsprechung des EGMR zur commercial speech Müller WRP 1992, 20; Calliess EuGRZ 1996, 293; ders. AfP 2000, 248; Nolte RabelsZ 63 (1999) 507; Kulms RabelsZ 63 (1999) 520; Faßbender GRUR Int. 2006, 965, 972 ff.; Hertig Randall Human Rights Law Review (2006), 53; Buschle Kommunikationsfreiheit in den Grundrechten und Grundfreiheiten des EG-Vertrages (2004); Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 327 ff.; Johnson/Youm Journal of International Media & Entertainment Law 2 (2009) 160, 180 ff.; Behrens Die Liberalisierung des Fernsehwerberechts im Kontext der Rundfunkregulierung (2012), S. 125 ff., 152 ff.; zur ideellen Rundfunkwerbung Gundel ZUM 2005, 345. Zum Verhältnis von EU-Grundrechtsschutz und vergleichender Werbung ausführlich Glöckner § 6 Rn. 106 ff. 889 Die Handhabung des Genehmigungsvorbehalts muss mit Art. 10 Abs. 2 EMRK im Einklang stehen, insbesondere zur „quality and balance of programmes“ beitragen, EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX §§ 33 f. – Demuth/Schweiz. 890 Siehe die Bezugnahme auf Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK in den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 21. 891 Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 15.6.2000 – C-376/98 – Slg. 2000, I-8423 Tz. 151 f. – Deutschland/Parlament und Rat; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.10.2010 – C-316/ 09 – Tz. 83 – Merckle; Faßbender GRUR Int. 2006, 965, 974; Jarass Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010), Art. 11 Rn. 5; Art. 16 Rn. 5. Für eine Ausnahme bei gesellschaftsrechtlichen Offenlegungspflichten, die keinen „hinreichend direkten und speziellen Zusammenhang mit einer Tätigkeit auf[weisen], die unter die Freiheit der Meinungsäußerung fällt“ EuGH 23.9.2004 – C-435/02 und C-103/03 – Slg. 2004, I-8663 Tz. 47 – Axel Springer. 892 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 21.
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der Rechtsprechung des EuGH zur Freiheit des Fernsehens,893 das Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten894 sowie auf der Richtlinie 89/ 552/EWG,895 insbesondere ihrem Erwägungsgrund 17.896 Die Medienfreiheit stellt eine besondere Ausprägung des Art. 11 Abs. 1 EuGRCh im Hinblick auf die Tätigkeit der Medien dar,897 die denselben Schranken (Art. 10 Abs. 2 EMRK) wie Art. 11 Abs. 1 EuGRCh898 unterliegt, wobei die besondere Bedeutung der Medienfreiheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist und die Garantie des Medienpluralismus auch Einschränkungen der Medienfreiheit rechtfertigen kann.899 Der Werbung kommt aus der Perspektive der Kommunikationsfreiheiten vor allem 202 die Funktion zu, den Bürger über die Beschaffenheit ihm angebotener Dienstleistungen und Waren zu unterrichten. Um diese Funktion zu erfüllen, kann sie gemäß Art. 10 Abs. 2 EMRK in bestimmten Fällen beschränkt werden, um unlauteren Wettbewerb, insbesondere wahrheitswidrige oder irreführende Werbung zu verhindern.900 Neben dieser wettbewerbsfunktionalen Bedeutung liefert die kommerzielle Kommunikation auch einen wichtigen Beitrag zu Debatten von allgemeinem politischem, wirtschaftlichem, künstlerischem oder wissenschaftlichem Interesse, sei es in Form politisch-satirischer Werbung, sei es durch politische Stellungnahmen zum Verhältnis von privater und öffentlich-rechtlicher Absicherung von Lebensrisiken, durch bestimmte Kunstformen oder durch Beiträge über die Wirkung von Produkten. b) Schutzbereich und Eingriff. Der Schutzbereich des Art. 11 EuGRCh ist weit zu 203 verstehen.901 Geschützt wird die Meinungsäußerung (Werturteile) ebenso wie die Abgabe von Informationen (Tatsachenbehauptungen) und Ideen (Konzepte, Pläne). 902 Inhalt oder Qualität der Information sind für die Anwendung des Art. 11 EuGRCh irrelevant.903 Erfasst werden auch „sämtliche Informationen und Ideen, die den Staat oder einen Be-
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893 Die Erläuterungen zitieren EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda; zum Ziel der Aufrechterhaltung des Pluralismus und der Unabhängigkeit der Informationsmedien auch EuGH 13.12.2007 – C-250/06 – Tz. 41 – Slg. 2007, I-11135 – United Pan-Europe Communications; EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-213/07 – Slg. 2008, I-9999 Tz. 59 – Michaniki. 894 Nunmehr Protokoll Nr. 25 über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten, ABl. 2010, C 83, S. 312. 895 Nunmehr Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste. 896 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 21; siehe auch Skouris MMR 2011, 423, 426: keine Entsprechung in der EMRK. 897 EuGH 22.9.2011 – C-244/10 und C-245/10 – GRUR Int. 2012, 53 Tz. 33 – Mesopotamia Broadcast: „das für die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen geltende Recht [ist] eine spezifische Ausprägung eines allgemeineren Prinzips […], nämlich der Freiheit der Meinungsäußerung, wie sie in Art. 10 Abs. 1 [EMRK] verankert ist“; zur Diskussion um die Eigenständigkeit des Art. 11 Abs. 2 EuGRCh als Grundrecht Jarass Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010), Art. 11 Rn. 28. 898 Jarass Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010), Art. 11 Rn. 28, 40; a.A. Calliess/ Ruffert Art. 11 GRCh Rn. 31 (nur Art. 52 Abs. 1 EuGRCh, nicht Art. 10 Abs. 2 EMRK). 899 EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 26 – Familiapress; siehe auch EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 71 – RTL; ebenso EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX §§ 43 f. – Demuth/Schweiz. 900 EGMR 23.10.2007 – App. No. 7969/04 – GRUR-RR 2009, 173, 174 – Brzank/Deutschland; ferner EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 51 – Casado Coca/Spanien; EGMR 17.10.2002 – App. No. 37928/97 – NJW 2003, 497 § 39 – Stambuk/Deutschland; EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003XII § 31 – Krone Verlag GmbH & Co KG/Österreich (no. 3). 901 EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-73/07 – Slg. 2008, I-9831 Tz. 56 – Satakunnan Markkinapörssi Oy. 902 Jarass Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010), Art. 11 Rn. 7. 903 Vgl. BGH 14.10.2010 – I ZR 191/08 – GRUR 2011, 513 Tz. 21 – AnyDVD (Internetlinks vom Schutzbereich erfasst).
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reich der Bevölkerung beleidigen, aus der Fassung bringen oder stören“.904 Art. 11 EuGRCh erstreckt sich damit nicht nur auf Informationen von allgemeinem (politischem, wissenschaftlichem, künstlerischem oder religiösem) Interesse, sondern auch auf die bloße Unterhaltung905 und die Übermittlung von Meinungen, Nachrichten und Ideen zu kommerziellen Zwecken (kommerzielle Kommunikation),906 unabhängig davon, ob es sich um informative oder werbende907 Inhalte handelt oder in welcher Form die Übermittlung erfolgt.908 Bereits die bloße Namensnennung und Angaben über persönliche Verhältnisse und Telefonnummern fallen unter Art. 11 Abs. 1 EuGRCh.909 Als Verhalten geschützt wird die Abgabe von Informationen über den gesamten Kommunikationsweg bis zum Empfänger in mündlicher, schriftlicher, gedruckter oder elektronischer Form.910 Daher ist die Verbreitung von Informationen über Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens und die Selbstdarstellung des Unternehmens ebenso wie die Kritik durch Wettbewerber oder Dritte umfassend von der Meinungsfreiheit garantiert.911 Neben der Abgabe von Informationen wird auch der Empfang von und das aktive Bemühen um Informationen geschützt, „die andere … weitergeben möchten oder deren Weitergabe … diese anderen zustimmen“912 (passive Informationsfreiheit). Träger der Meinungsfreiheit sind natürliche und juristische Personen.913 Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit liegt in jeglichen „Formvorschriften, Bedin204 gungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen“ (Art. 10 Abs. 2 EMRK) oder anderen Beschränkungen der geschützten Verhaltensweisen. Eine Beeinträchtigung des Art. 11 EuGRCh ist auch bei Werbebeschränkungen gegeben, etwa bei Beschränkungen der Werbung für bestimmte Erzeugnisse oder Gegenstände (Arzneimittel,914 Tabak,915 Insol-
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904 EuGH 6.3.2001 – C-274/99 P – Slg. 2001, I-1611 Tz. 39 – Connolly/Kommission; EGMR 25.8.1998 – App. No. 25181/94 – Slg. 1998-VI § 46 – Hertel/Schweiz: „ideas that offend, shock or disturb“. 905 EGMR 28.3.1990 – App. No. 10890/84 – Serie A Nr. 173 §§ 54 f. – Groppera Radio AG/Schweiz. 906 EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 §§ 25 f. – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland; EGMR 23.2.1994 – App. No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 35 – Casado Coca/Spanien; EGMR 23.6.1994 – App. No. 15088/89– Serie A Nr. 291-A § 25 – Jacubowski/ Deutschland = NJW 1995, 1857; EGMR 18.10.2011 – App. No. 10247/09 – § 68 – Sosinowska/Polen; Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 15.6.2000 – C-376/98 – Slg. 2000, I-8423 Tz. 154 – Deutschland/Parlament und Rat; Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 13.6.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 214 – Deutschland/Parlament und Rat; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.10.2010 – C-316/09 – Tz. 77 – Merckle. 907 Zur Einbeziehung von Werbung in den Schutzbereich des Art. 10 EMRK EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 47, 50 ff. – Karner (Verbot der Bewerbung von Insolvenzwaren); EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 68 – RTL (Werbeunterbrechungen bei Filmen). 908 EGMR 28.3.1990 – App. No. 10890/84 – Serie A Nr. 173 § 55 – Groppera Radio AG/Schweiz; EuGH 6.11.2003 – C-101/01 – Slg. 2003, I-12971 Tz. 86 – Lindquist (Äußerungen im Internet). 909 EuGH 6.11.2003 – C-101/01 – Slg. 2003, I-12971 Tz. 13, 86 – Lindquist. 910 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.10.2010 – C-316/09 – Tz. 81 – Merckle (aktive Informationsfreiheit „in der Regel vom Schutzbereich des allgemeinen Grundrechts der Meinungsäußerung mitumfasst“). 911 Zur Information über Arzneimittel EuGH 28.10.1992 – C-219/91 – Slg. 1992, I-5485 Tz. 31, 36 – Strafverfahren gegen Ter Voort; EuGH 2.4.2009 – C-421/07 – Slg. 2009, I-2629 Tz. 23, 25 ff., 28 – Damgard; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.10.2010 – C-316/09 – Tz. 77 – Merckle. 912 EGMR 26.3.1987 – App. No. 9248/81 – Serie A Nr. 116 § 74 – Leander/Schweden; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 4.5.2006 – C-479/04 – Slg. 2006, 8089 Tz. 65 – Laserdisken; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.10.2010 – C-316/09 – Tz. 85 – Merckle. 913 Calliess/Ruffert Art. 11 GRCh Rn. 9. 914 EuGH 2.4.2009 – C-421/07 – Slg. 2009, I-2629 Tz. 25 ff., 28 – Damgard. 915 EuGH (Große Kammer) 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 153 f. – Deutschland/Parlament und Rat. Soweit sich der Eingriff auf das Verbot der Nutzung von Markenbezeichnungen erstreckt (plain packaging), werfen Werbebeschränkungen auch die Frage nach der Vereinbarkeit mit den völkerrechtlich
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venzwaren916), ferner bei einer Beschränkung der Werbeunterbrechungen im Fernsehen917 oder der Begrenzung der Werbung in Hörfunk und Fernsehen zu bestimmten Tagen oder Zeiten.918 Ebenso liegt eine Beschränkung des Art. 11 EuGRCh in jeder Beschränkung der journalistischen Unabhängigkeit,919 in einem Verkaufsverbot für Zeitschriften, die die Teilnahme an Preisausschreiben ermöglichen,920 oder in einer Anwendung inländischer Regeln zur Meinungsvielfalt oder zur Senderstruktur auf ausländische Sendeanstalten.921 Die passive Informationsfreiheit kann beschränkt sein durch urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte an Informationen.922 c) Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit. Infolge der Parallelität von Art. 11 205 Abs. 1 EuGRCh und Art. 10 EMRK dürfen die Einschränkungen des Art. 11 EuGRCh nicht über die in Art. 10 Abs. 2 EMRK geregelten Fälle hinausgehen (Art. 52 Abs. 3 EuGRCh).923 Das gilt auch für die in Art. 11 Abs. 2 EuGRCh garantierte Medienfreiheit, die nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis eine Ausprägung der Meinungsfreiheit darstellt,924 so dass ihre Einschränkung ebenfalls den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 EMRK entsprechen muss. Eine ausdrückliche Schranke sowohl für die Meinungs- wie für die Medienfreiheit stellt das in Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK vorbehaltene Genehmigungserfordernis für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen dar, das allerdings im Einklang mit Art. 10 Abs. 2 EMRK925 und den Wettbewerbsregeln der Union926 gehandhabt werden muss. Dementsprechend kann die Ausübung der Kommunikationsfreiheiten „bestimm- 206 ten durch Ziele des Allgemeininteresses gerechtfertigten Beschränkungen927 unterworfen werden, sofern diese gesetzlich vorgesehen sind, einem oder mehreren nach Art. 10 EMRK legitimen Zielen entsprechen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind, d.h. durch ein dringendes gesellschaftliches Bedürfnis gerechtfertigt sind und insbe-
_____ (TRIPS) und grundrechtlich (Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK und Art. 17 Abs. 2 EuGRCh) geschützten Markenrechten der Hersteller auf, Davison EIPR 2012, 498; Schroeder ZLR 2012, 405, 410 ff. 916 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 47, 50 ff. – Karner (Verbot der Bewerbung von Insolvenzwaren). 917 EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 68 – RTL. 918 EuGH 25.7.1991 – C-353/89 – Slg. 1991, I-4069 Tz. 39, 45 – Kommission/Niederlande. 919 Vgl. EuGH 13.12.1989 – 100/88 – Slg. 1989, 4285 Tz. 16 – Oyowe und Traore/Kommission; siehe auch EuGH (Große Kammer) 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 156 – Deutschland/Parlament und Rat. 920 EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 26 – Familiapress. 921 EuGH 5.10.1994 – C-23/93 – Slg. 1994, I-4795 Tz. 25 – TV 10; siehe auch EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 23 f. – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda. 922 Eingriff offengelassen in EuGH (Große Kammer) 12.9.2006 – C-479/04 – Slg. 2006, I-8089 Tz. 64 f. – Laserdisken (Eingriff jedenfalls gerechtfertigt); bereits die Beeinträchtigung ablehnend Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 4.5.2006 – C-479/04 – Slg. 2006, 8089 Tz. 65 – Laserdisken. 923 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 21. Umstritten ist, ob neben Art. 10 Abs. 2 EMRK auch die Vorgaben des Art. 52 Abs. 1 EuGRCh zu beachten sind (so Jarass Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010), Art. 52 Rn. 25) oder ob der Verweis allein auf die Schranken der EMRK in Art. 52 Abs. 3 EuGRCh der allgemeinen Schrankenregelung in Art. 52 Abs. 1 EuGRCh vorgeht, so Streinz/Streinz Art. 52 GR-Charta Rn. 5. Im Lauterkeitsrecht dürften sich aus Art. 52 Abs. 1 EuGRCh kaum über Art. 10 Abs. 2 EMRK hinausgehende Schranken-Schranken gewinnen lassen. 924 Oben Rn. 201. 925 Zur Handhabung des Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK siehe EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX §§ 33 f. – Demuth/Schweiz: Sicherung der „quality and balance of programmes“. 926 Siehe die Bezugnahme auf Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK in den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 21. 927 Art. 10 Abs. 2 EMRK nennt als Beispiele „Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen“.
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sondere in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel stehen“.928 Im Wettbewerbsrecht dienen die Beschränkungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK regelmäßig dem Zweck, die Informationsfunktion der Werbung zu sichern, indem sie gemäß Art. 10 Abs. 2 EMRK in bestimmten Fällen beschränkt wird, um unlauteren Wettbewerb und wahrheitswidrige oder irreführende Werbung zu verhindern.929 Die Beschränkungsmöglichkeiten sind grundsätzlich eng auszulegen,930 auch wenn die Liste des Art. 10 Abs. 2 EMRK nicht abschließend ist.931 207
aa) Gesetzlich vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist eine Beschränkung gesetzlich vorgesehen, wenn ihre Rechtsgrundlage ausreichend zugänglich und mit hinreichender Genauigkeit formuliert ist, um dem einzelnen Rechtsunterworfenen die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten notfalls unter Zuhilfenahme rechtlicher Beratung darauf einzustellen.932 Eine solche Grundlage kann auch in berufsständischen Regeln liegen, die aufgrund parlamentarischer Delegation von Selbstverwaltungsorganen erlassen wurden.933 Ebenso genügen generalklauselartig formulierte Tatbestände und unbestimmte Rechtsbegriffe („gute Sitten“) dem Vorhersehbarkeitserfordernis, weil es gerade auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts wegen des ständigen Wandels der Marktgegebenheiten und Kommunikationsmittel für den Gesetzgeber unmöglich ist, vollständige Genauigkeit zu erreichen.934 Dies gilt umso mehr, wenn die offenen Tatbestände durch die Gerichtspraxis und Kommentarliteratur935 oder gesetzliche Beispielskataloge und Begründungen936 konkretisiert werden.
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928 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 50 – Karner; EuGH (Große Kammer) 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 154 – Deutschland/Parlament und Rat; EuGH 2.4.2009 – C-421/07 – Slg. 2009, I-2629 Tz. 26 – Damgaard; BGH 18.11.2010 – I ZR 137/09 – GRUR 2011, 631 Tz. 20 – Unser wichtigstes Cigarettenpapier. 929 EGMR 23.10.2007 – App. No. 7969/04 – GRUR-RR 2009, 173, 174 – Brzank/Deutschland; ferner EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 51 – Casado Coca/Spanien; EGMR 17.10.2002 – App. No. 37928/97 – NJW 2003, 497 § 39 – Stambuk/Deutschland; EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003XII § 31 – Krone Verlag GmbH & Co KG/Österreich (no. 3): „For the public, advertising is a means of discovering the characteristics of services and goods offered to them. Nevertheless, it may sometimes be restricted, especially to prevent unfair competition and untruthful or misleading advertising. In some contexts, even the publication of objective, truthful advertisements might be restricted in order to ensure respect for the rights of others or owing to the special circumstances of particular business activities and professions. Any such restrictions must, however, be closely scrutinised by the Court, which must weigh the requirements of those particular features against the advertising in question; to this end, the Court must look at the impugned penalty in the light of the case as a whole“. 930 EGMR 25.3.1985 – App. No. 8734/79 – Serie A Nr. 90 § 43 – Barthold/Deutschland = GRUR Int. 1985, 468; EGMR 25.8.1998 – App. No. 25181/94 – Slg. 1998-VI § 46 – Hertel/Schweiz; zur Absenkung der Verhältnismäßigkeitskontrolle bei kommerzieller Kommunikation unten bei Rn. 210-217. 931 EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX § 37 – Demuth/Schweiz. 932 EGMR 25.3.1985 – App. No. 8734/79 – Serie A Nr. 90 § 45 – Barthold/Deutschland = GRUR Int. 1985, 468; EGMR 28.6.2001 – App. No. 24699/94 – Slg. 2001-VI § 52 – VGT Verein gegen Tierfabriken/Schweiz: „accessible to the person concerned and foreseeable as to its effects“. 933 EGMR 25.3.1985 – App. No. 8734/79 – Serie A Nr. 90 § 46 – Barthold/Deutschland = GRUR Int. 1985, 468 (Berufsordnung der Tierärztekammer); EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 39 – Casado Coca/Spanien. 934 EGMR 25.3.1985 – App. No. 8734/79 – Serie A Nr. 90 § 47 – Barthold/Deutschland = GRUR Int. 1985, 468 (§ 1 UWG a.F.); EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 § 30 – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland; EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII § 24 – Krone Verlag GmbH & Co KG/Österreich (no. 3). 935 EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 § 30 – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland. 936 EGMR 25.8.1998 – App. No. 25181/94 – Slg. 1998-VI § 36 – Hertel/Schweiz.
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bb) Legitimer Zweck. Als legitime Zwecke einer Beschränkung der Meinungsfrei- 208 heit nennt Art. 10 Abs. 2 EMRK die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit, die öffentliche Sicherheit, die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Verhütung von Straftaten, den Schutz der Gesundheit und der Moral, den Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer, die Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen und die Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung. Zum Schutz der „Rechte anderer“ zählt der EGMR auch die Vermeidung eines Wettbewerbsvorteils gegenüber Wettbewerbern, die sich an gesetzliche Werbeverbote halten,937 den Schutz der Mitbewerber und der Verbraucher vor irreführender Werbung 938 und allgemein den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher und mittelbar der rechtmäßig handelnden Mitbewerber vor unlauteren Geschäftspraktiken.939 Ebenso zählt dazu der Schutz des guten Rufes, der wettbewerblichen Reputation und der wirtschaftlichen Interessen der Mitbewerber gegen unrichtige oder verzerrende Darstellungen.940 Bei Werbebeschränkungen für Rechtsanwälte ist die Bedeutung dieser Berufsgruppe für die Rechtspflege als legitimer Zweck zu berücksichtigen.941 Ebenso wie der EGMR hat auch der EuGH den Verbraucherschutz („Rechte anderer“) und die Lauterkeit des Handels942 sowie die Erhaltung einer bestimmten Programmqualität und -vielfalt943 und Medienvielfalt944 als legitime Zwecke i.S.d. Art. 10 Abs. 2 EMRK angesehen.945 cc) In einer demokratischen Gesellschaft notwendig (Verhältnismäßigkeit). 209 Der Schwerpunkt der Rechtfertigungsprüfung liegt auf dem letzten Element, der Verhältnismäßigkeitskontrolle. „Notwendig“ i.S.d. Art. 10 Abs. 2 EMRK ist in diesem Zusammenhang nicht als „unbedingt erforderlich“ aufzufassen, aber auch nicht im Sinne eines flexiblen „zulässig“, „normal“, „nützlich“, „vernünftig“ oder „zweckmäßig“ zu verstehen. Darzulegen ist vielmehr ein „dringendes soziales Bedürfnis“ („pressing social need“; „besoin social impérieux“), wobei die jeweils verbotenen Aussagen im Zusammenhang und im Lichte der konkreten Umstände zu würdigen sind.946 Im Rahmen dieser Würdigung billigen EGMR und EuGH den zuständigen Stellen bei der Abwägung zwischen der Freiheit der Meinungsäußerung und den in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Zielen des Allgemeininteresses einen je nach dem Ziel, das eine Beschränkung dieses Rechts rechtfertigt, und je nach der Art der Tätigkeit, um die es geht, unterschiedlich
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937 EGMR 25.3.1985 – App. No. 8734/79 – Serie A Nr. 90 § 51 – Barthold/Deutschland = GRUR Int. 1985, 468; EGMR 17.10.2002 – App. No. 37928/97 – NJW 2003, 497 § 29 – Stambuk/Deutschland. 938 EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII § 26 f. – Krone Verlag GmbH & Co KG/ Österreich (no. 3). 939 Vgl. EGMR 25.8.1998 – App. No. 25181/94 – Slg. 1998-VI § 42 – Hertel/Schweiz. 940 EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 § 31 – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland; EGMR 25.8.1998 – App. No. 25181/94 – Slg. 1998-VI § 42 – Hertel/ Schweiz. 941 EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 46 – Casado Coca/Spanien. 942 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 52 – Karner. 943 EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 71 – RTL; ebenso EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX §§ 43 f. – Demuth/Schweiz. 944 EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 26 – Familiapress. 945 Zu den legitimen Zwecken siehe auch den Hinweis in den Schlussanträgen der Generalanwältin Trstenjak vom 24.11.2010 – C-316/09 – Tz. 79 – Merckle: Erfolgt der Eingriff in die Meinungsfreiheit durch Maßnahmen der Union, so ist die Kopplung des Gemeinwohlziels an die Kompetenzordnung zu beachten, so dass sich die Union nur auf diejenigen Rechtsgüter zur Legitimation eines Grundrechtseingriffs beziehen können soll, deren Schutz ihr auch nach dem Unionsrecht obliegt. 946 EGMR 25.3.1985 – App. No. 8734/79 – Serie A Nr. 90 § 55 – Barthold/Deutschland = GRUR Int. 1985, 468.
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großen Entscheidungsspielraum (margin of appreciation) zu.947 Dieser Entscheidungsspielraum wird vor allem beim Gebrauch der Meinungsfreiheit zu kommerziellen Zwecken, insbesondere in einem so komplexen und Wandlungen unterworfenen Gebiet wie dem Recht des unlauteren Wettbewerbs und der Werbung, besonders großzügig bemessen.948 210
(1) Unterscheidung von kommerzieller Kommunikation und Beiträgen von allgemeinem Interesse. Deshalb unterscheiden der EGMR949 und ihm folgend der EuGH950 zwischen dem Gebrauch der Meinungsfreiheit zu kommerziellen Zwecken (der kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Beteiligten voraussetzt951), insbesondere zu Zwecken der Werbung, und sonstigen Meinungsäußerungen, die zu einer „Debatte von allgemeinem Interesse“ beitragen. Handelt es sich lediglich um eine kommerzielle Äußerung, insbesondere um Werbung,952 aber auch die Berichterstattung über Autos im „Car TV“,953 so wird ein großzügiger Verhältnismäßigkeitsmaßstab angelegt, der sich auf die Prüfung beschränkt, „ob der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen steht“.954 Handelt es sich demgegenüber nicht um eine kommerzielle Meinungsäußerung, 211 sondern um eine Beteiligung an einer das Allgemeininteresse berührenden Debatte, z.B. über die öffentliche Gesundheit955 oder den Tierschutz956 oder die Mitwirkung an
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947 EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 § 33 – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland: „certain margin of appreciation in assessing the existence and extent of the necessity of an interference“; EuGH (Große Kammer) 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 155 – Deutschland/Parlament und Rat. 948 EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 § 33 – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland; EGMR 23.6.1994 – App. No. 15088/89– Serie A Nr. 291-A § 26 – Jacubowski/Deutschland = NJW 1995, 1857; EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 50 – Casado Coca/Spanien; EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX § 42 – Demuth/Schweiz; EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII § 30 – Krone Verlag GmbH & Co KG/Österreich (no. 3); EGMR 23.10.2007 – App. No. 7969/04 – GRUR-RR 2009, 173, 174 – Brzank/Deutschland. 949 Vorige Fn. 950 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 51 – Karner: „Trägt die Ausübung der Meinungsfreiheit nichts zu einer Debatte von allgemeinem Interesse bei und erfolgt sie darüber hinaus in einem Kontext, in dem die Staaten einen gewissen Entscheidungsspielraum haben, beschränkt sich die Kontrolle auf die Prüfung, ob der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen steht. Dies gilt namentlich für den Gebrauch der Meinungsfreiheit im Geschäftsverkehr, besonders in einem Bereich, der so komplex und wandelbar ist wie die Werbung“; ebenso EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 73 – RTL; EuGH (Große Kammer) 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 155 – Deutschland/Parlament und Rat; EuGH 2.4.2009 – C-421/07 – Slg. 2009, I-2629 Tz. 27 – Damgard. 951 Siehe EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 § 36 – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland. 952 EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 50 – Casado Coca/Spanien; EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII § 30 – Krone Verlag GmbH & Co KG/Österreich (no. 3). 953 Weshalb ein Fernsehsender für Autos „primarily commercial“ sein soll, EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX § 41 – Demuth/Schweiz, während die Berichterstattung in einem Automagazin als nicht-kommerziell angesehen wird, EGMR 5.3.2009 – App. No. 13353/05 – § 45 – Hachette Filipacchi Presse Automobile/Frankreich, wird wohl eines der Geheimnisse des Straßburger Gerichts bleiben. 954 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 51 – Karner; ebenso EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 § 33 – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland; EGMR 23.6.1994 – App. No. 15088/89– Serie A Nr. 291-A § 26 – Jacubowski/Deutschland = NJW 1995, 1857; EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 50 – Casado Coca/Spanien; EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII § 30 – Krone Verlag GmbH & Co KG/Österreich (no. 3): „justifiable in principle and proprotionate“. 955 EGMR 25.8.1998 – App. No. 25181/94 – Slg. 1998-VI § 47 – Hertel/Schweiz. 956 EGMR 28.6.2001 – App. No. 24699/94 – Slg. 2001-VI § 70 f. – VGT Verein gegen Tierfabriken/ Schweiz.
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einer Zeitungsberichterstattung über eine neue augenärztliche Behandlungsmethode,957 so wird der Beurteilungsspielraum der nationalen Organe eingeschränkt und neben einer Angemessenheitskontrolle auch die Tatsachenwürdigung und -bewertung durch das nationale Gericht nachvollzogen.958 Als nicht-kommerzielle Meinungsäußerung wurde auch die journalistische Berichterstattung in einem Automagazin angesehen, in dem auf einem Foto die Tabakwerbung eines Sponsors eines Formel 1-Rennstalls zu erkennen war.959 Sogar eine auf aktuelle Fragen z.B. der Gesundheitspolitik gerichtete Meinungsäußerung eines Unternehmens ist als Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse und nicht lediglich als kommerzielle Meinungsäußerung anzusehen, selbst wenn sie in Form einer Zeitungsanzeige oder eines Fernsehspots erfolgt.960 Zur Abgrenzung zwischen kommerziellen Meinungsäußerungen und Debatten 212 von allgemeinem Interesse ist auf den Primärzweck der Äußerung abzustellen: Dient sie in erster Linie dem Zweck, bestimmte Produkte oder Dienstleistungen darzustellen und den Absatz zu fördern, so ist ein kommerzieller Zweck zu bejahen.961 Demgegenüber spricht eine journalistische Berichterstattung im Rahmen einer Information über aktuelle Ereignisse gegen eine kommerzielle Natur der Meinungsäußerung, selbst wenn sie in einem Spartenmagazin (Automagazin) erfolgt und kommerzielle Aspekte berührt.962 (2) Kritik. Die im Einzelfall kaum nachvollziehbare Abgrenzung von kommerzieller 213 Kommunikation und Debatten von allgemeinem Interesse963 zeigt bereits die Grenzen der Unterscheidung zwischen kommerzieller Kommunikation und Meinungsäußerungen von
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957 EGMR 17.10.2002 – App. No. 37928/97 – NJW 2003, 497 § 48 – Stambuk/Deutschland. 958 EGMR 25.8.1998 – App. No. 25181/94 – Slg. 1998-VI § 46 – Hertel/Schweiz: „This does not mean that the supervision is limited to ascertaining whether the respondent State exercised its discretion reasonably, carefully and in good faith; what the Court has to do is to look at the interference complained of in the light of the case as a whole and determine whether it was ‚proportionate to the legitimate aim pursued‘ and whether the reasons adduced by the national authorities to justify it are ‚relevant and sufficient‘ […]. In doing so, the Court has to satisfy itself that the national authorities applied standards which were in conformity with the principles embodied in Article 10 and, moreover, that they relied on an acceptable assessment of the relevant facts“. 959 EGMR 5.3.2009 – App. No. 13353/05 – § 45 – Hachette Filipacchi Presse Automobile/Frankreich: „En l’espèce, la publication litigieuse touche au domaine commercial mais celle-ci s’inscrit dans le cadre d’une information relative à un événement d’actualité. L’existence d’un droit pour le public de recevoir des informations a été maintes fois reconnue par la Cour dans des affaires relatives à des restrictions à la liberté de la presse, comme corollaire de la fonction propre aux journalistes de diffuser des informations ou des idées sur des questions d’intérêt public […]. Il ne s’agissait donc pas d’une publication à caractère ‚strictement‘ commercial, et la marge d’appréciation de l’Etat s’en trouve ainsi limitée.“ 960 Vgl. BGH 26.3.2009 – I ZR 213/06 – GRUR 2009, 984 Tz. 20 ff., 25 – Festbetragsfestsetzung; OLG Köln 28.1.2011 – 6 U 180/10 – GRUR-RR 2011, 372, 373 – PKV – Die gesunde Versicherung; siehe auch OGH ÖBl. 2011, 110 – Total überforderte Zeitungsredaktionen. 961 EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX § 41 – Demuth/Schweiz: „However, while it could not be excluded that such aspects would have contributed to the ongoing, general debate on the various aspects of a motorised society, in the Court's opinion the purpose of Car TV AG was primarily commercial in that it intended to promote cars and, hence, further car sales“; Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 329; OLG Hamburg 30.6.2009 – 3 U 13/09 – GRUR-RR 2010, 74, 78 – Läusemittel: Verwendung des u.a. auf das eigene Produkt bezogenen Testurteils der Stiftung Warentest ist kommerzielle Kommunikation, keine gesellschafts- oder gesundheitspolitisch relevante Meinungsbekundung als Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse. 962 EGMR 5.3.2009 – App. No. 13353/05 – § 45 – Hachette Filipacchi Presse Automobile/Frankreich. 963 Weshalb ein Fernsehsender für Autos „primarily commercial“ sein soll, EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX § 41 – Demuth/Schweiz, während die Berichterstattung in einem Automagazin als nicht-kommerziell angesehen wird, EGMR 5.3.2009 – App. No. 13353/05 – § 45 – Hachette Filipacchi Presse Automobile/Frankreich, wird wohl eines der Geheimnisse des Straßburger Gerichts bleiben. Zu weiteren Beispielen Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 329 Fn. 181.
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allgemeinem Interesse auf. Diese Unterscheidung wurde vom EGMR ursprünglich mit der Komplexität und Wandelbarkeit des Wettbewerbs und der Werbung begründet, die eine strikte Verhältnismäßigkeitskontrolle mit einer Prüfung aller Umstände des Falles im Einzelfall unmöglich mache.964 Zudem verwies das Straßburger Gericht auf die Unterschiedlichkeit der nationalen Rechtsordnungen und die größere Sachnähe der nationalen Instanzen.965 214 Beide Begründungsstränge vermögen in Zeiten eines in weiten Teilen europäisch geprägten Lauterkeitsrechts nicht mehr zu überzeugen. Zunächst zwingt die Unterscheidung zwischen kommerzieller Kommunikation und Debatten von allgemeinem Interesse in Grenzfällen (mixed speech) zu wenig gelungenen Differenzierungen anhand des Primärzwecks der Äußerung.966 Darüber hinaus taugt die Unterschiedlichkeit der nationalen Werberegeln nicht mehr als Rechtfertigung für eine Zurücknahme der supranationalen Grundrechtskontrolle in einer Zeit, in der weite Teile des Lauterkeitsrechts durch supranationales Recht angeglichen wurden. Auch der schnelllebige Wandel im Wettbewerbsrecht kann eine Schlechterstellung der kommerziellen Kommunikation nicht mehr rechtfertigen, wenn sich zumindest der EuGH diesem Wandel ohnehin bei der Auslegung des Sekundärrechts stellen muss. Vor allem aber wurde der nationale Grundrechtsschutz als Auffangnetz unterhalb der EMRK infolge der sekundärrechtlichen Harmonisierung inzwischen verdrängt, so dass es – will man die Rechtsharmonisierung nicht mit einer Absenkung grundrechtlicher Schutzstandards bezahlen – im Gegenzug zu einem gleichwertigen Grundrechtsschutz auch für die kommerzielle Kommunikation auf europäischer Ebene kommen muss. Zur Vermeidung derartiger Schutzlücken ist deshalb zu einer einheitlichen Ver215 hältnismäßigkeitsprüfung überzugehen, die kommerzieller Kommunikation den gleichen Grundrechtsschutz wie anderen Kommunikationsformen zubilligt.967 Nur eine solche Gleichstellung aller Kommunikationsformen trägt der wettbewerbsfunktionalen Bedeutung der kommerziellen Kommunikation zur Information der Verbraucher über die Beschaffenheit von Produkten und Dienstleistungen angemessen Rechnung.968 Dies schließt nicht aus, im Einzelfall auch den Inhalt, den Zweck und den Kontext der konkreten Meinungsäußerung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Allerdings ist anstelle des kommerziellen Zwecks das wettbewerbliche Interesse an einer konkreten Äußerung in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellen. Ist ein solches wie im Fall der wahrheitsgemäßen und nicht irreführenden Verbraucherinformation gegeben, dann sollte ein Verbot nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich sein, etwa zum Schutz hochrangiger Güter wie der Gesundheit. Umgekehrt kann für unzutreffende oder irreführende – und damit die Entscheidung 216 der Verbraucher potentiell verzerrende – Informationen ein abgesenkter Grundrechtsschutz gewährt werden. Werbende Äußerungen mit wertenden Inhalten sollten im Mittelfeld der Verhältnismäßigkeitsprüfung angesiedelt werden, wobei die zunehmende
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964 EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 § 33 – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland; ähnlich EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 51 – Karner: „so komplex und wandelbar ist wie die Werbung“. 965 Zu Werbebeschränkungen für Rechtsanwälte EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 54 – Casado Coca/Spanien; EGMR 23.10.2007 – App. No. 7969/04 – GRUR-RR 2009, 173, 174 – Brzank/ Deutschland; anders für das Standesrecht der Ärzte EGMR 17.10.2002 – App. No. 37928/97 – NJW 2003, 497 § 40 – Stambuk/Deutschland. 966 Siehe nur das Beispiel in Fn. 963. 967 Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 332. 968 Vgl. EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 51 – Casado Coca/Spanien: „For the citizen, advertising is a means of discovering the characteristics of services and goods offered to him“.
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Gewöhnung der Verbraucher an Werbung zu berücksichtigen ist. Absolute oder sehr weitgehende Werbeverbote sind außerhalb sensibler Materien wie dem Gesundheitsschutz daher kaum als verhältnismäßig anzusehen.969 Eine solche Berücksichtigung des wettbewerblichen Interesses entspricht nicht nur der gesellschaftlichen Bedeutung kommerzieller Kommunikation, sondern schlägt auch eine Brücke zwischen grundrechtlichen und sekundärrechtlichen Wertungen, indem die dem Sekundärrecht zugrunde liegenden Erwägungen wie insbesondere der Schutz der informierten Entscheidung des Verbrauchers als Antriebsfeder des Binnenmarktes Eingang in die Verhältnismäßigkeitsprüfung finden. Erste Ansätze für eine konkret-differenzierende Beurteilung unter Berücksichtigung 217 des wettbewerblichen Interesses lassen sich schließlich auch in der jüngeren Judikatur von EGMR und EuGH ausmachen. So ist der EGMR in dem Verfahren Krone Verlag ./. Österreich trotz kommerziellen Charakters der in Rede stehenden vergleichenden Werbung in eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung eingetreten, offenbar um die Vergleichswerbung als „Kerninstrument des Preiswettbewerbs“970 zu erhalten. Auch in der jüngeren Judikatur des EuGH zeichnet sich eine Differenzierung zwischen Werbung und sachlicher Herstellerinformation ab, wobei die Verbreitung von sachlich zutreffenden Herstellerinformationen im Rahmen der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens aus den Verbotstatbeständen für Werbung ausgenommen wird.971 dd) Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Als relevanter Faktor in 218 der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist bei Informationen zu berücksichtigen, ob die behaupteten Tatsachen wahr sind, während nicht für jede wertende Meinungsäußerung ein klarer Tatsachenbeleg gefordert werden kann.972 Auch bei wahren Tatsachen kann ein Werbeverbot allerdings gerechtfertigt sein, wenn durch die Werbung mit wahren Tatsachen eine Irreführungsgefahr begründet wird.973 Darüber hinaus billigt der EGMR zuweilen auch ein Verbot der Berichterstattung über oder der Werbung mit wahren Tatsachen, wenn diese die Privatsphäre anderer oder die Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen berühren oder wenn die Berichterstattung über einen einzelnen Vorfall den
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969 Siehe auch Art. 24 RL 2006/123/EG. 970 EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII, §§ 33 f. – Krone Verlag ./. Austria; dazu Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 331 f.; bereits Kloepfer/Michael GRUR 1991, 170, 179 mit Hinweis auf den „besonderen informativen Gehalt“ vergleichender Werbung; siehe auch Erwägung A in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten, ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 58: „in der Erwägung, dass Werbung […] vorteilhaft für die Verbraucher ist“. 971 EuGH 5.5.2011 – C-316/09 – GRUR 2011, 1160 Tz. 43 – Merckle (dort ohne grundrechtliche Argumentation), siehe aber die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.11.2010 – C-316/09 – Tz. 86, 123 – Merckle mit ausführlicher grundrechtskonformer Auslegung des Begriffs der Arzneimittelwerbung („Leitbild des informierten Patienten“, Tz. 86); siehe auch EuGH 5.5.2011 – C-316/09 – GRUR 2011, 1160 Tz. 24 – Merckle zur umfassenden Tatsachenwürdigung zwecks Beurteilung des Werbecharakters. 972 Siehe EGMR 16.12.2008 – App. No. 53025/99 – § 50 f. – Frankowicz/Polen zur Unzulässigkeit eines generellen Verbots kritischer Äußerungen über einen medizinischen Kollegen unabhängig von der Richtigkeit dieser Äußerungen; Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 8.4.2003 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 76 – Karner; ferner Jarass Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010), Art. 11 Rn. 22. 973 Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 8.4.2003 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 81 ff., 86 – Karner (bei Werbung mit wahren Tatsachen nur Vermeidung der Irreführung durch klarstellenden Hinweis geboten, nicht generelles Werbeverbot); weitergehend (generelles Werbeverbot aufgrund weiten Entscheidungsspielraums bei kommerzieller Kommunikation gerechtfertigt) EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 51 f. – Karner.
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unrichtigen Eindruck einer allgemeinen Geschäftspraxis vermitteln kann974 oder wenn dies durch die besondere Stellung einer Berufsgruppe (Rechtsanwälte) bedingt ist.975 Allerdings wird der EGMR „jede solche Beschränkung sorgfältig prüfen und deren besondere Anforderungen gegen die in Frage stehende Werbung abwägen“.976 Gerade bei (vergleichender) Werbung mit objektiv zutreffenden Tatsachen scheint der EGMR – trotz rhetorischen Festhaltens am flexibleren Verhältnismäßigkeitsstandard – in jüngerer Zeit durchaus einer strikteren Beurteilung von Werbebeschränkungen zuzuneigen, um einen effektiven Preis- und Produktwettbewerb zu ermöglichen.977 Ein weiterer Gesichtspunkt im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Wer219 bebeschränkungen ist, ob ein Werbeverbot absolut gilt oder nur bestimmte Beschränkungen vorgesehen sind.978 Allerdings haben sowohl EGMR wie EuGH zum Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter (insbesondere der Gesundheit) auch sehr weitgehende Beschränkungen (z.B. für Tabakwaren979 oder verschreibungspflichtige Arzneimittel980) bis hin zu einem Verbot „indirekter Werbung“ durch Abbildung der Marken von Tabakherstellern981 gebilligt.982 Ebenso sind Einschränkungen der Freiheit der journalistischen Meinungsäußerung als solcher und der redaktionellen Beiträge der Journalisten kritischer zu bewerten als Verbotsmaßnahmen, die den Presseunternehmen Werbeerlöse entziehen.983 Auch eine Einschränkung des Inhalts von Werbebotschaften ist kritischer zu beurteilen als die Begrenzung der Zahl der Werbeunterbrechungen von Fernsehprogrammen, zumal wenn der Zeitpunkt und die Länge der einzelnen Unterbrechungen den Fernsehanstalten frei stehen.984 Bei lauterkeitsrechtlich motivierten Verkaufsverboten für Zeitschriften ist zu prüfen, ob durch mildere Mittel (z.B. Schwärzung der als prob-
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974 EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 § 35 – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland. 975 EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 51 – Casado Coca/Spanien; EGMR 17.10.2002 – App. No. 37928/97 – NJW 2003, 497 § 39 – Stambuk/Deutschland; allgemein EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII § 31 – Krone Verlag GmbH & Co KG/Österreich (no. 3). 976 EGMR 17.10.2002 – App. No. 37928/97 – NJW 2003, 497 § 39 – Stambuk/Deutschland; EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII § 31 – Krone Verlag GmbH & Co KG/Österreich (no. 3); EGMR 23.10.2007 – App. No. 7969/04 – GRUR-RR 2009, 173, 174 – Brzank/Deutschland. 977 Siehe EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII §§ 31 ff. – Krone Verlag GmbH & Co KG/Österreich (no. 3): „impairing the very essence of price comparison“ (§ 33); Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007) S. 331; ferner EGMR 16.12.2008 – App. No. 53025/99 – § 50f. – Frankowicz/Polen zur Unzulässigkeit eines generellen Verbots kritischer Äußerungen über einen medizinischen Kollegen unabhängig von der Richtigkeit dieser Äußerungen. 978 EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 52 – Casado Coca/Spanien; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.11.2010 – C-316/09 – Tz. 80 – Merckle; siehe auch Art. 24 Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG. 979 EuGH (Große Kammer) 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 156 f. – Deutschland/ Parlament und Rat; siehe auch BGH GRUR 2011, 631 Tz. 21 ff. – Unser wichtigstes Cigarettenpapier (Imagewerbung von Tabakherstellern). Soweit sich der Eingriff auf das Verbot der Nutzung von Markenbezeichnungen erstreckt (plain packaging), werfen Werbebeschränkungen auch die Frage nach der Vereinbarkeit mit den völkerrechtlich und grundrechtlich (Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK und Art. 17 Abs. 2 EuGRCh) geschützten Markenrechten der Hersteller auf, Davison EIPR 2012, 498; Schroeder ZLR 2012, 405, 410 ff. 980 EuGH 2.4.2009 – C-421/07 – Slg. 2009, I-2629 Tz. 28 – Damgard. 981 EGMR 5.3.2009 – App. No. 13353/05 – §§ 48 ff. – Hachette Filipacchi Presse Automobile/Frankreich. 982 Intensiv werden auch die Werbebeschränkungen der VO 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben diskutiert, vgl. Sosnitza WRP 2003, 669, 675; von Danwitz ZLR 2005, 201, 218; Meisterernst WRP 2010, 481, 488; positiver Buchner/Rehberg GRUR Int. 2007, 394. 983 EuGH (Große Kammer) 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 156 – Deutschland/Parlament und Rat. 984 EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 72 – RTL.
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lematisch angesehenen Passagen) ein Verkaufsverbot vermieden werden kann. 985 Schließlich ist striktere Regulierung bei audiovisuellen Medien mit hohem Verbreitungsgrad eher zu rechtfertigen, insbesondere um die Programmvielfalt und -qualität zu gewährleisten.986 d) Einzelfälle. Als unverhältnismäßig987 angesehen wurde das Verbot eines Preis- 220 vergleichs zwischen zwei Regionalzeitungen, das auf die unterschiedliche Qualität der Zeitungen gestützt war.988 Ebenso wurde das Verbot der Meinungsäußerung eines Tierarztes über das Fehlen eines tierärztlichen Notdiensts im Rahmen eines Zeitungsberichts als unzulässig angesehen, auch wenn diese Äußerung „nicht völlig hinter sonstigen Beweggründen verschwindet“ und einen gewissen Werbeeffekt haben könnte.989 Auch die standesrechtliche Sanktionierung eines Augenarztes für die Mitwirkung an einem Zeitungsbericht über eine neue Operationsmethode, die ihn und seine hohe Erfolgsquote präsentierte, wurde als unverhältnismäßige Beschränkung eingestuft.990 Ebenfalls unverhältnismäßig war das Verbot der Berichterstattung über die schädlichen Effekte der Mahlzeiten aus Mikrowellen991 und das Verbot der Ausstrahlung eines Fernsehspots zugunsten des Tierschutzes gegen den Konsum von Fleisch als „politische Werbung“, wobei beide Meinungsäußerungen bereits nicht als kommerzielle Kommunikation eingestuft wurden.992 Die Einbeziehung von allgemeinen Werbeaussagen wie „bekömmlich“ für Kräuterlikör in den Anwendungs- und Verbotsbereich der Verordnung 1924/2006 mit der Folge eines absoluten Verbots solcher Werbeaussagen für Alkoholika hat der Gerichtshof unlängst im Interesse des Gesundheitsschutzes auch vor dem Hintergrund der unternehmerischen Freiheit als gerechtfertigt angesehen.993 Demgegenüber als verhältnismäßig gebilligt wurde das auf § 1 UWG a.F. gestützte 221 Verbot gegenüber einem Informationsdienst für den Drogerie- und Parfümerie-Fachhandel, einen kritischen Bericht über einen Kosmetik-Versandhändler („Club X“) zu verbreiten, der auf einen Einzelfall gestützt war.994 Ebenfalls gebilligt wurde das Verbot der Verbreitung eines Rundschreibens, mit dem ein ehemaliger Chefredakteur eines
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985 EuGH 26.6.1997 – C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 32 f. – Familiapress. 986 EGMR 5.11.2002 – App. No. 38743/97 – Slg. 2002-IX § 43 – Demuth/Schweiz; EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 71 – RTL; zum Schutz der Meinungsvielfalt auch EuGH 5.10.1994 – C-23/93 – Slg. 1994, I-4785 Tz. 17 f., 25 – TV 10. Unzulässig ist eine Verpflichtung heimischer Fernsehsender, ihre Produktionen nur bei inländischen Unternehmen in Auftrag zu geben, EuGH 25.7.1991 – C-353/89 – Slg. 1991, I-4069 Tz. 31 – Kommission/Niederlande. 987 Zur älteren Rechtsprechung siehe Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 412 ff. 988 EGMR 11.12.2003 – App. No. 39069/97 – Slg. 2003-XII, §§ 33 f. – Krone Verlag ./. Austria; skeptisch zu Beschränkungen vergleichender Werbung unter dem Gesichtspunkt des Art. 10 EMRK auch Ohly/Spence GRUR Int. 1999, 681, 698; vorsichtiger nunmehr Ohly GRUR 2004, 889, 895 Fn. 107. 989 EGMR 25.3.1985 – App. No. 8734/79 – Serie A Nr. 90 §§ 58 f. – Barthold/Deutschland = GRUR Int. 1985, 468. 990 EGMR 17.10.2002 – App. No. 37928/97 – NJW 2003, 497 § 53 – Stambuk/Deutschland. OLG Köln 18.7.2003 – Az. 6 U 23/03 – Tz. 10 (juris) versteht dies als Erlaubnis für Ärzte, in „angemessener Weise durch interessengerechte und sachangemessene, nicht irreführende Information auf seine Leistungen hinzuweisen und vor allen Dingen ein vorhandenes oder gar an ihn herangetragenes Informationsinteresse zu befriedigen“. 991 EGMR 25.8.1998 – App. No. 25181/94 – Slg. 1998-VI § 50 – Hertel/Schweiz. 992 EGMR 28.6.2001 – App. No. 24699/94 – Slg. 2001-VI §§ 74 ff. – VGT Verein gegen Tierfabriken/ Schweiz. 993 Siehe EuGH 6.9.2012 – C-544/10 – GRUR 2012, 1161 Tz. 41, 53, 59 – Deutsches Weintor. 994 EGMR 20.11.1989 – App. No. 10572/83 – Serie A Nr. 165 §§ 34 ff. – markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/Bundesrepublik Deutschland. In der Sache ging es offenbar um die Kampagne eines Brancheninformationsdiensts gegen einen Außenseiter, zum Fall Krüger GRUR 1989, 738, 740 ff.
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Nachrichtendienstes sich abfällig über den früheren Arbeitgeber äußerte und sich als Wettbewerber zu positionieren suchte.995 Auch das generelle Verbot der Bewerbung von Konkurswaren996 und die sehr weitgehenden Werbebeschränkungen für Tabak und Arzneimittel wurden gebilligt.997 Auch Werbeverbote für Anwälte998 wie etwa das Verbot einer Anwaltswerbung wurden gebilligt, in welcher in einer Fußnote auf die gesetzliche Höchstgebühr hingewiesen wurde, ohne jedoch zu erwähnen, dass diese Gebühr nur bei Streitwerten über 10.000 DM anfällt und Rechtsanwälte Gebühren in Höhe von 1/10 bis 10/ 10 der vollen Gebühr verlangen können, so dass ein Durchschnittsbürger, der keine schwierigen Rechenoperationen anstellen dürfte, irrtümlich davon ausgehen könnte, die Werbende sei in allen Angelegenheiten preiswerter als andere Rechtsanwälte, obwohl die Gebühren bei niedrigen Streitwerten zum Teil erheblich über den gesetzlich zulässigen Gebühren lagen.999 Ebenso zulässig ist das Verbot der Bezeichnung eines Anwalts als „Verkehrsrechtsspezialist“, das auf den fehlenden Nachweis entsprechender Sachkenntnis des Anwalts gestützt wurde.1000 Keine Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit liegt ferner in der Anwendung von Wettbewerbsregeln, die im Interesse des freien Handels zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen ein System der vertikalen Preisbindung verbieten, das eine Quersubventionierung weniger ertragsstarker Verlagsprodukte durch ertragsstarke Werke sicherstellen soll.1001 Auch Werbebeschränkungen im Fernsehen zum Schutz der Verbraucher1002 wie etwa das Verbot von Product-Placement durch die Richtlinie 2010/13/EU sind mit der Meinungsfreiheit vereinbar.1003 Gleiches gilt für das Verbot unverlangter E-Mail-Werbung.1004 Schließlich stellen auch Offenlegungspflichten für Unternehmen1005 und urheberrechtliche Ausschließ-
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995 EGMR 23.6.1994 – App. No. 15088/89– Serie A Nr. 291-A § 29 f. – Jacubowski/Deutschland = NJW 1995, 1857 (allerdings mit dem Hinweis, dass vor allem die wettbewerbliche Zielsetzung, nicht die Kritik am früheren Arbeitgeber verboten werden durfte). 996 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 47, 50 ff. – Karner; überzeugender Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 8.4.2003 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 Tz. 81 ff., 86 – Karner. 997 Zu weitgehenden Werbebeschränkungen EuGH (Große Kammer) 12.12.2006 – C-380/03 – Slg. 2006, I-11573 Tz. 156 f. – Deutschland/Parlament und Rat; EGMR 5.3.2009 – App. No. 13353/05 – §§ 48 ff. – Hachette Filipacchi Presse Automobile/Frankreich (beide Tabak); siehe auch BGH GRUR 2011, 631 Tz. 21 ff. – Unser wichtigstes Cigarettenpapier (Imagewerbung von Tabakherstellern); EuGH 2.4.2009 – C-421/07 – Slg. 2009, I-2629 Tz. 28 – Damgard (Arzneimittel). 998 Zur Zulässigkeit EGMR 23.2.1994 – App No. 15450/89 – Serie A Nr. 285 § 51 – Casado Coca/Spanien; EGMR 23.10.2007 – App. No. 7969/04 – GRUR-RR 2009, 173, 174 – Brzank/Deutschland; monographisch Döbbelt Werbebeschränkungen im anwaltlichen Berufsrecht (2008). 999 EGMR 23.10.2007 – App. No. 7969/04 – GRUR-RR 2009, 173, 174 – Brzank/Deutschland. 1000 EGMR 23.10.2007 – App. No. 2357/05 – GRUR-RR 2009, 175, 176 – Heimann/Deutschland. 1001 EuGH 17.1.1984 – 43/82 und 63/82 – Slg. 1984, 19 Tz. 34 – VBVB und VBBB/Kommission; zum Vorbehalt des Wettbewerbsrechts der Union auch die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 21: „unbeschadet der Beschränkungen, die die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Genehmigungsregelungen nach Artikel 10 Absatz 1 Satz 3 der EMRK einzuführen, durch das Wettbewerbsrecht der Union erfahren kann“. 1002 EuGH 23.10.2003 – C-245/01 – Slg. 2003, I-12489 Tz. 71 f. – RTL; siehe auch EuGH 25.7.1991 – C-288/89 – Slg. 1991, I-4007 Tz. 28 f. – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda. 1003 Ausführlich Emrich EU- und nationalrechtliche Liberalisierung des Product Placement im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen sowie für Spielfilme (2011). 1004 LG Berlin MMR 1999, 43, 45. Zum Schutz vor unerwünschter Werbung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG) siehe auch Anhang I Nr. 26 RL 2005/29/EG und der in Anhang I Nr. 26 Satz 2 und in Erwägungsgrund 14 Satz 8 RL 2005/29/EG vorbehaltene Art. 13 Abs. 3 RL 2002/58/EG mit dortigem Erwägungsgrund 42. Zur Vereinbarkeit des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG mit der Richtlinie 2005/29/EG BGH 10.2.2011 – I ZR 164/09 – NJW 2011, 2657 Tz. 23 ff. – Double-opt-in-Verfahren; siehe auch bereits BGH 10.12.2009 – I ZR 201/07 – MMR 2010, 183 Tz. 10 f. 1005 EuGH 23.9.2004 – C-435/02 und C-103/03 – Slg. 2004, I-8663 Tz. 47 – Axel Springer.
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lichkeitsrechte eine zulässige Beschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit dar.1006 4. Freiheit der Kunst und der Wissenschaft Artikel 13 EuGRCh Freiheit der Kunst und der Wissenschaft Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.
Die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit ist nur in der Grundrechtecharta ausdrücklich 222 verbürgt, während sie in der EMRK als Teil der Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK) anerkannt war.1007 Auch nach den Erläuterungen zur Charta leitet sich das Recht „in erster Linie aus der Gedankenfreiheit und der Freiheit der Meinungsäußerung ab“, und es unterliegt denselben (Art. 10 Abs. 2 EMRK) Einschränkungen.1008 Aus der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit dürften sich daher für die Zwecke des Lauterkeitsrechts keine über die allgemeine Meinungsfreiheit hinausgehenden Garantien ableiten lassen. Allerdings ist der wissenschaftliche oder künstlerische Zweck der Äußerung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. 5. Freiheit der unternehmerischen Betätigung Artikel 16 EuGRCh Unternehmerische Freiheit Die unternehmerische Freiheit wird nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt.
a) Schutzbereich und Eingriff. Neben der Meinungsfreiheit betreffen lauterkeits- 223 rechtliche Regeln auch die durch Art. 16 EuGRCh garantierte unternehmerische Freiheit als spezielle Form der Berufsfreiheit (Art. 15 EuGRCh).1009 Art. 16 EuGRCh stützt sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur „Freiheit der Arbeit, des Handels und anderer Berufstätigkeiten“,1010 zur Vertragsfreiheit1011 und auf die primärrechtliche Garantie einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 119 Abs. 1 AEUV).1012 Der Schutzbe-
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1006 EuGH (Große Kammer) 12.9.2006 – C-479/04 – Slg. 2006, I-8089 Tz. 64 f. – Laserdisken (Eingriff offen gelassen, jedenfalls gerechtfertigt); bereits die Beeinträchtigung ablehnend Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 4.5.2006 – C-479/04 – Slg. 2006, 8089 Tz. 65 – Laserdisken. Zu weitgehende Durchsetzungsbefugnisse können aber die Informationsfreiheit verletzen, EuGH 24.11.2011 – C-70/10 – GRUR Int. 2012, 153 Tz. 52 – Scarlet Extended. 1007 Zur Kunstfreiheit EGMR 24.5.1988 – App. No. 10737/84 – Serie A Nr. 133, §§ 27, 33 – Müller u.a./Schweiz; zur Wissenschaftsfreiheit EGMR 28.10.1999 – App. No. 28386/95 – Slg. 1999-VII § 8, 36 ff. – Wille/Liechtenstein; Jarass Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010), Art. 13 Rn. 1. 1008 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 22. 1009 Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 15.6.2000 – C-376/98 – Slg. 2000, I-8423 Tz. 151 f. – Deutschland/Parlament und Rat; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.10.2010 – C-316/09 – Tz. 83 – Merckle. Für einen Vorrang des Art. 16 EuGRCh bei gesellschaftsrechtlichen Offenlegungspflichten, die keinen „hinreichend direkten und speziellen Zusammenhang mit einer Tätigkeit auf[weisen], die unter die Freiheit der Meinungsäußerung fällt“ EuGH 23.9.2004 – C-435/02 und C-103/03 – Slg. 2004, I-8663 Tz. 47 – Axel Springer. 1010 EuGH 14.5.1974 – 4/73 – Slg. 1974, 491 Tz. 14 – Nold; EuGH 27.9.1979 – 230/78 – Slg. 1979, 2749 Tz. 20, 31 – SpA Eridania; EuGH 23.9.2004 – C-435/02 und C-103/03 – Slg. 2004, I-8663 Tz. 48 – Axel Springer; zur Berufsfreiheit auch EuGH 13.12.1979 – 44/79 – Slg. 1979, 3727 Tz. 32 – Hauer. 1011 EuGH 10.7.1991 – C-90/90 und C-91/90 – Slg. 1991, I-3617 Tz. 13 – Neu; EuGH 5.10.1999 – C-240/97 – Slg. 1999, I-6571 Tz. 99 – Kommission/Spanien; andeutungsweise auch EuGH 16.1.1979 – 151/78 – Slg. 1979, 1 Tz. 19 – Sukkerfabriken Nykoebing. 1012 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 23.
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reich der unternehmerischen Freiheit erfasst auch die unternehmerische Werbung und Information „als unerlässliche Bedingung für den Absatz eines Produkts“ und „typische Ausübungsform des unternehmerischen Grundrechts“.1013 Ebenfalls Teil der Unternehmerfreiheit ist der Schutz vertraulicher Unternehmensinformationen.1014 224
b) Rechtfertigung. Die Einschränkungen der Unternehmerfreiheit richten sich nach der allgemeinen Schrankenvorschrift des Art. 52 Abs. 1 EuGRCh.1015 Danach muss „jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten … gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten“. Zudem dürfen „unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit … Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen“. Dies entspricht im Wesentlichen der Judikatur des EuGH zur „Freiheit der Arbeit, des Handels und anderer Berufstätigkeiten“, die ebenfalls Beschränkungen unterworfen werden darf, „sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet“.1016 Zudem unterliegt die unternehmerische Freiheit wegen des Regelungs- und Ausgestaltungsvorbehalts im Tatbestand des Art. 16 EuGRCh – Anerkennung „nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten“ – von vorneherein dem Regelungszugriff des Gesetzgebers,1017 so dass ihr Schutz für die Belange des Lauterkeitsrechts regelmäßig nicht über die Garantien der Meinungsfreiheit hinausgehen dürfte.1018 6. Verbraucher- und Gesundheitsschutz
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Die Garantie eines hohen Gesundheitsschutz- (Art. 35 Satz 2 EuGRCh) und Verbraucherschutzniveaus (Art. 38 EuGRCh) stellen lediglich Grundsätze dar, die sich auf parallele Bestimmungen im AEUV (Art. 114 Abs. 3, 168 Abs. 1, 169 AEUV) stützen.1019 Als Grundsätze können sie zwar durch Akte der Gesetzgebung der Union und die Durchführungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten umgesetzt werden, aber vor Gericht „nur bei der Auslegung dieser Akte und bei Entscheidungen über deren Rechtmäßigkeit herangezogen werden“ (Art. 52 Abs. 5 EuGRCh). Sie vermitteln daher keine über die jeweiligen Le-
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1013 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.11.2010 – C-316/09 – Tz. 83 – Merckle. 1014 Vgl. EuGH 23.9.2004 – C-435/02 und C-103/03 – Slg. 2004, I-8663 Tz. 49 – Axel Springer. 1015 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 23. 1016 EuGH 23.9.2004 – C-435/02 und C-103/03 – Slg. 2004, I-8663 Tz. 48 – Axel Springer; bereits EuGH 14.5.1974 – 4/73 – Slg. 1974, 491 Tz. 14 – Nold: „Begrenzungen […], die durch die dem allgemeinen Wohl dienenden Ziele der Gemeinschaft gerechtfertigt sind, solange die Rechte nicht in ihrem Wesen angetastet werden“; zur Berufsfreiheit auch EuGH 11.7.1989 – C-265/87 – Slg. 1989, 2237 Tz. 15 – Schräder. 1017 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 23: „Dieses Recht wird natürlich unter Einhaltung des Unionsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ausgeübt“; Jarass Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010), Art. 16 Rn. 18. 1018 Vgl. BGH 18.11.2010 – I ZR 137/09 – GRUR 2011, 631 Tz. 28 – Unser wichtigstes Cigarettenpapier; OLG Hamburg 30.6.2009 – 3 U 13/09 – GRUR-RR 2010, 74, 78 – Läusemittel (abstrakter Gefährdungstatbestand des Art. 90 lit. f RL 2001/83/EG zum Schutz der öffentlichen Gesundheit verhältnismäßig); Köhler GRUR 2005, 273, 276 Fn. 31. Kritisch zur untergeordneten Bedeutung der Berufsfreiheit bei Werbebeschränkungen Behrens Die Liberalisierung des Fernsehwerberechts im Kontext der Rundfunkregulierung (2012), S. 133 f. 1019 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17, 27 f.
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gislativmaßnahmen hinausgehenden subjektiven Rechte,1020 so dass sich ihre Bedeutung in der Garantie des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes als Ziel der Unionsgesetzgebung auf dem Gebiet des Lauterkeitsrechts erschöpft.1021 V. Lauterkeitsrecht und Rechtsangleichung 1. Allgemeines. Obwohl die unmittelbare Relevanz des Lauterkeitsrechts für die Aus- 226 übung der Grundfreiheiten diese Materie wie kaum ein anderes Feld des Privatrechts für Rechtsangleichungsmaßnahmen prädestinierte und früh entsprechende Bemühungen einsetzten,1022 machte die Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Lauterkeitsrechts lange Zeit kaum Fortschritte.1023 Als Ursache wurden vor allem die grundlegenden Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten genannt, die durch den Beitritt der Common Law-Staaten im Jahr 1973 noch vertieft wurden.1024 Nach ersten Schritten auf dem Gebiet der irreführenden 1025 und vergleichenden1026 Werbung und maßgeblichen Fortschritten auf dem benachbarten Feld des Immaterialgüterrechts1027 hat das Lauterkeits-
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1020 Leible/Schäfer WRP 2012, 32, 35; siehe auch EuGH 7.3.1996 – C-192/94 – Slg. 1996, I-1281 Rn. 20 f. – El Corte Inglés (zu Art. 169 AEUV). 1021 Dazu bereits oben Rn. 64. 1022 Siehe das Kommissionsdokument „Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“, Dok. Nr. XIV/5593/68-D vom 11.4.1968, zitiert nach Schricker GRUR Int. 1973, 141, das auf rechtsvergleichenden Vorarbeiten aufbaute. Siehe auch die von Schricker GRUR Int. 1973, 141, 144 f. und Wadlow EIPR 2006, 433, 438 ff. auszugsweise wiedergegebenen Kommissionsdokumente „Angleichung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb – Zusammenfassender Bericht über die Stellungnahme maßgebender Industrie- und Handelsverbände im Gemeinsamen Markt“, Dok. Nr. 2.715/XIV/70-D vom 5.2.1970 und „Unlauterer Wettbewerb – Arbeitsdokument“, Dok. Nr. XLV/156/72-D vom 28.2.1972, mit denen die Kommission die Angleichung einleiten wollte. 1023 Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 330. 1024 Schricker GRUR Int. 1973, 141, 147. Zum rechtsvergleichenden Befund der damaligen Zeit siehe die im Auftrag der EWG-Kommission erstellten Arbeiten Ulmer Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der EWG, Bd. I, Vergleichende Darstellung mit Vorschlägen zur Rechtsangleichung (1965); Schricker/Wunderlich Bd. II/1, Belgien, Luxemburg (1967); Baeumer/van Manen, Bd. II/2, Niederlande (1967); Reimer Bd. III, Deutschland (1968); Kraßer Bd. IV, Frankreich (1967); Schricker Bd. V, Italien (1965); von Westerholt und Gysenberg Bd. VI, Vereinigtes Königreich (1981); Alexandridou Bd. VII, Griechenland (1994); de Oliveira Ascensão Bd. VII, Portugal (2005); siehe auch Ulmer GRUR Int. 1973, 135. Zur weiteren Entwicklung bis zum Erlass der ersten Richtlinie 1984 Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 330 f. Uneinheitlich wird bewertet, ob es erst durch den Beitritt der Common Law-Staaten zu unüberbrückbaren Differenzen zwischen den nationalen Rechtsordnungen kam oder ob diese bereits zwischen den ursprünglichen sechs EWG-Staaten existierten, so Wadlow EIPR 2006, 433, 438 ff. 1025 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19.9.1984, S. 17 (nunmehr aufgegangen in RL 2005/29/EG und RL 2006/114/EG). Der ursprüngliche Richtlinienvorschlag umfasste neben der irreführenden auch die unlautere Werbung, GRUR Int. 1980, 30. 1026 Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABl. L 290 vom 23.10.1997, S. 18. 1027 Siehe insbesondere die weitreichende Harmonisierung des Markenrechts durch die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. L 40 vom 11.2.1989, S. 1; nunmehr Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung), ABl. L 299 vom 8.11.2008, S. 25; zur Reform siehe den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung), KOM (2013) 162; und die Einführung der Gemeinschaftsmarke, Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABl. L 11 vom 14.1.1994, S. 1, nunmehr Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (kodifizierte Fassung), ABl. L 78 vom 24.3.2009, S. 1; zur
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recht allerdings spätestens mit Inkrafttreten der Richtlinie 2005/29/EG den Rückstand1028 aufgeholt, so dass die Rechtsharmonisierung durch europäisches Sekundärrecht heute den wichtigsten Einfluss des Unionsrechts auf das Lauterkeitsrecht ausmacht. Sie ist umso wichtiger für das nationale Recht, weil die Richtlinien im Unterschied zu den Grundfreiheiten auch ohne grenzüberschreitenden Bezug anzuwenden sind.1029 Rechtssystematisch lassen sich heute auf dem Gebiet des Sekundärrechts zwei Grup227 pen von Rechtsakten unterscheiden. Zum einen hat die Union nach ersten Schritten auf dem Gebiet der irreführenden1030 und vergleichenden1031 Werbung und der Preisangaben1032 mit Erlass der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in weiten Teilen eine Vollharmonisierung des Lauterkeitsrechts für Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern1033 vorgenommen und damit den Grundstein für ein allgemeines Europäisches Lauterkeitsrecht gelegt. 1034 Die Vorgaben dieser Richtlinie und der neu gefassten Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (RL 2006/114/EG) sind bei einer Vielzahl von Einzeltatbeständen des UWG zu beachten und werden daher im Rahmen dieses Abschnitts nur mit einer Fokussierung auf ihren Anwendungsbereich dargestellt. Zum anderen findet sich inzwischen eine kaum mehr überschaubare Vielzahl von medienspezifischen und sektorspezifischen Richtlinien und Verordnungen, die eine bestimmte Sachmaterie regulieren. Dieses sektorspezifische (besondere) Europäische Lauterkeitsrecht kann hier nur im Überblick dargestellt werden.1035 Für die Zukunft zeichnet sich ab, dass die Kommission auch dem Lauterkeitsrecht im unternehmerischen Verkehr stärkere Aufmerksamkeit widmet. So könnte nicht nur der Irreführungsschutz nach der Richtlinie 2006/114/EG überarbeitet werden,1035a sondern es wurde auch ein Grünbuch über unlautere Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel in Europa vorgelegt,1035b und auch auf dem Gebiet des Nachahmungsschutzes deuten sich Legislativinitiativen an.1035c 2. Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken 228
a) Entstehungsgeschichte. Herzstück der Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Lauterkeitsrechts ist die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie). Sie ist die Frucht einer durch ein Grünbuch zum Verbraucherschutz
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Reform siehe den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke, KOM (2013) 161. 1028 So noch die Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 330; siehe auch Schricker GRUR Int. 1990, 771, 772, der noch 1990 prognostizierte, man müsse für eine Angleichung „mit längeren Zeiträumen rechnen“. 1029 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 28 – Plus Warenhandelsgesellschaft. 1030 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19.9.1984, S. 17 (nunmehr aufgegangen in RL 2005/29/EG und RL 2006/114/EG). Der ursprüngliche Richtlinienvorschlag umfasste neben der irreführenden auch die unlautere Werbung, GRUR Int. 1980, 30. 1031 Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABl. L 290 vom 23.10.1997, S. 18. 1032 Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, ABl. L 80 vom 18.3.1998, S. 27. 1033 Art. 2 lit. d, Art. 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG. 1034 Siehe auch die weitreichende Harmonisierung des Markenrechts, Nachweise oben in Fn. 1027. 1035 Zu medienspezifischen Regeln unten Rn. 353–368, 382–392, 401–404, 424. 1035a Zur Überarbeitung der Richtlinie 2006/114/EG siehe KOM (2012) 702 S. 12 ff. 1035b KOM (2013) 37; dazu Witt/Freudenberg WRP 2013, 990. 1035c KOM (2011) 287.
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in der Europäischen Union1036 samt Mitteilung zu den Folgemaßnahmen1037 vorbereiteten und durch drei wissenschaftliche Studien1038 begleiteten Gesetzgebungsinitiative der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz,1039 die im Jahr 2003 in einen Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken mündete.1040 Während die parallel von der Generaldirektion Binnenmarkt lancierten Vorschläge für eine Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt1041 später aufgegeben wurden,1042 fand der Richtlinienvorschlag der Generaldirektion Verbraucherschutz breite Unterstützung1043 in Parlament1044 und Rat,1045 so dass bald ein Gemeinsamer Standpunkt vom Rat festgelegt werden konnte.1046 Dieser Standpunkt wurde von der Kommission unterstützt 1047 und auch im Parlament in zweiter Lesung trotz zahlreicher Änderungsanträge nur noch marginal geändert. 1048 Nachdem die Änderungen von Kommission1049 und Rat1050 akzeptiert wurden, ist die Richtlinie 2005/29/EG am 12. Juni
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1036 KOM (2001) 531. In der Sache zielte das Grünbuch allein auf die Regelung „lauterere/guter Geschäftspraktiken“, KOM (2001) 531 S. 2. Zum Grünbuch auch die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 1. 1037 KOM (2002) 289. 1038 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/dgs/health_consumer/library/surveys. 1039 Eingehend zur Entstehungsgeschichte MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 10 ff. 1040 KOM (2003) 356; dazu auch das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen SEK (2003) 724. Für eine Würdigung Keßler/Micklitz BB 2003, 2073; Schulte-Nölke/Busch ZEuP 2004, 99. 1041 Mitteilung der Kommission – Verkaufsförderung im Binnenmarkt, KOM (2001) 546; geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Verkaufsförderung im Binnenmarkt, KOM (2002) 585; siehe zuvor bereits das Grünbuch Kommerzielle Kommunikationen im Binnenmarkt, KOM (96) 192 und das dazugehörige Folgedokument KOM (98) 121; zu den Diskussionen Göhre WRP 2002, 36, 38 ff. 1042 KOM (2005) 462 S. 10 (Auflistung unter „Zurückzuziehende Vorschläge“). 1043 Siehe auch die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. C 108 vom 30.4.2004, S. 81. 1044 Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (KOM(2003) 356 – C5-0288/2003 – 2003/0134(COD)) vom 18.3.2004, A50188/2004 (mit Bekanntmachung ABl. C 104E vom 30.4.2004, S. 18); Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments, ABl. C 104E vom 30.4.2004, S. 260; zusammenfassend dazu (auch mit den Stellungnahmen der Kommission zu den Änderungsanträgen) das Ratsdokument Nr. 8492/04. 1045 2539. Tagung des Rates (Wettbewerbsfähigkeit (Binnenmarkt, Industrie und Forschung)) am 10. November 2003 in Brüssel, Ratsdokument Nr. 14132/03, S. 5; 2583. Tagung des Rates der Europäischen Union (Wettbewerbsfähigkeit (Binnenmarkt, Industrie und Forschung)) am 17. und 18. Mai 2004 in Brüssel, Ratsdokument Nr. 9586/04, S. 7 mit Anlage II und Entwurf für einen Gemeinsamen Standpunkt im Ratsdokument Nr. 9667/04; siehe auch das Papier der Ratspräsidentschaft, Ratsdokument Nr. 9475/04. Zu den einzelnen Ratsdokumenten siehe auch die Auflistung bei Gamerith WRP 2005, 391, 433 f. 1046 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005, ABl. C 38 E vom 15.2.2005, S. 1; Ratsdokument Nr. 14472/04, S. 7 mit Begründung im Ratsdokument Nr. 11630/04 ADD 1. 1047 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, KOM (2004) 753, S. 3. 1048 Bericht betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (2003/0134(COD)), A6-0027/2005 (mit Bekanntmachung ABl. C 304E vom 1.12.2005, S. 144 f.); Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments, A6-0027/2005, ABl. C 304E vom 1.12.2005, S. 351. 1049 KOM (2005) 96 S. 3. 1050 653. Tagung des Rates der Europäischen Union „Wettbewerbsfähigkeit“ (Binnenmarkt, Industrie und Forschung) AStV (1. Teil) am 6.4.2005 gebilligt AStV (1. Teil) am 13.4.2005 gebilligt, Ratsdokument Nr. 8078/05.
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2005 in Kraft getreten und seit dem 12. Dezember 2007 von den Mitgliedstaaten anzuwenden (Art. 19, 20 RL 2005/29/EG). Die Umsetzung und Anwendung der Richtlinie ist inzwischen Gegenstand erster Berichte.1051 Zwischenzeitlich liegen zudem (unverbindliche1052) Leitlinien der Kommission zur Anwendung der Richtlinie,1053 ein Bericht des Parlaments1054 und eine Datenbank1055 vor. b) Regelungsziele 229
aa) Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen. Ziel der auf die Binnenmarktkompetenz des Art. 114 AEUV gestützten Richtlinie 2005/29/EG ist es, „durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen“ (Art. 1 RL 2005/29/EG). Der Verbraucherschutz der Richtlinie 2005/29/EG zielt damit auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher,1056 indem die informierte geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers1057 vor einer Beeinflussung durch irreführende, aggressive oder anderweitig unlautere Geschäftspraktiken umfassend bewahrt wird.1058 Die Richtlinie dient nicht dem Schutz anderer als wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher wie dem Gesundheits- oder Datenschutz.1059
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bb) Verhältnis zur Binnenmarktintegration. Das Verhältnis der beiden Regelungsziele Binnenmarktintegration und Verbraucherschutz ist differenziert zu bestimmen. Soweit es um die externen Grenzen der Richtlinie geht, hat die Marktintegration Vorrang
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1051 Siehe etwa Čeponytė/Schulte-Nölke/Busch Briefing Paper – Transposition and Enforcement of the Directive on unfair commercial practices (2005/29/EC) and the Directive concerning misleading and comparative advertising (2006/114/EC), http://www.europarl.europa.eu/committees/en/studiesdownload. html?languageDocument=EN&file=23131; Henning-Bodewig GRUR Int. 2010, 549, 559. Siehe auch den Bericht (Art. 18 RL 2005/29/EG) der Kommission (…) Erster Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG (…) über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (…), KOM (2013) 139 sowie die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – Stärkung des Verbraucherschutzes Vertrauensbildung im Binnenmarkt, KOM (2013) 138. 1052 OLG Brandenburg 26.6.2012 – 6 W 72/12 – Tz. 18 (juris). 1053 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, SEK (2009) 1666; dazu Blank/Tenkhoff GRURPrax 2010, 95. 1054 Bericht über die Umsetzung, Durchführung und Durchsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung, A6-0514/ 2009 und die Entschließung P6_TA(2009)0008. 1055 https://webgate.ec.europa.eu/ucp/public/index.cfm?event=public.home.show. 1056 Art. 1, Erwägungsgrund 6 Satz 1, 8 Satz 1 RL 2005/29/EG. Zum „hohen Verbraucherschutzniveau“ und möglichen Konsequenzen für das Verbraucherleitbild oben Rn. 154 und Scherer WRP 2013, 977 gegenüber Holm WRP 2013, 710. 1057 Art. 2 lit. e, j, k RL 2005/29/EG. Kritisch zum Begriff Bornkamm WRP 2012, 1 Fn. 1: „Nicht die Entscheidung kann informiert sein, sondern nur der Entscheidungsträger“. Die Regeln über aggressive Geschäftspraktiken schützen neben der Entscheidungs- auch die Verhaltensfreiheit des Verbrauchers (vgl. Art. 8 RL 2005/29/EG). 1058 Zum umfassenden Schutz des Verbrauchers als „wirtschaftlich schwächer[e] und rechtlich weniger erfahren[e]“ Partei EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Tz. 35 – BKK Mobil Oil. Siehe auch MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 39 ff., der neben der Freiheit der Entscheidungsfindung Markttransparenz und Verbraucherinformation als Schutzzwecke nennt. 1059 Siehe Art. 3 Abs. 3, Erwägungsgrund 14 Satz 8 RL 2005/29/EG.
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vor dem Verbraucherschutz, weil Art. 4 RL 2005/29/EG den Mitgliedstaaten verbietet, den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr aus Gründen einzuschränken, „die mit dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich zusammenhängen“. Mit dieser Binnenmarktklausel wird klargestellt, dass die Richtlinie auf eine Vollharmonisierung der Vorschriften zielt, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, so dass es den Mitgliedstaaten untersagt ist, weitergehende Verbraucherschutzvorschriften beizubehalten. 1060 Innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie allerdings, also bei der Auslegung der harmonisierten Bestimmungen, sind die Ziele eines hohen Verbraucherschutzniveaus und des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes gleichgewichtig, weil der Schutz der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers sich in die Zielvorstellung eines unverzerrten Wettbewerbs im Binnenmarkt durch Schutz der wirtschaftlich unverzerrten Konsumentenentscheidungen einfügt.1061 Deshalb steht es auch nicht im Widerspruch zum Ziel der Binnenmarktintegration, wenn der EuGH das Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus bei der Auslegung der Einzelvorschriften heranzieht.1062 cc) Mittelbarer Schutz rechtmäßig handelnder Mitbewerber. Dem Schutz recht- 231 mäßig handelnder Mitbewerber dient die Richtlinie nur mittelbar, indem sie ihnen ein gerichtliches oder behördliches Initiativrecht einräumt (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 RL 2005/29/ EG), um gegen Rechtsverstöße ihrer Konkurrenten vorzugehen, damit lauterer Wettbewerb in dem durch die Richtlinie koordinierten Bereich gewährleistet wird.1063 Der Hinweis auf den lauteren Wettbewerb und das Klagerecht der Mitbewerber zeigen immerhin, dass der Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher nicht isoliert zu sehen ist, sondern sich in die Zielvorstellung eines unverzerrten Wettbewerbs im Binnenmarkt einfügt.1064
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1060 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 41 – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 30 – Mediaprint; EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – GRUR Int. 2011, 853 Tz. 33 – Wamo. Deshalb liegt in Art. 4 RL 2005/29/EG auch keine Festschreibung der CassisDoktrin, denn der Rückgriff auf die zwingenden Erfordernisse des Verbraucherschutzes und des lauteren Handelsverkehrs zur Rechtfertigung nationaler Grundfreiheitsbeschränkungen ist im Bereich sekundärrechtlicher Vollharmonisierung ausgeschlossen, Leistner ZEuP 2009, 56, 67 Fn. 58. 1061 Erwägungsgrund 8 Satz 2 RL 2005/29/EG; vgl. auch Veelken WRP 2004, 1, 4 f.; Leistner ZEuP 2009, 56, 59 f.; Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 279 ff., 487 ff.; ders./Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1313 f.; MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 45; etwas enger Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 83: „übergeordneter Regelungszweck der UGP-RL allein das Ziel der Binnenmarktharmonisierung“. 1062 EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – GRUR 2011, 930 Tz. 29 – Ving Sverige. Zur Diskussion um einen Auslegungsgrundsatz „im Zweifel für den Verbraucher“ im Verbrauchervertragsrecht Tonner EuZW 2002, 403 f.; Rösler Europäisches Konsumentenvertragsrecht (2004), S. 6 f.; ders. RabelsZ 71 (2007) 495, 506 f. einerseits und Riesenhuber Die Auslegung in: Riesenhuber (Hrsg.) Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. (2010), § 11 Rn. 54 ff. andererseits. Auch ein Grundsatz „im Zweifel für die Marktfreiheit“ (Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 21.10.2008 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 81 – VTBVAB und Galatea) dürfte sich infolge der Verpflichtung auf ein hohes Verbraucherschutzniveau nicht aus der Richtlinie 2005/29/EG ableiten lassen, Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 86. 1063 Erwägungsgrund 6 Satz 1, 8 Satz 2 RL 2005/29/EG. Fezer WRP 2010, 677, 680 sieht im Mitbewerberschutz lediglich einen „objektiven Reflex“ zum Verbraucherschutz. Zum Mitbewerberschutz siehe auch die Vorschläge im Grünbuch über unlautere Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel in Europa, KOM (2013) 37, dazu Witt/Freudenberg WRP 2013, 990. 1064 Veelken WRP 2004, 1, 4 f.; Leistner ZEuP 2009, 56, 59 f.; Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht (2006), S. 279 ff., 487 ff.; ders./Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1313 f.; Brömmelmeyer GRUR 2007, 295 ff.
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dd) Allgemeininteressen. Abgesehen von der Binnenmarktintegration erwähnt die Richtlinie nicht explizit den Schutz von Allgemeininteressen. Insofern empfiehlt sich eine Differenzierung. Soweit es um den Schutz des lauteren Wettbewerbs als Allgemeininteresse geht, so ergibt sich aus Erwägungsgrund 8 Satz 2 RL 2005/29/EG, dass die Richtlinie durch den mittelbaren Schutz rechtmäßig handelnder Mitbewerber „einen lauteren Wettbewerb in dem durch sie koordinierten Bereich“ gewährleisten soll. Zum Schutz anderer Allgemeininteressen finden sich in der Richtlinie kaum explizite Regeln. In erster Linie handelt es sich um Ausschlusstatbestände, so dass Allgemeininteressen über von der Richtlinie unberührte Nebengesetze1065 oder durch Ausnahmen zugunsten der Regelungshoheit der Mitgliedstaaten1066 verfolgt werden können.1067 Soweit im Zusammenhang mit dem Schutz der wirtschaftlichen Verbraucherinteressen Allgemeininteressen relevant werden, dürften sie – etwa über eine Rückbindung an die Garantien der Unionsgrundrechte – auf die Auslegung der Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG ausstrahlen („berufliche Sorgfalt“).1068
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ee) Kritik. Die Orientierung an der wirtschaftlich unverzerrten Konsumentenentscheidung als Leitmotiv der Richtlinie 2005/29/EG ist in jüngerer Zeit Gegenstand der Kritik. Verwiesen wird auf jüngere Erkenntnisse der behavioral economics, die dem Informationsmodell der Richtlinie und den damit verbundenen weitreichenden Informationspflichten (vgl. Art. 7 Abs. 4 und 5 RL 2005/29/EG) widersprächen, da ein solcher information overload vom Verbraucher nicht verarbeitet werden könne.1069 Auch seien in noch stärkerem Maße als vorgesehen (vgl. Art. 5 Abs. 3 RL 2005/29/EG) gruppen- und situationsabhängige Differenzierungen vorzusehen oder die vorgesehenen Differenzierungskriterien zu überprüfen.1070 Zudem seien die starren Informationspflichten der Richtlinie (vgl. Art. 7 Abs. 4, 5 RL 2005/29/EG) zugunsten flexibleren Richterrechts zu öffnen, um eine Überregulierung zu vermeiden.1071 Der Kritik ist zuzugeben, dass eine stärker empirie- und wirkungsorientierte Gesetz234 gebung ohne Zweifel wünschenswert ist.1072 Insbesondere dürften die umfangreichen vorvertraglichen Informationen heutzutage eher von klageinteressierten Mitbewerbern und Fachverbänden denn von Verbrauchern rezipiert werden. Auch verdient die Forderung nach hinreichendem Raum für die Rechtsprechung zur Konkretisierung des Lauterkeitsrechts uneingeschränkte Zustimmung.1073 Darüber hinaus sollte aber nicht vergessen werden, dass die Regeln des Europäischen Lauterkeitsrechts in allen Mitgliedstaaten und allen Gerichtssystemen subsumierbar bleiben müssen. Eine stärkere Flexibilisierung der lauterkeitsrechtlichen Normen hätte wohl in erster Linie nicht einen größeren
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1065 Z.B. der Jugendschutz über die Richtlinie 2010/13/EU. 1066 Etwa die „Kulturklausel“ in Erwägungsgrund 7 Satz 2–4 oder die zahlreichen Ausnahmen in Erwägungsgrund 9 Satz 2: Sicherheit und Gesundheitsschutz, Glücksspiel, Wettbewerbsregeln. 1067 Siehe unten Rn. 281–293. 1068 Siehe oben Rn. 68. 1069 Leistner ZEuP 2009, 56, 74 f. 1070 Zur Kritik Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 121 f.; Leistner ZEuP 2009, 56, 72 ff.; ausführlich ders. ZGE 2009, 3, 41 ff.; ders. in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.) Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht (2011), S. 122, 167 f.; Glöckner Europäisches Lauterkeitsrecht in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.) Europarecht – Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2. Aufl. (2010) § 17 Rn. 54; Leible/Schäfer WRP 2012, 32. Speziell zum Belästigungsschutz Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 666 ff. 1071 Leistner ZGE 2009, 3, 46. 1072 So auch Leistner ZGE 2009, 3, 54: Schwerpunkt „ersichtlich im legislativen Bereich“. 1073 Leistner ZGE 2009, 3, 56.
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Einfluss der Rechtsempirie zur Folge, sondern vor allem eine uneinheitliche, möglicherweise sogar willkürliche Auslegung der offenen Tatbestände durch nationale Gerichte, die letztlich den Harmonisierungseffekt kompromittieren könnte. Dies gilt auch für Regeln über Informationspflichten, bei denen im Zweifel durch 235 eine detaillierte (und so weit wie möglich abschließende) Regelung mehr europaweite Einheitlichkeit hergestellt werden kann als durch offene Generalklauseln, die die nationalen Gerichte zur Fortschreibung ihrer bisherigen Rechtsprechung unter neuem Oberbegriff einladen. Auch ist nicht zu verkennen, dass die Bemühungen um einen more economic approach im Kartellrecht eher auf reservierte Skepsis denn auf offene Begeisterung beim Gerichtshof gestoßen sind.1074 Und schließlich lassen sich die Ziele der europäischen Gesetzgebung nicht allein auf (verhaltens-)ökonomische Kriterien reduzieren, denn es geht – ganz abgesehen von der Ausdifferenzierung in Art. 2 und 3 EUV – auch bei der Binnenmarktintegration mindestens ebenso sehr um Integration wie um Binnenmarkt, so dass sogar aus Sicht der Ökonomik problematische Maßnahmen wie eine Preisregulierung durch die Binnenmarktkompetenz gerechtfertigt sein können.1075 c) Harmonisierungstiefe und Binnenmarktklausel. Gemäß Art. 4 RL 2005/29/EG 236 dürfen die Mitgliedstaaten „den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Warenverkehr nicht aus Gründen, die mit dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich zusammenhängen, einschränken“. Innerhalb ihres sachlichen Anwendungsbereichs zielt die Richtlinie 2005/29/EG damit auf eine Vollharmonisierung,1076 so dass es den Mitgliedstaaten untersagt ist, über das Schutzniveau der Richtlinie hinauszugehen.1077 Dies gilt nicht nur für Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit und des Warenverkehrs i.S.d. Beeinträchtigungsbegriffs der Grundfreiheiten, sondern auch für andere Regeln, die als Verkaufsmodalitäten i.S.d. Keck-Doktrin oder mangels einer Marktzugangsbehinderung oder mangels eines grenzüberschreitenden Bezugs die Schwelle zur Beeinträchtigung der Grundfreiheiten nicht überschreiten.1078
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1074 Zu Art. 101 AEUV EuGH 4.6.2009 – C-8/08 – Slg. 2009, I-4529 Tz. 29 ff. – T-Mobile Netherlands: konkrete Auswirkungen einer abgestimmten Verhaltensweise brauchen nicht berücksichtigt zu werden, wenn die abgestimmte Verhaltensweise eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt; EuGH 6.10.2009 – C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/06 P und C-519/06 P – Slg. 2009, I-9291 Tz. 63 – GlaxoSmithKline: Schutz auch der Marktstruktur durch Art. 101 AEUV; zu Art. 102 AEUV EuGH 15.3.2007 – C-95/04 P – Slg. 2007, I-2331 Tz. 106 – British Airways; EuGH 17.2.2011 – C-52/09 – EuZW 2011, 339 Tz. 24 – TeliaSonera; ausführlich Frenz WRP 2013, 428. 1075 EuGH (Große Kammer) 8.6.2010 – C-58/08 – Slg. 2010, I-4999 Tz. 47 – Vodafone. 1076 Zur Unterscheidung des sachlichen Anwendungsbereichs und des Harmonisierungsgrads von Richtlinien wird in der Literatur eine uneinheitliche Terminologie verwendet, siehe den Überblick bei Schaub ZEuP 2011, 41, 43; allgemein zur Vollharmonisierung Reich ZEuP 2010, 7. 1077 EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 41 – VTB-VAB; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 41 – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 30 – Mediaprint; EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – GRUR Int. 2011, 853 Tz. 33 – Wamo. Siehe auch Erwägungsgrund 12 Satz 1 („an einem einzigen Rechtsrahmen zu orientieren“), Erwägungsgrund 13 Satz 1 („die in den Mitgliedstaaten existierenden Generalklauseln und Rechtsgrundsätze zu ersetzen“), Erwägungsgrund 14 Satz 5 („in dieser Richtlinie vorgesehene vollständige Angleichung“) und Erwägungsgrund 15 Satz 4 RL 2005/29/EG („durch diese Richtlinie eingeführten vollständigen Angleichung“). 1078 Piper/Ohly/Sosnitza Einf C Rn. 74; siehe auch Leistner ZEuP 2009, 56, 71, der auch bei den aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommenen „gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands“ (Erwägungsgrund 7 Satz 3 RL 2005/29/EG) die Ausnahme von Verkaufsmodalitäten aus der Grundfreiheitenkontrolle nicht mehr anwenden will. Darüber hinaus wird aus Art. 4 RL 2005/29/EG z.T. abgeleitet, dass bei den befristet zugelassenen strengeren Regeln (Art. 3 Abs. 5 RL 2005/29/EG) der Verweis auf die Grundfreiheiten dergestalt modifiziert wird, dass auch
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Weitergehende nationale Vorschriften sind daher nur mit der Richtlinie vereinbar, soweit sie aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind1079 oder sich im Rahmen der Öffnungsklauseln zur Mindestharmonisierung (Art. 3 Abs. 5, Art. 3 Abs. 8 und Art. 3 Abs. 9 RL 2005/29/EG1080) bewegen. Gewisse implizite Grenzen der Vollharmonisierung ergeben sich zudem durch die faktische Delegation von Regelungsautonomie an mitgliedstaatliche Gerichte, denen es der EuGH zumindest in der Anwendung im Einzelfall überlassen wird, die offenen Tatbestände der Richtlinie, insbesondere die Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG, anhand der unionsrechtlichen Vorgaben zu konkretisieren.1081 Zudem beschränkt sich die Richtlinie auch bei den Rechtsfolgen nach dem Vorbild der Irreführungsrichtlinie 2006/114/EG auf eine Mindestharmonisierung1082 (Art. 11, 12 RL 2005/29/EG) und überlässt die Ausgestaltung der Sanktionen – in den allgemeinen Grenzen des Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatzes – den nationalen Gesetzgebern.1083 Wie gezeigt liegt der Sinn der Binnenmarktklausel in Art. 4 RL 2005/29/EG zu238 nächst darin, für den Anwendungsbereich der Richtlinie das Ziel der Vollharmonisierung auszusprechen. Demgegenüber kann Art. 4 RL 2005/29/EG nicht entnommen werden, dass über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinaus auch in einem benachbarten „Zusammenhangsbereich“ die Rechtfertigung von Grundfreiheitsbeschränkungen durch Rückgriff auf die zwingenden Erfordernisse ausgeschlossen sein soll.1084 Gegen eine solche Auslegung spricht – abgesehen vom engeren Wortlaut der englischen und französischen Sprachfassung1085 – vor allem, dass die Verbotstatbestände der Richtlinie auf den Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen zugeschnitten sind. Erstreckte man die Vollharmonisierung nun auch auf mitgliedstaatliche Regeln, die anderen Zwecken als dem Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen dienen, so würde dies nicht nur die expliziten Anwendungsbereichsausnahmen der Richtlinie missachten (Art. 3 Abs. 3 RL 2005/29/EG).1086 Zudem käme es entweder zu einer – von der Richtlinie nicht
_____ Verkaufsmodalitäten der Verhältnismäßigkeitsprüfung genügen müssen, Ohly WRP 2006, 1401, 1412. M.E. ergibt sich dies bereits aus unmittelbar aus Art. 3 Abs. 5 RL 2005/29/EG: „Diese Maßnahmen müssen unbedingt erforderlich sein“. BTDrucks. 16/10145 S. 15 sieht in Art. 4 RL 2005/29/EG nur einen deklaratorischen Hinweis auf die Grundfreiheiten. 1079 Insbesondere nicht dem Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen dienen, z.B. gesundheitsbezogene Vorschriften (Art. 3 Abs. 3 RL 2005/29/EG), oder das Vertragsrecht (Art. 3 Abs. 2 RL 2005/29/EG), das mittelbar über Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2005/29/EG die „Verpflichtungen des Gewerbetreibenden“ definieren kann. 1080 Siehe auch Erwägungsgrund 14 Satz 4 zu nationalen Kennzeichnungsvorschriften. 1081 Vgl. zu Tatsachenfragen EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 33 – L’Oréal; für die „konkrete Prüfung des Grades an Substitution“ i.S.d. Art 4 lit. b RL 2006/114/EG EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 33 – Lidl SNC. Zur Anwendung und Auslegung des Unionsrechts oben Rn. 16–33. 1082 Dazu Alexander GRUR Int. 2005, 809. 1083 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 14.2.2012 – C-618/10 – Tz. 104 f. – Calderón Camino; BGH 23.10.2008 – IX ZR 111/07 – ZIP 2009, 37 Tz. 10 (zur insolvenzrechtlichen Qualifikation von Gewinnzusagen); Augenhofer WRP 2006, 169, 173. Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 136 gehen davon aus, dass die Richtlinie auch die Wahl zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Durchsetzung lasse; kritisch Köhler/Lettl WRP 2003, 1019, 1047 f.; weniger kritisch Leistner ZEuP 2009, 56, 80. 1084 So Veelken WRP 2004, 1, 14; Gamerith WRP 2005, 391, 409, 411. 1085 „Reasons falling within the field approximated by this Directive“; „raisons relevant du domaine dans lequel la présente directive vise au rapprochement des dispositions en vigueur“. 1086 Auch mag man zweifeln, ob ein sinnvoller Anwendungsbereich für ein Anerkennungsprinzip jenseits des angeglichenen Bereichs erkennbar ist, Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S. 391 f.
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bezweckten – generellen Unzulässigkeit der Beschränkung von Geschäftspraktiken aus anderen Gründen als zum Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen, 1087 oder es müssten solche Praktiken etwa zum Gesundheits- oder Mitbewerberschutz generell an der Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG gemessen werden, die darauf nicht ausgerichtet ist. Schließlich wird diskutiert, ob Art. 4 RL 2005/29/EG ein sachrechtliches Her- 239 kunftslandprinzip zu entnehmen ist, das einen wettbewerbsrechtlichen Günstigkeitsvergleich zwischen Marktort- und Herkunftslandrecht erforderlich macht.1088 Auf den ersten Blick erscheint diese Diskussion durch die Vollharmonisierung obsolet. Andererseits zeigt die Erfahrung mit anderen vollharmonisierenden Rechtsakten, dass sich regelmäßig trotz der Vollharmonisierung bei der Anwendung der jeweiligen nationalen Umsetzungsnormen als Teil des Marktortrechts (Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO)1089 Unterschiede im Vergleich zur Auslegung und Anwendung des harmonisierten Rechts im Herkunftsland ergeben können. Zwar sind solche Unterschiede in erster Linie durch Vorlagefragen an den Gerichtshof aufzulösen. 1090 Indes lassen sich die Divergenzen auf diesem Weg nicht in allen Fällen ausräumen, sei es weil eine Vorlage aus prozessualen Gründen untunlich ist (z.B. im Eilrechtsschutz), sei es aber auch, weil der Gerichtshof – selbst wenn man von einer uneingeschränkten Konkretisierungskompetenz bei Generalklauseln ausgeht – die Subsumtion im Einzelfall regelmäßig den nationalen Gerichten überlässt.1091 Allerdings lässt sich in einem solchen Fall aus Art. 4 RL 2005/29/EG keine Verpflich- 240 tung auf die Auslegungspraxis des Herkunftsstaates ableiten. Gegen eine solche Lesart spricht – abgesehen von Gründen der Prozessökonomie (Ermittlung ausländischer Anwendungspraxis auch in Eilverfahren) – nicht nur der Umstand, dass das im ursprünglichen Kommissionsvorschlag noch vorgesehene Herkunftslandprinzip im Gesetzgebungsverfahren gestrichen wurde.1092 Es kommt hinzu, dass grundsätzlich die Gerichte der Mitgliedstaaten in eigener Verantwortung zur Auslegung des Unionsrechts verpflichtet sind, ohne an die Auslegungspraxis anderer Mitgliedstaaten gebunden zu sein. Würde man in grenzüberschreitenden Fällen der Auslegung des Herkunftsmitgliedstaates gegenüber derjenigen des Marktortes den Vorzug geben, so hätte dies zwar eine einheitliche Praxis im Marktort- und im Herkunftsstaat zur Folge, allerdings um den Preis einer uneinheitlichen Auslegung desselben Unionsrechtsaktes innerhalb des Marktortstaates, was den Gedanken der Einheitlichkeit der Wettbewerbsregelung1093 für alle Marktteil-
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1087 Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 209. 1088 Abbamonte The Unfair Commercial Practices Directive and its General Prohibition in: Weatherhill/Bernitz (Hrsg.) The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29/EC (2007), S. 11, 19; tendenziell auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 88; ausführlich Klass Einleitung D Rn. 154. 1089 Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 142 f.; siehe auch KOM (2004) 753, S. 5. 1090 Ohly WRP 2006, 1401, 1412; Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 300 f.; Leistner ZEuP 2009, 56, 67 f.; Busch Unlauterer Wettbewerb in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.) Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 25 Rn. 39. 1091 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 88, der auf die Freiburger KommunalbautenRechtsprechung verweist. Selbst wenn man diese nicht auf das Lauterkeitsrecht übertragen will, bleibt die Tatsachenermittlung und Subsumtion im Einzelfall Aufgabe der nationalen Gerichte und kann daher unterschiedlich gehandhabt werden. 1092 Zur Streichung des Art. 4 Abs. 1 des ursprünglichen Kommissionsvorschlags siehe die Ratsdokumente Nr. 9217/04 S. 3, Nr. 8821/04, Nr. 7799/04 und Nr. 5668/04. 1093 Der Art. 6 Rom II-VO zugrunde liegt, vgl. KOM (2003) 427 S. 17: „Die Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb sollen einen fairen Wettbewerb sicherstellen, indem für alle Wettbewerber dieselben Regeln gelten“.
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nehmer untergraben würde. Erwägen mag man allenfalls, nach gerichtlicher oder behördlicher Überprüfung der Geschäftspraktik in einem Mitgliedstaat eine Vermutung der Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2005/29/EG anzunehmen,1094 die allerdings aus prozessualen Gründen der Rechtskraftbeschränkung und des fairen Verfahrens für personenverschiedene Verfahrensbeteiligte allenfalls indizielle Wirkung für Folgeverfahren in anderen Staaten haben kann. d) Systematische Stellung innerhalb des Unionsrechts. Zumindest im Verhältnis zu den verbraucherschützenden Vorschriften des Europäischen Lauterkeitsrechts stellt die Richtlinie 2005/29/EG regelungstechnisch den allgemeinen Teil dar.1095 So gehen einerseits gemäß Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG andere Rechtsvorschriften der Union, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, der Richtlinie 2005/29/EG vor (Erwägungsgrund 10 Satz 3 RL 2005/29/EG).1096 Sieht der speziellere Rechtsakt allerdings nur eine Mindestharmonisierung der Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, so bewirkt die Richtlinie 2005/29/EG – nach Ablauf der Übergangszeit (Art. 3 Abs. 5 RL 2005/29/EG) – eine Vollharmonisierung der Materie,1097 denn sonst wären die expliziten Öffnungsklauseln für die Mindestharmonisierung in Art. 3 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 9 RL 2005/29/EG überflüssig.1098 242 Der Gedanke eines allgemeinen Teils spiegelt sich auch in der Funktion einer subsidiären Auffangordnung, die den Verbrauchern „in den Fällen Schutz [bietet], in denen es keine spezifischen sektoralen Vorschriften auf Gemeinschaftsebene gibt“ (Erwägungsgrund 10 Satz 4 RL 2005/29/EG).1099 Dies betrifft einerseits den Fall, dass das Unionsrecht weder sektorspezifische primäre Verhaltenspflichten noch Sanktionen vorsieht. Ferner kommt es zu einer Verzahnung des allgemeinen Verbots- und Sanktioneninstrumentariums der Richtlinie 2005/29/EG mit sektoriellen Primärpflichten ohne eigene Sanktionsregelung, indem die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen1100 in Bezug auf kommerzielle Kommunikation als wesentlich im Sinne des allgemeinen Irreführungsverbots gelten (Art. 7 Abs. 5, Erwägungsgrund 15 Satz 4 RL 2005/29/EG1101) oder indem das allgemeine Verbot unlauterer Geschäftspraktiken in Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/ EG zur Durchsetzung sektorspezifischer Verhaltensstandards genutzt werden kann, in241
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1094 Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 119 f. 1095 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 89 – Pereničová: RL 2005/29/EG als „allgemeines Regelungswerk gegenüber speziellen Regelungen, wie etwa der Richtlinie 93/13“. 1096 Für die Annahme einer spezielleren Regelung reicht es allerdings nicht aus, in sektorspezifischen Richtlinien auf allgemeine Grundsätze wie das „Allgemeinwohl“ oder die „Lauterkeit des Geschäftsverkehrs“ zu verweisen, KOM (2003) 356, S. 12 Rn. 44. 1097 Vgl. Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 141 f. 1098 Allgemein zur Kollision von Informationspflichten in Richtlinien Schmidt-Kessel GPR 2011, 79. 1099 KOM (2003) 356, S. 12 Rn. 45: „Richtlinie ergänzt also bestehende wie künftige Vorschriften“. 1100 Beispiele in Anhang II RL 2005/29/EG. 1101 Zur abschließenden Regelung der wettbewerblichen Sanktionierung von Informationspflichten BGH 4.2.2010 – I ZR 66/09 – GRUR 2010, 852 Tz. 15 – Gallardo Spyder; OLG Frankfurt 12.4.2011 – Az. 11 U 5/11 (Kart) – ZNER 2011, 629 Tz. 26 (juris) (ein Verstoß gegen über die RL 2009/72/EG hinausgehende Informationspflichten gemäß § 42 Abs. 2 EnWG darf nicht über § 4 Nr. 11 UWG sanktioniert werden); zur Zulässigkeit der über Art. 6 lit. c RL 2000/31/EG hinausgehenden Informationspflichten außerhalb des elektronischen Geschäftsverkehrs BGH 11.3.2009 – I ZR 194/06 – GRUR 2009, 1064 Tz. 15 f. – Geld-zurückGarantie II (zu § 4 Nr. 4 UWG); dazu auch Heermann WRP 2011, 688; zur Nichtangabe der Handelsregisternummer entgegen Art. 5 RL 2000/31/EG auch OLG Hamm 2.4.2009 – 4 U 213/08 – MMR 2009, 552 Tz. 17 (juris); zu lebensmittelrechtlichen Informationspflichten Peifer ZLR 2011, 161; Jahn/Schäfer ZLR 2011, 593.
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dem der Maßstab der „beruflichen Sorgfalt“ (Art. 5 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG) anhand sektorspezifischer Regeln bestimmt wird (vgl. Erwägungsgrund 20 Satz 2 RL 2005/29/ EG). e) Anwendungsbereich. Ausgangspunkt zur Bestimmung des Anwendungsbereichs 243 der Richtlinie 2005/29/EG ist Art. 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG. Nach dieser Vorschrift gilt die Richtlinie für „unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“, soweit es (auch) um den Schutz der wirtschaftlichen Verbraucherinteressen und nicht lediglich um den Schutz der Interessen der Mitbewerber1102 oder anderer als wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher1103 geht. Darüber hinaus ist die Vollharmonisierung durch Ausnahmen für bestimmte Materien (insbesondere Regeln für reglementierte Berufe, Art. 3 Abs. 8 und Finanzdienstleistungen und Immobilien, Art. 3 Abs. 91104) eingeschränkt. Sieht man von dem zur Anwendungsbereichsbestimmung untauglichen, weil bereits 244 auf den Inhalt der Richtlinie durchgreifenden Kriterium der „unlauteren Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5“ ab,1105 so ist der Anwendungsbereich der Richtlinie damit in fünf Schritten zu bestimmen: Es muss sich handeln um eine (aa) Geschäftspraktik von (bb) Unternehmen gegenüber Verbrauchern, die (cc) nicht lediglich die Interessen der Mitbewerber oder (dd) andere als wirtschaftliche Interessen der Verbraucher berührt, und schließlich darf keine (ee, ff) Ausnahme eingreifen. aa) Geschäftspraktiken. Unter Geschäftspraktiken1106 (Art. 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG) 245 versteht die Richtlinie „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung (Art. 2 lit. f RL 2000/31/EG)1107 einschließlich Werbung (Art. 2
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1102 Erwägungsgrund 6 Satz 1, 3, Erwägungsgrund 8 Satz 1–3 RL 2005/29/EG; Leistner ZEuP 2009, 56, 80 ff.: außerhalb der Richtlinie lägen Anschwärzungen und persönliche Bezugnahme, wettbewerbsrechtlicher Geheimnis- und Leistungsschutz und die Verletzung außerwettbewerblicher Normen als Vorsprung durch Rechtsbruch. 1103 Art. 1, Erwägungsgrund 6 Satz 1, 8 Satz 1 RL 2005/29/EG. 1104 Zu einer entlegenen Grenze siehe auch Erwägungsgrund 14 Satz 5 RL 2005/29/EG: Vollständige Angleichung hindert Mitgliedstaaten nicht, „in ihren nationalen Rechtsvorschriften für bestimmte Produkte, zum Beispiel Sammlungsstücke oder elektrische Geräte, die wesentlichen Kennzeichen festzulegen, deren Weglassen bei einer Aufforderung zum Kauf rechtserheblich wäre“. 1105 Zur Untauglichkeit dieses Kriteriums zur Anwendungsbereichsbestimmung der Richtlinie Glöckner WRP 2009, 1175, 1177; a.A. Burmeister Belästigung als Wettbewerbsverstoß (2006), S. 16. Begrenzte man bereits den Anwendungsbereich der Richtlinie auf die „unlauteren Geschäftspraktiken“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG, dann stünde es den Mitgliedstaaten frei, weiterhin nach der Richtlinie zulässige (lautere) Geschäftspraktiken einzuschränken, so dass das Ziel der Vollharmonisierung verfehlt würde. 1106 Singular Geschäftspraktik, nicht Geschäftspraxis, vgl. Fezer WRP 2006, 781, 785 Fn. 23. 1107 Zum Begriff der kommerziellen Mitteilung (kommerziellen Kommunikation, die uneinheitliche Terminologie beruht auf Übersetzungsungenauigkeiten, Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1325 f. Fn. 96) Art. 2 lit. f RL 2000/31/EG (nunmehr auch Art. 4 Nr. 12 RL 2006/123/EG): „alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt; die folgenden Angaben stellen als solche keine Form der kommerziellen Kommunikation dar: – Angaben, die direkten Zugang zur Tätigkeit des Unternehmens bzw. der Organisation oder Person ermöglichen, wie insbesondere ein Domain-Name oder eine Adresse der elektronischen Post; – Angaben in bezug auf Waren und Dienstleistungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder Person, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden“. Ursprünglich wurde der Begriff der kommerziellen Mitteilung aufgenommen, um
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lit. a RL 2006/114/EG)1108 und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“ (Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG).1109 Der Begriff ist weit auszulegen und erfasst alle Maßnahmen, die „eindeutig in den Rahmen der Geschäftsstrategie eines Gewerbetreibenden gehören und unmittelbar mit der Absatzförderung und dem Verkauf zusammenhängen“.1110 Bereits die kommerzielle Mitteilung (Kommunikation1111) erfasst nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur die klassische Werbung, sondern auch alle anderen Formen der Übermittlung von Informationen mit dem Ziel, neue Kunden zu gewinnen (z.B. Direktmarketing, Sponsoring).1112 Auch geht der Begriff über kommunikative Handlungen hinaus und erfasst auch rein tatsächliches Unternehmerverhalten wie etwa das Offenhalten von Verkaufsstätten.1113 246
(1) Absatzförderung, Verkauf, Lieferung. Unter dem Oberbegriff der Absatzförderung wird man jede Erhöhung des akquisitorischen Potentials von Unternehmen1114 verstehen können. Der – mit der Absatzförderung z.T. überlappende1115 – Verkauf bezeichnet, wie sich aus der weiten Definition des „Produkts“ als „jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, Rechte und Verpflichtungen“ (Art. 2 lit. c RL 2005/29/EG)
_____ den Zusammenhang mit der geplanten Verordnung über Verkaufsförderung zu wahren, KOM (2003) 356, S. 11 Rn. 36, die wiederum auf Art. 2 lit. f RL 2000/31/EG Bezug nahm, KOM (2001) 546, S. 25 f. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation Art. 2 lit. h RL 2010/13/EU: „Bilder mit oder ohne Ton, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dienen. Diese Bilder sind einer Sendung gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation zählen unter anderem Fernsehwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung“; ferner Alexander WRP 2012, 125, 128. 1108 Zum Begriff der Werbung siehe Art. 2 lit. a RL 2006/114/EG: „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern“; zur Auslegung anhand der Irreführungsrichtlinie KOM (2003) 356, S. 11 Rn. 36. 1109 Zu Einzelheiten siehe auch die Kommentierung von Peukert zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 15 ff. 1110 EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 49 f. – VTB-VAB; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 36 f., 39 – Plus Warenhandelsgesellschaft („besonders weiter materielle[r] Anwendungsbereich“); EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 17 f. – Mediaprint; EuGH 19.9.2013 – C-435/11 – Tz. 27, 30 – CHS Tour Services (Information über Verfügbarkeit und Exklusivität eines Angebots); EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Tz. 36 – Stuttgarter Wochenblatt. Siehe auch die Einzelregelungen zur Absatzförderung in Art. 6 Abs. 1 lit. d und Anhang I Ziffer 5, 7, 19, 31, 20 der RL 2005/29/EG. Zur weiten Auslegung OLG Hamm 20.12.2011 – Az. 4 U 152/11, I-4 U 152/11 – Tz. 34 (juris): Weitergabe an Informationen zur günstigen Berichterstattung in einem Presseorgan als Absatzförderung. 1111 Die uneinheitliche Terminologie beruht auf Ungenauigkeiten in der deutschen Übersetzung, Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1325 f. Fn. 96. 1112 EuGH (Große Kammer) 5.4.2011 – C-119/09 – EuZW 2011, 681 Tz. 33 – Société fiduciaire nationale d’expertise comptable. 1113 Bei tatsächlichem Verhalten ist allerdings das Unmittelbarkeitserfordernis zu beachten, das etwa beim Bau einer Vertriebsstätte noch nicht erfüllt ist, Koch Die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken (2006), S. 27 f. 1114 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 21.10.2008 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 69 – VTB-VAB und Galatea; EuGH (Große Kammer) 5.4.2011 – C-119/09 – EuZW 2011, 681 Tz. 38 – Société fiduciaire nationale d’expertise comptable: Kundenakquise als kommerzielle Kommunikation. Siehe auch Isele GRUR 2009, 727, 729: nach Gesamtwürdigung müsse feststehen, dass mit dem Verhalten „vorrangig das Ziel der Absatzförderung bezweckt wurde“; anders MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 61, der für eine zeitliche Abfolge von Absatzförderung, Verkauf und Lieferung plädiert. 1115 A.A. Keirsbilck The New European Law of Unfair Commercial Practices and Competition Law (2011), S. 230, der die Worte Absatzförderung, Verkauf und Lieferung nach dem Vorbild des Art. 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG auf die vorvertragliche, die vertragliche und die nachvertragliche Phase bezieht.
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ergibt, alle Arten eines Absatzgeschäfts, also nicht nur den Verkauf im schuldrechtlichen Sinn, sondern auch den „Verkauf“ von Dienstleistungen (Dienst- oder Werkverträge) oder Gebrauchsüberlassungen (Miete) bis hin zu unentgeltlichen Geschäften wie Schenkungen oder Zugaben1116 oder der unentgeltlichen Teilnahme an sozialen Netzwerken. Unerheblich ist, ob das Rechtsgeschäft zivilrechtlich wirksam ist oder nicht.1117 Die Lieferung bezieht sich auf die Beeinflussung der geschäftlichen Handlungen des Verbrauchers im Zusammenhang mit der Vertragsdurchführung.1118 Zu den Geschäftspraktiken zählen auch Maßnahmen zur Absatzförderung, die Ge- 247 genstand des gescheiterten Vorschlags für eine Verordnung über Verkaufsförderungsmaßnahmen im Binnenmarkt waren,1119 also Kopplungsangebote, unentgeltliche Zuwendungen und Zugaben,1120 die an den Warenerwerb gekoppelte Teilnahme an Lotterien, Gewinnspielen oder Preisausschreiben,1121 Gutscheine,1122 Rabatte und Preisermäßigungen1123 und Werbe- und Ausverkäufe.1124 Ebenfalls von der Richtlinie erfasst werden gewerbliche Preisvergleich-Websites oder andere Bewertungsportale, bei denen die Tätigkeit des Gewerbetreibenden darin besteht, Preisinformationen von Händlern oder Verbrauchern zu beziehen und diese an Verbraucher weiterzugeben.1125 An diesem Beispiel zeigt sich, dass sowohl die Förderung des eigenen wie des fremden Absatzes von Waren von der Richtlinie erfasst wird, sofern ein Unmittelbarkeitszusammenhang mit der Absatzförderung besteht.1126 Schließlich stellt auch die Verwendung unzulässiger Klauseln in allgemeinen Ge- 248 schäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern eine Geschäftspraktik i.S.d. Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG dar, die – sofern gegen eine unionsrechtliche Informationspflicht etwa über
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1116 Köhler WRP 2009, 898, 900. 1117 Köhler WRP 2009, 898, 900. 1118 Köhler WRP 2009, 898, 901. Der Begriff ist etwas zu eng, um das gesamte von der Richtlinie erfasste nachvertragliche Verhalten (Art. 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG) einzubeziehen, Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 143. 1119 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 33 – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 19 – Mediaprint; zu den einzelnen Beispielen SEK (2009) 1666, Ziffer 1.4 S. 11; zu Verkaufsförderungsmaßnahmen Köhler GRUR 2010, 767. 1120 EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 50 – VTB-VAB; EuGH 18.7.2013 – C-265/12 – Tz. 18 – Citroën Belux. Zu Kopplungsangeboten Boesche WRP 2011, 1345; Köhler GRUR 2010, 177. 1121 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 37 – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 18 – Mediaprint; BGH 9.7.2009 – I ZR 64/07 – GRUR 2010, 158 Tz. 9 ff. – FIFA-WM-Gewinnspiel (zu § 4 Nr. 5 UWG); BGH 5.10.2010 – Az. I ZR 4/06 – GRUR 2011, 532 Tz. 18 – Millionen-Chance II (zu § 4 Nr. 6 UWG). Zu den Konsequenzen dieser Rechtsprechung Jänich GPR 2010, 149; Köhler GRUR 2011, 478; Berlit WRP 2011, 1225; Scherer NJW 2010, 1849. 1122 LG Hamburg 25.8.2011 – Az. 327 O 141/11 – PharmR 2011, 487 Tz. 30 f. (juris) (Werbung mit 50 Euro Gutschein). 1123 EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – GRUR Int. 2011, 853 Tz. 31 – Wamo: „Werbekampagnen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende [Ankündigung von Preisermäßigungen], mit denen Verbraucher in die Geschäftsräume eines Händlers gelockt werden sollen, fügen sich eindeutig in den Rahmen der Geschäftsstrategie eines Gewerbetreibenden ein und sollen unmittelbar verkaufswerbend und -fördernd sein“. 1124 EuGH 17.1.2013 – C-206/11 – GRUR 2013, 297 Tz. 27 – Georg Köck. 1125 SEK (2009) 1666, Ziffer 1.2 S. 9 f.; LG Hamburg 1.9.2011 – Az. 327 O 607/10 – WRP 2012, 94 Tz. 48 (juris) (Hotelbewertungsportal). 1126 Vgl. EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Tz. 38 ff. – Stuttgarter Wochenblatt, wo ein Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen der fehlenden Kennzeichnung von Beiträgen als Werbung in einer Gratiszeitung und der Förderung des Absatzes der dort Werbenden verneint wurde. Siehe auch BGH 15.1.2009 – I ZR 123/06 – GRUR 2009, 878 Tz. 11 – Fräsautomat (außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG).
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ein Widerrufsrecht verstoßen wird – über Art. 7 Abs. 1, 5 i.V.m. Anhang II RL 2005/29/ EG,1127 in anderen Fällen über Art. 6 Abs. 1 lit. c, d oder Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG untersagt werden kann.1128 Auch Vermarktungsverbote und Vermarktungsbeschränkungen fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie, da durch sie mindestens die wirtschaftliche Entscheidung der Verbraucher über das „Wie“ des Produkterwerbs beeinflusst wird.1129 Allerdings werden Vermarktungsbeschränkungen von der Richtlinie nicht erfasst, die dem Schutz anderer als wirtschaftlicher Interessen dienen, z.B. dem Schutz der Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen oder der Abwehr alkoholbedingter Ausschreitungen. (2) Unmittelbarkeitszusammenhang. Das Verhalten des Unternehmers muss „unmittelbar“ mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung zusammenhängen. Hier geht es, wie sich aus Erwägungsgrund 7 Satz 1 RL 2005/29/EG ergibt, um „Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen“. Eine geschäftliche Entscheidung ist „jede Entscheidung eines Verbraucher[s] darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen“ (Art. 2 lit. k RL 2005/ 29/EG).1130 Produkt ist „jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, Rechte und Verpflichtungen“ (Art. 2 lit. c RL 2005/29/EG). Zur Feststellung des Unmittelbarkeitszusammenhangs bedarf es keiner subjekti250 ven (Wettbewerbsförderungs-)Absicht, sondern einer objektiven Würdigung, ob die betreffende Geschäftspraktik im Zusammenhang mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produktes steht.1131 In die objektive Würdigung sind allerdings alle Umstände, auch die (objektiv zu würdigenden) Zielvorstellungen des Handelnden
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1127 BGH 29.4.2010 – I ZR 66/08 – NJW 2010, 3566 Tz. 24 – Holzhocker. 1128 BGH 31.3.2010 – I ZR 34/08 – GRUR 2010, 1117 Tz. 18 – Gewährleistungsausschluss im Internet; BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 Tz. 21 – Vollmachtsnachweis; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – GRUR 2012, 639 Tz. 91 – Pereničová; Peifer WRP 2008, 556, 558; Köhler GRUR 2010, 1047, 1048; MünchKommBGB/Basedow § 306a Rn. 38 f.; zur unrichtigen Preisangabe auch EuGH 15.3.2012 – C-453/10 – GRUR 2012, 639 Tz. 41 – Pereničová. 1129 A.A. Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.6c. 1130 Auf Art. 2 lit. k ist bei Auslegung des Art. 3 Abs. 1 zurückzugreifen, wie sich aus der Entstehungsgeschichte ergibt: Der Rat verwies in seiner Antwort auf den zweiten Teil des Änderungsantrags 25 des Parlaments (Fn. 1043), A5-0188/2004, S. 18 f., wonach ein ausdrücklicher Bezug auf die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers in Art. 3 Abs. 1 eingefügt werden sollte, nämlich darauf, dass der zweite Teil dieses Änderungsantrags bereits in Art. 2 lit. k erfasst sei, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1045), S. 17. Die Definition der „geschäftlichen Entscheidung“ geht wohl auf Änderungsantrag 25 der Stellungnahme des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik vom 21. Januar 2004, A5-0188/2004, S. 68; zur Aufnahme in die Richtlinie kam es im Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1045), S. 20. Für eine Anwendung der Definition des Art. 2 lit. k zur Auslegung des Tatbestands der Geschäftspraktik auch Köhler WRP 2009, 898, 899; a.A. Kulka DB 2008, 1548, 1551, Sosnitza WRP 2008, 1014, 1017; Scherer WRP 2009, 761, 766 mit dem Hinweis, dass ein Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit nicht in den Anwendungsbereich vorverlagert werden dürfe. 1131 BTDrucks. 16/10145 S. 12, 20 f.; Fezer WRP 2006, 781, 787; Kessler WRP 2007, 714, 719; Köhler WRP 2007, 1393, 1396; Fezer/Steinbeck § 4-1 Rn. 69; Fritzsche Der Einfluss der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auf die Dogmatik des Lauterkeitsrechts, in H. Roth (Hrsg.) Europäisierung des Rechts – Ringvorlesung der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg 2009/2010 (2010), 27, 32; siehe auch die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 103 – Pereničová.
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(vgl. Erwägungsgrund 7 Satz 2 RL 2005/29/EG) einzubeziehen, die ein Indiz für einen Zusammenhang mit der Absatzförderung bieten können.1132 Nicht erforderlich ist, dass es tatsächlich zu einer Entscheidungsbeeinflussung kommt (vgl. Art. 2 lit. k a.E. RL 2005/ 29/EG). Der Unmittelbarkeitszusammenhang erfordert nicht, wie sich aus der kommerziellen 251 Mitteilung und der Werbung als Unterkategorien der Geschäftspraktik ergibt,1133 einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Absatzförderung oder Handlung und Verbraucherentscheidung, so dass grundsätzlich auch die allgemeine Unternehmensinformation und die bloße Image- oder Aufmerksamkeitswerbung erfasst wird.1134 Dies gilt nicht nur dann, wenn der Gewerbetreibende im Rahmen seines Marketing einen konkreten Bezug zwischen seinem Unternehmensimage oder seinen Verpflichtungen zur sozialen Unternehmensführung und seinen Produkten herstellt,1135 sondern bei jeder Selbstdarstellung, Imageförderung oder Aufmerksamkeitswerbung auch ohne Hinweis auf konkrete Produkte, sofern es sich nicht eindeutig um eine Publikation zu anderen Zwecken handelt.1136 Wollte man nämlich nur die Unternehmensdarstellung mit konkretem Produktbezug erfassen, dann bliebe außer Acht, dass die Verbraucher in ihren Kaufentscheidungen gerade durch die allgemeine Unternehmensdarstellung und sein Image beeinflusst werden,1137 so dass eine engere Auslegung die praktische Wirksamkeit der Richtlinie in Frage stellen würde. Infolge der funktionalen und nicht strikt kausalen Auslegung des Unmittelbarkeitskriteriums fallen auch Geschäftspraktiken in den Anwendungsbereich der Richtlinie, durch die der Unternehmer lediglich über dritte Mittelspersonen auf die geschäftliche Entscheidung der Verbraucher einzuwirken sucht.1138 Ebenfalls vom Unmittelbarkeitskriterium erfasst werden die Marktforschung und Konsumentenbefragung, die der Informationsbeschaffung zur Vorbereitung einer kundengerechteren Abwicklung der Geschäfte und damit letztlich einer Erhöhung des Absatzes dienen.1139
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1132 Gegen eine Heranziehung subjektiver Elemente Fezer WRP 2006, 781, 787; Kessler WRP 2007, 714, 719; Leistner/Stang WRP 2008, 533, 540. 1133 Art. 2 lit. f RL 2000/31/EG: „alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens […] dienen“; Art. 2 lit. a RL 2006/114/EG: „jede Äußerung […] mit dem Ziel, den Absatz […] zu fördern“. 1134 Steinbeck WRP 2006, 632, 635; Köhler WRP 2007, 1393, 1395; Piper/Ohly/Sosnitza Einf C Rn. 47 (Sponsoring); Keirsbilck The New European Law of Unfair Commercial Practices and Competition Law (2011), S. 229; eine (von ihr kritisierte) Ausnahme für Imageförderung und Aufmerksamkeitswerbung vom Anwendungsbereich sieht Henning-Bodewig GRUR Int. 2004, 183, 189. Siehe auch MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 66, der auf eine unmittelbare Kommunikationsbeziehung abstellt, die gegeben sein soll, wenn sich der europäische Referenzverbraucher durch eine solche Maßnahme legitimerweise angesprochen fühlen kann (für Ausnahme der Imagewerbung mangels Marktkommunikation in Rn. 67). 1135 KOM (2003) 356, S. 12 Rn. 39; zu Selbstverpflichtungen auch Birk GRUR 2011, 196. 1136 Vgl. auch Art. 6 Abs. 1 lit. c, lit. f RL 2005/29/EG; Dohrn Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2008), S. 20 (unter Verweis auf eine mündliche Auskunft des zuständigen Kommissionsbeamten); siehe auch BTDrucks. 16/10145 S. 21: abhängig von den Umständen des Einzelfalls. 1137 Zur Bedeutung des Image (in anderem Zusammenhang) EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 41 – de Landtsheer. 1138 SEK (2009) 1666, Ziffer 1.2 S. 9: von Unternehmen bezahlte Blogger in sozialen Netzwerken; Veelken WRP 2004, 1, 6; enger MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 66: erforderlich sei eine „unmittelbare Kommunikationsbeziehung“, die allerdings bereits dann bestehe, wenn sich der europäische Referenzverbraucher durch die Maßnahme legitimerweise angesprochen fühlen kann“. 1139 OLG Köln 30.3.2012 – I-6 U 191/11, 6 U 191/11 – WRP 2012, 725 Tz. 24 (juris) – Telefonanruf durch Meinungsforschungsinstitut.
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(3) Geschäftspraktiken ohne Unmittelbarkeitszusammenhang. In Zweifelsfällen ist infolge des weiten Begriffs der Geschäftspraktik ein Unmittelbarkeitszusammenhang zu bejahen, jedenfalls wenn ein wirtschaftliches Interesse des Handelnden an der Beeinflussung der Verbraucherentscheidung besteht.1140 Auszunehmen sind nur solche Verhaltensweisen, die eindeutig vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers in Bezug auf Produkte dienen.1141 Zu denken ist hier in erster Linie an Äußerungen zur „Unterrichtung der Öffentlichkeit“ oder zu „weltanschaulichen, religiösen, sozialen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zielen“.1142 Ausgenommen wird damit insbesondere die redaktionelle Medienberichterstattung, selbst wenn sie wettbewerbsrelevant ist, solange sie eindeutig vorrangig der Information und Meinungsbildung der Rezipienten dient.1143 Demgegenüber findet die Richtlinie Anwendung, wenn redaktionelle Inhalte in Me253 dien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt werden (vgl. Anhang I Nr. 11 RL 2005/ 29/EG) oder wenn ein wirtschaftliches Interesse des Äußernden an der Absatzförderung und der Beeinflussung des Verbraucherverhaltens besteht.1144 Allerdings erfasst sie, weil
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1140 Köhler WRP 2007, 1393, 1395 f. 1141 Erwägungsgrund 7 Satz 2 RL 2005/29/EG; KG 28.3.2012 – 5 U 23/04 – Tz. 48 (juris) – Der renommierte Arzt und Wissenschaftler. Soweit dort „kommerzielle, für Investoren gedachte Mitteilungen, wie Jahresberichte oder Unternehmensprospekte“ als Beispiel genannt werden, ist dies einzuschränken, soweit derartige Maßnahmen zum Absatz von Finanzprodukten an Verbraucher genutzt werden, siehe Art. 3 Abs. 9 und Erwägungsgrund 10 Sätze 3–6 RL; ferner Art. 7 Abs. 5 und Anhang II RL 2005/29/EG, der auf Art. 28 RL 85/611/EWG verweist, wo Vorschriften zur Anlegerinformation geregelt werden, Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 156 Fn. 479; enger Glöckner WRP 2009, 1175, 1180: die Ausnahme sei durch den Umstand motiviert, dass durch Investorenmitteilungen nicht konsumtive, sondern investive Geschäftsentscheidungen des Verbrauchers beeinflusst würden. Siehe auch Fritzsche Der Einfluss der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auf die Dogmatik des Lauterkeitsrechts, in H. Roth (Hrsg.) Europäisierung des Rechts – Ringvorlesung der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg 2009/2010 (2010), 27, 37, der sich tendenziell wegen ihres Absatzförderungszwecks für eine Einbeziehung redaktioneller Äußerungen ausspricht und nur wissenschaftliche Äußerungen in Publikationen, Forschung und Lehre ausklammern will. 1142 Köhler WRP 2007, 1393, 1396; zur Äußerungsfreiheit auch Gomille WRP 2009, 525. 1143 BGH 19.5.2011 – I ZR 147/09 – GRUR 2012, 74 Tz. 15 – Coaching-Newsletter; BTDrucks. 16/10145 S. 21. Zur Diskussion um die wettbewerbsrechtliche Haftung von Presseorganen siehe insbesondere den Änderungsantrag 15 im Bericht des Rechtsausschusses des Parlaments (Fn. 1043), A5-0188/2004, S. 14, der sich für eine Einschränkung der Definition der Geschäftspraktik auf die Absatzförderung von Produkten dieses Gewerbetreibenden aussprach, um die Absatzförderung durch journalistische Berichterstattung, die regelmäßig ebenfalls gewerblich erfolgt, auszunehmen. Der Änderungsantrag wurde vom Rat auf Anraten der Kommission nicht übernommen, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1045), S. 19 lit. c). Dies spricht dafür, dass auch die Absatzförderung durch redaktionelle Berichterstattung von der Richtlinie erfasst sein kann, wenn die allgemeine Voraussetzung eines Unmittelbarkeitszusammenhang mit der Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen gegeben ist. An einem solchen fehlt es aber nach Erwägungsgrund 7 Satz 2, wenn die Geschäftspraktik (also die redaktionelle Berichterstattung) vorrangig anderen Zielen dient. Siehe auch OLG Hamburg 2.1.2008 – 3 W 224/07 – AfP 2009, 497 Tz. 18 (juris) (mit sehr weitgehendem grundrechtlichen Plädoyer für eine Ausnahme der Medienberichterstattung); ferner OGH 18.11.2008 – 4 Ob 186/08v – Medien und Recht 2009, 89: Nutzung eines unentgeltlichen OnlineDiensts eines Medieninhabers („Online-Fernsehen“), der Berichte und Informationen über Stadtentwicklung, Kultur, Wirtschaft, Tourismus und Sport anbietet, betrifft keine wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers. M.E. zu weitgehend ist die Feststellung des OGH, dass wirtschaftliche Verbraucherinteressen i.d.R. von einem Verhalten eines Unternehmers unberührt bleiben, das nicht geeignet ist, geldwerte Veränderungen im Vermögen eines Verbrauchers herbeizuführen, weil die Richtlinie nicht an die Entgeltlichkeit der Ware oder Dienstleistung, sondern an den Zusammenhang mit der Absatzförderung und die Gewerblichkeit des Anbieters anknüpft. Auch die Abgabe unentgeltlicher Leistungen kann gewerblich motiviert sein, z.B. um Anzeigenraum zu verkaufen. Entscheidend ist, ob im konkreten Fall ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Absatzförderung gegeben ist. 1144 Zum Kriterium des wirtschaftlichen Interesses Köhler WRP 2007, 1393, 1396.
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nur insofern ein Unmittelbarkeitszusammenhang besteht, nur das Verhalten des Werbenden (Anzeigekunden), während die an Presseunternehmen gerichteten Vorschriften zur eindeutigen Kennzeichnung von Werbung nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, weil es insoweit an einem Unmittelbarkeitszusammenhang zur Absatzförderung ihres eigenen Produkts (des Presseprodukts) fehlt.1144a Auch wenn journalistische, wissenschaftliche oder andere Äußerungen von der Richtlinie erfasst werden, sind bei der Auslegung und Anwendung der Generalklausel und der einzelnen Verbotstatbestände die Grundrechte der Äußernden zu berücksichtigen, die eine einschränkende Auslegung der Verbotstatbestände erfordern können.1145 (4) Bezugsförderung. Nicht von der Richtlinie erfasst werden Geschäftspraktiken 254 von Unternehmen gegenüber Verbrauchern, die sich nicht auf die Absatzförderung, sondern auf den Ankauf von Waren von Verbrauchern beziehen, sofern der Ankauf nicht Teil einer Absatzstrategie für andere Waren (z.B. Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen bei Verkauf eines Neufahrzeugs)1146 oder Teil einer eigenständigen „verkauften“ Dienstleistung ist (z.B. Verkaufservice für Gebrauchtwagen als Kommissionär).1147 (5) Vor, während und nach Abschluss eines Handelsgeschäfts. Art. 3 Abs. 1 RL 255 2005/29/EG erfasst sämtliche Handlungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers vor und während des Vertragsabschlusses stehen. Dies umfasst nicht nur alle Handlungen eines Gewerbetreibenden, die darauf gerichtet sind, den Verbraucher zum Abschluss eines Vertrags zu bewegen,1148 sondern auch den Vertragsschluss selbst1149 und die Beeinflussung der geschäftlichen Handlungen des Verbrauchers im Zusammenhang mit der Vertragsdurchführung.1150 Derartige Beeinflussungen können einerseits durch Zusagen vor Vertragsschluss erfolgen, die sich auf die Phase der Vertragsdurchführung beziehen, z.B. die Zusage eines Kundendienstes (Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2005/29/EG) oder eine Garantieerklärung,1151 aber auch durch nachvertragliches Verhalten (Art. 3 Abs. 1, Erwägungs-
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1144a EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Tz. 39 ff. – Stuttgarter Wochenblatt. 1145 Vgl. Erwägungsgrund 25 RL 2005/29/EG; ausführlich Glöckner WRP 2009, 1175, 1182 ff. zur Medienberichterstattung und der Informationstätigkeit von Verbraucherverbänden. 1146 Köhler/Lettl WRP 2003, 1019, 1035; Henning-Bodewig GRUR Int. 2004, 183, 189; Leistner Unfair Competition or Consumer Protection? The Commission’s Unfair Commercial Practices Proposal 2003 in: Bell/Kilpatrick, Cambridge Yearbook of European Legal Studies 6 (2003-2004) 141, 156; Köhler WRP 2007, 1393, 1397; Keirsbilck The New European Law of Unfair Commercial Practices and Competition Law (2011), S. 230; SEK (2009) 1666, Ziffer 1.3. S. 10; Fritzsche Der Einfluss der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auf die Dogmatik des Lauterkeitsrechts, in H. Roth (Hrsg.) Europäisierung des Rechts – Ringvorlesung der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg 2009/2010 (2010), 27, 33. 1147 BGH 17.7.2008 – I ZR 197/05 – NJW 2008, 2999 Tz. 14 – FC Troschenreuth; BGH 17.7.2008 – I ZR 75/06 – NJW 2008, 2997 Tz. 11 – Faxanfrage im Autohandel: „unlautere[s] Verhalten gewerblicher Nachfrager nicht im Blick“; weitergehend Busch Unlauterer Wettbewerb in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.) Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 25 Rn. 17: Ankaufservice als „Produkt“ i.S.d. Art. 2 lit. c RL 2005/29/EG. 1148 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 80 – Pereničová. 1149 Köhler WRP 2007, 1393, 1396; zum Verhältnis von Vertragsrecht und RL 2005/29/EG unten Rn. 295– 302. 1150 Köhler WRP 2009, 898, 901; treffend MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 60: „Kontinuum“. Siehe auch die in der Sache nicht entschiedene Rechtssache EuGH 8.11.2012 – C-433/11 – SKP/Kveta Polhošová zur Frage, ob die Abtretung einer Forderung gegen Verbraucher an eine insolvente Person eine unlautere Geschäftspraktik darstellt, wenn die Erstattung der Kosten des Verbrauchers aus dem sich aus dem Verbrauchervertrag ergebenden Gerichtsverfahren nicht garantiert ist. 1151 BGH 14.4.2011 – I ZR 133/09 – GRUR 2011, 638 Tz. 21 – Werbung mit Garantie.
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grund 13 Satz 3 RL 2005/29/EG) wie die Behinderung des Anbieterwechsels,1152 die Abwehr von Ansprüchen des Verbrauchers (Art. 9 lit. d, Anhang I Nr. 27), die Aufforderung zur Kaufpreiszahlung (Anhang I Nr. 29), die Schuldeneintreibung1153 und allgemein jede Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers über die Zahlung des vertraglichen Entgelts, über das Behalten oder die Rückgabe eines Produkts oder über die Ausübung eines vertraglichen Rechts (Art. 2 lit. k RL 2005/29/EG).1154 256 Die Einbeziehung des nachvertraglichen Verhaltens in den Anwendungsbereich der Richtlinie (Art. 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG) wirft die Frage auf, ob nunmehr jeder Vertragsverstoß eines Unternehmers einschließlich jeder Nicht- oder Schlechterfüllung als Geschäftspraktik anzusehen ist. Diese Frage lässt sich nicht allein durch den Hinweis beantworten, dass die Richtlinie das Vertragsrecht unberührt lässt (Art. 3 Abs. 2 RL 2005/ 29/EG), denn die auf vertragliche Rechte und Pflichten bezogenen Beispiele in Art. 9 lit. d und Anhang I Nr. 8, 27, 29 RL 2005/29/EG zeigen, dass vertragliches Fehlverhalten durchaus als unlautere Geschäftspraktik angesehen werden kann. Gerade wegen der durch die Richtlinie angestrebten Verzahnung mit dem Verbrauchervertragsrecht ist daher davon auszugehen, dass auch vertragliche Verstöße eine unlautere Geschäftspraktik darstellen können.1155 Dabei genügt bereits die Beeinflussung eines einzelnen Kunden, ohne dass eine Breiten- oder Außenwirkung über den konkreten Einzelfall hinaus1156 oder eine (ungeschriebene) „Verbraucherrelevanz“1157 erforderlich wäre.1158 Um nun nicht jede einzelne Leistungsstörung gleich zum Lauterkeitsverstoß zu er257 heben, bietet sich eine Abgrenzung in zwei Schritten an. Zunächst sind solche Vertragsverstöße nicht als Geschäftspraktik anzusehen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers stehen. Wenn der Unternehmer schlichtweg mangelhafte Ware liefert, so ist darin noch keine Geschäftspraktik zu sehen, weil die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers über die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten nicht beeinflusst werden soll.
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1152 BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 25 f. – Änderung der Voreinstellung II. 1153 KOM (2003) 356, S. 16Rn. 59; zu den Beispielen SEK (2009), Ziffer 1.1 S. 8 f.; zur Schuldeneintreibung OLG München 9.7.2009 – 29 U 1852/09 – NJW-RR 2010, 251 Tz. 41, 44 f. (juris) – Besuch durch Inkasso-Team. 1154 Köhler WRP 2009, 898, 901. 1155 Siehe auch Fritzsche Der Einfluss der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auf die Dogmatik des Lauterkeitsrechts, in H. Roth (Hrsg.) Europäisierung des Rechts – Ringvorlesung der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg 2009/2010 (2010), 27, 36, der mit Hinweis auf Art. 5 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 2 lit. e und k RL 2005/29/EG nur solche Vertragsverstöße ausklammern will, die nicht geeignet sind, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen (z.B. eine Vertragsverletzung in geringem Maße wie eine nicht allzu gravierende Mankolieferung oder eine Verletzung nicht leistungsbezogener Pflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, sofern diese dem Verbraucher nicht die Möglichkeit geben, sich gemäß §§ 282, 324 BGB vom Vertrag zu lösen). M.E. wirft der Rückgriff auf Art. 2 lit. e und k RL 2005/29/EG das Problem auf, dass die Eignung zur Entscheidungsbeeinflussung zwar ein Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG und damit des Verbotstatbestands, nicht aber bereits der vorgelagerten Definition des Anwendungsbereichs sein kann. 1156 Köhler WRP 2009, 898, 902. Für eine Breitenwirkung Glöckner WRP 2009, 1175, 1181 f.; für die Betroffenheit einer Mehrzahl von Kunden Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 30 ff., 36. 1157 Für ein solches Merkmal Scherer WRP 2009, 761, 767: Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Verbraucherrelevanz ergebe sich „aus einer funktionsorientierten Betrachtung unternehmerischer Kommunikation gegenüber dem Verbraucher im Wettbewerbsgeschehen“ und liege „erst dann vor, wenn ein Verhalten des Unternehmers zu einer bloßen Vertragsverletzung hinzutritt, das auf eine weitere, zusätzliche Verbraucherentscheidung gerichtet ist, die sich gerade nicht in der Erfüllung eigener vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten erschöpfen darf“. 1158 Micklitz/Reich EuZW 2012, 126, 127 unter Verweis auf die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 80 – Pereničová.
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In einem zweiten Schritt bietet sich eine Abgrenzung anhand des Merkmals der „Ge- 258 schäftsstrategie“1159 an. Zwar lassen auch einzelne Verstöße – schon aus Gründen des Informations- und Beweismittelzugangs der Kläger – regelmäßig bereits auf eine Geschäftsstrategie und damit eine Geschäftspraktik schließen.1160 Gelingt dem Unternehmer allerdings der Nachweis, dass es sich nur um einen Einzelverstoß gegen vertragliche Pflichten ohne Einbindung in eine Geschäftsstrategie handelt, etwa weil sich der individuelle Verstoß wegen der Umstände des Einzelfalls nicht wiederholen kann1161 oder weil lediglich ein einzelnes Versehen1162 vorlag, so ist mangels „Geschäftsstrategie“ keine Geschäftspraktik gegeben. bb) Von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. Die Geschäftspraktik muss von 259 einem Unternehmen (Gewerbetreibenden1163) gegenüber einem Verbraucher ausgeübt werden. (1) Den Gewerbetreibenden1164 definiert Art. 2 lit. b RL 2005/29/EG als „jede natürli- 260 che oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt“.1165 Entscheidend ist der Bezug zu einer (selbständigen) unternehmerischen Tätigkeit, der sich aus der Gewinnorientierung, aus Anzahl, Umfang und Häufigkeit der Geschäftshandlungen, dem Umsatz oder einer Wiederverkaufsabsicht ergeben kann.1166 Dabei ist der Begriff des Gewerbetreibenden als Gegenbegriff zum Verbraucherbegriff (Art. 2 lit. a RL 2005/29/EG) aufgrund des Ziels eines hohen und umfassenden Verbraucherschutzes grundsätzlich weit und aus der Perspektive des Verbrauchers und des Schutzes seiner informierten Entscheidung auszulegen.1166a Deshalb können auch „Personen, die hauptsächlich von zu Hause aus im Internet über Auktionswebsites sehr häufig Produkte verkaufen, die einen Gewinn anstreben und/oder Produkte mit der Absicht des Wiederverkaufs zu einem höheren Preis erwerben“,1167 als Gewerbetreibende qualifiziert werden. Auch Exis-
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1159 Dazu EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 49 f. – VTB-VAB; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 36 f., 39 – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 17 f. – Mediaprint. Tendenziell ähnlich, aber weitergehend als hier Glöckner WRP 2009, 1175, 1181 f., der bei individuellem Geschäftsverhalten gegenüber Verbrauchern (z.B. zu Unrecht verweigerter Nacherfüllung) mangels Breitenwirkung keine „Geschäftspraktik“ bejaht und generell einen „objektiven Marktbezug i.S.d. ‚Wettbewerbsrelevanz‘“ verlangt; siehe auch Isele GRUR 2009, 727, 729 f., der bei bloßen Versehen keine Geschäftspraktik annimmt. 1160 Sosnitza WRP 2008, 1014, 1017; Ahrens FS Loewenheim (2009), 407, 418. 1161 Siehe auch Köhler WRP 2009, 898, 903, der vorschlägt, bei nicht wiederholbaren Handlungen die Wiederholungsgefahr zu verneinen, wenn das Handeln auf einen singulären Fall (z.B. ganz bestimmter Mangel des Gebrauchtwagens) bezogen war. 1162 Vgl. Köhler WRP 2009, 898, 902 f., der Einschränkungen bei bloßen Versehen zwar skeptisch gegenübersteht, sie aber offenbar im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsschranke, des öffentlichen Interesses (Art. 11 Abs. 2 RL 2005/29/EG) und der Missbrauchsschranke gestatten will. 1163 „Unternehmen“ und „Gewerbetreibender“ werden in der Richtlinie synonym verstanden, EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Tz. 31 – BKK Mobil Oil; vgl. Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG; Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 99 Fn. 316; vgl. auch Art. 2 Nr. 2 RL 2011/83/EU. 1164 Zu Einzelheiten siehe die Kommentierung von Peukert zu § 2 Abs. 1 Nr. 6 Rn. 574 ff. 1165 Die Definition ähnelt Art. 2 RL 85/577/EWG (ab 2014 Art. 2 Nr. 2 RL 2011/83/EG); dazu EuGH 25.10.2005 – C-229/04 – Slg. 2005, I-9273 Tz. 42 ff. – Crailsheimer Volksbank; siehe auch Art. 2 Abs. 1 lit. e RL 2008/122/EG; zum zweiten Teil („Namen und Auftrag“) auch Art. 1 Abs. 2 Handelsvertreterrichtlinie 86/653/EWG; zu „versteckten Gewerbetreibenden“ siehe auch Anhang I, Ziffer 22 RL 2005/29/EG. 1166 SEK (2009) 1666, Ziffer 1.8 S. 18; zur Haftung von Privatpersonen Henning-Bodewig GRUR 2013, 26. 1166a EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Tz. 32 ff. – BKK Mobil Oil. 1167 SEK (2009) 1666, Ziffer 1.8 S. 18.
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tenzgründer,1168 Freiberufler,1169 Verbände,1170 Non-Profit-Einrichtungen und öffentlichrechtliche Einrichtungen sind als Gewerbetreibende anzusehen, soweit ihr Verhalten selbständigen unternehmerischen Zwecken dient bzw. – bei öffentlich-rechtlichen Stellen – wettbewerbliche Spielräume ausnutzt und nicht hoheitlich determiniert ist.1171 Dabei stellt die Richtlinie allein auf die Unternehmereigenschaft ab, nicht auf die 261 Absatzförderung eigener Produkte („jede Handlung …, die unmittelbar mit der Absatzförderung … eines [nicht: eigenen] Produkts … zusammenhängt“), so dass auch die Förderung fremden Wettbewerbs und das Zusammenspiel unterschiedlicher Unternehmen bei Absatz und Vertrieb durch die Richtlinie erfasst wird.1172 Gemeinnützigkeit oder fehlende Gewinnausrichtung der Organisation insgesamt stehen der Anwendung der Richtlinie nicht entgegen.1173 Sind die Voraussetzungen einer selbständigen unternehmerischen Tätigkeit gegeben, so ist unerheblich, ob es sich um Rechtsgeschäfte des laufenden Gewerbebetriebs oder solche mit Ausnahmecharakter handelt.1174 Neben den Gewerbetreibenden erfasst die Richtlinie auch „jede Person, die im Na262 men oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt“.1175 Dies zielt auf selbständige ebenso wie unselbständige Vertreter und Hilfspersonen von Gewerbetreibenden, die ebenfalls in die lauterkeitsrechtliche Verantwortung genommen werden.1176 Ein Handeln im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden ist bereits dann gegeben, wenn die Hilfsperson im Rahmen eines allgemeinen Vertriebsauftrags tätig wird, ohne dass auch die
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1168 Vgl. (zur EuGVO) EuGH 3.7.1997 – C-269/95 – Slg. 1997, I-3767 Tz. 11 ff. – Benincasa. 1169 Vgl. Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG; MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 52. 1170 Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 108 m.w.N.; enger wohl Rn. 5 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten, ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 58 (nichtstaatliche Organisationen und Interessengruppen weder von der RL 2005/29/EG noch von der RL 2006/114/EG erfasst). 1171 BGH 18.1.2012 – Az. I ZR 170/10 – Tz. 14 f. – Betriebskrankenkasse zu Werbemaßnahmen von gesetzlichen Krankenkassen; im Ergebnis ebenso mit dem zentralen Argument des Ziels eines hohen Verbraucherschutzniveaus durch die Richtlinie 2005/29/EG EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Tz. 37 – BKK Mobil Oil; OLG Celle 9.9.2010 – Az. 13 U 173/09 – GRUR-RR 2011, 111 Tz. 22 f. (juris) – Kassenwechsel; vgl. auch Art. 2 Nr. 2 RL 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher; a.A. LSG Sachsen 10.8.2011 – Az. L 1 KR 44/10 – Tz. 36 (juris). Zwar wurde die Klarstellung zur Einbeziehung staatlicher Stellen in Änderungsantrag 14 des Parlaments (Fn. 1031), A5-0188/2004, S. 13 f. nicht übernommen, allerdings ergibt sich die Erstreckung auf öffentlich-rechtliche Stellen bereits aus der allgemeinen Definition. 1172 EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Tz. 38 ff. – Stuttgarter Wochenblatt; MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 64. 1173 SEK (2009) 1666, Ziffer 1.8 S. 18; etwas enger Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 105 f. Fn. 334, der in Anlehnung an die markenrechtliche Rechtsprechung zur Benutzung im geschäftlichen Verkehr nicht auf Entgeltlichkeit, sondern auf die Ausrichtung auf einen wirtschaftlichen Vorteil abstellen will. 1174 EuGH 14.3.1991 – C-361/89 – Slg. 1991, I-1189 Tz. 15 f. – di Pinto. 1175 Vgl. EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Tz. 38 – Stuttgarter Wochenblatt. Der Nachsatz „im Namen oder Auftrag“ geht auf Änderungsantrag 14 des Parlaments (Fn. 1031), A5-0188/2004, S. 13 f. zurück, der in der Neufassung des Art. 2 lit. b RL 2005/29/EG berücksichtigt wurde, wobei der Tatsache Rechnung getragen wurde, dass die Richtlinie nicht die Frage der Haftung regeln soll, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1033), S. 17; siehe auch KOM (2004) 356, S. 5. 1176 SEK (2009) 1666, Ziffer 1.2 S. 9: von Unternehmen bezahlte Blogger in sozialen Netzwerken, zur Schleichwerbung in Blogs auch Rn. 17 ff. der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten, ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 58 (dort wird m.E. irrig davon ausgegangen, dass von Unternehmen veranlasste Schleichwerbung durch Verbraucher nicht unter die RL 2005/29/EG falle); SEK (2009) 1666, Ziffer 1.8, S. 18: Vermittler und Vertreter; siehe auch Anhang I Nr. 30 („Arbeitsplatz“ des Gewerbetreibenden gefährdet); MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 52. Eine Grenze ist dort zu ziehen, wo die Mitwirkung der Hilfsperson so untergeordnet ist, dass keine „Geschäftspraktik“ dieser Person mehr anzunehmen ist, Busch GPR 2008, 158, 161 („Büroboten und Plakatkleber“).
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konkrete Geschäftspraktik von dem Auftrag gedeckt sein muss.1177 Unsicher ist, ob mit Art. 2 lit. b RL 2005/29/EG auch eine haftungsrechtliche Zurechnung dergestalt zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Unternehmer für das Verhalten seiner Hilfspersonen einzustehen hat.1178 Nicht erfasst von der Richtlinie wird das Verhalten von Personen oder Einrichtungen, die nicht als Gewerbetreibender i.S.d. Art. 2 lit. b RL 2005/ 29/EG anzusehen sind und auch nicht als Vertreter oder Hilfspersonen eines Gewerbetreibenden handeln, auch wenn ihr Verhalten objektiv wettbewerbsrelevant ist.1179 (2) Verbraucher im Sinne der Richtlinie ist „jede natürliche Person, die im Ge- 263 schäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“ (Art. 2 lit. a RL 2005/29/EG). Von vorneherein ausgeschlossen sind damit juristische Personen,1180 selbst wenn sie nicht unternehmerisch agieren oder sich sogar wie ein Verbraucherverband für die kollektiven Interessen der Verbraucher einsetzen. Ebenfalls ausgeschlossen ist das Handeln zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken, auch wenn die Gewerbetreibenden ähnlich schutzbedürftig wie Verbraucher sind.1181 Der Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie umfasst alle Geschäftspraktiken „vor, 264 während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“ (Art. 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG), so dass nicht nur der Abschluss eines Rechtsgeschäfts erfasst wird.1182 Das Verhalten natürlicher Personen fällt daher immer dann in den Anwendungs-
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1177 Ausführlich zur Auslegung des „im Namen oder Auftrag“ Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 113 ff. 1178 So Koch Die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken (2006), S. 25 f., 216 f.; Busch GPR 2008, 158, 161 f.; a.A. Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 111 f. Zur ähnlichen Regelung in Art. 2 RL 85/577/EWG EuGH 25.10.2005 – C-229/04 – Slg. 2005, I-9273 Tz. 42 ff. – Crailsheimer Volksbank. 1179 Seichter WRP 2005, 1087, 1090; Köhler WRP 2007, 1393, 1397: „Empfehlung eines Unternehmens durch eine Behörde oder eines Produkts durch einen Redakteur“; SEK (2009) 1666, Ziffer 1.2 S. 10: „Bieten jedoch einzelne Personen auf einer nichtgewerblichen Grundlage Preisvergleichsinformationen an, wird davon ausgegangen, dass sie nicht an Geschäftspraktiken beteiligt sind“. Zu weitgehend Rn. 17 ff. der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten, ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 58, das offenbar für eine Regulierung unternehmensunabhängiger Empfehlungen durch Verbraucher an andere Verbraucher eintritt, weil diese irreführend sein könnten. Siehe auch den Vorlagebeschluss des BGH vom 18.1.2012 – I ZR 170/10 – Tz. 10 ff. – Betriebskrankenkasse zu Werbemaßnahmen von gesetzlichen Krankenkassen: Geschäftspraktik setzt „eine marktbezogene, wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens voraus“, der bei „Marktbezug“ und „Teilwettbewerb“ der gesetzlichen Krankenkassen wohl tendenziell gegeben ist (Tz. 14 f.); im Ergebnis ebenso mit dem zentralen Argument des Ziels eines hohen Verbraucherschutzniveaus durch die Richtlinie 2005/29/EG EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Tz. 37 – BKK Mobil Oil. Anders zur Richtlinie 2001/83/EG EuGH 2.4.2009 – C-421/07 – Slg. 2009, I-2629 Tz. 22 – Damgaard. 1180 EuGH 22.11.2001 – C-541/99 und C-542/99 – Slg. 2001, I-9049 Tz. 16 – Cape (zur Klauselrichtlinie 93/13/EWG). 1181 EuGH 14.3.1991 – C-361/89 – Slg. 1991, I-1189 Tz. 18 – di Pinto; EuGH 15.4.2010 – C-215/08 – Slg. 2010, I-2947 Tz. 30, 32 – E. Friz: Kapitalanlage (Beitritt zu geschlossenem Immobilienfonds) fällt unter den Verbraucherbegriff, Ausnahmen von unionsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften sind eng auszulegen; allgemein Rösler Verbraucher und Verbraucherschutz in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.) Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts (2009), S. 1599, 1600 f.; Piekenbrock/Ludwig GPR 2010, 114. Zu anderen, weitgehend übereinstimmenden Verbraucherdefinitionen siehe Art. 2 lit. b Klauselrichtlinie 93/13/EWG; Art. 2 lit. e Preisangabenrichtlinie 98/6/EG; Art. 1 Abs. 2 lit. a Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG; Art. 2 lit. e E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG; Art. 15 Abs. 1 EuGVO; Art. 2 lit. d RL 2002/65/EG über Fernabsatz von Finanzdienstleistungen; Art. 3 lit. a Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG; Art. 2 Nr. 1 RL 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher. 1182 Deshalb ist die Beschränkung des nach § 2 Abs. 2 UWG anwendbaren § 13 BGB auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts durch richtlinienkonforme Auslegung zu korrigieren, Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 85.
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bereich der Richtlinie, wenn sie nicht zu gewerblichen, handwerklichen oder (selbständigen) beruflichen Zwecken, sondern zu privaten Zwecken, insbesondere zur Befriedigung familiärer oder persönlicher Bedürfnisse1183 tätig werden. Unter den Schutz der Richtlinie fallen auch Handlungen zum Zweck unselbständiger beruflicher Tätigkeit (Arbeitnehmer), soweit der Arbeitnehmer nicht unmittelbar im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit handelt (dann handelt er i.d.R. im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden), sondern lediglich Geschäfte tätig, die mittelbar seiner beruflichen Tätigkeit dienen (z.B. der Erwerb eines Autos für den Arbeitsweg).1184 Unsicher ist die Handhabung gemischter Verträge, bei denen die Nutzung eines 265 Produkts (z.B. Laptop eines Freiberuflers) sowohl privat wie gewerblich erfolgt. Hier bietet sich eine Analogie zu Erwägungsgrund 17 der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU an, so dass bei Verträgen mit doppeltem Zweck die Verbrauchereigenschaft zu bejahen ist, wenn der gewerbliche Zweck im Gesamtzusammenhang des Vertrags nicht überwiegt.1185 Indes dürfte die Frage nur selten praktische Relevanz erlangen, weil im Fall der Klage eines Mitbewerbers regelmäßig nicht der Absatz an einen konkreten Abnehmer und dessen Produktnutzung, sondern die generelle Ausrichtung der Geschäftspraktik maßgeblich ist. Ist aber im konkreten Fall eine gemischte Nutzung möglich, dann richtet sich die Geschäftspraktik generell zumindest auch an reine Privatnutzer und damit Verbraucher und ist damit von der Richtlinie erfasst. 266
cc) Mitbewerberschutz und gewerblicher Geschäftsverkehr. Während die Richtlinie auf eine vollständige Harmonisierung der Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken zielt, „die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar und dadurch die wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder Mitbewerber1186 mittelbar schädigen“ (Erwägungsgrund 6 Satz 1 RL 2005/29/EG), werden nationale Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken, „die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen“ (Erwägungsgrund 6 Satz 3 RL 2005/29/EG),1187 von der Richtlinie nicht „erfasst und berührt“ und können weiterhin von den Mitgliedstaaten geregelt werden.1188 Folge dieser Anwendungsbereichsbegrenzung ist eine – vielfach kritisier-
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1183 EuGH 14.3.1991 – C-361/89 – Slg. 1991, I-1189 Tz. 16 – di Pinto. 1184 Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 627; enger Lettl WRP 2004, 1079, 1090; BTDrucks. 16/10145 S. 11 f. Im deutschen Recht dürfte dies keine Rolle spielen, weil § 2 Abs. 2 UWG auf § 13 BGB verweist, der ausdrücklich auf die selbständige berufliche Tätigkeit beschränkt ist, siehe BGH 24.2.2011 – 5 StR 514/09 – GRUR 2011, 941 Tz. 29 – Verbraucherbegriff bei progressiver Kundenwerbung. 1185 Enger zur EuGVO EuGH 20.1.2005 – C-464/01 – Slg. 2005, I-439 Tz. 39 – Gruber: Verbindung zur beruflich-gewerblichen Tätigkeit muss so schwach sein, dass sie nebensächlich würde und im Zusammenhang des Geschäfts, über das der Vertrag abgeschlossen wurde, insgesamt nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt; für Übernahme in das Lauterkeitsrecht MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 50. Diese Entscheidung ist aber erkennbar durch den Grundsatz des Beklagtengerichtsstands in der EuGVO beeinflusst und steht dem Verbraucherbegriff der RL 2005/29/EG ferner als die RL 2011/83/EU. 1186 Zum Begriff des Mitbewerbers siehe die Kommentierung von Peukert zu § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG Rn. 356 ff. 1187 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 39 – Plus Warenhandelsgesellschaft. 1188 Deutlich EuGH 4.12.2012 – C-559/11 – Tz. 20 – Pelckmans Turnhout: „Par consequent, toute législation nationale qui ne poursuit pas des finalités tenant à la protection des consommateurs ne relève pas du champ d’application de ladite directive“. Zur Präzisierung im zweiten Halbsatz des Erwägungsgrundes 6 Satz 3 RL 2005/29/EG Änderungsantrag 105 von Marianne L.P. Thyssen im Namen der PPE-DE-Fraktion, A5-0188/105, siehe auch Ratsdokument Nr. 8492/04, S. 7; aufgenommen in veränderter Fassung durch den Rat, um den „Bezug zu einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in außerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie liegenden Bereichen“ zu verdeutlichen, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1033), S. 16.
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te1189 – Aufspaltung in den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C-Verkehr) und Unternehmen untereinander (B2B-Verkehr). (1) Lediglich mitbewerberschützende Vorschriften. Die Abgrenzung des verbrau- 267 cherschützenden Lauterkeitsrechts von lediglich mitbewerberschützenden Vorschriften wirft erhebliche Schwierigkeiten auf. Ursache ist ein Spannungsverhältnis zwischen Art. 3 Abs. 1 RL 2005/29/EG und den Erwägungsgründen 6 und 8: Während Art. 3 Abs. 1 RL 2005/ 29/EG den Anwendungsbereich anhand eines adressatenorientierten Merkmals definiert („Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern“), stellen die Erwägungsgründe 6 und 8 (und auch Art. 1) der Richtlinie auf den Schutzzweck der Regelung ab (Schutz der „wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher“).1190 Zwar lassen sich auch Geschäftspraktiken identifizieren, die keinem der beiden Kriterien genügen, also nicht an Verbraucher gerichtet sind und ausschließlich den Interessen von Mitbewerbern schaden. Derartige Praktiken wie das Abwerben von Angestellten oder (gewerblichen) Kunden,1191 Bestechung, Industriespionage und Ausspähen von Geschäftsgeheimnissen (Art. 39 TRIPS),1192 Anstiftung zum Vertragsbruch (im geschäftlichen Verkehr), Sabotage an Produktions- oder Vertriebseinrichtungen, Schutzrechtsverwarnungen, Vertriebsbindungssysteme1193 oder allgemein der Verstoß gegen Marktverhaltensregelungen, die lediglich das Verhältnis zwischen Mitbewerbern betreffen,1194 werden von der Richtlinie 2005/29/EG nicht erfasst. Jenseits dieser klaren Fälle wirft die Kombination eines adressatenorientierten und 268 eines schutzzweckbezogenen Ausschlusskriteriums die Frage auf, ob Geschäftspraktiken, die an Verbraucher gerichtet sind, aber ausschließlich Mitbewerber schädigen, von der Richtlinie erfasst werden. Dies betrifft etwa den Bereich der Behinderung, soweit die behindernden Praktiken gegenüber Verbrauchern ausgeübt werden, aber Mitbewerber treffen sollen,1195 z.B. Maßnahmen der Preisgestaltung wie der Verkauf unter Einstandspreis1195a oder der Einsatz von Verdrängungspreisen, das Abwerben von Verbrauchern als Kunden,1196 die Verleitung von Verbrauchern zum Vertragsbruch1197 oder der Aufruf an Verbraucher zum Boykott der Konkurrenz. Das Problem stellt sich aber auch beim Vertrieb
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1189 Siehe nur Henning-Bodewig/Schricker GRUR Int. 2002, 319, 320; Köhler/Lettl WRP 2003, 1019, 1034; Henning-Bodewig GRUR Int. 2004, 183, 188 f.; Fezer WRP 2009, 1163, 1165; Harte/Henning/Glöckner Einl B Rn. 235 f.; positiver Keßler/Micklitz BB 2003, 2073, 2074 f. Zu den Infererenzen zwischen B2C- und B2BBereich Hoeren WRP 2009, 789, 794. 1190 Dazu auch Glöckner WRP 2009, 1175, 1177 f. 1191 BGH 16.7.2009 – I ZR 56/07 – GRUR 2009, 1075 Tz. 15, 19 – Betriebsbeobachtung. 1192 BGH 16.7.2009 – I ZR 56/07 – GRUR 2009, 1075 Tz. 15, 20 – Betriebsbeobachtung; siehe auch KOM (2011) 287, Ziffer 3.4.1, S. 19. 1193 Zu den Konsequenzen der UWG-Reform für Vertriebsbindungssysteme Lamberti/Wendel WRP 2009, 1479. 1194 BGH 2.12.2009 – I ZR 152/07 – GRUR 2010, 654 Tz. 15 – Zweckbetrieb. 1195 Siehe BGH 7.10.2009 – I ZR 150/07 – GRUR 2010, 346 Tz. 10 – Rufumleitung. 1195a Ein generelles und einzelfallunabhängiges Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis fällt als Geschäftspraktik unter die Richtlinie 2005/29/EG und ist nach dieser unzulässig, „sofern diese Vorschrift dem Verbraucherschutz dienen soll“, EuGH 7.3.2013 – C-343/12 – Tz. 22, 31 – Euronics Belgium. 1196 Zum Ausspannen und Abfangen von Kunden allgemein BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 24 – Änderung der Voreinstellung II; BGH 16.7.2009 – I ZR 56/07 – GRUR 2009, 1075 Tz. 15, 19 – Betriebsbeobachtung. 1197 Dazu auch Scherer WRP 2009, 518, 520 f.: „Verbot einer entsprechenden geschäftlichen Handlung [Verleiten von Verbrauchern zum Vertragsbruch] stünde daher im Hinblick auf den Verbraucher im Widerspruch zu der RL-UGP“; für eine Aufgabe der Rechtsprechung zur Verleitung zum Vertragsbruch auch Hoeren WRP 2009, 789, 793.
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von Nachahmerprodukten an Verbraucher1198 oder bei der Herabsetzung und Anschwärzung von Mitbewerbern1199 in der Kommunikation gegenüber Verbrauchern. In solchen Fällen sprechen die besseren Gründe dafür, zur Definition des Anwen269 dungsbereichs der Richtlinie nicht allein auf den Begriff der Geschäftspraktik i.S.d. Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG abzustellen, sondern zusätzlich aus dem Zweck der Richtlinie (Art. 1 RL 2005/29/EG) und den Erwägungsgründen 6 und 8 eine Schutzzweckschranke abzuleiten, so dass Regelungen, die ausschließlich dem Schutz der Mitbewerber dienen, auch dann nicht von der Richtlinie erfasst werden, wenn die konkrete Geschäftspraktik an Verbraucher gerichtet ist.1200 Dies bedeutet nicht, dass die betreffenden Geschäftspraktiken generell von der Richtlinie ausgenommen wären. Sofern und soweit eine konkrete verbrauchergerichtete Geschäftspraktik nämlich zugleich auch die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigt und aus diesem Grund untersagt wird, etwa zur Abwehr einer Irreführungs- oder Verwechslungsgefahr (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. a, Anhang I Nr. 13 RL 2005/29/EG),1201 bleibt die Richtlinie anwendbar. Davon unberührt bleiben allerdings Verbote des nationalen Lauterkeitsrechts, die allein dem Schutz der Interessen der Mitbewerber dienen. Für eine solche Lesart spricht neben den in Art. 1 und den Erwägungsgründen 6 270 und 8 verankerten Schutzzwecken der Richtlinie auch ihre Entstehungsgeschichte. So sollten nach der Begründung der Kommission Geschäftspraktiken nicht erfasst werden, soweit sie die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher nicht beeinträchtigen.1202 Na-
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1198 Siehe Erwägungsgrund 14 Satz 6 RL 2005/29/EG, der auf Änderungsantrag 6 des Parlaments (Fn. 1031), A5-0188/2004, S. 8 f. zurückgeht, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1033), S. 16. Zum Schutz vor Produktnachahmung im neuen UWG Köhler GRUR 2009, 445, 447 ff.; zur irreführenden Produktvermarktung Fezer GRUR 2009, 451. Nach BGH 28.5.2009 – I ZR 124/06 – GRUR 2010, 80 Tz. 17 – LIKEaBIKE und BGH 12.5.2011 – I ZR 53/10 – GRUR 2012, 58 Tz. 40 – Seilzirkus liegt § 4 Nr. 9 UWG außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG; eine Ausnahme für Herkunftstäuschungen lässt BGH 15.4.2010 – I ZR 145/08 – GRUR 2010, 1125 Tz. 33 f. – Femur-Teil offen. 1199 § 4 Nr. 7 UWG wird von der RL 2005/29/EG nicht erfasst, BGH 19.5.2011 – I ZR 147/09 – GRUR 2012, 74 Tz. 28 – Coaching-Newsletter. Die Herabsetzung oder Verunglimpfung durch vergleichende Werbung wird durch Art. 4 lit. d RL 2006/114/EG verboten. 1200 EuGH 4.12.2012 – C-559/11 – Tz. 20 – Pelckmans Turnhout: „Par consequent, toute législation nationale qui ne poursuit pas des finalités tenant à la protection des consommateurs ne relève pas du champ d’application de ladite directive“; Ohly WRP 2008, 177, 183: „Schutz des guten Geschäftsrufs (§ 4 Nr. 7, 8 UWG), der Nachahmungsschutz (§ 4 Nr. 9 UWG) und der Schutz vor unlauterer Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) bleiben daher, von Fällen der vergleichenden Werbung abgesehen, auf absehbare Zeit die Domäne des nationalen Rechts“; anders Köhler GRUR 2005, 793, 801 f., der das Problem über das Kriterium der unmittelbaren Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers lösen will (Erwägungsgrund 7 RL 2005/29/EG), eine solche Beeinflussung aber verneint, wenn ein Mitbewerber das an Verbraucher gerichtete Werbematerial vernichtet; für eine Einbeziehung bestimmter B2B-Praktiken Glöckner WRP 2009, 1175, 1177 f. Wiederum anders MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 69, der auch Geschäftspraktiken der Unternehmer untereinander erfassen will, die sich auf den Verbraucher auswirken, andererseits aber eine unmittelbare Kommunikationsbeziehung zwischen Gewerbetreibenden und Verbraucher fordert, die wiederum normativ anhand des legitimen Verständnisses eines europäischen Referenzverbrauchers bestimmt werden soll (Rn. 66). 1201 Vgl. auch BGH 15.4.2010 – I ZR 145/08 – GRUR 2010, 1125 Tz. 33 f. – Femur-Teil. 1202 KOM (2003) 356, S. 12 Rn. 40: „Das bedeutet auch, dass Handlungen, die in manchen Mitgliedstaaten als unlauterer Wettbewerb gewertet werden, die aber die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher nicht beeinträchtigen, etwa sklavische Nachahmungen […] oder Schlechtmachen eines Mitbewerbers, nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen. Handlungen, […] die tatsächlich den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schaden, wie z.B. Marketing unter Ausnutzung einer Verwechslungsgefahr […], werden jedoch erfasst“; ebenso SEK (2009) 1666, S. 16 Ziffer 1.7: „Somit [Hinweis auf Erwägungsgrund 6 Satz 3) fallen nationale Rechtsvorschriften über Geschäftspraktiken wie nicht kostendeckende Verkäufe bzw. Verlustverkäufe, die einzig und allein für einen lauteren Wettbewerb auf dem Markt sorgen sollen, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie“.
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tionale Vorschriften zum Schutz der Mitbewerber sollten vielmehr nur dann in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, wenn die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern zusammenfallen und eine nationale Rechtsvorschrift „eine Geschäftspraktik mit dem zweifachen Ziel des Schutzes von Verbrauchern und Mitbewerbern“ regelt.1203 Ebenfalls für eine Schutzzweckschranke streitet die Regelungssystematik. Während 271 nämlich die Richtlinie für verbrauchergerichtete Geschäftspraktiken zahlreiche Konkretisierungen der Generalklausel vorsieht (Art. 6–9, Anhang I RL 2005/29/EG), fehlt es vollständig an vergleichbarem Induktionsmaterial zur Auslegung des Art. 5 RL 2005/ 29/EG, soweit ausschließlich die Interessen von Mitbewerbern betroffen sind, etwa durch Verdrängungspreise, Produktnachahmungen oder Herabsetzungen. Auch wenn die Rechtsschöpfung in diesem Bereich durch den EuGH möglich wäre, so handelt es sich doch – gerade mit Blick auf die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten – um ein Gebiet, das besser bewusst durch den Gesetzgeber denn als ungeplanter Beifang einer verbraucherrechtlichen Richtlinie harmonisiert werden sollte. Schließlich finden sich Anzeichen für eine solche Schutzzweckschranke auch in der 272 jüngeren Rechtsprechung des EuGH. Zwar subsumierte der Gerichtshof in der Rechtssache VTB/VAB die streitgegenständlichen Kopplungsangebote noch unter Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG, ohne den Schutzzweck der belgischen Vorschriften über Kopplungsangebote näher zu thematisieren.1204 In Plus Warenhandelsgesellschaft ging der Gerichtshof dann allerdings, nach einer Subsumtion der fraglichen Geschäftspraktik (kostenlose Teilnahme eines Verbrauchers an einer Lotterie bei Erwerb bestimmter Waren) unter Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG,1205 auf den Einwand der tschechischen und österreichischen Regierung ein, dass die betreffenden Vorschriften des UWG in erster Linie den Schutz der Mitbewerber bezweckten.1206 Der EuGH wies dieses Argument zurück, weil von dem durch Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG definierten „besonders weiten materiellen Anwendungsbereich“ der Richtlinie „nur solche nationalen Rechtsvorschriften ausgenommen sind, die unlautere Geschäftspraktiken betreffen, die ‚lediglich‘ die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen“.1207 Zwar verneinte der EuGH im konkreten Fall eine Ausnahme, weil die in Rede stehenden nationalen Vorschriften ausdrücklich (auch) auf den Schutz der Verbraucher und nicht lediglich auf den Schutz der Mitbewerber und der anderen Marktteilnehmer abzielten.1208 Die Entscheidung zeigt aber, dass der Schutzzweck der nationalen Vorschriften offenbar Einfluss auf die Anwendbarkeit der Richtlinie hat. Diese Doppelprüfung – erstens Vorliegen einer Geschäftspraktik i.S.d. Art. 3, 2 273 lit. d RL 2005/29/EG, zweitens Berücksichtigung des Regelungszwecks der nationalen Vorschriften zur Subsumtion unter die Schutzzweckschranke in Erwägungsgrund 6 – übernahm sodann auch die Große Kammer in der Rechtssache Mediaprint. Nachdem der Gerichtshof das Vorliegen einer Geschäftspraktik i.S.d. Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG bejaht
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1203 SEK (2009) 1666, S. 16 f. Ziffer 1.7 mit dem Beispiel nationaler Maßnahmen zur Regelung der Schlussverkaufsperioden: Dienen diese dazu, „KMU vor einer ganzjährigen intensiven Absatzpolitik von großen Warenhausketten zu schützen und so einen lauteren Wettbewerb sicherzustellen“, werden sie von der Richtlinie nicht erfasst. Regeln sie aber „die Art der Präsentation von Rabatten für die Verbraucher während Schlussverkäufen“ oder die „Transparenz der Informationen zu Sonderangeboten“, so fallen sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie. 1204 EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 Tz. 50 – VTB-VAB; zu den potentiell weitreichenden Konsequenzen Glöckner WRP 2009, 1175, 1177 f. 1205 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 37 – Plus Warenhandelsgesellschaft. 1206 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 38 ff. – Plus Warenhandelsgesellschaft. 1207 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 39 – Plus Warenhandelsgesellschaft. 1208 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010, I-217 Tz. 40 – Plus Warenhandelsgesellschaft.
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hatte, ging er der Frage nach, ob eine nationale Bestimmung „ungeachtet der Tatsache, dass sie … einen umfassenderen Regelungszweck als die Richtlinie hat, weil sie nicht nur Verbraucher schützen will, sondern auch andere Ziele verfolgt, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen kann“.1209 Der Gerichtshof betonte erneut, dass infolge des sechsten Erwägungsgrundes „nur solche nationalen Rechtsvorschriften ausgenommen [sind], die unlautere Geschäftspraktiken betreffen, die ‚lediglich‘ die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern beeinträchtigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen“.1210 Im konkreten Fall hat der EuGH dies aufgrund der Feststellungen des vorlegenden Gerichts und des allgemeinen Gesetzeszwecks des österreichischen UWG verneint, obwohl die österreichische Regierung geltend gemacht hatte, dass die konkrete Bestimmung – wenn auch im UWG geregelt – „im Wesentlichen das Ziel der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt in Österreich“ verfolge.1211 Nur vor dem Hintergrund der Uneinigkeit über den Schutzzweck der nationalen Be274 stimmung ist wohl die weitere Feststellung des EuGH zu erklären, dass „selbst wenn man davon ausgeht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bestimmung im Wesentlichen das Ziel der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt in Österreich verfolgt“, darauf hinzuweisen sei, „dass die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, in ihrem Gebiet Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, die bezwecken oder bewirken, dass Geschäftspraktiken aus Gründen der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt als unlauter eingestuft werden, nicht zu den in den Erwägungsgründen 6 und 9 sowie in Art. 3 der Richtlinie genannten Ausnahmen von ihrem Anwendungsbereich gehört“.1212 Darin dürfte keine Relativierung der in Erwägungsgrund 6 genannten Ausnahme für ausschließlich mitbewerberschützende nationale Vorschriften zu sehen sein, sondern allenfalls der Hinweis, dass über die in den Erwägungsgründen 6 und 9 und in Art. 3 genannten Ausnahmen hinaus keine weiteren Ausnahmegründe zu akzeptieren sind.1213 Besonders klar tritt die Doppelprüfung nun im Beschluss in der Rechtssache Wamo 275 zu Tage.1214 Dort ging es um eine belgische Regelung, die Ankündigungen von Preisermäßigungen in einem Zeitraum untersagt, der der Phase des Schlussverkaufs in einer bestimmten Branche vorausgeht. Nach Hinweis auf die Rechtssachen Plus Warenhandelsgesellschaft und Mediaprint sowie Art. 1 und die Erwägungsgründe 6 und 8 der RL 2005/29/EG sah es der Gerichtshof als erforderlich an, vorab festzustellen, ob die betreffende belgische Regelung „dem Verbraucherschutz dienen soll und daher dem Anwen-
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1209 EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 20 – Mediaprint; siehe auch den Vorlagebeschluss OGH 18.11.2008 – 4 Ob 154/08p – Medien und Recht 2008, 315. 1210 EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 21 – Mediaprint. 1211 EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 23 ff. – Mediaprint. 1212 EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 26 – Mediaprint. 1213 Auch dies erscheint zweifelhaft, weil die Richtlinie nur dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher dient, so dass auch nationale Regeln zum Schutz nicht ausdrücklich vorbehaltener Allgemeininteressen zulässig bleiben, dazu unten Rn. 290–293. Großzügiger zur Medienregulierung neben der Richtlinie 2005/29/EG nunmehr auch EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Tz. 39 ff. – Stuttgarter Wochenblatt. 1214 EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – GRUR Int. 2011, 853 Tz. 20 ff. (Schutzzweck), Tz. 29 ff. (Geschäftspraktik) – Wamo; ebenso EuGH 15.12.2011 – C-126/11 – Tz. 29 f. – INNO: eine nationale Regelung, die allgemeines Verbot von Ankündigungen von Preisermäßigungen und Ankündigungen, die eine Preisermäßigung vermuten lassen, während bestimmter Zeiten vor den Schlussverkaufszeiten vorsieht, ist nur mit der Richtlinie 2005/29/EG unvereinbar, soweit mit dieser Bestimmung Ziele des Verbraucherschutzes verfolgt werden; ebenso EuGH 17.1.2013 – C-206/11 – GRUR 2013, 297 Tz. 27 (Geschäftspraktik), 31 (Ziel des Verbraucherschutzes) – Georg Köck (zur behördlichen Genehmigung von Ausverkäufen); EuGH 7.3.2013 – C-343/12 – Tz. 22, 31 – Euronics Belgium: generelles Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis mit der RL 2005/29/EG unvereinbar, „sofern diese Vorschrift dem Verbraucherschutz dienen soll“; EuGH 4.12.2012 – C-559/11 – Tz. 22 – Pelckmans Turnhout.
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dungsbereich der Richtlinie unterfällt“.1215 Da sich der Gerichtshof jedoch nicht zur Auslegung des nationalen Rechts äußern könne, müsse „das vorlegende Gericht und nicht der Gerichtshof … klären, ob die fragliche nationale Vorschrift tatsächlich dem Verbraucherschutz dient, damit festgestellt werden kann, ob eine solche Bestimmung in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt“.1216 Der Beschluss in Wamo demonstriert damit zugleich auch die Gefahren der Schutz- 276 zweckschranke: Indem der Schutzzweck der nationalen Regelung durch die nationalen Gesetzgeber (bzw. das vorlegende Gericht) und nicht autonom durch den Gerichtshof definiert wird, steht der Anwendungsbereich der Richtlinie zur Disposition der nationalen Gesetzgeber, die durch (Um-)Widmung nationaler Lauterkeitsvorschriften in den Konkurrentenschutz versucht sein könnten, sich der Vollharmonisierung zu entziehen. Um diese Gefahr abzumildern, sollte zur Bestimmung des Schutzzwecks nicht nur auf die Äußerungen der nationalen Regierung und des vorlegenden Gerichts, sondern auch auf den allgemeinen Zweck der nationalen Vorschriften, ihren Hintergrund und ihre Entstehungsgeschichte, die vorbereitenden Arbeiten und das wissenschaftliche Schrifttum zurückgegriffen werden,1217 auch wenn damit in gewissem Umfang eine Auslegung des nationalen Rechts verbunden ist. Dabei ist stets auf den Schutzzweck der konkreten Regelung abzustellen und nicht allein auf den allgemeinen Schutzzweck des übergeordneten Gesetzes (z.B. des UWG), der sich nicht zwangsläufig in jeder Einzelvorschrift widerspiegeln muss.1218 (2) Geschäftspraktiken, die sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetrei- 277 benden beziehen. Neben der Schutzzweckschranke definiert Erwägungsgrund 6 Satz 3 RL 2005/29/EG auch eine situationsgebundene Ausnahme für Geschäftspraktiken, die „sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen“. Die Auslegung dieser Klausel wirft keine besonderen Probleme auf, wenn die Beteiligten des konkreten Rechtsgeschäfts bekannt sind, z.B. wenn Rechtsrat gegenüber einem Unternehmen erteilt wird1219 oder Werbemails an gewerbliche Abnehmer versandt werden1220 oder wenn Kopplungs- oder Zugabenangebote an Gewerbetreibende oder Freiberufler gerichtet werden.1221 So werden etwa Boykotte oder Liefersperren nicht erfasst, wenn sie sich auf die Geschäftsbeziehungen zwischen Gewerbetreibenden beziehen.1222 Selbst wenn sich derartige Maßnahmen mittelbar auch auf Verbraucher auswirken mögen, so ist diese Auswirkung eine Folge der Veränderung der Marktbedingungen und nicht einer „Geschäftspraktik von Unternehmen gegenüber Verbrauchern“, so dass der Tatbestand des Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG nicht erfüllt ist. Allerdings erfasst die Richtlinie auch eine Vielzahl vorvertraglicher Verhaltenswei- 278 sen, bei denen noch nicht bekannt ist, ob der konkrete Vertragspartner ein Gewerbetrei-
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1215 EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – GRUR Int. 2011, 853 Tz. 20 – Wamo. 1216 EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – GRUR Int. 2011, 853 Tz. 28 – Wamo. 1217 EuGH 4.12.2012 – C-559/11 – Tz. 22 – Pelckmans Turnhout; SEK (2009) 1666, S. 17 Ziffer 1.7; siehe auch Lübbig GPR 2010, 268, 272 unter Hinweis auf EuGH 25.10.2001 – C-49/98 u.a. – Slg. 2001, I-7831 Tz. 40 – Finalarte: „Gesetze der Mitgliedstaaten nach ihrer tatsächlichen Wirkung und nicht nur nach der Gesetzesbegründung zu beurteilen“. 1218 Wenig überzeugend daher EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 24 – Mediaprint, wo aus dem allgemeinen Gesetzeszweck auf den Zweck einer Einzelvorschrift geschlossen wird. 1219 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09 – GRUR 2011, 539 Tz. 23 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker. 1220 BGH 10.12.2009 – I ZR 201/07 – MMR 2010, 183 Tz. 11. 1221 BGH 26.3.2009 – I ZR 99/07 – GRUR 2009, 1082 Tz. 21 – DeguSmiles & more; BGH 2.7.2009 – I ZR 147/06 – GRUR 2009, 969 Tz. 9 – Winteraktion. 1222 KOM (2003) 356, S. 12 Rn. 41.
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bender oder ein Verbraucher sein wird. In dieser Situation ist darauf abzustellen, ob sich der Vertrieb (auch) an Verbraucher oder ausschließlich an Gewerbetreibende (z.B. Vertrieb vom Hersteller an Großhändler oder vom Großhändler an Einzelhändler oder Gewerbetreibende) richtet, was sich etwa aus den AGB des Händlers ergeben kann, wenn diese auch tatsächlich angewendet werden.1223 Werden demgegenüber potentiell auch Verbraucher angesprochen, greift die Aus279 nahme nicht ein, und die Richtlinie findet Anwendung,1224 sofern es sich nicht ausnahmsweise um Produkte handelt, bei denen eine private Nutzung ausgeschlossen ist (z.B. Investitionsgüter).1225 Im Fall eines solchen gemischten Vertriebs (z.B. von Pkw, die sowohl privat wie gewerblich genutzt werden können) ist die Richtlinie 2005/29/EG ausschließlich anzuwenden und ein Rückgriff auf die durch die Richtlinie 2006/114/EG nur mindestharmonisierten nationalen Vorschriften zur Irreführung von Unternehmen auszuschließen, um zu verhindern, dass über den Umweg der Irreführungsvorschriften im unternehmerischen Verkehr die Vollharmonisierung der Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern unterlaufen wird.1226 280
(3) Irreführende Werbung im unternehmerischen Verkehr. Ebenfalls nicht von der Richtlinie 2005/29/EG erfasst wird der Schutz von Gewerbetreibenden vor irreführender Werbung und deren unlauteren Auswirkungen, der Gegenstand einer Mindestharmonisierung durch Art. 3 RL 2006/114/EG ist.1227
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dd) Schutz anderer als wirtschaftlicher Verbraucherinteressen. Gemäß Art. 1 dient die Richtlinie 2005/29/EG (nur) dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher. Vorbehaltlich der Vollharmonisierung durch andere Rechtsakte des Unionsrechts steht es den Mitgliedstaaten daher frei, zum Schutz anderer Interessen Geschäftspraktiken i.S.d. Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG zu untersagen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ausnahme ausdrücklich in der Richtlinie vorgesehen ist, (1)–(3). Darüber hinaus sind auch über die in der Richtlinie genannten Ausnahmen weitere Schutzgüter anzuerkennen, die den Regelungsspielraum der Mitgliedstaaten eröffnen, (4).
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(1) Gesundheitsschutz und Produktsicherheit. Zu den ausdrücklich genannten Ausnahmen zählen der Gesundheitsschutz und die Produktsicherheit. Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG sehen vor, dass die Richtlinie die Rechtsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten „in Bezug auf die Gesundheitsund Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt“ lässt. Nicht nur die Union, sondern auch die Mitgliedstaaten können daher unter Berufung auf den Schutz der Gesundheit und die Sicherheit der Verbraucher in ihrem Hoheitsgebiet Geschäftspraktiken einschränken oder verbieten, z.B. im Zusammenhang mit Spirituosen, Tabakwaren und Arzneimitteln (Erwägungsgrund 9 Satz 2 RL 2005/29/EG), und den Verstoß gegen solche Vorschriften auch wettbewerbsrechtlich sanktionieren (§ 4 Nr. 11 UWG).1228
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1223 Zuweilen sehen Großhändler in ihren AGB ausdrücklich vor, dass nur für gewerbliche Zwecke und nicht zu Zwecken des privaten Verbrauchs ihrer Kunden verkauft wird. 1224 Erwägungsgrund 6 Satz 4 RL 2005/29/EG: „Werbung, die für Unternehmen, nicht aber für Verbraucher irreführend ist“. 1225 Vgl. Hoeren WRP 2009, 789, 791: Bedarfsgeschäfte des alltäglichen Lebens unterfallen der Richtlinie. 1226 Zu dieser Gefahr Leistner ZEuP 2009, 56, 70. 1227 Erwägungsgrund 6 Satz 4 RL 2005/29/EG. Dies ergibt sich bereits aus der Ausnahme für Geschäftspraktiken, die sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen. 1228 BGH 26.3.2009 – I ZR 213/06 – GRUR 2009, 984 Tz. 34 – Festbetragsfestsetzung. Diese Regelungsausnahme lässt sich häufig parallel auch über Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG und (bei
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Dabei ist allerdings zu beachten, dass auf diesen Gebieten eine Vielzahl von sekto- 283 riellen Maßnahmen der Union ergangen sind, die häufig vollharmonisierenden Charakter haben und den Spielraum der Mitgliedstaaten begrenzen.1229 Zudem ist der Vorbehalt in Art. 3 Abs. 3 RL 2005/29/EG nicht dahingehend misszuverstehen, dass jede Werbung mit gesundheitsschützenden oder sicherheitsrelevanten Aspekten aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen wäre. Denn die Richtlinie bleibt anwendbar, wenn es um irreführende gesundheitsbezogene oder sicherheitsrelevante Angaben geht, die die Fähigkeit des Verbrauchers beeinflussen, eine informierte wirtschaftliche Entscheidung zu treffen, z.B. wenn wirkungslose Substanzen als medizinisch wirksam beworben werden.1230 Der Vorbehalt des Art. 3 Abs. 3 RL 2005/29/EG bezieht sich damit auf Marktver- 284 haltensregelungen, die vorrangig aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Erbringung gesundheitsbezogener Dienstleistungen an bestimmte Voraussetzungen knüpfen,1231 die Publikumswerbung für Arzneimittel verbieten,1232 die Werbung und Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel mit wettbewerbsrechtlichen Mitteln untersagen, 1233 die Zulassungsvoraussetzungen für Pflanzenschutzmittel bestimmen,1234 den Gebrauch gesundheitsbezogener Angaben in der Lebensmittelwerbung regeln1235 oder die Werbung für Tabakprodukte verbieten.1236 Bereits die Grenzen des Art. 3 Abs. 3 RL 2005/29/EG loten Vorschriften zur Preisbindung und Zugabenverbote im Arzneimittelsektor aus, auch wenn sie die flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und die sachliche – ohne Zugaben beeinflusste – Entscheidung für ein bestimmtes Arzneimittel sicherstellen sollen,1237 denn dies sind nicht nur Anliegen des Gesundheitsschutzes, sondern z.T. auch wirtschaftliche Motive. Darüber hinaus werden trotz Art. 3 Abs. 3 RL 2005/29/EG auch gesundheitsschützende Vorschriften des Unionsrechts zumindest insofern in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen, wie sie Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation i.S.d. Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG festlegen.1238
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unionsrechtlichen Vorschriften) Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG begründen (Vorbehalt für Regeln über „besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken“ (z.B. die VO 1924/2006, dazu BGH 13.1.2011 – I ZR 22/09 – GRUR 2011, 246 Tz. 12 – Gurktaler Kräuterlikör). 1229 Siehe den Überblick unten Rn. 424 insbesondere zur Arzneimittelwerbung, Tabakwerbung, Produktsicherheitskennzeichnungen und nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in Lebensmitteln, siehe auch MünchKomm/Micklitz EG K. 1230 Anhang I Nr. 17 RL 2005/29/EG: „falsche Behauptung, ein Produkt könne Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen“; Art. 6 Abs. 1 lit. b RL 2005/29/EG: „die wesentlichen Merkmale des Produkts wie […] Risiken“. Zur Werbung für wirkungslose Haarwuchsmittel KOM (2003) 356, S. 12 Rn. 43; siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 7.3.2002 – C-99/01 – Slg. 2002, I-9375 Tz. 34 – Linhart: „Maßnahmen zur Verhinderung einer derartigen möglichen Irreführung oder Verwirrung der Käufer hängen meines Erachtens nicht mit dem Gesundheitsschutz zusammen, sondern mit dem Verbraucherschutz und der Lauterkeit des Handelsverkehrs.“ 1231 BGH 16.1.2009 – I ZR 141/06 – GRUR 2009, 881 Tz. 16 – Überregionaler Krankentransport zum Genehmigungserfordernis für Rettungsfahrten Privater. 1232 BGH 26.3.2009 – I ZR 213/06 – GRUR 2009, 984 Tz. 34 – Festbetragsfestsetzung. 1233 BGH 24.6.2010 – I ZR 166/08 – GRUR 2010, 1393 Tz. 20 – Photodynamische Therapie. 1234 BGH 1.6.2011 – I ZR 25/10 – GRUR 2011, 843 Tz. 14 – Vorrichtung zur Schädingsbekämpfung; BGH 6.10.2011 – I ZR 117/10 –Tz. 30 f. – Delan (juris). 1235 BGH 13.1.2011 – I ZR 22/09 – GRUR 2011, 246 Tz. 12 – Gurktaler Kräuterlikör. 1236 BGH 4.11.2010 – I ZR 139/09 – GRUR 2011, 633 Tz. 35 – BIOTABAK. 1237 BGH 9.9.2010 – I ZR 98/08 – GRUR 2010, 1133 Tz. 11 – Bonuspunkte verweist ohne nähere Diskussion des Art. 3 Abs. 3 darauf, dass die Regeln dem Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Verbraucher dienten, obwohl in Tz. 14 und 18 differenziertere Schutzzwecke dargelegt werden. 1238 Siehe nur den Verweis auf die (gesundheitsbezogenen) Art. 86–100 RL 2001/83/EG in Anhang II RL 2005/29/EG.
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(2) Privatsphäre und Datenschutz. Auch der Schutz der Privatsphäre des Verbrauchers ist grundsätzlich nicht das Anliegen der Richtlinie 2005/29/EG.1239 Deshalb bleiben von ihr Regelungen wie Art. 13 Abs. 3 RL 2002/25/EG1240 unberührt (Erwägungsgrund 14 Satz 8 RL 2005/29/EG), die zum Schutz der Privatsphäre (Erwägungsgrund 40 Satz 1 RL 2002/58/EG) sicherstellen, dass „unerbetene Nachrichten zum Zweck der Direktwerbung, die entweder ohne die Einwilligung der betreffenden Teilnehmer erfolgen oder an Teilnehmer gerichtet sind, die keine solchen Nachrichten erhalten möchten, nicht gestattet sind“.1241 Aus Anhang I Nr. 26 Satz 2 RL 2005/29/EG lässt sich zudem ableiten, dass die Richtlinie 2005/29/EG das europäische Datenschutzrecht in Gestalt der Richtlinien 95/46/EG1242 und 2002/58/EG1243 generell unberührt lassen will. Eine Durchsetzung des europäischen Datenschutzrechts durch lauterkeitsrechtliche Instrumente (§ 4 Nr. 11) wird durch die Richtlinie 2005/29/EG daher nicht ausgeschlossen.1244
(3) Gesetzliche Anforderungen der guten Sitten und des Anstands. Von der Richtlinie ausgenommen sind ferner „die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind“ (Erwägungsgrund 7 Satz 3 RL 2005/29/EG). Erwägungsgrund 7 Satz 4 und 5 gestatten deshalb – im Einklang mit dem Unionsrecht (also den Grundfreiheiten)1245 – das Verbot von Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands wie z.B. das Ansprechen von Personen auf der Straße zu Verkaufszwecken, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen.1246 In der Sache geht es bei dieser Regelung nicht um eine zusätzliche Ausnahmevor287 schrift oder gar um eine Rückkehr der guten Sitten des § 1 UWG a.F. durch die Hinter-
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1239 Zur Vereinbarkeit des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG mit der Richtlinie 2005/29/EG BGH 10.2.2011 – I ZR 164/09 – NJW 2011, 2657 Tz. 23 ff. – Double-opt-in-Verfahren; siehe auch bereits BGH 10.12.2009 – I ZR 201/07 – MMR 2010, 183 Tz. 10 f. Zum Schutz der Privatsphäre der Arbeitnehmer vgl. auch EuGH 4.12.2012 – C-559/11 – Tz. 22 – Pelckmans Turnhout. 1240 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37; dazu unten Rn. 401–404. 1241 Veelken WRP 2004, 1, 25 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf C Rn. 49 sieht die Verbote der RL 2002/65/EG außerhalb der Richtlinie 2005/29/EG, weil sie keine Beeinflussung der Verbraucherentscheidung i.S.d. Art. 5 voraussetzen; für Subsidiarität der Richtlinie nach ihrem Art. 3 Abs. 4 Henning-Bodewig GRUR Int. 2005, 629, 633. 1242 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31; siehe auch den Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung), KOM (2012) 11, der die RL 95/46/EG ablösen will (Art. 88 des Vorschlags). Die inoffizielle konsolidierte Fassung der neuen Datenschutzgrundverordnung nach der Abstimmung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im Europäischen Parlament vom 22. Oktober 2013 ist unter www.janalbrecht.eu/themen/datenschutz-und-netzpolitik/alles-wichtigezur-datenschutzreform.html abrufbar. 1243 Fn. 1225. 1244 OLG Karlsruhe 9.5.2012 – 6 U 38/11 – Tz. 35 (zu §§ 4 Abs. 1, 28 BDSG). Ausführlich Linsenbarth/Schiller WRP 2013, 576; Köhler WRP 2013, 567. 1245 MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 120. Dazu Leistner ZEuP 2009, 56, 71, der bei den aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommenen „gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands“ (Erwägungsgrund 7 Satz 3 RL 2005/29/EG) die Ausnahme von Verkaufsmodalitäten aus der Grundfreiheitenkontrolle nicht mehr anwenden will. 1246 Zweifelnd an diesem Merkmal Harte/Henning/Glöckner Einl B Rn. 248.
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tür,1247 sondern um die eng auszulegende1248 Klarstellung, dass infolge der Beschränkung auf den Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen die Richtlinie die nationalen gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands nicht berührt.1249 Es geht damit nicht (nur) um Fragen der öffentlichen Ordnung i.S.d. Art. 36, 52 AEUV,1250 sondern vor allem um Regeln zur Abwehr von Belästigungen,1251 zum Schutz der Privat- und Persönlichkeitssphäre des Verbrauchers1252 (z.B. Regeln zum Ansprechen auf der Straße oder zur Werbung nach einem Todesfall1253), zum Schutz des Pietätsgefühls („Anstand“) oder des Sittlichkeitsempfindens (z.B. das Verbot der Darstellung von Nacktheit oder Gewalt, der Vermarktung von „Gewalt-Videospielen“, von militärischem Spielzeug1254 oder von Schockwerbung1255). Die Regelung vermag damit durchaus bestimmte Allgemeininteressen wie den 288 Schutz der Menschenwürde, den Schutz vor Diskriminierung oder den Jugendschutz aufzunehmen.1256 Ohnehin wird bei Regeln zum Schutz von Allgemeininteressen der An-
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1247 Harte/Henning/Glöckner Einl B Rn. 248. Dennoch sehen Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1320 in der Ausnahme eine erhebliche Beeinträchtigung des Harmonisierungsziels; siehe auch Sosnitza WRP 2006, 1, 7: „versteckte Öffnungsklausel“. 1248 Sosnitza WRP 2006, 1, 5; Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 299; Leistner ZEuP 2009, 56, 71. 1249 MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 118: „nationale Moralen“; Peifer Schutz ethischer Werte im Europäischen Lauterkeitsrecht oder rein wirtschaftliche Betrachtungsweise? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 125, 133; Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken S. 215 mit dem Hinweis in Fn. 648, dass die Klausel auf eine Bemerkung im Kommissionsvorschlag KOM (2003) 356 S. 11 f. Rn. 39 zum Anwendungsbereich (Art. 3 RL 2005/29/EG) zurückgeht: „Wie von Artikel 1 klargestellt wird beschäftigt sich die Richtlinie lediglich mit denjenigen Sachverhalten, welche die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher berühren. Das bedeutet, dass sich der Geltungsbereich der Richtlinie nicht auf Fragen des Geschmacks, des Anstands oder der sozialen Verantwortung erstreckt, es sei denn, der Gewerbetreibende stellt im Rahmen seines Marketings einen konkreten Bezug zwischen seinen Verpflichtungen in diesen Bereichen und seinen Produkten her“; ebenso KOM (2003) 356 S. 17 Rn. 68; zur Aufnahme in die Erwägungsgründe Ratsdokument Nr. 8217/04 S. 7 Fn. 8. 1250 Die öffentliche Ordnung in Art. 36 AEUV wird eng verstanden und erfasst insbesondere nicht den Verbraucherschutz, auch nicht vor nicht-wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1321. Ein Verbot des Ansprechens in der Öffentlichkeit dürfte darunter nicht fallen. Andererseits umfasst die öffentliche Ordnung auch Schutzgüter wie den Tierschutz (vgl. Erwägungsgrund 41 RL 2006/123/EG), die sich kaum unter den Begriff von „Sitte und Anstand“ subsumieren lassen. 1251 Ohly WRP 2006, 1401, 1410 f.; Leistner ZEuP 2009, 56, 70; OLG Frankfurt 29.1.2009 – 6 U 90/08 – OLGR Frankfurt 2009, 563 Tz. 17 (juris); zum Verhältnis von Belästigung und aggressiver Geschäftspraktik bei der Haustürwerbung siehe auch Reich GRUR 2011, 589, 592. 1252 Zum Schutz vor unerwünschter Werbung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG) siehe auch Anhang I Nr. 26 RL 2005/29/EG und den in Anhang I Nr. 26 Satz 2 und in Erwägungsgrund 14 Satz 8 RL 2005/29/EG vorbehaltenen Art. 13 Abs. 3 RL 2002/58/EG mit dortigem Erwägungsgrund 42. Zur Vereinbarkeit des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG mit der Richtlinie 2005/29/EG BGH 10.2.2011 – I ZR 164/09 – NJW 2011, 2657 Tz. 23 ff. – Double-opt-in-Verfahren; siehe auch bereits BGH 10.12.2009 – I ZR 201/07 – MMR 2010, 183 Tz. 10 f. 1253 BGH 22.4.2010 – I ZR 29/09 – GRUR 2010, 1113 Tz. 14 – Grabmalwerbung (zwei Wochen nach dem Todesfall). 1254 Zu diesen Beispielen SEK (2009) 1666, Ziffer 1.6 S. 15. 1255 Siehe das von Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 122 f. bemühte Beispiel der BenettonWerbung; ferner Keirsbilck The New European Law of Unfair Commercial Practices and Competition Law (2011), S. 265: „Commercial communications that violate national rules on pornography, racism, violent scenes in advertising, religious beliefs“. 1256 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.6c; zweifelnd Lübbig GPR 2010, 268, 272, wenn die Vorschriften neben dem Jugendschutz auch dem Verbraucherschutz dienen, so dass der Anwendungsbereich der Richtlinie eröffnet ist. Geht es um den Schutz der Gesundheit von Jugendlichen, ist auch Art. 3 Abs. 3 RL 2005/29/EG einschlägig; skeptisch zur Öffnung in Richtung nicht-wettbewerbsbezogener Allgemeininteressen Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1321; Sosnitza WRP 2006, 1, 6 f.; siehe auch EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 26 – Mediaprint.
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wendungsbereich der Richtlinie regelmäßig nicht eröffnet sein, weil die betreffenden Vorschriften nicht dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher dienen und/oder weil das verbotene Verhalten mangels unmittelbaren Zusammenhangs mit der Absatzförderung nicht als Geschäftspraktik i.S.d. Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG anzusehen ist.1257 Die Interpretation von Erwägungsgrund 7 Satz 3–5 RL 2005/29/EG als Ausprägung 289 der allgemeinen Beschränkung der Richtlinie auf den Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen und der Nachsatz in Erwägungsgrund 7 Satz 5 RL 2005/29/EG „auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen“ werfen die Folgefrage auf, ob Geschäftspraktiken auch dann nach den Regeln des nationalen Rechts verboten werden dürfen, wenn die Praktik tatsächlich die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher beeinträchtigt,1258 oder ob in diesen Fällen ausschließlich auf die Richtlinie zurückgegriffen werden darf.1259 Die Antwort dürfte vom Schutzzweck der nationalen Regelung abhängen: Dient diese nicht dem Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen, sondern ausschließlich anderen Interessen wie etwa dem Schutz der Privatsphäre, so bleibt sie trotz der Vollharmonisierung zulässig, selbst wenn die verbotene Praktik auch die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers beeinträchtigt. Dient die nationale Regelung indes auch dem Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen, so fällt sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie und die parallel zum Verbraucherschutz verfolgten Allgemeininteressen sind im Rahmen der Richtlinie, insbesondere der Generalklausel zu würdigen.1260 (4) Sonstige nicht-wirtschaftliche Interessen. Trotz eines entsprechenden Änderungsantrags des Parlaments1261 findet sich weder in dem Text der Richtlinie noch in den Erwägungsgründen eine explizite Ausnahme für den Jugendschutz und die öffentliche Sicherheit. Dies wirft die allgemeine Frage auf, ob Geschäftspraktiken auch zum Schutz anderer als wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher oder aus Gründen des Allgemeininteresses (z.B. Jugendschutz, öffentliche Sicherheit) reguliert werden dürfen.1262 Hier sind drei Aspekte zu unterscheiden. Zunächst erfasst die Richtlinie, auch wenn sie auf den Schutz der wirtschaftlichen 291 Interessen der Verbraucher zielt, ohne Zweifel auch Geschäftspraktiken, die die wirtschaftliche Verbraucherentscheidung (z.B. Kauf eines Produkts) im Hinblick auf nicht-wirtschaftliche Motive verzerren können. So legt jedenfalls ein Teil der Verbraucher Wert auf die Umwelteigenschaften ihrer Produkte, auch wenn diese für den Ver-
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1257 Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 123. Siehe auch Busch Unlauterer Wettbewerb in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.) Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 25 Rn. 20 Fn. 49, der darauf verweist, dass Praktiken ohne Einfluss auf die Marktgegenseite bereits nicht unter Art. 2 lit. d RL 2005/ 29/EG fallen. 1258 So Sosnitza WRP 2006, 1, 5: nationaler Gestaltungsspielraum „nicht nur bei fehlender, sondern eben auch bei gegebenem Einfluss auf die Verbraucherentscheidung eröffnet“; ebenso MünchKomm/ Micklitz EG E Rn. 121 f. 1259 So Ohly WRP 2006, 1401, 1411. 1260 Stuyck/Terryn/van Dyck CMLR 43 (2006) 107, 123: Subsumtion unter „berufliche Sorgfalt“. 1261 Änderungsantrag 28 des Parlaments (Fn. 1031), A5-0188/2004: Mitgliedstaaten sollen Maßnahmen ergreifen dürfen, „die sich auf einen Sektor beziehen, der durch diese Richtlinie nicht harmonisiert ist, wie z.B. Gesundheit, Schutz des körperlichen, geistigen oder moralischen Wohls von Minderjährigen und öffentliche Sicherheit“. Der Rat verwies darauf, dass das mit der Abänderung verfolgte Anliegen in der Neufassung des Erwägungsgrundes 9 berücksichtigt sei, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1033), S. 17. 1262 Jüngst Beater WRP 2012, 6.
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braucher keine wirtschaftlichen Konsequenzen haben.1263 Andere Konsumenten legen Wert auf die nachhaltige Herstellung eines Produkts und/oder bestimmte ethische Verhaltensverpflichtungen der Gewerbetreibenden. Derartige Kriterien sind Merkmale des Produkts und/oder des Gewerbetreibenden i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. b, f und ggfs. Art. 6 Abs. 2 lit. b RL 2005/29/EG und werden daher von den Irreführungstatbeständen der Richtlinie erfasst. Eine Irreführung über derartige Merkmale beeinträchtigt die wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers, weil er eine geschäftliche Entscheidung zum Erwerb eines Produkts auf eine unrichtige Tatsachengrundlage stützt, mögen sich die Tatsachen auch auf nicht-wirtschaftliche Erwerbsmotive des Verbrauchers beziehen.1264 Es ist weder sinnvoll noch beabsichtigt, durch die Richtlinie die Verbraucherentscheidung einseitig auf wirtschaftliche Motive zu reduzieren.1265 Zum zweiten werden bereits durch die Richtlinie zahlreiche Ausnahmen für nicht- 292 wirtschaftliche Interessen ausdrücklich anerkannt. Dazu zählen nicht nur die expliziten Vorbehalte für den Schutz der Gesundheit und die Produktsicherheit, den Schutz der Privatsphäre, für Fragen der guten Sitten und des Anstands und das Glücksspiel1266 (Erwägungsgründe 7, 9),1267 sondern auch die impliziten Ausnahmen, die durch die Öffnungsklausel zugunsten speziellerer Vorschriften des Unionsrechts in Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG in die Richtlinie inkorporiert werden.1268 So finden sich etwa in der durch Art. 3 Abs. 4 vorbehaltenen Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste zahlreiche Ausnahmen, die eine Regulierung der Werbung in audiovisuellen Medien aus Gründen des Jugendschutzes oder anderer öffentlicher Interessen gestatten.1269 Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG stellt damit zumindest in entsprechender Anwendung klar,1270 dass es jedenfalls dem Unionsgesetzgeber unbenommen bleibt, neben der Richtlinie 2005/ 29/EG andere Maßnahmen zum Schutz der nicht-wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit zu ergreifen. Dies ist etwa durch das Antidiskriminierungsrecht der Union erfolgt, das Einfluss zwar nicht auf den Inhalt von Medien und
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1263 Unmittelbare wirtschaftliche Konsequenzen für den Verbraucher hat etwa die Energieeffizienz eines Produkts. 1264 Siehe auch Art. 2 lit. e RL 2005/29/EG: Schutz der Fähigkeit des Verbrauchers, eine „informierte Entscheidung“ zu treffen. 1265 Dies meint wohl auch der BGH 4.2.2010 – I ZR 66/09 – GRUR 2010, 852 Tz. 16 – Gallardo Spyder, wenn er ausführt: „Überdies schützt die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken und – dem folgend – auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht etwa allein die wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers, sondern – wie sich aus Art. 2 lit. e der Richtlinie ergibt – ohne Beschränkung auf diesen Bereich schlechthin seine Fähigkeit, geschäftliche Entscheidungen auf informierter Grundlage zu treffen. Dementsprechend kann die Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung nicht mit der Begründung verneint werden, diese Handlung beeinträchtige lediglich ideelle – etwa auf dem Gebiet des Umweltschutzes liegende – Interessen des Verbrauchers“. 1266 Zur Abgrenzung dieser Ausnahme von unter die Richtlinie fallenden absatzfördernden Glücksspielen VG Regensburg 12.4.2012 – RO 5 K 11.1986 – Tz. 50 (juris). 1267 BGH 28.9.2011 – I ZR 93/10 – GRUR 2012, 201 Tz. 18 – Poker im Internet; BGH 28.9.2011 – I ZR 92/09 – GRUR 2012, 193 Tz. 16 – Sportwetten im Internet II. 1268 Dazu auch Peifer Schutz ethischer Werte im Europäischen Lauterkeitsrecht oder rein wirtschaftliche Betrachtungsweise? in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), S. 125, 130 f. 1269 Siehe Art. 9 lit. c RL 2010/13/EU; BGH 22.4.2009 – I ZR 216/06 – GRUR 2009, 845 Tz. 38 – Shift TV. Siehe auch den Schutz Minderjähriger beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen in Art. 3 Abs. 2 RL 2002/65/EG und als Bestandteil der öffentlichen Ordnung i.S.d. Grundfreiheiten (vgl. Erwägungsgrund 41 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG). 1270 Entsprechende Anwendung, wenn man die besonderen Vorschriften nicht als Regelung „besonderer Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken“ ansehen will, sondern als allgemeinpolitische Regelungen.
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Werbung,1271 aber auf die Preisgestaltung haben kann.1272 In ähnlicher Weise öffnet auch Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG das allgemeine Regime der Richtlinie für das gesamte Recht der regulierten Berufe einschließlich der dort verfolgten öffentlichen Interessen (z.B. Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, Gesundheitsversorgung). Damit reduziert sich das Problem letztlich auf die Fragestellung, ob nationale Ge293 setzgeber Geschäftspraktiken zum Schutz anderer als wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher verbieten dürfen, die nicht explizit oder implizit in den Ausnahmen der Richtlinie genannt sind. Gegen eine solche Kompetenz lässt sich einwenden, dass sie der Vollharmonisierung zuwiderlaufen kann, indem die nationalen Gesetzgeber unter dem Deckmantel aller möglichen öffentlichen Interessen ihre traditionellen Wettbewerbsvorschriften beizubehalten suchen. Zweifeln mag man auch, ob eine solche Befugnis mit der Mediaprint-Entscheidung vereinbar ist, die einen Rückgriff auf andere als in den Erwägungsgründen und in Art. 3 RL 2005/29/EG genannte Motive zur Beschränkung von Geschäftspraktiken als unzulässig angesehen hat.1273 Andererseits beschränkt sich das Harmonisierungsziel der Richtlinie ausdrücklich auf die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen (Art. 1, Erwägungsgrund 4 Satz 1, 6 Satz 1 RL 2005/29/EG). Daraus lässt sich folgern, dass Regeln zum Schutz anderer als wirtschaftlicher Interessen von der Richtlinie generell unberührt bleiben und die in Art. 3 und den Erwägungsgründen 6–9 genannten Fälle des Schutzes nicht-wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher oder der Allgemeinheit lediglich nicht abschließende Ausprägungen dieses allgemeinen Grundsatzes sind.1274 Die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten für andere als nicht-wirtschaftliche Verbraucherinteressen bleibt daher – in den Grenzen der Grundfreiheiten – vorbehalten. 294
ee) Abgrenzung zu Nachbardisziplinen des Lauterkeitsrechts. Schließlich darf keine der Ausnahmen der Richtlinie eingreifen, die in Art. 3 Abs. 2–10 und den Erwägungsgründen 6–10 geregelt sind. Die Ausnahmen lassen sich grob in drei (teilweise überlappende) Gruppen systematisieren,1275 nämlich den Schutz anderer als wirtschaftlicher Interessen des Verbrauchers und der Allgemeinheit,1276 die Abgrenzung zu Nachbardisziplinen des Lauterkeitsrechts,1277 und die Öffnungsklauseln für speziellere Vorschriften des besonderen Marktordnungsrechts.1278
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(1) Vertragsrecht und individuelle Klagen geschädigter Verbraucher. Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 2 lässt die Richtlinie 2005/29/EG „das Vertragsrecht und insbesondere die
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1271 Siehe Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37. 1272 EuGH (Große Kammer) 1.3.2011 – C-236/09 – NJW 2011, 907 Tz. 30 – Test Achats. Eine Durchsetzung des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots des § 19 AGG über § 4 Nr. 11 UWG lehnt Köhler WRP 2009, 898, 906 ab, weil eine solche Benachteiligung „nicht objektiv darauf gerichtet [ist], eine geschäftliche Entscheidung des Vertragspartners zu beeinflussen“. 1273 EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-540/08 – GRUR 2011, 76 Tz. 26 – Mediaprint. 1274 Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 207 ff.: Regeln zum Gesundheitsschutz, zum Schutz der Privatsphäre, zum Naturschutz, zum Schutz vor Diskriminierung und zum Schutz der Menschenwürde bleiben zulässig. 1275 Zwei weitere Ausnahmen betreffen die Zuständigkeit der Gerichte, Art. 3 Abs. 7 RL 2005/29/EG, und die Zertifizierung und Angabe des Feingehalts von Artikeln aus Edelmetall, Art. 3 Abs. 10 RL 2005/29/EG. 1276 Dazu bereits oben Rn. 281–293. 1277 Dazu sogleich Rn. 295–305. 1278 Dazu unten Rn. 306–327.
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Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrages unberührt“. Erwägungsgrund 9 Satz 1 ergänzt, dass die Richtlinie individuelle Klagen von Geschädigten, die durch eine unlautere Geschäftspraktik geschädigt wurden, nicht berührt.1279 Aus diesen Regeln lässt sich ableiten, dass die Wirksamkeit des Vertrages und etwaige vertragsrechtliche Rechtsbehelfe (Kündigung, Minderung, Gewährleistungsansprüche) von der Richtlinie unberührt bleiben. Art. 3 Abs. 2 RL 2005/29/EG überantwortet diese Fragen dem Vertragsrecht der Mitgliedstaaten und der Union,1280 die Rechtsbehelfe des Lauterkeitsrechts und des Vertragsrechts stehen nebeneinander.1281 Ebenso wenig verpflichtet die Richtlinie 2005/29/EG die Mitgliedstaaten, auch Ver- 296 brauchern ein individuelles Klagerecht einzuräumen, um Richtlinienverstöße geltend zu machen.1282 Auch wenn ein solches Recht aus Gründen der effektiven Durchsetzung der Richtlinie wünschenswert sein mag,1283 so spricht die konkrete Fassung der Richtlinie dagegen, dass sie ein solches Recht garantieren will.1284 Dies ergibt sich zum einen aus Erwägungsgrund 9 Satz 1, zum anderen auch aus Art. 11 Abs. 1 Satz 2, der – abgesehen von den Mitbewerbern – das berechtigte Interesse zur Durchsetzung der Richtlinie „nach dem nationalen Recht“ bestimmen will. Ungeachtet der Trennung auf der Ebene der Rechtsbehelfe stellt sich aber die Frage 297 nach der materiellen Kohärenz zwischen Lauterkeitsrecht und Vertragsrecht, also die Frage, ob zumindest die materiellen Wertungen der Richtlinie 2005/29/EG mit den vertragsrechtlichen Richtlinien der Union oder sogar dem allgemeinen Vertragsrecht der Mitgliedstaaten im Einklang stehen müssen,1285 so dass ein Vertragsverstoß zugleich eine unlautere Geschäftspraktik begründet und eine unlautere Geschäftspraktik einen Vertragsverstoß. An dieser Stelle ist nicht der Raum, um der Frage umfassend nachzugehen.1286 Festgehalten sei aber, dass auf Ebene des europäischen Richtlinienrechts das
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1279 Die Klarstellung beruht auf Änderungsantrag 1 der legislativen Entschließung des Parlaments (Fn. 1031), A5-0188/2004, S. 5 f., mit dem klargestellt werden sollte, dass die Richtlinie gerichtliche Schritte eines Mitbewerbers nicht verhindert, siehe auch Art. 11 Abs. 1 Satz 2 RL 2005/29/EG. 1280 EuGH 15.3.2012 – C-453/10 – GRUR 2012, 639 Tz. 45 – Pereničová. 1281 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 83 ff. – Pereničová; Köhler WRP 2009, 898, 912; tendenziell weitergehend Reich/Micklitz EWS 2012, 257, 263, die aus dem Effektivitätsgrundsatz ein Recht des Verbrauchers ableiten, sich durch einen Folgenbeseitigungsanspruch von den für ihn nachteiligen vertraglichen Folgen zu lösen; kritisch auch Augenhofer WRP 2006, 169, 171, 178. Zu den vertragsrechtlichen Konsequenzen einer Verletzung von Informationspflichten Fleischer ZEuP 2000, 779; Kocher ZEuP 2006, 785; Ackermann ZEuP 2009, 230, 257 ff.; Kroll-Ludwigs ZEuP 2010, 509, 517. 1282 Dazu Menke Wettbewerbsrechtlicher Verbraucherschutz – Bedarf es einer Aktivlegitimierung des Verbrauchers im UWG? (2011). 1283 Augenhofer WRP 2006, 169, 171; Alexander WRP 2012, 515, 522; Reich/Micklitz EWS 2012, 257, 258: „Abgrenzung des Vertragsrechts vom Lauterkeitsrecht führt in der Sache zu einer Verkürzung des individuellen Rechtsschutzes, weil der Verbraucher, […] de facto keine Möglichkeit hat, sich von dem Vertrag wieder zu lösen“; siehe auch Fezer GRURPRax 2011, 361, 363. 1284 Gamerith WRP 2005, 391, 403; Augenhofer WRP 2006, 169, 172 f.; De Cristofaro GRUR Int. 2010, 1017, 1018; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht (2010), S. 184 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf C Rn. 46; siehe auch KOM (2003) 356, S. 19 Rn. 77, wonach den Mitgliedstaaten keine neuen Verpflichtungen in Bezug auf die Durchsetzung auferlegt werden. 1285 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 88, 92 – Pereničová; Micklitz/Reich EuZW 2012, 126, 127. 1286 Dazu eingehend Lehmann Vertragsanbahnung durch Werbung (1981); ders. NJW 1981, 1233; Alexander Vertrag und unlauterer Wettbewerb (2002), S. 38 ff.; ders. WRP 2012, 515; Sack GRUR 2004, 625; Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 525 ff., S. 597 ff., 615 ff.; Busch Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht (2008), S. 173 ff.; ders. GPR 2008, 158; Köhler JZ 2010, 767; Goldhammer Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht (2011); zum Verhältnis von Richtlinie 2005/29/EG und missbräuchlichen Preisangaben siehe auch die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 93 ff., 112 ff. – Pereničová.
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Vertragsrecht und das Lauterkeitsrecht verflochten sind,1287 so dass im Interesse der Kohärenz der Wertungstransfer möglich und sinnvoll, aber nicht zwingend ist.1288 Großes Potential für einen Wertungstransfer vom Vertragsrecht in das Lauter298 keitsrecht bietet dabei die Regelungsstruktur der Richtlinie 2005/29/EG. Etwa die Wesentlichkeitsklausel in Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG, nach der die im Unionsrecht (einschließlich des Verbrauchervertragsrechts1289) festgelegten Informationsanforderungen für die Zwecke des Irreführungstatbestands als wesentlich gelten, aber auch andere Einzeltatbestände des Irreführungsverbots und der Maßstab der beruflichen Sorgfalt in der Generalklausel (Art. 5 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG) bieten verschiedene Ansatzpunkte, unter die sich Vertragsrechtsverstöße des Unternehmers subsumieren ließen (z.B. Art. 6 Abs. 1 lit. c wegen Irreführung über den „Umfang der Verpflichtungen des Gewerbetreibenden“ bei Verwendung unzulässiger AGB; Art. 7 Abs. 4 und Abs. 5 bei Verletzung von Informationspflichten, im Übrigen Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG bei sonstigen Verstößen gegen das Vertragsrecht).1290 Andererseits zeigt die Richtlinie 2005/29/EG zugleich die Grenzen des Wertungs299 transfers auf: Überschießende Aufklärungspflichten des mitgliedstaatlichen Vertragsrechts sind nur vertragsrechtlich, nicht aber lauterkeitsrechtlich relevant (Erwägungsgrund 15 Satz 5 und 6).1291 Auch wird nicht jeder Vertragsverstoß dazu geeignet sein, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. b RL 2005/29/EG wesentlich zu beeinflussen, zumal wenn es sich um einen nachvertraglichen Verstoß handelt. Und schließlich könnte die Neufassung der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher mit der Nichtaufnahme einiger lauterkeitsrechtlicher Regelungen aus der früheren Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG1292 darauf hindeuten, dass sich der europäische Gesetzgeber nach Erlass der Richtlinie 2005/29/EG zumindest regelungstechnisch um eine klarere Trennung von Lauterkeitsrecht und Vertragsrecht bemüht. Zu möglichen Wertungstransfers von der Richtlinie 2005/29/EG in das Ver300 tragsrecht soll hier nur festgehalten werden, dass der Lauterkeitsverstoß als solcher nicht zwangsläufig zu vertraglichen Konsequenzen führt,1293 sondern regelmäßig nur ein Anhaltspunkt unter mehreren ist, der bei der Subsumtion unter den Oberbegriff des Vertragsrechts (z.B. den missbräuchlichen Charakter einer Vertragsklausel) anhand von
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1287 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 88; siehe bereits Lettl Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa (2004), S. 63: „Verdichtungsprozess“; Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007), S. 433 ff., 515: „Vertrags- und Lauterkeitsrecht grundsätzlich einheitlich zu betrachten“; Schmidt JZ 2007, 78, 79 f.; Busch GPR 2008, 158. 1288 Alexander WRP 2012, 515, 522: kohärente Auslegung und Rechtsanwendung; wohl weitergehend Micklitz/Reich EuZW 2012, 126, 127: „Zusammenschau der beiden Rechtsgebiete“. 1289 Siehe die in Anhang II RL 2005/29/EG beispielhaft erwähnten Rechtsakte. 1290 Zum Gebrauch unzulässiger AGB-Klauseln als unlautere Geschäftspraktik BGH 31.5.2012 – I ZR 45/11 – Tz. 47 f. – Missbräuchliche Vertragsstrafe; Orlando European Review of Contract Law 2011, 25. Alexander WRP 2012, 515, 520 geht davon aus, dass sich die Verwendung missbräuchlicher Klauseln „nicht ohne Weiteres“ den Regeln über irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken zuordnen lasse und greift deshalb auf die Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG zurück. 1291 Busch GPR 2008, 158, 163: „Transferverbot“. 1292 Vgl. die Streichung der Art. 9, 10 RL 97/7/EG über unerbetene Nachrichten und die Zusendung unbestellter Waren in der Richtlinie 2011/83/EU, die nur noch die vertragsrechtlichen Konsequenzen der Zusendung unbestellter Waren regelt (Art. 27 RL 2011/83/EU). Siehe auch die Nichtaufnahme des Verweises auf „die Grundsätze der Lauterkeit bei Handelsgeschäften“ in Art. 4 Abs. 2 RL 97/7/EG in der neuen Richtlinie 2011/83/EU. 1293 Siehe aber die Anknüpfung an Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29/EG in Art. 27 der RL 2011/83/EU für die Befreiung von der Gegenleistung bei unbestellten Waren und Dienstleistungen.
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Kontext und Funktion der Vertragsrechtsnorm zu berücksichtigen ist.1294 Darüber hinaus zeichnet sich vor allem bei den vertraglichen Informationspflichten eine gewisse Tendenz zur Parallelisierung vertrags- und lauterkeitsrechtlicher Pflichten ab, wie sich etwa an einem Vergleich zwischen Art. 7 Abs. 4 RL 2005/29/EG und Art. 20 des Vorschlags für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht1295 zeigt. Allerdings mag man bezweifeln, ob sich die formale Parallelisierung der Informa- 301 tionspflichten auch in der Praxis des Vertragsrechts niederschlagen wird, lassen sich doch die Verhaltensnormen des Lauterkeitsrechts mit vertraglichen Rechtsbehelfen häufig nicht adäquat sanktionieren. Denn selbst wenn man einen Pflichtverstoß i.S.d. §§ 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB durch Rückgriff auf lauterkeitsrechtliche Wertungen begründen mag, so wird dieser häufig sanktionslos bleiben, weil dem Vertragspartner dadurch kein Schaden entstanden ist, auch eine Modifikation des Vertragsinhalts unnötig sein wird1296 und wohl kaum ein Verbraucher – wie im Lauterkeitsrecht üblich – den Verstoß als solchen mit Mitteln des Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs bekämpfen wird. Darüber hinaus stellt sich die grundsätzliche Frage, ob man die – auch unter dem Gesichtspunkt der begrenzten Informationsverarbeitungsfähigkeiten der Adressaten – als sehr weitgehend kritisierten Informationspflichten des Lauterkeitsrechts1297 in das Vertragsrecht verlängern will. Die Einflüsse des Vertragsrechts auf das Lauterkeitsrecht können schließlich nicht 302 nur aus dem Unionsrecht, sondern auch aus den Regeln des nationalen Vertragsrecht entstammen, die als das durch die Rom I-VO zur Anwendung berufene Recht den „Umfang der Verpflichtungen des Gewerbetreibenden“ (Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2005/29/EG) und allgemein die Regeln der beruflichen Sorgfalt (Art. 5 Abs. 2 lit. a, 2 lit. h RL 2005/29/EG) definieren. Diese Renationalisierung der Generalklausel ist mit dem Gedanken der Vollharmonisierung vereinbar, weil die Richtlinie auch an anderer Stelle eine Konkretisierung des beruflichen Sorgfaltsmaßstabs z.B. durch nationale Regeln für reglementierte Berufe (Art. 3
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1294 EuGH 15.3.2012 – C-453/10 – GRUR 2012, 639 Tz. 43 – Pereničová; Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 29.11.2011 – C-453/10 – Tz. 125 – Pereničová; siehe auch Art. 23 Abs. 2 lit. f des Kommissionsvorschlags für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM (2011) 635; ferner Micklitz/Reich EuZW 2012, 126, 127: „grobe Verstöße gegen das Irreführungsverbot“ führen zugleich zur Intransparenz i.S.d. Klauselrechts; Alexander WRP 2012, 515, 519: geschäftliche Handlung müsse in sachlichem Zusammenhang mit der als missbräuchlich angegriffenen Vertragsklausel stehen; allgemein Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S. 892 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza, Einl D Rn. 67 f.; Ohly GRURPrax 2011, 366, 367; ähnlich auch Busch GPR 2008, 158, 160, der eine Übertragung höherer lauterkeitsrechtlicher Informationsstandards in das Vertragsrecht zwar erwägt, einen vollständigen Gleichlauf aber als zu weitgehend ansieht; in Richtung eines Gleichlaufs vertrags- und lauterkeitsrechtlicher Informationspflichten aber Art. II.-3:102 DCFR. Einen rechtsvergleichenden Überblick bietet de Cristofaro GRUR Int. 2010, 1017, 1020 ff. 1295 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM (2011) 635; siehe auch die Informationspflichten in besonderen Situationen in Art. 13 ff. des Vorschlags. 1296 Art. 29 Abs. 1 des Vorschlags für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht sieht als Abhilfe bei Verletzung von Informationspflichten vor, dass „eine Partei, die eine sich aus diesem Kapitel ergebende Pflicht nicht erfüllt, […] für jeden Verlust [haftet], der der anderen Partei durch diese Pflichtverletzung entsteht“. Zudem ist der Verbraucher gemäß Art. 29 Abs. 2 nicht verpflichtet, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen, über die er nicht aufgeklärt wurde; dazu Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/ Zimmermann JZ 2012, 269, 276 f. Art. II.-3:107 DCFR schlägt eine doppelte Sanktion vor: Zum einen haftet der Unternehmer für den möglichen Vertrauensschaden (Art. II-3:107 Abs. 2 DCFR), zum anderen bestimmen sich die vertraglichen Pflichten danach, was die andere Partei aufgrund der Unrichtigkeit oder des Fehlens der Information vernünftigerweise erwarten konnte (Art. II-3:107 Abs. 3 DCFR). 1297 Zu dieser Kritik oben Rn. 233.
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Abs. 8 RL 2005/29/EG) gestattet.1298 Zudem ist es angesichts der fehlenden Harmonisierung des Vertragsrechts bei vielen Verbraucherverträgen unumgänglich, die Verpflichtungen des Unternehmers durch das nationale Vertragsrecht zu bestimmen. 303
(2) Ebenfalls von der Richtlinie 2005/29/EG unberührt bleiben die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft und die nationalen Rechtsvorschriften zu ihrer Umsetzung (Erwägungsgrund 9 Satz 2 RL 2005/29/EG).1299 Dazu bedarf es nicht des Rückgriffs auf Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG, sondern der Schutz des Wettbewerbs auf dem Markt steht von vorneherein neben dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher i.S.d. Art. 1 RL 2005/29/EG, weil das Unionsrecht von einer Zieldivergenz des Kartell- und Lauterkeitsrechts ausgeht.1300
(3) Geistiges Eigentum. Nach Erwägungsgrund 9 Satz 2 berührt die Richtlinie 2005/ 29/EG nicht die gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums (siehe auch Erwägungsgrund 6 Satz 5: „Markendifferenzierung“), so dass parallele Ansprüche aus Rechten des geistigen Eigentums, insbesondere aus Markenoder Geschmacksmusterrechten, neben der Richtline anwendbar bleiben (vgl. auch Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG analog).1301 Auch dienen die Rechte des geistigen Eigentums nicht dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher, sondern der Mitbewerber, und liegen damit jenseits der Regelungsziele der Richtlinie. Interessanter ist dementsprechend auch die umgekehrte Frage, ob die spezielle305 ren Regeln der gewerblichen Schutzrechte (Marken, geschäftliche Bezeichnungen, Geschmacksmuster1302) Vorrang vor den Tatbeständen der Richtlinie 2005/29/EG haben. Hier neigt eine Strömung in der jüngeren Literatur zumindest zu einer deutlichen Einschränkung, wenn nicht sogar zur Aufgabe der Vorrangthese,1303 weil Art. 6 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG ausdrücklich die Verwechslungsgefahr mit einem „Kennzeichen eines Mitbewerbers“ als irreführende Geschäftspraxis qualifiziert.1304 Für eine solche Lesart lässt sich nicht nur auf die Regelungsstruktur der Richtlinie 2005/29/EG, sondern auch
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1298 Auch wenn man die Durchsetzung von Regeln für reglementierte Berufe nicht über die Generalklausel, sondern über einen anderen Tatbestand des UWG vollzieht (etwa § 4 Nr. 11 UWG), so ändert dies in der Sache nichts daran, dass sich die Verhaltensstandards des Gewerbetreibenden und damit der Maßstab seiner beruflichen Sorgfalt aus dem nationalen Berufsrecht ergibt. 1299 Zum Verhältnis von Lauterkeitsrecht und Kartellrecht oben Rn. 48–59. 1300 Siehe auch Lübbig GPR 2010, 268, 272, der allerdings eher eine Lösung über Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG im Blick hat. 1301 Eine direkte Anwendung der lex specialis-Regel scheitert daran, dass die immaterialgüterrechtlichen Normen keine „besonderen Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken“ regeln, weitergehend MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 78. Zum Verhältnis von Immaterialgüterrecht und Lauterkeitsrecht oben Rn. 69–72. 1302 Hierzu zählt auch der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz nach § 4 Nr. 9 lit. a UWG. 1303 Dazu nur BGH 28.2.2002 – I ZR 195/99 – GRUR 2002, 703, 705 – Vossius & Partner: „Vorrang des (individuellen) kennzeichen- und namensrechtlichen Sonderrechtsschutzes vor dem (kollektiven) Schutz vor Irreführung“. Zur Kritik vor der Richtlinie 2005/29/EG bereits Kur GRUR 1989, 240, 242 f. 1304 Fezer WRP 2008, 1, 8; Köhler GRUR 2009, 445, 448; Bärenfänger WRP 2011,16, 19 f. Bornkamm GRUR 2011, 1, 2 ff.; Goldmann GRUR 2012, 857, 859 ff.; skeptisch auch Ohly GRUR 2007, 731, 738 f.; siehe auch Steinbeck WRP 2006, 632, 637 f., 640, die von einer Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG abrät; a.A. Piper/Ohly/Sosnitza § 5 Rn. 700 f.: Vorrangthese mit Richtlinie vereinbar; zurückhaltend auch BGH 6.12.2007 – I ZR 169/04 – GRUR 2008, 628 Tz. 14 – Imitationswerbung. Eine ähnliche Regel findet sich im Verhältnis zum lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz in Anhang I Nr. 13 und Erwägungsgrund 14 Satz 6 RL 2005/29/EG. Ausführlich zu Art. 6 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG Thress Die irreführende Produktvermarktung: zur Auslegung des Art. 6 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken und des § 5 Abs. 2 UWG (2011) S. 33.
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auf die unterschiedlichen Schutzzwecke der Richtlinie (Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher) und des Markenrechts (Schutz des Kennzeicheninhabers bzw. seiner Lizenznehmer) verweisen. ff) Speziellere Vorschriften des besonderen Marktordnungsrechts. Als weitere 306 Ausnahme sieht die Richtlinie eine Öffnungsklausel für speziellere Vorschriften des besonderen Marktordnungsrechts vor. (1) Besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken. Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/ 307 EG formuliert einen Vorrang für „Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln“ „wie etwa Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind“ (Erwägungsgrund 10 Satz 3). Diese Spezialitätsanordnung bezieht sich nur auf Verordnungen und Richtlinien des Unionsrechts, nicht auf Regeln der nationalen Gesetzgeber,1305 die nur unter Art. 3 Abs. 5, 8 oder 9 RL 2005/29/EG fallen können. Soweit nationale Gesetzgeber aufgrund der bisher verbreiteten Mindestharmoni- 308 sierungsklauseln über die Vorgaben des Unionsrechts hinausgegangen sind, ist dieser überschießende nationale Verbraucherschutz lauterkeitsrechtlich1306 nur noch relevant, solange die Übergangsfrist in Art. 3 Abs. 5 nicht abgelaufen ist oder es sich um Regeln über regulierte Berufe oder Finanzdienstleistungen oder zum Schutz anderer als wirtschaftlicher Verbraucherinteressen handelt. Für die Zwecke des Lauterkeitsrechts bewirkt die Richtlinie 2005/29/EG damit eine Vollharmonisierung auch im sektoriellen Lauterkeitsrecht, selbst wenn die sektoriellen Rechtsakte noch Mindestharmonisierungsklauseln enthalten. Speziellere Regeln i.S.d. Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG finden sich in erster Linie in sektoriellen Irreführungsregeln,1307 z.T. auch in einzelnen Regeln zum Schutz vor aggressiven Praktiken.1308 Sodann ist der Vorrang auf die besonderen Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken 309 beschränkt.1309 Die Regeln der Richtlinie 2005/29/EG bleiben daher anwendbar, wenn und soweit sich in den spezielleren Rechtsakten keine besonderen Regeln finden, so dass es zu einer Verzahnung der Richtlinie 2005/29/EG mit den spezielleren Regeln kommt. Dies ergibt sich insbesondere aus Erwägungsgrund 10 Satz 4 RL 2005/29/EG, wonach die Richtlinie 2005/29/EG „den Verbrauchern in den Fällen Schutz [bietet], in denen es keine spezifischen sektoralen Vorschriften auf Gemeinschaftsebene gibt“. Die
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1305 Soweit sie nicht auf der Umsetzung einer Richtlinie beruhen. 1306 Verbrauchervertragsrechtlich bleibt es möglich, über die Standards des Unionsrechts hinauszugehen, vgl. Erwägungsgrund 15 Satz 2 RL 2005/29/EG. 1307 Art. 6 Abs. 3 Satz 1 RL 76/768/EWG (Kosmetik); Art. 3 Abs. 1 RL 90/314/EWG (Pauschalreisen); Art. 2 RL 2000/13/EG (Lebensmitteletikettierung); Art. 87 Abs. 3, Art. 90 lit. j, lit. k i.V.m. Art. 97 RL 2001/83/EG (Arzneimittel); Art. 3 Satz 2 lit. a VO 1924/2006 (nährwertbezogene Angaben bei Lebensmitteln); Art. 9 Abs. 1 lit. a Satz 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. j. RL 2010/13/EU (audiovisuelle Mediendienste). 1308 Art. 9 Abs. 1 lit. b, lit. g RL 2010/13/EU; Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 183. Das weitere von Apetz genannte Beispiel aus der Fernabsatzrichtlinie (Art. 10 Abs. 2 RL 97/7/EG) ist in der neuen RL 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher unter Hinweis auf Art. 13 RL 2002/58/EG über den Datenschutz entfallen. 1309 Dient die speziellere Vorschrift anderen Zwecken (z.B. Mitbewerberschutz, Gesundheitsschutz, Schutz der Privatsphäre, Jugendschutz etc.), so fehlt es bereits an einer Kollision mit der Richtlinie 2005/ 29/EG, die nur eine Harmonisierung der Regeln zum Schutz der wirtschaftlichen Verbraucherinteressen bezweckt, Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken (2011), S. 181 f. Dies steht in gewissem Spannungsverhältnis zu der Tatsache, dass andere Abschnitte der Richtlinie 2005/29/EG (z.B. Anhang II mit Verweis auf die Art. 86 ff. RL 2001/83/EG) auch Regeln in die Richtlinie einbeziehen, die nichtwirtschaftliche Verbraucherinteressen schützen.
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Richtlinie „ergänzt somit den gemeinschaftlichen Besitzstand in Bezug auf Geschäftspraktiken, die den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schaden“ (Erwägungsgrund 10 Satz 6 RL 2005/29/EG). Besonders anschaulich zeigt sich diese Verzahnung in Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG. Nach dieser Vorschrift gelten die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation stets als wesentlich i.S.d. Art. 7 Abs. 1 RL 2005/29/EG1310 und können als irreführende Werbung nach der Richtlinie 2005/29/EG untersagt werden.1311 In ähnlicher Weise lassen sich spezielle Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind, in die Tatbestände des Art. 6 Abs. 1 („sämtliche Umstände ihrer Präsentation“) und Art. 7 Abs. 2 („auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise“) integrieren. Über seinen Wortlaut („besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken“) hinaus lässt sich Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG außerdem entnehmen, dass es dem Unionsgesetzgeber unbenommen bleibt, Maßnahmen zum Schutz anderer als wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit zu ergreifen. Dies ergibt sich bereits aus der Begrenzung der Richtlinie 2005/29/EG auf den Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen. Interessanter ist die Folgefrage, ob die in Erwägungsgrund 10 Satz 6 vorgesehene Regelungsergänzung durch die Richtlinie 2005/29/EG auch bei besonderen Vorschriften des Unionsrechts greift, die Geschäftspraktiken aus anderen Gründen als zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher regeln. Diese Frage ist nicht allein von theoretischem Interesse, denn wenn man sie bejaht, steht das Sanktioneninstrumentarium der Richtlinie, insbesondere das Initiativrecht der Mitbewerber (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 RL 2005/29/EG) in der Art eines europäischen Rechtsbruchtatbestands zur Durchsetzung weiter Teile des Unionsrechts generell zur Verfügung.1312 Denken mag man hier etwa an das Antidiskriminierungsrecht der Union, das Einfluss zwar nicht auf den Inhalt von Medien und Werbung,1313 aber auf die Preisgestaltung haben kann.1314 Die Antwort der Richtlinie ist nicht eindeutig.1315 Die Beschränkung auf den Schutz wirtschaftlicher Interessen der Verbraucher in Art. 1 und Erwägungsgrund 10 Satz 6 und die Existenz eigener Sanktionsregeln in den Sondervorschriften des Unionsrechts (z.B. im Antidiskriminierungsrecht1316) legen nahe, dass die Richtlinie 2005/29/EG nicht zur
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1310 Die Liste des Anhangs II ist nicht erschöpfend, BGH 4.2.2010 – I ZR 66/09 – GRUR 2010, 852 Tz. 15 ff. – Gallardo Spyder zur Einbeziehung der Richtlinie 1999/94/EG. Allerdings setzt die Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG voraus, dass die Informationspflicht ihre Grundlage im Unionsrecht hat, nicht im nationalen Recht, selbst wenn dieses mindestharmonisierende Richtlinien überschießend umsetzt, Erwägungsgrund 15 Satz 2, 4–5. 1311 Der BGH greift zur Abwehr von Verstößen gegen Informationsanforderungen nach Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG allerdings nicht auf die Regeln zur irreführenden Werbung (§§ 5, 5a UWG), sondern den Rechtsbruchtatbestand (§ 4 Nr. 11 UWG) zurück, BGH 4.2.2010 – I ZR 66/09 – GRUR 2010, 852 Tz. 12, 15 ff. – Gallardo Spyder; zu einer möglichen Begründung für dieses Vorgehen BGH 10.12.2009 – I ZR 189/07 – GRUR 2010, 754 Tz. 21, 23 – Golly Telly. 1312 Siehe bereits oben Rn. 68. 1313 Siehe Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37. Ein Verbot diskriminierender Darstellungen findet sich in Art. 9 Abs. 1 lit. c ii der Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Medien. 1314 EuGH (Große Kammer) 1.3.2011 – C-236/09 – NJW 2011, 907 Tz. 30 – Test Achats. Eine Durchsetzung des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots des § 19 AGG über § 4 Nr. 11 UWG lehnt Köhler WRP 2009, 898, 906 ab, weil eine solche Benachteiligung „nicht objektiv darauf gerichtet [ist], eine geschäftliche Entscheidung des Vertragspartners zu beeinflussen“. 1315 Vgl. auch MünchKomm/Micklitz EG K Rn. 132 ff. 1316 Siehe Art. 8 ff. RL 2004/113/EG.
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Durchsetzung anderer als wirtschaftlicher Verbraucherinteressen dienen soll. Andererseits werden im Anhang II zu Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG zumindest Vorschriften einer Richtlinie erwähnt, die dem Schutz anderer als wirtschaftlicher Verbraucherinteressen dienen, nämlich die Art. 86 ff. der RL 2001/83/EG über Arzneimittelwerbung. Auch den Hinweis auf die Datenschutzrichtlinien1317 95/46/EG1318 und 2002/58/EG1319 in Anhang I Nr. 26 und Erwägungsgrund 14 Satz 8 mag man als Fingerzeig verstehen, dass sich die Richtlinie 2005/29/EG als allgemeine Auffangordnung der Durchsetzung sektoriellen Unionsrechts auch mit (partiell) anderer als wirtschaftlicher Zielsetzung nicht generell verschließen will. Auf der anderen Seite bleibt in solchen Fällen neben dem Maßstab der beruflichen Sorgfalt der Filter der Relevanz (Art. 5 Abs. 2 lit. b, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 RL 2005/29/EG: Eignung zur wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens der Verbraucher) als Voraussetzung eines Unlauterkeitsverdikts im Rahmen der Richtlinie 2005/29/EG erhalten, der einer Instrumentalisierung des Lauterkeitsrechts für außerwettbewerbliche Ziele Grenzen setzt.1320 Zu den durch Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG vorbehaltenen besonderen Bestim- 314 mungen zählen nach Erwägungsgrund 10 die Richtlinien 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz1321 (ab dem 13. Juni 2014: Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher1322), 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher,1323 84/450/EWG über irreführende Werbung1324 (heute Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung1325) und 98/27/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen1326 (heute Richtlinie 2009/22/EG1327). An dieser Aufzählung ist zutreffend, dass sämtliche dieser
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1317 Dazu auch die Ausnahme in Erwägungsgrund 14 Satz 8 RL 2005/29/EG. Zur Diskussion im Datenschutzrecht Köhler WRP 2013, 567; Linsenbarth/Schiller WRP 2013, 576. 1318 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31; siehe auch den Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung), KOM (2012) 11, der die RL 95/46/EG ablösen will (Art. 88 des Vorschlags). Die inoffizielle konsolidierte Fassung der neuen Datenschutzgrundverordnung nach der Abstimmung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im Europäischen Parlament vom 22. Oktober 2013 ist unter www.janalbrecht.eu/themen/datenschutz-und-netzpolitik/alles-wichtigezur-datenschutzreform.html abrufbar. 1319 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37. 1320 Für diesen Hinweis danke ich Matthias Leistner. 1321 ABl. L 144 vom 4.6.1997, S. 19. 1322 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64; dazu unten 3d. 1323 ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16. 1324 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19.9.1984, S. 17. 1325 Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung), ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 21, dazu auch Erwägungsgrund 6 Satz 4 RL 2005/29/EG und unten Rn. 333–352, 337. 1326 ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 51. 1327 ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30, dazu unten Rn. 412–413.
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Vorschriften durch die Richtlinie 2005/29/EG unberührt bleiben. Ob sie wirklich alle als speziellere Vorschriften i.S.d. Art. 3 Abs. 4 RL 2005/29/EG anzusehen sind, mag man bezweifeln, denn viele dieser Regeln, wie etwa die mitbewerberschützenden Regeln der Richtlinie 2006/114/EG, fallen bereits nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG.1328 Daneben bleiben von der Richtlinie 2005/29/EG – sei es aufgrund der Spezialitäts315 anordnung in Art. 3 Abs. 4, sei es aufgrund von vorneherein anderer Schutzziele als der wirtschaftlichen Verbraucherinteressen – auch alle anderen besonderen Regeln des Unionsrechts zu unlauteren Geschäftspraktiken unberührt, 1329 etwa die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr, 1330 die Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste,1331 die Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der ihnen angebotenen Erzeugnisse, 1332 die Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen,1333 die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen,1334 die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG,1335 die Verordnung 261/2004 über Fluggastrechte,1336 die Richtlinie 2002/25/EG über den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation,1337 die Richtlinie 2008/122/EG über
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1328 Hier zeigt sich erneut, dass der europäische Gesetzgeber in den Einzeltatbeständen der Richtlinie 2005/29/EG nicht stets ihren beschränkten Anwendungsbereich, insbesondere ihre Beschränkung auf den Schutz wirtschaftlicher Verbraucherinteressen im Blick hatte. 1329 Siehe auch die Liste im Anhang II zur Richtlinie 2005/29/EG und im Anhang zu Art. 3 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden, ABl. L 364 vom 9.12.2004, S. 1 in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 954/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden, ABl. L 259 vom 4.10.2011, S. 1. Zu den Beispielen auch BTDrucks. 16/10145 S. 13; MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 78; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.6c. 1330 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1; dazu unten Rn. 353–368. 1331 Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste, ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1, dazu unten Rn. 382–392. 1332 Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, ABl. L 80 vom 18.3.1998, S. 27, dazu unten Rn. 396–400. 1333 Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, ABl. L 158 vom 23.6.1990, S. 59. 1334 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. L 95 vom 21.4.1993, S. 29. 1335 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. L 171 vom 7.7.1999, S. 12; dazu auch BGH 31.3.2010 – I ZR 34/08 – GRUR 2010, 1117 Tz. 17 – Gewährleistungsausschluss im Internet. 1336 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ABl. L 46 vom 17.2.2004, S. 1. 1337 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37; siehe auch Erwägungsgrund 14 Satz 8. Diese Ausnahme lässt sich bereits durch den Schutz nichtwirtschaftlicher Verbraucherinteressen erklären.
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Timeshare 1338 und die Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge. 1339 Als speziellere Regelung des Unionsrechts sind auch die Regeln über Informationspflichten und kommerzielle Kommunikation in Art. 22 und 24 der Dienstleistungsrichtlinie anzusehen.1340 (2) Restriktivere nationale Maßnahmen. Als Zugeständnis gegenüber den Be- 316 fürchtungen, dass die Vollharmonisierung zur Absenkung des Verbraucherschutzniveaus in einigen Mitgliedstaaten führen werde,1341 eröffnet Art. 3 Abs. 5 für den Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 die Möglichkeit, in dem durch die Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beizubehalten,1342 die „restriktiver oder strenger“ als die Richtlinie 2005/29/EG sind und die zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden, die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. Die restriktiveren nationalen Maßnahmen müssen „unbedingt erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Verbraucher auf geeignete Weise vor unlauteren Geschäftspraktiken geschützt werden und müssen zur Erreichung dieses Ziels verhältnismäßig sein“.1343 Eine Verlängerung der Ausnahmeklausel kann im Zuge der Überprüfung der Richtlinie erfolgen (Art. 18). In der Zwischenzeit sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die auf Grundlage des Art. 3 Abs. 5 angewandten nationalen Vorschriften der Kommission mitzuteilen (Art. 3 Abs. 6 RL 2005/29/EG). Die befristete Ausnahmeregelung geht im Wesentlichen auf einen Änderungsantrag 317 des Parlaments zurück, das durch befristete Ausnahmeregelungen den unterschiedlichen nationalen Schutzvorstellung Rechnung tragen wollte.1344 Nach Auslaufen dieser Öffnungsklausel sind restriktivere nationale Maßnahmen zur Umsetzung von mindestharmonisierenden Richtlinien nur noch vertragsrechtlich, nicht aber wettbewerbsrechtlich zu sanktionieren (Erwägungsgrund 15 Satz 5 RL 2005/29/EG), sofern keine andere (sachliche) Öffnungsklausel für die Mindestharmonisierung (z.B. Art. 3 Abs. 9 RL 2005/29/EG) greift.1345
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1338 Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen, ABl. L 33 vom 3.2.2009, S. 10. 1339 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. L 133 vom 22.5.2008, S. 66. 1340 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.6c. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Dienstleistungsrichtlinie ebenso wie die Richtlinie 2005/29/EG eine allgemeine Rahmenrichtlinie (Erwägungsgrund 7 Satz 1 RL 2006/123/EG) darstellt, weil sie zumindest im Hinblick auf die Informationspflichten und die Regeln über kommerzielle Kommunikation spezifischer als die Richtlinie 2005/29/EG ist. 1341 Siehe die Erklärungen von Dänemark und Schweden, Ratsdokument Nr. 9586/04, S. 14 f. 1342 „Beizubehalten“ bedeutet, dass die Mitgliedstaaten keine neuen strengeren nationalen Regeln einführen dürfen, MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 85. 1343 Dazu wird aus Art. 4 RL 2005/29/EG z.T. abgeleitet, dass bei den befristet zugelassenen strengeren Regeln (Art. 3 Abs. 5 RL 2005/29/EG) der Verweis auf die Grundfreiheiten dergestalt modifiziert wird, dass auch Verkaufsmodalitäten der Verhältnismäßigkeitsprüfung genügen müssen, Ohly WRP 2006, 1401, 1412. M.E. ergibt sich dies bereits aus dem Tatbestand des Art. 3 Abs. 5 RL 2005/29/EG: „Diese Maßnahmen müssen unbedingt erforderlich sein“. 1344 Änderungsantrag 109 von Manuel Medina Ortega und Fiorella Ghilardotti im Namen der PSEFraktion, A5-0188/111; übernommen vom Rat, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1033), S. 18. 1345 Zweifelhaft daher die Begründung in BGH 9.6.2011 – I ZR 17/10 – GRUR 2012, 188 Tz. 46, 35 – ComputerBild, wo der BGH auf die Vereinbarkeit einer Verpflichtung zur Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts auf die Öffnungsklausel in der Fernabsatzrichtlinie verweist (Tz. 46, 35), die nach Erwägungsgrund 15 Satz 5 RL 2005/29/EG aber nur noch vertragsrechtliche Bedeutung hat.
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Unter Art. 3 Abs. 5 fallen nach einer Mitteilung der Kommission an die Bundesregierung die Fernsehrichtlinie 89/552/EWG,1346 die Richtlinie 98/6/EG über Preisangaben, die Richtlinie 97/7/EG über Verbraucherschutz im Fernabsatz und die Richtlinie 85/577/EWG über Haustürgeschäfte,1347 die Richtlinie 94/47/EG über Teilzeitnutzungsrechte an Immobilien1348 und die Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen.1349 Nach Auffassung der Bundesregierung existieren im deutschen Recht keine über die europäische Mindestharmonisierung hinausgehenden Vorschriften.1350 Dies mag man mit Blick auf Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EGBGB (Registernummer, Vertretung im Wohnsitzstaat)1351 und die Erstreckung der PAngV auf Dienstleistungen1352 bezweifeln.
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(3) Regeln für reglementierte Berufe. Gemäß Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG lässt die Richtlinie „alle Niederlassungs- und Genehmigungsbedingungen, berufsständischen Verhaltenskodizes oder andere spezifische Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen können, gewährleistet bleiben“. Den reglementierten Beruf definiert Art. 2 lit. l RL 2005/29/EG als „berufliche Tätigkeit oder eine Reihe beruflicher Tätigkeiten, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an das Vorhandensein bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist“.1353 Infolge von Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen, die das Marktverhalten in unionsrechtskonformer Weise regeln, zulässig.1354 Dies gilt etwa für berufsrechtliche Regeln für Ärz-
_____ Überzeugender BGH 10.12.2009 – I ZR 149/07 – GRUR 2010, 744 Tz. 26 – Sondernewsletter; BGH 14.4.2011 – I ZR 133/09 – GRUR 2011, 638 Tz. 19 – Werbung mit Garantie: nationale Informationspflicht muss eine Grundlage im Unionsrecht haben. Zu den Konsequenzen des Auslaufens der Übergangsfrist in Art. 3 Abs. 5 RL 2005/29/EG für die PAngV Köhler WRP 2013, 723; Omsels WRP 2013, 1286. 1346 Heute Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste, ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1, dazu unten Rn. 382–392. 1347 Die beide im Jahr 2014 durch die (weitgehend) vollharmonisierende Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64 abgelöst werden, dazu unten Rn. 393–395. 1348 Heute Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen, ABl. L 33 vom 3.2.2009, S. 10. 1349 BTDrucks. 16/10145 S. 14. 1350 BTDrucks. 16/10145 S. 14. 1351 Siehe demgegenüber Art. 4 RL 97/7/EG und Busch Unlauterer Wettbewerb in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.) Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 25 Rn. 45. 1352 Die Richtlinie 98/6/EG findet nur auf „Erzeugnisse“ und damit auf Waren Anwendung, KOM (2006) 325 S. 5, und den Informationspflichten in Art. 22 Abs. 1 lit. i, Abs. 3 lit. a RL 2006/123/EG dürfte die PAngV nicht voll entsprechen, Köhler/Bornkamm Vorb. PAngV Rn. 12. 1353 Siehe auch die Definition in Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22; dazu EuGH 17.3.2011 – C-372/09 und C-373/09 – FR 2011, 155 Tz. 26 ff. – Josep Peñarroja Fa. 1354 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09 – GRUR 2011, 539 Tz. 23 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; BGH 29.7.2009 – I ZR 166/06 – GRUR 2009, 1077 Tz. 21 – Finanz-Sanierung; BGH 1.6.2011 – I ZR 58/10 – GRUR 2012, 79 Tz. 11 – Rechtsberatung durch Einzelhandelsverband (zum RDG).
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te,1355 Architekten1356 und Rechtsanwälte1357 oder die Beschränkungen für gewerbliche Pfandleiher.1358 Mit Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG soll verhindert werden, dass „durch die Richtlinie 320 nicht unnötig die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten untergraben werden, detaillierte sektorielle Regelungen beizubehalten, durch die ein hoher Integritätsstandard in dieser Branche gefördert werden soll, vorausgesetzt, dies beeinträchtigt nicht die Ziele der Richtlinie hinsichtlich des Binnenmarkts“.1359 Auch wenn die Richtlinie die allgemeinen Pflichten in Bezug auf die Lauterkeit des Geschäftsverkehrs harmonisieren will, so soll sie nicht dazu führen, den Verbraucherschutz in besonderen Sektoren wie „Finanzdienstleistungen, Verkehr, Versorgungsleistungen, Immobilienverkäufe und reglementierte Berufe“ zu verringern.1360 Es kommt hinzu, dass die Vorschriften für reglementierte Berufe häufig nicht (nur) dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher dienen, sondern auch anderen Interessen wie dem Gesundheitsschutz (Ärzte, Apotheker) oder der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege (Anwälte).1361 Voraussetzung für die Anwendung strengerer Vorschriften für reglementierte Berufe 321 ist, dass diese Regeln ihrerseits mit Unionsrecht vereinbar sind, insbesondere mit den Grundfreiheiten, der Berufsanerkennungsrichtlinie1362 und mit der Dienstleistungsrichtlinie, die in Art. 24 eine Aufhebung sämtlicher absoluter Verbote der kommerziellen Kommunikation (z.B. generelle oder medienspezifische Werbeverbote) vorsieht.1363 Der Vorbehalt des Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG erfasst nicht nur staatliche Regeln für 322 reglementierte Berufe, sondern auch berufsständische Verhaltensregeln, und zwar nicht nur freiwillige Selbstverpflichtungen i.S.d. Art. 2 lit. f RL 2005/29/EG, sondern auch die Rechtssetzung durch Standesorganisationen kraft Delegation staatlicher Gesetzgebungskompetenz. Unsicher ist indes, ob der Vorbehalt neben den Niederlassungs- und Genehmigungsbedingungen auch Regeln für die Berufsausübung, insbesondere die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen erfasst. Die Formulierung „andere spezifische Regeln“ spricht für eine derartige Lesart,1364 ohne dass deshalb regulierte Berufe generell
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1355 BGH 9.7.2009 – I ZR 13/07 – NJW 2009, 3582 Tz. 12 – Brillenversorgung; BGH 13.1.2011 – I ZR 112/08 – Tz. 24 (juris). 1356 BGH 25.3.2010 – I ZR 68/09 – GRUR 2010, 1115 Tz. 12 – Freier Architekt. 1357 BGH 20.1.2011 – I ZR 122/09 – GRUR 2011, 352 Tz. 16 f. – Makler als Vertreter im Zwangsversteigerungsverfahren; BGH 1.6.2011 – I ZR 58/10 – GRUR 2012, 79 Tz. 11 – Rechtsberatung durch Einzelhandelsverband (zum RDG). 1358 BGH 14.5.2009 – I ZR 179/07 – GRUR 2009, 886 Tz. 18 – Die clevere Alternative. 1359 Die Ausnahme geht auf Änderungsantrag 27 des Parlaments (Fn. 1031), A5-0188/2004, S. 19 f. zurück, den der Rat „sinngemäß“ in Art. 3 Abs. 8–10 RL 2005/29/EG übernommen hat, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1033), S. 17. Dabei hatte das Parlament – wohl wegen des damals noch in der Richtlinie vorgesehenen Herkunftslandprinzips – vor Augen, dass die gegenseitige Anerkennung dazu führen werde, „dass die Mitgliedstaaten genau prüfen müssen, welche ihrer sektoriellen Regelungen wirklich notwendig sind […], denn sie könnten nicht auf Produkte angewandt werden, die von einem Gewerbetreibenden in einem anderen Mitgliedstaat geliefert werden“. 1360 Zu den Beispielen Änderungsantrag 27 des Parlaments (Fn. 1031), A5-0188/2004, S. 19 f. 1361 Busch EuLF 2004, 91, 93. 1362 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22; siehe auch Änderungsvorschlag KOM (2011) 883. 1363 Dazu EuGH 5.4.2011 – C-119/09 – EuZW 2011, 681 Tz. 45 – Société fiduciaire nationale d’expertise comptable. Möglich bleibt eine Regelung des Inhalts und der Art und Weise der kommerziellen Kommunikation, Art. 24 Abs. 2 und Erwägungsgrund 100 Satz 2 RL 2006/123/EG. 1364 So implizit auch BGH 26.2.2009 – I ZR 222/06 – GRUR 2009, 883 Tz. 10 – MacDent (Verbot berufswidriger Werbung für Zahnärzte); BGH 18.3.2010 – I ZR 172/08 – GRUR 2010, 1024 Tz. 15 – Master of Science Kieferorthopädie; a.A. MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 75: Beschränkung auf Verhaltenskodizes, die sich auf die Niederlassungs- und Genehmigungsbedingungen selbst beziehen.
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aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen wären. Die Funktion des Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG ist vielmehr die eines Öffnungsventils zur Mindestharmonisierung, so dass auch reglementierte Berufe mindestens den Standards der Richtlinie 2005/29/EG genügen müssen. (4) Finanzdienstleistungen und Immobilien. Eine weitere – zeitlich unbefristete – Öffnungsklausel für restriktivere nationale Maßnahmen sieht Art. 3 Abs. 9 RL 2005/29/EG „im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen im Sinne der Richtlinie 2002/65/EG und Immobilien“ vor. Art. 2 lit. b RL 2002/65/EG definiert die Finanzdienstleistung als „jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung“. Folge der Beschränkung auf die Mindestharmonisierung ist, dass nationale Vor324 schriften über das Verbot von Kopplungsangeboten bei Finanzdienstleistungen oder ausführlichere Informationen bei Finanzprodukten oder Formblättern 1365 neben der Richtlinie 2005/29/EG zulässig bleiben und wettbewerbsrechtlich sanktioniert werden dürfen (§ 4 Nr. 11 UWG). Daneben ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Standards für Geschäftspraktiken bereits durch sektorielle Regeln für Finanzdienstleistungen auf Ebene der Europäischen Union definiert werden, die der Richtlinie 2005/29/EG nach ihrem Art. 3 Abs. 4 vorgehen bzw. ihre Irreführungsstandards über Art. 7 Abs. 5 i.V.m. Anhang II RL 2005/29/EG konkretisieren. Neben den in Anhang II aufgezählten Richtlinien 85/611/EWG über bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, 2002/92/EG über die Versicherungsvermittlung, 2002/83/EG über Lebensversicherungen, 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente, 92/49/EWG über Schadenversicherung und 2003/71/EG über Wertpapierprospekte sind hier die Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge1366 und die Richtlinie 2007/64/EG über Zahlungsdienste1367 zu nennen.1368 Aus der Öffnungsklausel für strengere nationale Vorschriften über Finanzdienstleis325 tungen ergibt sich im Gegenschluss, dass die Richtlinie auch auf Finanzdienstleistungen anwendbar ist.1369 So fallen irreführende Informationen über die Risiken von Finanzprodukten (Art. 6 Abs. 1 lit. b RL 2005/29/EG), mangelnde Transparenz bei Bankgebühren, die eine Gebührenberechnung und einen systematischen Angebotsvergleich unmöglich macht (Art. 7 Abs. 2 RL 2005/29/EG), unzureichende oder unverständliche vorvertragliche Informationen oder etwaige Hindernisse für einen Kontenwechsel unter die Richtlinie 2005/29/EG.1370 323
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(5) Vergleichende Werbung und anerkannte Werbe- und Marketingmethoden. Nach Erwägungsgrund 6 Satz 4 berührt die Richtlinie 2005/29/EG nicht die Bestimmun-
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1365 Zu diesen Beispielen SEK (2009) 1666 Ziffer 1.5 S. 14; zur Zulässigkeit strengerer nationaler Regeln bei Kopplungsangeboten, bei denen mindestens ein Bestandteil eine Finanzdienstleistung ist, EuGH 18.7.2013 – C-265/12 – WRP 2013, 1308 Tz. 23, 25, 28 – Citroën Belux. 1366 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. L 133 vom 22.5.2008, S. 66. 1367 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. L 319 vom 5.12.2007, S. 1, dort insbesondere Art. 37–39, 42 (vorvertragliche Informationen), Art. 36, 41 (Art und Weise der vorvertraglichen Unterrichtung). 1368 SEK (2009) 1666, Ziffer 1.5 S. 14. 1369 Erwägungsgrund 10 Satz 4–5 RL 2005/29/EG; Erwägungsgrund 22 RL 2007/64/EG. 1370 SEK (2009) 1666, Ziffer 1.5 S. 12 ff.
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gen über vergleichende Werbung, die durch Art. 4 RL 2006/114/EG vollständig harmonisiert werden (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 RL 2006/114/EG).1371 Allerdings verweist Art. 4 lit. a RL 2006/114/EG für die Irreführungsstandards zurück auf die Art. 6 und 7 RL 2005/29/EG, so dass diese Vorschriften auch für die vergleichende Werbung relevant sind.1372 Von der Richtlinie 2005/29/EG unberührt bleiben ferner die „anerkannten Werbe- und 327 Marketingmethoden wie rechtmäßige Produktplatzierung, Markendifferenzierung oder Anreize, die auf rechtmäßige Weise die Wahrnehmung von Produkten durch den Verbraucher und sein Verhalten beeinflussen können, die jedoch seine Fähigkeit, eine informierte Entscheidung zu treffen, nicht beeinträchtigen“ (Erwägungsgrund 6 Satz 5 RL 2005/29/EG). Ziel dieser etwas kryptischen Regelung dürfte die Klarstellung sein, dass die Richtlinie 2005/29/EG die besonderen Regeln zur Zulässigkeit der Produktplatzierung1373 (Art. 11 RL 2010/13/EU), zur Werbung mit Marken (MarkenRL 2008/95/EG) oder andere „Anreize, die auf rechtmäßige Weise die Wahrnehmung von Produkten durch den Verbraucher und sein Verhalten beeinflussen können“, nicht berührt. Allerdings weist der Nachsatz „die jedoch seine Fähigkeit, eine informierte Entscheidung zu treffen, nicht beeinträchtigen“ darauf hin, dass ein Rückgriff auf die Richtlinie 2005/29/EG möglich bleibt, wenn die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers beeinträchtigt wird, z.B. weil durch die Produktvermarktung eine Verwechslungsgefahr begründet wird.1374 f) Überblick über die Regelungsstruktur. Die Richtlinie 2005/29/EG gründet auf 328 dem Konzept eines einzigen, gemeinsamen generellen Verbots unlauterer Geschäftspraktiken, die das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher beeinträchtigen (Art. 5 Abs. 1, Erwägungsgrund 11 Satz 2, 13 Satz 2 RL 2005/29/EG). Maßstab der Richtlinie ist dabei grundsätzlich der Durchschnittsverbraucher, der „angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren“ (Erwägungsgrund 18 Satz 2, Satz 5–6 RL 2005/29/EG), sofern die Geschäftspraktiken nicht in einer für den Gewerbetreibenden vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen; in diesem Fall ist auf die Perspektive eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe abzustellen (Art. 5 Abs. 3 RL 2005/29/EG).1375 Nach der Generalklausel ist eine Geschäftspraxis „unlauter, wenn a) sie den Erfor- 329 dernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht und b) sie in Bezug auf das jeweilige
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1371 Dazu unten Rn. 344 ff. 1372 Kritisch zur Verdopplung des Irreführungsbegriffs bei der vergleichenden Werbung MünchKomm/Micklitz EG E Rn. 82. 1373 Zur Definition der Produktplatzierung Art. 1 Abs. 1 lit. m RL 2010/13/EU: „jede Form audiovisueller kommerzieller Kommunikation, die darin besteht, gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung ein Produkt, eine Dienstleistung oder die entsprechende Marke einzubeziehen bzw. darauf Bezug zu nehmen, so dass diese innerhalb einer Sendung erscheinen“. 1374 Siehe Art. 6 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG; siehe auch Art. 6 Abs. 1 lit. a und Anhang I Nr. 13 RL 2005/29/EG. Zum Ende der Vorrangthese nach Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 1.77 ff., 4.240 ff.; Köhler GRUR 2009, 445, 446 f.; Fezer GRUR 2010, 953, 961 f. (Normenkonkurrenz). 1375 Zum europäischen Verbraucherbegriff bereits oben Rn. 154–157. Zum Kreis besonders schutzbedürftiger Personen Erwägung K in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten, ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 58 (Kinder, Jugendliche, ältere Menschen, oder bestimmte aufgrund ihrer sozio-ökonomischen Lage schutzbedürftige Einzelpersonen wie überschuldete Menschen). Siehe auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Mai 2012 zu einer Strategie zur Stärkung der Rechte schutzbedürftiger Verbraucher (2011/2272(INI)), ABl. C 264E vom 13.9.2013, S. 11.
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Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers … wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen“.1376 Unter „beruflicher Sorgfalt“ (Art. 5 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG) versteht die Richtlinie den „Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt,1377 bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten1378 und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben1379 in seinem Tätigkeitsbereich anwendet“ (Art. 2 lit. h RL 2005/29/EG).1380 Die „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ (Art. 5 Abs. 2 lit. b RL 2005/29/EG) beschreibt „die Anwendung einer Geschäftspraxis, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“ (Art. 2 lit. e RL 2005/29/EG).1381 Eine „geschäftliche Entscheidung“ schließlich definiert Art. 2 lit. k RL 2005/29/EG als „jede Entscheidung eines Verbraucher darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen“.1382 Das generelle Verbot in Gestalt einer Generalklausel1383 (Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG) 330 „wird durch Regeln über die beiden … am meisten verbreiteten Arten von [unlauteren] Geschäftspraktiken konkretisiert,1384 nämlich die irreführenden1385 [Art. 6, 7 RL 2005/ 29/EG1386] und die aggressiven1387 [Art. 8, 9 RL 2005/29/EG1388] Geschäftspraktiken“ (Er-
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1376 Zur Auslegung der Generalklausel im Einzelnen die Kommentierung von Peukert zu § 3 Rn. 81 ff.; Dohrn Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – ihre Interpretation und Umsetzung (2008) S. 59 ff.; Köhler WRP 2012, 22; zu Beispielen auch KOM (2003) 356 S. 14 Rn. 50. 1377 Der Begriff „berufliche Sorgfalt“ wird kritisiert, weil er – ähnlich wie deliktische Verkehrssicherungspflichten – an außerwettbewerbliche Maßstäbe anzuknüpfen scheint und weil der berufliche Sorgfaltsmaßstab einer Branche auch lauterkeitsrechtliche Unsitten erfassen kann, Köhler/Lettl WRP 2003, 1019, 1037; Glöckner WRP 2004, 936, 940; Schünemann WRP 2004, 925, 931 f.; Piper/Ohly/ Sosnitza Einf C Rn. 51; positiver Köhler WRP 2012, 22, 24. 1378 Vgl. Art. 10bis Abs. 2 PVÜ und Art. 6 Abs. 1 MarkenRL 2008/95/EG. 1379 Der Hinweis auf „Treu und Glauben“ dürfte auf Änderungsantrag 21 des Parlaments (Fn. 1031), A5-0188/2004, S. 16 f. beruhen, der in Art. 2 lit. h Eingang fand, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 6/2005 (Fn. 1033), S. 17. 1380 Zu Einzelheiten siehe die Kommentierung von Peukert zu § 2 Abs. 1 Nr. 7 Rn. 665 ff.; dazu auch die Begründung der Kommission KOM (2003) 356 S. 13 ff. Rn. 48 ff. 1381 Zu Einzelheiten siehe die Kommentierung von Fritzsche zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Rn. 588 ff. 1382 Zu Einzelheiten siehe die Kommentierung von Fritzsche zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Rn. 588 ff. 1383 Mit dem „generellen Verbot“ ist nicht allein Art. 5 Abs. 1, sondern auch die Generalklausel gemeint, weil die Kommissionsmaterialien auf sie Bezug nehmen, KOM (2003) 356, S. 14 Rn. 50–52. 1384 Das allgemeine Erfordernis der beruflichen Sorgfaltspflichtverletzung in Art. 5 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG ist im Anwendungsbereich der Konkretisierungen gemäß Art. 5 Abs. 4, Art. 6–9 RL 2005/29/EG nicht mehr gesondert zu prüfen, um eine unlautere Geschäftspraktik festzustellen, EuGH 19.9.2013 – C-435/11 – Tz. 39 ff., 45 – CHS Tour Services; zur Vorlageentscheidung OGH 11.7.2011 – 4 Ob 27/11s – GRUR Int. 2012, 268 – Exklusivbuchung. 1385 Dazu im Einzelnen die Kommentierung zu §§ 5, 5a und zu §§ 4 Nr. 3–5, 4 Nr. 9a, 4 Nr. 11 (Informationspflichten). 1386 Art. 6 regelt irreführende Handlungen, Art. 7 irreführende Unterlassungen. Zur Auslegung siehe die Erwägungsgründe 14 und 15 und Anhang I Nr. 1–23. Die Tatbestandsmerkmale der Irreführung in Art. 6 RL 2005/29/EG sind aus der Sicht des Verbrauchers als Adressaten konzipiert, während die Wahrung des beruflichen Sorgfaltsmaßstabs der Sphäre des Unternehmers zuzurechnen ist, EuGH 19.9.2013 – C-435/11 – Tz. 43 – CHS Tour Services. 1387 Dazu im Einzelnen die Kommentierung zu § 4 Nr. 1 und Nr. 2 sowie § 7. 1388 Art. 8 definiert die aggressiven Geschäftspraktiken, Art. 9 gibt quantitative und qualitative Kriterien zur Feststellung einer Belästigung, Nötigung oder unzulässigen Beeinflussung (dazu Art. 2 lit. j
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wägungsgrund 13 Satz 4, Art. 5 Abs. 4 RL 2005/29/EG). Darüber hinaus identifiziert die Richtlinie in der Liste des Anhangs I „diejenigen Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind“ (Erwägungsgrund 17 Satz 1–2, Art. 5 Abs. 5 RL 2005/29/EG),1389 die „die einzigen Geschäftspraktiken [sind], die ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Artikel 5 bis 9 als unlauter gelten können“ (Erwägungsgrund 17 Satz 3, Per-se-Verbote). Aufgrund der abnehmenden Konkretisierung ergibt sich damit eine umgekehrte 331 Prüfungsfolge1390 von den Per-se-Verboten des Anhangs I über die irreführenden und aggressiven Geschäftspraktiken (Art. 6–9 RL 2005/29/EG) bis zur Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 RL 2005/29/EG.1391 g) Umsetzung. Die Richtlinie 2005/29/EG wurde durch verschiedene Änderungen 332 des UWG umgesetzt, wobei der Gesetzgeber bei einigen Vorschriften keinen Umsetzungsbedarf sah (z.B. bei der Schutzzweckdefinition, der Binnenmarktklausel, den Verhaltenskodizes und den Regeln zur Rechtsdurchsetzung).1392 Im Einzelnen wurde der Definitionskatalog des Art. 2 RL 2005/29/EG (weitgehend) in § 2 UWG umgesetzt, das allgemeine Verbot unlauterer Geschäftspraktiken (Art. 5 Abs. 1 und 2 RL 2005/29/EG) in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 UWG, Art. 5 Abs. 3 RL 2005/29/EG in § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 UWG, die Schwarze Liste aus Art. 5 Abs. 5 i.V.m. Anhang I RL 2005/29/EG in § 3 Abs. 3 i.V.m. dem Anhang zum UWG und in § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG, die Regeln über irreführende Geschäftspraktiken (Art. 6, 7 RL 2005/29/EG) in § 5 und § 5a UWG und die Vorschriften über aggressive Geschäftspraktiken (Art. 8, 9 RL 2005/29/EG) in § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG.1393 In jüngerer Zeit ist zunehmend in Frage gestellt worden, ob die deutsche Umsetzung der Richtlinie den europarechtlichen Vorgaben an Klarheit und Bestimmtheit entspricht.1394 Dies betrifft zum einen terminologische Abweichungen1395 und Auslassungen,1396 erstreckt sich aber auch auf sachliche Inkonsistenzen wie etwa die unterschiedliche Formulierung des Relevanzkriteriums bei Umsetzung der Art. 6–9 RL 2005/29/EG.1397 Auch wenn nicht jede Abweichung zwangsläufig zu einem Richtlinienverstoß führen
_____ RL 2005/29/EG). Zur Auslegung siehe Erwägungsgrund 16 und Anhang I Nr. 24–31 und BGH 29.10.2009 – I ZR 180/07 – GRUR 2010, 455 Tz. 17 – Stumme Verkäufer II; BGH 31.3.2010 – I ZR 75/08 – GRUR 2010, 1022 Tz. 16 – Ohne 19% Mehrwertsteuer. 1389 Zu Einzelheiten siehe die Kommentierung von Fritzsche zu § 3 Abs. 3 Rn. 684 ff. 1390 Piper/Ohly/Sosnitza Einf C Rn. 50; Busch Unlauterer Wettbewerb in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.) Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 25 Rn. 24. 1391 Zur abschließenden Konkretisierung des Unlauterkeitsmaßstabs durch die Art. 6–9 RL 2005/29/EG ohne das Erfordernis einer gesonderten Prüfung des beruflichen Sorgfaltspflichtverstoßes (Art. 5 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG) EuGH 19.9.2013 – C-435/11 – Tz. 39 ff., 45 – CHS Tour Services. 1392 BTDrucks. 16/10145 S. 11 ff. 1393 Siehe BTDrucks. 16/10145 S. 11 ff. 1394 Siehe insbesondere Köhler WRP 2012, 251, 252 ff.; ders. GRUR 2012, 1073; ders. WRP 2013, 403; großzügiger hinsichtlich des deutschen Umsetzungsspielraums Glöckner GRUR 2013, 224, 229 ff.; HenningBodewig GRUR 2013, 238, 243 f.; für Richtlinienkonformität des UWG Timm-Wagner GRUR 2013, 245. 1395 Etwa beim Begriff der beruflichen Sorgfalt, Art. 5 Abs. 2 lit. a, Art. 2 lit. h RL 2005/29/EG im Vergleich mit dem Begriff der fachlichen Sorgfalt, § 2 Abs. 1 Nr. 7, § 3 Abs. 2 UWG, Köhler WRP 2012, 251, 252 f.; Holm WRP 2013, 710, 712 f. 1396 So wurde die Definition der geschäftlichen Entscheidung in Art. 2 lit. k RL 2005/29/EG nicht in das UWG überführt, Köhler WRP 2012, 251, 253. 1397 Köhler WRP 2012, 251, 253 ff. Moniert wird außerdem die Richtlinienwidrigkeit der §§ 4 Nr. 1, 2, 3, 6, des § 5a Abs. 2 und des § 7 Abs. 2 und 3 UWG, dazu Köhler GRUR 2013, 1073, 1075 ff., ausführlich mit Entwurf eines Änderungsgesetzes Köhler WRP 2013, 403, 411 ff.; zu § 5a UWG auch Alexander WRP 2013, 716. Auch die fehlende Berücksichtigung des hohen Verbraucherschutzniveaus bei der Bestimmung des Verbraucherleitbilds wird als unionsrechtswidrig angesehen, Holm WRP 2013, 710, 712 ff.
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mag und das Bestreben des deutschen Gesetzgebers zur Bewahrung der Einheit des Lauterkeitsgesetzes anerkennenswert sein mag, so wäre zumindest im Interesse der Klarheit und Transparenz und des Ziels der Vollharmonisierung wünschenswert, wenn die deutschen Umsetzungsvorschriften enger am Vorbild der Richtlinie ausgerichtet würden, mag dies auch eine stärkere Entflechtung von verbraucherschützenden und ausschließlich mitbewerberschützenden Regeln im UWG bedeuten. 3. Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung 333
a) Entstehungsgeschichte. Die Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung geht zurück auf die ersten Bemühungen zur Angleichung des Lauterkeitsrechts in Europa.1398 Im Jahr 1978 präsentierte die Kommission einen Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende und unlautere Werbung,1399 der Regeln sowohl für die irreführende wie für die unlautere und die vergleichende Werbung vorsah. Nachdem sich eine Einbeziehung der unlauteren und vergleichenden Werbung wegen des Widerstands eines Mitgliedstaates und der damals noch erforderlichen Einstimmigkeit im Rat nicht durchsetzen ließ, beschränkte sich die Richtlinie 84/450/EWG auf eine Mindestharmonisierung der Regeln über irreführende Werbung.1400 Diese Regeln machen – gemeinsam mit dem Abschnitt zur Rechtsdurchsetzung – auch heute noch den Kern der Richtlinie 2006/114/EG aus.1401 Sie wurden allerdings mit Blick auf die abschließenden Irreführungstatbestände in der Richtlinie 2005/29/EG für Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern in ihrem Anwendungsbereich maßgeblich reduziert, indem der Schutz der Verbraucher und der Allgemeinheit aus der Schutzzweckbestimmung in Art. 1 getilgt wurde (Art. 14 Nr. 1 RL 2005/29/EG). In den neunziger Jahren unternahm die Kommission einen weiteren Anlauf zur Re334 gelung der vergleichenden Werbung,1402 der nach längeren Beratungen1403 über einen geänderten Vorschlag1404 in die Richtlinie 97/55/EG zur Änderung der Richtlinie 84/450/ EWG zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung mündete.1405 Abgesehen von einigen Anpassungen der Vorschriften über die Rechtsdurchsetzung wurden durch die
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1398 Siehe bereits Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 330 ff. m.w.N. 1399 KOM (1977) 724, ABl. C 70 vom 21.3.1978, S. 4. Siehe auch die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. C 171 vom 9.7.1979, S. 43 und die Stellungnahme des Parlaments, ABl. C 140 vom 5.6.1979, S. 23 sowie die Änderung des Vorschlags einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende und unlautere Werbung, KOM (1979) 353, ABl. C 194 vom 1.8.1979, S. 3. 1400 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19.9.1984, S. 17. 1401 Vgl. Art. 2 lit. a und b, Art. 3 und Art. 5–8 Abs. 1 Satz 1 RL 2006/114/EG. 1402 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über vergleichende Werbung und zur Änderung der Richtlinie 84/450 über irreführende Werbung, KOM (1991) 147, ABl. C 180 vom 11.7.1991, S. 14; dazu Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. C 49 vom 24.2.1992, S. 35; Legislative Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments, ABl. C 337 vom 21.12.1992, S. 142; Änderung der Rechtsgrundlage durch KOM (1993) 570. 1403 Siehe den Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 29/96, ABl. C 219 vom 27.7.1996, S. 14; dazu Beschluss des Parlaments, ABl. C 347 vom 18.11.1996, S. 69 und Stellungnahme der Kommission, KOM (1996) 700, ABl. C 32 vom 1.2.1997, S. 7; schließlich den Beschluss des Parlaments in dritter Lesung, ABl. C 304 vom 6.10.1997, S. 31. 1404 KOM (1994) 151, ABl. C 136 vom 19.5.1994, S. 4. 1405 Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABl. L 290 vom 23.10.1997, S. 18.
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Richtlinie 97/55/EG in die Richtlinie 84/450/EWG eine Definition der vergleichenden Werbung (heute Art. 2 lit. c RL 2006/114/EG) und eine Regelung über die Zulässigkeit vergleichender Werbung (heute Art. 4 RL 2006/114/EG) aufgenommen. Durch Art. 14 Nr. 3 RL 2005/29/EG wurde Art. 4 RL 2006/114/EG geringfügig geändert und die Regelung im früheren zweiten Absatz der Vorschrift gestrichen. Aufgrund der mehrfachen Änderungen wurde die Richtlinie 84/450/EWG im Jahr 2006 „aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit“ in der Richtlinie 2006/114/EG1406 „kodifiziert“ (Erwägungsgrund 1 RL 2006/114/EG). b) Regelungsziele und Harmonisierungstiefe. Der Zweck der Richtlinie 2006/114/ 335 EG liegt zum einem in einer Mindestharmonisierung zum Schutz der Gewerbetreibenden vor irreführender Werbung und deren unlauteren Auswirkungen, zum anderen in der Vollharmonisierung der Bedingungen für zulässige vergleichende Werbung (Art. 1, 8 Abs. 1 RL 2006/114/EG). Ebenso wie bei den meisten der auf Art. 114 AEUV gestützten Rechtsakte erfolgt dies vor dem Hintergrund sowohl eines binnenmarktfunktionalen wie eines materiellen Regelungsziels. Aus binnenmarktfunktionaler Sicht sollen die wesentlichen Vorschriften für Form und Inhalt der Werbung einheitlich sein und die Regeln für vergleichende Werbung harmonisiert werden, um grenzüberschreitende Werbekampagnen nicht durch unterschiedliche nationale Rechtsvorschriften zu behindern und damit den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen zu beeinflussen.1407 Aus materiell wettbewerbsrechtlicher Sicht soll aber auch eine Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt durch irreführende und unzulässige vergleichende Werbung verhindert werden,1408 weil Werbung „unabhängig davon, ob sie zum Abschluss eines Vertrags führt, die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher und der Gewerbetreibenden“ berührt.1409 Trotz der Aufgabe der aus dem deutschen Recht bekannten Schutzzwecktrias in Art. 1 der ursprünglichen Irreführungsrichtlinie 84/450/EWG dient die Richtlinie 2006/114/EG damit nach wie vor auch wettbewerbsfunktionalen Zielen. In den sachlichen Schutzzielen ist zwischen der Mindestharmonisierung der irrefüh- 336 renden Werbung (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 RL 2006/114/EG) und der Vollharmonisierung der vergleichenden Werbung (Art. 8 Abs. 2 RL 2006/114/EG) zu unterscheiden. Die Regeln über irreführende Werbung sollen „Verfälschungen des Wettbewerbs sowie Behinderungen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs“ abstellen, indem objektive Mindest-
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1406 Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung), ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 21. Die Kommission hat unlängst für die Richtlinie 2006/114/EG einen Anwendungsbericht mit Überarbeitungsvorschlägen vorgelegt, die insbesondere auf eine bessere Rechtsdurchsetzung und Verzahnung mit der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken zielen, siehe die Mitteilung der Kommission Schutz von Unternehmen vor irreführenden Vermarktungspraktiken und Gewährleistung der wirksamen Durchsetzung – Überarbeitung der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung, KOM (2012) 702. 1407 Erwägungsgrund 2, 5, 6 Satz 2 RL 2006/114/EG. 1408 Erwägungsgrund 3 RL 2006/114/EG; siehe auch EuGH 16.1.1992 – C-373/90 – Slg. 1992, I-131 Tz. 9 – Strafverfahren gegen X; EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 68 – L’Oréal: Regeln über vergleichende Werbung sollen auch Praktiken verbieten, „die den Wettbewerb verzerren, die Mitbewerber schädigen und die Entscheidung der Verbraucher negativ beeinflussen können“; ferner EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 25 – Lidl Belgium: Kriterium der Vergleichbarkeit in Art. 4 lit. b bezweckt, dass vergleichende Werbung nicht in einer wettbewerbswidrigen und unlauteren Weise betrieben wird. 1409 Erwägungsgrund 4 RL 2006/114/EG; EuGH 11.7.2013 – C-657/11 – WRP 2013, 1161 Tz. 38 – Belgian Electronic Sorting Technology.
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kriterien aufgestellt werden, „nach denen beurteilt werden kann, ob eine Werbung irreführend ist“.1410 Ziel der Regeln über vergleichende Werbung in der Richtlinie 2006/114/ EG ist es einerseits, den Wettbewerb zwischen den Anbietern von Waren und Dienstleistungen im Interesse der Verbraucher zu fördern, indem erlaubt wird, durch vergleichende Werbung die Vorteile der verschiedenen vergleichbaren Erzeugnisse objektiv herauszustellen.1411 Zugleich sollen aber auch Praktiken verboten werden, die den Wettbewerb verzerren, die Mitbewerber schädigen und die Entscheidung der Verbraucher negativ beeinflussen können.1412 337
c) Systematische Stellung innerhalb des Unionsrechts. Nach Erwägungsgrund 6 Satz 4 „erfasst und berührt“ die Richtlinie 2005/29/EG nicht die Bestimmungen der Richtlinie 2006/114/EG „über Werbung, die für Unternehmen, nicht aber für Verbraucher irreführend ist, noch die Bestimmungen über vergleichende Werbung“. Daraus folgt, dass Art. 4 RL 2006/114/EG für vergleichende Werbung – sowohl gegenüber Gewerbetreibenden wie gegenüber Verbrauchern – gegenüber der Richtlinie 2005/29/EG lex specialis ist.1413 Bei irreführender Werbung ist demgegenüber danach zu differenzieren, ob sie an 338 Verbraucher (Richtlinie 2005/29/EG) oder Unternehmer (Richtlinie 2006/114/EG) gerichtet ist.1414 Im deutschen Recht wirkt sich dieser Unterschied allerdings nicht aus, weil sich der Gesetzgeber in den §§ 5, 5a UWG für eine überschießende Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG entschieden hat.1415 339 Die Richtlinie 2006/114/EG lässt speziellere Vorschriften der Union für die Werbung für bestimmte Waren oder Dienstleistungen1416 und Beschränkungen oder Verbote für die Werbung in bestimmten Medien (z.B. RL 2010/13/EU) unberührt (Art. 8 Abs. 2 RL 2006/ 114/EG). Im Verhältnis zum Markenrecht1417 hat der EuGH entschieden, dass die Markennennung in vergleichender Werbung zwar eine Benutzungshandlung darstellt,1418 dass die Benutzung von Marken, Handelsnamen oder anderen Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers oder solchen Zeichen ähnlichen Zeichen1419 bis hin zu einem Bild der Fassade des Mitbewerbers1420 aber nicht die Rechte Dritter verletzt, wenn sie unter Beachtung der in Art. 4 RL 2006/114/EG aufgestellten Bedingungen (insbesondere Art. 4 lit. d, f, g, h) erfolgt und nur eine Unterscheidung bezweckt, durch die Unterschiede objektiv
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1410 Erwägungsgrund 7; siehe auch EuGH 16.1.1992 – C-373/90 – Slg. 1992, I-131 Tz. 9 – Strafverfahren gegen X. Der dort ebenfalls noch genannte Verbraucherschutz ist inzwischen mit Blick auf Art. 6, 7 der Richtlinie 2005/29/EG gestrichen worden. 1411 Erwägungsgrund 6 Satz 3-4; EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 36 – Toshiba; EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 33 – Lidl Belgium; EuGH 18.6.2009 – C-487/ 07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 68 – L’Oréal; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 20 f. – Lidl SNC. 1412 EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 68 – L’Oréal; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 20 f. – Lidl SNC. 1413 Siehe auch Glöckner § 6 Rn. 80. 1414 Gamerith WRP 2005, 391, 429. 1415 Vgl. BTDrucks. 16/10145 S. 23, 25. 1416 EuGH 24.10.2002 – C-99/01 – Slg. 2002, I-9375 Tz. 20 – Linhart; EuGH 23.1.2003 – C-221/00 – Slg. 2003, I-1007 Tz. 43 – Kommission/Österreich (zur Kosmetik-RL 79/768/EWG). 1417 Ausführlich Glöckner § 6 Rn. 81 ff. 1418 EuGH 12.6.2008 – C-533/06 – Slg. 2008, I-4231 Tz. 33 – O2. 1419 EuGH 12.6.2008 – C-533/06 – Slg. 2008, I-4231 Tz. 40 – O2. Wird nur ein ähnliches Zeichen benutzt, so ist die Zeichenbenutzung auch unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 4 RL 2006/114/EG kennzeichenrechtlich zulässig, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht, EuGH 12.6.2008 – C-533/06 – Slg. 2008, I-4231 Tz. 69 – O2. 1420 EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 83 – Pippig Augenoptik.
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herausgestellt werden sollen (Erwägungsgrund 15 RL 2006/114/EG).1421 Deshalb ist die Benutzung der Marke eines Mitbewerbers in einer vergleichenden Werbung zulässig, wenn die Verwendung weder eine Verwechslungsgefahr i.S.d. Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL noch die Herabsetzung oder Verunglimpfung der Marke hervorruft, den Ruf der Marke nicht in unlauterer Weise ausnutzt1422 und ein Produkt weder explizit noch implizit1423 als Imitation oder Nachahmung eines Produkts mit dieser Marke darstellt.1424 Bemerkenswert ist, dass der EuGH den Begriff der Verwechslungsgefahr in Art. 4 lit. h RL 2006/114/EG und Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL einheitlich auslegt1425 und dass es stets auf den konkreten Kontext der Benutzungshandlung ankommen soll.1426 Die abstrakte Beurteilung der Verwechslungsgefahr „im Hinblick auf alle Umstände, unter denen die angemeldete Marke … benutzt werden könnte“ ist damit auf das Eintragungsverfahren (Art. 4 Abs. 1 lit. b MarkenRL) beschränkt.1427 d) Anwendungsbereich und Regelungsstruktur. Der Anwendungsbereich der 340 Richtlinie wird durch die Definitionen der irreführenden und vergleichenden Werbung in Art. 2 RL 2006/114/EG1428 bestimmt. Die einzelnen Regeln der Richtlinie lassen sich in drei Abschnitte gliedern, nämlich die Kriterien zur Beurteilung irreführender Werbung (Art. 3), die Regel zur Zulässigkeit vergleichender Werbung (Art. 4) und die mit der Richtlinie 2005/29/EG übereinstimmenden Vorschriften zur Rechtsdurchsetzung (Art. 5–7). aa) Werbung. Oberbegriff ist der Begriff der „Werbung“. Art. 2 lit. a RL 2006/114/EG 341 definiert diese als „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz1429 von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern“. Darin liegt eine Begrenzung im Vergleich zur Richtlinie 2005/29/EG, die Werbung lediglich als Unterkategorie des umfassenden Begriffs der „Geschäftspraktiken“ erwähnt (Art. 2 lit. d RL 2005/29/EG). Die Richtlinie 2006/114/EG klammert damit insbesondere nachvertragliches Verhalten aus.1430 Im Übrigen ist die Definition der Werbung in der Richtlinie 2006/114/EG besonders weit zu verstehen und nicht auf die Formen
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1421 EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 53 – Toshiba Europe; EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 47, 50 – Pippig Augenoptik; EuGH 23.2.2006 – C-59/05 – Slg. 2006, I-2147 Tz. 14 – Siemens/VIPA; EuGH 12.6.2008 – C-533/06 – Slg. 2008, I-4231 Tz. 45 – O2; EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 54, 72 – L’Oréal. Siehe auch EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 34 – Toshiba Europe; EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 50 – Pippig Augenoptik: Benutzung der Marke erlaubt, um den Verkehr über die Natur der Erzeugnisse oder den Zweck der Dienstleistungen zu informieren. Zum Verhältnis zum Markenrecht auch bereits Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 361. 1422 Der Begriff des unlauteren Ausnutzens ist in Art. 4 lit. f RL 2006/114/EG und Art. 5 Abs. 2 MarkenRL einheitlich auszulegen, EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 77 – L’Oréal. 1423 EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 75 f. – L’Oréal. 1424 EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 70, 72 – L’Oréal. 1425 EuGH 12.6.2008 – C-533/06 – Slg. 2008, I-4231 Tz. 49 – O2; ausführlich Sack WRP 2013, 8. 1426 EuGH 12.6.2008 – C-533/06 – Slg. 2008, I-4231 Tz. 64, 67 – O2. 1427 EuGH 12.6.2008 – C-533/06 – Slg. 2008, I-4231 Tz. 66 – O2. 1428 Vgl. EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 44 – de Landtsheer: „grenzt […] Anwendungsbereich ab“. 1429 Wie bei der Richtlinie 2005/29/EG ist die Bezugsförderung ausgenommen, siehe oben Rn. 254. 1430 Busch Unlauterer Wettbewerb in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.) Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 25 Rn. 53; offenlassend Lettl Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa (2004), S. 67. Auch positive Informationspflichten (vgl. Art. 7 Abs. 4 RL 2005/29/EG) dürften von der Richtlinie 2006/114/EG nicht erfasst werden, soweit die unterlassene Aufklärung nicht zur Irreführung führt, Augenhofer § 4 European Union in: Henning-Bodewig (Hrsg.) International Handbook on Unfair Competition (2013), Rn. 55.
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klassischer Werbung beschränkt.1431 Deshalb hat der EuGH auch die Nutzung eines Domainnamens und die Nutzung von Metatags in den Metadaten einer Website als Werbung i.S.d. Richtlinie angesehen, nicht aber die bloße Eintragung eines Domainnamens, weil allein die Eintragung noch nicht die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch potenzielle Kunden beinhaltet und folglich deren Auswahlentscheidung nicht beinflussen kann.1431a bb) Irreführende Werbung. Irreführende Werbung ist nach Art. 2 lit. b RL 2006/ 114/EG „jede Werbung, die in irgendeiner Weise – einschließlich ihrer Aufmachung – die Personen, an die sie sich richtet oder die von ihr erreicht werden, täuscht oder zu täuschen geeignet ist und die infolge der ihr innewohnenden Täuschung ihr wirtschaftliches Verhalten beeinflussen kann oder aus diesen Gründen einen Mitbewerber schädigt oder zu schädigen geeignet ist“. Bei der Beurteilung der Irreführung sind nach Art. 3 RL 2006/114/EG alle Bestandteile der Werbung zu berücksichtigen, insbesondere die Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, der Preis und die Eigenschaften des Werbenden. Auch eine Unterlassung kann eine Werbung i.S.d. Art. 3 RL 2006/114/EG irreführend machen, wenn sie einen Umstand verdecken soll, der, wäre er bekannt gewesen, geeignet gewesen wäre, eine Vielzahl von Abnehmern von ihrer Kaufentscheidung abzuhalten.1432 Leider fehlt es in der Richtlinie an einer expliziten Harmonisierung des Irreführungs343 maßstabs, sowohl im Hinblick auf die Wahrnehmungssituation wie im Hinblick auf die Anforderungen an die Aufnahmefähigkeit der Adressaten.1433 Diese Lücke hat der EuGH geschlossen, indem er auf die Perspektive einer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Person abstellt,1434 die anhand der angesprochenen Verkehrskreise1435 (z.B. Fachhändler) und der sozialen, kulturellen oder sprachlichen Eigenheiten des betreffenden Mitgliedstaates zu bestimmen ist.1436 Für das deutsche Recht dürfte die gesonderte Regelung des Irreführungsschutzes in der Richtlinie 2006/114/EG seit Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG keine Bedeutung mehr haben, weil sich der Gesetzgeber zur überschießenden Erstreckung des in den § 5 UWG geregelten Irreführungstatbestands auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr entschlossen hat.1437 Auf eine 342
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1431 EuGH 11.7.2013 – C-657/11 – WRP 2013, 1161 Tz. 35 – Belgian Electronic Sorting Technology. 1431a EuGH 11.7.2013 – C-657/11 – WRP 2013, 1161 Tz. 43 f., 45 ff., 56 ff. – Belgian Electronic Sorting Technology. 1432 EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 80 – Lidl Belgium; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 49 – Lidl SNC; siehe aber auch den strengeren Irreführungsmaßstab in Art. 7 Abs. 1 RL 2005/29/EG. 1433 Zu dieser Schwäche bereits Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 351. 1434 EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 52 – Toshiba Europe; zum Durchschnittsverbraucher oben Rn. 154 und EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 Tz. 31 – Gut Springenheide; zur Richtlinie 84/450/EWG EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 55 – Pippig Augenoptik; EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 78 – Lidl Belgium; EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 16 – de Landtsheer; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 47 – Lidl SNC; siehe nunmehr auch Erwägungsgrund 18 Satz 2 RL 2005/29/EG; hellsichtig bereits Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 354, F 356. 1435 EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 52 – Toshiba Europe; EuGH 23.2.2006 – C-59/05 – Slg. 2006, I-2147 Tz. 19 – Siemens/VIPA; EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 78 – Lidl Belgium. 1436 EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 Tz. 29 – Estée Lauder; siehe bereits EuGH 26.11.996 – C-313/94 – Slg. 1996, I-6039 Tz. 22 – Graffione; siehe auch bereits oben Rn. 154–157. 1437 Siehe BTDrucks. 16/10145 S. 23, wo explizit auf die Möglichkeit weiterreichenden Irreführungsschutzes im B2B-Verkehr hingewiesen wird. Anderes gilt für § 5a Abs. 2 und 3, die sich nur an Verbraucher richten, BTDrucks. 16/10145 S. 25.
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nähere Darstelllung des Irreführungsschutzes nach der Richtlinie 2006/114/EG wird deshalb verzichtet.1438 cc) Vergleichende Werbung. Relevanter für das deutsche Recht ist die Regelung 344 der vergleichenden Werbung in Art. 2 lit. c und Art. 4 RL 2006/114/EG.1439 Als vergleichende Werbung ist jede Werbung anzusehen, „die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von einem Mitbewerber angeboten werden, erkennbar macht“ (Art. 2 lit. c RL 2006/114/EG).1440 Damit sieht die Richtlinie eine weite Definition vor (Erwägungsgrund 8 RL 2006/114/EG), die auch solche Äußerungen erfasst, die nur mittelbar auf einen Mitbewerber oder dessen Erzeugnisse Bezug nehmen.1441 Auch eine nur auf eine Warengattung bezugnehmende Werbung kann unter die Richtlinie fallen, wenn aus ihr ein oder mehrere Mitbewerber oder die von der Konkurrenz angebotenen Waren oder Dienstleistungen als die erkennbar werden, auf die die Werbeaussage – auch nur mittelbar – konkret Bezug nimmt.1442 An der Erkennbarkeit fehlt es indes bei allgemeiner Kritik an Produkten oder Werbemethoden.1443 Als Mitbewerber sind Unternehmen anzusehen, die substituierbare Waren oder 345 Dienstleistungen auf dem Markt anbieten; es genügt, dass die Waren „in gewisser Weise gleichen Bedürfnissen dienen können“.1444 Maßgeblich für diese Beurteilung anhand der konkreten Merkmale der beworbenen Produkte und ihres Image1445 sind nicht nur der gegenwärtige Zustand des Marktes oder die örtlichen Verbrauchergewohnheiten, sondern es ist auch die Entwicklung einzubeziehen, die sich aus dem freien Warenverkehr und neuen Anreizen für die Substitution ergeben kann.1446 Trotz der weiten Definition sind dem Begriff der vergleichenden Werbung gewisse 346 Grenzen zu ziehen, um nicht zu einem generellen Verbot jeder bezugnehmenden Werbeäußerung zu gelangen, die nicht den Erfordernissen des Art. 4 RL 2006/114/EG entspricht.1447 Probleme werfen dabei insbesondere die bloße Bezugnahme auf die Produkte eines Wettbewerbers ohne konkreten Vergleich („vergleichende Werbung ohne Vergleich“1448) und der nicht auf Waren, sondern andere Eigenschaften des Wettbewerbers
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1438 Zu Einzelheiten Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 337 ff.; Lettl Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa (2004), S. 66 ff.; MünchKomm/Micklitz EG F Rn. 102 ff., 119 ff. 1439 Ausführlich zu den Ergebnissen der Rechtsvergleichung Glöckner IIC 2012, 35. 1440 Zur Definition siehe die Kommentierung zu § 6 Abs. 1 UWG. 1441 EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 29 ff. – Toshiba Europe; EuGH 8.4.2003 – C-44/ 01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 35 – Pippig Augenoptik; EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 16 – de Landtsheer; zur weiten Definition auch MünchKomm/Micklitz EG F Rn. 273 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einl B Rn. 19. 1442 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 18 ff. – de Landtsheer; zur Kritik an der Beschränkung auf „einen Mitbewerber“ bereits Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 362. 1443 BGH 19.5.2011 – I ZR 147/09 – GRUR 2012, 74 Tz. 19 – Coaching Newsletter. 1444 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 28 ff. – de Landtsheer. Der Begriff in Art. 2 lit. c ist weiter als der Parallelbegriff in Art. 4 lit. b, weil es einmal um die Anwendbarkeit der Richtlinie, das andere Mal um die Zulässigkeit der vergleichenden Werbung geht, Tz. 47; weniger deutlich differenzierend EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 31 – Lidl SNC: „gleichartige Kriterien“. 1445 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 40 f. – de Landtsheer. 1446 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 36 f., 39 – de Landtsheer. 1447 Liegt keine vergleichende Werbung i.S.d. RL 2006/114/EG vor, so ist die Werbung nicht generell unzulässig, sondern vielmehr nach der Richtlinie 2005/29/EG oder, wenn diese nicht anwendbar ist, nach den Kriterien des nationalen Rechts zu beurteilen, EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 51 ff. – de Landtsheer. 1448 Siehe bereits Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 362. Ausführlich Glöckner § 6 Rn. 248.
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gerichtete unternehmens- oder personenbezogene Vergleich auf.1449 Beide wären bei wortlautgetreuer Anwendung der kumulativen Voraussetzungen des Art. 4 RL 2006/ 114/EG unzulässig, da es am Vergleich von Produkten fehlt (Art. 4 lit. b RL 2006/114/ EG).1450 Um derartige Kollateralschäden der auf eine Liberalisierung ausgerichteten Richtlinie 2006/114/EG zu vermeiden, ist – neben dem Erkennbarkeitserfordernis – das Erfordernis eines Produktvergleichs in die Definition der vergleichenden Werbung zu integrieren.1451 Zwar lässt sich dies nicht ohne weiteres bewerkstelligen, indem man für die Begriffsdefinition der vergleichenden Werbung auf die Zulässigkeitskriterien in Art. 4 lit. b RL 2006/114/EG durchgreift,1452 denn der EuGH hat sich explizit für eine Unterscheidung zwischen Anwendungsbereich (Art. 2) und Zulässigkeitskriterien (Art. 4) ausgesprochen.1453 Günstiger erscheint es deshalb, entweder das Erfordernis des Vergleichs als ein der vergleichenden Werbung immanentes Merkmal anzusehen1454 oder auf die Gefahr einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Meinungsfreiheit ohne ein Vergleichserfordernis hinzuweisen.1455 Am einfachsten dürfte es aber sein, schlichtweg die Judikatur des Gerichtshofs in Toshiba fortzuschreiben. Dort hat der Gerichtshof bereits erkannt, dass bei wörtlicher Auslegung des Art. 2 lit. c „jede Angabe in einer Äußerung, die einerseits die Identifizierung eines Mitbewerbers oder der Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die er anbietet, ermöglicht, andererseits aber keinen Vergleich im Sinne des Artikels 3a [Art. 4] enthält, unzulässig wäre“.1456 Zur Lösung nahm er auf den Zweck der vergleichenden Werbung Bezug, „dass die vergleichende Werbung dazu beitragen soll, die Vorteile der verschiedenen vergleichbaren Erzeugnisse objektiv herauszustellen und so den Wettbewerb zwischen den Anbietern von Waren und Dienstleistern im Interesse der Verbraucher zu fördern“ (heute Erwägungsgrund 6 Satz 3–4 RL 2006/114/ EG).1457 Daraus lässt sich der Schutzzweck des Art. 4 RL 2006/114/EG ableiten: Die Norm soll zulässige, also den objektiven Vergleich fördernde Vergleichswerbung von unzulässiger, den Wettbewerb verfälschender (Erwägungsgrund 3) vergleichender Werbung abgrenzen. Dieser Zweck kann aber nur dann erreicht werden, wenn überhaupt ein Vergleich erfolgt, der auf Objektivität geprüft werden kann, so dass aus teleologischen Gründen „vergleichende Werbung ohne Vergleich“ nicht am Maßstab des Art. 4 RL 2006/114/EG zu messen ist.1458 Die Regeln zur Zulässigkeit der vergleichenden Werbung finden sich in Art. 4 RL 2006/114/EG. Vergleichende Werbung gilt, was den Vergleich anbelangt, als zulässig,
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1449 Zur persönlichen vergleichenden Werbung Peifer WRP 2011, 1, 6: Lösung über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 1450 Siehe nur Peifer WRP 2011, 1, 5 zur These, dass die Richtlinie 2006/114/EG die bezugnehmende und die persönliche vergleichende Werbung für unzulässig hält. 1451 BGH 19.5.2011 – I ZR 147/09 – GRUR 2012, 74 Tz. 18 – Coaching Newsletter; ausführlich Scherer GRUR 2012, 545. 1452 So aber wohl BGH 19.5.2011 – I ZR 147/09 – GRUR 2012, 74 Tz. 19 – Coaching Newsletter. 1453 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 44 – de Landtsheer. 1454 Köhler/Bornkamm § 6 Rn. 50. 1455 Piper/Ohly/Sosnitza § 6 Rn. 36, der sich außerdem auf eine „normative Gesamtbetrachtung“ der Richtlinie (Erwägungsgrund 2, Art. 4 lit. b, c) bezieht; Peifer WRP 2011, 1, 6. 1456 EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 33 – Toshiba Europe. 1457 EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 34 ff. – Toshiba Europe. 1458 Siehe auch EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 36 – Pippig Augenoptik: „Jede vergleichende Werbung soll die Vorteile der vom Werbenden angebotenen Waren oder Dienstleistungen gegenüber denjenigen eines Mitbewerbers herausstellen“ (Hervorhebung nicht im Original).
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wenn die in Art. 4 lit. a–h kumulativ1459 und abschließend1460 genannten Voraussetzungen1461 erfüllt sind.1462 Diese Kriterien sind wegen der wettbewerbsfördernden Wirkungen der vergleichenden Werbung in dem für die vergleichende Werbung günstigsten Sinne auszulegen,1463 wobei die Ausgestaltung der vergleichenden Werbung innerhalb des durch Art. 4 gesteckten Rahmens der freien wirtschaftlichen Entscheidung des Werbenden unterliegt.1464 Die Werbung darf demnach nicht irreführend sein (Art. 4 lit. a),1465 sie muss Produkte 351 für den gleichen Bedarf oder die gleiche Zwecksetzung vergleichen (Art. 4 lit. b),1466 und zwar objektiv1467 im Hinblick auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare1468 und typische Eigenschaften,1469 zu denen auch der Preis oder das Preisniveau1470 gehören kann (Art. 4 lit. c), sie darf weder herabsetzend noch verunglimpfend sein (Art. 4
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1459 EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 67 – L’Oréal; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 16 – Lidl SNC. 1460 EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 44 – Pippig Augenoptik. Nicht erforderlich ist deshalb eine Angabe der Vertriebswege der Waren (Tz. 61 ff.); auch ein Testkauf ist nicht verboten (Tz. 71). 1461 Dazu die Kommentierung von Glöckner zu § 6 Rn. 288 ff. 1462 Dazu Hucke Die Erforderlichkeit einer Harmonisierung des Wettbewerbsrechts in Europa (2001), S. 446 ff. 1463 EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 36 f. – Toshiba Europe; EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 22 – Lidl Belgium; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 21, 36 ff. – Lidl SNC. 1464 EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 81 – Pippig Augenoptik; EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 29 – Lidl Belgium. 1465 Dazu EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 53 – Pippig Augenoptik: Nichtangabe der Marke der Produkte des Wettbewerbers kann irreführend sein, wenn dies die Käuferentscheidung spürbar beeinflussen kann und der Vergleich Produkte betrifft, deren Marken deutliche Unterschiede hinsichtlich ihres Ansehens aufweisen; ebenso EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 51 ff. – Lidl SNC: Irreführung kann bei objektiven Unterschieden zwischen den Lebensmitteln im Sortimentvergleich gegeben sein, wenn die Unterschiede die Entscheidung des Käufers spürbar beeinflussen können. Eine Irreführung bei Sortimentvergleichen kann sich außerdem dadurch ergeben, dass eine erhebliche Zahl von Verbrauchern irrig davon ausgeht, dass die getroffene Warenauswahl repräsentativ für das allgemeine Preisniveau ist, EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 83 f. – Lidl Belgium; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 50 – Lidl SNC. 1466 Dazu EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 27 – Lidl Belgium: Vergleich von Produktpaaren, die dem Erfordernis der Austauschbarkeit genügen, Tz. 30, 38: auch Vergleich von Sortimenten und Vergleich des allgemeinen Preisniveaus (Tz. 51) zulässig; EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 47 – de Landtsheer: „individuelle und konkrete Beurteilung der speziellen Waren, um zu ermitteln, ob sie wirklich untereinander substituierbar sind“; ebenso EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 25, 33 – Lidl SNC; dort auch Tz. 28: Aspekt, unter dem der Vergleich angestellt wird, hat keinen Einfluss auf die Austauschbarkeit. 1467 „Objektivität“ wird zum einen durch die konkretisierenden Erfordernisse Wesentlichkeit, Relevanz, Nachprüfbarkeit und Typizität erreicht, zum anderen sollen Vergleiche ausgeschlossen werden, die sich aus einer subjektiven Wertung des Vergleichenden ergeben, EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 44, 46 – Lidl Belgium. Sie erfordert nicht, bei einem Sortimentvergleich jedes der verglichenen Produkte unter allen Umständen ausdrücklich zu benennen, Tz. 47. 1468 Bei Sortimentvergleichen verlangt die Nachprüfbarkeit, dass die einzelnen Waren und die Einzelpreise individuell und konkret erkennbar sein müssen, damit sich der Verbraucher darüber vergewissern kann, ob er richtig informiert wurde, EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 61 – Lidl Belgium; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – GRUR 2011, 159 Tz. 60 – Lidl SNC. Nachprüfbarkeit bedeutet allgemein, dass für die Adressaten der Werbung anzugeben ist, wo und wie sie die Bestandteile des Vergleichs leicht in Erfahrung bringen können, um die Richtigkeit der Aussage nachzuprüfen oder nachprüfen zu lassen, EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 71 – Lidl Belgium; siehe auch Art. 7 zum Nachweis der Richtigkeit. 1469 Z.B. der funktionalen Gleichwertigkeit der Produkte der Beteiligten, EuGH 23.2.2006 – C-59/05 – Slg. 2006, I-2147 Tz. 17 – Siemens/VIPA. 1470 EuGH (Große Kammer) 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 Tz. 58 f. – Lidl Belgium.
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lit. d),1471 sie muss sich bei Waren mit Ursprungsbezeichnung auf Waren mit der gleichen Bezeichnung beziehen (Art. 4 lit. e),1472 sie darf den Ruf einer Marke oder eines anderen Unterscheidungskennzeichens nicht in unlauterer Weise ausnutzen (Art. 4 lit. f.),1473 sie darf ein Produkt weder explizit noch implizit1474 als Imitation oder Nachahmung eines anderen Produkts mit geschützter Marke oder Handelsnamen darstellen, und sie darf keine Verwechslungsgefahr i.S.d. Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL begründen1475 (Art. 4 lit. h). Diese Voraussetzungen wurden in § 5 Abs. 2 und 3 und § 6 UWG umgesetzt.1476 352
e) Umsetzung. Die Richtlinie 2006/114/EG wurde im Hinblick auf die Regeln zur irreführenden Werbung in den §§ 5, 5a Abs. 1, im Hinblick auf die vergleichende Werbung in § 5 Abs. 2 und 3 und § 6 UWG umgesetzt.1477 4. Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr
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a) Regelungsziele und Harmonisierungstiefe. Ziel der Richtlinie 2000/31/EG1478 ist es, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen und auf diese Weise einen Beitrag zum Funktionieren des Binnenmarktes zu leisten (Art. 1 Abs. 1 RL 2000/31/EG). Dieses Ziel soll durch zwei Maßnahmen erreicht werden.1479 Zum einen sorgt die Richtlinie für eine Harmonisierung des Sachrechts im Hinblick auf die Zulassungsfreiheit (Art. 4), die Informationspflichten (Art. 5, 6), die kommerzielle Kommunikation reglementierter Berufe (Art. 8), den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg (Art. 9–11) und die Verantwortlichkeit der Vermittler (Art. 12–15).1480
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1471 Dazu EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003, I-3095 Tz. 80 ff. – Pippig Augenoptik: Beschränkung auf einen einzelnen Preisvergleich ohne Einbeziehung der Durchschnittspreise nicht herabsetzend. 1472 Dieses Erfordernis ist einschränkend zu interpretieren, weil es lediglich der Einhaltung des Irreführungsverbots in Art. 13 VO 510/2006 dient (Erwägungsgrund 12 RL 2006/114/EG), EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 Tz. 66 ff. – de Landtsheer. Deshalb ist nicht jeder Vergleich zwischen Waren mit und Waren ohne Ursprungsbezeichnung unzulässig. 1473 Dieser Begriff ist ebenso wie in Art. 5 Abs. 2 MarkenRL auszulegen, EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 77 – L’Oréal. Zudem ist hier der Nutzen von vergleichender Werbung für den Verbraucher und die Binnemarktintegration einzustellen, EuGH 23.2.2006 – C-59/05 – Slg. 2006, I-2147 Tz. 24 – Siemens/VIPA. Ferner EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 Tz. 54, 57 – Toshiba Europe: Artikelnummern eines Originalherstellers dürfen in Katalogen eines Konkurrenten verwendet werden, solange keine Assoziation zwischen dem Originalhersteller und dem Konkurrenten hergestellt wird; EuGH 23.2.2006 – C-59/05 – Slg. 2006, I-2147 Tz. 16, 18 – Siemens/VIPA: unlauteres Ausnutzen kann darin liegen, dass beim Verkehr ein falscher Eindruck über die Beziehungen zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber erweckt wird, insbesondere indem der gute Ruf des einen Anbieters auf den anderen übertragen wird. 1474 EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009, I-5185 Tz. 75 f. – L’Oréal. 1475 Der Begriff entspricht dem markenrechtlichen Begriff in Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL, EuGH 12.6.2008 – C-533/06 – Slg. 2008, I-4231 Tz. 49 – O2. 1476 Zu Einzelheiten siehe die Kommentierung von Glöckner zu § 6 Rn. 172 ff. 1477 Vgl. (zu den Vorgängerrichtlinien 84/450/EWG und 97/7/EG) BTDrucks. 14/2959 S. 6; BTDrucks. 15/ 1487 S. 19; BTDrucks. 16/10145 S. 19; eine unzureichende Richtlinienumsetzung konstatiert Köhler GRUR 2013, 761, 762 ff. 1478 Zur Entstehungsgeschichte siehe KOM (1997) 157; KOM (1998) 586; KOM (1999) 427; Gemeinsamer Standpunkt des Rates Nr. 22/2000, ABl. C 128 vom 8.5.2000, S. 32. 1479 EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 56 f. – eDate Advertising. 1480 Die Regelung in Art. 7 RL 2000/31/EG wurde durch Art. 13 RL 2002/58/EG überholt, Köhler/ Bornkamm Einl UWG Rn. 3.49.
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Zum anderen definiert die Richtlinie 2000/31/EG einen „koordinierten Bereich“ 354 (Art. 2 lit. h), in dessen Rahmen die Dienste der Informationsgesellschaft grundsätzlich dem Rechtssystem des Mitgliedstaates unterworfen werden, in dem der Anbieter niedergelassen ist (Art. 3 Abs. 2, Erwägungsgrund 22 Satz 3 RL 2000/31/EG: Herkunftslandprinzip).1481 Infolge des Herkunftslandprinzips kann sich die Richtlinie bei den lauterkeitsrechtlich relevanten Informationspflichten (Art. 5, 6) auf eine Mindestharmonisierung beschränken,1482 die allerdings durch Erwägungsgrund 15 Satz 4 RL 2005/29/EG inzwischen faktisch in eine Vollharmonisierung überführt wird. Eine Vollharmonisierung erfolgt von vorneherein für den Bereich der Verantwortlichkeit der Vermittler (Art. 12–15 RL 2000/31/EG).1483 b) Anwendungsbereich. Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31/EG wird 355 durch den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ bestimmt. Zur Definition verweist Art. 2 lit. a RL 2000/31/EG auf Art. 1 Nr. 2 der RL 98/34/EG1484 in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG,1485 wo „Dienst der Informationsgesellschaft“ als „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“ definiert wird.1486 Das Erfordernis der Entgeltlichkeit schließt auch Dienste ein, die nicht von denjenigen vergütet werden, die sie empfangen, soweit es sich überhaupt um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt (z.B. werbefinanzierte Suchdienste).1487 Ausgeschlossen wird mit diesem Merkmal aber der Gebrauch von EMails durch natürliche Personen außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit, einschließlich der Nutzung von E-Mails zum Vertragsabschluss zwischen natürlichen Personen außerhalb ihrer gewerblichen Tätigkeit.1488 „Im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung“ umschreibt eine Dienstleistung, „die 356 ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien erbracht wird, was nicht der Fall ist, wenn Erbringer und der Empfänger gleichzeitig physisch anwesend sind, selbst wenn dabei elektronische Geräte benutzt werden“.1489 Eine „elektronisch erbrachte Dienstleistung“ ist eine Dienstleistung, „die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesen-
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1481 EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 57, 67 – eDate Advertising. 1482 BTDrucks. 14/6098 S. 21 f. 1483 BTDrucks. 14/6098 S. 22. 1484 Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37. 1485 Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und DES Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl. L 217 vom 5.8.1998, S. 18. 1486 Siehe auch die Wiedergabe der Definition in Erwägungsgrund 17 Satz 2 RL 2000/31/EG. 1487 Erwägungsgrund 18 Satz 4 RL 2000/31/EG. 1488 Erwägungsgrund 18 Satz 8 RL 2000/31/EG. 1489 Zu Beispielen für nicht erfasste Dienste Erwägungsgrund 18 Satz 10 RL 2000/31/EG und Anhang V der RL 98/48/EG: Untersuchung oder Behandlung in der Praxis eines Arztes mit Hilfe elektronischer Geräte, aber in Anwesenheit des Patienten; Konsultation eines elektronischen Katalogs in einem Geschäft in Anwesenheit des Kunden; Buchung eines Flugtickets über ein Computernetz, wenn sie in einem Reisebüro in Anwesenheit des Kunden vorgenommen wird; Bereitstellung elektronischer Spiele in einer Spielhalle in Anwesenheit des Benutzers. Ausgenommen werden aber nur solche Leistungen, die untrennbar mit einer physisch erbrachten Dienstleistung verbunden sind, EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 37, 39 – Ker-Optika.
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det, weitergeleitet und empfangen wird“ (vgl. auch Art. 2 lit. h ii dritter Spiegelstrich RL 2000/31/EG). Dies erfasst auch den Zugang zu einem Kommunikationsnetz und die bloße Übermittlung oder Speicherung von Informationen.1490 Nicht ausreichend ist es, dass der Dienst zwar mit elektronischen Geräten, aber in materieller Form1491 oder per Telefon/ Telefax1492 erbracht wird. Beim Online-Verkauf wird zwar der Verkauf als solcher erfasst, nicht aber die Auslieferung der Waren als solche und die Anforderungen an die Waren.1493 Auch Offline-Dienste wie der Vertrieb von Software auf CD oder DVD sind ausgenommen (Erwägungsgrund 18 Satz 1 RL 2000/31/EG: „online“). Eine „auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“ ist eine 357 Dienstleistung, „die durch die Übertragung von Daten auf individuelle Anforderung erbracht wird“ (z.B. Video auf Abruf oder E-Mail-Werbung).1494 Dies schließt Dienste aus, „die im Wege einer Übertragung von Daten ohne individuellen Abruf gleichzeitig für eine unbegrenzte Zahl von einzelnen Empfängern erbracht werden (Punkt-zu-MehrpunktÜbertragung)“ wie Fernsehprogramme i.S.v. Art. 1 Abs. 1 lit. e RL 2010/13/EU,1495 Hörfunkdienste und Teletext (über Fernsehsignal).1496 358 Für den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31/EG ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Diensteanbieter (Art. 2 lit. b RL 2000/31/EG) gewerblich handelt oder nicht und ob sich der Dienst an einen gewerblichen oder nicht-gewerblichen Nutzer (Art. 2 lit. d RL 2000/31/EG) richtet. Allerdings sind die vertragsrechtlichen Regelungen der Art. 10 und Art. 11 im Verhältnis zu Verbrauchern (Art. 2 lit. e RL 2000/31/EG) zwingend. Zudem schließt das Erfordernis der Entgeltlichkeit als Merkmal des Dienstes der Informationsgesellschaft das Handeln von Personen außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit aus (Erwägungsgrund 18 Satz 8 RL 2000/31/EG). Auch die vertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird explizit ausgenommen (Erwägungsgrund 18 Satz 9 RL 2000/31/EG). 359
c) Bedeutung für das Lauterkeitsrecht. Aus der Perspektive des Lauterkeitsrechts ist die Richtlinie 2000/31/EG unter drei Gesichtspunkten von Interesse.1497 Zunächst fin-
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1490 Erwägungsgrund 18 Satz 5 RL 2000/31/EG. 1491 Zu Beispielen Anhang V der RL 98/48/EG: Geldausgabe- oder Fahrkartenautomaten; Zugang zu gebührenpflichtigen Straßennetzen, Parkplätzen usw., auch wenn elektronische Geräte bei der Einund/oder Ausfahrt den Zugang kontrollieren und/oder die korrekte Gebührenentrichtung gewährleisten. 1492 Zu Beispielen Anhang V der RL 98/48/EG: Sprachtelefondienste, Telefax-/Telexdienste, über Sprachtelefon oder Telefax erbrachte Dienste, medizinische Beratung per Telefon/Telefax, anwaltliche Beratung per Telefon/Telefax, Direktmarketing per Telefon/Telefax. Demgegenüber fällt Voice-over-IP unter die E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG, wenn die Informationen zwischengespeichert werden, MünchKomm/Micklitz EG I Rn. 27. 1493 Art. 2 lit. h ii erster und zweiter Spiegelstrich, Erwägungsgrund 18 Satz 2 und 3 RL 2000/31/EG; EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 28, 30 – Ker-Optika: Online-Angebot und Verkauf, nicht aber Liefervoraussetzungen. 1494 Erwägungsgrund 18 Satz 7 RL 2000/31/EG. 1495 Danach bezeichnet „Fernsehprogramm“ (d.h. ein linearer audiovisueller Mediendienst) einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den zeitgleichen Empfang von Sendungen auf der Grundlage eines Sendeplans bereitgestellt wird“. Die Ausnahme verweist noch auf die Definition der Fernsehdienste (präziser: „Fernsehsendung“) gemäß Art. 1 lit. a der inzwischen aufgehobenen RL 89/552/EWG. 1496 Anhang V der RL 98/48/EG; Erwägungsgrund 18 Satz 6 RL 2000/31/EG. 1497 Zur Privilegierung der Vermittler und Garantie wirksamen Rechtsschutzes (Art. 12–15, 18 RL 2000/31/EG) unten Rn. 416–420. Die Regelung über nicht angeforderte kommerzielle Kommunikation in Art. 7 RL 2000/31/EG ist durch Art. 13 RL 2002/58/EG überholt, Köhler/Bornkamm Einl UWG Rn. 3.49; siehe auch Harte/Henning/Glöckner Einl B Rn. 62. Allerdings gelten Art. 13 Abs. 1–3 RL 2002/58/EG nur für natürliche Personen (Art. 13 Abs. 5), so dass ein gewisser Anwendungsbereich für das Erkennbarkeitsgebot des Art. 7 Abs. 1 RL 2000/31/EG verbleibt. Ähnliches gilt für die Regelung in Art. 8 RL 2000/31/EG zur
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den sich in der Richtlinie im Interesse der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs und des Verbraucherschutzes1498 besondere Informationspflichten (Art. 5, 6, 10),1499 deren Missachtung lauterkeitsrechtlich sanktioniert werden kann (Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG). Ferner begrenzen die Art. 12–15 RL 2000/31/EG die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter, die den Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermitteln oder vom Nutzer eingegebene Informationen übermitteln oder speichern, und ergänzen damit die nur punktuelle Harmonisierung der Regeln über die Rechtsdurchsetzung in den Lauterkeitsrichtlinien.1500 Schließlich unterwerfen die Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 RL 2000/31/EG innerhalb des 360 „koordinierten Bereichs“ die Dienste der Informationsgesellschaft grundsätzlich dem Rechtssystem desjenigen Mitgliedstaates, in dem der Anbieter niedergelassen ist. Nach diesem Herkunftslandprinzip darf der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft nicht strengeren Anforderungen unterliegen, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht.1501 Diese Regelung verlangt keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsnorm,1502 sondern kann auch als sachrechtliche Rechtsanwendungsschranke ausgestaltet werden, solange es nur nicht zu strengeren Anforderungen kommt, als sie das im Sitzmitgliedstaat geltende Sachrecht vorsieht.1503 Für das Lauterkeitsrecht ist das Herkunftslandprinzip in der Richtlinie 2000/31/EG 361 von besonderer Bedeutung, weil es im Unterschied zur Dienstleistungsrichtlinie1504 auch zivilrechtliche Bestimmungen erfasst1505 und im Unterschied zur Richtlinie über audiovisuelle Medien1506 nicht auf den durch die Richtlinie 2000/31/EG harmonisierten Bereich beschränkt ist, sondern einen erheblich weiteren „koordinierten“ Bereich umfasst. Dieser koordinierte Bereich erfasst sämtliche Regeln über die Aufnahme (z.B. Qua- 362 lifikationen, Genehmigung oder Anmeldung) und über die Ausübung der Tätigkeit (z.B. Verhalten des Anbieters, Qualität oder Inhalt des Dienstes, Werbung, Vertragsrecht und Verantwortlichkeit) eines Diensteanbieters (Art. 2 lit. h Ziffer i RL 2000/31/EG). Ausgenommen sind lediglich die Anforderungen an die im E-Commerce erworbenen Waren, die Lieferung solcher Waren und Anforderungen an Dienste, die nicht auf elektronischem Wege erbracht werden (Art. 2 lit. h Ziffer ii RL 2000/31/EG).
_____ kommerziellen Kommunikation regulierter Berufe, die durch Art. 24 RL 2006/123/EG weitgehend überholt ist. 1498 Erwägungsgrund 29 RL 2000/31/EG. 1499 Zur Auslegung des Art. 5 Abs. 1 lit. c RL 2000/31/EG EuGH 16.10.2008 – C-298/07 – Slg. 2008, I-7841 Tz. 40 – Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände; EuGH (Große Kammer) 7.12.2010 – C-585/08 und C-144/09 – NJW 2011, 505 Tz. 78 – Pammer. 1500 Dazu unten Rn. 416–420 und EuGH (Große Kammer) 23.3.2010 – C-236/08 bis C-238/08 – Slg. 2010, I-2417 Tz. 106 ff. – Google France und Google; EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 106 ff. – L’Oréal. 1501 EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 67 – eDate Advertising. 1502 EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 63 – eDate Advertising. Umstritten ist, ob es überhaupt als Kollisionsnorm umgesetzt werden darf, zum Streitstand Klass Einleitung D Rn. 152 und MünchKomm/Drexl IntUnlWettbR Rn. 63 ff. 1503 Die letztere Lösung ist liberaler, weil sie im Unterschied zur kollisionsrechtlichen Umsetzung dem Zielstaat gestattet, liberalere Regeln als der Herkunftsstaat für den betreffenden Dienst vorzusehen. 1504 Siehe die Ausnahmen in Art. 17 Nr. 11 und Nr. 15 der Dienstleistungsrichtlinie für das Schuldrecht, das IPR und das Immaterialgüterrecht. 1505 EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 58 f. – eDate Advertising. 1506 Art. 3 Abs. 1 RL 2010/13/EG: „Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die Bereiche betreffen, die durch diese Richtlinie koordiniert sind“ (Hervorhebung nicht im Original).
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Unsicher ist allerdings, ob die Bedeutung des Herkunftslandprinzips für das Lauterkeitsrecht nicht durch andere Vorschriften der Richtlinie 2000/31/EG eingeschränkt wird. So wird in Anknüpfung an die Judikatur des EuGH zum Herkunftslandprinzip in der alten Fernsehrichtlinie1507 erwogen, den durch die Richtlinie 84/450/EWG (heute Richtlinie 2006/114/EG) geregelten Bereich der irreführenden Werbung aus dem Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31/EG auszunehmen.1508 364 Entsprechend ließe sich für die Regeln der Richtlinie 2005/29/EG argumentieren. Zwar geht es insoweit um Vollharmonisierung, so dass zwischen den Standards des Herkunfts- und des Zielstaates keine Unterschiede bestehen dürften. Indes zeigt die Erfahrung, dass auch angeglichenes Recht in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt und angewendet wird, insbesondere wenn es wie die Richtlinie 2005/29/EG durch offene Tatbestände und Generalklauseln geprägt ist. Diese Unterschiede lassen sich auch nicht vollständig durch eine EuGH-Vorlage in Zweifelsfällen ausräumen, denn selbst wenn man von einer uneingeschränkten Konkretisierungskompetenz des Gerichtshofs bei Generalklauseln ausgeht, so verbleiben mögliche Unterschiede beim Ergebnis der Subsumtion im Einzelfall, die der EuGH in aller Regel den nationalen Gerichten überlässt.1509 Es stellt sich damit die Frage, ob auch im Bereich des verbraucherschützenden Lau365 terkeitsrechts infolge des Herkunftslandprinzips ausschließlich auf seine Auslegung und Anwendung im Herkunftsstaat abzustellen ist, oder ob der Zielstaat seine eigene Auslegung zugrunde legen darf. Normativer Anknüpfungspunkt ist zunächst die Regelung in Art. 1 Abs. 3 Richtlinie 2000/31/EG, wonach die Richtlinie das auf die Dienste der Informationsgesellschaft anwendbare Recht ergänzt und „dabei das Schutzniveau insbesondere für die öffentliche Gesundheit und den Verbraucherschutz, wie es sich aus Gemeinschaftsrechtsakten und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu ihrer Umsetzung ergibt, unberührt“ lässt. Indes gilt dies nur, „soweit die Freiheit, Dienste der Informationsgesellschaft anzubieten, dadurch nicht eingeschränkt wird“.1510 Mit diesem Nachsatz wollte der Rat sicherstellen, „dass die Freiheit, Dienste der Informationsgesellschaft anzubieten, durch nationale Maßnahmen zur Umsetzung von Gemeinschaftsrechtsakten in anderen Bereichen nicht eingeschränkt werden darf“.1511 Die Klarstellung spricht eher für die Anwendung des Herkunftslandprinzips auch auf das verbraucherschützende Lauterkeitsrecht, so dass die Wahrung der europäischen Lauterkeitsregeln allein an seiner Auslegung im Herkunftsstaat, ggfs. bereinigt durch eine Vorlage an den Gerichtshof, zu messen wäre. Andererseits hat der Gerichtshof auch entschieden, dass durch die Richtlinie 2000/ 366 31/EG, „wie sich insbesondere aus ihrem Art. 1 Abs. 3 sowie aus ihren Erwägungsgründen 7, 10 und 11 ergibt“, der Schutz der Interessen der Verbraucher gewährleistet werden soll,1512 was eher für eine verbraucherschutzfreundliche und damit eine selbständige Auslegungskompetenz im Zielstaat bejahende Auslegung spricht. Es kommt hinzu,
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1507 EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 34, 38 – de Agostini; zur Fortgeltung MünchKomm/Drexl BGB IntUnlWettbR Rn. 58 Fn. 203. 1508 Bodewig GRUR Int. 2000, 475, 481; Henning-Bodewig WRP 2001, 771, 774 f. 1509 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 88. 1510 Erwägungsgrund 11 Satz 3 RL 2000/31/EG ergänzt, dass „zum Rechtsstand auf Gemeinschaftsebene, der uneingeschränkt für die Dienste der Informationsgesellschaft gilt“, „insbesondere auch die Richtlinien 84/450/EWG […] über irreführende und vergleichende Werbung […] und die Richtlinie 98/6//EG […] über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse“ zählen. 1511 Mitteilung der Europäischen Kommission an das Parlament zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates, SEK (2000) 386, Erläuterung der Änderungen zu Artikel 1. 1512 EuGH 16.10.2008 – C-298/07 – Slg. 2008, I-7841 Tz. 22 – Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände.
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dass Art. 3 Abs. 4 RL 2000/31/EG explizit ein Einschreiten des Zielstaates durch Maßnahmen1513 zum Schutz etwa der öffentlichen Ordnung, des Jugendschutzes, der Menschenwürde, des Gesundheitsschutzes und auch des Verbraucherschutzes gestattet. Zwar ist dies auf den Einzelfall beschränkt („betreffen einen bestimmten Dienst“) und bedarf grundsätzlich der vorherigen Abstimmung mit dem Herkunftsmitgliedstaat (Art. 3 Abs. 4 lit. b RL 2000/31/EG). Allerdings entfällt die Abstimmungspflicht bei zivilgerichtlichen Verfahren („unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren“), bei denen auch das Erfordernis des Einzelfalls gewahrt ist (vgl. auch Erwägungsgrund 24 und 25 RL 2000/31/EG). Die wohl besseren Gründe sprechen deshalb dafür, dem Zielstaat ein Einschreiten 367 im Interesse des Verbraucherschutzes zu gestatten, solange die Angemessenheit (Art. 3 Abs. 4 lit. a Ziffer iii RL 2000/31/EG) gewahrt bleibt. Dem Herkunftslandprinzip der Richtlinie ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Erhöhung der lauterkeitsrechtlichen Standards des Herkunftsstaates, sei es durch striktere Auslegung harmonisierenden Sekundärrechts, sei es durch autonome verbraucherschützende Lauterkeitsnormen des Zielstaats, unter einen strengen Angemessenheitsvorbehalt gestellt wird, als dessen prozessuale Komponente man im Fall harmonisierenden Sekundärrechts eine Verpflichtung zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof auch bei untergerichtlichen Hauptsacheverfahren aufnehmen sollte. Neben Art. 3 Abs. 4 RL 2000/31/EG findet das Herkunftslandprinzip gemäß Art. 3 Abs. 3 i.V.m. dem Anhang RL 2000/31/EG zudem auch auf Urheberrechte, verwandte Schutzrechte, Datenbankrechte und gewerbliche Schutzrechte und auf die Zulässigkeit nicht angeforderter kommerzieller Kommunikation mittels elektronischer Post (dazu Art. 13 RL 2002/58/EG) keine Anwendung.1514 d) Umsetzung. Die E-Commerce-Richtlinie wurde in erster Linie im TMG (vormals 368 TDG), darüber hinaus in § 312g BGB, in Art. 246 § 3 EGBGB, im UKlaG, in den §§ 8–10, 16 UWG und im Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) umgesetzt.1515 5. Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt a) Regelungsziele und Harmonisierungstiefe. Die Richtlinie 2006/123/EG über 369 Dienstleistungen im Binnenmarkt1516 zielt auf eine Erleichterung des freien Dienstleistungsverkehr und der Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungsanbieter, um zur Schaffung eines freien und wettbewerbsfähigen Binnenmarkts beizutragen (Art. 1 Abs. 1 und Erwägungsgründe 2 und 5 RL 2006/123/EG).1517 Zugleich dient sie auch dem Schutz der Dienstleistungsempfänger, denn die Vorschriften des Kapitels V (Art. 22 ff. RL 2006/123/EG) sehen Vorschriften zur Qualität der Dienstleistungen im Binnenmarkt vor.1518
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1513 Dazu zählen auch zivilgerichtliche Entscheidungen, vgl. Erwägungsgrund 25 RL 2000/31/EG; Bodewig GRUR Int. 2000, 475, 480. 1514 Die anderen Ausnahmen sind für das Lauterkeitsrecht von untergeordneter Bedeutung. Allerdings kann der Vorbehalt der Regeln über vertragliche Schuldverhältnisse in bezug auf Verbraucherverträge über Art. 6 Abs. 1 lit. c RL 2005/29/EG („Verpflichtungen des Gewerbetreibenden“) relevant werden. 1515 BTDrucks. 14/6098 S. 11 ff.; zum TMG BTDrucks. 16/3078 S. 1. 1516 Zur wechselvollen Entstehungsgeschichte der Dienstleistungsrichtlinie sei lediglich auf den ersten Kommissionsvorschlag KOM (2004) 2, den geänderten Kommissionsvorschlag KOM (2006) 160, den Gemeinsamen Standpunkt Nr. 16/2006, ABl. C 270E vom 7.11.2006, S. 1 und die zugehörige Mitteilung der Kommission KOM (2006) 424 verwiesen. 1517 EuGH (Große Kammer) 5.4.2011 – C-119/09 – EuZW 2011, 681 Tz. 26 – Société fiduciaire nationale d’expertise comptable. 1518 EuGH (Große Kammer) 5.4.2011 – C-119/09 – EuZW 2011, 681 Tz. 28 – Société fiduciaire nationale d’expertise comptable.
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Sie bewirkt keine Vollharmonisierung des Dienstleistungsrechts, sondern konkretisiert lediglich – soweit nicht eine der zahlreichen Ausnahmen eingreift (Art. 2 Abs. 2, Art. 3, Art. 17 RL 2006/123/EG) – die Anforderungen für die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit (Erwägungsgrund 9 Satz 1), indem sie die Beschränkungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten auf bestimmte Kriterien (Art. 16 Abs. 2 und 3, Art. 18 Abs. 1 RL 2006/123/EG) verengt und zudem positiv allgemeine – nicht abschließende (Art. 22 Abs. 5 RL 2006/123/EG) – Regeln zur Qualität von Dienstleistungen vorsieht (Art. 22 ff. RL 2006/123/EG).
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b) Anwendungsbereich. Der Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst nach Art. 2 Abs. 1 RL 2006/123/EG die von einem in der EU ansässigen Erbringer angebotenen Dienstleistungen, also jede von Art. 57 AEUV erfasste selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird (Art. 4 Nr. 1 RL 2006/123/EG).1519 Art. 2 Abs. 2 RL 2006/123/EG nimmt eine Reihe bedeutsamer Sektoren aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie aus, insbesondere nicht-wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (Erwägungsgrund 17), Finanzdienstleistungen (Erwägungsgrund 18), Dienstleistungen und Netze der elektronischen Kommunikation (Erwägungsgrund 19 und 20), Gesundheitsdienstleistungen (Erwägungsgrund 22 und 23), audiovisuelle Dienste (Erwägungsgrund 24, dazu RL 2010/13/EU) und soziale Dienstleistungen (Erwägungsgrund 27). Art. 3 Abs. 1 RL 2006/123/EG ergänzt eine Spezialitätsanordnung zugunsten der Be372 stimmungen anderer Unionsrechtsakte, die „spezifische Aspekte der Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen oder bestimmten Berufen“ regeln. Diese Subsidiaritätsklausel greift damit nur, soweit tatsächlich ein Normkonflikt mit spezielleren Vorschriften besteht. Soweit dies nicht der Fall ist, sich also im speziellen Rechtsakt keine konfligierenden Vorschriften finden, bleibt es bei der Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie.1520 Gemäß Art. 3 Abs. 2 RL 2006/123/EG betrifft die Richtlinie ferner „nicht die Regeln 373 des internationalen Privatrechts, insbesondere die Regeln des auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts, einschließlich der Bestimmungen, die sicherstellen, dass die Verbraucher durch die im Verbraucherrecht ihres Mitgliedstaats niedergelegten Verbraucherschutzregeln geschützt sind“. Speziell für die Informationspflichten sieht Art. 22 Abs. 5 RL 2006/123/EG vor, dass die Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie das bestehende Unionsrecht (z.B. die Richtlinie 2000/31/EG oder die Verbraucherrichtlinien1521) ergänzen und die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, weitere Informationsanforderungen vorzusehen. 374
c) Bedeutung für das Lauterkeitsrecht. Für das Lauterkeitsrecht ist vor allem die Abgrenzung der Dienstleistungsrichtlinie zum Verbraucherschutz und zum Privatrecht im Allgemeinen von Interesse.
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1519 Zu Beispielen siehe Erwägungsgrund 33 RL 2006/123/EG. 1520 Schlachter/Ohler/Leible Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 3 Rn. 5, 9; zum Verhältnis zur Richtlinie 2000/31/EG Calliess/Korte Dienstleistungsrecht in der EU (2011), § 6 Rn. 134. Aus der Perspektive des Lauterkeitsrechts stellen sich insofern keine Spezialitätsprobleme, weil Art. 16 der Dienstleistungsrichtlinie „außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“ nicht regelt (Art. 17 Nr. 15) und bei den Informationspflichten eine Kumulation (Art. 22 Abs. 5 RL 2006/ 123/EG) vorgesehen ist. 1521 Schlachter/Ohler/Schmidt-Kessel Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 22 Rn. 6; siehe auch Erwägungsgrund 12 Satz 1 RL 2011/83/EU.
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aa) Verhältnis zur Richtlinie 2005/29/EG. Im Verhältnis zum verbraucherschüt- 375 zenden unionalen Lauterkeitsrecht stellt Erwägungsgrund 32 Satz 1 RL 2006/123/EG klar, dass die Dienstleistungsrichtlinie mit der europäischen Gesetzgebung zum Verbraucherschutz wie etwa der Richtlinie 2005/29/EG und der Verordnung 2006/2004 im Einklang steht. Aufgrund seiner systematischen Stellung dürfte sich dieser Erwägungsgrund auf den Vorbehalt für speziellere Vorschriften des Unionsrechts in Art. 3 Abs. 1 RL 2006/123/ EG oder die Ausnahme zugunsten des Internationalen Privatrechts einschließlich des Verbraucherkollisionsrechts (Art. 3 Abs. 2) beziehen, so dass jedenfalls im Ergebnis die unionsrechtlich fundierten Regeln des Lauterkeitsrechts als speziellere Vorschriften von der Dienstleistungsrichtlinie nicht berührt werden.1522 Die Mitgliedstaaten sind also ungeachtet des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 RL 2006/123/EG berechtigt und verpflichtet, die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit zu beschränken, um unlautere, insbesondere aggressive und irreführende Geschäftspraktiken i.S.d. Richtlinie 2005/29/EG zu untersagen. bb) Dienstleistungsfreiheit. Darüber hinaus – insbesondere für die autonom de- 376 terminierten Vorschriften des UWG – hilft der allgemeine Vorbehalt zugunsten des Kollisionsrechts in Art. 3 Abs. 2 RL 2006/123/EG nicht weiter, da sich die Regeln der Dienstleistungsrichtlinie als Bestandteil des über das Kollisionsrecht (Art. 6 Rom II-VO) berufenen Rechts am Marktort verstehen lassen und damit innerhalb der durch Art. 3 Abs. 2 RL 2006/123/EG vorbehaltenen Verweisungen zur Anwendung gelangen können. Auf den ersten Blick erscheint der Einfluss der Dienstleistungsrichtlinie auf das Lauterkeitsrecht deshalb beträchtlich,1523 weil die abschließende Aufzählung der Schutzgüter für eine Beschränkung der freien Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten (Art. 16 RL 2006/123/EG) in Art. 16 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 RL 2006/123/EG nur die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Gesundheit, den Umweltschutz und die arbeitsrechtlichen Beschäftigungsbedingungen nennt, nicht aber den Verbraucherschutz und die Lauterkeit des Handelsverkehrs.1524 Die Rettung des Privatrechts vor dem grobschlächtigen1525 Zugriff des Art. 16 RL 2006/ 377 123/EG dürfte allerdings die Ausnahme in Art. 17 Nr. 15 RL 2006/123/EG sein. Danach findet die Dienstleistungsfreiheit des Art. 161526 keine Anwendung auf „Bestimmungen betreffend vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse, einschließlich der Form von Verträgen, die nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts festgelegt werden“. Auch wenn die Kommission mit Art. 17 Nr. 15 RL 2006/123/EG möglicherweise einen Änderungsantrag des Parlaments überschießend umgesetzt hat,1527 beschränkt
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1522 Weitergehend Harte/Henning/Glöckner Einl B Rn. 403: Dienstleistungsrichtlinie drohe, die Regelungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zu konterkarieren. 1523 Siehe Harte/Henning/Glöckner Einl B Rn. 403; siehe auch das Gutachten Auswirkungen der EUDienstleistungsrichtlinie auf die Regelungen im Geschäftsbereich des BMVEL, Projektnummer 04HS06, S. 108 ff., das aufgrund einer Vorfassung der Dienstleistungsrichtlinie von einer generellen Verdrängung des deutschen UWG bei Dienstleistungen in Ausübung der primärrechtlichen Dienstleistungsfreiheit ausging. 1524 Schlachter/Ohler/Schmidt-Kessel Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 16 Rn. 42 f. 1525 Basedow EuZW 2004, 423. 1526 Schlachter/Ohler/Herresthal Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 19 Rn. 8 spricht sich für eine teleologische Extension der Ausnahmen des Art. 17 auch auf die durch Art. 19 RL 2006/123/EG garantierte Freiheit des Dienstleistungsempfangs aus. 1527 Die heutige Fassung des Art. 17 Nr. 15 RL 2006/123/EG geht im Kern zurück auf Änderungsantrag 170 des Parlaments („alle Bestimmungen des Internationalen Privatrechts insbesondere für die Behandlung der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse einschließlich der Form von Verträgen“), A6-0409/2005, S. 91, der allerdings nach der Begründung zu diesem Änderungsantrag noch
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sich Art. 17 Nr. 15 nach seinem Wortlaut („Bestimmungen betreffend vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse“1528) nicht – wie Art. 3 Abs. 2 RL 2006/123/EG – auf die Regeln des Kollisionsrechts, sondern erstreckt sich explizit auch auf das Sachrecht (Schuldrecht)1529 und damit auch auf „außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“ (Art. 6 Abs. 1, 2 Rom II-VO). Folge des Art. 17 Nr. 15 RL 2006/123/EG ist damit eine Immunisierung des mit378 gliedstaatlichen Lauterkeitsrechts, soweit es privatrechtlicher und nicht öffentlichrechtlicher Natur ist: Verbraucherschützende und andere lauterkeitsrechtliche Vorschriften des Zielstaats, die über den durch Art. 3 Abs. 1 RL 2006/123/EG vorbehaltenen Acquis des Unionsrechts hinausgehen, können daher auf ausländische Anbieter angewendet werden, sofern sie als privatrechtlich und nicht als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind.1530 Diese Differenzierung überrascht angesichts der Indifferenz gegenüber privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Durchsetzung im unionalen Lauterkeitsrecht,1531 kommt aber dem deutschen Modell der privatrechtlichen Rechtsdurchsetzung naturgemäß zugute, so dass die Regeln des UWG von Art. 16 RL 2006/123/EG unberührt bleiben. Lediglich bei öffentlich-rechtlichen Normen, die über § 4 Nr. 11 UWG durchgesetzt werden, sind die Schranken des Art. 16 zu beachten.1532 Für Immaterialgüterrechte wird Art. 17 Nr. 15 durch Art. 17 Nr. 11 RL 2006/123/EG ergänzt, der ausdrücklich auch die dinglichen Fragen solcher Rechte aus dem Anwendungsbereich des Art. 16 ausnimmt. 379
cc) Informationspflichten. Während das Kapitel IV über die Dienstleistungsfreiheit damit nur geringe Bedeutung für das Lauterkeitsrecht hat, sind die Regeln des Kapitels V über die Qualität der Dienstleistungen auch auf privatrechtliche Beziehungen und reine Inlandsfälle anwendbar; die Ausnahmen in Art. 17 RL 2006/123/EG kommen aus systematischen Gründen nicht zur Anwendung.1533 In der Sache normiert Art. 22 – zwingende1534 – Verpflichtungen zur Information der Dienstleistungsempfänger über die Dienst-
_____ das Herkunftslandprinzip „bis zu einem gewissen Grad“ für Werbung und unlauteren Wettbewerb beibehalten wollte (der endgültige Text der Rom II-VO lag damals noch nicht vor). Seine jetzige Fassung erhielt Art. 17 Nr. 15 im geänderten Kommissionsvorschlag KOM (2006) 160 S. 14, der auf Abänderung 170 des Parlaments Bezug nahm, gleichwohl nun aber von den (sachrechtlichen) „Bestimmungen betreffend vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse einschließlich der Form von Verträgen, die nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts festgelegt werden“ sprach. 1528 „Provisions regarding contractual and non-contractual obligations, including the form of contracts, determined pursuant to the rules of private international law“; „aux dispositions relatives aux obligations contractuelles et non contractuelles, y compris la forme des contrats, déterminées conformément aux règles du droit international privé“; „a las disposiciones aplicables a las obligaciones contractuales y extracontractuales, incluida la forma de los contratos, determinadas de conformidad con las normas del Derecho internacional privado“. 1529 Schlachter/Ohler/Schmidt-Kessel Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 17 Rn. 45 f.; Schlachter/Ohler/Leible, Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 3 Rn. 17; Calliess/Korte, Dienstleistungsrecht in der EU (2011), § 5 Rn. 214; a.A. Kampf IPRax 2008, 101, 102 f. Siehe auch Erwägungsgrund 90 Satz 2 RL 2006/123/EG. 1530 Schlachter/Ohler/Schmidt-Kessel Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 17 Rn. 49. 1531 Siehe Art. 11 Abs. 1 RL 2005/29/EG und Art. 5 Abs. 1 RL 2006/114/EG, die den Mitgliedstaaten die Wahl zwischen (zivil)gerichtlicher und behördlicher Rechtsdurchsetzung eröffnen („und/oder“). 1532 Schlachter/Ohler/Schmidt-Kessel Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 17 Rn. 57. 1533 Schlachter/Ohler/Schmidt-Kessel Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Vorbemerkungen zu Art. 22 ff. Rn. 4 f. Anwendbar ist allerdings der allgemeine Vorbehalt zugunsten des IPR in Art. 3 Abs. 2, aus dessen Anwendung sich die Regelungszuständigkeit des Bestimmungsstaates für die Informationspflichten ergibt, Ackermann ZEuP 2009, 230, 253. 1534 Ackermann ZEuP 2009, 230, 258; a.A. (parteidispositiv) Schlachter/Ohler/Schmidt-Kessel Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 22 Rn. 3; siehe auch Erwägungsgrund 35 Satz 1 RL 2011/83/EU.
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leistungserbringer und deren Dienstleistungen, deren Verletzung nicht nur bürgerlichrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann,1535 sondern über den Transmissionsriemen des Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG auch lauterkeitsrechtlich bedeutsam ist (zur Einbeziehung in die Unterlassungsklagenrichtlinie Art. 42 RL 2006/123/EG).1536 dd) Kommerzielle Kommunikation reglementierter Berufe. Darüber findet sich in 380 Art. 24 RL 2006/123/EG eine Regelung zur kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe,1537 die in Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG ausgeklammert werden.1538 Gemäß Art. 24 Abs. 1 RL 2006/123/EG sind sämtliche – mitgliedstaatliche und berufsständische – absoluten Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe aufzuheben. Gemeint sind damit nicht Verbote, die sich auf den Inhalt einer bestimmten Kommunikation beziehen, sondern solche, die diese allgemein oder für ganze Berufsgruppen in einer oder mehreren Formen untersagen, z.B. ein Werbeverbot in bestimmten Medien (Erwägungsgrund 100 Satz 1 RL 2006/123/EG) oder ein generelles Verbot der Kundenakquise, des Sponsoring oder des Direktmarketing für reglementierte Berufe.1539 Im Übrigen, also für die inhaltliche Ausgestaltung der Werbung (Erwägungsgrund 100 RL 2006/123/EG) dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 24 Abs. 2 Satz 1 RL 2006/123/EG durch ihre berufsrechtlichen Werbebeschränkungen „insbesondere die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes sowie die Wahrung des Berufsgeheimnisses gewährleisten“, solange die berufsrechtlichen Regeln nicht diskriminieren und durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses (Art. 4 Nr. 8 RL 2006/123/EG) gerechtfertigt sowie verhältnismäßig sind. d) Umsetzung. Die Richtlinie 2006/123/EG wurde durch Änderung einer Vielzahl 381 von Einzelgesetzen umgesetzt,1540 von denen hier vor allem § 4 GewO und die Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer1541 (DL-InfoV) zu erwähnen sind.1542 6. Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste a) Regelungsziele und Harmonisierungstiefe. Die Richtlinie 2010/13/EU über au- 382 diovisuelle Mediendienste ist die konsolidierte Fassung der Neufassung der Richtlinie 2007/65/EG, die wiederum auf die erste Fernsehrichtlinie 89/552/EWG1543 zurückgeht. Sie
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1535 Dazu Schlachter/Ohler/Schmidt-Kessel Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2008), Art. 22 Rn. 39 ff.: Unwirksamkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen, Schadensersatzansprüche, Durchsetzung der Informationspflichten in Natur, Beeinflussung des Vertragsinhalts, Verlängerung von Widerrufsfristen; nach Einzelpflichten differenzierend Ackermann ZEuP 2009, 230, 257 ff. 1536 Ackermann ZEuP 2009, 230, 240, 256. Zur Regelung über Preisangaben in Art. 22 Abs. 1 lit. i, Abs. 3 lit. a RL 2006/123/EG von der Decken/Heim GRUR 2011, 746, 747. 1537 Zum Begriff Art. 4 Nr. 11 RL 2006/123/EG. Siehe aber auch die Ausnahmen für Gesundheitsdienstleistungen (Art. 2 Abs. 2 lit. f.) und Notare und Gerichtsvollzieher (Art. 2 Abs. 2 lit. l). 1538 Zur Binnenmarktrelevanz weitgehender Werbeverbote als Marktzutrittsbehinderungen für ausländische Anbieter siehe oben Rn. 188 und KOM (2002) 441 S. 30 ff. 1539 EuGH (Große Kammer) 5.4.2011 – C-119/09 – EuZW 2011, 681 Tz. 38, 45 f. – Société fiduciaire nationale d’expertise comptable. 1540 Für einen Überblick BTDrucks. 17/728 S. 13 ff. 1541 Für Preisangaben gegenüber Letztverbrauchern (Art. 22 Abs. 1 lit. i, Abs. 3 lit. a RL 2006/123/EG) gilt die PAngV, nicht die DL-InfoV (§ 4 Abs. 2 DL-InfoV). 1542 BTDrucks. 16/12784 S. 9; siehe auch BTDrucks. 17/3356. 1543 Dazu bereits Vorauflage/Schricker Einl F 365 ff.; zur Kommissionsbegründung KOM (86) 146 siehe die Beilage 5/86 zum Bulletin der Europäischen Gemeinschaft. Aus jüngerer Zeit siehe auch die Darstellung von Behrens Die Liberalisierung des Fernsehwerberechts im Kontext der Rundfunkregulierung (2012) S. 425 ff.
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enthält Bestimmungen für alle audiovisuellen Mediendienste (Kapitel III), Sonderbestimmungen für audiovisuelle Mediendienste auf Abruf (Kapitel IV), Bestimmungen über ausschließliche Rechte an und Kurzberichterstattung in Fernsehsendungen (Kapitel V), die Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen (Kapitel VI), die Fernsehwerbung und das Teleshopping (Kapitel VII), den Schutz Minderjähriger bei Fernsehprogrammen (Kapitel VIII) und das Recht auf Gegendarstellung bei Fernsehprogrammen (Kapitel IX). Ziel der neugefassten Richtlinie ist es, den Übergang von den nationalen Märkten 383 zu einem gemeinsamen Markt für die Herstellung und Verbreitung von Programmen zu sichern, das Allgemeininteresse zu wahren und faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.1544 Der Begriff des Allgemeininteresses orientiert sich an der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 49 und 56 AEUV und umfasst u.a. den Verbraucherschutz, den Jugendschutz und die Kulturpolitik.1545 Die aus lauterkeitsrechtlicher Perspektive besonders bedeutsamen Regeln der Richtlinie über audiovisuelle kommerzielle Kommunikation (Art. 9 RL 2010/13/EU) und Fernsehwerbung (Art. 17 ff. 2010/13/EU) zielen auf einen ausgewogenen Schutz der finanziellen Interessen der Fernsehveranstalter und der Werbetreibenden einerseits sowie der Interessen der Rechteinhaber (Autoren und Urheber) und der Zuschauer als Verbraucher andererseits, wobei dem Schutz der Verbraucher als Zuschauer gegen übermäßige Werbung eine wesentliche Bedeutung zukommt.1546 Zur Verwirklichung ihrer Ziele sieht die Richtlinie lediglich eine Mindestharmonisierung (Art. 4 Abs. 1 RL 2010/13/EU) vor.1547 384
b) Anwendungsbereich. Der Anwendungsbereich der Richtlinie wird durch den Begriff des audiovisuellen Mediendienstes bestimmt.1548 Dieser umfasst zum einen Dienstleistungen i.S.d. AEUV, „für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze ist“,1549 also Fernsehprogramme1550 und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf,1551 zum anderen die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation.1552 Ausgenommen wird die audiovisuelle Kommunikation zu privaten Zwecken und die Bereitstellung audiovisueller Dienste, deren Hauptzweck nicht die Bereitstellung von Program-
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1544 Erwägungsgründe 2, 11, 104 RL 2010/13/EU. 1545 Erwägungsgrund 41 RL 2010/13/EU. 1546 Erwägungsgrund 83 RL 2010/13/EU; EuGH 24.11.2011 – C-281/09 – GRUR Int. 2012, 167 Tz. 44 f. – Kommission/Spanien; siehe auch EuGH 18.10.2007 – C-195/06 – Slg. 2007, I-8817 Rn. 27 – Kommunikationsbehörde Austria: „Dem entsprechend bringen, wie der Generalanwalt in Nr. 76 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, die Bestimmungen des Kapitels IV der Richtlinie 89/552, die diese Normen und Kriterien festlegen, den Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers zum Ausdruck, diese Werbetätigkeiten von den übrigen Teilen der ausgestrahlten Programme abzugrenzen, sie für die Zuschauer eindeutig erkennbar zu machen und die Dauer ihrer Ausstrahlung zu begrenzen. Dem Schutz der Verbraucher als Zuschauer gegen übermäßige Werbung kommt somit im Rahmen des Ziels der Richtlinie 89/552 eine wesentliche Bedeutung zu“. 1547 EuGH 22.9.2011 – C-244/10 und C-245/10 – GRUR Int. 2012, 53 Tz. 34 – Mesopotamia Broadcast. 1548 Zum räumlichen Anwendungsbereich siehe Art. 2 Abs. 6 RL 2010/13/EU, der audiovisuelle Dienste zum Empfang ausschließlich in Drittländern aus der Richtlinie ausnimmt. 1549 Art. 1 Abs. 1 lit. a Ziffer i RL 2010/13/EU. 1550 Zur Definition Art. 1 Abs. 1 lit. e RL 2010/13/EU, zu Beispielen Erwägungsgrund 27: „analoges und digitales Fernsehen, Live Streaming, Webcasting und der zeitversetzte Videoabruf (‚near-video-ondemand‘)“. 1551 Zur Definition Art. 1 Abs. 1 lit. g RL 2010/13/EU, für ein Beispiel Erwägungsgrund 27: Video-ondemand. 1552 Art. 1 Abs. 1 lit. a Ziffer ii RL 2010/13/EU.
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men ist.1553 Kern des audiovisuellen Dienstes ist die Sendung,1554 also eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton.1555 c) Bedeutung für das Lauterkeitsrecht. Aus der Perspektive des allgemeinen Lauterkeitsrechts sind vor allem das Herkunftslandprinzip (vormals Sendestaatsprinzip) und die Werberegeln der Richtlinie 2010/13/EU von Interesse. Nach dem Herkunftslandprinzip1556 des Art. 3 Abs. 1 RL 2010/13/EU gewährleisten die Mitgliedstaaten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die durch die Richtlinie koordinierte Bereiche betreffen. Damit muss der Empfangsmitgliedstaat die Kontrollfunktion des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 2 Abs. 1) hinsichtlich der Fernsehsendungen von Fernsehveranstaltern anerkennen, die dessen Zuständigkeit (dazu Art. 2 Abs. 2–5 RL 2010/13/EU) unterliegen.1557 Allerdings ist die exklusive Kontrolle durch den Herkunftsstaat in der Richtlinie 2010/13/EU – im Unterschied zur Richtlinie 2000/31/EG – auf die durch die Richtlinie (teil-)koordinierten Bereiche beschränkt (Art. 3 Abs. 1 a.E. RL 2010/13/EU). Es steht deshalb dem Empfangsmitgliedstaat frei, auf die Tätigkeit von Fernsehveranstaltern in seinem Hoheitsgebiet einschließlich der Fernsehwerbung die allgemein für diese Bereiche geltenden Vorschriften anzuwenden, sofern diese nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von audiovisuellen Diensten aus einem anderen Mitgliedstaat behindern und keine vorherige Kontrolle dieser Sendungen einführen.1558 Insbesondere steht die Richtlinie der Anwendung von nationalen Regeln des Empfangsmitgliedstaates nicht entgegen, die allgemein dem Schutz der Verbraucher vor irreführender Werbung oder allgemein dem Schutz der öffentlichen Ordnung dienen, ohne eine zweite Kontrolle der Sendungen einzuführen und die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von audiovisuellen Diensten aus anderen Mitgliedstaaten zu verhindern.1559 Nach Auffassung des EuGH verlören nämlich die Angleichungsmaßnahmen im Lauterkeitsrecht wie die Richtlinie 84/450/EWG (heute Richtlinie 2006/114/EG) im Bereich der Fernsehwerbung ihre Bedeutung, wenn der Empfangsstaat gegenüber einem Werbetreibenden keine Maßnahmen mehr treffen könnte, was auch im Widerspruch zur Willenskundgebung des Unionsgesetzgebers1560 stünde.1561 Daraus und aus der Klarstellung in Erwägungsgrund 82 RL 2010/13/EU folgt für das Lauterkeitsrecht, dass das Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2010/13/EU aufgrund seiner Beschränkung auf den durch die Richtlinie teilkoordinierten Bereich die Regeln des allgemeinen (UWG) und sektoriellen (HWG, Lebensmittelwerbung etc.) Lauterkeitsrechts unberührt lässt, soweit sie sich nicht mit dem durch die Richtlinie koordinierten Bereich der Fernsehwerbung überschneiden.
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1553 Erwägungsgründe 21, 22 RL 2010/13/EU. 1554 Erwägungsgrund 23 RL 2010/13/EU. 1555 Art. 1 Abs. 1 lit. b RL 2010/13/EU. 1556 Vgl. Erwägungsgründe 33, 41, 43, 55 RL 2010/13/EU. 1557 EuGH 22.9.2011 – C-244/10 und C-245/10 – GRUR Int. 2012, 53 Tz. 35 – Mesopotamia Broadcast. 1558 EuGH 22.9.2011 – C-244/10 und C-245/10 – GRUR Int. 2012, 53 Tz. 36 f. – Mesopotamia Broadcast; ebenso bereits Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 372 f. 1559 EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 33 f., 38 – de Agostini (irreführende Werbung); EuGH 22.9.2011 – C-244/10 und C-245/10 – GRUR Int. 2012, 53 Tz. 48 ff. – Mesopotamia Broadcast (öffentliche Ordnung). 1560 Vgl. Erwägungsgrund 9 RL 2010/13/EU. 1561 EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 Tz. 37 – de Agostini.
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Die Bedeutung der Richtlinie für das Lauterkeitsrecht konzentriert sich damit auf die Mindestharmonisierung der Regeln über audiovisuelle kommerzielle Kommunikation (Art. 9 RL 2010/13/EU), Sponsoring und Product Placement (Art. 10, 11 RL 2010/13/EU) sowie Fernsehwerbung und Teleshopping 1562 (Art. 19 ff. RL 2010/13/EU). Nach Art. 9 Abs. 1 lit. a RL 2010/13/EU muss audiovisuelle kommerzielle Kommunikation leicht erkennbar sein (Verbot der Schleichwerbung), sie darf sich nicht Techniken der unterschwelligen Beeinflussung bedienen (Art. 9 Abs. 1 lit. b RL 2010/13/EU) oder die Menschenwürde verletzen, Diskriminierungen beinhalten oder Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit, Sicherheit oder den Schutz der Umwelt in hohem Maße gefährden (Art. 9 Abs. 1 lit. c RL 2010/13/EU). Verboten ist die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für Tabakerzeugnisse oder verschreibungspflichtige Arzneimittel (Art. 9 Abs. 1 lit. d, f RL 2010/13/EU); beschränkt wird sie für Alkohol (Art. 9 Abs. 1 lit. e RL 2010/ 13/EU). Schließlich findet sich eine Regelung zum Jugendschutz (Art. 9 Abs. 1 lit. g RL 2010/13/EU). Zum Teil ähnliche Regeln finden sich für Fernsehwerbung und Teleshopping in 391 den Art. 19 ff. RL 2010/13/EU. Danach muss Fernsehwerbung leicht erkennbar sein und vom redaktionellen Inhalt abgesetzt (Art. 19 Abs. 1 RL 2010/13/EU). Fernsehfilme und Nachrichtensendungen dürfen für jeden programmierten Zeitraum von 30 Minuten einmal für Werbung und/oder Teleshopping unterbrochen werden (Art. 20 Abs. 1 RL 2010/ 13/EU), wobei der Gesamtanteil der Werbung an der Sendezeit innerhalb einer vollen Stunde 20% nicht übersteigen darf (Art. 23 Abs. 1 RL 2010/13/EU). Fernsehwerbung für alkoholische Getränke muss besonderen Anforderungen entsprechen (Art. 22 RL 2010/ 13/EU); das Teleshopping für ärztliche Behandlungen und genehmigungspflichtige Arzneimittel ist untersagt (Art. 21 RL 2010/13/EU).
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d) Umsetzung. Die Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht erfolgte (für die Vorgängerrichtlinie 2007/65/EG) im Rundfunkstaatsvertrag (RStV)1563 und im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV).1564
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7. Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher. Die Richtlinie 2011/83/ EU über die Rechte der Verbraucher1565 ersetzt mit Wirkung zum 13. Juni 2014 (Art. 31) die Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen1566 und die Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz.1567 Im Unterschied zu ihren Vorgängerinnen sieht die neue Verbraucherrechterichtlinie eine Vollharmonisierung vor (Art. 4 RL 2011/83/EU), sofern nichts anderes bestimmt wird (z.B. bei den allgemeinen Informationspflichten für Ladengeschäfte, Art. 5 Abs. 4 RL 2011/83/EG).
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1562 Zur Auslegung dieser Begriffe EuGH 18.10.2007 – C-195/06 – Slg. 2007, I-8817 Rn. 23 ff. – Kommunikationsbehörde Austria. 1563 Begründung zum Dreizehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Dreizehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag), S. 1. 1564 Amtliche Begründung zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 16, 17, 22. 1565 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64. 1566 Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. L 372 vom 31.12.1985, S. 31. 1567 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 4.6.1997, S. 19.
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Aus lauterkeitsrechtlicher Perspektive ist bedeutsam, dass in der neuen Verbrau- 394 cherrechterichtlinie die Regeln über unerbetene Nachrichten und die Zusendung unbestellter Waren (Art. 9, 10 RL 97/7/EG1568) entfallen sind, weil Art. 13 RL 2002/58/EG und Anhang I Nr. 29 RL 2005/29/EG1569 bereits entsprechende Regelungen vorsehen.1570 Die Richtlinie 2011/83/EU konzentriert sich damit auf das Vertragsrecht.1571 Dementsprechend beschränkt sich Art. 27 RL 2011/83/EU darauf, das in Anhang I Nr. 29 RL 2005/29/ EG vorgesehene lauterkeitsrechtliche Verbot der Aufforderung zur Rücksendung von unbestellten Waren und Dienstleistungen in das Vertragsrecht zu verlängern, indem der Verbraucher von der Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreit wird. Darüber hinaus hat die Verbraucherrechterichtlinie Bedeutung für die Irreführungs- 395 tatbestände der Art. 6 Abs. 1 lit. c, g, Art. 7 Abs. 4 lit. e, Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG, indem Verstöße gegen die Informationspflichten (Art. 5 ff.; beachte insbesondere die allgemeine Informationspflicht in Art. 5 RL 2011/83/EU) oder gegen das Widerrufsrecht (Art. 9 RL 2011/83/EU) lauterkeitsrechtlich sanktioniert werden können.1572 Bei den Informationspflichten folgt auch die Richtlinie 2011/83/EU dem Kumulationsprinzip, so dass die Informationspflichten der Verbraucherrechterichtlinie neben die der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG und der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG treten (Art. 5 Abs. 4, Art. 6 Abs. 8, Erwägungsgrund 12 Satz 1 RL 2011/83/EU). Die Richtlinie 2011/83/ EU wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vor allem durch eine Neufassung der §§ 312 ff. und der §§ 355 ff. BGB umgesetzt. 8. Richtlinie 98/6/EG über Preisangaben. Die auf Art. 169 AEUV gestützte Richtli- 396 nie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse1573 regelt die Angabe des Verkaufspreises und des Preises je Maßeinheit bei Erzeugnissen, die Verbrauchern (Art. 2 lit. e RL 98/6/EG) von Händlern (Art. 2 lit. d RL 98/6/EG) angeboten werden, um für eine bessere Unterrichtung der Verbraucher zu sorgen und den Preisvergleich zu erleichtern (Art. 1 RL 98/6/EG). Sie zielt selbst nur auf eine Mindestharmonisierung (Art. 10 RL 98/6/EG), wird aber für die Zwecke des Art. 7 RL 2005/29/EG durch Erwägungsgrund 15 Satz 4 RL 2005/29/EG faktisch in eine Vollharmonisierung überführt. Im Kern sieht die Preisangabenrichtlinie vor, dass bei Erzeugnissen (beweglichen 397 Sachen1574) der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit unmissverständlich, klar
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1568 Ähnliche Vorschriften finden sich auch in Art. 9 und 10 der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16. 1569 Siehe auch Anhang I Nr. 21 und Nr. 26 RL 2005/29/EG. 1570 Erwägungsgründe 60 und 61 RL 2011/83/EU. 1571 Vgl. auch die Nichtaufnahme des Verweises auf „die Grundsätze der Lauterkeit bei Handelsgeschäften“ in Art. 4 Abs. 2 RL 97/7/EG in der neuen Richtlinie 2011/83/EU. 1572 Zur Anlehnung der allgemeinen Informationspflichten für Ladengeschäfte in Art. 5 RL 2011/83/EU an Art. 7 Abs. 4 RL 2005/29/EG Schwab/Giesemann EuZW 2012, 253, 254. 1573 Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, ABl. L 80 vom 18.3.1998, S. 27. Siehe auch die Mitteilung der Kommission über die Umsetzung der Richtlinie 98/6/EG, KOM (2006) 325. 1574 Zur Auslegung des Begriffs des Erzeugnisses KOM (2006) 325 S. 5 unter Verweis auf Art. 2 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABl. L 210 vom 7.8.1985, S. 29.
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erkennbar und gut lesbar (Art. 3, 4 Abs. 1 RL 98/6/EG) anzugeben ist, es sei denn, dass die Angabe des Preises je Maßeinheit mit dem Verkaufspreis identisch ist oder nicht sinnvoll oder geeignet wäre, zu Verwechslungen zu führen (Art. 5 Abs. 1 RL 98/6/EG).1575 Der Verkaufspreis bezeichnet nach Art. 2 lit. a RL 98/6/EG „den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt“. Der Preis je Maßeinheit bezieht sich auf „den Endpreis, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt, für ein Kilogramm, einen Liter, einen Meter, einen Quadratmeter oder einen Kubikmeter des Erzeugnisses oder eine einzige andere Mengeneinheit, die beim Verkauf spezifischer Erzeugnisse in dem betreffenden Mitgliedstaat allgemein verwendet wird und üblich ist“ (Art. 2 lit. b RL 98/86/EG). Die doppelte Preisangabeverpflichtung (Verkaufspreis und Preis je Maßeinheit) 398 dient dazu, die Verbraucherinformation zu vereinfachen und damit „auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten“ zu bieten, „die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen“ (Erwägungsgrund 6 RL 98/6/EG). Dieser Zielsetzung entspricht die Verknüpfung von Preisangaberecht und Preiswerberecht in Art. 3 Abs. 4 RL 98/6/ EG, der bei jeglicher Werbung, bei der der Verkaufspreis der Erzeugnisse gemäß Artikel 1 genannt wird, vorbehaltlich des Artikels 5 auch zur Nennung des Preises je Maßeinheit verpflichtet. Durch die Richtlinie 2005/29/EG wurde die Richtlinie 98/6/EG in zweifacher Weise 399 berührt. Zum einen erhebt die Aufnahme der Preiswerberegelung in Art. 3 Abs. 4 RL 98/ 6/EG in den Anhang II der Richtlinie 2005/29/EG die Preisangabeverpflichtung zu einer wesentlichen Information i.S.d. Art. 7 Abs. 1, 5 RL 2005/29/EG. Zum anderen hat Erwägungsgrund 15 Satz 5 RL 2005/29/EG zur Folge, dass die Mitgliedstaaten nach Ablauf der Übergangsfrist des Art. 3 Abs. 5 RL 2005/29/EG ihre nach der Preisangabenrichtlinie noch gestatteten strengeren nationalen Vorschriften nur noch vertragsrechtlich, nicht aber mehr lauterkeitsrechtlich sanktionieren dürfen. Die Umsetzung der Richtlinie 98/ 6/EG erfolgte in Deutschland in der PAngV. Die von der Richtlinie 98/6/EG ausgenommenen Preisangabepflichten bei Dienst400 leistungen sind im Unionsrecht bisher nicht einheitlich geregelt. Neben den allgemeinen Vorschriften in Art. 22 Abs. 1 lit. i, Abs. 3 lit. a der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG sind hier etwa die besonderen Regeln zu Verbraucherverträgen,1576 zum Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, 1577 zu Verbraucherkrediten, 1578 Zahlungsdiensten,1579 Pauschalreisen,1580 elektronischen Diensten1581 und Luftverkehrsdiensten1582 zu nennen.
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1575 Zu Ausnahmen Art. 3 Abs. 2 und 3 und Art. 6 RL 98/6/EG. 1576 Art. 4 und 5 Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG; Art. 5 Abs. 1 lit. c und Art. 6 Abs. 1 lit. e der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64. 1577 Art. 3 und 4 RL 2002/65/EG. 1578 Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. L 133 vom 22.5.2008, S. 66. 1579 Art. 36 ff., 46 ff. RL 2007/64/EG. 1580 Art. 3 RL 90/314/EWG. 1581 Art. 5 Abs. 2 RL 2000/31/EG. 1582 Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft, ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3; dazu EuGH 19.7.2012 – C-112/11 – Tz. 13 ff. – ebookers.com zur Auslegung des Begriffs der „fakultativen Zusatzkosten“ bei von Dritten angebotenen Leistungen.
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9. Richtlinie 2002/58/EG über Datenschutz in der elektronischen Kommunikation. Die Richtlinie 2002/58/EG über Datenschutz in der elektronischen Kommunikation1583 ist für das Lauterkeitsrecht vor allem wegen ihrer Regeln über die Zulässigkeit von Distanzkommunikation per Telefon, Telefax und Email1584 in Art. 13 RL 2002/58/EG von Interesse. Im Verhältnis zu natürlichen Personen (Art. 13 Abs. 5 RL 2002/58/EG) gestattet Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG die Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten oder elektronischer Post einschließlich SMS (Erwägungsgrund 40 RL 2002/58/EG) für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer oder Nutzer.1585 Art. 13 Abs. 2 RL 2002/58/EG erlaubt darüber hinaus die Nutzung der im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung erhaltenen elektronischen Kontaktinformationen zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen (also bei bestehender Kundenbeziehung), sofern die Kunden klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung zum Zeitpunkt ihrer Erhebung und bei jeder Übertragung gebührenfrei und problemlos abzulehnen. Für sonstige Formen der Direktwerbung, also vor allem für Sprach-Telefonanrufe (Erwägungsgrund 42 RL 2002/58/EG) eröffnet Art. 13 Abs. 3 RL 2002/58/EG den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht, ob sie Direktwerbung ohne vorherige Einwilligung der Empfänger verbieten (opt-in) oder ob sie die Direktwerbung gestatten, sofern die Empfänger die Möglichkeit erhalten, zu erklären, dass sie solche Anrufe nicht erhalten möchten (opt-out). Nicht nur im Verhältnis zu natürlichen Personen, sondern generell verbietet Art. 13 Abs. 4 RL 2002/58/EG das Versenden elektronischer Nachrichten, bei denen die Identität des Absenders verheimlicht oder verschleiert wird, bei denen gegen die Informationspflichten des Art. 6 E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG verstoßen wird oder bei denen keine gültige Adresse genannt wird, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung der Nachrichten richten kann. Zudem ist es verboten, den Empfänger zum Besuch von Internetseiten aufzufordern, die gegen Art. 6 E-Commerce-Richtlinie 2000/ 31/EG verstoßen. Sinn dieser Erweiterung des Art. 13 Abs. 4 RL 2002/58/EG war es vor allem, bestimmte „Phishing“-Nachrichten einzubeziehen.1586 Im Übrigen ist der Schutz anderer als natürlicher Personen schwach ausgeprägt: Art. 13 Abs. 5 Satz 2 RL 2002/58/EG sieht nur eine vage Verpflichtung vor, „dass die berechtigten Interessen anderer Teilnehmer als natürlicher Personen in Bezug auf unerbetene Nachrichten ausreichend geschützt werden“. Immerhin garantiert Art. 13 Abs. 6 RL 2002/58/EG in der neugefassten Form den natürlichen und juristischen Personen, die durch Verstöße gegen die in Art. 13 vorgesehenen Verpflichtungen beeinträchtigt werden und die ein berechtigtes Interesse an der Einstellung oder am Verbot solcher Verstöße haben, einschließlich der Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste, ein gericht-
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1583 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37 in der durch die Richtlinie 2009/136/EG geänderten Fassung. Die Regelung in Art. 7 RL 2000/31/EG wurde durch Art. 13 RL 2002/58/EG überholt, Köhler/Bornkamm Einl UWG Rn. 3.49. 1584 Zur Zusendung unbestellter Waren und Dienstleistungen Anhang I Nr. 29 RL 2005/29/EG und Art. 27 RL 2011/83/EU; zur Werbung per Post Art. 10 Abs. 2 RL 2002/65/EG; ausführlich MünchKomm/Micklitz EG I Rn. 52 ff.; Mederle Die Regulierung von Spam und unerbetenen kommerziellen E-Mails: eine Studie zur Rechtslage in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den USA (2010) S. 75 ff. 1585 Zu weitgehend Erwägung I und Rn. 20 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten, ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 58, die zielgerichtete Werbung aufgrund der Beobachtung von Einzelpersonen (etwa in sozialen Netzwerken) pauschal als „schwere Verletzung der Privatsphäre“ einstuft. 1586 KOM (2008) 723 S. 19.
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liches Klagerecht. Zweck dieser Änderung war es, insbesondere Internet-Diensteanbietern die Möglichkeit eines rechtlichen Vorgehens gegen Spam-Versender zu eröffnen, um unerbetene Werbung wirksamer zu bekämpfen.1587 Art. 13 RL 2002/58/EG wurde in Deutschland durch § 7 Abs. 2 und 3 UWG umgesetzt.1588 10. Rechtsdurchsetzung a) Richtlinien 2005/29/EG und 2006/114/EG. Während die Angleichung des verbraucherschützenden Lauterkeitsrechts durch die Richtlinie 2005/29/EG wesentliche Fortschritte gemacht hat, ist der Harmonisierungsertrag im Bereich der Rechtsdurchsetzung wesentlich bescheidener.1589 So sehen die Art. 11 und 12 RL 2005/29/EG und Art. 5 und 7 RL 2006/114/EG im Bereich der Sanktionen nur eine Mindestharmonisierung vor,1590 die im Kern noch auf die Regeln der ursprünglichen Irreführungsrichtlinie 84/ 450/EWG zurückgeht.1591 Art. 11 Abs. 1 RL 2005/29/EG und Art. 5 Abs. 1 und 2 RL 2006/114/EG garantieren 406 „Personen oder Organisationen, die nach dem nationalen Recht ein berechtigtes Interesse an der Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken haben, einschließlich Mitbewerbern“, die Befugnis, nach Wahl des Mitgliedstaats entweder gerichtlich gegen solche Verstöße vorzugehen oder ein Verfahren bei einer Verwaltungsbehörde einzuleiten. Die Lauterkeitsrichtlinien beschränken sich damit auf eine Initiativberechtigung der Mitbewerber1592 und überlassen die Ausdehnung der Klagebefugnis auf andere Personen oder Organisationen, einschließlich geschädigter Verbraucher,1593 der Richtlinie 2009/22/EG bzw. dem nationalen Recht des jeweiligen Mitgliedstaates.1594 Entscheidet sich der Mitgliedstaat für eine verwaltungsbehördliche Durchsetzung, 407 so müssen die Behörden bestimmten Anforderungen an ihre Unabhängigkeit genügen, und gegen ihre Entscheidungen muss gerichtlicher Rechtsschutz eröffnet sein (Art. 5 Abs. 5 und 6 RL 2006/114/EG; Art. 11 Abs. 3 RL 2005/29/EG). Auch können die Mitgliedstaaten vor Einleitung eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens die Durchführung eines besonderen Verfahrens zur Beilegung von Beschwerden verlangen. Allerdings ist der Eilrechtsschutz im Interesse des effektiven Rechtsschutzes von obligatorischen Schlichtungsverfahren auszunehmen.1595 Zulässig ist es auch, ein sanktionsbewehrtes 405
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1587 KOM (2007) 698 S. 12: „verbesserte Durchsetzungsmechanismen“. 1588 BTDrucks. 15/1487 S. 15, 21 f., 29; BTDrucks. 16/10145 S. 29 f.; kritisch zur Umsetzung Köhler WRP 2013, 567, 569 ff.; ders. WRP 2012, 1329. 1589 Kritisch Köhler/Lettl WRP 2003, 1019, 1047 f.; positiver Leistner ZEuP 2009, 56, 78 f. 1590 Dazu Alexander GRUR Int. 2005, 809. Siehe auch die rudimentären Garantien in Art. 18 RL 2000/31/EG (dazu EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 132 – L’Oréal), Art. 13 Abs. 6 RL 2002/58/EG und Art. 27 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG. 1591 Dazu bereits Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 343 ff. 1592 Siehe auch EuGH 17.9.2002 – C-253/00 – Slg. 2002, I-7289 Tz. 29 ff. – Muñoz. 1593 Siehe allerdings die Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten), ABl. L 165 vom 18.6.2013, S. 63 und die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten), ABl. L 165 vom 18.6.2013, S. 1. 1594 Vgl. Erwägungsgrund 9 Satz 1 RL 2005/29/EG; Vorauflage/Schricker Einl Rn. F 347; Alexander GRUR Int. 2005, 809, 813; enger Groß Die internationale Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes (2009), S. 246, der die Aktivlegitimation generell dem nationalen Recht vorbehalten sieht. 1595 EuGH 18.3.2010 – C-317/08 bis C-320/08 – Slg. 2010, I-2213 Tz. 59 f. – Alassini.
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System der verwaltungsbehördlichen Vorweggenehmigung für bestimmte Geschäftspraktiken vorzusehen, deren Charakter eine solche Kontrolle erfordert, solange damit kein von der Einzelfallprüfung nach Art. 5–9 RL 2005/29/EG unabhängiges allgemeines Verbot von Geschäftspraktiken begründet wird, die nicht vorab behördlich genehmigt wurden.1595a Als Abhilfemaßnahmen gewährleisten Art. 5 Abs. 3 RL 2006/114/EG und Art. 11 Abs. 2 RL 2005/29/EG die Möglichkeit verschuldensunabhängiger Unterlassungsanordnungen sowohl bei Erstbegehungs- wie bei Wiederholungsgefahr,1596 und zwar auch im Eilrechtsschutz.1597 Zudem können die Mitgliedstaaten eine Urteilsveröffentlichung oder die Veröffentlichung einer berichtigenden Erklärung (Widerruf) vorsehen. Bei der Beweislast, die grundsätzlich dem nationalen Recht obliegt (Erwägungsgrund 21 RL 2005/29/EG), müssen die Mitgliedstaaten vom Gewerbetreibenden den Beweis der Richtigkeit von Tatsachenbehauptungen verlangen, „wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gewerbetreibenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint“ (Art. 7 lit. a RL 2006/114/EG; Art. 12 lit. a RL 2005/29/EG). Wird ein solcher Beweis nicht erbracht oder der Beweis als unzureichend angesehen, so ist von der Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung auszugehen (Art. 7 lit. b RL 2006/114/EG; Art. 12 lit. b RL 2005/29/EG). In Deutschland geht man davon aus, dass die differenzierten judikativen Beweiserleichterungen den Vorgaben der Richtlinie genügen.1598 Dieser Einschätzung mag man allenfalls unter der Bedingung beitreten, dass auch außerhalb der anerkannten Beweiserleichterungen des deutschen Richterrechts stets zu prüfen ist, ob nicht dem Werbenden nach den Vorgaben der Richtlinie der Nachweis der Richtigkeit seiner Behauptungen aufzuerlegen ist. In Zweifelsfällen ist dies, auch aus Gründen der Effektivität des Unionsrechts,1599 zu bejahen. Die Vorgaben der europäischen Richtlinien zur Rechtsdurchsetzung sind in § 5 Abs. 4, § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 12 Abs. 2 und Abs. 3 UWG umgesetzt.1600
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b) Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen. Die in den Lauterkeitsricht- 412 linien vorgesehene Klagebefugnis einzelner Mitbewerber wird in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen durch ein Instrument zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (Art. 1 RL 2009/ 22/EG) ergänzt. Nach dieser Richtlinie können unabhängige öffentliche Stellen und/ oder Verbraucherschutzorganisationen als qualifizierte Einrichtungen i.S.d. Art. 3 RL 2009/22/EG durch Unterlassungsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher beitragen, soweit die durchzusetzenden Vorschriften in Anhang I RL 2009/ 22/EG aufgeführt sind. Zu diesen Richtlinien zählt auch die Richtlinie 2005/29/EG (An-
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1595a EuGH 17.1.2013 – C-206/11 – GRUR 2013, 297 Tz. 45 ff. – Georg Köck. 1596 Zum Parallelproblem in der UnterlassungsklagenRL 2009/22/EG EuGH 26.4.2012 – C-472/10 – Tz. 43 – Invitel: nicht nur Feststellung der Rechtswidrigkeit, sondern auch Abstellung des Verhaltens für die Zukunft geboten; Reich/Micklitz EWS 2012, 257, 264: „Geeignete und wirksame Mittel können im Lichte von Invitel auch im Lauterkeitsrecht mindestens zwei Ebenen umfassen, die Feststellung der Unlauterkeit und die in die Zukunft gerichtete Beseitigung des rechtswidrigen Zustands“. 1597 Zur Garantie des Eilrechtsschutzes durch das Unionsrecht Heinze Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht (2007), S. 39 ff. 1598 Alexander GRUR Int. 2005, 809, 814. 1599 Vgl. EuGH 7.9.2006 – C-526/04 – Slg. 2006, I-7529 Tz. 55 – Laboratoires Boiron; zur Übertragung auf andere Rechtsgebiete EuGH 28.1.2010 – C-264/08 – Slg. 2010, I-731 Tz. 33 ff. – Direct Parcel Distribution. 1600 Siehe die Tabelle bei Alexander GRUR Int. 2005, 809, 815.
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hang I Nr. 11 RL 2009/22/EG). Zudem werden neben einer Reihe verbrauchervertragsrechtlicher Richtlinien auch die E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG, die Fernsehrichtlinie 89/552/EWG (heute RL 2010/13/EU) und die Regeln über Arzneimittelwerbung in der Richtlinie 2009/22/EG genannt. Rechtsschutzziel der Unterlassungsklagen ist in erster Linie „eine mit aller gebote413 nen Eile und gegebenenfalls im Rahmen eines Dringlichkeitsverfahrens ergehende Anordnung der Einstellung oder des Verbots eines Verstoßes“ (Art. 2 Abs. 1 lit. a RL 2009/22/EG). Infolge des präventiven Charakters und des Abschreckungszwecks der Unterlassungsklagen sowie ihrer Unabhängigkeit von konkreten Streitigkeiten müssen Unterlassungsklagen gegen missbräuchliche AGB-Klauseln „auch dann zur Verfügung stehen […], wenn die Klauseln, deren Verbot beantragt wird, nicht konkret in Verträgen verwendet worden sind“.1601 Die wirksame Umsetzung dieses Ziels erfordert nämlich, „dass AGB-Klauseln in Verbraucherverträgen, die […] im Rahmen einer gegen den Gewerbetreibenden gerichteten Unterlassungsklage für missbräuchlich erklärt werden, weder für die am Unterlassungsverfahren beteiligten Verbraucher noch für diejenigen Verbraucher verbindlich sind, die mit diesem Gewerbetreibenden einen Vertrag geschlossen haben, auf den die gleichen AGB anwendbar sind“.1602 Im Ergebnis leitet der Gerichtshof damit aus dem Effektivitätsgrundsatz eine erga omnes-Wirkung von Unterlassungsklagen im AGB-Recht ab und erstreckt zudem den Grundsatz der ex officioPrüfung aus dem AGB-Individualverfahren auf den kollektiven Rechtsschutz.1603 Diese Wirkung dürfte infolge des einheitlichen Richtlinienzwecks der Prävention für alle Unterlassungsklageverfahren (auch außerhalb des AGB-Rechts) geboten sein. Die erga omnes-Wirkung erstreckt sich allerdings aus Gründen des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs nicht auf alle Gewerbetreibenden, die eine gleichlautende Klausel verwenden, sondern ist auf den Gewerbetreibenden beschränkt, der Partei des Unterlassungsklageverfahrens war.1604 Als weiteres Rechtsschutzziel kann das Gericht eine Veröffentlichung der Entscheidung (Art. 2 Abs. 1 lit. b RL 2009/22/EG) und, sofern dies nach dem Recht des Mitgliedstaats zulässig ist, eine Ordnungsgeldsanktionierung für den Fall der Nichtbeachtung der Unterlassungsentscheidung (Art. 2 Abs. 1 lit. c RL 2009/22/EG) aussprechen. Nicht unionsrechtlich vorgegeben, aber infolge des Mindestharmonisierungsprinzips auch nicht untersagt werden Schadensersatz- und Gewinnabschöpfungsansprüche der qualifizierten Einrichtungen.1605 In Deutschland wurde die Richtlinie 2009/22/EG in § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und im UKlaG umgesetzt.1606
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1601 EuGH 26.4.2012 – C-472/10 – Tz. 37 – Invitel; instruktiv sind auch die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 6.12.2011 – C-472/10 – Tz. 47 ff. – Invitel, die diese Rechtsfolge anschaulich aus dem Unionsrecht herleitet. 1602 EuGH 26.4.2012 – C-472/10 – Tz. 38 – Invitel. 1603 EuGH 26.4.2012 – C-472/10 – Tz. 43 – Invitel: „Daher haben die nationalen Gerichte, wenn im Rahmen einer Unterlassungsklage wie der im Ausgangsverfahren fraglichen die Missbräuchlichkeit einer Klausel in den AGB von Verbraucherverträgen angenommen worden ist, auch in der Zukunft von Amts wegen alle im nationalen Recht vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, damit diese Klausel für die Verbraucher unverbindlich ist, die einen Vertrag geschlossen haben, auf den die gleichen AGB anwendbar sind“ (Hervorhebung nicht im Original). Siehe auch Reich/Micklitz EWS 2012, 257, 261: „§ 11 UKlaG ist damit Makulatur“. 1604 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 6.12.2011 – C-472/10 – Tz. 59 f. – Invitel; wohl weitergehend Reich/Micklitz EWS 2012, 257, 261. Der EuGH lässt die Frage offen der Rechtskrafterstreckung auf am Unterlassungsklageverfahren unbeteiligte Gewerbetreibende offen. 1605 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 6.12.2011 – C-472/10 – Tz. 74 f. – Invitel; für einen aus dem Effektivitätsgrundsatz abzuleitenden „Folgenbeseitigungsanspruch“ Reich/Micklitz EWS 2012, 257, 263. 1606 Köhler/Bornkamm Einl UWG Rn. 3.66.
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c) Verordnung 2006/2004 über die Zusammenarbeit der Verbraucherschutz- 414 behörden. Während die Richtlinie 2009/22/EG dem Gedanken eines zivilgerichtlichen (grenzüberschreitenden, vgl. Art. 4 RL 2009/22/EG) kollektiven Verbraucherschutzes verpflichtet ist, regelt die Verordnung 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz die Kooperation von Verwaltungsbehörden bei der Feststellung, Ermittlung und Bekämpfung von innergemeinschaftlichen Verstößen gegen die in Art. 3 lit. a i.V.m. dem Anhang aufgelisteten Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen (u.a. die RL 2005/29/EG und die RL 2006/114/EG). Zu diesem Zweck haben die Mitgliedstaaten die zur Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts zuständigen Behörden und eine zentrale Verbindungsstelle (Art. 4 VO 2006/2004) zu benennen, die nach den in den Kapiteln II und III vorgesehenen Regeln über die Amtshilfe innergemeinschaftliche Verstöße bekämpfen sollen. Als innergemeinschaftlicher Verstoß ist jede Handlung oder Unterlassung anzu- 415 sehen, die gegen die in Art. 3 lit. a VO 2006/2004 genannten Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen verstößt und die Kollektivinteressen von Verbrauchern schädigt oder schädigen kann, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Handlungsort ansässig sind, oder in dem der verantwortliche Verkäufer oder Dienstleistungserbringer niedergelassen ist, oder in dem Beweismittel oder Vermögensgegenständen betreffend den Verstoß vorhanden sind (Art. 3 lit. b VO 2006/2004). Die Amtshilfe erfolgt durch Informationsaustausch zwischen den Behörden und Kooperation bei der Sachverhaltsermittlung (Art. 6, 7) sowie durch Tätigwerden infolge eines Durchsetzungsersuchens einer ausländischen Behörde (Art. 8 VO 2006/2004), um unverzüglich eine Einstellung oder ein Verbot des innergemeinschaftlichen Verstoßes zu erwirken (Art. 8 Abs. 1 VO 2006/2004). Dies kann auch dadurch erfolgen, dass die Behörde eine andere Stelle ersucht, auf gerichtlichem Weg eine Einstellung oder ein Verbot der betreffenden Praxis zu erwirken (Art. 8 Abs. 3 VO 2006/2004). In Deutschland wurde die Verordnung durch das EG-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz (VSchDG) ausgefüllt.1607 d) Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr. Auf der 416 Ebene der Rechtsdurchsetzung ist die E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG vor allem wegen ihrer Haftungsbeschränkungen für die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern bedeutsam (Art. 12–15 RL 2000/31/EG).1608 Daneben findet sich eine Garantie wirksamen Unterlassungs- und Beseitigungsrechtsschutzes in Art. 18 RL 2000/31/EG. Die Art. 12–15 RL 2000/31/EG harmonisieren nicht die Voraussetzungen über die 417 Verantwortlichkeit der Vermittler, die sich nach dem durch Art. 6 Abs. 1, 15 lit. a Rom IIVO berufenen Recht richten, sondern beschränken lediglich deren Haftung.1609 Sie privilegieren z.B. die Anbieter sozialer Netzwerke (Art. 14 RL 2000/31/EG)1610 oder Referenzierungsdienste wie Google Adwords, sofern die Rolle des Anbieters insofern neutral ist, als sein Verhalten rein technischer, automatischer und passiver Art ist und er weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt (Erwägungsgrund 42 RL 2000/31/EG).1611 Auch Online-Marktplätze wie ebay werden er-
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1607 Siehe § 1 Abs. 1 VSchDG. 1608 Dazu EuGH (Große Kammer) 23.3.2010 – C-236/08 bis C-238/08 – Slg. 2010, I-2417 Tz. 106 ff. – Google France und Google; EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 106 ff. – L’Oréal; ausführlich Hoeren/Neubauer WRP 2012, 508; Wiebe WRP 2012, 1182, 1335. 1609 EuGH (Große Kammer) 23.3.2010 – C-236/08 bis C-238/08 – Slg. 2010, I-2417 Tz. 107 – Google France und Google. 1610 EuGH 16.2.2012 – C-360/10 – EuZW 2012, 261 Tz. 29 – SABAM. 1611 EuGH (Große Kammer) 23.3.2010 – C-236/08 bis C-238/08 – Slg. 2010, I-2417 Tz. 114, 120 – Google France und Google.
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fasst, solange sie nur die Verkaufsangebote auf ihrem Server speichern, die Modalitäten für den Dienst festlegen, für diesen eine Vergütung erhalten und den Kunden Auskünfte allgemeiner Art erteilen. Sobald der Betreiber hingegen Hilfestellung dabei leistet, die Präsentation der Verkaufsangebote zu optimieren oder diese Angebote zu bewerben, nimmt er nicht mehr eine neutrale Stellung zwischen Käufer und Verkäufer, sondern eine aktive Rolle ein, die ihm eine Kenntnis der die Angebote betreffenden Daten oder eine Kontrolle über sie verschafft, so dass die Haftungsprivilegierungen der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG nicht mehr anwendbar sind.1612 Neben der Beschränkung auf eine rein neutrale Vermittlerrolle setzt die Haftungs418 privilegierung nach Art. 14 RL 2000/31/EG weiter voraus, dass er „‚keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information‘ hatte und, in Bezug auf Schadensersatzansprüche, sich auch ‚keiner Tatsachen oder Umstände bewusst [war], aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird‘“, und dass er, „nachdem er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt hatte, unverzüglich tätig wurde, um die fraglichen Daten zu löschen oder den Zugang zu ihnen zu sperren“.1613 Demgegenüber ist die Haftungsprivilegierung zu versagen, wenn sich der Vermittler „etwaiger Tatsachen oder Umstände bewusst war, auf deren Grundlage ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer die in Rede stehende Rechtswidrigkeit hätte feststellen“ müssen.1614 Erfasst werden damit alle Fälle, in denen sich der Anbieter „in der einen oder anderen Weise solcher Tatsachen oder Umstände bewusst war“, sei es aufgrund einer aus eigenem Antrieb vorgenommenen Prüfung, sei es aufgrund der – hinreichend genauen und substantiierten – Anzeige eines Dritten, die in der Regel zumindest einen Anhaltspunkt darstellt, den das nationale Gericht bei der Feststellung des „Bewusstseins“ entsprechender Tatsachen oder Umstände zu berücksichtigen hat.1615 Während die Art. 12–15 RL 2000/31/EG die Haftung der Vermittler begrenzen, ge419 währleistet Art. 18 RL 2000/31/EG ein Mindestniveau des Unterlassungs- und Beseitigungsrechtsschutzes. Danach müssen Maßnahmen getroffen werden können, „um eine mutmaßliche Rechtsverletzung abzustellen und zu verhindern, dass den Betroffenen weiterer Schaden entsteht“. Geboten sind damit, wie der EuGH im Kontext des Immaterialgüterrechts klargestellt hat, nicht nur Maßnahmen, die zur Beendigung der bereits hervorgerufenen Verletzungen führen, sondern zudem auch Maßnahmen, die wirksam vor erneuten Verletzungen vorbeugen.1616 Zulässig sind deshalb Anordnungen, die den Vermittlern aufgeben, erneute Verletzungen der gleichen Art durch denselben Anbieter auszuschließen oder Maßnahmen zu ergreifen, um eine Identifizierung gewerblicher Anbieter auf Online-Marktplätzen und damit die Rechtsdurchsetzung gegen solche Personen zu ermöglichen.1617 Die Grenzen des vorbeugenden Rechtsschutzes werden in erster Linie durch den 420 Ausschluss allgemeiner Überwachungspflichten in Art. 15 Abs. 1 RL 2000/31/EG definiert. Es darf also nicht angeordnet werden, dass aktiv alle Angaben jedes Kunden überwacht werden müssen, um künftigen Rechtsverletzungen über die Seiten eines Vermitt-
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1612 EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 115 f. – L’Oréal. 1613 EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 119 – L’Oréal. 1614 EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 120 – L’Oréal. 1615 EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 121 f. – L’Oréal. 1616 Vgl. EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 131 ff. – L’Oréal; EuGH 16.2.2012 – C-360/10 – EuZW 2012, 261 Tz. 29 – SABAM. 1617 EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 141 f. – L’Oréal.
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lers vorzubeugen.1618 Erst recht darf ein Vermittler nicht verpflichtet werden, sämtliche elektronische Kommunikation zeitlich unbegrenzt und präventiv auf eigene Kosten zu überwachen und/oder zu filtern, weil dadurch nicht nur das Grundrecht des Vermittlers auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 EuGRCh), sondern auch die Grundrechte der betroffenen Nutzer (Art. 8, 11 EuGRCh) unverhältnismäßig beeinträchtigt würden.1619 Schließlich dürfen die gerichtlichen Abhilfemaßnahmen auch keine Schranken für den rechtmäßigen Handel errichten oder gegen sonstiges Sekundärrecht verstoßen.1620 e) Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigen- 421 tums. Schließlich ist im Kontext der Rechtsdurchsetzung auch auf die Richtlinie 2004/ 48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums hinzuweisen.1621 Zwar findet diese Richtlinie nur auf Rechte des geistigen Eigentums Anwendung (Art. 2 Abs. 1 RL 2004/48/EG), während ihre Ausdehnung auf Handlungen des unlauteren Wettbewerbs einschließlich der Produktpiraterie oder vergleichbare Tätigkeiten in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt ist (Erwägungsgrund 13 Satz 2 RL 2004/48/EG). Allerdings scheint die Kommission eine Ausdehnung der Richtlinie 2004/48/EG auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und den lauterkeitsrechtlichen Schutz vor Produktnachahmungen zumindest zu erwägen.1622 f) Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz. Auch außerhalb des harmonisierenden 422 Sekundärrechts sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV gehalten, gemeinsam mit dem Gerichtshof „die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus diesem Recht erwachsen“.1623 Den nationalen Gerichten kommt dabei die Aufgabe zu, die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts im Allgemeinen und die effektive und gegenüber vergleichbaren Regeln des nationalen Rechts gleichwertige (äquivalente) Durchsetzung des Unionsrechts im Besonderen sicherzustellen.1624 Infolge dieses Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatzes dürfen die nationalen Regeln 423 für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die Regeln für vergleich-
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1618 EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 139 – L’Oréal; EuGH 24.11.2011 – C-70/10 – GRUR Int. 2012, 153 Tz. 40 – Scarlet Extended; EuGH 16.2.2012 – C-360/10 – EuZW 2012, 261 Tz. 33, 38 – SABAM. 1619 EuGH 24.11.2011 – C-70/10 – GRUR Int. 2012, 153 Tz. 48, 50 – Scarlet Extended; EuGH 16.2.2012 – C-360/10 – EuZW 2012, 261 Tz. 46 – SABAM. 1620 EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 139 f. – L’Oréal. 1621 Für einen Überblick über die Richtlinie und ihre Umsetzung Heinze ZEuP 2009, 282. 1622 KOM (2010) 779, S. 6; siehe auch KOM (2011) 287 Ziffer 3.4.1, S. 19 f. Zum möglichen Modellcharakter der Richtlinie 2004/48/EG für das lauterkeitsrechtliche Eilverfahren Groß Die internationale Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes (2009), S. 247 ff. 1623 EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 68 – Einheitliches Patentgerichtssystem; siehe auch EuGH (Große Kammer) 19.1.2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365 Tz. 45 – Kücükdeveci. 1624 EuGH 21.9.1988 – 68/88 – Slg. 1989, 2965 Tz. 24 – Kommission/Griechenland: Sanktion muss gegenüber Verstößen gegen nationales Recht gleichwertig und „jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein“; ausdrücklich Art. 11 Abs. 1 Satz 1, 13 RL 2005/29/EG; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 RL 2006/ 114/EG; EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 136 – L’Oréal EuGH 17.1.2013 – C-206/11 – GRUR 2013, 297 Tz. 44 – Georg Köck. Zu den einzelnen Elementen dieses Grundsatzes Heinze Effektivitätsgrundsatz in Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.) Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts (2009), S. 337, 338.
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bare innerstaatliche Klagen,1625 und die nationalen Regeln dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.1626 Daraus ergeben sich zunächst Konsequenzen für die Ausgestaltung des nationalen Verfahrensrechts zur Durchsetzung der Rechte aus europäischen Richtlinien,1627 etwa für die nationalen Regeln zur Klagebefugnis,1628 zum Beweismittelzugang 1629 und zum Beweisverfahren,1630 zu Unterlassungsanordnungen,1631 zu Prozesskosten 1632 und zur Prozesskostenhilfe, 1633 zu obligatorischen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren,1634 zur Garantie des einstweiligen Rechtsschutzes1635 oder zur Parteiherrschaft über Tatsachenstoff1636 und Rechtsfragen.1637 Effektivität und Äquiva-
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1625 Der Äquivalenzgrundsatz verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, die jeweils günstigste innerstaatliche Regelung auf alle Klagen zu erstrecken, die im Bereich des Wettbewerbsrechts erhoben werden, sondern verlangt einen Vergleich zwischen den Klagen, die auf die Verletzung des Unionsrechts gestützt sind, und solchen, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt sind und einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben, EuGH 8.7.2010 – C-246/09 – Slg. 2010, I-6999 Tz. 26 f. – Bulicke; zusammenfassend zur Äquivalenz die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 14.2.2012 – C-618/10 – Tz. 62 f. – Calderón Camino. 1626 EuGH (Große Kammer) 15.4.2008 – C-268/06 – Slg. 2008, I-2483 Tz. 46 – Impact; grundlegend EuGH 16.12.1976 – 33/76 – Slg. 1976, 1989 Tz. 5 – Rewe. 1627 Zu Einzelheiten Heinze EuR 2008, 654, 661 ff. 1628 EuGH 17.9.2002 – C-253/00 – Slg. 2002, I-7289 Tz. 29 ff. – Muñoz. 1629 Vgl. EuGH 7.9.2006 – C-526/04 – Slg. 2006, I-7529 Tz. 55 – Laboratoires Boiron; zur Übertragung auf andere Rechtsgebiete EuGH 28.1.2010 – C-264/08 – Slg. 2010, I-731 Tz. 33 ff. – Direct Parcel Distribution. 1630 Zur Abneigung des Unionsrechts gegenüber Beweismittelbeschränkungen EuGH 9.2.1999 – C-343/ 96 – Slg. 1999, I-579 Tz. 48 – Dilexport; zur Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise EuGH 10.4.2003 – C-276/01 – Slg. 2003, I-3735 Tz. 78 f. – Steffensen. 1631 Vgl. zu den Regeln der Richtlinie 2004/48/EG EuGH (Große Kammer) 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 131 – L’Oréal; EuGH 24.11.2011 – C-70/10 – GRUR Int. 2012, 153 Tz. 31 – Scarlet Extended („nicht nur […] bereits begangene Verletzungen […] beenden, sondern auch neuen Verletzungen vorbeugen“); zu Unterlassungsanordnungen nach der MarkenVO EuGH 14.12.2006 – C-316/05 – Slg. 2006, I-12083 Tz. 49, 51, 57 ff. – Nokia; EuGH (Große Kammer) 12.4.2011– C-235/09 – GRUR 2011, 518 Tz. 53 ff., 58 – DHL. 1632 Kostenregeln sind i.d.R. mit dem Effektivitätsgebot vereinbar, EuGH 6.12.2001 – C-472/99 – Slg. 2001, I-9687 Tz. 27, 29 – Clean Car; siehe aber auch EuGH 4.12.2003– C-63/01 – Slg. 2003, I-14447 Tz. 75 ff. – Evans. 1633 EuGH 22.12.2010 – C-279/09 – EuZW 2011, 137 Tz. 28 ff. – DEB. 1634 EuGH 18.3.2010 – C-317/08 bis C-320/08 – Slg. 2010, I-2213 Tz. 62 ff. – Alassini. 1635 EuGH (Große Kammer) 13.3.2007 – C-432/05 – Slg. 2007, I-2271 Tz. 72 f., 80 ff. – Unibet. 1636 Grundsätzlich respektiert der EuGH die Parteiherrschaft über den Tatsachenstoff im Zivilprozess und verlangt keine Amtsermittlung zur wirksamen Durchsetzung des Unionsrechts, EuGH 14.12.1995 – C-430/93 und C-431/93 – Slg. 1995, I-4705 Tz. 20 ff. – van Schijndel. Die durch EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-137/08 – EuZW 2011, 27 Tz. 51 – Ferenc Schneider befürwortete Amtsermittlung im Rahmen der Klauselrichtlinie 93/13/EWG (dazu jüngst zusammenfassend die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 14.2.2012 – C-618/10 – Tz. 30 f. und Tz. 34 ff. – Calderón Camino; zur Effektivitätskontrolle Tz. 67 ff.) dürfte sich trotz ihrer verbraucherrechtlichen Wurzeln nicht auf die Richtlinie 2005/29/EG übertragen lassen, weil die Richtlinie 2005/29/EG bisher keine individuellen Klagerechte für Verbraucher vorsieht (siehe Art. 11 und Erwägungsgrund 21 RL 2005/29/EG). 1637 Auch bei Rechtsfragen respektiert der EuGH die nationalen Verfahrensvorschriften, EuGH 14.12.1995 – C-430/93 und C-431/93 – Slg. 1995, I-4705 Tz. 20 ff. – van Schijndel. Eine ex officio-Anwendung des Unionsrechts (die nach deutschem Verfahrensrecht in der Regel ohnehin stattfindet) ist aber geboten, wenn entweder das nationale Verfahrensrecht dies für vergleichbare Regeln des innerstaatlichen Rechts vorsieht oder wenn dem Kläger die Möglichkeit genommen wird, die Unvereinbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht in geeigneter Weise geltend zu machen (EuGH 7.6.2007 – C-222/05 bis C-225/05 – Slg. 2007, I-4233 Tz. 29 ff., 40 f. – van der Weerd) oder wenn der Schutzzweck und die Wirksamkeit der konkreten Unionsvorschrift ihre Anwendung von Amts wegen gebieten, zur KlauselRL 93/13/EWG EuGH (Große Kammer) 9.11.2010 – C-137/08 – EuZW 2011, 27 Tz. 56 – Ferenc Schneider; zum Kartellrecht EuGH 1.6.1999 – C-126/97 – Slg. 1999, I-3055 Tz. 36 ff., 40 – Eco Swiss. Infolge der fehlenden
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lenz betreffen aber auch die materiellrechtliche Seite der Rechtsdurchsetzung wie Schadensersatzansprüche1638 und Ausschlussfristen1639 (einschließlich Verjährungsregeln). Ob eine Regelung dem Effektivitäts- und Äquivalenzgebot genügt, ist stets im Einzelfall aufgrund einer Würdigung der nationalen Vorschrift anhand ihrer Stellung im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten der jeweiligen Vorschrift zu beurteilen,1640 wobei die Anforderungen an die Effektivität umso höher sind, je bedeutsamer das konkrete Sachgebiet für die Unionsrechtsordnung insgesamt ist. 11. Sektorspezifische Regelungen. Abgesehen von den in diesem Abschnitt vorge- 424 stellten Richtlinien hat der europäische Gesetzgeber eine kaum mehr überschaubare Vielzahl weiterer sektorspezifischer Regelungen erlassen, deren Darstellung jenseits des Zuschnitts dieses Kommentars liegt: – Arzneimittel: Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel;1641 – Finanzdienstleistungen: Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher;1642 Richtlinie 2007/64/EG über Zahlungsdienste;1643 Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge;1644 – Kosmetik: Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel;1645 Verordnung (EU) Nr. 655/2013 zur Begründung von Werbeaussagen für kosmetische Mittel;1646
_____ Amtsprüfung missbräuchlicher Klauseln hat EuGH 14.6.2012 – C-618/10 – Tz. 53 ff. – Calderón Camino die Regeln des spanischen Mahnverfahrens als unvereinbar mit der Effektivität der KlauselRL 93/13/EWG angesehen. 1638 EuGH 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04 – Slg. 2006, I-6619 Tz. 95 – Manfredi; siehe auch EuGH 2.8.1993 –C-271/91 – Slg. 1993, I-4367 Tz. 31 – Marshall; zum Rechtsirrtum als Entlastungsgrund EuGH 30.9.2010 – C-314/09 – EuZW 2010, 956 Tz. 45 – Strabag. 1639 EuGH 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04 – Slg. 2006, I-6619 Tz. 78 – Manfredi; siehe auch EuGH 16.7.2009 –C-69/08 – Slg. 2009, I-6741 Tz. 43 ff. – Visciano; zu den Fristen und zum Fristlauf EuGH 6.10.2009 – C-40/08 – Slg. 2009, I-09579 Tz. 43 ff – Asturcom Telecomunicaciones; als Kontrapunkt EuGH 29.10.2009 – C-63/08 – Slg. 2009, I-10467 Tz. 48, 55 ff. – Pontin. 1640 EuGH 14.12.1995 – C-312/93 – Slg. 1995, I-4599 Tz. 14 – Peterbroeck; EuGH 30.9.2010 – C-314/09 – EuZW 2010, 956 Tz. 34 – Strabag. 1641 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67 (insbesondere Art. 86 ff.); siehe auch den geänderten Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel, KOM (2012) 48; zur Vollharmonisierung EuGH 8.9.2007 – C-374/05 – Slg. 2007, I-9517 Tz. 20 ff. – Gintec. Zur Arzneimittelwerbung im Unionsrecht auch Mand JZ 2010, 337. 1642 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16. 1643 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. L 319 vom 5.12.2007, S. 1, dort insbesondere Art. 37–39, 42 (vorvertragliche Informationen), Art. 36, 41 (Art und Weise der vorvertraglichen Unterrichtung). 1644 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. L 133 vom 22.5.2008, S. 66. 1645 Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel, ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59 (insbesondere Art. 19 ff.); zur Vollharmonisierung Art. 9 VO 1223/2009. 1646 Verordnung (EU) Nr. 655/2013 der Kommission vom 10. Juli 2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln, ABl. L 190 vom 11.7.2013, S. 31.
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Lebensmittel: 1647 Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel1648 (ab 2014); Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel;1649 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts;1650 Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten;1651 Verordnung (EG) Nr. 510/2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel;1652 Verordnung (EG) Nr. 509/2006 über die garantiert traditionellen Spezialitäten bei Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln;1653 Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen; 1654 Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe;1655 Richtlinie 2009/39/EG über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind1656 und die im Rahmen dieser Richtlinie erlassenen besonderen Bestimmungen.1657
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1647 Eingehend Hagenmeyer/Teufer C. IV. Lebensmittelrecht in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, 20. Ergänzungslieferung (2006); Schroeder/Kraus Lebensmittelrecht (2010), S. 42 ff.; Streinz Lebensmittelrechts-Handbuch, 32. Aufl. (2011). 1648 Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 18 (insbesondere Art. 3 ff.). Bis zum 13. Dezember 2014 gilt noch die Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, ABl. L 109 vom 6.5.2000, S. 29. 1649 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 9 (insbesondere Art. 3 ff.). 1650 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1 (insbesondere Art. 8, 16). 1651 Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten, ABl. L 43 vom 14.2.1997, S. 1 (insbesondere Art. 8, 9). 1652 Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 93 vom 31.3.2006, S. 12 (insbesondere Art. 13). 1653 Verordnung (EG) Nr. 509/2006 des Rates vom 20. März 2006 über die garantiert traditionellen Spezialitäten bei Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln, ABl. L 93 vom 31.3.2006, S. 1 (insbesondere Art. 12). 1654 Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91, ABl. L 189 vom 20.7.2007, S. 1 (insbesondere Art. 23 ff.). 1655 Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe, ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 16 (insbesondere Art. 21 ff.). 1656 Richtlinie 2009/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind (Neufassung), ABl. L 124 vom 20.5.2009, S. 21 (insbesondere Art. 4 lit. f.). 1657 Für einen Überblick und Reformvorschläge KOM (2011) 353 S. 3 ff. S. 16 (Erwägungsgrund 5); ferner die dort auf S. 18 (Erwägungsgrund 11) genannten Rechtsakte; zur Reform auch Kunz-Hallstein/Loschelder GRUR 2012, 366.
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Maschinen: Richtlinie 2006/42/EG über Maschinen;1658 Medizinprodukte: Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte;1659 Spielzeug: Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug;1660 Spirituosen: Verordnung (EG) Nr. 110/2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen;1661 Tabak: Richtlinie 2003/33/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen;1662 Richtlinie 2001/37/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen;1663 Entscheidung 2003/641/EG der Kommission über die Verwendung von Farbfotografien oder anderen Abbildungen als gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Verpackungen von Tabakerzeugnissen;1664 Technische Sicherheitsvorschriften/Produktsicherheit/Sicherheitshinweise:1665 Richtlinie 2001/95/EG über die allgemeine Produktsicherheit;1666 Richtlinie 1999/ 45/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen;1667
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1658 Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (Neufassung), ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 24 (insbesondere Art. 16). 1659 Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte, ABl. L 169 vom 12.7.1993, S. 1 (insbesondere Art. 17). Zur anstehenden Reform siehe den Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Europäischen Parlament über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 (2012/0266(COD)), PE 507.972v04-00, A7-0324/2013. 1660 Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit von Spielzeug, ABl. L 170 vom 30.6.2009, S. 1 (insbesondere Art. 11, 16, 17). 1661 Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89, ABl. L 39 vom 13.2.2008, S. 16 (insbesondere Art. 7 ff.). 1662 Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen, ABl. L 152 vom 20.6.2003, S. 16 (insbesondere Art. 3 ff.). 1663 Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen, ABl. L 194 vom 18.7.2001, S. 26 (insbesondere Art. 5 ff.). Zur anstehenden Revision der Richtlinie 2001/37/EG siehe den Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Europäischen Parlament über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen (COM(2012)0788 – C7-0420/2012 – 2012/0366(COD)), PE 508.085v04-00, A7-0276/2013. 1664 2003/641/EG: Entscheidung der Kommission vom 5. September 2003 über die Verwendung von Farbfotografien oder anderen Abbildungen als gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Verpackungen von Tabakerzeugnissen, ABl. L 226 vom 10.9.2003, S. 24. 1665 Eingehend Langner/Klindt C. VI. Technische Sicherheitsvorschriften und Normen in: Dauses, EUWirtschaftsrecht, 27. Ergänzungslieferung (2010). 1666 Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit, ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4 (Art. 5). 1667 Richtlinie 1999/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen, ABl. L 200 vom 30.7.1999, S. 1 (Art. 10 ff.).
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Einleitung Teil D.
Umweltwerbung: Verordnung (EG) Nr. 1980/2000 zur Revision des gemeinschaftlichen Systems zur Vergabe eines Umweltzeichens;1668 Richtlinie 1999/94/EG über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen;1669 Wein: Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse;1670 Verordnung (EG) Nr. 607/2009 hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, der traditionellen Begriffe sowie der Kennzeichnung und Aufmachung bestimmter Weinbauerzeugnisse.1671 Heinze/Klass
D. Internationales Wettbewerbsrecht Einleitung Teil D. Einl Internationales Wettbewerbsrecht Einl Klass Schrifttumsverzeichnis Ahrens Das Herkunftslandprinzip in der E-Commerce-Richtlinie, CR 2000, 835; ders. Auf dem Weg zur IPR-VO der EG für das Deliktsrecht – Zum Sondertatbestand des Internationalen Wettbewerbsrechts, FS Tilmann (2003) 739; ders. Der Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf das nationale IPR – Zur Rechtsnormenkonkurrenz am Beispiel des internationalen Wettbewerbsrechts, FS Georgiades (2005) 789; Albath/ Giesler Das Herkunftslandprinzip in der Dienstleistungsrichtlinie – eine Kodifizierung der Rechtsprechung? EuZW 2006, 38; Alexander Die Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinie 2005/29/EG bis zum Jahr 2012, WRP 2013, 17; Apel/Grapperhaus Das Offline-Online-Chaos oder wie die Europäische Kommission den grenzüberschreitenden Wettbewerb zu harmonisieren droht, WRP 1999, 1247; Arndt/Köhler Elektronischer Handel nach der E-Commerce-Richtlinie, EWS 2001, 102; De Baere Is this a Conflict Rule which I see Before Me? 11 MJ 3 (2004) 287; Baetzgen Internationales Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht im EG-Binnenmarkt (2007); Bär Kartellrecht und internationales Privatrecht (1965); ders. Internationales Kartellrecht und unlauterer Wettbewerb, FS Moser (1987) 143; v. Bar Internationales Privatrecht, Bd. II, Besonderer Teil (1991); ders. Wettbewerbsrechtlicher Verbraucherschutz und internationales Lauterkeitsrecht, in: Reichert-Facilides/Schnyder/Heiss (Hrsg.) Internationales Verbraucherschutzrecht, Erfahrungen und Entwicklungen in Deutschland, Lichtenstein, Österreich und der Schweiz (1995) 75; v. Bar/Mankowski Internationales Privatrecht, Bd. I, Allgemeine Lehren, 2. Aufl. (2003); Basedow Materielle Rechtsangleichung und Kollisionsrecht, in: Schnyder/Heiss/Rudisch (Hrsg.) Internationales Verbraucherschutzrecht (1995) 11; ders. Der kollisionsrechtliche Gehalt der Produktfreiheiten im europäischen Binnenmarkt: favor offerentis, RabelsZ 59 (1995) 1; ders. Entwicklungslinien des internationalen Kartellrechts, NJW 1996, 1921; ders. Dienstleistungsrichtlinie, Herkunftslandprinzip und Internationales Privatrecht, EuZW 2004, 423; Baudenbacher Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung grenzüberschreitender Werbe- und Absatztätigkeit
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1668 Verordnung (EG) Nr. 1980/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Revision des gemeinschaftlichen Systems zur Vergabe eines Umweltzeichens, ABl. L 237 vom 21.9.2000, S. 1 (Art. 9 Abs. 2). 1669 Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen, ABl. L 12 vom 18.1.2000, S. 16. 1670 Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO), ABl. L 299 vom 16.11.2007, S. 1 in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 491/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO), ABl. L 154 vom 17.6.2009, S. 1 geänderten Fassung (Art. 118m). 1671 Verordnung (EG) Nr. 607/2009 der Kommission vom 14. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, der traditionellen Begriffe sowie der Kennzeichnung und Aufmachung bestimmter Weinbauerzeugnisse, ABl. L 193 vom 24.7.2009, S. 60 (Art. 40).
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nach schweizerischem Recht, GRUR Int. 1988, 310; J. Baur Zum Namensschutz im deutschen internationalen Privatrecht unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes der Handelsnamen, AcP 167 (1967) 535; Beater Europäisches Recht gegen unlauteren Wettbewerb – Ansatzpunkte, Grundlagen, Entwicklung, Erforderlichkeit, ZEuP 2003, 11; ders. Unlauterer Wettbewerb (2002); ders. Unlauterer Wettbewerb Nachauflage (2011); Beckmann Werbung mit Auslandsberührungen, WRP 1993, 651; Behrens Elemente eines Begriffs des Internationalen Wirtschaftsrechts, RabelsZ 50 (1986) 483; Beier/Kunz-Hallstein Zu den Voraussetzungen des Schutzes ausländischer Handelsnamen nach Art. 2 und Art. 8 Pariser Verbandsübereinkunft, GRUR Int. 1982, 362; Beier/Schricker/Ulmer Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht zum Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des internationalen Privatrechts, GRUR Int. 1985, 104; Beitzke Auslandswettbewerb unter Inländern – BGHZ 40, 391, JuS 1966, 139; Bernhard Cassis de Dijon und Kollisionsrecht – am Beispiel des unlauteren Wettbewerbs, EuZW 1992, 437; ders. Insel-Recht auf Gran Canaria, Zum internationalen Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs, GRUR Int. 1992, 366; ders. Das internationale Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der EG (1994); Binder Zur Auflockerung der Deliktsstatuts, RabelZ 20 (1995) 401; Bernreuther Die Rechtsdurchsetzung des Herkunftslandrechts nach Art. 3 II EC-RiL und das Grundgesetz, WRP 2001, 384; ders. Der Ort der Rechtsdurchsetzung des Herkunftslandrechtes nach Art. 3 II EC-RiL und das Grundgesetz, WRP 2001, 513; Blasi Das Herkunftslandprinzip der Fernseh- und der E-Commerce-Richtlinie (2004); Bodenhausen Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (1971); Bodewig Elektronischer Geschäftsverkehr und unlauterer Wettbewerb, GRUR Int. 2000, 475; Bornkamm Gerichtsstand und anwendbares Recht bei Kennzeichen- und Wettbewerbsverstößen im Internet, in: Neues Recht für Medien (1998) 99; Bornkamm/Seichter Das Internet im Spiegel des UWG, CR 2005, 747; Böttcher Kartell- und Lauterkeitsrecht in den Ländern der Andengemeinschaft (2003); Brannekämpfer Wettbewerbsstreitigkeiten mit Auslandsbeziehung im Verfahren der einstweiligen Verfügung, WRP 1994, 661; Brenn Der elektronische Geschäftsverkehr, ÖJZ 1999, 481; Briem Internationales und Europäisches Wettbewerbsrecht und Kennzeichenrecht (1995); Brière Réflexions sur les interactions entre la proposition de règlement Rome II et les conventions internationales, J.D.I. 2005, 677; Brödermann Das Europäische Gemeinschaftsrecht als Quelle und Schranke des Internationalen Privatrecht, in: Brödermann/Iversen Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht (1994) 3; Bröhl EGG – Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen des elektronischen Geschäftsverkehrs, MMR 2001, 67; Brömmelmeyer Der Binnenmarkt als Leitstern der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2007, 295; Buchner Rom II und das internationale Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 2005, 1004; Busche/Stoll TRIPS – Internationales und Europäisches Recht des geistigen Eigentums (2007); Büscher Geographische Herkunftsangaben als Gegenstand des gewerblichen Eigentums oder als Steuerungsinstrument von Wirtschaft und Politik? GRUR Int. 2008, 977; Burmann Werbung und Wettbewerb deutscher Unternehmen im Ausland, DB 1964, 1801; Chrocziel Die eingeschränkte Geltung des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb für EG-Ausländer, EWS 1991, 173; Deinert Das Herkunftslandprinzip und seine Bedeutung für das Internationale Deliktsrecht, EWS 2006, 445; Dethloff Marketing im Internet und Internationales Wettbewerbsrecht, NJW 1998, 1596; dies. Europäisches Kollisionsrecht des unlauteren Wettbewerbs, JZ 2000, 179; dies. Europäisierung des Wettbewerbsrechts (2001); Deutsch Wettbewerbstatbestände mit Auslandsbeziehung (1962); Dieselhorst Anwendbares Recht bei internationalen OnlineDiensten, ZUM 1998, 293; Drasch Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht (1997); Drexl Europarecht und Urheberkollisionsrecht, FS Dietz (2001) 461; ders. Internationales Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 11: Internationales Privatrecht, Internationales Wirtschaftsrecht, 5. Aufl. (2010); Drobnig Das Profil des Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ (1988) 1; ders. IP in Bilateral Trade Agreements, in: Ghidini/ Genovesi (Hrsg.) Intellectual Property and Market Power (2008) 525; Duintjer/Tebbens Les conflits de lois en matière de publicité déloyale à l’épreuve du droit communautaire, Rev.crit.dr.int.pr. 83 (1994) 451; Dutoit Une convention multilatérale de droit international privé en matière de concurrence déloyale: mythe ou nécessité? FS Droz (1996) 51; Dyer Unfair Competition in Private International Law, Rec. des Cours 211 (1988-IV) 377; Ehrich Der internationale Anwendungsbereich des deutschen und französischen Rechts gegen irreführende Werbung (2005); Einsele Rechtswahlfreiheit im Internationalen Privatrecht, RabelsZ 60 (1996) 417; Engel/Salomon Vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz: UWG-Reform 2003, WRP 2004, 32; Faulenbach Der gemeinschaftsrechtliche Vorbehalt im europäischen Wettbewerbsrecht – Die Herkunftslandanknüpfung der E-Commerce-Richtlinie unter dem Einfluss der Grundfreiheiten (2004); Ferrari Die Anknüpfung an die Marktauswirkung im schweizerischen IPRG und ihre Konkretisierung, Diss. Basel
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Klass
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Einleitung Teil D.
1994; Fetsch Grenzüberschreitende Gewinnzusage im europäischen Binnenmarkt, RIW 2002, 936; Fezer Vertriebsbindungssysteme als Unternehmensleistung, GRUR 1990, 551; ders. Der wettbewerbsrechtliche Schutz der unternehmerischen Leistung, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, FS GRUR, Bd. II (1991) 939; ders. Leistungsschutz im Wettbewerbsrecht, WRP 1993, 63; ders. Europäisierung des Wettbewerbsrechts, JZ 1994, 317; ders. Das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot als ein normatives Modell des verständigen Verbrauchers im Europäischen Unionsrecht, WRP 1995, 671; ders. Modernisierung des deutschen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb auf der Grundlage der Europäisierung des Wettbewerbsrechts, WRP 2001, 989; ders. Plädoyer für eine offensive Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in das UWG – Originärer Verbraucherschutz durch Lauterkeitsrecht als Paradigma der europäischen Rechtsharmonisierung, WRP 2006, 781; Fezer/Koos Das gemeinschaftsrechtliche Herkunftslandprinzip und die E-Commerce-Richtlinie, IPRax 2000, 349; dies. Internationales Wirtschaftsrecht in: Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2010; Fikentscher Wettbewerbsrecht im TRIPS-Agreement der Welthandelsorganisation, GRUR Int. 1995, 529; Flessner Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970) 547; Freytag EU-Kommission: Richtlinienentwurf zum ElectronicCommerce, MMR 12/1998, S. V; Fritze/Holzbach Die Electronic-Commerce-Richtlinie – Ende oder Chance für das Deutsche Wettbewerbsrecht, WRP 2000, 872; Froriep Der unlautere Wettbewerb im internationalen Privatrecht (1958); Fröhlich The Private International Law of Non-Contractual Obligations According to the Rome-II Regulation (2008); Gamerith Neue Herausforderungen für ein europäisches Lauterkeitsrecht, WRP 2003, 143; ders. Der Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken – Möglichkeiten einer harmonischen Umsetzung, WRP 2005, 391; v. Gamm Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts auf auslandsbezogene Sachverhalte, EWS 1991, 166; Garcimartín Alférez The Rome II Regulation: On the way towards a European Private International Law Code, ELF 2007, 77; Garriga Relationships between Rome II and Other International Instruments, YPIL 9 (2007) 137; Gebauer Internationales Privatrecht und Warenverkehrsfreiheit in Europa, IPRax 1995, 152; Gervais The TRIPS Agreement – Drafting History and Analysis, 3rd ed. (2008); Gierschmann Die E-Commerce-Richtlinie, DB 2000, 1315; Glöckner „Cold Calling“ und europäische Richtlinien zum Fernabsatz – ein trojanisches Pferd im deutschen Lauterkeitsrecht, GRUR Int. 2000, 29; ders. Wettbewerbsverstöße im Internet – Grenzen einer kollisionsrechtlichen Problemlösung, ZVglRWiss 99 (2000) 278; ders. Ist die Union reif für die Kontrolle an der Quelle? WRP 2005, 795; ders. Europäisches Lauterkeitsrecht (2006); ders. Der grenzüberschreitende Lauterkeitsprozess nach BGH v. 11.2.2010 – Ausschreibung in Bulgarien, WRP 2011, 137; ders. Über die Schwierigkeit, Proteus zu beschreiben – die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Deutschland, GRUR 2013, 224; Glöckner/HenningBodewig EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken: Was wird aus dem „neuen“ UWG? WRP 2005, 1311; Gloede Der deutsche Außenhandel und seine wettbewerbsrechtliche Beurteilung nach deutschem IPR, GRUR 1960, 464; Grandpierre Herkunftsprinzip kontra Marktortanknüpfung (1999); Grundmann Das Internationale Privatrecht der E-Commerce-Richtlinie – was ist kategorial anders im Kollisionsrecht des Binnenmarktes und warum? RabelsZ 67 (2003) 246; Giuliano/Lagarde Rapport concernant l’avant-projet de convention sur la loi applicable aux obligations contractuelles et non-contractuelles, in: European Private International Law of Obligations (1975) 241; Habermeier Neue Wege zum Wirtschaftskollisionsrecht (1997); Halfmeier Vom Cassislikör zur E-Commerce-Richtlinie: Auf dem Weg zu einem europäischen Medienrecht, ZEuP 2001, 837; Hamburg Group for Private International Law Comments on the European Commission’s Draft Proposal for a Council Regulation on the Law Applicable to Non-Contractual Obligations, RabelsZ 67 (2003) 1; Handig Neues im Internationalen Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 2008, 24; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 3. Aufl. (2013); Hartley Choice of Law for NonContractual Liability: Selected Problems Under the Rome II Regulation, ICLQ 57 (2008) 899; Hausmann Art. 3 bis 4 EGBGB in: Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2003; Hausmann/Obergfell Einleitung I in: Fezer (Hrsg.) Lauterkeitsrecht: UWG, Band 1, 1. Aufl. (2005); Heermann Art. 28 EG in: Heermann/Hirsch (Hrsg.) Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht (UWG), Band 1: Grundlagen des Wettbewerbsrechts, Internationales Wettbewerbs- und Wettbewerbsverfahrensrecht, Europäisches Gemeinschaftsrecht – Grundlagen und sekundäre Maßnahmen, §§ 1–4 UWG 1. Aufl. (2006); v. Hein Rück- und Weiterverweisung im neuen deutschen Internationalen Deliktsrecht, ZVglRWiss 99 (2000) 251; ders. Die Kodifikation des europäischen IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse vor dem Abschluss? Zum gegenwärtigen Stand der Rom-II-Verordnung, VersR 2007, 440; ders. Die Ausweichklausel im europäischen Internationalen Deliktsrecht, FS Kropholler (2008) 553; ders. Europäisches Internationales Deliktsrecht nach der Rom II-Verordnung, ZEuP 2009, 6; Heinemann Das Kartellrecht des geistigen Eigentums im TRIPS-Übereinkommen der Welthandelsorganisation, GRUR Int. 1995, 535; Chr. Heinze
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Bausteine eines Allgemeinen Teils des europäischen Internationalen Privatrechts, FS Kropholler (2008) 105; ders. Der europäische Deliktsgerichtsstand bei Lauterkeitsverstößen, IPRax 2009, 231; Hellner Unfair Competition and Acts Restricting Free Competition – A Commentary on Article 6 of the Rome II Regulation, YPIL 9 (2007) 49; Helmberg Der Einfluss des EG-Rechts auf das IPR, Wbl. 1997, 89; Henning-Bodewig Der internationale Schutz gegen Unlauteren Wettbewerb, in: Schricker/Henning-Bodewig Neuordnung des Wettbewerbsrecht (1999) 21; dies. Das Folgedokument zum Grünbuch über die kommerziellen Kommunikationen im Binnenmarkt: Ein neuer Ansatz der Kommission? GRUR Int. 1999, 233; dies. E-Commerce und irreführende Werbung, WRP 2001, 771; dies. Das Europäische Lauterkeitsrecht: B2C, B2B oder besser doch beides? FS Tilmann (2003) 149; dies. Herkunftslandprinzip im Wettbewerbsrecht: Erste Erfahrungen, GRUR 2004, 822; dies. Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken und UWG-Reform, GRUR Int. 2004, 183; dies. Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR Int. 2005, 629; dies. Nationale Eigenständigkeit und europäische Vorgaben im Lauterkeitsrecht, GRUR Int. 2010, 549; dies. Internationale Standards gegen unlauteren Wettbewerb, GRUR Int. 2013, 1; Herdegen Internationales Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. (2003); Herkner Die Grenzen der Rechtswahl im internationalen Deliktsrecht (2003); Herzig Rechtliche Probleme grenzüberschreitender Werbung, wbl 1988, 251; Höder Die kollisionsrechtliche Behandlung unteilbarer Multistate-Verstöße (2002); Höpperger/Senftleben in: Hilty/Henning-Bodewig Law Against Unfair Competition (2007) 61; Höpping Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR (1997); Hösch Der Einfluss der Freiheit des Warenverkehrs (Art. 30 EWGV) auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs, Diss. Bayreuth 1993; Hoepffner Anmerkung zur Entscheidung „Stahlexport“ des BGH, GRUR 1964, 319; Hoepfner/Rüthers Grundlagen einer europäischen Methodenlehre, AcP 209 (2009) 1; Hoeren Werberecht im Internet am Beispiel der ICC Guidelines on Interactive Marketing Communications, in: Internet- und Multimediarecht (Cyberlaw) (1997) 111; ders. Cybermanners und Wettbewerbsrecht – Einige Überlegungen zum Lauterkeitsrecht im Internet, WRP 1997, 993; ders. Vorschlag für eine EU-Richtlinie über E-Commerce, Eine kritische Analyse, MMR 1999, 192; v. Hoffmann Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche/IPR, Art. 38 bis 42 EGBGB in: Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2001; Honorati The Law Applicable to Unfair Competition, in: Malatesta (Hrsg.) The Unification of Choice of Law Rules on Torts and Other Non-Contractual Obligations in Europe (2006) 127; Hoth Ausländische Werbung mit Inlandswirkung, GRUR 1972, 449; P. Huber/Bach Die Rom II-VO – Kommissionsentwurf und aktuelle Entwicklungen, IPRax 2005, 73; Idot Les conflits de lois en droit de la concurrence, Clunet (JDI) 1995, 321; Jakob Wem gehört „Havana Club“, GRUR Int. 2002, 406; Jayme Bemerkungen zum Entwurf eines EU-Übereinkommens über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht, IPRax 1999, 298; Jayme/Kohler Das Internationale Privat- und Verfahrensrecht der EG 1991 – Harmonisierungsmodell oder Mehrspurigkeit des Kollisionsrechts, IPRax 1991, 361; dies. Spannungen zwischen Staatsverträgen und Richtlinien, IPRax 1993, 357; Joerges Die klassische Konzeption des internationalen Privatrechts und das Recht des unlauteren Wettbewerbs, RabelsZ 36 (1972) 421; ders. Vorüberlegungen zu einer Theorie des internationalen Wirtschaftsrechts, RabelsZ 43 (1979) 6; ders. Die Verwirklichung des Binnenmarktes und die Europäisierung des Produktsicherheitsrechts, FS Steindorff (1990) 1247; Joliet Das Recht des unlauteren Wettbewerbs und der freie Warenverkehr, GRUR Int. 1994, 1; Junker Internationales Privatrecht (1998); ders. Die Rom II-Verordnung: Neues Internationales Deliktsrecht auf europäischer Grundlage, NJW 2007, 3675; ders. Verordnung (EG) Nr. 864/2007, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 10: Internationales Privatrecht, Rom IVerordnung, Rom II-Verordnung, 5. Aufl. (2010); Kadner Graziano Gemeineuropäisches Internationales Privatrecht (2002); Kampf Freihandelsverträge und das TRIPS-Übereinkommen, VPP-Rundbrief Nr. 2/2006, 38; Katzenberger Kollisionsrecht des unlauteren Wettbewerbs, in: Schricker/Henning-Bodewig (Hrsg.) Neuordnung des Wettbewerbsrecht (1998) 218; Kegel/Schurig Internationales Privatrecht, 9. Aufl. (2004); Keßler Vom Recht des unlauteren Wettbewerb zum Recht der Marktkommunikation – Individualrechtliche und institutionelle Aspekte des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts, WRP 2005, 1203; Keßler/ Micklitz Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Reform des UWG (2003); Kieninger Die Lokalisierung von Wettbewerbsverstößen im Internet – Ist das Marktortprinzip zukunftsfähig? In: Leible (Hrsg.) Die Bedeutung des Internationalen Privatrechts im Zeitalter neuer Medien (2003) 121; Kiethe Werbung im Internet, WRP 2000, 616; Kitz Das neue Recht der elektronischen Medien in Deutschland – sein Charme, seine Fallstricke, ZUM 2007, 368; Klass Das Urheberkollisionsrecht der ersten Inhaberschaft – Plädoyer für einen universalen Ansatz, GRUR Int. 2007, 373; dies. Die Bestimmung geeigneter Anknüpfungspunkte für die erste Inhaberschaft, GRUR Int. 2008, 546; Kleist/Scheuer Audiovisuelle Mediendienste ohne Grenzen, MMR 2006, 127; Klinger Werbung im Internet
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Einleitung Teil D.
und Internationales Wettbewerbsrecht: Rechtsfragen und Rechtstatsachen (2005); Knaak The Protection of Geographical Indications According to the TRIPS Agreement, in: Beier/Schricker (Hrsg.) From GATT to TRIPS (1996) 117; Knopp Über die Anwendbarkeit von Artikel 85 des EWG-Vertrages auf Individualverträge, AWD 1962, 269; Koch Das Tatortprinzip des internationalen Deliktsrechts und Europäisches Gemeinschaftsrecht, FS Koppensteiner (2001) 609; Köhler UWG-Reform und Verbraucherschutz, GRUR 2003, 265; ders. Die „Bagatellklausel“ in § 3 UWG, GRUR 2005, 1; ders. Zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2005, 793; ders. Ist die Regelung der Telefonwerbung im UWG richtlinienkonform? WRP 2012, 1329; ders. Verbandsklagen gegen unerbetene Telefon-, Fax- und E-Mail-Werbung: Was sagt das Unionsrecht? WRP 2013, 567; Köhler/Bornkamm Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 31. Aufl. (2013); Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig Vorschlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform, WRP 2002, 1317; König Die EU-Fernsehrichtlinie – Revision oder Abschied? ZUM 2002, 803; Koos Europäischer Lauterkeitsmaßstab und globale Integration (1996); ders. Grundsätze des Lauterkeitskollisionsrecht im Lichte der Schutzzwecke des UWG, WRP 2006, 499; ders. Rom II und das Internationale Wirtschaftsrecht, EuLF 2006, II-73; ders. Objektive Kriterien zur Feststellung des anwendbaren Rechts im Internationalen Wettbewerbs – und Immaterialgüterrecht, IPRax 2007, 414; Kort Zur „multistate“-Problematik grenzüberschreitender Fernsehwerbung, GRUR Int. 1994, 594; Körner Wettbewerbsschutz deutscher Zeichenrechte gegen im Ausland begangene Verletzungshandlungen, AWD 1970, 211; Kotthoff Werbung ausländischer Unternehmen im Inland (1995); ders. Der Schutz des Euro-Marketings über Art. 30 EGV, WRP 1996, 79; ders. Die Anwendbarkeit des deutschen Wettbewerbsrechts auf Werbemaßnahmen im Internet, CR 1997, 676; Kraßer The Protection of Trade Secrets in the TRIPS Agreement, in: Beier/Schricker (Hrsg.) From GATT to TRIPS (1995) 216; Kreuzer Wettbewerbsverstöße und Beeinträchtigung geschäftlicher Interessen (einschließl. der Verletzung kartellrechtlicher Schutzvorschriften), in: v. Caemmerer Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Privatrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse (1983) 232; ders. Die Europäisierung des Internationalen Privatrechts – Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in: Müller-Graf (Hrsg.) Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft (1993) 373; ders. Die Vergemeinschaftung des Kollisionsrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse (Rom II), in: Reichelt/Rechberger (Hrsg.) Europäisches Kollisionsrecht (2004) 13; ders. Gemeinschaftskollisionsrecht und universales Kollisionsrecht, FS Kropholler (2008) 129; ders. Art. 38 EGBGB Unerlaubte Handlungen in: Rebmann/Säcker/Rixecker, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 10: Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Art. 1–38), Internationales Privatrecht, 3. Aufl. (1998); Krieger Möglichkeiten für eine Verstärkung des Schutzes deutscher Herkunftsangaben im Ausland, GRUR Ausl. 1960, 400; ders. Der deutsch-schweizerische Vertrag über den Schutz von Herkunftsangaben und anderen geografischen Bezeichnungen, GRUR Int. 1967, 334; ders. Der internationale Schutz geografischer Bezeichnungen aus deutscher Sicht, GRUR Int. 1984, 71; Kropholler Internationales Einheitsrecht (1975); ders. Europäisches Zivilprozessrecht (2005); ders. Internationales Privatrecht, 6. Aufl. (2006); Kur TRIPS und das Markenrecht, GRUR Int. 1994, 987; ders. Das Herkunftslandprinzip der E-CommerceRichtlinie: Chancen und Risiken, FS Erdmann (2002) 629; Landfermann Internet-Werbung und IPR, in: Aufbruch nach Europa, 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001) 503; Lehmann, Matthias Der Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung – Vertragsbegriff und vorvertragliche Rechtsverhältnisse, in: Ferrari/Leible (Hrsg.) Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007) 17; Lehmann, Michael Rechtsgeschäfte und Verantwortlichkeit im Netz – Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission, ZUM 1999, 188; Lehr Internationale medienrechtliche Konflikte und Verfahren, NJW 2012, 705; Lehmler Kommentar zum Wettbewerbsrecht, UWG (2007); Lettl Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, GRUR Int. 2004, 85; Leible Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz im EVÜ und in EGRichtlinien, in: Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte (1999) 353; ders. Rechtswahl im IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse nach der Rom II-Verordnung, RIW 2008, 257; ders. Rom I und Rom II: Neue Perspektiven im Europäischen Kollisionsrecht (2009); Leible/Engel Der Vorschlag der EG-Kommission für eine Rom II-Verordnung – Auf dem Weg zu einheitlichen Anknüpfungsregeln für außervertragliche Schuldverhältnisse in Europa, EuZW 2004, 7; Leible/Lehmann Die neue EG-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) RIW 2007, 721; Leible/ Müller Die Bedeutung von Websites für die internationale Zuständigkeit in Verbrauchersachen, NJW 2011, 495; Leible/Staudinger Art. 65 EGV im System der EG-Kompetenzen, EuLF 2000/01 (D) 225; Lehmann Electronic Commerce und Verbraucherschutz in Europa, EuZW 2000, 517; ders. Die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr – einige ergänzende Bemerkungen, in: Lehmann (Hrsg.) Electronic Business in Europa, München (2002) 96; Leistner Verbraucherschutz oder Recht des unlauteren Wettbe-
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Internationales Wettbewerbsrecht
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werbs? Die aktuellen Initiativen der Europäischen Kommission auf dem Feld der unlauteren Geschäftspraktiken, Jb. J. ZivRWiss. (2004) 185; ders. Werberecht im Internet, in: Leistner/Bettinger (Hrsg.) Werbung und Vertrieb im Internet (2005) 3; ders. Comments: The Rome II Regulation Proposal and its Relation to the European Country-of-Origin Principle, in: Drexl/Kur (Hrsg.) Intellectual Property and Private International Law – Heading for the Future, Oxford (2005) 177; ders. Unfair Competition Law Protection Against Imitations: A Hybrid under the future Art. 5 Rome II Regulation? in: Basedow/Drexl/Kur/Metzger Intellectual Property in the Conflict of Laws (2005) 129; ders. Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007); ders. Bestand und Entwicklungsperspektiven des Europäischen Lauterkeitsrechts, ZEuP 2009, 56; Leistner/ Pothmann E-mail-Direktmarketing im neuen europäischen Recht und in der UWG-Reform, WRP 2003, 815; Lemor Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie auf ausgesuchte reglementierte Berufe, EuZW 2007, 135; Lichtenstein Der gewerbliche Rechtsschutz im internationalen Privatrecht, NJW 1964, 1208; Lindacher Zum internationalen Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs, WRP 1996, 645; ders. Wettbewerbsrecht und privilegium germanicum, FS Piper (1996) 355; ders. Die internationale Dimension lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsansprüche: Marktterritorialität versus Universalität, GRUR Int. 2008, 453; Lorenz Zivilprozessuale Konsequenzen der Neuregelung des Internationalen Deliktsrechts: Erste Hinweise für die anwaltliche Praxis, NJW 1999, 2215; ders. Gewinnmitteilungen als „geschäftsähnliche Handlungen“: Anwendbares Recht, internationale Zuständigkeit und Erfüllungsort, NJW 2006, 472; Loschelder Die Bedeutung der zweiseitigen Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geografischen Bezeichnungen in der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der VO (EWG) Nr. 2081/92, FS Erdmann (2002) 387; Löffler Werbung im Cyberspace – Eine kollisionsrechtliche Betrachtung, WRP 2001, 379; Lurger Internationales Deliktsrecht und Internet – ein Ausgangspunkt für grundlegende Umwälzungen im Internationalen Privatrecht? in: Aufbruch nach Europa, 75 Jahre Max-PlanckInstitut für Privatrecht (2001) 479; Lurger/Vallant Die österreichische Umsetzung des Herkunftslandprinzips der E-Commerce-Richtlinie, MMR 2002, 203; dies. Grenzüberschreitender Wettbewerb im Internet, RIW 2002, 188; Lüttringhaus Übergreifende Begrifflichkeiten im europäischen Zivilverfahrens- und Kollisionsrecht – Grund und Grenzen der rechtsaktübergreifenden Auslegung, dargestellt am Beispiel vertraglicher und außervertraglicher Schuldverhältnisse, RabelsZ 2013, 31; Maennel Elektronischer Geschäftsverkehr ohne Grenzen – der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission, MMR 1999, 187; ders. Die Europäische Richtlinie zum Electronic Commerce, in: Lehmann (Hrsg.) Electronic Business in Europa, München (2002) 44; Magnus Vorbemerkung zu Art. 27 bis 37 EGBGB in: Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2002; Mand E-Commerce mit Arzneimitteln, Auswirkungen des Herkunftslandprinzips auf das Internationale Wettbewerbsrecht, MMR 2003, 77; Mankowski Preisangaben in ausländischer Währung und deutscher Werbemarkt, GRUR 1995, 539; ders. Internet und Internationales Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 1999, 909; ders. Besondere Formen von Wettbewerbsverstößen im Internet und Internationales Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 1999, 995; ders. Wider ein transnationales Cyberlaw. Oder: Von der fortbestehenden Bedeutung des Internationalen Privatrechts bei Internet-Sachverhalten, AfP 1999, 138; ders. E-Commerce und Internationales Verbraucherschutzrecht, MMR-Beilage 7/2000, 22; ders. Wettbewerbsrechtliches Gerichtspflichtigkeits- und Rechtsanwendungsrisiko bei Werbung über Websites, CR 2000, 763; ders. Buchbesprechung: Grandpierre Herkunftslandprinzip kontra Marktanknüpfung – Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts auf die Kollisionsregeln im Wettbewerbsrecht, WRP 2000, 657; ders. Binnenmarkt-IPR – Eine Problemskizze, in: Aufbruch nach Europa, 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001) 595; ders. Das Herkunftslandprinzip als Internationales Privatrecht der e-commerceRichtlinie, ZVglRWiss 100 (2001) 137; ders. Der internationale Schutz gegen unlauteren Wettbewerb und das TRIPS-Abkommen, GRUR Int. 2001, 100; ders. Particular Kinds of Unfair Competition on the Internet and Conflicts of Laws, IIC 2001, 390; ders. Herkunftslandprinzip und deutsches Umsetzungsgesetz zur ecommerce-Richtlinie, IPRax 2002, 257; ders. Das Herkunftslandprinzip des e-Commerce-Rechts als Internationales Privatrecht, EWS 2002, 401; ders. Wider ein Herkunftslandprinzip für Dienstleistungen im Binnenmarkt, IPRax 2004, 385; ders. Was soll der Anknüpfungsgegenstand des (europäischen) Internationalen Wettbewerbsrechts sein? GRUR Int. 2005, 634; ders. Entwicklungen im Internationalen Privat- und Prozessrecht 2004/2005 (Teil 1) RIW 2005, 481; ders. Das neue Internationale Kartellrecht des Art. 6 Abs. 3 der Rom II-Verordnung, RIW 2008, 177; ders. Internationales Wettbewerbsrecht in: Heermann/Hirsch (Hrsg.) Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht (UWG), Band 1: Grundlagen des Wettbewerbsrechts, Internationales Wettbewerbs- und Wettbewerbsverfahrensrecht, Europäisches Gemeinschaftsrecht – Grundlagen und sekundärrechtliche Maßnahmen, §§ 1–4 UWG, 1. Aufl. (2006); Martinek Das internationale Kartellprivatrecht (1987); Martiny Die Anknüpfung an den Markt, FS Drobnig (1999) 389; Marwitz
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Einleitung Teil D.
Werberegulierung durch EU-Gesetzgebung, K&R 2004, 209; van Meenen Lauterkeitsrecht und Verbrauchschutz im IPR (1995); Micklitz/Keßler Europäisches Lauterkeitsrecht, GRUR Int. 2002, 885; dies. Funktionswandel des UWG, WRP 2003, 919; Möllering Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in Europa: Eine neue Dimension, WRP 1990, 1; Mook Internationale Rechtsunterschiede und internationaler Wettbewerb (1986); Moritz Quo vadis elektronischer Geschäftsverkehr? CR 2000, 61; Mörsdorf-Schulte Spezielle Vorbehaltsklauseln im Europäischen Internationalen Deliktsrecht? ZVglRWiss 104 (2005) 192; Mosing Internationales Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. (1965); Müller-Graff Fakultatives Kollisionsrecht im internationalen Wettbewerbsrecht, RabelsZ 48 (1984) 289; Muth Die Bestimmung des anwendbaren Rechts bei Urheberrechtsverletzungen im Internet (2000) 60; Naskret Das Verhältnis zwischen Herkunftslandprinzip und Internationalem Privatrecht in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr (2003); Nemeczek Wettbewerbliche Eigenart und die Dichotomie des mittelbaren Leistungsschutzes, WRP 2010, 1315; Nemeth Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz in Europa, wbl 2000, 341; Neumann Der Anwendungsbereich des deutschen UWG im internationalen Wettbewerb, Int. Wettbewerb 1959, 13; Neumeyer Internationales Privatrecht, 2. Aufl. (1930); Nickels Der elektronische Geschäftsverkehr und das Herkunftslandprinzip, DB 2001, 1919; Baudenbacher/Novak Wirtschaftsrecht Bd. 1, 417; Nußbaum Deutsches Internationales Privatrecht (1932); Oesterhaus Die Ausnutzung des internationalen Rechtsgefälles und § 1 UWG (1990); Ohly Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs – ein Methodenvergleich des englischen und des deutschen Rechts (1997); ders. Herkunftslandprinzip und Kollisionsrecht, GRUR Int. 2001, 899; ders. Das Herkunftslandprinzip im Bereich vollständig angeglichenen Lauterkeitsrechts, WRP 2006, 1401; ders. in: Drexl/Kur Intellectual Property and Private International Law (2005) 241; ders. Einführung B zum UWG in: Sosnitza/Köhler/Piper/Ohly (Hrsg.) Kommentar Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 5. Aufl. (2010); Paefgen Unlauterer Wettbewerb durch Rechtsbruch in internationalprivatrechtlicher Sicht, WRP 1991, 447; ders. Unlauterer Wettbewerb im Ausland, GRUR Int. 1994, 99; Pfeiffer Die Entwicklung des Internationalen Vertrags-, Schuld- und Sachenrechts 1997–1999, NJW 1999, 3674; Pflüger Reichweite internationalrechtlicher Vorgaben, in: Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.) Lauterkeitsrecht und Acquis und Communautaire (2009) 65; ders. Der internationale Schutz gegen unlauteren Wettbewerb 1. Auflage (2010); Pichler Vorschlag für eine Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, ELR 1999, 74; Piekenbrock Die Bedeutung des Herkunftslandprinzips im europäischen Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 2005, 997; Raape Internationales Privatrecht, 5. Aufl. (1961); Radicati di Brozolo L’influence sur les conflits de lois des principes de droit communautaire en matiére de liberté de circulation, Rev.crit.dip 82 (1993) 401; Rauscher/Pabst Die Entwicklung des Internationalen Privatrechts 2011–2012, NJW 2012, 3490; Reese Grenzüberschreitende Werbung in der Europäischen Gemeinschaft (1994); Reese/Vischer The conflict-of-laws rules on unfair competition, Ann. Inst. Dr. Int. 60, I (1983) 159; Regelmann Die internationalprivatrechtliche Anknüpfung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, Diss. Konstanz 1988; Reger Der internationale Schutz gegen unlauteren Wettbewerb und das TRIPS-Abkommen (1999); Reich Rechtsprobleme grenzüberschreitender irreführender Werbung im Binnenmarkt, RabelsZ 56 (1992) 444; Reichert-Facilides Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs, FS Hartmann (1976) 205; Reichold AcP 193 (1993) 204; Reithmann/Martiny Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl. (2004); Remien Grenzen der gerichtlichen Privatrechtsangleichung mittels der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, JZ 1994, 349; Reuter Der Ausländer im deutschen Wettbewerbs-und Kennzeichnungsrecht, BB 1989, 2265; Riegl Streudelikte im internationalen Privatrecht, Diss. Augsburg 1986; Rohe Zu den Geltungsgründen des Deliktsstatuts (1994); Roth Der Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das Internationale Privatrecht, RabelsZ 55 (1991) 623; ders. Angleichung des IPR durch sekundäres Gemeinschaftsrecht, IPRax 1994, 165; ders. Internationales Kartelldeliktsrecht in der Rom II-Verordnung, FS Kropholler (2008) 623; Ruess Die E-Commerce-Richtlinie und das deutsche Wettbewerbsrecht (2003); Rüssmann Wettbewerbshandlungen im Internet – Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, K&R 1998, 422; Rugullis Die antizipierte Rechtswahl in außervertraglichen Schuldverhältnissen, IPRax 2008, 319; Rummel/Verschraegen § 48 IPRG Rn. 74; Sack Die kollisions- und wettbewerbsrechtliche Beurteilung grenzüberschreitender Werbe- und Absatztätigkeit nach dem deutschen Recht, GRUR Int. 1988, 320; ders. Probleme des Inlandswettbewerbs mit Auslandsbezug nach deutschem und österreichischem Kollisions- und Wettbewerbsrecht, ÖBl. 1988, 113; ders. Neue Werbeformen im Fernsehen – rundfunk- und wettbewerbsrechtliche Grenzen, AfP 1991, 704; ders. Grenzüberschreitende Zugabe- und Rabattwerbung, IPRax 1991, 386; ders. Marktortprinzip und allgemeine Ausweichklausel im internationalen Wettbewerbsrecht, am Beispiel der sog. Gran-Canaria-Fälle, IPRax 1992, 24; ders. Art. 30, 36 EG-Vertrag und das internationale Wettbewerbsrecht, WRP 1994, 281; ders. Nachahmen im Wettbewerb, ZHR 160 (1996), 493; ders. Auswirkungen der Art. 30, 36 und 59 ff. EG-Vertrag auf das
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Internationales Wettbewerbsrecht
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Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, GRUR 1998, 871; ders. Das internationale Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht nach der EGBGB-Novelle, WRP 2000, 269; ders. Das internationale Wettbewerbsrecht nach der E-Commerce-Richtlinie (ECRL) und dem EGG-/TDG-Entwurf, WRP 2001, 1408; ders. Herkunftslandprinzip und internationale elektronische Werbung nach der Novellierung des Teledienstegesetzes (TDG), WRP 2002, 271; ders. Zur Zweistufentheorie im internationalen Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht, FS E. Lorenz (2004) 659; ders. Das Verhältnis des UWG zum allgemeinen Deliktsrecht, FS Ullmann (2006) 825; ders. Internationales Lauterkeitsrecht nach der Rom II-Verordnung, WRP 2008, 845; ders. Das IPR des geistigen Eigentums nach der Rom II-VO, WRP 2008, 1405; ders. Die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV und die Ungleichbehandlung von Inlands- und Importware, EWS 2011, 265; ders. Das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie und der Vorlagebeschluss des BGH vom 10.11.2009, EWS 2010, 70; ders. Die IPR-Neutralität der E-Commerce-Richtlinie und des Telemediengesetzes, EWS 2011, 65; ders. Der EuGH zu Art. 3 E-Commerce-Richtlinie – die Entscheidung „eDate Advertising“, EWS 2011, 513; ders. Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO und „bilaterales“ unlauteres Wettbewerbsverhalten, GRUR Int. 2012, 601; Samson Die Marktortregel als allgemeines Prinzip für kollisionsrechtliche Anknüpfung und die internationale Zuständigkeit in Wettbewerbssachen (2001); Sandrock Das Kollisionsrecht des unlauteren Wettbewerbs zwischen dem internationalen Immaterialgüterrecht und dem internationalen Kartellrecht, GRUR Int. 1985, 507; Sasse Grenzüberschreitende Werbung, Diss. Kiel 1974; Schack Zur Anknüpfung des Urheberrechts im internationalen Privatrecht (1979); ders. Internationale Urheber-, Marken-, und Wettbewerbsverletzungen im Internet, MMR 2000, 59; Schaub Die Neuregelung des internationalen Deliktsrechts in Deutschland und das europäische Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 66 (2002); Scherer „Cold Calling“ in der Europäischen Rechtsvereinheitlichung, WRP 2001, 1255; Schibli Multistate-Werbung im internationalen Lauterkeitsrecht (2004); Schikora Der Begehungsort im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Diss. München 1968; Schmittmann Europäisches Werberecht aus deutscher Sicht, in: Handbuch des Rundfunkwerberechts (2004) 39; Schnyder Wirtschaftskollisionsrecht (1990); ders. Das neue IPR-Gesetz, 2. Aufl. (1990); Scholz/Rixen Die neue Kollisionsnorm für außervertragliche Schuldverhältnisse aus wettbewerbsbeschränkendem Verhalten, EuZW 2008, 327; Schricker Territoriale Probleme und Klagerecht bei unlauterem Wettbewerb, GRUR Int. 1973, 453; ders. Die europäische Angleichung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs – ein aussichtsloses Unterfangen? GRUR Int. 1990, 771; ders. Die Bekämpfung der irreführenden Werbung in den Mitgliedstaaten der EWG, GRUR Int. 1990, 112; ders. Recht der Werbung in Europa (1995); ders. Bemerkungen zum internationalen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb, FS Fikentscher (1998) 985; Schricker/Henning-Bodewig Elemente einer Harmonisierung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs in der Europäischen Union, WRP 2001, 1367; Schulte-Beckhausen Geografische Herkunftsangaben als Gegenstand des Gewerblichen Eigentums oder als Steuerungsinstrument von Wirtschaft und Politik? GRUR Int. 2008, 984; W. Schulz Medienkonvergenz light – Zur neuen Europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, EuZW 2008, 107; Schuhmacher Werbung und „neue Medien“, in: Handbuch des Rundfunkwerberechts (2004) 19; Schwander Das UWG im grenzüberschreitenden Verkehr (IPR-Probleme im Recht des unlauteren Wettbewerbs), in: Das UWG auf neuer Grundlage (1989) 161; Schwarze Werbung im Gemeinschaftsrecht – Rechtsbestand und Grundfragen, in: Werbung und Werbevorteile im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts (1992) 9; Seichter Der Umsetzungsbedarf der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2005, 1087; Siehr Ausländische Eingriffsnormen im inländischen Wirtschaftskollisionsrecht, RabelsZ 52 (1988) 41; ders. Internationales Privatrecht (2001); Sonnenberger Europarecht und internationales Privatrecht, ZVglRWiss 95 (1996) 3; ders. BB 2001, Heft 6, S. I.; ders. Kommissionsvorschlag für eine Rahmenrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt, RIW 2004, 321; ders. Einleitung zum Internationalen Privatrecht, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 10: Internationales Privatrecht, Rom I-Verordnung, Rom II-Verordnung, 5. Aufl. (2010); Sonnentag Zur Europäisierung des Internationalen außervertraglichen Schuldrechts durch die geplante Rom II-Verordnung, ZVglRWiss 105 (2006) 256; Sosnitza Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – Voll- oder Teilharmonisierung? WRP 2006, 1; Spätgens Zur Frage der Anwendbarkeit deutschen Wettbewerbsrechts oder des Ortsrechts bei Wettbewerb zwischen Inländern auf Auslandsmärkten, GRUR 1980, 473; Spindler Der neue Vorschlag einer E-Commerce-Richtlinie, ZUM 1999, 775; ders. Internet, Kapitalmarkt und Kollisionsrecht unter besonderer Berücksichtigung der E-Commerce-Richtlinie, ZHR 165 (2001) 324; ders. Herkunftslandprinzip und Kollisionsrecht – Binnenmarktintegration ohne Harmonisierung? Die Folgen der Richtlinie im elektronischen Geschäftsverkehr für das Kollisionsrecht, RabelsZ 66 (2002) 633; ders. Das Gesetz zum elektronischen Geschäftsverkehr – Verantwortlichkeit der Dienstanbieter und Herkunftslandprinzip, NJW 2002, 921; ders. Störerhaftung des Host-Providers bei Per-
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Einleitung Teil D.
sönlichkeitsrechtsverletzungen, CR 2012, 176; ders. Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte im Internet – der Rahmen für Forschungsaufgaben und Reformbedarf, GRUR 2013, 996; Spickhoff Die Restkodifikation des Internationalen Privatrechts: Außervertragliches Schuld- und Sachenrecht, NJW 1999, 2209; Spindler/ Schuster Recht der elektronischen Medien (2008); Staehelin Das TRIPS-Abkommen – Immaterialgüterrechte im Licht der globalisierten Handelspolitik, 2. Aufl. (1999); Stagl Multistate-Werbung im Internet – das künftige Kollisionsrecht des unlauteren Wettbewerbs, ÖBl 2004, 244; A. Staudinger Das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21.5.1999, DB 1999, 1589; Steindorff Sachnormen im IPR (1958); ders. Gemeinsamer Markt als Binnenmarkt, ZHR 150 (1986) 687; ders. Unlauterer Wettbewerb im System des EG-Rechts, WRP 1993, 139; ders. Unvollkommener Binnenmarkt, ZHR 158 (1994) 149; Stender-Vorwachs/Theißen Die Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste, ZUM 2007, 613; Steinke Die Übertragbarkeit der Keck-Rechtsprechung des EuGH auf die Niederlassungsfreiheit (2009) 181; Stone The Rome II Proposal on the Law Applicable to Non-Contractual Obligations, ELF 2004, 213; Sujecki Der zeitliche Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung, EuZW 2011, 815; Tettenborn Europäischer Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr, K&R 1999, 252; ders. Die Umsetzung der EGRichtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, in: Lehmann (Hrsg.) Electronic Business in Europa, München (2002) 69; ders. E-Commerce-Richtlinie: Politische Einigung in Brüssel erzielt, K&R 2000, 59; Thorn Art. 6 Rom II-VO in: Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. (2013); Thünken Die EG-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und das internationale Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs, IPRax 2001, 15; ders. Multi-state Advertising over the Internet and the Privat International Law of Unfair Competition, Int. Comp. Law Quarterly 2002, 909; ders. Das kollisionsrechtliche Herkunftslandprinzip (2003); Tilmann Irreführende Werbung in Europa – Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsentwicklung, GRUR 1990, 87; ders. Grenzüberschreitende vergleichende Werbung, GRUR Int. 1993, 133; Tison Unravelling the General Good Exception: The Case of Financial Services, in: Adenas/Roth (Hrsg.) Services and Free Movement in EU Law (2002) 321; A. Troller Unfair Competition, in: IntEncCompL Vol III Ch 34 (1980); K. Troller Das internationale Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs in vergleichender Darstellung des Rechts Deutschlands, Englands, Frankreichs, Italiens, der Schweiz und den USA (1962); Trutmann Das IPR der Deliktsobligation (1973); Ulmer Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft I, Vergleichende Darstellung mit Vorschlägen zur Rechtsangleichung (1965); ders. Die Immaterialgüterrechte im Internationalen Privatrecht (1975); Vianello Das internationale Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs in Deutschland und Italien (2000); Vischer The conflict-of-laws rules on unfair competition, Ann. Inst. Dr.Int. Vol. 60-I (1983) 117; G. Wagner Internationales Deliktsrecht, die Arbeiten an der Rom II-Verordnung und der Europäische Deliktsgerichtsstand, IPRax 2006, 372; ders. Die neue Rom II-Verordnung, IPRax 2008, 1; R. Wagner Zur Vereinheitlichung des internationalen Zivilverfahrensrechts vier Jahre nach In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrags, NJW 2003, 2344; ders. Zur Vereinheitlichung des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts sieben Jahre nach In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrages, EuZW 2006, 424; ders. Änderungsbedarf im autonomen deutschen internationalen Privatrecht aufgrund der Rom II-Verordnung? IPRax 2008, 314; ders. Das Vermittlungsverfahren zur Rom II-VO, FS Kropholler (2008) 715; Waldenberger Electronic Commerce: Der Richtlinienvorschlag der EGKommission, EuZW 1999, 296; Watl Online-Netzwerke und Multimedia, in: Internet- und Multimediarecht (Cyberlaw) (1997) 185; Weber Die kollisionsrechtliche Behandlung von Wettbewerbsverletzungen mit Auslandsbezug (1982); ders. Zum Anwendungsbereich des deutschen UWG beim Auslandswettbewerb zwischen Inländern, GRUR Int. 1983, 26; Weintraub Rome II and the Tension Between Predictability and Flexibility, FS Hey (2005) 451; Wellan Die Auswirkungen der Harmonisierung durch die „Fernsehrichtlinie“ auf die Anwendbarkeit des UWG auf grenzüberschreitende ausländische Fernsehsendungen (1996); Wendehorst Kollisionsnormen im primären Europarecht? FS Heldrich (2005) 1071; dies. Internationales Privatrecht, in: Langenbucher/Engert (Hrsg.) Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. (2008) 376; Wengler Die Gesetze über unlauteren Wettbewerb und das internationale Privatrecht, RabelsZ 19 (1954) 401; Widmer/Bähler Rechtsfragen beim Electronic Commerce (1997); Wilske Conflict of Laws in Cyber Torts, Cri 2001, 68; Wiltschek Die Beurteilung grenzüberschreitender Werbe- und Absatztätigkeit nach österreichischem Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 1988, 299; WIPO Intellectual Property Handbook, 2. Auflage (2004) 347; WIPO Model Provisions, WIPO Publication No. 832(E) (1996); Wirner Wettbewerbsrecht und internationales Privatrecht (1960).
Klass
338
Internationales Wettbewerbsrecht
Einl
Gesetzgebungsmaterialien Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt (2004/1/COD f. VO – 2004/21/SEK v. 13.1.2004) Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. EG L 376 v. 27.12.2006, S. 36–68) Gemeinsamer Standpunkt des Rates betreffend die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Verordnung Verwaltungszusammenarbeit und Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (2003/134/COD f. VO – 2003/724/SEK v. 18.6.2003) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM II) (2003/168/COD f. VO – 2003/427/KOM endg. v. 22.7.2003) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM II) (2003/168/COD f. VO – 2006/83/KOM endg. v. 21.2.2006) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Verkaufsförderung im Binnenmarkt (2001/227/COD f. VO – 2002/585/KOM v. 15.10.2002) Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG L 171 v. 7.7.1999, S. 12–16) Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. EG L 298 v. 17.10.1989, S. 23–30) Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (ABl. EU L 95 v. 15.4.2010, S. 1–24) Richtlinie 70/50/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1969, gestützt auf die Vorschriften des Artikels 33 Absatz 7 über die Beseitigung von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, die nicht unter andere auf Grund des EWG-Vertrags erlassene Vorschriften fallen (ABl. EG L 13 v. 19.1.1970, S. 29–31) Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen (BTDrucks. 14/343 v. 1.2.1999) Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (BTDrucks 14/6098 v. 17.5.2001) Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arbeit schaffen – Sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Dynamik im europäischen Binnenmarkt für Dienstleistungen verbessern (BTDrucks. 15/5832 v. 29.6.2005) Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (BTDrucks. 16/5048 v. 20.4.2007)
I.
339
Systematische Übersicht Das Internationale Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs: Einführung ____ 1 1. Allgemeines ____ 1 a) Aufgabe und Bedeutung des Internationalen Wettbewerbsprivatrechts ____ 1 b) Thematische Fokussierung der Kommentierung ____ 6 2. Die Grundlagen des Internationalen (Wettbewerbs-)Privatrechts ____ 8
3. 4.
a) Rechtsquellen des Internationalen Privatrechts und deren Hierarchie ____ 8 b) Die Methode der Qualifikation ____ 10 c) Rück- und Weiterverweisung ____ 12 Funktion des Internationalen (Wettbewerbs-)Privatrechts ____ 15 Die Reichweite des Wettbewerbsstatuts ____ 20 a) Bestimmung der Reichweite im Allgemeinen ____ 20
Klass
Einl
II.
Einleitung Teil D.
b) Orte indirekter Schadensfolgen und Vorbereitungshandlungen ____ 23 5. Systematische Einordnung des Wettbewerbskollisionsrechts ____ 25 a) Einleitung ____ 25 b) Abgrenzung zum Internationalen Deliktsrecht ____ 26 aa) Wettbewerbskollisionsrecht als Teilgebiet des Internationalen Deliktsrechts ____ 26 bb) Die Kollision von Wettbewerbsund Deliktsstatut ____ 31 c) Abgrenzung zum Immaterialgüterkollisionsrecht ____ 33 d) Abgrenzung zum Kartellkollisionsrecht (Auswirkungsprinzip) ____ 39 e) Abgrenzung zum Vertragskollisionsrecht ____ 44 f) Abgrenzung zum Internationalen Strafrecht ____ 48 Rechtsquellen des Internationalen Wettbewerbsprivatrechts ____ 50 1. Verhältnis des Konventionsrechts zum autonomen deutschen und zum gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsrecht ____ 50 2. Multilaterale Verträge zum Schutz gegen unlauteren Wettbewerb ____ 52 a) Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) ____ 52 aa) Allgemeines ____ 52 bb) Inländerbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 2 Abs. 1 PVÜ und Mindestschutzstandard gemäß Art. 10bis PVÜ ____ 54 cc) Unmittelbare Anwendbarkeit des Inländerbehandlungsgrundsatzes sowie der Mindestschutzvorschriften ____ 59 dd) Kollisionsrechtlicher Gehalt des Inländerbehandlungsgrundsatzes ____ 62 ee) Fazit ____ 63 b) Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) ____ 64 aa) Allgemeines ____ 64 bb) Lauterkeitsrechtliche Relevanz des TRIPS-Abkommens ____ 65 cc) Kollisionsrechtlicher Gehalt des Inländerbehandlungsgrundsatzes sowie des Grundsatzes der Meistbegünstigung ____ 69
Klass
3. 4. 5.
dd) Verweis auf Art. 10bis PVÜ ____ 70 ee) Unmittelbare Anwendbarkeit ____ 73 c) Fazit ____ 74 Kollisionsnormen in bilateralen Abkommen ____ 75 WIPO Model Provisions on Protection Against Unfair Competition ____ 80 Europäisches Gemeinschaftsrecht ____ 83 a) Bedeutung des Gemeinschaftsrechts für die Bestimmung des Wettbewerbsstatuts ____ 83 b) Das Herkunftslandprinzip: Kollisionsrechtliches Prinzip oder sachrechtliches Korrektiv? ____ 85 c) Das Herkunftslandprinzip im Gemeinschaftsprimärrecht ____ 86 aa) Kollisionsrechtlicher Gehalt der Warenverkehrsfreiheit? ____ 86 bb) Kollisionsrechtlicher Gehalt der Dienstleistungsfreiheit? ____ 111 cc) Der Nichtdiskriminierungsgrundsatz in Art. 18 AEUV ____ 113 d) Gemeinschaftssekundärrecht auf der Grundlage des Herkunftslandprinzips ____ 115 aa) Das Herkunftslandprinzip und die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste ____ 118 bb) Das Herkunftslandprinzip und die E-CommerceRichtlinie ____ 123 (1) Anwendungsbereich ____ 123 (2) Abgrenzung zur Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste ____ 128 (3) Der Streit um den kollisionsrechtlichen Charakter des Herkunftslandprinzips ____ 130 (aa) Meinungsstand ____ 132 (bb) Stellungnahme ____ 138 (4) Die Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie im deutschen TMG ____ 144 cc) Das Herkunftslandprinzip und die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ____ 153
340
Internationales Wettbewerbsrecht
III.
341
dd) Das Herkunftslandprinzip und die Dienstleistungsrichtlinie ____ 155 ee) Weitere werberechtliche Richtlinien ____ 158 e) Das Europäische Wettbewerbskollisionsrecht der Rom II-VO ____ 159 aa) Kollisionsrechtsvereinheitlichung ____ 159 bb) Entstehungsgeschichte und Regelungsgehalt der Rom IIVO ____ 161 cc) Sachlicher, zeitlicher und territorialer Anwendungsbereich ____ 165 (1) Sachlicher Anwendungsbereich ____ 165 (2) Zeitlicher Anwendungsbereich ____ 169 (3) Territorialer Anwendungsbereich/universelle Geltung der Verordnung ____ 171 dd) Anwendungsvorrang der Rom II-VO vor autonomem Wettbewerbskollisionsrecht ____ 174 ee) Verhältnis zu völkerrechtlichen und sonstigen gemeinschaftskollisionsrechtlichen Regelungen ____ 175 ff) Qualifikation ____ 180 gg) Struktur der Kollisionsnorm ____ 184 (1) Regelanknüpfung ____ 184 (2) Ausnahmen von der Regelanknüpfung ____ 186 6. Autonomes Kollisionsrecht ____ 190 a) Die Marktortanknüpfung als Abweichung vom internationaldeliktsrechtlichen Ubiquitätsprinzip ____ 191 b) Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung zum Wettbewerbskollisionsrecht ____ 195 Die Bestimmung des Wettbewerbsstatuts nach der Rom II-VO ____ 199 1. Kollisionsrechtsvereinheitlichung innerhalb der Europäischen Union ____ 199 2. Qualifikation: Autonome Auslegung des Normtextes ____ 202 3. Die allgemeine Regel des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO: Anknüpfung an den Marktort ____ 203
4.
5.
Einl
a) Grundbegriffe des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO ____ 203 aa) Außervertragliches Schuldverhältnis ____ 204 bb) Unlauteres Wettbewerbsverhalten ____ 205 cc) Beeinträchtigung ____ 209 b) Der Marktort als maßgeblicher Ort der Beeinträchtigung ____ 211 aa) Wettbewerbsspezifische Auslegung des Ortes der Beeinträchtigung: Der Marktort ____ 211 bb) Dogmatische Einordnung der Marktortregel: Auswirkungsprinzip vs. Interessenkollisionslösung ____ 214 c) Einschränkungen der Marktortanknüpfung ____ 219 aa) Das Spürbarkeitskriterium bei Multistatedelikten ____ 219 bb) Das Herkunftslandprinzip bei Multistatedelikten ____ 226 Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO – Bilaterale Wettbewerbshandlungen ____ 229 a) Anwendungsbereich und Normzweck ____ 229 b) Anknüpfung: Ausschließliche Beeinträchtigung von Individualinteressen ____ 231 c) Verweis auf Art. 4 Rom II-VO ____ 234 aa) Maßgeblichkeit des Erfolgsortes ____ 234 bb) Anknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht ____ 237 cc) Ausweichklausel und akzessorische Anknüpfung ____ 238 Die wettbewerbskollisionsrechtliche Anknüpfung im Einzelfall ____ 239 a) Typologie wettbewerbsrechtlich relevanter Handlungen ____ 239 b) Fallgruppen ____ 241 aa) Unlautere Werbung ____ 241 (1) Der Begriff der unlauteren Werbung ____ 241 (2) Die Relevanz des Werbemarktes ____ 243 bb) Verkaufsfördermaßnahmen ____ 249 cc) Rechtsbruch ____ 252 dd) Unlautere Produktnachahmung ____ 255 ee) Die kollisionsrechtliche Bewertung von Vertriebsbindungssystemen ____ 256
Klass
Einl
6. 7.
Einleitung Teil D.
ff) Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz ____ 259 Umfang des Wettbewerbsstatuts ____ 261 Unzulässigkeit der Rechtswahl, Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO ____ 262
Alphabetisches Stichwortverzeichnis Allgemeine Marktbehinderung s. Marktstörung Absatzmarkt 246, 255 Anwendungsbereich Rom II-VO 6, 21, 132, 165 ff. Anwendungsvorrang 8, 84, 141, 174 „Asbestimporte“ 253 Assimilationsprinzip 54 Audiovisuelle Medien 83, 115 ff., 128, 135, 177, 221, 247 Auslegung des EU-Rechts 83 ff. „Ausschreibung in Bulgarien“ 197 Auswirkungsprinzip 25, 39 ff., 198, 214 ff., 222, 257 Begehungsort 27 f., 193 f., 197, 211 Begriff des unlauteren Wettbewerbs 56, 205 f. Bestimmungslandrecht 101, 103, 108 Betriebsbezogener Wettbewerbsverstoß 32, 189, 194, 229, 239, 264 Binnenmarkt 1, 85, 89, 91 ff., 100, 104, 106 ff., 118, 122, 123 f., 126, 133, 140 f., 151, 154, 157, 172, 200, 221, 227 f., 251 Binnenmarktklausel 124 Binnenmarktkonzept 157 Binnenmarktregel 123, 126 Boykott 40, 206, 233 „Cassis de Dijon“ 89 „Clinique“ 99 „Dassonville“ 87, 89 „De Agostini“ 120, 129, 177 Deliktsstatut 24, 27 f., 31 f., 192, 197, 212, 233, 239, 258 Dienstleistungsfreiheit 111 f., 151, 156 Diskriminierung 40, 54, 57, 67 f., 83, 95, 97, 98, 107, 111, 113 f. Diskriminierungsverbot 54, 83, 113 f. E-Commerce 83, 115, 117, 123 ff., 178 f., 221, 227, 241, 247 „eDate Advertising“ 130, 138 Effet utile 181, 269 EGBGB 7, 9, 12 f., 26, 50, 51, 174, 186, 191, 192 ff., 198 Elektronischer Geschäftsverkehr 123, 135, 138, 144 E-Mail-Werbung 242, 247 Erfolgsort 27 f., 184, 186, 192 ff., 234 f., 237 f. Ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz 33 f., 259 f. Euro-Marketing 133, 135
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8. 9. 10.
Eingriffsnormen, Art. 16 Rom IIVO ____ 265 Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung, Art. 24 Rom II-VO ____ 267 Der ordre public-Vorbehalt, Art. 26 Rom II-VO ____ 268
Fernsehen, siehe audiovisuelle Medien Fernsehrichtlinie, siehe Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste „Forum Shopping“ 122, 173 Freier Dienstleistungsverkehr, siehe Dienstleistungsfreiheit Freier Warenverkehr, siehe Warenverkehrsfreiheit „GB-INNO“ 91, 94, 102 Geistiges Eigentum 36 Gesamtverweisung 12 f., 132, 134 Gewerbliches Eigentum 36, 52 ff., 75, 88, 127 Grundfreiheiten (siehe auch Warenverkehrsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit) 83, 94, 101, 108, 121, 141, 269 Günstigkeitsprinzip 136, 140 Handlungsort 27, 192, 195, 234 Herkunftsangabe 33, 36, 71 f., 75 f., 78 f. Herkunftslandprinzip 83, 85, 89, 91 f., 94, 98 ff., 105 f., 108 f., 115 ff., 121 ff., 126 f., 129 ff., 140 ff., 144, 147 ff., 177 ff., 221, 226 ff., 247, 254 Immaterialgüterkollisionsrecht 25, 33 Immaterialgüterrecht und Lauterkeitsrecht 33, 65 Inländerbehandlung 52, 54 f., 59, 61, 62, 67 ff. Inländerbehandlungsgrundsatz 54, 55, 59, 62, 69 Inländerdiskriminierung 57, 107, 114 Internationale Verträge 52 ff., 80 f. Internationales Deliktsrecht 26 ff., 191, 193 f., 262 Internationales Kartellrecht 39 ff., 198, 208, 217 ff. Internationales Strafrecht 48 f. Internet 1, 96, 127, 131, 136, 142, 151, 221 ff., 228, 248 Internetwerbung 1, 221 ff., 248 Irreführende Werbung 81, 158, 242 Kartellkollisionsrecht 25, 39 f., 42 „Kindersaugflaschen“ 196 Kollisionsrecht, Systematische Einordnung 25 ff. Kollisionsrecht des Gerichtsstandes 8 Kollisionsrechtliche Spürbarkeitsgrenze 222 Konventionsrecht 50 f., 77, 175 Lauterkeit des Handelsverkehrs und Grundfreiheiten 89 f. „loi uniforme“ 6, 172, 190 „lex loci protectionis“ 34, 79, 260 Marktauswirkungsprinzip 40 Marktordnungsrecht 35, 212, 217, 260
342
Internationales Wettbewerbsrecht
Marktortanknüpfung 26, 38, 84, 100, 104, 120, 143, 148 f., 152, 163, 177, 179, 191, 194, 212, 219, 221, 227, 231, 270 Marktortprinzip 36, 40 ff., 79, 83, 94, 101 f., 113, 132, 142, 148, 151 f., 185, 197, 213, 221, 227, 230, 239, 248, 255, 258 Marktortrecht 101, 103, 188, 215, 232 Marktverhaltensrecht 34, 260 „Mars“ 99 Meistbegünstigung 67 ff. Mengenmäßige Beschränkung 87 Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung 40 f. „Mithouard“-Entscheidung 95 Multistate-Delikte 219 ff., 226 Multistate-Werbung 220 ff., 227, 248 Multistate-Wettbewerb 187, 219 f., 226, 248 Nichtdiskriminierungsgrundsatz 67, 113 „Oosthoek“ 90 Ordre public-Vorbehalt 268, 271 Ort der Dienstleistung 158 Ort der wettbewerblichen Interessenkollision 25, 28, 213, 219, 238, 247, 254, 260 Par conditio concurrentium 231 Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) 52 ff., 64 ff., 70 ff., 80 f. Paris-Plus-Effekt 70 Produktbezogene Regeln (Grundfreiheiten) 89, 97, 99 Produkthaftung 165 Qualifikation 10, 21 f., 29, 31, 36 f., 141, 180, 182, 202, 212 Rabatte und Zugaben 251 Rechtsbruch 47, 251 ff. Richtlinie – richtlinienkonforme Auslegung 154 – 84/450/EWG über irreführende Werbung 158 – 2000/31 über den elektronischen Geschäftsverkehr, s. auch E-Commerce 123, 128, 144 f. – 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken 22, 45, 115, 126, 153, 207 – 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung 241 – 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste 83, 115, 117, 118 f., 121 ff., 128 f., 135, 177, 221, 247 Rom II-VO 6 f.,, 11, 14, 19, 21 ff., 29 ff., 38 ff., 51, 77, 83 f., 100, 110, 119, 130, 132, 139, 142, 147, 151 f., 157, 159 ff., 199 ff. Sachnormverweisung 14, 78, 267 Sachrecht 2, 4, 12 f., 17, 78, 85, 101, 105, 110, 112, 117, 130, 135 f., 138, 140 ff., 147 ff., 216, 227 Schleichwerbung 242 Schutzlandprinzip 25, 36, 79
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Schutzzweck des Lauterkeitsrechts 39, 185, 188, 263 Schutzzwecktrias 17, 21, 29, 46, 214, 240, 263 Sekundärrecht 8, 14, 36, 45, 50, 83 ff., 115 ff., 121, 130, 157 f., 174, 179, 207, 241 Sendelandprinzip 118, 121, 247 Spillover-effect 220 Spürbarkeit der Wettbewerbsmaßnahme 216, 219, 222 f., 225, 248 Staatsverträge 50, 52 ff., 59 f., 74 f. „Stahlexport“ 196 Telefonwerbung 242 Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs) 36, 38, 64 ff., 81 Ubiquitätsprinzip 191, 194 Unlautere Produktnachahmung 255 Unlauteres Wettbewerbsverhalten 54, 204, 205 ff., 208, 211, 222 Unzulässiges Einwirken 41, 217 Ursprungslandprinzip 76, 108, 115 Verbringungsland 110 Verdeckte Werbung 242 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 89 Verkaufsfördermaßnahmen 249 ff. Verkaufsmodalitäten 95 ff. Verordnungsrecht 51, 175 Versandhandel 96 Vertragskollisionsrecht/Vertragsstatut 44, 46 f., 230, 253, 258 Vertriebsbindungssysteme 256 ff. Vorbereitungshandlungen 23 f., 197, 246 Vorrang (EU-Recht) 8, 50, 77, 84, 141, 174, 175 Vorrang des Sekundärrechts 8, 84 f., 128, 130, 174 Warenverkehrsfreiheit – Beeinträchtigung 87, 89, 110, 112 – Dassonville-Formel 87 ff. – diskriminierende Maßnahmen 112 – Keck-Formel 95 ff. – Maßnahmen gleicher Wirkung 87 f., 97 – produktbezogene Regelungen 97 – Schutzbereich 86 ff. – Werbung 91 – Zwingende Erfordernisse 91 Werbebeschränkung 87, 96 Werbeexport 245 Werbeimport 245 Werbemarkt 243, 245 ff., 255 Wesentlichkeitsschwelle 225, 248 Wettbewerbsgleichheit 41, 231, 263 Wettbewerbskollisionsrecht 3 f., 6, 10 f., 14 f., 17, 25 ff., 39 f., 42, 46, 48 ff., 76, 82 f., 85, 100 f., 106, 141 f., 158 f., 173 f., 190 ff., 211, 215, 217, 219, 225, 231, 239, 257 f., 263, 268
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Einleitung Teil D.
Wettbewerbsstatut 3 f., 6, 10, 19 ff., 24, 31, 43 f., 46 f., 83, 85, 100, 110, 199, 207, 253 f., 258, 261 WIPO 80 f. Wirtschaftskollisionsrecht, siehe Wettbewerbskollisionsrecht Wortlaut (Auslegung des EU-Rechts) 133, 149, 181 f.
WTO-Übereinkommen 64 „Yves Rocher“ 91 Zielmarkt 213, 224, 248 Zweck (Auslegung des EU-Rechts) 182, 189 Zwingende Erfordernisse, siehe Warenverkehrsfreiheit
I. Das Internationale Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs: Einführung* 1. Allgemeines1 a) Aufgabe und Bedeutung des Internationalen Wettbewerbsprivatrechts. Wirtschaftliches Handeln in der heutigen Zeit weist zunehmend internationale Bezüge auf, weshalb auch wettbewerbsrechtliche Fragestellungen oftmals nicht auf das Inlandsterritorium begrenzt werden können. Die Vollendung des Binnenmarktes, die Globalisierung der Märkte, die Intensivierung des grenzüberschreitenden Handelsverkehrs sowie die verstärkte Liberalisierung des Welthandels2 führen vielmehr dazu, dass das Wettbewerbsrecht eine erhebliche internationale Dimension erlangt. Dies zeigt sich nicht nur im Bereich der Medien, in welchem die Ubiquität einer Internetwerbung, aber auch die grenzüberschreitende Werbung im Rundfunk oder im Rahmen eines oftmals weltumspannend vertriebenen Printmediums die Internationalität des wettbewerblichen Agierens besonders offenbar werden lassen, sondern auch in anderen Bereichen wirtschaftlichen Handelns. 2 Vergegenwärtigt man sich die bestehende Internationalität des modernen Wettbewerbs und nimmt die Akteure sowie deren Bedürfnisse in den Blick, so ist festzuhalten, dass grundsätzlich rechtliche Rahmenbedingungen wünschenswert sind, die ein vorhersehbares und verlässliches grenzüberschreitendes wettbewerbliches Handeln ermöglichen. Am besten geeignet wäre hierfür die Schaffung von weltweit geltendem Einheitsrecht.3 Zwar existieren multilaterale Übereinkommen sowie bilaterale Abkommen, die sich in Teilbereichen wettbewerbsrechtlichen Fragen widmen,4 die Entwicklung international einheitlichen Sachrechts ist im Bereich des Wettbewerbsrechts allerdings bei weitem nicht so vorangeschritten wie in anderen Rechtsbereichen. Und auch die auf europäischer Ebene initiierte Sachrechtsvereinheitlichung5 hat nur punktuell zu Harmonisierungen geführt und zeichnet sich nach wie vor noch durch eine gewisse Lückenhaftigkeit aus.6 Trotz unterschiedlicher Rechtsvereinheitlichungsbemühungen wird sich an diesem Rechtszustand auch in absehbarer Zeit wohl nichts ändern.7 1
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* Besonderer Dank gebührt an dieser Stelle meiner Mitarbeiterin Frau Dipl. iur. oec. Katja Aedtner, die mich bei der Recherche zu diesem Thema und der Überarbeitung des Textteils tatkräftig unterstützt hat. 1 Bearbeitungsstand: Juli 2012; Rechtsprechung und Literatur z.T. mit Bearbeitungsstand Oktober 2013. 2 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 155. 3 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 155; vgl. auch MünchKommBGB/Sonnenberger Einl. IPR Rn. 357 ff.; Kegel/Schurig IPR § 1 IX 2; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 37. 4 Abkommen, bei denen die Bundesrepublik Deutschland selbst Vertragsstaat wurde: Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ); Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS); Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Angaben vgl. Rn. 52 ff.; zu weiteren relevanten Abkommen, die aufgrund der Nichtdiskriminierungsklauseln in PVÜ und TRIPS für Deutschland relevant sein könnten, vgl. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 40 f. 5 Zum europäischen Wettbewerbsrecht siehe ausführlich Heinze. 6 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 43; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 423; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 155. 7 Ähnlich kritisch auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 43; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 7.
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Internationales Wettbewerbsrecht
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Vor diesem Hintergrund erlangt das Internationale Privatrecht des unlauteren Wett- 3 bewerbs, das sogenannte Wettbewerbskollisionsrecht,8 enorme Bedeutung. Dies gilt umso mehr, als die nationalen Rechtsordnungen im Bereich des Wettbewerbsrechts zum Teil erheblich voneinander divergieren.9 Das Wettbewerbskollisionsrecht hat insofern grundsätzlich die Aufgabe zu bestimmen, welche nationale Rechtsordnung auf Wettbewerbssachverhalte Anwendung findet, die Berührungspunkte zu einem anderen Staat haben (Feststellung des sog. Wettbewerbsstatuts). Unerheblich ist dabei, in welcher Hinsicht ein Auslandsbezug besteht. Eine Beziehung zu einer oder mehreren fremden Rechtsordnungen kann sich aus territorialen, personellen oder sonstigen Aspekten ergeben.10 Weist ein wettbewerblich relevantes Verhalten einen Auslandsbezug auf, so legt das 4 Wettbewerbskollisionsrecht mithin fest, welches nationale Wettbewerbsrecht auf den zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden ist. Das Kollisionsrecht selbst löst den Fall dabei nicht materiell, es ist selbst kein Sachrecht. Vielmehr bestimmt es lediglich den räumlichen Anwendungsbereich wettbewerbsrechtlicher Sachnormen,11 weshalb das Kollisionsrecht auch als Rechtsanwendungsrecht12 bezeichnet wird, welches der Anwendung des maßgeblichen materiellen Rechts (des Wettbewerbsstatuts) vorgeschaltet ist. Festgehalten werden kann folglich, dass das Wettbewerbskollisionsrecht eine be- 5 deutende Rolle einnimmt: Es dient dem reibungslosen Funktionieren des internationalen Wettbewerbs, es soll Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit rechtlicher Konsequenzen garantieren und nicht zuletzt soll es für internationale Entscheidungsgerechtigkeit sorgen.13 b) Thematische Fokussierung der Kommentierung. Internationales Wettbewerbs- 6 recht ist deshalb zuvorderst Internationales Wirtschaftsprivatrecht. 14 Aus diesem Grund werden sich die folgenden Ausführungen primär der Bestimmung der maßgeblichen Rechtsordnung, des sogenannten Wettbewerbsstatuts, widmen. In einem ersten Schritt sollen die Grundlagen des Internationalen Privatrechts gelegt sowie Funktion und Reichweite des Wettbewerbsstatuts geklärt werden. Danach wird eine Abgrenzung zu benachbarten Kollisionsrechten stattfinden. Im Abschnitt „Rechtsquellen“ werden sodann mögliche Kollisionsnormen im internationalen, europäischen oder autonomen deutschen Recht auf ihre Anwendbarkeit untersucht. Die Kommentierung wird sich dabei in verstärktem Maße den europäischen Vorgaben zuwenden und in einem letzten und zentralen Teil die Bestimmung des Wettbewerbsstatuts nach der seit 11.1.200915 geltenden Rom II-VO16 in das Zentrum der Ausführungen stellen.
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8 Zur Begrifflichkeit vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger Einl. IPR Rn. 3 ff. 9 Einen Überblick liefern Schricker, Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 234 ff. sowie Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 31 ff. 10 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 155. 11 Vgl. hierzu auch Art. 3 EGBGB, der feststellt, dass das Internationale Privatrecht über „das anzuwendende Recht bei Sachverhalten mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat“ Auskunft gibt. 12 Vgl. v. Bar/Mankowski § 1 Rn. 1 ff. 13 Kropholler IPR § 4 ff.; Kegel/Schurig IPR § 2. 14 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 3 stellt mit Blick auf die Begrifflichkeit des Internationalen Wettbewerbsrechts gar fest, dass sich dieses nicht auf die Sachnormen des internationalen Einheitsrechts bezieht. 15 Zum zeitlichen Anwendungsbereich der Rom II-VO vgl. Rn. 169; EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA; siehe zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Paolo Mengozzi v. 6.9.2011 auch Sujecki EuZW 2011, 815; sowie allgemein v. Hein ZEuP 2009, 6, 10 ff. 16 VO 2007/864/EG – ABl. EU L 199 v. 31.7.2007, S. 40 ff. („Rom II“); zur Vorgeschichte der Rom II-VO vgl. Rn. 161 ff.; MünchKommBGB/Junker Vorb. Art. 1 Rom II-VO Rn. 1 ff.
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Einleitung Teil D.
Diese hält mit Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO eine spezielle Regelung bereit, welche vorsieht, dass auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten nunmehr das Recht des Staates zur Anwendung kommt, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehung oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Sind ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers betroffen, findet nach Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO die allgemeine deliktsrechtliche Anknüpfungsregel des Art. 4 Rom II-VO Anwendung. Art. 6 Rom II-VO ist unmittelbar geltendes Recht (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und verdrängt in seinem Anwendungsbereich das nationale Wettbewerbskollisionsrecht.17 Da Art. 6 Rom II-VO nicht nur Binnensachverhalte regelt, die Kollisionsregel vielmehr als loi uniforme auch im Verhältnis zu Drittstaaten gilt18 und sie mithin universelle Geltung hat, ist Art. 6 Rom II-VO auch aus deutscher Sicht die zentrale Vorschrift für die Bestimmung des anwendbaren Rechts im Bereich des unlauteren Wettbewerbs. Der Anwendungsbereich des autonomen deutschen Rechts hat sich daher im Be7 reich des unlauteren Wettewerbsrechts drastisch reduziert, denn die Art. 40 ff. EGBGB haben nur noch für Altfälle Bedeutung, in denen die Rom II-VO intertemporal nicht anwendbar ist.19 Vor diesem Hintergrund wird Art. 6 Rom II-VO im Zentrum der Ausführungen stehen, während das autonome nationale Kollisionsrecht nur insofern in die Kommentierung einbezogen wird, als dies für das Verständnis der Materie zwingend erforderlich ist. Im Übrigen wird auf die Vorauflage20 und die existierenden umfangreichen Kommentierungen verwiesen.21 2. Die Grundlagen des Internationalen (Wettbewerbs-)Privatrechts 8
a) Rechtsquellen des Internationalen Privatrechts und deren Hierarchie. Wird ein deutsches Gericht in einem Fall mit Auslandsbezug angerufen, wendet es das Kollisionsrecht des Gerichtsstandes, das sog. lex fori, und damit sein eigenes Recht an.22 Rechtsquellen des Kollisionsrechts finden sich auf der Ebene des internationalen, europäischen und nationalen Rechts. 23 Staatsvertragliche Übereinkünfte, europäisches Primär- oder unmittelbar geltendes Sekundärrecht haben dabei Vorrang vor dem geltenden nationalen Kollisionsrecht.24
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17 Zum territorialen, zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Rom II-VO siehe Rn. 165 ff. 18 S. die universelle Anwendung der Rom II-VO in Art. 3 Rom II-VO; vgl. auch MünchKommBGB/Junker Vorb. Art. 38 EGBGB Rn. 14; ders. JZ 2008, 169, 170; v. Hein ZEuP 2009, 6, 15; ders. VersR 2007, 440, 443; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 9; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 724; G. Wagner IPRax 2008, 1, 4; ders. IPrax 2006, 372, 389 f. 19 Zum Streit um die zeitliche Anwendbarkeit der Rom II-VO siehe Rn. 169 sowie EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA; KG 1.6.2011 – 24 U 111/10 – WRP 2012, 102 Rn. 38; siehe zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Paolo Mengozzi v. 6.9.2011 auch Sujecki EuZW 2011, 815; zudem Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 154; v. Hein ZEuP 2009, 6, 10 f.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 37. 20 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 168 ff. 21 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 61 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 621 ff.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 236 ff.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 82 ff. 22 BGH 19.12.1958 – IV ZR 87/58 – BGHZ 29, 137, 139 = NJW 1959, 717, 718; BGH 14.6.1965 – GSZ 1/65 – BGHZ 44, 46, 50 = NJW 1965, 1665, 1666; BGH 28.11.2002 – III ZR 102/02 – BGHZ 153, 82, 86 = NJW 2003, 426, 427; hierzu s. auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 5; Kropholler IPR § 16 I; Staudinger/ Fezer/Koos IntWIR Rn. 41; Staudinger/Magnus Vorb. Art. 27-37 EGBGB Rn. 40 m.w.N. 23 v. Bar/Mankowski § 3 Rn. 1 ff. 24 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 4.
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Während bei völkerrechtlichen Übereinkommen grundsätzlich ein deutsches Vertragsgesetz zur Umsetzung erforderlich ist, ergibt sich der Anwendungsvorrang25 des Unionsprimärrechts sowie des unmittelbar geltenden Gemeinschaftssekundärrechts schon kraft genuin unionsrechtlichen Geltungswillens26 und somit aus allgemeinen Grundsätzen der Rechtsquellenhierarchie.27 Art. 3 EGBGB legt die Prüfungsreihenfolge in Fällen mit Auslandsbezug daher 9 (deklaratorisch) folgendermaßen fest: Innerstaatliches Recht findet nur Anwendung, sofern 1. weder unmittelbar anwendbare Regelungen der Europäischen Gemeinschaft in ihrer jeweils geltenden Fassung, insbesondere a) die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 40), b) die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6) sowie c) der Beschluss des Rates vom 30. November 2009 über den Abschluss des Haager Protokolls vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. L 331 vom 16.12.2009, S. 17) oder 2. Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, einschlägig sind. Nationales geschriebenes bzw. ungeschriebenes Recht kommt mithin erst dann zur Anwendung, wenn sich im internationalen oder europäischen Recht keine unmittelbar anwendbare Kollisionsnorm finden lässt.28 b) Die Methode der Qualifikation. Maßgeblich für die Lösung eines Falles mit Aus- 10 landsbezug ist das Auffinden der richtigen Kollisionsnorm, also der Norm, welche das anwendbare materielle Recht für die konkrete Sachverhaltskonstellation bestimmt. Als Qualifikation bezeichnet man dabei den Vorgang der Subsumtion einer konkreten Rechtsfrage unter die für den Sachverhalt maßgebliche Kollisionsnorm des Internationalen Privatrechts.29 Im Rahmen der Qualifikation, d.h. bei der Anwendung und Auslegung von Kollisionsnormen, kann sich die Frage stellen, welches Recht über die inhaltliche Definition und Abgrenzung der darin enthaltenen Systembegriffe entscheidet. Die h.M. im deutschen Schrifttum30 sowie die Rechtsprechung31 gehen davon aus, dass die Qualifikation grundsätzlich nach der lex fori zu erfolgen hat.
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25 Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gilt umfassend, was bedeutet, dass das Unionsrecht dem mitgliedstaatlichen Recht auf jeder Regelungsebene vorgeht, siehe hierzu die Rechtssache EuGH 9.3.1978 – C-106/77 – Slg. 1978, 629 Tz. 16 – Simmenthal, in welcher der Gerichtshof feststellt, dass „jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar“ ist. Folge des Anwendungsvorrangs ist die Nichtanwendung des nationalen Rechts im Falle eines Konfliktes. Mit Blick auf das Zivilrecht muss die Norm des Unionsrechts jedoch unmittelbar anwendbar sein. Siehe in diesem Kontext auch EuGH 19.6.1990 – C-213/89 – Slg. 1990, I-2433 Tz. 19 ff. – Factortame; EuGH 15.7.1964 – 6/64 – Slg. 1964, 1251, 1269 – Costa; EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 65 – Einheitliches Patentgerichtssystem sowie die 17. Erklärung zum Vorrang als Teil der Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat, ABl. EU C 115 v. 9.5.2008, S. 344. 26 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 44. 27 Vgl. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 40; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 4. 28 Vgl. hierzu ausführlich Rn. 50 ff.; Staudinger/Hausmann Art. 3 EGBGB Rn. 13 ff. 29 MünchKommBGB/Sonnenberger Einl. IPR Rn. 481; Kropholler IPR § 15 I 1; vgl. hierzu ausführlich v. Bar/Mankowski § 7 Rn. 138 ff. 30 S. nur Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 5; Kropholler IPR § 16 I; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 41; Staudinger/Magnus Vorb. Art. 27–37 EGBGB Rn. 40 m.w.N.
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Die lex fori bestimmt mithin die Reichweite des Wettbewerbsstatuts.32 Dies bedeutet, dass in Fällen, in denen ein deutsches Gericht über einen Rechtsstreit mit Auslandsbezug entscheidet, im Grundsatz deutsches Recht für die Qualifikation der Tatbestandsmerkmale einer Kollisionsnorm maßgeblich ist. Hiervon gibt es jedoch eine wichtige Ausnahme, die insbesondere im Wettbewerbskollisionsrecht besondere Relevanz erlangt: Handelt es sich nämlich um eine unmittelbar anwendbare Kollisionsnorm des internationalen oder europäischen Rechts, so muss eine autonome an Sinn und Zweck des internationalen oder europäischen Regelungswerks ausgerichtete Auslegung erfolgen.33 11 Mit Blick auf das vereinheitlichte europäische Wettbewerbskollisionsrecht bedeutet dies, dass die maßgeblichen Anknüpfungsgegenstände in Art. 6 Rom II-VO autonomunionsrechtlich sowie funktional34 ausgelegt werden müssen.35 Dies heißt beispielsweise, dass in einem Fall, in dem die Zulässigkeit von wettbewerblichem Verhalten mit Auswirkungen auf die Interessen der Marktbeteiligten zur Beurteilung ansteht, Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO die maßgebliche Anknüpfungsnorm ist, unabhängig davon, ob das nationale Recht das Verhalten wettbewerbsrechtlich oder deliktsrechtlich einordnet.36 c) Rück- und Weiterverweisung. Nach Art. 4 Abs. 1 Hs. 1 EGBGB umfasst das mit Hilfe des Kollisionsrechts ermittelte Recht nicht nur das Sachrecht der berufenen Rechtsordnung, sondern auch deren Internationales Privatrecht. Das deutsche EGBGB geht mithin vom Prinzip der Gesamtverweisung aus.37 Dies bedeutet, dass das Sachrecht der zunächst ermittelten ausländischen Rechtsordnung (das Recht der lex causae) nur Anwendung findet, wenn diese die Verweisung „annimmt“, wenn sie also die Verweisungsbegriffe ebenso qualifiziert und dieselben Anknüpfungsmomente verwendet, wie das inländische Recht. Bestehen jedoch Unterschiede, kann es im Rahmen einer Gesamtverweisung auch zu einer Weiter- oder Rückverweisung kommen. Im Falle einer Weiterverweisung, wenn also das zunächst ermittelte Recht auf eine 13 dritte Rechtsordnung verweist, finden deren Rechtsnormen Anwendung. Die Frage, ob es sich bei dieser erneuten (Weiter)Verweisung ebenfalls um eine Gesamtverweisung handelt, oder ob nur die Normen des Sachrechts unter Ausschluss der Regeln des Internationalen Privatrechts berufen sind, bestimmt sich dabei aus der Sicht der Rechtsordnung, welche die Weiterverweisung angeordnet hat.
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31 BGH 19.12.1958 – IV ZR 87/58 – BGHZ 29, 137, 139 = NJW 1959, 717, 718; BGH 14.6.1965 – GSZ 1/65 – BGHZ 44, 46, 50 = NJW 1965, 1665, 1666; BGH 28.11.2002 – III ZR 102/02 – BGHZ 153, 82, 86 = NJW 2003, 426, 427. 32 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 390; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 5. 33 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 390; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 5 f.; vgl. auch Mankowski GRUR Int. 2005, 634, 636; Sack WRP 2008, 845, 846. 34 Leitgedanke jeglicher Auslegung muss es dabei sein, der konkreten Norm größtmögliche Wirksamkeit zu verschaffen („effet utile“), EuGH 9.3.2006 – C-174/05 – Slg. 2006, I-2443 Tz. 20 – ZuidHollandse Milieufederatie und Natuur en Milieu; bereits EuGH 15.7.1963 – 34/62 – Slg. 1962, 289, 318 – Kommission/Deutschland. 35 Sack WRP 2008, 845, 846. Dies bedeutet, dass „die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten“, EuGH (Große Kammer) 18.10.2011 – C-34/10 – GRUR 2011, 1104 Tz. 25 – Brüstle m. Anm. Feldges; EuGH 7.12.2006 – C-306/05 – Slg. 2006, I-11543 = GRUR 2007, 225 Tz. 31 – SGAE; EuGH 30.6.2011 – C-271/10 – GRUR 2011, 913 Tz. 25 – VEWA; EuGH 14.12.2006 – C-316/05 – Slg. 2006, I-12083 = GRUR 2007, 228 Tz. 21 – Nokia; Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 3.2.2011 – C-122/10 – Tz. 24 – Ving Sverige; siehe bereits EuGH 19.3.1964 – 75/63 – Slg. 1964, 379, 396 – Unger. 36 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 119. 37 Siehe Staudinger/Hausmann Art. 4 EGBGB Rn. 47.
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Kommt es hingegen zu einer Rückverweisung, ordnet Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB die Anwendung deutschen Sachrechts an. Die Verweisungskette wird mithin unterbrochen. Widerspricht die Anwendung des ausländischen Kollisionsrechts dem Sinn der Verweisung, so bleibt es nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EGBGB bei dem zuvor festgestellten Recht (wie beispielsweise im Falle einer Rechtswahl der Parteien, Art. 4 Abs. 2 EGBGB). Nach der bisherigen Rechtsprechung wurden Rück- und Weiterverweisungen jedoch 14 im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts mit Blick auf die diesem Rechtsgebiet zugrunde liegende marktorientierte sowie spezielle Schutz- und Gerechtigkeitsgedanken implizierende Anknüpfung abgelehnt.38 Und auch bei den Kollisionsnormen des europäischen Sekundärrechts handelt es sich in der Regel um Sachnormverweisungen, da nur so der Zweck der Kollisionsrechtsvereinheitlichung erfüllt werden kann.39 Für das hier in Frage stehende Wettbewerbskollisionsrecht schließt jedenfalls Art. 24 Rom II-VO Weiterverweisungen ausdrücklich aus. Dies bedeutet, dass die maßgebliche europäische Kollisionsnorm für den unlauteren Wettbewerb, Art. 6 Rom II-VO, auf die in einem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss der Normen des Internationalen Privatrechts verweist. 3. Funktion des Internationalen (Wettbewerbs-)Privatrechts. Das Wettbe- 15 werbskollisionsrecht ist primär genuin internationalprivatrechtlichen Interessen verpflichtet.40 Kollisionsrechtliche Regelungen müssen daher in erster Linie Rechtssicherheit gewährleisten, d.h. sie müssen klar formuliert, vorhersehbar und einfach zu handhaben sein. Insbesondere haben die Parteien eines Rechtsstreits ein Interesse daran, nicht mit völlig unerwarteten Rechtsordnungen und rechtlichen Vorgaben konfrontiert zu werden.41 Darüber hinaus sollen kollisionsrechtliche Normen internationalen Entscheidungseinklang gewährleisten und damit sicherstellen, dass die erzielten Ergebnisse – unabhängig vom gewählten Forum – einheitlich sind.42 Ziel kollisionsrechtlicher Normen muss es darüber hinaus sein, ein aus Sicht des In- 16 ternationalen Privatrechts faires Ergebnis sowie Gerechtigkeit zwischen den involvierten Parteien zu erreichen.43 Dies ist der Grund, weshalb im Einzelfall die Anwendung fremden Rechts einer Anwendung des nationalen Rechts vorzuziehen ist.44 Eine Kollisionsnorm muss daher grundsätzlich dem Ziel verpflichtet sein, diejenige Rechtsordnung zu berufen, die die engste Verbindung zum zugrunde liegenden Rechtsverhältnis hat.45 Ausgangspunkt darf folglich nicht die territoriale Geltung des eigenen Rechts, sondern muss vielmehr die Natur des Rechtsverhältnisses oder der betroffenen Rechtsfrage sein. Ausgehend von einem kollisionsrechtlichen Ideal ist daher möglichst die Rechtsordnung zu berufen, die nach objektiven und abstrakten Kriterien eine bestimmte Rechtsfrage am angemessensten löst.46
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38 Siehe hierzu ausführlich Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 11 m.w.N. 39 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 9; Staudinger/Hausmann Art. 4 EGBGB Rn. 146; Bamberger/ Roth/Spickhoff Art. 24 Rom II-VO Rn. 1. 40 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 23. 41 Kropholler IPR § 5 I 2. 42 Der sogenannte Entscheidungseinklang ist ein „formales Ideal“ des Internationalen Privatrechts und findet seine Basis im allgemeinen Gleichheitssatz; s. Kropholler IPR § 6 I. 43 Kegel/Schurig IPR § 2 I. 44 Siehe hierzu auch Kropholler IPR § 1 II 2, § 4 I. 45 MünchKommBGB/Sonnenberger Einl. IPR Rn. 19; Kropholler IPR § 4 II 1. 46 Kropholler IPR § 4 II 1. Entscheidend ist dabei jedoch nicht, ob die Rechtsordnung das materiellrechtlich beste Ergebnis liefert – das Kollisionsrecht geht vielmehr von der Gleichwertigkeit der
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Einleitung Teil D.
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Allerdings hat eine Kollisionsnorm nicht nur Verkehrs- und Ordnungsinteressen sowie das Ideal des Entscheidungseinklangs zu berücksichtigen, vielmehr finden auch materiell-rechtliche Wertungen des Sachrechts bei der Normenbildung und Normeninterpretation Beachtung.47 Zwar kann das Kollisionsrecht nicht dazu dienen, materiellrechtliche Wertungen unmittelbar umzusetzen – insbesondere muss vermieden werden, dass im Kollisionsrecht partikulare Staatsinteressen durchgesetzt werden48 – auf der Ebene des Internationalen Privatrechts kann jedoch eine Gewichtung der involvierten Interessen und die Implementierung materieller Wertungen durch die Akzentuierung bestimmter Anknüpfungsmomente vorgenommen werden. Im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts muss daher insbesondere die das moderne Wettbewerbsrecht prägende Schutzzwecktrias49 bei der Suche nach dem räumlich besten Recht und somit bei der Bestimmung des relevanten Anknüpfungsmoments Beachtung finden. Als Anknüpfungsmomente dienen dabei die typischen und prägenden Merkmale ei18 nes bestimmten Lebenssachverhaltes, die auf eine enge Verbindung zu der Rechtsordnung eines bestimmten Staates hindeuten, wobei die konkrete Bezeichnung der jeweiligen Anknüpfungsmomente maßgeblich von der Eigenart des zu regelnden Rechtsgebietes abhängt.50 Der gewählte Referenzpunkt soll im Ergebnis garantieren, dass in der Regel das Recht mit der engsten Verbindung zu einer bestimmten Sachverhaltskonstellation Anwendung findet.51 Die Bestimmung des zentralen anknüpfungsrelevanten Schwerpunktes eines Rechtsgeschehens ist daher von entscheidender Bedeutung. In Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO hat sich der europäische Gesetzgeber im Grundsatz dafür 19 entschieden, an den Marktort52 anzuknüpfen – also an das Gebiet, auf dem die Wettbewerbsbeziehung oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden.53 Damit wurde der Verordnung ein Anknüpfungspunkt zugrunde gelegt, der im deutschen Recht auch schon bisher für die Bestimmung des Wettbewerbsstatuts maßgeblich war,54 und der sich in der Vergangenheit als geeigneter Referenzpunkt bewährt hat.55
_____ Rechtsordnungen aus und versucht das Recht zu bestimmen, das am „nächsten dran ist“. Bei der Suche nach geeigneten Anknüpfungspunkten können materiell-rechtliche Erwägungen jedoch durchaus Bedeutung erlangen. 47 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 392. Allerdings ist zu betonen, dass materielle Erwägungen und partikulare Staatsinteressen auf der Ebene des Kollisionsrechts grundsätzlich als nachrangig angesehen werden müssen. Vgl. hierzu auch Klass GRUR Int. 2008, 546, 550. 48 Klass GRUR Int. 2008, 546, 550. 49 Siehe hierzu ausführlich Rn. 21 ff., 214 ff.; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 22 ff. 50 Palandt/Thorn Einl. vor Art. 3 EGBGB Rn. 21. 51 Vgl. Kropholler IPR § 4 II; MünchKommBGB/Sonnenberger Einl. IPR Rn. 657. 52 Siehe hierzu ausführlich Rn. 211 ff. 53 Siehe hierzu ausführlich Rn. 213. 54 BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck; BGH 20.12.1963 – Ib ZR 104/62 – BGHZ 40, 391, 395 = GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport m. Anm. Hoepffner; BGH 23.10.1970 – I ZR 86/69 – GRUR 1971, 153, 154 – Tampax m. Anm. Droste; BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 14 = GRUR 1991, 463, 464 – Kauf im Ausland; BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 Tz. 25 – Arzneimittelwerbung im Internet; BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 10 – Ausschreibung in Bulgarien; s. nur Palandt/Heldrich Art. 40 EGBGB Rn. 11; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 15; Lindacher GRUR Int. 2008, 453, 454 f.; Dethloff NJW 1998, 1596, 1599; Sack WRP 2000, 269, 272. 55 Zur ausführlichen Bewertung der Marktortanknüpfungen und ihren Implikationen vgl. Rn. 211 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 443 ff.
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4. Die Reichweite des Wettbewerbsstatuts a) Bestimmung der Reichweite im Allgemeinen. Die Reichweite des Wettbe- 20 werbsstatuts bestimmt sich, wie schon oben erwähnt,56 im Grundsatz nach der lex fori. Das bedeutet, dass das in Altfällen nach autonomem Recht zu bestimmende Wettbewerbsstatut alle geschäftlichen Handlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG57 sowie aufgrund einer funktionalen Betrachtung auch jene Handlungen umfasst, die zwar nicht einem grundsätzlichen Verbot durch das UWG unterliegen, aber in qualitativer Hinsicht dem Wettbewerb dienen und zum Teil in Nebengesetzen geregelt sind.58 Die Festlegung der Reichweite des nach Art. 6 der Rom II-VO zu bestimmenden 21 Wettbewerbsstatuts hat hingegen autonom gemeinschaftsrechtlich zu erfolgen, was bedeutet, dass sich eine funktionale Qualifikation an der durch den Gemeinschaftsgesetzgeber in Erwägungsgrund 21 der Rom II-VO59 niedergelegten Schutzzwecktrias zu orientieren hat.60 Im Ergebnis sind daher diejenigen privatrechtlichen Normen als wettbewerbliche Normen zu qualifizieren, die das Verhalten am Markt zum Schutz der Wettbewerber, der Verbraucher oder der Allgemeinheit regeln.61 Mankowksi hat im Rahmen der in der Entwurfsdiskussion entstandenen Qualifika- 22 tionsdebatte in Anlehnung an die Definition der Geschäftspraktiken in Art. 2 lit. d der Lauterkeitsrichtlinie62 folgende Definition vorgeschlagen: „Außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entstanden sind, betreffen alle Handlungen, Unterlassungen, Verhaltensweisen oder Erklärungen, kommerzielle Mitteilungen einschließlich Werbung und Marketing, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung von Leistungen oder mit der Nachfrage nach Leistungen zusammenhängen.“63 Allerdings kann diese Definition nicht als abschließend angesehen werden, wie auch Mankowski selbst inzwischen betont,64 vielmehr ist der Begriff der Wettbewerbshandlung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Rom II-VO weiter zu verstehen als derjenige der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, welche nur eine Teilregelung vornimmt.65 b) Orte indirekter Schadensfolgen und Vorbereitungshandlungen. Art. 6 Abs. 1 23 Rom II-VO ist eine Präzisierung von Art. 4 Rom II-VO.66 Bei der Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO kann daher auf die Regelung des Art. 4 Rom II-VO und die dieser Norm
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56 S. Rn. 10; vgl. allgemein zur Frage der Qualifikation Rn. 180 ff. 57 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 390. 58 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 390; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 115. 59 VO 2007/864/EG – ABl. EU L 199 v. 31.7.2007, S. 41. 60 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 390; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 25; Mankowski GRUR Int. 2005, 634, 636, der betont, dass man diese Anforderungen mit einer „funktionalen, zweckbezogenen und rechtsvergleichend von einzelnen Rechtsordnungen abstrahierenden Qualifikation in optimaler Weise“ erfüllt. 61 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 7. 62 RL 2005/29/EG – ABl. EG L 149 v. 11.5.2005, S. 22 ff. 63 Mankowski GRUR Int. 2005, 634, 637. 64 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 13a. 65 Siehe hierzu ausführlich MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 111 sowie Erwägungsgrund 8 der RL 2005/29/EG – ABl. EG L 149 v. 11.5.2005, S. 22 ff., in welchem ausdrücklich festgestellt wird, dass es selbstverständlich auch „andere Geschäftspraktiken“ gibt, „die zwar nicht den Verbraucher schädigen, sich jedoch nachteilig für die Mitbewerber und gewerblichen Kunden auswirken können“, so wie beispielsweise bilaterale Geschäftspraktiken, welche von Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO erfasst werden. Zur Defintion des Begriffs der Wettbewerbshandlung im Sinne der Rom II-VO siehe zudem Rn. 205 ff. 66 Vgl. Erwägungsgrund 21 der Rom II-VO.
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zugrunde liegenden Erwägungen zurückgegriffen werden.67 Nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, „in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.“ Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass Orte indirekter Schadensfolgen unerheblich sind.68 Keine kollisionsrechtliche Relevanz haben auch Orte, an denen Vorbereitungs24 handlungen vorgenommen wurden sowie sonstige Maßnahmen, die sich im Vorfeld des Marktauftritts abspielen.69 Diese werden vom Wettbewerbsstatut nicht erfasst, da in diesen Fällen noch keine Markteinwirkung stattfindet.70 Unerheblich ist aber beispielsweise ebenfalls der Ort des Absendens eines irreführenden Werbeschreibens.71 Und auch das bloße Herstellen einer Nachahmung unterfällt nicht dem Wettbewerbsstatut, sondern ist dem allgemeinen Deliktsstatut zu unterstellen,72 da es während des Herstellungsprozesses aufgrund des rein betriebsinternen Vorgangs noch nicht zu einer Interessenkollision auf dem Markt kommt.73 5. Systematische Einordnung des Wettbewerbskollisionsrechts 25
a) Einleitung. Auch wenn durchaus funktionelle Verflechtungen zwischen den Gebieten des internationalen Wettbewerbs-, Kartell- und Immaterialgüterrechts bestehen, so existiert nach wohl noch hM aktuell kein einheitliches internationales Wirtschaftskollisionsrecht,74 das diese Bereiche einer einheitlichen Anknüpfung unterstellt. Vielmehr besteht nach wie vor eine konzeptionelle Trennung mit der Konsequenz, dass im Kartellkollisionsrecht das Auswirkungsprinzip75 und im Immaterialgüterkollisionsrecht das auf territorialen Gedanken beruhende Schutzlandprinzip76 maßgeblich ist, während im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts – wie noch ausführlich dargelegt werden wird – eine Anknüpfung an den Marktort, verstanden als den Ort der wettbewerblichen Interessenkollision, vorgenommen wird.77 b) Abgrenzung zum Internationalen Deliktsrecht
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aa) Wettbewerbskollisionsrecht als Teilgebiet des Internationalen Deliktsrechts. Wettbewerbskollisionsrecht bildet nach traditionellem Verständnis ein Teilge-
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67 Sack WRP 2008, 845, 847; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 134. 68 Sack WRP 2008, 845, 847; ders. GRUR Int. 2012, 601, 602; Glöckner WRP 2011, 137, 140. 69 Siehe hierzu auch unten Rn. 197, 246. 70 So im Ergebnis auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 391; Sack WRP 2008, 845, 847; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 116 f.; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 208; So auch schon der BGH mit Blick auf das autonome deutsche Recht: BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 334 ff. = GRUR 1962, 243, 245 f. – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck; BGH 20.12.1963 – Ib ZR 104/62 – BGHZ 40, 391, 395 f. = GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport m. Anm. Hoepffner; BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 15 = GRUR 1991, 463, 464 f. – Kauf im Ausland; BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland. 71 Sack WRP 2008, 845, 847. 72 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 391; Sack WRP 2008, 845, 847. Siehe hierzu auch Rn. 255. 73 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 116; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 391. 74 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 392. 75 Vgl. hierzu Rn. 39 ff. 76 Vgl. hierzu Rn. 33 ff. 77 Dies ist in der Regel der Ort, an dem auf die Marktgegenseite eingewirkt wird, denn dort soll nicht nur unlauteres Konkurrenzverhalten verhindert werden – auf diesen Ort bezieht sich auch das Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb und das Interesse potentieller Kunden, als Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerbsverhalten geschützt zu werden, Sack WRP 2008, 845, 846.
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biet des Internationalen Deliktsrechts.78 Insofern findet sich im Kollisionsrecht eine Entsprechung der im materiellen Recht vorherrschenden Auffassung, wonach das Wettbewerbsrecht als Sonderdeliktsrecht angesehen werden muss.79 Zwar existieren in Deutschland für das Recht des unlauteren Wettbewerbs keine geschriebenen, speziell wettbewerbsrechtlichen Kollisionsregeln – herkömmlicherweise wurde das Wettbewerbskollisionsrecht aber dem Kollisionsrecht der unerlaubten Handlung zugeordnet.80 Noch im Zuge der IPR-Reform des Jahres 1999 ging der deutsche Gesetzgeber mit Blick auf das Wettbewerbskollisionsrecht vom Fortbestehen der richterrechtlich entwickelten Marktortanknüpfung aus und vertrat die Ansicht, dass wettbewerbsrechtliche Konstellationen über eine Anknüpfung an die allgemeinen deliktsrechtlichen Normen der Art. 40 ff. EGBGB angemessen zu lösen seien.81 Das auf den unlauteren Wettbewerb anzuwendende Recht war im Grundsatz mithin 27 das Recht des Begehungsortes (Tatort, lex loci delicti commissi), wobei sowohl der Handlungsort (Ort, an dem die tatbestandsmäßige Handlung vorgenommen wurde) als auch der Erfolgsort (Ort, an dem der tatbestandsmäßige Verletzungserfolg eingetreten ist) maßgeblich sein konnten.82 Die Anbindung an das Internationale Deliktsrecht wurde jedoch vielfach kritisiert83 und es wurde eine Loslösung von diesem gefordert,84 da sich insbesondere das Ubiquitätsprinzip85 mit seiner wahlweisen Anknüpfung an den Handlungs- oder den Erfolgsort nicht mit der im Wettbewerbsrecht erforderlichen Berücksichtigung von Drittinteressen vertrage.86 Zudem wurde argumentiert, eine schlichte Übernahme der Tatortregel gerate mit dem wettbewerblichen Prinzip der Chancengleichheit aller Wettbewerber auf dem Markt (par conditio concurrentium) in Konflikt.87 Darüber hinaus wurde die Forderung nach einer eigenständigen und vom Deliktsstatut unabhängigen Anknüpfung ebenfalls damit begründet, dass sich der Wandel der Schutzrichtung des materiellen Wettbewerbsrechts auch auf der kollisionsrechtlichen
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78 Grundlegend die Entscheidung BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 f. = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck, in welcher das Gericht das Marktortprinzip etablierte und feststellte, dass das Recht der ausländischen Märkte Anwendung findet, auf welchen das nachgeahmte Produkt mit denen des Klägers in Wettbewerb tritt, selbst wenn der Vertrieb von Deutschland ausgeht. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 36; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 1; Höder S. 27; Schricker Einf. Rn. 85. 79 Köhler GRUR 2003, 265, 267; Reichold AcP 193 (1993) 204, 221; Harte/Henning/Ahrens Einl. F Rn. 120 ff.; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 36 sprechen insoweit von einer „unzutreffenden Übernahme materiellrechtlicher Kategorisierungen auf die Kollisionsrechtsebene“. Siehe hierzu auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 393 f. 80 Siehe etwa Ahrens FS Tilmann, S. 739, 747; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 14; K. Troller S. 27 ff. Zum autonomen Wettbewerbskollisionsrecht siehe auch Rn. 190 ff.; ausführlich Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 61 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 621 ff.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 236 ff.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 82 ff. 81 Siehe hierzu Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21.5.1999, BGBl I S. 1026 sowie die Begründung RegE BTDrucks. 14/343, S. 10. 82 Zur Konkretisierung des Begehungsortes im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts durch die Rechtsprechung siehe auch Rn. 193. 83 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 36 ff.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 10; Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 1985, 104, 107; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 168. 84 Vgl. hierzu statt vieler Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 194. 85 Zum im internationalen Deliktsrecht vorherrschenden Ubiquitätsprinzip, vgl. Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 5. 86 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 397. 87 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 63; Lindacher WRP 1996, 645, 647.
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Ebene widerspiegeln müsse:88 Denn während das Deliktsrecht das anwendbare Recht für den Ausgleich eines in einem Zweipersonenverhältnis erlittenen Schadens beruft und dem Schutz individueller Interessen dient, sei das Wettbewerbsrecht den Schutzinteressen aller Marktteilnehmer verpflichtet.89 Dies erfordere eine Loslösung vom Deliktsrecht und eine originär wettbewerbskollisionsrechtliche Anknüpfung.90 Die Gerichte reagierten in der Folgezeit auf diese Kritik91 und gaben den typischen 28 wettbewerbsrechtlichen Konflikten und der mehrdimensionalen Interessenlage des Wettbewerbsrechts im Richterrecht ausreichend Raum,92 was im Laufe der Zeit tatsächlich zu einer weitgehenden Ablösung und Emanzipation des Wettbewerbskollisionsrechts vom Internationalen Deliktsrecht führte.93 In der Folge wurde der Begehungsort in der Rechtsprechung des BGH94 in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre95 nicht mehr im Sinne des klassischen Handlungs- oder Erfolgsortes verstanden, sondern als Ort der wettbewerblichen Interessenkollision.96 Trotz der im Ausgangspunkt engen Verbindung mit dem Deliktsstatut ging das Wettbewerbskollisionsrecht in der deutschen Rechtstradition mithin eigene Wege – eine vollständige Loslösung von der deliktsrechtlichen Verankerung fand jedoch nicht statt.97 Und auch der europäische Gesetzgeber hat mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 der Rom II29 VO eine ausdrückliche deliktsrechtliche Sonderanknüpfung geschaffen.98 In Erwägungsgrund 21 der Rom II-VO wird dementsprechend ausgeführt, dass Art. 6 Rom II-VO keine Ausnahme von der allgemeinen Anknüpfungsregel in Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO darstelle, sie vielmehr als eine „Präzisierung“ derselben zu verstehen sei.99 Zwar lässt Art. 6 Rom II-VO den Streit um die angemessene Verankerung des Wettbewerbsdeliktsrechts im autonomen deutschen Recht in den Hintergrund treten,100 jedoch bestehen die im Rahmen der deutschen Diskussion vorgebrachten dogmatischen
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88 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 63. 89 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 37; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 397. 90 Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 127 a.E. 91 Vgl. hierzu BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 f. = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck. 92 Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. ausführlich Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 182 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 443 ff. 93 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 168; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 36. 94 Zum bisherigen deutschen Recht siehe BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck; BGH 20.12.1963 – Ib ZR 104/62 – BGHZ 40, 391, 395 = GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport m. Anm. Hoepffner; BGH 23.10.1970 – I ZR 86/69 – GRUR 1971, 153, 154 – Tampax m. Anm. Droste; BGH 13.5.1977 – I ZR 115/75 – BGH 13.5.1977 – I ZR 115/75 – GRUR 1977, 672, 673 – Weltweit-Club; BGH 11.3.1982 – I ZR 39/78 – GRUR 1982, 495, 497 – Domgarten-Brand; BGH 4.6.1987 – I ZR 109/85 – GRUR 1988, 453, 454 – Champagner unter den Mineralwässern; BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 14 = GRUR 1991, 463, 464 – Kauf im Ausland; BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland; BGH 14.5.1998 – I ZR 10/96 – GRUR 1998, 945, 946 – CoVerlagsvereinbarung; BGH 13.5.2004 – I ZR 264/00 – GRUR 2004, 1035, 1036 – Rotpreis-Revolution; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 Tz. 25 – Arzneimittelwerbung im Internet; BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 10 – Ausschreibung in Bulgarien. 95 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 68; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 2. 96 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 184; Sack WRP 2008, 845, 846. 97 Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 910. 98 Zu einer möglichen Kollision von wettbewerbsrechtlichen und deliktsrechtlichen Ansprüchen siehe MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 119. 99 Vgl. auch die noch weitreichendere Entwurfsvorschrift des Art. 7 Abs. 1, welche insgesamt eine deliktsrechtliche Anknüpfung favorisierte. 100 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 36.
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Bedenken101 auch gegenüber der europäischen Regelung. Denn auch diese sieht sich grundsätzlich der Schutzzwecktrias des Wettbewerbsrechts verpflichtet und bezweckt neben einem Schutz der Wettbewerber auch den Schutz der Verbraucher und der Öffentlichkeit.102 Gerade die europäisch-geprägte Entwicklung des Wettbewerbsrechts zu einem Recht der Marktordnung und Marktkommunikation,103 das vor allem die kollektiven Interessen der Marktteilnehmer im Blick hat, spricht daher gegen eine deliktische Qualifikation des Wettbewerbsrechts.104 Die konzeptionelle Andersartigkeit des Wettbewerbsrechts zeigt sich auch auf 30 europäischer Ebene, weshalb gegen die in der Rom II-VO vorgenommene formale Einordnung des Wettbewerbskollisionsrechts in das internationale individualrechtlich geprägte Deliktsrecht auf den ersten Blick ebenfalls Bedenken bestehen müssen.105 Allerdings macht die Regelung des Art. 6 Rom II-VO auf den zweiten Blick deutlich, dass sich der europäische Gesetzgeber der Andersartigkeit durchaus bewusst war: Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO stellt ausdrücklich klar, dass primär auf die involvierten Kollektivinteressen abzustellen ist.106 Eine individualrechtlich geprägte deliktische Sichtweise wurde mithin vermieden, weshalb durchaus davon gesprochen werden kann, dass sich das europäische Wettbewerbskollisionsrecht zwar nicht formal, doch aber sachlich hinreichend von seinen deliktischen Wurzeln gelöst hat.107 Hierdurch wird es der modernen Konzeption des europäischen Wettbewerbsrechts, welches neben den Individualinteressen der Wettbewerber primär dem Schutz der Wettbewerbsbeziehungen im Interesse der Allgemeinheit sowie der Verbraucher dient, und gleichzeitig auch dem Schutz des unverfälschten Wettbewerbs im Sinne von § 1 UWG gerecht.108 bb) Die Kollision von Wettbewerbs- und Deliktsstatut. Eine Handlung kann 31 grundsätzlich deliktsrechtliche als auch wettbewerbsrechtliche Schutznormen verletzen, wie etwa im Falle der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder im Falle einer sittenwidrigen Schädigung. Aus diesem Grund muss das Verhältnis zwischen Wettbewerbsstatut und Deliktsstatut, insbesondere in Kollisionsfällen, geklärt werden. Grundsätzlich gilt, dass eine echte Kollision von deliktsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen aufgrund der im Rahmen der Rom II-VO vorzunehmenden funktionalen Qualifikation109 jedenfalls dann nicht besteht, sofern es um die Beurteilung von Verhaltensweisen zu Wettbewerbszwecken mit Auswirkungen auf die kollektiven Interessen der Verbraucher oder sonstiger Marktbeteiligter geht. Denn in diesen Konstellationen ist allein nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO anzuknüpfen, und zwar unab-
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101 Siehe hierzu Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 392 ff.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 1 ff. 102 Erwägungsgrund 21 der Rom II-VO. 103 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 8 betont insoweit, dass es dem europäischen Recht primär um „die Sicherung eines störungsfreien Ablaufs der Marktkommunikation“ gehe und wettbewerbliche Kollektivinteressen im Vordergrund stehen, weshalb das europäische Wettbewerbsrecht am besten als „Marktordnungsrecht und Marktkommunikationsrecht“ bezeichnet werden könne. 104 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 8; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 394. 105 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 396 halten sie gar für nicht angemessen. Ähnlich Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 38, die eine „grundsätzliche und klare Abgrenzung zum Deliktsrecht“ für gerechtfertigt halten. 106 So auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 4. 107 Ähnlich auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 398. 108 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 6. 109 Zur autonomen gemeinschaftsrechtlichen Auslegung der Rom II-VO siehe Rn. 20 ff. sowie 180 ff. Im Ergebnis ebenso MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 119.
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hängig davon, wie das nationale Recht den konkreten Anspruch einordnet.110 Durch diese autonom-unionsrechtlich geprägte funktionale Qualifikation wird eine dem Interesse an einer effektiven Marktordnung widersprechende gespaltene Anknüpfung vermieden.111 Bezwecken die relevanten deliktsrechtlichen Normen hingegen den Schutz von Rechten oder Rechtsgütern außerhalb des wettbewerbsrechtlichen Rechtskreises, wie beispielsweise im Falle von Eigentums- oder Namensrechtsverletzungen,112 kann das Deliktsstatut im Einzelfall ein vom Marktortrecht abweichendes Recht berufen.113 In Fällen bilateraler Wettbewerbshandlungen, wenn es sich also um eine rein be32 triebsbezogene Wettbewerbsverletzung114 handelt, findet nach Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO allerdings das allgemeine Deliktsstatut Anwendung.115 c) Abgrenzung zum Immaterialgüterkollisionsrecht. Das Wettbewerbsrecht weist eine ganze Reihe von Überschneidungen mit dem Immaterialgüterrecht auf.116 Dies gilt in besonderem Maße im Bereich des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes117 sowie mit Blick auf den Schutz geografischer Herkunftsangaben,118 weshalb auch insoweit eine Abgrenzung erforderlich ist. Im Bereich des Immaterialgüterrechts wird mehrheitlich ein territorialer Ansatz, be34 zeichnet als Schutzlandanknüpfung (lex loci protectionis), favorisiert,119 welcher nunmehr auch der Rom II-VO zugrunde gelegt wurde. Art. 8 Abs. 1 der Rom II-VO ordnet für außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums ausdrücklich die Geltung des Rechts des Landes an, für dessen Gebiet Schutz beansprucht wird. Die territoriale Verhaftung, auf welcher die Schutzlandanknüpfung basiert, wird dabei primär damit begründet, dass es sich bei den Rechten zum Schutz geistigen Eigentums um durch einen Hoheitsakt eines souveränen Staates verlie33
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110 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 119. Der Vorrang des Wettbewerbsstatuts wurde und wird in der Literatur (siehe Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 38) zudem auch damit begründet, dass das im nationalen Recht bestehende Subsidiaritätsverhältnis ebenfalls auf der Ebene des internationalen Rechts zu beachten sei, weshalb eine möglicherweise vom Wettbewerbsstatut abweichende Regelung nicht zur Anwendung komme und eine Überschneidung zwischen Deliktsstatut und Wettbewerbsstatut folglich ausscheide. Diese Argumentation ist jedoch im Falle einer funktionalen Qualifikation nicht notwendig – die Einordnung nach der lex fori ist dann nicht maßgeblich. 111 Ähnlich auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 400, die von einer grundsätzlichen Subsidiarität des allgemeinen Internationalen Deliktsrechts gegenüber dem Wettbewerbskollisionsrecht ausgehen und die marktortspezifische Anknüpfung auch auf die deliktsrechtlichen Ansprüche erstrecken wollen, sofern die lauterkeitsrechtliche Regelung abschließend ist. 112 Mankowski GRUR Int. 1999, 995, 997. 113 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 119; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 401. 114 Vgl. hierzu ausführlich Rn. 229 ff. 115 Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO verweist in diesem Fall auf Art. 4 Rom II-VO. Ausführlich zu Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO Rn. 229 ff. 116 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang auch immer wieder auf die gemeinsamen rechtsgeschichtlichen Wurzeln beider Rechtsgebiete verwiesen sowie darauf, dass Immaterialgüterrechte ähnlich wie das Wettbewerbsrecht eine unternehmerische Leistung schützen, vgl. hierzu Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 33 sowie Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 405, die von einem „wertungskompatiblen Gesamtsystem zum Schutz der unternehmerischen Leistung“ sprechen. 117 Zum ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz vgl. ausführlich Sack ZHR 160 (1996), 493, 494 ff.; ders. WRP 2008, 845, 858 f.; Nemeczek WRP 2010, 1315 ff. 118 Sack WRP 2008, 845, 858. 119 Zur Vorherrschaft des Schutzlandprinzips vgl. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 6; Schricker/Loewenheim/Katzenberger Vor §§ 120 ff. UrhG Rn. 124; Muth S. 60; Ohly in Drexl/Kur S. 241. Zur Kritik an diesem territorial geprägten Ansatz insbesondere mit Blick auf die Frage der ersten Inhaberschaft siehe Klass GRUR Int. 2007, 373 ff. sowie dies. GRUR Int. 2008, 546 ff.
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hene Rechte handelt, welche grundsätzlich nur innerhalb des Gebietes dieses Staates Geltung haben sollen.120 Zwar stehen auch im Wettbewerbsrecht territoriale Erwägungen im Raum – denn beim Schutz von Verbrauchern und Allgemeininteressen hat jeder Staat primär inländische Aspekte im Blick121 – jedoch existiert im Wettbewerbsrecht kein durch staatlichen Akt territorial verliehenes Recht,122 das eine territoriale Anbindung an das Recht eines Landes begründen könnte. Darüber hinaus bestehen trotz gemeinsamer rechtsgeschichtlicher Wurzeln123 erhebliche konzeptionelle Unterschiede: Während das Immaterialgüterrecht dem Einzelnen individualschützende, absolute Ausschließlichkeitsrechte zuordnet, gewährt das Wettbewerbsrecht dem Verletzten im Interesse der Allgemeinheit einen kollektivrechtlichen Schutz durch schuldrechtliche Ansprüche.124 Hier zeigt sich auch die unterschiedliche Schutzrichtung beider Rechtsgebiete: Das Wettbewerbsrecht ist primär Marktverhaltensrecht, während das Immaterialgüterrecht dem Schutz ausschließlicher Rechte dient.125 Funktion, Ausgestaltung und Schutzzweck divergieren mithin erheblich. Hinzu kommt, dass eine auf territorialen Gesichtspunkten beruhende und die Souveränität einzelner Staaten betonende kollisionsrechtliche Anknüpfung dem Verständnis einer modernen Wirtschaftsordnung nicht mehr entspricht und daher Zurückhaltung bei einer erweiternden Anwendung bestehen sollte.126 Vor diesem Hintergrund kann mithin trotz einer gewissen Rechtsähnlichkeit eine 35 Anknüpfung an das Recht des Schutzlandes, jedenfalls im Bereich des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, insbesondere mangels Existenz absoluter ausschließlicher Rechtspositionen, nicht überzeugen.127 Wettbewerblicher Leistungsschutz ist zwar im Schnittbereich zwischen Wettbewerbsrecht und Immaterialgüterrecht angesiedelt und greift in Konstellationen ein, in denen das im Kontext eines Kennzeichenrechts stehende unlautere Verhalten mittels des immaterialgüterrechtlichen Spezialschutzes nicht angemessen erfasst werden kann,128 letztlich werden aber über den ergänzenden Schutz Verhaltensregeln als Teil des Marktordnungsrechts definiert.129 Eine Anknüpfung an das Recht des Marktortes erscheint daher im Ergebnis vorzugswürdig.130 Besonders schwierig ist die Antwort nach der angemessenen Qualifikation im Be- 36 reich der geografischen Herkunftsangaben, welche jedenfalls der BGH bisher der
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120 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 4. An dieser Sichtweise wird selbst mit Blick auf das Urheberrecht festgehalten, obwohl dieses nahezu weltweit schlicht durch den Akt der Schöpfung entsteht und kein staatlicher Verleihungsakt notwendig ist. 121 So auch Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 6. 122 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 6. 123 Vgl. hierzu Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 28: Echter Wettbewerbsschutz wurde erst als Konsequenz der durch das Gesetz zum Schutz von Warenbezeichnungen vom 12.5.1894 angestoßenen Entwicklung geschaffen. 124 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 33. 125 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 128. 126 So auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 406. 127 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 122. Im Ergebnis ebenso Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 407; Sack WRP 2008, 845, 859; ders. WRP 2008, 1405, 1407; a.A. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 339; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 200. 128 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 33; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 122. 129 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 122. 130 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 122; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 407. (Werden wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen angeblich unlauterer Produktnachahmung geltend gemacht, ist mithin Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO anzuwenden.)
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wettbewerblichen Anknüpfung an das Marktortprinzip unterstellte. 131 Allerdings hat auch mit Blick auf diesen Schutzbereich eine vom nationalen Verständnis losgelöste autonom-unionsrechtliche Auslegung der Rom II-VO zu erfolgen.132 Maßgeblich ist daher, was als „geistiges Eigentum“ im Sinne von Art. 8 Rom II-VO zu verstehen ist. Die Verordnung selbst, die in Erwägungsgrund Nr. 26 lediglich eine beispielhafte Aufzählung von Rechten enthält, schweigt bzgl. geografischer Herkunftsangaben. Anhaltspunkte liefert jedoch der Blick auf das geltende Primär- und Sekundärrecht sowie auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Der EuGH zählt den Schutz von geografischen Herkunftsangaben nämlich traditionell zum Schutz des gewerblichen Eigentums im Sinne von Art. 36 AEUV.133 Und auch in der PiraterieVerordnung wird der Schutz geografischer Herkunftsangaben dem Schutz des geistigen Eigentums untergeordnet.134 Darüber hinaus hat die Gemeinschaft auch völkerrechtliche Abkommen, wie beispielsweise das TRIPS-Abkommen, gezeichnet, die geografische Herkunftsangaben dem Schutz geistigen Eigentums zuordnen.135 Wirft man einen Blick auf die konkrete Ausgestaltung des Schutzes geografischer Herkunftsangaben, so lässt sich zudem feststellen, dass dieser zumindest, soweit es um Verletzungsklagen des Berechtigten geht, eigentumsähnlich ausgestaltet ist.136 Auch eine funktionale Betrachtungsweise spricht mithin für eine (zumindest partielle) Zuordnung zum geistigen Eigentum und damit für eine Anknüpfung nach dem in Art. 8 Abs. 1 Rom II-VO etablierten Schutzlandprinzip.137 Im Ergebnis sollte mithin maßgeblich sein, ob im Einzelfall ein dem Immaterialgü37 terrecht entsprechender ausschließlicher Rechtsgüterschutz gewährleistet wird oder nicht.138 Bei dieser Denkart besteht durchaus noch Spielraum für eine wettbewerbsrechtliche Anknüpfung: Handelt es sich nämlich um Verbandsklagen oder Klagen von in Bezug auf die Bezeichnung nicht berechtigten Wettbewerbern, liegt eine wettbewerbsrechtliche Qualifikation letztlich näher, weshalb ihr in diesen Konstellationen der Vorzug gegeben werden sollte.139 38 Zu beachten ist jedoch, dass der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Kommissionsentwurf140 als Anwendungsbeispiel des Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO (damals Art. 5 Abs. 2 des Entwurfs) genannt wird und mithin trotz seiner Nähe zum geistigen Ei-
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131 BGH 5.10.2006 – I ZR 229/03 – GRUR 2007, 67, 68 – Pietra di Soln. Vgl. hierzu ausführlich MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 123. 132 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 123. 133 EuGH 10.11.1992 – C-3/91 – Slg. 1992, I-5529 Tz. 23 ff. = GRUR Int. 1993, 76 Tz. 37, 38 – Exportur; EuGH 5.11.2002 – C-325/00 – Slg. 2002, I – 9977 = GRUR Int. 2002, 1021 Tz. 27 – CMA-Gütezeichen; EuGH 20.5.2003 – C-469/00 – GRUR 2003, 609 Tz. 49, 66 – Grana Padano. 134 Art. 2 lit. c) iv) der VO EG 1383/2003 – ABl. EU L 196 v. 22.7.2003, S. 7. Ebenso ist der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der DurchsetzungsRL von der Einbeziehung geografischer Herkunftsangaben ausgegangen; siehe hierzu BTDrucks. 16/5048, S. 29, MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 125 sowie Büscher GRUR Int. 2008, 977, 982 f. 135 Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 22 ff. TRIPS. Siehe hierzu MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 125, der nicht nur auf das TRIPS-Abkommen, sondern auch auf das bilaterale Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den CARIFORUM-Staaten der Karibik verweist, welches in Art. 145 umfängliche Bestimmungen zu „geografischen Angaben“ enthält. Darüber hinaus rechnen Art. 1 Abs. 2 und Art. 10 PVÜ geografische Herkunftsangaben zum „gewerblichen Eigentum“. 136 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 125. 137 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 125; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 22; Sack WRP 2008, 845, 860. 138 Vgl. hierzu auch ausführlich MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 125 ff. 139 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 127. 140 Vgl. KOM (2003) 427 endg., S. 18.
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gentum (vgl. Art. 39 TRIPS)141 der wettbewerbsrechtlichen Marktortanknüpfung untersteht. d) Abgrenzung zum Kartellkollisionsrecht (Auswirkungsprinzip). Über- 39 schneidungen bestehen auch zwischen dem Wettbewerbskollisionsrecht und dem Kartellkollisionsrecht, da beide Rechtsgebiete dem Schutz eines geordneten und unverfälschten wirtschaftlichen Wettbewerbs dienen142 und mithin Marktordnungsgesichtspunkte im Blick haben.143 Art. 6 Abs. 3 lit. a) Rom II-VO, welcher nunmehr als allseitige Kollisionsnorm für alle schadensbegründenden Ereignisse ab dem 11.1.2009 maßgeblich ist144, legt mit Blick auf die Bestimmung des Kartellrechtsstatuts fest, dass auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem den Wettbewerb einschränkenden Verhalten das Recht des Staates anwendbar ist, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird. Die Rom II-VO schreibt mithin auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene das bisher nach autonom deutschem Recht geltende Auswirkungsprinzip145 als maßgebliches kollisionsrechtliches Prinzip für das Kartellrecht verbindlich vor.146 Nationales Recht ist somit im Grundsatz auf Wettbewerbsbeschränkungen anwendbar, die sich im Geltungsbereich des nationalen Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb veranlasst wurden.147 Art. 6 Abs. 3 lit. b) Rom II-VO ermöglicht dem Geschädigten für den Fall, dass sich ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten auf mehreren Märkten auswirkt, zudem die Einklagung des Gesamtschadens nach der lex fori.148 Die Nähe des wettbewerbskollisionsrechtlichen Marktortprinzips zum kartellkollisi- 40 onsrechtlichen Marktauswirkungsprinzip ergibt sich zum einen schon daraus, dass beide Anknüpfungen nach marktortbezogenen Gesichtspunkten erfolgen.149 Zum anderen besteht eine gewisse Relevanz in Konstellationen, in denen eine parallele Beurteilung sowohl nach Kartellrecht als auch nach Wettbewerbsrecht erforderlich ist (wie beispielsweise in Fällen des Boykotts, der Diskriminierung oder der Wettbewerbsstörung durch den Missbrauch wirtschaftlicher Machtstellung).150 Vor diesem Hintergrund und aufgrund der zum Teil bestehenden funktionalen und strukturellen Nähe beider
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141 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 22 verweist insofern auf Art. 39 TRIPS. 142 Siehe MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 11 f., der in diesem Kontext darauf verweist, dass sowohl Kartellrecht als auch Lauterkeitsrecht auf europäischer Ebene dem Schutz des unverfälschten Wettbewerbs i.S.d. EU-Protokolls über den Binnenmarkt und den Wettbewerb verpflichtet sind (vor Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages: Art. 3 Abs. 1 lit. g EG). 143 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 27 f.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 402 sprechen insoweit von „Teilbereichen eines einheitlichen Marktordnungsrechts“, Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 23 erwähnt die Parallelität der Schutzzwecke von Lauterkeits- und Kartellrecht. Vielfach wird daher betont, dass das Lauterkeitsrecht und das Kartellrecht dieselbe Funktion erfüllen und lediglich aus unterschiedlicher, jedoch komplementärer Richtung schützen, Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 211. 144 Zur zeitlichen Anwendbarkeit der Rom II-VO siehe Rn. 169. Nach Ansicht des EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA findet die Rom II-VO nur auf schadensbegründende Ereignisse Anwendung, die ab dem 11.9.2009 eingetreten sind, wobei für die Frage, welches Recht anwendbar ist, entscheidend sei, wann das schadensbegründende Ereignis stattfand, nicht jedoch, wann das Verfahren, mit dem Schadensersatz eingeklagt wird, eingeleitet wurde oder wann die Bestimmung des anwendbaren Rechts durch das Gericht erfolgte. Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Paolo Mengozzi v. 6.9.2011 s. auch Sujecki EuZW 2011, 815. 145 Das Auswirkungsprinzip war früher in § 130 Abs. 2 GWB normiert. 146 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 30. 147 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 351, 148. 148 Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 730; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 30. 149 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 403; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 27. 150 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 211; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 322.
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Rechtsgebiete151 sowie zur Herstellung inneren Entscheidungseinklangs wird jedenfalls im Schrifttum zunehmend auch für das Wettbewerbskollisionsrecht die Anwendung des Auswirkungsprinzips gefordert.152 Dies ist jedoch im Ergebnis abzulehnen, da sich beide Rechtsbereiche, auch wenn 41 sie sich in der konzeptionellen Ausgestaltung durchaus annähern,153 dennoch funktional unterscheiden.154 Während es im Wettbewerbsrecht primär um die Beurteilung von Verhaltensweisen zu Wettbewerbszwecken geht und mithin das unzulässige Einwirken auf den Markt155 zum relevanten Anknüpfungspunkt genommen wird, hat das Kartellrecht mögliche negative Auswirkungen auf den Markt im Blick. Im Kartellrecht steht mithin nicht ein möglicher Verhaltensunwert im Fokus, vielmehr wird an mögliche Konsequenzen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung angeknüpft. 156 Das Auswirkungsprinzip trägt dem angemessen Rechnung, kann jedoch schon vor diesem Hintergrund nicht als kollisionsrechtliches Prinzip für das marktverhaltensbezogene Wettbewerbsrecht i.e.S. überzeugen.157 Zudem zeigt auch ein Blick auf die kollisionsrechtlich involvierten Interessen, dass das Marktortprinzip dem Auswirkungsprinzip im Lauterkeitsrecht überlegen ist. Drexl weist darüber hinaus zutreffend darauf hin, dass eine weitere Problematik des Auswirkungsprinzips in der „Kumulation anwendbarer Rechte“ liegt.158 Daher bestehe ein erhöhtes Risiko des Verbots und des Eingriffs in das Interesse des Marktortgesetzgebers, die Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer nach einheitlichen Maßstäben zu regeln, womit letztlich der Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit (par conditio concurrentium) in Frage gestellt werde.159 Nicht zuletzt hat der europäische Gesetzgeber mit seiner in Art. 6 Rom II-VO vorgenommenen Differenzierung zwischen unlauteren Wettbewerbshandlungen und Kartell-
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151 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 27. 152 Siehe so in der Auflage 2002 Beater § 31 Rn. 36 (in Fällen der Verletzung wettbewerblicher Kollektivinteressen) sowie Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 403, die das kartellrechtliche Auswirkungsprinzip auch in dogmatischer Hinsicht auf das Wettbewerbskollisionsrecht übertragen wollen. Des weiteren: Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 112; Koos WRP 2006, 499, 504 ff. Siehe zu dieser Thematik auch: Fezer GRUR Int. 1990, 551, 563; Kort GRUR Int. 1994, 594, 598 f.; Tilmann GRUR 1990, 87, 88; Wengler RabelsZ 19 (1954), 401, 415 ff. 153 Siehe hierzu ausführlich MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 15, der darauf hinweist, dass es sich beim Kartellrecht und Wettbewerbsrecht i.e.S. um „weithin komplementäre Rechtsgebiete (handelt), die sich in den Schutzgütern, den Beurteilungskriterien sowie der Technik der Durchsetzung immer mehr gleichen, ja sogar übereinstimmen.“ Dennoch lehnt auch er eine Übertragung des Auswirkungsprinzips auf das Wettbewerbsrecht im Ergebnis ab (vgl. Rn. 12). Des weiteren Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 402. 154 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 12, 18; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 23; MünchKommBGB/Mankowski IntWettbR Rn. 142 ff.; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 31. 155 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 15; Kreuzer in v. Caemmerer S. 232, 270 f.; Kotthoff S. 22. 156 Siehe hierzu detailliert MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 15, der in diesem Kontext darauf hinweist, dass das Kartellrecht zwar auch Verhaltensunrecht definiert, sich das Unrecht aber nicht aus der Art und Weise des Verhaltens, sondern aus den negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb ergibt. 157 So im Ergebnis auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 12, 15; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 31. 158 Da dem Auswirkungsprinzip das quantitative Kriterium der spürbaren Auswirkungen zugrunde liegt, läuft man Gefahr, dass auch Rechte von Ländern berufen werden, auf deren Märkten nur mittelbare Auswirkungen ausgemacht werden können, MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 16. Insbesondere im Rahmen der Multistate-Problematik (siehe hierzu ausführlich Rn. 219 ff.) führt die Anwendung des Auswirkungsprinzips letztlich oftmals zu einer Häufung der Statute, weshalb sich ein international agierender Wettbewerber faktisch an dem jeweils strengsten Wettbewerbsrecht orientieren muss, Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 211; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 23. 159 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 16.
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rechtsverstößen ebenfalls deutlich gemacht, dass er eine unterschiedliche Anknüpfung beider Rechtsbereiche für angemessen hält, weshalb eine Übertragung des Auswirkungsprinzips auf das Wettbewerbsrecht unter Geltung der Verordnung ausgeschlossen scheint.160 Hält man mithin in überzeugender Art und Weise an der Anwendung des lauter- 42 keitsrechtlichen Marktortprinzips im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts fest, so kann sich im Einzelfall die Frage nach der richtigen Unterordnung einer Norm unter das Wettbewerbskollisionsrecht, für welches Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom II-VO maßgeblich ist, oder unter das Kartellkollisionsrecht, das in Art. 6 Abs. 3 Rom II-VO geregelt ist, stellen. Auch mit Blick auf diese Zuordnungsfragen ist eine autonom-unionsrechtliche Auslegung der Rom II-VO vorzunehmen und darauf abzustellen, ob die betroffene Regelung im Interesse der Wettbewerber auf einem Markt, der Verbraucher und der Allgemeinheit einheitliche Verhaltensmaßstäbe schafft, es ihr also primär um eine Verhaltenslenkung und damit um das Einwirken auf den Markt geht, oder ob es sich um eine Regelung handelt, die in Abhängigkeit von der im Einzelfall bestehenden Marktmacht nur eine bestimmte Gruppe von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen betrifft und primär wettbewerbsverzerrende beziehungsweise wettbewerbsbeschränkende Faktoren und damit die Auswirkungen der Handlungen im Blick hat.161 Ist eine kartellrechtliche Vorfrage zu klären, wie beispielsweise die kartellrechtli- 43 che Prüfung von Vertriebsbindungssystemen, so ist diese selbständig anzuknüpfen.162 Grundsätzlich kann das Kartellrechtsstatut auch neben dem Wettbewerbsstatut Anwendung finden,163 soweit man beispielsweise eine parallele Anwendbarkeit von GWB und UWG befürwortet.164 e) Abgrenzung zum Vertragskollisionsrecht. Für das Vertragsstatut gelten grund- 44 sätzlich andere Regeln und Prinzipien als für das Wettbewerbsstatut. Die Bestimmung des anwendbaren Rechts im Bereich des Vertragsrechts richtet sich grundsätzlich nach den Vorschriften der Rom I-VO,165 welche anders als das Wettbewerbsstatut der Rom II-VO – von Ausnahmen abgesehen166 – maßgeblich vom Prinzip der Privatautonomie getragen ist.167 Waren Abgrenzungsfragen zwischen dem Wettbewerbsrecht und dem Vertragsrecht 45 in der Vergangenheit eher von untergeordneter Bedeutung,168 können sich nunmehr vor allem vor dem Hintergrund des dem europäischen Sekundärrecht zugrunde liegenden
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160 So auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 19. Ähnlich auch Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 23. 161 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 131; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 31. 162 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 32; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 403. 163 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 32; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 403. 164 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 403; siehe in diesem Kontext auch BGH 12.11.1991 – KZR 18/90 – BGHZ 116, 47, 55 = GRUR 1992, 191, 193 – Amtsanzeige. 165 Verordnung 2008/593/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU L 177 v. 4.7.2008 (Rom I-VO). 166 Die Privatautonomie wird jedoch auch im Rahmen der Rom I-VO Einschränkungen im überwiegenden Allgemeininteresse unterworfen. Dies ist insbesondere im Bereich des Verbraucherschutzes der Fall, was, wie Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 409 feststellen, hinsichtlich des Vertragsstatuts zu ähnlichen Ergebnissen führen kann, wie hinsichtlich des Lauterkeitsstatuts. 167 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 409. Zum Ausschluss der Rechtswahl im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts siehe ausführlich Rn. 188 f. sowie 262 ff.; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 61 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 621 ff.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 236 ff.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 82 ff. 168 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 129.
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weiten Verständnisses eines unlauteren Wettbewerbsverhaltens abgrenzungsrelevante Überschneidungen ergeben.169 Denn nach dem Verständnis des europäischen Sekundärrechts ist das Wettbewerbsrecht – anders als nach der herkömmlichen Auffassung – nicht mehr nur im Vorfeld des geschäftlichen Kontaktes und folglich vor Zustandekommen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses einschlägig, sondern erfasst auch den „individualisierten Kundenkontakt“.170 Dies wird mit Blick auf die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken171 deutlich, welche auch Praktiken in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezieht, die „vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“ stattfinden.172 Und auch in anderen Rechtsakten des europäischen Sekundärrechts findet vereinzelt eine Verzahnung zwischen wettbewerbsrechtlich relevantem Verhalten und vertragsrechtlichen Ansprüchen statt.173 Unter Zugrundelegung einer unionsrechtlich autonomen Auslegung ist daher, wie 46 Drexl betont, eine „Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Wettbewerbsrechts in die Phase des Vertragsschlusses sowie der Vertragserfüllung zur Kenntnis zu nehmen“.174 Dies macht im Einzelfall eine gemeinschaftsrechtlich orientierte funktionale Abgrenzung von Vertrags- und Wettbewerbsstatut erforderlich. Das Vertragsstatut der Rom I-VO ist demnach anwendbar, soweit es um Aspekte und Normen geht, welche die Wirksamkeit des Vertrages und sich daraus ergebende Rechte betreffen.175 Geht es hingegen um objektive Pflichten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vertragsschluss und der Vertragsdurchführung stehen und die durch spezielle wettbewerbsrechtliche Normen sanktioniert werden, findet das Wettbewerbskollisionsrecht Anwendung.176 Darüber hinaus zeigen sich auch Parallelen zwischen dem Vertrags- und dem Wettbewerbsstatut mit Blick auf die Verbraucherverträgen zugrundezulegenden Wertungen.177 Hier wurde in der Vergangenheit insbesondere in Fällen der Absatzförderung gegenüber Inländern im Ausland eine Übertragung der Wertungen des Verbraucherrechts diskutiert.178 Allerdings muss hinsichtlich einer Übernahme der verbraucherrechtlichen Wertungen in das Wettbewerbskollisionsrecht Zurückhaltung bestehen, denn trotz der in der Rom II-VO vorgenommenen Referenz auf den Schutz der Verbraucher,179 bestehen
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169 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 129. 170 Siehe hierzu ausführlich MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 129 mit weiteren Beispielen. 171 RL 2005/29/EG – ABl. EG L 149 v. 11.6.2005, S. 22 ff. 172 Artikel 3 RL 2005/29/EG – ABl. EG L 149 v. 11.6.2005, S. 22 ff. 173 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 129 weist diesbezüglich auf bestehende Überschneidungen im Bereich des Art. 10 der E-CommerceRL, welcher Pflichten des Internetanbieters hinsichtlich des Vertragsschlusses im Internet etabliert, sowie auf Art. 2d der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG – ABl. EG L 171 v. 7.7.1999, S. 12 ff.) hin, welcher zu einer engen Verknüpfung von Werbeaussagen und vertraglicher Gewährleistungshaftung führt. 174 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 129 f. 175 Vgl. insofern auch Art. 10 Abs. 1, 12 Rom I-VO; Siehe hierzu auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 130 mit einzelnen Beispielen. 176 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 130. 177 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 40; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 409. 178 So wurde vereinzelt eine Anknüpfung an das Heimatrecht der Verbraucher nach Art. 29 Abs. 1 bzw. Abs. 2 EGBGB a.F. (jetzt Art. 6 Rom I-VO) favorisiert und eine Übertragung der verbraucherrechtlichen Wertungen in das Wettbewerbskollisionsrecht gefordert, siehe hierzu beispielsweise: Sack IPRax 1992, 24, 27. 179 Vgl. hierzu Erwägungsgrund 21 der Rom II-VO, wonach die Kollisionsnorm des Art. 6 Rom II-VO die Wettbewerber, die Verbraucher und die Öffentlichkeit schützen und das reibungslose Funktionieren des Marktes sicherstellen soll. Auch das nationale deutsche Wettbewerbsrecht, das in § 1 UWG auf den Verbraucherschutz rekurriert, erfasst diesen nur neben weiteren individual- und kollektivschützenden
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doch deutliche Unterschiede in den Zielrichtungen des Wettbewerbsrechts im Vergleich zum vertragsrechtlichen Verbraucherschutzrecht.180 Insbesondere stellt der Verbraucherschutz im Wettbewerbsrecht nur einen Aspekt der auch individuelle Gesichtspunkte umfassenden Schutzzwecktrias dar, welcher individualschützende sowie kollektivschützende Aspekte vereint.181 Berührungspunkte zwischen dem Vertragsstatut und dem Wettbewerbsstatut kön- 47 nen sich zudem in den Fällen des Rechtsbruchs182 ergeben. Werden bei der Absatzförderung gegenüber Inländern im Ausland Vorschriften des Verbrauchervertragsrechts verletzt, kann hierin beispielsweise ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 liegen.183 Allerdings geht es insofern nicht um eine Grenzziehung des Anwendungsbereichs der beiden Statute. Die Frage, ob verbraucherschützende Vorschriften verletzt wurden, ist vielmehr als Vorfrage selbständig nach dem Internationalen Privatrecht der lex fori anzuknüpfen.184 f) Abgrenzung zum Internationalen Strafrecht. Da das Wettbewerbsrecht bei sei- 48 nen Durchsetzungsmechanismen zur Sicherung des Leistungswettbewerbs nicht nur auf zivilrechtliche Verbotsnormen baut, 185 sondern typischerweise auch Straftatbestände enthält, welche im Falle besonders schwerwiegender oder gefährlicher Wettbewerbsrechtsverstöße zum Einsatz kommen, kann im Einzelfall auch eine Abgrenzung des Wettbewerbskollisionsrechts zum Internationalen Strafrecht erforderlich sein. Nach den Regeln des Internationalen Strafrechts, das vom Grundsatz der Ter- 49 ritorialität beherrscht wird,186 findet deutsches Strafrecht auf alle Taten Anwendung, die im Inland (§ 3 StGB) oder „unter deutscher Flagge“ auf deutschen Schiffen und in deutschen Flugzeugen (§ 4 StGB) begangen werden. Findet die Tatbegehung im Ausland statt, ist deutsches Strafrecht anwendbar, sofern sich die Tat gegen inländische Rechtsgüter (§ 5 StGB), wie beispielsweise die Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen eines im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes liegenden Betriebs oder international geschützter Rechtsgüter (§ 6 StGB), richtet. Darüber hinaus findet deutsches Strafrecht auch bei Auslandstaten gegen einen Deutschen oder eines Deutschen Anwendung, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt (§ 7 StGB).187 Ein Abweichen von diesen Grundsätzen im Wege einer wettbewerbskollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung kommt nicht in Betracht.188
_____ Aspekten (Schutz der Mitbewerber, der sonstigen Marktteilnehmer sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb). 180 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 412. 181 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 40. 182 Siehe hierzu auch Rn. 252 ff. 183 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 41; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 414. 184 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 41; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 414. Das nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO (Verbraucherverträge) zu ermittelnde Sachrecht bestimmt mithin, ob eine Verletzung verbrauchervertraglicher Regelungen vorliegt, während das nach der Kollisionsnorm des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO zu bestimmende Wettbewerbsrecht darüber entscheidet, ob ein Wettbewerbsverstoß vorliegt. 185 Siehe beispielsweise § 16 Abs. 1 UWG (strafbare irreführende Werbung), § 16 Abs. 2 UWG (Schneeballsysteme), § 17 UWG (Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen), § 18 UWG (Verwertung von Vorlagen) sowie § 19 UWG (Verleiten und Erbieten zum Verrat). 186 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 42; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 416. 187 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 42. 188 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 416. Dies verdeutlichen schon die Verweise in den §§ 17 bis 19 UWG auf § 5 Nr. 7 StGB.
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II. Rechtsquellen des Internationalen Wettbewerbsprivatrechts 1. Verhältnis des Konventionsrechts zum autonomen deutschen und zum gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsrecht. Wie schon zuvor festgestellt, lassen sich Rechtsquellen des Kollisionsrechts auf der Ebene des internationalen, europäischen und nationalen Rechts finden.189 Auch im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts muss dem Blick ins autonome nationale Recht mithin die Suche nach einschlägigen konventionsrechtlichen oder unionsrechtlichen Kollisionsnormen vorausgehen, da staatsvertragliche Übereinkünfte, europäisches Primär- oder unmittelbar geltendes Sekundärrecht grundsätzlich Vorrang vor dem geltenden nationalen Kollisionsrecht haben.190 Dies stellt Art. 3 EGBGB nochmals deutlich heraus.191 Das Verhältnis zwischen möglicherweise einschlägigem Konventionsrecht und der 51 für das Wettbewerbskollisionsrecht maßgeblichen Rom II-VO bestimmt sich hingegen nicht nach Art. 3 Abs. 2 EGBGB, sondern muss unionsrechtlich autonom festgestellt werden.192 Nach Art. 28 Rom II-VO,193 der das Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen im Anwendungsbereich der Rom II-VO ausdrücklich regelt, berühren die Bestimmungen der Rom II-VO nicht die Anwendung der internationalen Übereinkommen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung angehören und die Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten (Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO). Völkerrechtliche Regelungen gehen dem Verordnungsrecht mithin im Interesse der Vertragstreue der Mitgliedstaaten, die ihren Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten auch weiterhin nachkommen sollen,194 vor, sofern sie in Bezug auf lauterkeitsrechtliche Sachverhalte Kollisionsregeln enthalten. Hervorzuheben ist in diesem Kontext jedoch, dass die Regelung des Art. 28 auf „frühere“ Übereinkommen begrenzt ist. Das bedeutet, dass nur jene Übereinkommen Vorrang beanspruchen können, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung195 angehört haben. Handelt es sich allerdings um eine rein mitgliedstaatliche Beziehung, findet gemäß Art. 28 Abs. 2 Rom II-VO allein diese Anwendung. Das Unionsrecht hat mithin im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander Vorrang vor zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen internationalen Übereinkommen.196 Relevanz kann zudem Art. 27 Rom II-VO erlangen, der für den Fall, dass das Gemeinschaftsrecht selbst besondere Kollisionsnormen im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse vorsieht, festlegt, dass diese der Rom II-VO vorgehen.197
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189 Vgl. hierzu ausführlich Kropholler IPR § 1 III; Kegel/Schurig IPR § 4. 190 Vgl. Kropholler IPR § 1 III. 191 Der Anwendungsvorrang der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ergibt sich dabei schon kraft genuin gemeinschaftsrechtlichen Geltungswillens – insofern ist Art. 3 EGBGB nur deklaratorischer Natur. Völkervertragliche Regelungen gehen dem nationalen Recht vor, sofern sie durch ein deutsches Vertragsgesetz unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, Art. 3 Nr. 2 EGBGB. 192 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 104; Handig GRUR Int. 2008, 24, 25. 193 Zu Art. 28 Rom II-VO s. auch Brière J.D.I. 2005, 677, dessen Ausführungen sich jedoch noch auf Art. 25 des Kommissionsentwurfs für eine Rom II-VO, KOM (2003) 427 endg., beziehen; Garriga YPIL 9 (2007), 137. 194 Siehe Erwägungsgrund 36, VO 2007/864/EG – ABl. EU L 199 v. 31.7.2007, S. 43. 195 Das maßgebliche Datum ist insofern der 1.7.2007. 196 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 44; Bamberger/Roth/Spickhoff Art. 28 Rom II-VO Rn. 4; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 13d. Zum Verhältnis der Rom II-VO zu von der Europäischen Union selbst abgeschlossenen Verträgen, welche Kollisionsnormen enthalten, siehe ausführlich MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 108. 197 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 44.
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Festgehalten werden kann daher an dieser Stelle, dass bei der Suche nach dem auf einen wettbewerbsrechtlichen Sachverhalt anzuwendenden Recht, stets in einem ersten Schritt zu prüfen ist, ob sich im Konventionsrecht einschlägige Kollisionsnormen finden.198 2. Multilaterale Verträge zum Schutz gegen unlauteren Wettbewerb a) Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) aa) Allgemeines. Das wichtigste multilaterale Übereinkommen, das sich – wenn 52 auch nur am Rande – mit Fragen des Wettbewerbsrechts befasst, ist die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) vom 20.3.1883, die als das erste internationale Vertragswerk zum „Schutz gewerblichen Eigentums“ anzusehen ist.199 Nach Art. 1 Abs. 2 der PVÜ zählt zum gewerblichen Eigentum im Sinne der Übereinkunft auch der Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb.200 In Art. 10bis Abs. 1 PVÜ wird dies näher präzisiert.201 Die PVÜ enthält zwei Vorschriften, welche Schutz gegen unlauteren Wettbewerb gewähren. Art. 2 Abs. 1 PVÜ verpflichtet die Verbandsstaaten der PVÜ, den Angehörigen anderer Verbandsstaaten in Bezug auf den Schutz des „gewerblichen Eigentums“, welcher, wie eben erwähnt, auch den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb umfasst, Inländerbehandlung zu gewähren. Es ist daher grundsätzlich verboten, ausländische Wettbewerber schlechter zu behandeln als inländische Wettbewerber.202 Ergänzt wird der Grundsatz der Inländerbehandlung durch die in Art. 10bis Abs. 1 PVÜ festgelegte Verpflichtung der Verbandsländer zur Beachtung des dort geregelten Mindestschutzes.203 Zum jetzigen Zeitpunkt gehören der Pariser Verbandsübereinkunft 174 Verbandsstaa- 53 ten an, darunter alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union,204 nicht jedoch die Gemeinschaft selbst.205 Das Deutsche Reich ist der PVÜ mit Wirkung vom 1.5.1903206 beigetreten. Für Deutschland gilt die PVÜ in der letzten (Stockholmer) Fassung vom 14.7. 1967.207
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198 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 44. 199 Pflüger S. 14. 200 Die Definition des gewerblichen Eigentums wurde 1925 durch die Revisionskonferenz von Den Haag eingeführt. Siehe in diesem Kontext auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 23; Schricker/HenningBodewig WRP 2001, 1367, 1373; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2.; Katzenberger in Schricker/HenningBodewig S. 218, 219; Bodenhausen Art. 1 Abs. 2 Anm. (k); Henning-Bodewig GRUR Int. 2013, 1, 2. 201 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2. 202 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 24. In Art. 10bis Abs. 2 PVÜ findet sich eine generalklauselartige Umschreibung des zu bekämpfenden unlauteren Wettbewerbs. Art. 10bis Abs. 3 PVÜ enthält einen Katalog von drei Beispielen unlauteren Wettbewerbs, die zu untersagen sind (die Hervorrufung von Verwechslungen, Geschäftsehrverletzungen durch falsche Behauptungen sowie Irreführungen). Siehe hierzu auch Katzenberger in Schricker/Henning-Bodewig S. 218, 219; Götting/Nordemann UWG Einl. Rn. 124. 203 Vgl. Pflüger S. 111. 204 Eine aktuelle Auflistung der Verbandsstaaten ist abrufbar unter: http://www.wipo.int/treaties/ en/ShowResults.jsp?lang=en&treaty_id=2 (zuletzt abgerufen am 30.10.2013); Pflüger S. 15; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 23. 205 Schricker/Henning-Bodewig WRP 2001, 1367, 1373. 206 RGBI 1903 S. 147; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 23. 207 BGBl 1970 II S. 1073; ber. BGBl 1971 II S. 1015. Nach Art. 18 soll die PVÜ „Revisionen unterzogen werden, um Verbesserungen herbeizuführen, die geeignet sind, das System des Verbandes zu vervollkommnen“. Die Revisionskonferenzen von Brüssel (1900), Washington (1911), Den Haag (1925), London (1934), Lissabon (1958) und Stockholm (1967) haben unterschiedliche Fassungen der PVÜ
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bb) Inländerbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 2 Abs. 1 PVÜ und Mindestschutzstandard gemäß Art. 10bis PVÜ. Zentrale Vorschrift der PVÜ ist der in Art. 2 Abs. 1 niedergelegte Grundsatz der Inländerbehandlung (Assimilationsprinzip),208 der die Verbandsländer verpflichtet, anderen Verbandsstaaten materiell-rechtlich den Schutz zuzugestehen, den sie Inländern in Bezug auf unlauteres Wettbewerbsverhalten gewähren.209 Nach Art. 2 Abs. 2 PVÜ darf die Gleichbehandlung nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Ausländer einen Wohnsitz oder eine Niederlassung im Inland hat. Den zur Inanspruchnahme der Vergünstigungen der Pariser Verbandsübereinkunft befugten Angehörigen der Verbandsländer werden nach Art. 3 PVÜ zudem auch die Angehörigen der dem Verband nicht angehörigen Länder gleichgestellt, die im Hoheitsgebiet eines Verbandslandes ihren Wohnsitz oder eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche Niederlassung oder eine Handelsniederlassung haben. Legen ausländische Anspruchsteller die nach inländischem Recht erforderlichen Tatbestandsmerkmale dar und beweisen sie,210 genießen sie folglich grundsätzlich den gleichen Rechtsschutz wie Inländer.211 Insofern kann der Grundsatz der Inländerbehandlung als Diskriminierungsverbot qualifiziert werden.212 Ziel der PVÜ ist es jedoch nicht, ein für alle Verbandsstaaten einheitliches Recht zu 55 schaffen, und sie zu einer Anpassung innerstaatlichen Rechts zu zwingen,213 weshalb im Ergebnis mit der Etablierung des Inländerbehandlungsgrundsatzes in Art. 2 Abs. 1 PVÜ auch keine Anhebung der nationalen Schutzstandards im Bereich des Lauterkeitsrechts verbunden ist.214 Da weder in Art. 1 PVÜ, der die Gegenstände des gewerblichen Eigentums definiert, noch in Art. 2 PVÜ eine Verpflichtung zur Einführung eines bestimmten Schutzes vorgesehen ist, kann der Grundsatz der Inländerbehandlung mithin ins Leere gehen, sofern das betroffene nationale Recht einen nur unzureichenden Schutz gewährt.215 Vor diesem Hintergrund etabliert die PVÜ in Art. 10bis PVÜ,216 der durch die Brüsseler PVÜ-Revision des Jahres 1900 eingeführt wurde, für bestimmte Bereiche einen gewissen Mindestschutz, welcher ausländischen Verbandsangehörigen zu gewähren ist.217 Art. 10bis Abs. 1 PVÜ statuiert zunächst eine generelle Verpflichtung der Verbands56 staaten, „den Verbandsangehörigen einen wirksamen Schutz gegen unlauteren
_____ formuliert. Jede einzelne dieser revidierten Fassungen stellt ein besonderes völkerrechtliches Abkommen dar. Die Besonderheit des Pariser Verbandes besteht vor diesem Hintergrund darin, dass die Mitgliedstaaten untereinander durch verschiedene Fassungen der Pariser Verbandsübereinkunft verbunden sein können (Art. 27 PVÜ). Siehe hierzu Beier/Kunz-Hallstein GRUR Int. 1982, 362, 363. Die überwiegende Zahl der Verbandsländer ist der letzten (Stockholmer) Fassung beigetreten. S. in diesem Kontext die Übersicht über den Stand der internationalen Verträge auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes am 1. Januar 2004 in GRUR Int. 2004, 398. Treten Länder neu bei, können sie sich jedoch nur der Stockholmer Fassung anschließen, Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 23. 208 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2. 209 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 25; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 46; hierunter fällt auch der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz BGH 21.3.1991 – I ZR 158/89 – GRUR 1992, 523, 524 – Betonsteinelemente; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif m. Anm. Jacobs. 210 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 1. 211 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2. 212 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 25. 213 Reger S. 13. 214 Pflüger S. 52. 215 Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 69; Henning-Bodewig GRUR Int. 2013, 1, 3. 216 Ausführlich zu dieser Vorschrift Vorauflage/Schricker Rn. F 42 ff.; Henning-Bodewig in Schricker/ Henning-Bodewig S. 21 ff.; dies. IIC 30 (1999), 166, 168; Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 76 ff.; ders. S. 110 ff.; Reger S. 13 ff. 217 Henning-Bodewig in Schricker/Henning-Bodewig S. 21, 22; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 1.
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Wettbewerb zu sichern“. Was unter dem Begriff des unlauteren Wettbewerbs zu verstehen ist, legt Art. 10bis Abs. 2 PVÜ fest. Danach ist unlauterer Wettbewerb jede Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderläuft.218 Art. 10bis Abs. 3 PVÜ enthält schließlich drei Beispielstatbestände, bei deren Einschlägigkeit jedenfalls eine Untersagung zu erfolgen hat. Dabei handelt es sich um das Hervorrufen einer Verwechslungsgefahr, die Anschwärzung sowie die Irreführung.219 Insgesamt betrachtet ist der Mindestschutz des Art. 10bis PVÜ jedoch nur gering ausgebildet, insbesondere findet sich kein Maßstab für dessen Wirksamkeit.220 Die Verbandsstaaten sind auch nicht zum Erlass spezieller Gesetze zum Schutz des unlauteren Wettbewerbs verpflichtet, sofern ihre allgemeinen Gesetze einen wirksamen Schutz gewähren.221 Zudem kann jedes Land bei der Ausgestaltung des Schutzes gegen den unlauteren Wettbewerb selbst definieren, welche Handlungen darunter fallen, jedenfalls, sofern die Vorgaben der Absätze 2 und 3 des Art. 10bis PVÜ eingehalten werden.222 Aus diesen Gründen wird Art. 10bis PVÜ zu Recht als „unfair competition in a nutshell“ bezeichnet.223 Zu beachten ist auch, dass sich ein Ausländer in Fällen, in denen der nationale Schutz über den Mindestschutz der PVÜ hinausgeht, aufgrund der subsidiären Bedeutung der PVÜ nicht auf diese berufen muss.224 Inländer dürfen sich, sofern nicht ausdrücklich als unmittelbar anwendbar im innerstaatlichen Recht geregelt, allerdings nicht auf die PVÜ berufen.225 Da die PVÜ nicht zur Umsetzung des Mindestschutzes in das nationale Recht zwingt, 57 kann dies zu einer Inländerdiskriminierung führen.226 Im Ergebnis begründet die PVÜ folglich zwar einerseits ein Verbot der Diskriminierung von Ausländern, lässt aber andererseits eine Inländerdiskriminierung zu. Art. 10ter Abs. 1 PVÜ verpflichtet die Verbandsstaaten darüber hinaus, Angehörigen 58 anderer Verbandsländer Rechtsbehelfe zur wirksamen Unterdrückung unlauterer Wettbewerbshandlungen zur Verfügung zu stellen. In Absatz 2 des Art. 10ter PVÜ wird zudem eine Verpflichtung zur prozessrechtlichen Gleichbehandlung ausländischer Wirtschaftsverbände festgeschrieben.227 cc) Unmittelbare Anwendbarkeit des Inländerbehandlungsgrundsatzes sowie 59 der Mindestschutzvorschriften. Der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. 2 Abs. 1 PVÜ ist in Deutschland unmittelbar anwendbar.228 Dies bedeutet, dass die Vor-
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218 Zur Vereinbarkeit der deutschen Generalklausel des § 3 UWG sowie der einzelnen Verbotstatbestände mit Art. 10bis PVÜ siehe MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 28. 219 Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 69. 220 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 27. 221 Ausreichend ist es mithin, wenn Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über unerlaubte Handlungen einen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb gewähren. Dies wurde auf den Revisionskonferenzen von Washington und Den Haag zugestanden, Bodenhausen Art. 10bis Anm. (b). 222 Bodenhausen Art. 10bis Anm. (c). 223 Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 69; Harte/Henning/Glöckner Einl. B Rn. 2; Reger S. 17; Schricker IIC 26 (1995), S. 782; ders. FS Fikentscher S. 985, 988; Henning-Bodewig IIC 30 (1999), S. 166, 187; dies. GRUR Int. 2013, 1, 3. 224 Pflüger S. 53. 225 Pflüger S. 51. 226 Henning-Bodewig in Schricker/Henning-Bodewig S. 21, 22; dies. GRUR Int. 2013, 1, 3. 227 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 27. 228 BGH 21.3.1991 – I ZR 158/89 – GRUR 1992, 523, 524 – Betonsteinelemente.
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schrift unmittelbar Rechte Einzelner begründet und nicht lediglich eine an die Verbandsstaaten gerichtete staatsvertragliche Verpflichtung zum Tätigwerden enthält.229 Umstritten ist hingegen, ob Art. 10bis PVÜ unmittelbare Geltung besitzt, oder ob sich 60 der Regelungsgehalt der Mindestschutzvorschrift darin erschöpft, den Verbandsländern die Schaffung eines nationalen Wettbewerbsrechts aufzugeben.230 Die unmittelbare Anwendbarkeit einer völkervertraglichen Norm setzt grundsätzlich voraus, dass diese so klar und bestimmt formuliert ist, dass der nationale Richter sie als privatrechtlichen Rechtssatz231 unmittelbar anwenden kann,232 wobei an die Voraussetzungen der Bestimmtheit einer staatsvertraglichen Regelung nicht derselbe strenge Maßstab anzulegen ist, der im nationalen Recht gilt. Aus diesem Grund kann auch die Etablierung einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten, welche nicht im Gesetzes-, sondern im Vertragsstil gehalten ist, der unmittelbaren Anwendung als Rechtssatz fähig sein.233 Ist die völkervertragliche Norm hinreichend klar und liegt eine ausreichende inhaltliche Bestimmtheit vor, kann sich der einzelne Angehörige vielmehr unmittelbar auf die Vorschrift berufen und Rechte daraus ableiten.234 61 Der Mindestschutz in Art. 10bis PVÜ ist in Form einer Staatenverpflichtung formuliert. Der deutsche Gesetzgeber ist schon mit dem Zustimmungsgesetz zur PVÜ der Verpflichtung aus Art. 10bis Abs. 1 PVÜ zur Einführung gesetzlichen Schutzes nachgekommen.235 In Art. 10bis Abs. 2 PVÜ findet sich sodann eine generalklauselartige Umschreibung unlauteren Wettbewerbs, die jedoch auch mit Blick auf die erforderliche hinreichende Bestimmtheit grundsätzlich unproblematisch ist, da auch das autonome deutsche Wettbewerbsrecht mit Generalklauseln arbeitet. Zwar hält Art. 10bis PVÜ keine Regelung der Schutzinstrumente bereit,236 dennoch ist der deutsche Richter in der Lage, wirksamen Schutz im Rahmen des Privatrechtssystems zu gewährleisten.237 Eine unmittelbare Anwendbarkeit ist folglich zu bejahen, denn der nationale Richter kann die Vorschrift unmittelbar anwenden und mögliche Verstöße sanktionieren.238 Allerdings ist die unmittelbare Anwendung von Art. 10bis PVÜ mit Blick auf jene Verbandsstaaten, die über ein ausgebautes Wettbewerbsrecht verfügen, von untergeordneter Bedeutung, denn in Fällen dieser Art findet der unter Umständen weitergehende Schutz schon über den Grundsatz der Inländerbehandlung (Art. 2 PVÜ) Anwendung.239
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229 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 29; zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz, BGH 21.3.1991 – I ZR 158/89 – GRUR 1992, 523, 524 – Betonsteinelemente. Zwar wird der Begriff der unmittelbaren Anwendbarkeit völkerrechtlicher Normen nicht immer einheitlich definiert. Allgemein wird darunter aber die Möglichkeit verstanden, dass sich Privatpersonen vor innerstaatlichen Gerichten eines Mitgliedstaates auf die völkerrechtliche Norm berufen können, ohne dass innerstaatliche Normen dazwischentreten, Staehelin S. 225; Beater Rn. 372; Drexl GRUR Int. 1994, 777, 779; Reger S. 82 f. 230 Beater Rn. 362. 231 „Self executive“; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 26; Reger S. 82 f.; Henning-Bodewig in Schricker/Henning-Bodewig S. 21, 27; dies. GRUR Int. 2013, 1, 4. 232 RG 2.5.1929 – VI 641/28 – RGZ 124, 204; BGH 6.11.1953 – I ZR 97/52 – BGHZ 11, 135, 138 = GRUR 1954, 216, 217 – Romfassung. 233 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 26; Ulmer GRUR Int. 1960, 57, 61 f. 234 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 29; vgl. auch Reger S. 82 f. 235 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 29; vgl. auch Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 49. 236 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 29; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 48. 237 So könnte er beispielsweise Art. 10bis Abs. 2 PVÜ als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des unmittelbar betroffenen Wettbewerbers verstehen, MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 29. 238 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 29; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 48 ff.; ders. FS Fikentscher, S. 985, 988 f.; Reger S. 17; Schibli S. 77 f. 239 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 52; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 29.
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dd) Kollisionsrechtlicher Gehalt des Inländerbehandlungsgrundsatzes. Umstrit- 62 ten ist, ob es sich bei Art. 2 Abs. 1 PVÜ um eine Kollisionsnorm handelt. Die herrschende Meinung240 verneint zu Recht den kollisionsrechtlichen Charakter der Inländerbehandlung für den Bereich des unlauteren Wettbewerbs.241 Art. 2 Abs. 1 PVÜ verfolgt einen rein fremdenrechtlichen Ansatz und bestimmt einzig und allein, dass Ausländer aus Verbandsländern wie Inländer zu behandeln sind.242 Einen für das Wettbewerbsrecht maßgeblichen kollisionsrechtlichen Gehalt weist die Norm jedoch gerade nicht auf.243 ee) Fazit. Festzuhalten bleibt mithin, dass der in der PVÜ niedergelegte Schutz ver- 63 gleichsweise schwach ausgebaut ist. Zudem finden sich in der PVÜ auch keine kollisionsrechtlichen Bestimmungen, die bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts Bedeutung erlangen könnten.244 b) Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) aa) Allgemeines. Der Schutz durch die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) wird 64 durch das TRIPS-Abkommen ergänzt. Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vom 30.8.1994245 ist bis heute das umfassendste multilaterale Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums.246 Als inte-
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240 Herrschende Meinung: Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 37, F 157; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 25; Beater Rn. 356; Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 69; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 46; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 421; Katzenberger in Schricker/HenningBodewig S. 218, 221; Henning-Bodewig GRUR Int. 2013, 1, 3; Wirner S. 39 f. Ausführlich zur Frage, ob es sich beim Inländerbehandlungsgrundsatz nach Art. 2 Abs. 1 PVÜ um eine kollisionsrechtliche Regelung handelt: MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 26; a.A. z.B. Ulmer Immaterialgüterrechte, S. 20. Auch der BGH hat Art. 2 Abs. 1 PVÜ in der Entscheidung „Betonsteinelemente“, BGH 21.3.1991 – I ZR 158/89 – GRUR 1992, 523, 524, einen kollisionsrechtlichen Gehalt beigemessen („Die Voraussetzungen des wettbewerblichen Leistungsschutzes richten sich gemäß Art. 2 Abs. 1 PVÜ nach den Rechtsregeln des Staates, in welchem die beanstandete Verletzungshandlung stattfindet.“) Allerdings handelt es sich hierbei um eine vereinzelt gebliebene Aussage. In späteren Entscheidungen wendet das Gericht das Marktortprinzip ohne Verweis auf die PVÜ an. 241 Mit Blick auf das Immaterialgüterkollisionsrecht bejaht ein Teil der Literatur hingegen einen kollisionsrechtlichen Gehalt. Argumentiert wird dabei folgendermaßen: Die PVÜ folgt in Art. 2 Abs. 1 PVÜ der Vorstellung einer territorial begrenzten Reichweite von Immaterialgüterrechten, welche dazu führt, dass sich deren Schutzwirkungen nicht über die Grenzen des jeweiligen Staatsgebietes erstrecken. Daher sei auch kollisionsrechtlich dem auf dem Territorialitätsprinzip beruhenden Schutzlandprinzip (lex loci protectionis) zu folgen, wonach das Recht des Staates anwendbar ist, für dessen Gebiet Schutz beansprucht wird. S. nur Ulmer Immaterialgüterrechte, S. 20; MünchKommBGB/Drexl IntImmGR Rn. 68 m.w.N. Diese Argumentation lässt sich jedoch nicht auf das Wettbewerbsrecht übertragen, da dieser Rechtsbereich nicht auf der Zuordnung ausschließlicher Rechte basiert, sondern Verhaltensregeln als Teil des Marktordnungsrechts definiert. Siehe hierzu ausführlich Rn. 33 ff. sowie MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 25; s. auch Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 6; Katzenberger in Schricker/HenningBodewig S. 218, 221. 242 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 46. 243 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 37, F 157; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 25; Beater Rn. 356; Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 69; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 46; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 421; Katzenberger in Schricker/Henning-Bodewig S. 218, 221; Henning-Bodewig GRUR Int. 2013, 1, 3; Wirner S. 39 f. 244 Deutsch S. 17; Froriep S. 14; Kreuzer in v. Caemmerer S. 232, 235; Regelmann S. 11; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 46; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 25 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 1; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 421; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 293. 245 BGBl 1994 II S. 1730. 246 Pflüger S. 57.
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Einleitung Teil D.
graler Bestandteil des WTO-Übereinkommens ist es automatisch für alle WTO-Mitglieder verbindlich (Art. II Abs. 2 WTO-Übereinkommen). Das TRIPS-Abkommen trat zusammen mit dem WTO-Übereinkommen am 1.1.1995 in Kraft247 und wurde sowohl von den Mitgliedstaaten der EG als auch von der Europäischen Gemeinschaft selbst abgeschlossen.248 Bis heute sind dem WTO-Übereinkommen 153 Mitgliedstaaten beigetreten.249 bb) Lauterkeitsrechtliche Relevanz des TRIPS-Abkommens. Das TRIPS-Abkommen enthält keine speziell wettbewerbsrechtliche Kodifikation.250 Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass der wettbewerbsrechtliche Bereich überhaupt nicht betroffen ist,251 denn TRIPS hat einige gewerbliche (immaterialgüterrechtsnahe) Leistungen252 zum Regelungsgegenstand, die im nationalen Recht durch Vorschriften zum Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb geschützt werden. Wettbewerbsrechtliche Relevanz haben insofern vor allem die Art. 22 ff. TRIPS, in 66 denen sich Vorschriften zum Schutz geografischer Angaben finden:253 Art. 22 Abs. 2b) TRIPS enthält eine Verpflichtung zum Schutz gegen jede Benutzung geografischer Angaben, die eine unlautere Wettbewerbshandlung i.S.v. Art. 10bis PVÜ darstellt. Die irreführende Verwendung derartiger Angaben ist folglich nach TRIPS verboten.254 In Art. 39 TRIPS findet sich zudem ein Schutz von nicht offenbarten Informationen255 (wie beispielsweise Geschäftsgeheimnissen256 oder Know-how), wobei Absatz 1 ausdrücklich auf Art. 10bis PVÜ verweist und Absatz 2 zeigt, dass geheim gehaltenes Wissen nicht absolut, sondern lediglich gegen bestimmte unlautere Formen der Offenbarung geschützt wird.257 Darüber hinaus erwähnt Art. 17 TRIPS die „lautere Benutzung beschreibender 65
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247 Reger S. 6 f. Die Bedeutung des TRIPS-Abkommens liegt insbesondere in seiner institutionellen Einbindung im Rahmen der WTO begründet (s. hierzu Drexl GRUR Int. 1994, 777, 778), welcher jeder Staat, soweit er volle Autonomie über seine Handelspolitik ausübt, beitreten kann (Pflüger S. 58). 248 Beater Rn. 372. Der EuGH geht insofern auch von einer grundsätzlichen Kompetenz zur Auslegung des TRIPS-Abkommens aus. 249 Eine aktuelle Auflistung der Mitgliedstaaten ist abrufbar unter http://www.wto.org/english/ thewto_e/whatis_e/tif_e/org6_e.htm (zuletzt abgerufen am 30.10.2013); Pflüger S. 58; MünchKommBGB/ Drexl IntUnlWettbR Rn. 30. 250 Mankowski GRUR Int. 2001, 100; Schricker FS Fikentscher, S. 985, 986; ders. IIC 26 (1995), 782, 783; Fikentscher GRUR Int. 1995, 529, 532; Heinemann GRUR Int. 1995, 535; Henning-Bodewig in Schricker/ Henning-Bodewig S. 21, 34, 44; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 48; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 2; Reger S. 296 f. Eine detaillierte Regelung des Lauterkeitsrechts liegt bisher lediglich als WIPO-Entwurf vor, Model Provisions on Protection Against Unfair Competition – Articles and Notes, WIPO Publication No. 832 (E), 1996. Siehe hierzu auch Henning-Bodewig in Schricker/Henning-Bodewig S. 21, 37 ff. 251 Mankowski GRUR Int. 2001, 100. 252 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 2. 253 Hierzu ausführlich Reger S. 95 ff.; Knaak in Beier/Schricker S. 117 ff. 254 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 30. 255 Hierzu ausführlich Reger S. 235 ff.; Kraßer in Beier/Schricker S. 216 ff. 256 Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen wird im Kommissionsentwurf als Anwendungsbeispiel des Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO genannt und untersteht mithin trotz seiner Nähe zum geistigen Eigentum (vgl. Art. 39 TRIPS) dem europäischen Kollisionsrecht folgend der wettbewerbsrechtlichen Marktortanknüpfung, Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 22. 257 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass nicht offenbarte Informationen (Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse) grundsätzlich frei verwertet werden können, sofern sie auf lautere Art und Weise erlangt wurden. Nur wenn das Wissen geheim im Sinne von Art. 39 Abs. 2 lit. a) TRIPS ist, einen ökonomischen Wert besitzt und wenn angemessene Geheimhaltungsvorkehrungen getroffen wurden (Art. 39 Abs. 2 lit. b) und c) TRIPS), kann die Offenbarung oder Benutzung untersagt werden, Heinemann GRUR Int. 1995, 535.
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Angaben“ als Ausnahme von den Rechten an einer Marke258 und enthält insofern einen gewissen „Fairness-Schutz im Markenrecht“.259 Durch die genannten Bestimmungen wird letztlich eine Art wettbewerbsrechtlicher Mindestschutz in TRIPS statuiert.260 Gewährt das nationale Recht einen umfassenderen Schutz als den durch das Abkommen geforderten, so ist dies grundsätzlich zulässig, soweit es dem TRIPS-Abkommen nicht widerspricht, Art. 1 Abs. 1 S. 2 TRIPS. Dies hat zur Folge, dass die Vertragsstaaten einen großen Spielraum bei der Umsetzung der TRIPSBestimmungen haben.261 Wettbewerbsrechtlich relevant sind neben den erwähnten Bestimmungen zum 67 Schutz geografischer Angaben und geheimer Informationen zudem die Art. 3 und 4 TRIPS, welche die Anwendung der grundlegenden Verpflichtungen zur Inländerbehandlung und Meistbegünstigung vorsehen. Mitglieder des TRIPS-Abkommens gewähren den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten mithin im Grundsatz262 eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die, die sie ihren eigenen Angehörigen in Bezug auf den Schutz geistigen Eigentums gewähren, Art. 3 TRIPS. Das bedeutet letztlich, dass zwischen den Angehörigen von WTO-Mitgliedern der Nichtdiskriminierungsgrundsatz gilt, und die Anwendung von Reziprozitätsvorschriften im Rahmen des TRIPS-Übereinkommens folglich nicht mehr zulässig ist.263 Ergänzt wird der Grundsatz der Inländerbehandlung, der die Diskriminierung aus- 68 ländischer Angehöriger von Mitgliedstaaten gegenüber Inländern verhindern will, durch den Grundsatz der Meistbegünstigung, welcher ausländischen Rechtsinhabern Schutz vor willkürlicher und ungerechtfertigter Benachteiligung gegenüber anderen Ausländern gewährt.264 Im Ergebnis kann der TRIPS-geschützte Ausländer mithin nicht nur Gleichbehandlung mit dem Inländer, sondern ebenfalls mit dem meistbegünstigten Ausländer verlangen.265 cc) Kollisionsrechtlicher Gehalt des Inländerbehandlungsgrundsatzes sowie 69 des Grundsatzes der Meistbegünstigung. Sowohl der Grundsatz der Inländerbehandlung266 als auch der Grundsatz der Meistbegünstigung267 haben jedoch keinen kollisionsrechtlichen Charakter und damit keine unmittelbaren Auswirkungen auf die kollisionsrechtliche Bewertung eines wettbewerbsrechtlichen Sachverhalts.268
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258 Pflüger S. 86 f.; ausführlich hierzu Reger S. 289 ff. 259 Heinemann GRUR Int. 1995, 535: Die Mitgliedstaaten können mithin inhaltliche Beschränkungen des Markenrechts vorsehen, wobei diese auch dem „fairen Gebrauch beschreibender Termini“ („fair use of descriptive terms“) dienen können – vorausgesetzt, die berechtigten Interessen des Markeninhabers sowie Dritter werden berücksichtigt. 260 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 30. 261 Staehelin S. 52. 262 Zu den Ausnahmen siehe Reger S. 79. 263 Kampf VPP-Rundbrief, S. 38, 40. 264 Staehelin S. 49; Pflüger S. 80. 265 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 31. 266 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 31; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 42; Staudinger/ Fezer/Koos IntWIR Rn. 421; Katzenberger in Schricker/Henning-Bodewig S. 219, 221; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2. 267 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 42; Katzenberger in Schricker/Henning-Bodewig S. 219, 221; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 31: Das Prinzip der Meistbegünstigung hat lediglich fremdenrechtlichen Charakter. 268 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 31; Katzenberger in Schricker/Henning-Bodewig, S. 219, 221; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2.
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Einleitung Teil D.
dd) Verweis auf Art. 10bis PVÜ. Das TRIPS-Abkommen nimmt in Art. 2 Abs. 1 TRIPS generell Bezug auf die Bestimmungen der PVÜ. So sind die WTO-Mitglieder gemäß Art. 2 Abs. 1 TRIPS grundsätzlich verpflichtet „[i]n bezug auf die Teile II, III und IV dieses Übereinkommens (…) die Artikel 1 bis 12 sowie Artikel 19 der Pariser Verbandsübereinkunft (1967)“ zu befolgen.269 Der durch den Verweis in Art. 2 Abs. 1 TRIPS zum Tragen kommende sog. Paris-Plus-Effekt ermöglichte dem TRIPS zum einen eine Beschränkung auf Fragen, die von der PVÜ nicht geregelt sind. Zum anderen führt er aber auch zu einer Ausweitung des Kreises derjenigen Staaten, die an die Regelungen der PVÜ (Stockholmer Fassung) gebunden sind, denn durch Art. 2 Abs. 1 TRIPS wird der „PVÜ-Besitzstand“270 auf alle WTOMitglieder übertragen – auch auf jene, die nicht Vertragspartei der PVÜ sind. Jeder Verstoß gegen die Regelungen der PVÜ ist mithin zugleich ein Verstoß gegen WTO-Recht271 und kann über das WTO-Streitbeilegungsverfahren geahndet werden,272 was eine effektivere Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen der PVÜ ermöglicht.273 Mit Blick auf das Wettbewerbsrecht stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die lau71 terkeitsrechtlichen Bestimmungen der Verbandsübereinkunft aufgrund der Bezugnahme in Art. 2 Abs. 1 TRIPS inkorporiert werden.274 Zwar verweist die Norm auf die Artikel 1–12 der PVÜ, gleichzeitig enthält sie jedoch eine Beschränkung durch die Bezugnahme auf die Teile II bis IV. Hiermit könnte eine Begrenzung der Verweisung auf die spezifisch geregelten Bereiche des Schutzes geografischer Herkunftsangaben sowie von Geschäftsgeheimnissen verbunden sein.275 Allerdings hat der Appellate Body, das oberste Streitbeilegungsorgan der WTO, in 72 einer Beschwerde der Europäischen Gemeinschaft gegen die USA, in welcher es um den Schutz von Handelsnamen ging,276 eine etwas andere Sichtweise vertreten.277 Während der Panel Report278 davon ausging, dass Handelsnamen nur durch die PVÜ (Art. 8 PVÜ), nicht aber durch das TRIPS geschützt seien und die Bezugnahme auf die PVÜ nur für jene Gegenstände Geltung besitze, die in den Teilen II bis IV des TRIPS-Abkommens geregelt sind,279 vertrat der Appellate Body Report einen gegensätzlichen Ansatz und stellte fest, dass Art. 2 Abs. 1 TRIPS weit auszulegen280 und mit der Bezugnahme auf die Teile II bis IV des Abkommens keine derartige Einschränkung verbunden sei.281 Ob dieser Be-
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269 Pflüger S. 78 f. 270 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 32. 271 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 32; Kur GRUR Int. 1994, 987, 989. 272 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 32; Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 71 f. 273 Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 71. 274 Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 71. 275 Böttcher S. 196; Henning-Bodewig in Schricker/Henning-Bodewig S. 21, 34 f.; Schricker IIC 26 (1995), S. 782, 783 Fn. 7; ders. FS Fikentscher, S. 985, 986; Reger S. 295. 276 Appellate Body Report United States-Section 211 Omnibus Appropriations Act of 1998 2.1.2002 – AB-2001-7, WT/DS 176/AB/R, abrufbar unter: http://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ ds176_e.htm (zuletzt abgerufen am 30.10.2013); s. auch zum Havana-Club-Fall Jacob GRUR Int. 2002, 406 ff. 277 Auf dieses Verfahren weist auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 32 hin. 278 Panel Report United States-Section 211 Omnibus Appropriations Act of 1998 6. 8. 2001 – WT/DS 176/R, Tz. 8.39 ff., abrufbar unter: http://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds176_e.htm (zuletzt abgerufen am 30.10.2013). 279 Panel Report United States-Section 211 Omnibus Appropriations Act of 1998 6. 8. 2001 – WT/DS 176/R, Tz. 8.30. 280 Der Panel Report hatte mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm eine enge Auslegung vorgenommen. Panel Report United States-Section 211 Omnibus Appropriations Act of 1998 6.8.2001 – WT/DS 176/R, Tz. 8.39 ff. 281 Appellate Body Report United States-Section 211 Omnibus Appropriations Act of 1998 2.1.2002 – AB-2001-7, WT/DS 176/AB/R, Tz. 325 ff. Der EuGH hat diese Interpretation von Art. 2 Abs. 1 TRIPS in der
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gründungsansatz auch eine umfassende Einbeziehung des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb gem. Art. 10bis PVÜ trägt, ist jedoch vor dem Hintergrund, dass sich das TRIPS-Abkommen im Wesentlichen auf Patente, Marken und Urheberrechte konzentriert und den Bereich des unlauteren Wettbewerbs nur am Rande betrifft, zweifelhaft.282 Auch kann die Argumentationslinie des Appellate Body283 mit Blick auf den Schutz von Handelsnamen nicht vollständig und unreflektiert auf den Bereich des unlauteren Wettbewerbsschutzes übertragen werden, denn Art. 10bis PVÜ hätte – anders als Art. 8 PVÜ, der nur den Schutz von Handelsnamen regelt – selbst im Falle einer engen Auslegung noch ein Anwendungsfeld im Bereich geografischer Herkunftsangaben und Geschäftsgeheimnisse.284 Eine andere Lesart würde zudem dem beschränkenden Zusatz in Art. 2 Abs. 1 TRIPS jede Bedeutung nehmen und ließe den Vertragswortlaut zu stark in den Hintergrund treten.285 Im Ergebnis spricht daher viel dafür, dass der Verweis in Art. 2 Abs. 1 TRIPS die Mitgliedstaaten von TRIPS nicht zu einer vollständigen Übernahme des lauterkeitsrechtlichen Standards der PVÜ verpflichtet.286 ee) Unmittelbare Anwendbarkeit. Hinsichtlich der Frage nach der unmittelbaren 73 Anwendbarkeit der Bestimmungen des TRIPS-Abkommens gilt nichts anderes als mit Blick auf die Bestimmungen der PVÜ. Sie sind grundsätzlich unmittelbar anwendbar, sofern sie hinreichend bestimmt und klar formuliert sind und das nationale Verfassungsrecht einer unmittelbaren Geltung nicht entgegensteht.287 Beater weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Bundesrepublik bei Schaffung des Zustimmungsgesetzes zum TRIPS-Abkommen davon ausgegangen ist, dass das deutsche Recht durchweg mit dem TRIPS-Abkommen vereinbar ist.288 c) Fazit. Auf der Ebene multilateraler Staatsverträge findet sich mithin ein nur Ein- 74 zelsachverhalte betreffender, sehr schwach ausgebauter Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb. Eine kollisionsrechtliche Regelung findet sich hingegen nicht.289 3. Kollisionsnormen in bilateralen Abkommen. Neben den multilateralen Ab- 75 kommen hat Deutschland auch eine Reihe von bilateralen Abkommen gezeichnet, die eine gewisse wettbewerbsrechtliche Relevanz haben. Allerdings zeigt sich auch bei die-
_____ Entscheidung „Anheuser Busch“ ausdrücklich aufgenommen, EuGH 16.11.2004 – C-245/02 – Slg. 2004, I-10989 = GRUR Int. 2005, 231 ff. – Anheuser Busch. 282 Harte/Henning/Glöckner Einl. B Rn. 5; Henning-Bodewig GRUR Int. 2010, 549, 554. Erfasst werden im Kern nur der Schutz von geografischen Angaben und Geschäftsgeheimnissen, Art. 22 ff. sowie 39 TRIPS. Ähnlich auch Schricker FS Fikentscher, S. 985, 986, der in diesem Kontext betont, dass es durch die Bezugnahme auf Art. 10bis PVÜ in Art. 39 TRIPS nicht zu einer nennenswerten Erweiterung des Regelungsbereichs zum Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb kommt. 283 Appellate Body Report United States-Section 211 Omnibus Appropriations Act of 1998 2.1.2002 – AB-2001-7, WT/DS 176/AB/R, Tz. 338. Dieser hatte argumentiert, dass der Verweis in Art. 2 Abs. 1 TRIPS auf Art. 8 PVÜ (der ausschließlich den Schutz von Handelsnamen bezweckt) nur Sinn mache, wenn man auch einen Schutz für Handelsnamen durch das TRIPS-Abkommen bejaht. 284 So auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 32. 285 Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 71; Harte/Henning/Glöckner Einl. B Rn. 5. 286 So im Ergebnis auch Pflüger in Hilty/Henning-Bodewig S. 65, 71; Harte/Henning/Glöckner Einl. B Rn. 5; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 31; Henning-Bodewig GRUR Int. 2010, 549, 554; dies. FS Fikentscher S. 985, 986. A.A. WIPO, Intellectual Property Handbook, S. 347; Höpperger/Senftleben in Hilty/Henning-Bodewig S. 61 f.; Gervais Rn. 2.32. 287 Beater Rn. 372. 288 Beater Rn. 372. 289 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 421.
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Einleitung Teil D.
sen die grundsätzlich zu erkennende Zurückhaltung der Staaten, innerhalb von völkerrechtlichen Verträgen Regelungen zum Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb zu treffen.290 Lediglich der Bereich des Schutzes geografischer Herkunftsangaben ist üblicherweise Gegenstand derartiger Abkommen.291 Auch mit Blick auf diese Verträge stellt sich wieder die Frage nach der Existenz möglicher vorrangiger kollisionsrechtlicher Normen. Die meisten zweiseitigen Staatsverträge, die sich mit Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes befassen, haben allerdings lediglich fremdenrechtlichen Charakter.292 Jedoch existieren auch Verträge, die wettbewerbskollisionsrechtliche Regelun76 gen enthalten.293 Zu nennen sind hier vor allem die zweiseitigen Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geografischen Angaben, die Deutschland beispielsweise mit Frankreich,294 Spanien,295 Italien,296 Griechenland297 und der Schweiz298 geschlossen hat,299 und die Kollisionsnormen enthalten, welchen das Ursprungslandprinzip zugrunde liegt.300 Diese Normen, die typischerweise auf das Recht des Herkunftsstaates verweisen, gehen in ihrem Anwendungsbereich den autonomen innerstaatlichen Regeln zur Feststellung des auf Wettbewerbsverstöße anwendbaren Rechts vor.301 Was das Verhältnis des Konventionsrechts zur Rom II-VO betrifft, so bestimmt 77 Art. 28 Abs. 2 Rom II-VO, dass das Unionsrecht im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander Vorrang vor bilateralen Abkommen zweier Mitgliedstaaten hat.302 Handelt es sich hingegen nicht um eine rein mitgliedstaatliche Beziehung, gehen bestehende völ-
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290 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 35. 291 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 35. 292 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 422; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 75; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 50; Katzenberger in Schricker/Henning-Bodewig S. 218, 221; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2. 293 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 38; Staudinger/Fezer/ Koos IntWIR Rn. 422; Büscher GRUR Int. 2008, 987, 981; vgl. auch MünchKommBGB/Kreuzer nach Art. 38 Anh II EGBGB Rn. 67. 294 Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen v. 8.3.1960, BGBl 1961 II S. 23; s. auch Krieger GRUR Ausl. 1960, 400, 403 ff.; ders. GRUR Int. 1984, 71, 74 f. 295 Vertrag über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen v. 11.9.1970, BGBl 1972 II S. 110. 296 Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen v. 23.7.1963, BGBl 1965 II S. 157. 297 Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen v. 16.4.1964, BGBl 1965 II S. 177. 298 Vertrag über den Schutz von Herkunftsangaben und anderen geographischen Bezeichnungen v. 7.3.1967, BGBl 1969 II S. 139; s. hierzu Krieger GRUR Int. 1967, 334 ff.; ders. GRUR Int. 1984, 71, 75 f. 299 Ein solches Abkommen mit Österreich wurde bisher nur von Österreich ratifiziert und ist deshalb bislang nicht in Kraft getreten. Vertrag über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen Abkommen v. 6.10.1981; s. auch Krieger GRUR Int. 1984, 71, 76. Des Weiteren besteht noch ein älteres Abkommen mit Kuba, Abkommen über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und über den Schutz von Herkunftsbezeichnungen v. 22.3. 1954, BGBl 1954 II S. 1113. 300 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.2; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 38; Staudinger/Fezer/ Koos IntWIR Rn. 422; Büscher GRUR Int. 2008, 987, 981; vgl. auch MünchKommBGB/Kreuzer nach Art. 38 Anh II EGBGB Rn. 67. 301 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 422; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 75; Staudinger/ v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 293; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 50. 302 Siehe hierzu auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 44; Bamberger/Roth/Spickhoff Art. 28 Rom II-VO Rn. 4; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 13d.
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kervertragliche Pflichten nach Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO dem Gemeinschaftsrecht vor, zumindest sofern die Verpflichtung schon zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung bestand und das Abkommen Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthält. Die Beantwortung der Frage, ob Art. 6 Rom II-VO oder aber die völkervertragliche Regelung einschlägig ist, hängt mithin primär davon ab, ob es sich um ein bilaterales Abkommen zwischen zwei Mitgliedstaaten handelt oder nicht.303 Art. 2 und 3 des deutsch-französischen Herkunftsabkommens und der jeweils gleich- 78 lautenden Verträge304 zwischen Deutschland einerseits und Italien, Griechenland und Spanien andererseits sowie Art. 4 und 5 des Abkommens zwischen der Schweiz und Deutschland bestimmen, dass die in der Vertragsanlage aufgeführten deutschen Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen „nur unter denselben Voraussetzungen benutzt werden (dürfen), wie sie in der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland vorgesehen sind (…)“. Insofern verweisen die Normen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Benutzung sowie den Schutz der aufgeführten Bezeichnungen im Einfuhrstaat auf das Ursprungslandrecht305 bzw. auf das Recht des Herkunftsvertragsstaates.306 Wird mithin eine deutsche Herkunftsbezeichnung in einem der Vertragsstaaten verletzt, so bestimmen sich die Anspruchsvoraussetzungen wegen einer Schutzrechtsverletzung nach deutschem Recht.307 Bei Fehlen der Schutzvoraussetzungen nach dem Recht des Ursprungslandes kann allerdings ergänzend auf das Recht des Bestimmungslandes zurückgegriffen werden, sofern diese Normen kollisionsrechtlich zur Anwendung berufen sind.308 Trotz dieser Möglichkeit bleibt es jedoch bei dem grundsätzlich bestehenden Vorrang der völkervertraglichen Kollisionsregeln gegenüber dem autonomen innerstaatlichen Kollisionsrecht.309 Das anzuwendende Recht für die nicht in den entsprechenden Vertragsanlagen aufgeführten Herkunftsangaben bestimmt sich hingegen weiterhin nach dem durch das Kollisionsrecht der lex fori berufenen Sachrecht.310 Festgehalten werden kann mithin, dass die genannten bilateralen Abkommen bezüglich des Schutzumfanges eine kollisionsrechtliche Sachnormverweisung auf das Recht des Ursprungslandes der Bezeichnung enthalten.311 Auch die Europäische Union hat in der Vergangenheit bilaterale Abkommen zum 79 Schutz geografischer Herkunftsangaben mit Drittstaaten abgeschlossen. 312 Allerdings
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303 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 106 geht mit Blick auf die bilateralen Verträge im Bereich geografischer Herkunftsangaben davon aus, dass diese trotz des Vorrangs des europäischen Kollisionsrechts (Art. 28 Abs. 2 Rom II-VO) Anwendung finden, da sie nicht in Widerspruch zur Rom II-VO stehen. 304 Die Abkommen sind auch abgedruckt bei Fezer Markenrecht, Dokumentation Internationales Kennzeichenrecht II. 305 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 422; Büscher GRUR Int. 2008, 987, 981; vgl. auch MünchKommBGB/Kreuzer nach Art. 38 Anh II EGBGB Rn. 67. 306 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 422. 307 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 422; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 50. 308 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 50. Siehe hierzu beispielsweise Art. 10 des deutschfranzösischen Abkommens; nach dem Vertragszweck der Abkommen soll der Schutz nach nationalem Recht nicht vollständig verdrängt, sondern lediglich ergänzt werden. 309 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 50. 310 MünchKommBGB/Kreuzer nach Art. 38 Anh II EGBGB Rn. 67; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 422; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 50. 311 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 37; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 50; Büscher GRUR Int 2008, 987, 981; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 422; Sack WRP 2008, 845, 861 betont hingegen, dass diese Abkommen keine Abweichung von der üblichen Anknüpfung enthalten, sie vielmehr lediglich eine Ausdehnung des Schutzterritoriums auf den jeweils anderen Vertragsstaat bewirken. 312 Zumeist handelte es sich dabei um Zusatzvereinbarungen zu Freihandelsabkommen, wie beispielsweise das Freihandelsabkommen vom 18.11.2002 mit Chile, das am 1.2.2003 in Kraft getreten ist
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enthalten diese keine Bezugnahme auf das Recht des Ursprungslandes, sondern nur die Verpflichtung, die Bezeichnungen der anderen Vertragspartei im eigenen Territorium anzuerkennen, weshalb sie nicht zu einer Abweichung vom maßgeblichen immaterialgüterrechtlichen Schutzlandprinzip (lex loci protectionis) oder vom wettbewerbsrechtlichen Marktortprinzip führen.313 80
4. WIPO Model Provisions on Protection Against Unfair Competition. Die umfassendste Regelung des Lauterkeitsrechts auf internationaler Ebene findet sich in einem Entwurf der World Intellectual Property Organization (WIPO), dem sog. WIPO Model Provisions on Protection Against Unfair Competition.314 Dabei handelt es sich um Modellvorschriften zum Schutz gegen unlauteren Wettbewerb, welche die WIPO, die seit 1970 auch die PVÜ verwaltet,315 im Jahre 1996 auf der Grundlage des Art. 10bis PVÜ erarbeitet hat.316 Die Modellvorschriften enthalten neben einer Generalklausel beispielsweise Vor81 schriften über das Hervorrufen von Verwechslungsgefahr, die Verwässerung von Kennzeichen, die Schädigung des guten Rufes und die irreführende Werbung.317 Allerdings stellen sie weder bindendes Völkerrecht dar, noch reformieren sie bestehende völkerrechtliche Regelungen,318 weshalb ihre Wirkung nicht mit derjenigen internationaler Verträge, wie der PVÜ oder TRIPS, vergleichbar ist. Die WIPO-Modellvorschriften sollen vielmehr lediglich als Anregung dienen und insbesondere Staaten, die über kein oder zumindest kein adäquates Wettbewerbsrecht verfügen,319 motivieren, Regelungen zum Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb zu etablieren oder auszubauen.320 Zudem geben sie den nationalen Gesetzgebern wertvolle Hinweise, wie die Verpflichtungen aus Art. 10bis PVÜ auszufüllen sind. Zu beachten ist jedoch, dass die Model Provisions über den Inhalt des Art. 10bis PVÜ hinausgehen.321 So findet zum einen eine gewisse konzeptionelle Verschiebung statt, da die Modellvorschriften bei der Definition verbotener Handlungen auf das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses verzichten, zum anderen fin-
_____ und in Annex V (Abkommen über Wein) Bestimmungen hinsichtlich des Schutzes geografischer Herkunftsangaben enthält (abrufbar unter: http://www.sice.oas.org/trade/chieu_e/chieu1_e.asp, zuletzt abgerufen am 30.10.2013). Aber auch in sog. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, welche die Europäische Union mit Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks schließt, enthalten oftmals Bestimmungen zum Schutz geografischer Herkunftsangaben sowie ausdrückliche kollisionsrechtliche Regelungen. Vgl. hierzu ausführlich und mit weiteren Beispielen und Nachweisen MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 38. 313 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 38. 314 WIPO Publication No. 832 (E), 1996. 315 Hervorzuheben ist in diesem Kontext, dass die WIPO in der Vergangenheit versuchte, das internationale Recht des unlauteren Wettbewerbs im Rahmen der PVÜ fortzuentwickeln. Diese Versuche waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt, s. Harte/Henning/Glöckner Einl. B Rn. 3. 316 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 1. 317 Siehe dazu Reger S. 317 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einf. B Rn. 3; Höpperger/Senftleben in Hilty/Henning-Bodewig S. 61, 67 ff. 318 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 34; Henning-Bodewig IIC 30 (1999), S. 166, 183. 319 Insbesondere osteuropäische Staaten zeigten nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime ein starkes Interesse an der Unterstützung und einem Orientierungsmaßstab beim Abfassen von Gesetzen zum Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb, Henning-Bodewig in Schricker/Henning-Bodewig S. 21, 37; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 34. Dies zeigt auch das Vorwort, wonach die Model Provisions, die auf Englisch, Spanisch und Französisch verfügbar sind, insbesondere dazu dienen sollen, den Staaten, die wegen Art. 2 TRIPS erstmalig zur Beachtung von Art. 10bis PVÜ verpflichtet sind, eine Art Leitlinie zur Verfügung zu stellen. 320 Henning-Bodewig in Schricker/Henning-Bodewig S. 21, 37; dies. IIC 30 (1999), S. 166, 182. 321 Siehe hierzu MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 34; Henning-Bodewig IIC 30 (1999), S. 166, 183.
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det der Verbraucherschutz Eingang in die Bestimmungen.322 Zudem wurde die Anzahl an Sondertatbeständen erhöht und deren Reichweite erweitert.323 Für das Wettbewerbskollisionsrecht haben die Model Provisions on Protection 82 Against Unfair Competition allerdings keinerlei Bedeutung.324 5. Europäisches Gemeinschaftsrecht a) Bedeutung des Gemeinschaftsrechts für die Bestimmung des Wettbewerbs- 83 statuts. Das europäische Recht ist im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts von überragender Bedeutung. Das liegt nicht nur an der seit 11.1.2009325 geltenden Rom II-VO, die – gestützt auf die Kompetenznorm des Art. 67 Abs. 4 i.V.m. 81 Abs. 2 lit. c AEUV – in ihrem Art. 6 eine spezielle Kollisionsnorm für das Wettbewerbsrecht bereithält und in der Konsequenz das autonome nationale Recht verdrängt. Vielmehr erlangt das Europarecht auch insofern Bedeutung, als verschiedentlich behauptet wird, dass das primärrechtliche Herkunftslandprinzip, das im Rahmen der Dogmatik der Grundfreiheiten entwickelt wurde, bzw. das sekundärrechtliche Herkunftslandprinzip,326 das sich insbesondere in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste327 sowie der E-CommerceRichtlinie 328 wiederfindet, 329 einen kollisionsrechtlichen Gehalt aufweisen und daher letztlich im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander zu einer Verdrängung des Marktortprinzips führen.330 Darüber hinaus wurde in der Vergangenheit auch über eine mögliche kollisionsrechtliche Einordnung des in Art. 18 AEUV normierten Diskriminierungsverbots debattiert,331 weshalb im Rahmen der Bestimmung des Wettbewerbsstatuts sowohl ein Blick auf das europäische Primär- als auch auf das europäische Sekundärrecht geboten ist. Sollte sich im Bereich des Primärrechts eine Kollisionsnorm finden, so wäre diese 84 schon aufgrund des Anwendungsvorrangs332 des Gemeinschaftsprimärrechts für die
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322 Siehe hierzu auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 34 sowie Harte/Henning/Glöckner Einl. B Rn. 3. 323 Siehe hierzu auch Harte/Henning/Glöckner Einl. B Rn. 3; Henning-Bodewig in Schricker/HenningBodewig S. 21, 37; dies. IIC 30 (1999), 166, 182. 324 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 34. 325 Zum Streit um die zeitliche Anwendbarkeit der Rom II-VO siehe Rn. 169 sowie EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA; siehe zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Paolo Mengozzi v. 6.9.2011 auch Sujecki EuZW 2011, 815; zudem Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 154; v. Hein ZEuP 2009, 6, 10 f.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 37. 326 Vgl. hierzu ausführlich Rn. 115 ff. 327 Die neue Richtlinie trat am 19.12.2007 in Kraft (vgl. RL 2010/13/EU – ABl. EU L 95 v. 15.4.2010, S. 1 ff.). Sie ist die konsolidierte Fassung der Neufassung der Richtlinie 2007/65/EG, welche wiederum auf die erste Fernsehrichtlinie 89/552/EWG zurückgeht. 328 RL 2000/31/EG – ABl. EG L 178 v. 17.7.2000, S. 1 ff. („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“ – „e-commerce Richtlinie“). 329 Das Herkunftslandprinzip findet sich zudem in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG – ABl. EG L 149 v. 11.6.2005, S. 22 ff.); darüber hinaus wurde es von der Kommission als Konzept für die Dienstleistungsrichtlinie vorgeschlagen (COD 2004/0001; [SEK (2004) 21]/KOM/2004/0002 endg. v. 13.1.2004), letztlich im Gesetzgebungsprozess jedoch wieder verworfen (s. RL 2006/123/EG – ABl. EG L 376 v. 27.12.2006, S. 36 ff.). 330 Siehe hierzu ausführlich Rn. 85 ff., 115 ff. 331 Siehe hierzu Rn. 113 f. 332 Unionsrecht geht dem mitgliedstaatlichen Recht jeder Regelungsebene vor, siehe hierzu EuGH 9.3.1978 – C-106/77 – Slg. 1978, 629 Tz. 16 – Simmenthal, in welcher der Gerichtshof feststellt, dass „jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar“ ist. Folge des Anwendungsvorrangs ist die Nichtanwendung des nationalen Rechts im Falle eines Konfliktes. Mit
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Bestimmung des anwendbaren Rechts maßgeblich. Findet sich hingegen eine von der in der Rom II-VO zugrunde gelegten Marktortanknüpfung333 abweichende Regelung auf der Ebene des Sekundärrechts, muss festgestellt werden, in welchem Verhältnis dieser konkrete Sekundärrechtsakt zur Rom II-VO steht. 85
b) Das Herkunftslandprinzip: Kollisionsrechtliches Prinzip oder sachrechtliches Korrektiv? Umstritten ist zunächst, ob es sich bei dem aus der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) resultierenden primärrechtlichen Herkunftslandprinzip bzw. bei dem in einzelnen Sekundärrechtsakten niedergelegten Herkunftslandprinzip334 um ein kollisionsrechtliches Prinzip handelt, oder ob dieses nicht vielmehr ein Korrektiv für ein dem Gemeinschaftsrecht widersprechendes Ergebnis darstellt, welches durch Anwendung des durch das Wettbewerbskollisionsrecht berufenen Sachrechts gefunden wurde.335 Die zentrale Frage, die in diesem Kontext zu klären ist, lautet mithin: Wirkt das Herkunftslandprinzip bereits auf der Ebene des Kollisionsrechts als maßgebliches Prinzip zur Bestimmung des Wettbewerbsstatuts oder erst auf der Ebene des Sachrechts, indem es bei Binnenmarktsachverhalten das eigentlich zur Anwendung berufene nationale Wettbewerbssachrecht begrenzt? c) Das Herkunftslandprinzip im Gemeinschaftsprimärrecht
aa) Kollisionsrechtlicher Gehalt der Warenverkehrsfreiheit? Positiv formuliert gewährleistet die Warenverkehrsfreiheit das Recht, Waren, d.h. (bewegliche) „Erzeugnisse, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können“, 336 „zu erwerben, anzubieten, auszustellen oder feilzuhalten, zu besitzen, herzustellen, zu befördern, zu verkaufen, entgeltlich oder unentgeltlich abzugeben, einzuführen oder zu verwenden“,337 wobei die Waren entweder aus einem Mitgliedstaat stammen müssen oder es sich um im freien Verkehr der Mitgliedstaaten befindliche Waren aus Drittstaaten handeln muss.338 Art. 34 AEUV (früher Art. 28 EG) untersagt daher mengenmäßige Beschränkun87 gen339 und Maßnahmen gleicher Wirkung, worunter nach der vom EuGH im Jahre 1974340 entwickelten und in ständiger Rechtsprechung verwendeten Dassonville-Formel
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Blick auf das Zivilrecht muss die Norm des Unionsrechts jedoch unmittelbar anwendbar sein. Siehe in diesem Kontext auch EuGH 19.6.1990 – C-213/89 – Slg. 1990, I-2433 Tz. 19 ff. – Factortame; EuGH 15.7.1964 – 6/64 – Slg. 1964, 1251, 1269 – Costa; EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 65 – Einheitliches Patentgerichtssystem. 333 Vgl. hierzu ausführlich Rn. 203 ff. 334 Siehe hierzu insbesondere die RL 2000/31/EG – ABl. EG L 178 v. 17.7.2000, S. 1 ff. („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“ – „e-commerce Richtlinie“) sowie RL 2010/13/EU – ABl. EU L 95 v. 15.4.2010, S. 1 ff., die am 19.12.2007 in Kraft trat und die konsolidierte Fassung der Neufassung der Richtlinie 2007/65/EG darstellt, welche wiederum auf die erste Fernsehrichtlinie 89/552/EWG zurückgeht („Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste ohne Grenzen“). 335 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 551. 336 EuGH 12.12.1968 – 7/68 – Slg. 1968, 617, 626 – Kommission/Italien. 337 EuGH 27.6.1996 – C-293/94 – Slg. 1996, I-3159 Tz. 6 – Brandsma (mit Blick auf Maßnahmen gleicher Wirkung i.S.d. Art. 34 AEUV); zusammenfassend zur Warenverkehrsfreiheit auch SEC (2009) 673 final. 338 Siehe zum Begriff Art. 29 AEUV; zu Waren aus Drittstaaten Art. 207 AEUV. 339 Aus der Sicht des Lauterkeitsrechts haben mengenmäßige, d.h. vollständige oder nach Menge, Wert und Zeitraum definierte Handelsbeschränkungen gegenwärtig nahezu keine Bedeutung mehr, weshalb sich die Ausführungen im Folgenden auf Maßnahmen gleicher Wirkung fokussieren werden. 340 Siehe auch bereits Art. 3 Richtlinie 70/50/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1969, gestützt auf die Vorschriften des Artikels 33 Absatz 7 über die Beseitigung von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, die nicht unter andere auf Grund des EWG-Vertrags erlassene
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jede „Handelsregelung der Mitgliedstaaten“ zu verstehen ist, „die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“.341 Aufgrund der weiten Formulierung der Dassonville-Formel fielen zunächst grundsätzlich auch nationale Werbebeschränkungen in den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit – mit der Konsequenz, dass, sollten sie zu einer Behinderung im Sinne dieser Formel führen, ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit zu konstatieren wäre. Allerdings konnten und können Maßnahmen gleicher Wirkung unter bestimmten 88 Voraussetzungen auch zulässig sein. Dies ist der Fall, wenn sie nach Art. 36 AEUV (früher: Art. 30 EG) beispielsweise aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, der Gesundheit oder zum Schutze des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind.342 Die in Art. 36 AEUV aufgezählten Schutzgüter sind allerdings abschließend,343 was bedeutet, dass weder der Schutz des (lauteren) Wettbewerbs344 noch der Verbraucherschutz345 zu einer Rechtfertigung im Rahmen des Art. 36 AEUV führen können. Darüber hinaus sind jedoch nach den vom EuGH im Fall Cassis de Dijon346 aufge- 89 stellten Grundsätzen bei Maßnahmen, die unterschiedslos auf EU-Ausländer und Inländer angewendet werden, Hemmnisse für den Binnenhandel hinzunehmen, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung von Erzeugnissen ergeben, soweit die konkrete Regelung notwendig ist, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden.347 Unterschiedslos anwendbare Maßnahmen, die den Erfordernissen
_____ Vorschriften fallen, ABl. L 13 v. 19.1.1970, S. 29: „Diese Richtlinie betrifft weiterhin die Maßnahmen über die Vermarktung von Waren, insbesondere betreffend die Form, die Ausmaße, das Gewicht, die Zusammensetzung, die Aufmachung, die Identifizierung, die Aufbereitung, welche unterschiedslos auf inländische und eingeführte Maßnahmen anwendbar sind und deren beschränkende Wirkungen auf den Warenverkehr den Rahmen der solchen Handelsregelungen eigentümlichen Wirkungen überschreiten. Dies ist insbesondere der Fall, – wenn die den freien Warenverkehr beschränkende Wirkung außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel steht; – wenn das gleiche Ziel durch ein anderes Mittel erreicht werden kann, das den Warenaustauch am wenigsten behindert“. 341 EuGH 11.7.1974 – 8/74 – Slg. 1974, 837 Tz. 5 = NJW 1975, 515, 516 – Dassonville; EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 33 – Kommission/Italien. 342 Nicht geklärt ist jedoch, ob das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb zum Schutz des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums zu zählen ist. Dagegen jedenfalls: EuGH 17.6.1981 – 113/80 – Slg. 1981, 1625 Tz. 8 = NJW 1981, 2634 – Kommission/Irland; Hösch S. 42 f. Siehe hierzu auch Joliet GRUR Int. 1994, 1, 12. 343 EuGH 9.6.1982 – 95/81 – Slg. 1982, 2187 Tz. 27 – Kommission/Italien. 344 Insbesondere lässt sich der Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs nicht unter den Schutz des gewerblichen Eigentums in Art. 36 AEUV fassen. Siehe hierzu EuGH 17.6.1981 – 113/80 – Slg. 1981, 1625 Tz. 8 – Kommission/Irland sowie Beater Rn. 531 ff. und von der Groeben/Schwarze/Müller-Graff Art. 30 EG Rn. 74. Allerdings wurden vom EuGH geografische Herkunftsangaben sowie Ursprungsbezeichnungen als Rechte des geistigen Eigentums nach Art. 36 AEUV eingestuft. Siehe hierzu EuGH 10.11.1992 – C-3/91 – Slg. 1992, I-5529 = GRUR Int. 1993, 76 Tz. 23 ff., 39 – Exportur; EuGH 6.6.1992 – C-47/90 – Slg. 1992, I-3669 Tz. 16 – Delhaize; EuGH 20.3.2003 – C-108/01 – Slg. 2003, I-5121 = GRUR 2002, 616 Tz. 62 ff. – Consorzio del Prosciutto di Parma; EuGH 3.3.2011 – C-161/09 – GRUR Int. 2011, 314 Tz. 37 ff. – Kakavetsos-Frakopoulos; siehe auch EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299 = GRUR 1984, 343 Tz. 34 ff. – Prantl. 345 EuGH 17.6.1981 – 113/80 – Slg. 1981, 1625 Tz. 8 = NJW 1981, 2634 – Kommission/Irland; siehe auch EuGH 19.12.1961 – 7/61 – Slg. 1961, 695, 720 – Kommission/Italien; EuGH 28.3.1995 – C-324/93 – Slg. 1995, I-563 Tz. 36 – Evans. Nicht von einer möglichen Rechtfertigung nach Art. 36 AEUV erfasst wird hingegen der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz, EuGH 2.3.1982 – Rs. 6/81 – Slg. 1982, 707 Tz. 7, 9 ff. – Beele; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 3.33; a.A. jedoch Sack GRUR 1998, 871, 875. Hier kann eine Rechtfertigung nur im Rahmen der Cassis de Dijon-Grundsätze erfolgen. 346 EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 = GRUR Int. 1979, 468 Tz. 8 – Cassis de Dijon. 347 EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 = GRUR Int. 1979, 468 Tz. 8 – Cassis de Dijon.
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des Allgemeinwohls wie etwa der Lauterkeit des Handelsverkehrs348 oder dem Verbraucherschutz349 dienen, sind nach dieser Rechtsprechung folglich gerechtfertigt. Dies bedeutet beispielsweise, dass wettbewerbsrechtliche Vorschriften den Vertrieb von Waren im Einzelfall unterbinden können, „wenn die Umstände, unter denen diese Waren abgesetzt werden, einen Verstoß gegen das darstellen, was im Einfuhrstaat als guter und redlicher Handelsbrauch betrachtet wird“.350 Ist im Lichte dieser Vorgaben allerdings ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit zu bejahen, sind die strengeren Regelungen des Bestimmungslandes auf die betroffene Ware nicht anzuwenden.351 Dies hat zur Folge, dass eine Ware, die entsprechend den Bestimmungen des Herkunftslandes produziert, angeboten oder abgesetzt wird, im gesamten Binnenmarkt verkehrsfähig ist, es sei denn, es findet sich eine den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz352 beachtende Rechtfertigung für eine beschränkende Regelung.353 Angesichts dieser Prämissen kann die Rechtssache Cassis de Dijon daher durchaus als Geburtsstunde des Herkunftslandprinzips angesehen werden.354 Der EuGH hatte sich zwar zunächst primär mit produktbezogenen Vorschriften des öffentlichen Gewerberechts und deren potentiell hemmender Wirkung auseinanderzusetzen, später musste er jedoch auch Vorschriften beurteilen, welche die Art und Weise des Vertriebes betrafen.355 Im Grundsatz war nach der Dassonville-Entscheidung356 somit davon auszugehen, dass potentiell alle Vorschriften des nationalen Wettbewerbsrechts dem Begriff der „Maßnahme gleicher Wirkung“ im Sinne von ex-Art. 30 EWGV (ex-Art. 28 EG, heute Art. 34 AEUV) unterfielen.357 90 In der Oosthoek-Entscheidung358 hatte der EuGH dann erstmals Gelegenheit, eine nationale Vorschrift des Werberechts auf ihre Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit zu überprüfen. Zwar bejahte das Gericht in diesem Fall eine Maßnahme gleicher Wirkung, sah diese letztlich jedoch im Lichte des zwingenden Grundes der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes als gerechtfertigt an. Zentralen Einfluss auf die kollisionsrechtliche Debatte hatte schließlich die Rechts91 sache GB-INNO.359 Gegenstand dieses Verfahrens war der Streit um das Verhalten einer belgischen Handelskette, welche in Luxemburg Werbezettel mit der Absicht verteilte, luxemburgische Kunden in belgische Supermärkte zu locken. Die Werbezettel enthielten
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348 EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299= GRUR 1984, 343 Tz. 27 – Prantl. 349 EuGH 2.2.1994 – C 315/92 – Slg. 1994, I-317 = GRUR 1994, 303 – Clinique. 350 Siehe hierzu beispielsweise EuGH 22.1.1981 – 58/80 – Slg. 1981, 181 Tz. 15 – Dansk Supermarked; EuGH 26.11.1985 – 182/84 – Slg. 1985, 3731 = GRUR Int. 1986, 633 Tz. 24 – Miro, in welcher der Gerichtshof feststellt: „(…) im System des Gemeinsamen Marktes [müssen] Interessen wie die Lauterkeit des Handelsverkehrs unter allseitiger Achtung lauterer Praktiken und herkömmlicher Übungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten gewährleistet werden“. 351 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 97. 352 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 44: Aus diesem Grund sah der EuGH in Cassis de Dijon (EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 = GRUR Int. 1979, 468) ein Vertriebsverbot des Importstaates als nicht erforderlich an, sofern der Schutz des Kunden auch durch eine entsprechende Etikettierung sichergestellt werden konnte, weshalb er das in Deutschland bestehende Vertriebsverbot für ausländischen Likör, welcher nicht den vom Branntweinmonopolgesetz geforderten Mindestgehalt aufwies, letztlich als eine verbotene Maßnahme gleicher Wirkung gemäß ex-Art. 30 EWGV (= Art. 34 AEUV) einstufte. 353 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 45. 354 EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 = GRUR Int. 1979, 468 – Cassis de Dijon. 355 Bspw. EuGH 14.7.1988 – 407/85–3 – Slg. 1988, 4233 = NJW 1989, 1428 – Drei Glocken GmbH. 356 EuGH 11.7.1974 – 8/74 – Slg. 1974, 837, Tz. 5 = NJW 1975, 515, 516 – Dassonville. 357 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 46. 358 EuGH 15.12.1982 – 286/81 – Slg. 1982, 4575 = GRUR Int. 1983, 648 – Oosthoek. 359 EuGH 7.3.1990 – C-362/88 – Slg. 1990, I-667 = GRUR Int. 1990, 955 – GB-Inno-BM.
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dabei Hinweise auf die Dauer von Sonderangeboten und die Höhe der früheren Preise, was nach luxemburgischem Lauterkeitsrecht verboten war. Der EuGH bewertete die Anwendung strengerer nationaler, eine grenzüberschreitende Werbung verbietender Rechtsvorschriften auf eine Werbemaßnahme, welche in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig durchgeführt worden ist, als Verstoß gegen ex-Art. 30, 36 EGV und untersagte mangels einer Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse nach ex-Art. 36 EGV daher in der Folge die Anwendung der werberechtlichen Bestimmungen im Staate der Verbraucher.360 Die Rechtssache GB-INNO361 verdeutlichte mithin nochmals die Maßgeblichkeit des Rechts des Herkunftslandes für die Anwendung des Wettbewerbsrechts im Binnenmarkt und führte in der Konsequenz zu einer Einbeziehung des „Vertriebes“-Aspektes in die Definition des Herkunftslandprinzips.362 In der Entscheidung Yves Rocher363 bestätigte der EuGH sodann die in GB-INNO364 entwickelte Rechtsprechungslinie. Eine grundsätzliche Konformität des angebotenen Produkts mit dem Herkunftsland- 92 recht implizierend,365 ermöglicht das Herkunftslandprinzip folglich, dass alle Unternehmen, die eine rechtmäßige wirtschaftliche Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausüben, im Grundsatz ungehinderten Zugang zum gesamten Markt der Gemeinschaft haben.366 Dies ist nach Ansicht des EuGH auch erforderlich, denn nur wenn die Mitgliedstaaten bestehende Vorschriften im Bereich der Warenproduktion als grundsätzlich gleichwertig akzeptieren und keine weiteren rechtlichen Anforderungen stellen, könne der Binnenmarkt (ursprünglich der „Gemeinsame Markt“) funktionieren.367 Art. 34 AEUV wurde mithin zu einem Prinzip der „gegenseitigen Anerkennung von 93 Erzeugnissen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht wurden“ (Herkunftsprinzip), ausgebaut.368 Konsequenz dieser EuGH-Recht-
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360 EuGH 7.3.1990 – C-362/88 – Slg. 1990, I-667 = GRUR Int. 1990, 955 Tz. 8 – GB-Inno-BM. 361 EuGH 7.3.1990 – C-362/88 – Slg. 1990, I-667 = GRUR Int. 1990, 955 – GB-Inno-BM. 362 So MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 46 mit Verweis auf Steindorff ZHR 158 (1994), 149, 164 f. 363 EuGH 18.5.1993 – C-126/91 – Slg. 1993, I-2361 = NJW 1993, 3187 – Yves Rocher. Der Entscheidung lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde: § 6e (a.F.) des deutschen UWG enthielt ein Verbot, mit der Gegenüberstellung von bisherigen und neuen Preisen blickfangmäßig Werbung zu betreiben. Dieses Verbot erklärt der EuGH für mit der Freiheit des Warenverkehrs als unvereinbar, weshalb der deutsche Gesetzgeber es in der Folge aufhob. Der EuGH betonte dabei, dass die Regelung für den Verbraucherschutz nicht geeignet sei, da sie auch wahre Gegenüberstellungen, welche für die Verbraucher durchaus nützlich sein könnten, verbietet. Darüber hinaus wurde der Verstoß gegen Art. 34 AEUV (ex-Art. 30 EGV) auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs durch die umstrittene Regelung relativ geringfügig war, da dies nach Ansicht des EuGH für ex-Art. 30 EGV keine Rolle spielte (siehe Rn. 14 ff.). 364 EuGH 7.3.1990 – C-362/88 – Slg. 1990, I-667 = GRUR Int. 1990, 955 – GB-Inno-BM. 365 Blasi S. 9. 366 Vgl. Generalanwalt Jacobs, Schlußanträge in der Rs. C-412/93 – Slg. 1995, I-179 = GRUR Int. 1995, 496 Tz. 41 f. – Leclerc Siplec. Mit Blick auf die Personenfreizügigkeit besagt das Herkunftslandprinzip in gleicher Weise, dass jedermann in selbständiger oder abhängiger Position in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden kann, wenn er über die erforderlichen Nachweise des Herkunftsstaates verfügt, siehe hierzu ausführlich Steindorff ZHR 150 (1986), 687, 689. 367 Vgl. dazu EuGH 05.05.1982 – 15/81 – Slg. 1982, 1409 = NJW 1983, 1252, 1254 – Schul. 368 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 34 – Kommission/Italien; grundlegend auch EuGH 20.2.1979 – 120/78 – Slg. 1979, 649 = GRUR Int. 1979, 468 – Cassis de Dijon: Es gebe „keinen stichhaltigen Grund dafür, zu verhindern, dass in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte und in Verkehr gebrachte alkoholische Getränke in die anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden“; siehe auch die Mitteilung der Kommission über die Auswirkungen des Urteils des EUGH vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 („Cassis de Dijon“), ABl. 1980 C 256/2 und das Weißbuch Vollendung des Binnenmarkts, KOM (85) 310 S. 6, 19 Rn. 13, 65.
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sprechung war und ist folglich die Gewährleistung des Rechts, Waren nach dem Vertriebsrecht des Herkunftslandes im gesamten Binnenmarkt zu vertreiben und nach diesem Recht zu erwerben,369 was beispielsweise zur Folge hat, dass eine Werbung für ein aus einem anderen Mitgliedstaat importiertes Produkt, welche im Herkunftsstaat erlaubt ist, nicht durch nationale wettbewerbsrechtliche Vorschriften untersagt werden kann, es sei denn, das Verbot ist nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt oder entspricht zwingenden Erfordernissen. Insofern gewährleistet Art. 34 AEUV Erzeugnissen aus der Gemeinschaft einen „freien Zugang zu den nationalen Märkten“.370 Dieses aus der Dogmatik der Grundfreiheiten hergeleitete und in der GB-INNO94 Entscheidung für den Bereich des Werberechts konkretisierte Herkunftslandprinzip führte aufgrund seiner einschränkenden Wirkung auf die Regelungsbefugnis des Importstaates faktisch zu einer Zurückdrängung des Marktortprinzips und entfachte vor diesem Hintergrund eine intensive Diskussion über seinen (möglicherweise kollisionsrechtlichen) Rechtscharakter.371 Die Debatte flaute allerdings insbesondere im Gefolge der Entscheidung Keck und 95 Mithouard372 wieder etwas ab, denn in dieser Entscheidung vom 24.11.1993 schränkte der EuGH seine weite Interpretation von Handelshemmnissen im Sinne von ex-Art. 30 EGV erheblich ein. Seit der Keck-Entscheidung geht der EuGH nämlich in ständiger Rechtsprechung373 davon aus, dass unterschiedslos, d.h. auf alle Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen anwendbare nationale Bestimmungen, die den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren, nicht geeignet sind, zu einer Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels zu führen, soweit sie „Verkaufsmodalitäten“374 beschränken oder verbieten.375 Im Ergebnis liegt also jedenfalls kein Verstoß gegen Art. 34 AEUV vor, sofern die konkreten Verkaufsmodalitätenregelungen diskriminierungsfrei sind. Unter den Begriff der Verkaufsmodalitäten376 fallen dabei alle nationalen Vorschrif96 ten, die zeitliche, sachliche und räumliche Voraussetzungen hinsichtlich des Verkaufs von Waren aufstellen.377 Hierzu zählen auch Werbeverbote und Werbebeschränkun-
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369 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 46. 370 EuGH (Große Kammer) 10.2.2009 – C-110/05 – Slg. 2009, I-519 Tz. 34 – Kommission/Italien; siehe bereits EuGH 14.7.1983 – 174/82 – Slg. 1983, 2445 Tz. 26 – Sandoz: „Das mit dem freien Warenverkehr verfolgte Ziel besteht gerade darin, für die Erzeugnisse der verschiedenen Mitgliedstaaten den Zugang zu Märkten zu gewährleisten, auf denen sie vorher nicht erhältlich waren“. 371 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 46. 372 EuGH 24.11.1993 – C-267 u. 268/91 Slg. 1993, I-6097 = GRUR 1994, 296 Tz. 15 ff. – Keck und Mithouard m. Anm. Bornkamm; vgl. auch EuGH 27.10.1993 – C-292/92 – Slg. 1993 I-6787 = NJW 1994, 781 Tz. 21 – Hünermund m. Anm. Möschel. 373 Ständige Rechtsprechung: u.a. EuGH 11.8.1995 – C-63/94 – Slg. 1995, I-2467 = NJW 1996, 1735 – Belgapom; EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-1795 = GRUR Int. 2001, 553 – Gourmet International Products; EuGH 14.2.2008 – C-244/06 – Slg. 2008, I-505 Dynamic Medien/Avides Media. 374 Dazu Fezer JZ 1994, 317, 320 f. Zu beachten ist allerdings, dass der EuGH den Begriff der Maßnahme gleicher Wirkung seit 2009 mit einer neuen Formel umschreibt, welche den Fokus vom formalen Kriterium der Verkaufsmodalität hin zu den materiellen Wirkungen einer Maßnahme für den Marktzugang verschiebt. Siehe hierzu ausführlich Heinze Rn. 110 ff. 375 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 546. 376 Siehe Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 27.10.1993 – C-292/92 – Slg. 1993- I-6800 Tz. 20 – Hünermund: „allgemeine Maßnahmen, die die Modalitäten der Ausübung der Handelstätigkeit zum Gegenstand haben und somit nur in mittelbarem Zusammenhang mit den Einfuhren stehen“; zum Begriff der Verkaufsmodalität auch MünchKommUWG/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 126. 377 EuGH 2.6.1994 – C-401/92 und C-402/92 – Slg. 1994, I-2199 Tz. 14 – Tankstation. Ausführlich hierzu auch MünchKommUWG/Heermann EG B Art. 28 EG Rn. 231 ff.
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gen, wie z.B. Beschränkungen der Rundfunkwerbung,378 ein Verbot der Werbung für den Bezug von im Inland nicht zugelassener Arzneimittel,379 oder ein Verbot der Bewerbung als Konkursware.380 Aber auch Verbote, die den Vertrieb von Waren betreffen, beispielsweise im Versandhandel,381 durch Haustürgeschäfte382 oder über das Internet,383 fallen in den Bereich der Verkaufsmodalitäten. Der Gruppe der Verkaufsmodalitäten stehen die sogenannten produktbezogenen 97 Regelungen gegenüber. Dies sind nationale Regelungen bezüglich Form, Gewicht, Qualität und Zusammensetzung, Kennzeichnung, Form, Abmessungen, Aufmachung, Verpackung sowie ihrer Etikettierung.384 Bei ihnen wendet der EuGH Art. 34 AEUV an und betrachtet sie folglich als Maßnahmen gleicher Wirkung, ohne danach zu fragen, ob sie diskriminierungsfrei angeordnet werden.385 Produktbezogene Regelungen stellen mithin stets eine rechtfertigungsbedürftige Maßnahme gleicher Wirkung dar. Da ein erheblicher Teil der wettbewerbsrechtlichen Regelungen zum Bereich der 98 sogenannten „Verkaufsmodalitäten“ gehört (vgl. beispielsweise die Vorschriften über unzumutbare Belästigung, § 7 UWG, getarnte Werbung, § 4 Nr. 3 UWG, unangemessene unsachliche Beeinflussung, § 4 Nr. 1 UWG, den Verkauf zum Verlustpreis386 oder Werbung mit Verkaufsangeboten zu herabgesetzten Preisen unter Hinweis auf die Dauer des Angebots387 und andere), welche dem Zugriff von Art. 34 AEUV jedenfalls insoweit entzogen sind, als im Einzelfall eine rechtliche Ungleichbehandlung oder eine tatsächlich unterschiedliche Auswirkung auf in- und ausländische Erzeugnisse verneint werden kann388 – was angesichts dessen, dass das Wettbewerbsrecht den Vertrieb von Produkten
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378 EuGH 9.2.1995 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 = GRUR Int. 1995, 496 Tz. 22 – Leclerc-Siplec: Einschränkung der Fernsehwerbung betrifft „Verkaufsmodalitäten insoweit, als sie eine bestimmte Form der Förderung (Fernsehwerbung) einer bestimmten Methode des Absatzes (Vertrieb) von Erzeugnissen verbietet“; EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 Tz. 39, 41 – De Agostini; EuGH 28.10.1999 – C-6/98 – Slg. 1999, I-7599 Tz. 45 f. – Pro Sieben Media. 379 EuGH 10.11.1994 – 320/93 – Slg. 1994, I- 5243 Tz. 9 ff. – Ortscheit (konkret wurde das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung bejaht, weil die Vorschrift – nach Auffassung des EuGH – nur Einfuhren betraf; dazu kritisch Sack EWS 2011, 265, 272); ebenso EuGH 8.11.2007 – C-143/06 – Slg. 2007, I-9623 = GRUR 2008, 264 Tz. 20 – Ludwigs-Apotheke. 380 EuGH 25.3.2004 – C-71/02 – Slg. 2004, I-3025 = GRUR Int. 2004, 626 Tz. 30 – Karner. 381 EuGH 2.12.2010 – C-108/09 – GRUR 2011, 243 Tz. 51 – Ker-Optika. 382 EuGH 23.2.2006 – C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 17 – A-Punkt Schmuckhandel. 383 EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 = GRUR 2004, 174 Tz. 68 f. – Deutscher Apothekerverband. 384 Siehe beispielsweise EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 = NJW 1995, 3243 – Mars; EuGH 12.7.2001 – C-157/99 – Slg. 2001, I-5473 Tz. 17 = NJW 2001, 3391 – Smits und Peerbooms; EuGH 13.9.2001 – C-169/99 – Slg. 2001, I-5901 = NJW 2002, 2377 Tz. 39 f. – Schwarzkopf. 385 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 546. 386 EuGH 24.11.1993 – C-267/91 und C-268/91 – Slg. 1993, I-6097 = GRUR 1994, 296 Tz. 18 – Keck und Mithouard. Umstritten ist, ob eine Mindestpreisregelung, die unabhängig von den Gestehungskosten des Händlers festgesetzt wird, nach wie vor als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen ist, weil sie dem Importeur seinen Kostenvorteil nimmt, Calliess/Ruffert/Kingreen Art. 34–36 AEUV Rn. 156 (ebenso zu Höchstpreisregelungen). Sofern sich keine marktabschottende Wirkung feststellen lässt, dürfte es sich nach Keck und Belgapom bei Festpreisregeln um eine Verkaufsmodalität handeln, vgl. OLG München 2.7.2009 – 29 U 3992/08 – GRUR-RR 2010, 53, 55 – Treuebonus II. 387 EuGH 7.3.1990 – 362/88 – Slg. 1990, I-667= GRUR Int. 1990, 955 Tz. 8, 13 ff. – GB-Inno-BM; ähnlich MünchKommUWG/Heermann EB Art. 28 EG Rn. 203. 388 Eine tatsächlich unterschiedliche Auswirkung auf in- und ausländische Erzeugnisse kann im Einzelfall jedoch auch im Bereich des Werberechts vorliegen, wenn dem ausländischen Anbieter eine besonders wirksame Werbe- oder Vertriebsmaßnahme verboten wird, auf die er als ausländischer Anbieter im Unterschied zu heimischen Anbietern in besonderer Weise angewiesen ist, weil er sich erst Zutritt zum Markt verschaffen muss. Siehe hierzu EuGH 8.3.2001 – C-405/98 – Slg. 2001, I-1795 = GRUR Int. 2001, 553 Tz. 20 f., 25 – Gourmet International Products; EuGH 15.7.2004 – C-239/02 – Slg. 2004, I-7007 = GRUR Int.
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in der Regel neutral und diskriminierungsfrei für alle Waren gleich regelt, meist der Fall ist – verlor die Frage nach der kollisionsrechtlichen Bedeutung des Herkunftslandprinzips dementsprechend an Relevanz389 bzw. wurde als Argument gegen eine kollisionsrechtliche Deutung angesehen.390 Es zeigte sich jedoch in der Folgezeit, dass das Herkunftslandprinzip dennoch Ein99 fluss auf die Anwendbarkeit des deutschen Wettbewerbsrechts in Fällen mit Auslandsbezug hatte. So stellte der EuGH in den Rechtssachen Clinique391 sowie Mars392 fest, dass Regelungen, welche Unternehmen zwingen, die Ausstattung ihrer Erzeugnisse je nach dem Ort des Inverkehrbringens unterschiedlich zu gestalten und sie folglich mit zusätzlichen Werbe- und Verpackungskosten belaste, beispielsweise, weil eine nationale Regelung die Verwendung von irreführenden Angaben über die Beschaffenheit von Waren verbietet, als Behinderung des gemeinschaftlichen Wettbewerbs anzusehen sind – jedenfalls, sofern eine Rechtfertigung aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht in Betracht kommt.393 Zwar ging es in den beiden Entscheidungen primär um die Etikettierung und Aufmachung der Ware und damit um produktbezogene Vorschriften, der EuGH bezog jedoch zugleich die Auswirkungen auf die Werbekosten in seine Beurteilung mit ein.394 Insofern zeigen die Fälle, dass die Warenverkehrsfreiheit auch nach der Keck100 Entscheidung395 Einfluss auf den Anwendungsbereich nationalen Rechts in grenzüberschreitenden Fällen nahm, was dazu führte, dass die Frage, ob und inwiefern Art. 34 AEUV ein kollisionsrechtlicher Gehalt insbesondere mit Blick auf die Bestimmung des Wettbewerbsstatuts entnommen werden kann, in der deutschen Literatur bis heute generell anhand der Auslegung der Warenverkehrsfreiheit durch den EuGH396 diskutiert wird.397 Das vertretene Meinungsspektrum reicht dabei von einem prinzipiell materiell-
_____ 2004, 1016 Tz. 52 f. – Douwe Egberts; EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 Tz. 43 – De Agostini sowie Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 24.11.1994 – C-412/93 – Slg. 1995, I-179 = GRUR Int. 1995, 496 Tz. 21– Leclerc-Siplec. 389 Dazu Sack GRUR 1998, 871, 872 f. (m.w.N.). 390 Dazu Kotthoff WRP 1996, 79, 84; Sack WRP 2000, 269, 282 f.; a.A. hingegen Basedow RabelsZ 59 (1995), 1, 50; vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 55. 391 EuGH 2.2.1994 – C 315/92 – Slg. 1994, I-317 = GRUR 1994, 303 – Clinique. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde: Das US-Unternehmen Estée Lauder Cosmetics vertrieb unter dem Namen „Clinique“ in den meisten EU-Staaten Produkte einer Kosmetiklinie. In Deutschland war der Vertrieb unter diesem Namen jedoch nicht möglich, da das deutsche Recht gem. § 3 UWG (a.F.) die Verwendung von irreführenden Angaben über die Beschaffenheit von Waren verbot. 392 EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 = NJW 1995, 3243 – Mars. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde: In Frankreich wurden „Mars“-Schokoladenriegel mit dem Aufdruck „+10 %“ versehen und in der Folge in einer umfassenden Werbekampagne in mehreren EU-Staaten, unter anderem auch in Deutschland, vermarktet und veräußert. Ein deutscher Wettbewerbsverband klagte daraufhin auf der Grundlage des § 3 UWG (a.F.) mit der Behauptung, der Aufdruck sei irreführend. 393 Vgl. dazu Novak in Baudenbacher S. 417; kritisch zu dieser Entscheidung Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 547. 394 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 547. 395 EuGH 24.11.1993 – C-267 u. 268/91 – Slg. 1993, I-6097 = GRUR 1994, 296 Tz. 15 ff. – Keck und Mithouard. 396 In der englisch-sprachigen Debatte um das Herkunftslandprinzip wird der Begriff der gegenseitigen Anerkennung (mutual recognition) bevorzugt verwendet und die Betonung auf die Einschränkung der Regelungsbefugnis des Importstaates gelegt, womit letztlich ein spezifischer Bezug zum Kollisionsrecht vermieden wird und die Frage nach der kollisionsrechtlichen Deutung auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung keine große Rolle spielt. Lediglich de Baere MJ 11 (2004), 287, 289 ff. verweist unter Verwendung des Begriffs „principle of origin“ auch ausdrücklich auf die deutsche Diskussion. Siehe hierzu im Übrigen auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 45. 397 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 49.
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rechtlichen Verständnis des primärrechtlichen Herkunftslandprinzips,398 über die Einordnung als versteckte399 bzw. als negative einseitige Kollisionsnorm400 bis hin zur Bejahung einer positiv auf das Recht des Herkunftslandes verweisenden Kollisionsnorm, die für reine Binnenmarktsachverhalte die allgemeine lauterkeitsrechtliche Marktortanknüpfung nach Art. 6 Rom II-VO verdrängt.401 Da sich der EuGH zu dieser Frage bislang nicht geäußert hat402 und die Bejahung eines kollisionsrechtlichen Gehalts des primärrechtlichen Herkunftslandprinzips unmittelbare Auswirkungen auf die wettbewerbskollisionsrechtliche Beurteilung hätte, muss eine Stellungnahme zu dieser Frage erfolgen. Im Folgenden sollen daher die maßgeblichen Ansichten und die zur ihrer Unterstützung vorgebrachten Argumente kurz skizziert und abschließend einer Bewertung zugeführt werden. Die Vertreter eines materiell-rechtlichen Verständnisses des primärrechtlichen 101 Herkunftslandprinzips verneinen grundsätzlich einen kollisionsrechtlichen Gehalt und gehen von einer unionsrechtlichen Überlagerung des durch das maßgebliche Kollisionsrecht zur Anwendung berufenen materiellen Wettbewerbsrechts aus, welches im Interesse der Garantie der Warenverkehrsfreiheit und damit letztlich im Interesse der Erleichterung der Handelsströme im Binnenmarkt korrigiert wird.403 Betont wird daher, dass die Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit nationales bzw. unionsrechtliches Kollisionsrecht nicht konkretisiere, sondern der EuGH vielmehr das durch eine kollisionsrechtliche Prüfung zur Anwendung berufene Recht zum Ausgangspunkt nimmt, und sich insofern lediglich auf das materielle Recht bezieht.404 Art. 34 AEUV setze eben gerade voraus, dass im Grundsatz ein Recht anwendbar ist, das nicht jenes des Herkunftslandes ist.405 Darüber hinaus komme es auf das Recht des Herkunftslandes auch nicht an, soweit eine Rechtfertigung nach Art. 36 AEUV gelinge oder die Regelung im Lichte der zwingenden Erfordernisse des Gemeinwohls als gerechtfertigt angesehen werden müsse.406 Und selbst in dem Fall, in dem Art. 34 AEUV eine Korrektur des Marktortrechtes erfordert, finde keine „Ersetzung“ des Rechts statt, vielmehr ist das Recht des Importstaates schlicht nicht anwendbar und wird insoweit in seinem Anwen-
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398 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Bernhard EuZW 1992, 437 ff.; Kort bezeichnet in GRUR Int. 1994, 594, 601 das Verhältnis des europäischen Wettbewerbsrechts zu den nationalen Kollisionsrechten als „friedliche Koexistenz“; Kritik an dieser Ansicht bei MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 47. 399 Siehe hierzu Basedow RabelsZ 59 (1995), 1, 19 ff., 49 ff.; Chrocziel EWS 1991, 173, 177 ff.; Jayme/Kohler IPRax 1991, 361, 369; dies. IPrax 1993, 357, 370 f.; vgl. auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 554. 400 Vor allem vertreten durch Brödermann/Iversen Rn. 409. 401 In diesem Sinne etwa Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1250; Ferrari Art. 27 EGBGB Rn. 56 f.; vgl. dazu ebenfalls Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 100 sowie Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 553. 402 Zur Frage, ob Art. 3 der E-CommerceRL einen kollisionsrechtlichen Gehalt hat, siehe EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 63, 68 – eDate Advertising, in welcher der Gerichtshof feststellte, dass Art. 3 der E-CommerceRL jedenfalls keine Umsetzung in einer speziellen Kollisionsregel verlange, die Mitgliedstaaten jedoch vorbehaltlich der bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie gestatteten Ausnahmen im koordinierten Bereich sicherstellen müssten, „dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht“; vgl. dazu Sack EWS 2011, 513. 403 Siehe hierzu beispielsweise Bernhard EuZW 1992, 437, 439 f.; Ahrens FS Tilmann, S. 739, 743; Ohly GRUR Int. 2001, 899, 900; Kort GRUR Int. 1994, 594 ff.; Sack WRP 1994, 281, 288 f.; ders. WRP 2000, 269, 280 f. und 282 f.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 52; Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 350 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 556. 404 Bernhard EuZW 1992, 437, 440. 405 So Ahrens FS Tilmann, S. 739, 743; zustimmend MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 48. 406 So auch Sack WRP 1994, 281, 288 f.; ders.WRP 2000, 269, 280 f. und 282 f.; ähnlich Fezer JZ 1994, 317, 324; Sonnenberger bezeichnet in ZVglRWiss 95 (1996), 3, 10 f. die Lehre von den „versteckten Kollisionsnormen“ als bloße Erfindung; ihm zustimmend de Baere MJ 11 (2004), 297 ff.
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dungsbereich am Maßstab der Grundfreiheiten beschränkt.407 Dieser Meinung folgend, ordnet der EuGH dementsprechend lediglich die Nichtanwendung einer nationalen (wettbewerbsrechtlichen) Sachnorm an.408 Letztlich bewirke Art. 34 AEUV daher keine Veränderung der kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkte und schaffe kein gemeinschaftsprimärrechtliches Kollisionsrecht.409 Das Wettbewerbskollisionsrecht werde vielmehr weiterhin von der Anknüpfung an das Marktortprinzip bestimmt.410 Art. 34 AEUV führe lediglich zu einer Berücksichtigung der ausländischen Rechtsnormen bei der Anwendung des inländischen Sachrechts und folglich zu einer Nichtanwendbarkeit des Bestimmungslandrechts.411 102 Insbesondere nach der Entscheidung GB-INNO412 des EuGH mehrten sich jedoch die Stimmen, die der Warenverkehrsfreiheit einen kollisionsrechtlichen Gehalt beimaßen.413 Dieser wurde maßgeblich damit begründet, dass die vom EuGH zur Warenverkehrsfreiheit entwickelte Dogmatik zu einer Verdrängung des marktortspezifisch bestimmten kollisionsrechtlichen Anknüpfungsergebnisses führe, weshalb dem Herkunftslandprinzip insoweit jedenfalls eine (mittelbare) kollisionsrechtliche Wirkung zukomme.414 Verbreitung fand insbesondere die Ansicht, wonach Art. 34 AEUV eine versteckte Kollisionsnorm enthalte,415 was zur Folge habe, dass grundsätzlich nach dem Günstigkeitsprinzip416 zu entscheiden sei, ob das Recht des Marktortes oder das des Herkunftslandes Anwendung findet.417 Unter Zugrundelegung dieser Prämissen wird das Marktortprinzip dementsprechend als ein zum gemeinschaftsrechtlichen Herkunftslandprinzip konkurrierendes kollisionsrechtliches Prinzip verstanden, welches nicht generell,
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407 Vgl. Sonnenberger ZVglRWiss 95 (1996), 3, 11; Bernhard EuZW 1992, 437, 440; Gebauer IPRax 1995, 152, 155; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 48; Helmberg WBl. 1997, 89, 139; Kort GRUR Int. 1994, 594, 601; Kotthoff S. 23 f.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 48. 408 Siehe hierzu MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 48; Sack WRP 1994, 281, 291 f. 409 Dethloff S. 280 f.; vgl. die Darstellung bei Baetzgen Rn. 489 ff.; dazu Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 520 ff.; ausführlich auch Höder S. 143 ff. 410 Kort GRUR Int. 1994, 594 ff.; Ahrens FS Tilmann, S. 739, 743; im Ergebnis ebenso Bernhard EuZW 1992, 437, 440; Sack WRP 1994, 281, 288 f.; ders.WRP 2000, 269, 280 f. und 282 f.; Sonnenberger ZVglRWiss 95 (1996), 3, 10 f. bezeichnet die Lehre von den „versteckten Kollisionsnormen“ als bloße Erfindung; zustimmend insoweit de Baere MJ 11 (2004), 297 ff.; Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 350 ff.; Ohly GRUR Int. 2001, 899, 900 ff. 411 Vgl. Roth RabelsZ 55 (1991), 623, 667 f. (allg. Ausführungen in Bezug auf das öffentlich-rechtliche Wirtschaftsaufsichtsrecht); ebenso abl. Sack FS Lorenz, S. 659, 663. 412 EuGH 7.3.1990 – C-362/88 – Slg. 1990, I-667 = GRUR Int. 1990, 955 – GB-Inno-BM. 413 Basedow RabelsZ 59 (1995) 1, 4 schreibt dem Ansatz des Europäischen Gerichtshofs beispielsweise im Wesentlichen „kollisionsrechtliche Natur“ zu. Siehe auch Drasch S. 312 ff., nach dem das Herkunftslandprinzip in den Grundfreiheiten sowohl eine negative als auch eine positive Verweisungsfunktion besitze. 414 Siehe beispielsweise so Basedow RabelsZ 59 (1995), 1, 49 ff.; Chrocziel EWS 1991, 173, 177 ff.; Jayme/ Kohler IPRax 1991, 361, 369; dies. IPrax 1993, 357, 370 f. Ähnlich auch Brödermann/Iversen Rn. 408 ff. 415 So Basedow RabelsZ 59 (1995), 1, 49 ff.; Chrocziel EWS 1991,173, 177 ff.; Jayme/Kohler IPRax 1991, 361, 369; dies. IPrax 1993, 357, 370 f. Kritisch hierzu Sonnenberger ZVglRWiss 95 (1996), 3, 10. 416 Basedow RabelsZ 59 (1995) 1, 15 f.; ähnlich Chrocziel EWS 1991, 173, 178; Jayme/Kohler IPRax 1991, 361, 369; dies. IPRax 1993, 357, 370 f.; vgl. Bernhard EuZW 1992, 437, 439; Remien JZ 1994, 349, 350; in diese Richtung auch Halfmeier ZEuP 2001, 837, 854. 417 So insbes. Jayme/Kohler IPRax 1991, 361, 369; ähnlich Basedow in Schnyder/Heiss/Rudisch S. 11, 20; Chrocziel EWS 1991, 173, 178 f.; Remien JZ 1994, 349, 350; ebenso für eine kollisionsrechtliche Einordnung Brödermann/Iversen Rn. 408 ff., der allerdings die Grenzen der kollisionsrechtlichen Einordnung aufzeigt. Vgl. auch Joerges FS Steindorff, S. 1247, 1252, der kritisiert, dass das Prinzip in „kollisionsrechtlicher Verfremdung“ das Recht des Herkunftslandes zur lex fori des Importlandes mache; vgl. auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 100.
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sondern nur fallbezogen auf das Recht des Herkunftslandes verweist.418 Die Maßgeblichkeit des strengeren Rechts des Bestimmungslandes im Falle einer Rechtfertigung aufgrund des Art. 36 AEUV bzw. zwingender Erfordernisse wird von den Vertretern dieser Ansicht dabei in der Regel als Anwendungsfall des ordre public angesehen.419 Nicht zuletzt wird das primärrechtliche Herkunftslandprinzip vereinzelt auch als 103 negative einseitige Kollisionsnorm qualifiziert.420 Diesem Verständnis zufolge handelt es sich um eine Kollisionsnorm, der ein Verweisungsgehalt nur für den Fall zukommt, dass das Marktortrecht strenger ist als das Herkunftslandrecht und eine Rechtfertigung nach Art. 36 AEUV ausscheidet.421 Faktisch sei daher von einem ausschließlich auf das Bestimmungslandrecht gerichteten kollisionsrechtlichen Nichtanwendungsbefehl auszugehen.422 Das im konkreten Fall ermittelte Anwendungsverbot des Rechts des Bestimmungslandes weise jedenfalls keine allseitige Regelung zur generellen Bestimmung der auf grenzüberschreitende, wettbewerbsrechtliche Sachverhalte anwendbaren Rechtsordnung auf.423 Im Prinzip nehme das Gemeinschaftsrecht insofern in der IPR-Prüfung eine „ordre-public-ähnliche Funktion wahr“.424 Noch einen Schritt weiter gehen die Vertreter, die der EuGH-Rechtsprechung eine 104 positiv auf das Recht des Herkunftslandes verweisende Kollisionsnorm entnehmen wollen, welche mit Blick auf Binnenmarktsachverhalte die allgemeine wettbewerbsrechtliche Marktortanknüpfung verdrängt.425 Auch wenn es gewichtige Stimmen für eine kollisionsrechtliche Deutung des pri- 105 märrechtlichen Herkunftslandprinzips gibt, so kann dennoch festgehalten werden, dass die überwiegende Auffassung in der Literatur der Warenverkehrsfreiheit keinen kollisionsrechtlichen, sondern nur einen sachrechtlichen Gehalt zuschreibt.426 Dies ist aus verschiedenen systematischen und rechtspolitischen Gründen auch unmittelbar überzeugend. Zwar kann die Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrs-
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418 Basedow RabelsZ 59 (1995) 1, 15; vgl. Höder S. 155. 419 Siehe beispielsweise Basedow RabelsZ 59 (1995) 1, 19 ff. 420 Siehe beispielsweise Brödermann/Iversen Rn. 409, der feststellt, dass der kollisionsrechtliche Gehalt in zweierlei Hinsicht beschränkt ist: Zum einen wird lediglich ein Nichtanwendungsbefehl erteilt (negativ); zum anderen wird dieser Nichtanwendungsbefehl stets nur mit Blick auf das Rechts des Bestimmungslandes ausgesprochen (einseitig). 421 Brödermann/Iversen Rn. 409. 422 Siehe hierzu Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 555 m.w.N. Vgl. auch Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 295. Betont wird in diesem Kontext, dass es mit Blick auf den fehlenden positiven Rechtsanwendungsbefehl auch nicht zu einem echten Konflikt mit anderen gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsnormen kommen könne, denn das primärrechtliche Herkunftslandprinzip wirke letztlich ähnlich wie der ordre public-Grundsatz nur als Begrenzung der maßgeblichen wettbewerbsrechtlichen Kollisionsnorm, siehe hierzu Brödermann/Iversen Rn. 409; vgl. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 555. 423 Brödermann/Iversen Rn. 411. Maßgeblich sei nämlich nur, dass das Marktrecht kein Handelshemmnis für den grenzüberschreitenden Warenverkehr darstelle. Die Frage, auf welchem Wege dies erreicht wird, ist dabei jedoch dem Marktrecht überlassen, s. hierzu Höder S. 153. 424 Brödermann/Iversen Rn. 410. 425 In diesem Sinne etwa Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1250; vgl. dazu ebenfalls Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 100 sowie Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 553. 426 Dazu Ahrens CR 2000, 835, 838; ders. FS Tillmann, S. 739, 743; Gloy/Loschelder/Erdmann/Ahrens § 68 Rn. 34 f.; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.3; Baetzgen Rn. 490 ff.; Dethloff S. 280 f.; Duintjer/Tebbens Rev crit dr i p 83 (1994) 451, 473 ff., 481; Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 350 ff.; Gebauer IPRax 1995, 152, 155 f.; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 23; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 853; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 101; Höder S. 177; Kotthoff S. 23; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 39, 52; Kur FS Erdmann, S. 629, 637; Martiny FS Drobnig, S. 389, 397; Ohly GRUR Int. 2001, 899, 900 ff.; Reese S. 217 ff.; Rummel/ Verschraegen § 48 IPRG Rn. 74; Sack WRP 1994, 281, 288 ff., 291 f.; ders. WRP 2000, 281 f.; ders. WRP 2001, 1408, 1413 ff.; Sonnenberger ZVglRWiss 95 (1996) 3, 11, 25 ff.; Spindler RabelsZ 66 (2002) 633, 649 f.; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 295; Thünken S. 99 f.; ders. IPRax 2001, 15, 19.
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freiheit im Einzelfall dazu führen, dass der Anwendungsbereich nationaler Vorschriften aufgrund einer Auslandsberührung eingeschränkt wird, was auf den ersten Blick wie ein kollisionsrechtliches Prinzip erscheint427 – allerdings bestehen erhebliche Unterschiede zwischen dem als gemeinschaftrechtliche Sachnorm wirkenden Herkunftslandprinzip und einer wettbewerbsrechtlichen Kollisionsnorm. Zum einen führt das Herkunftslandprinzip gerade nicht dazu, dass in wettbewerbsrechtlichen Fällen auf seiner Basis stets das Recht des Ursprungslandes berufen wird, vielmehr bleibt im Falle eines Verstoßes gegen Art. 34 AEUV das nationale Recht schlicht unangewendet.428 Zum anderen nimmt der EuGH bei Beantwortung einer Vorabentscheidungsfrage das Ergebnis der kollisionsrechtlichen Beurteilung des vorlegenden Gerichts bereits zum Ausgangspunkt seiner Beurteilung und bezieht sich sodann nur auf das materielle Recht.429 Art. 34 AEUV setzt eben in der Tat gerade voraus, dass im Grundsatz ein Recht anwendbar ist, das nicht jenes des Herkunftslandes ist.430 Auch entspricht die Vorgehensweise des EuGH, der ausgehend von Art. 34 AEUV den Geltungsbereich einer bestimmten nationalen Norm untersucht, nicht dem typischen Vorgehen im Rahmen einer kollisionsrechtlichen Anknüpfung,431 bei dem grundsätzlich vom Rechtsverhältnis bzw. Sachverhalt ausgegangen und dann dessen „Sitz lokalisiert“ wird.432 Darüber hinaus spricht auch aus rechtspolitischer Sicht einiges gegen die Beja106 hung eines kollisionsrechtlichen Gehalts der Warenverkehrsfreiheit: Zum einen würde die Etablierung eines Binnenmarktkollisionsrechts basierend auf einer kollisionsrechtlichen Deutung des Herkunftslandprinzips zu einer Aufspaltung des Wettbewerbskollisionsrechts in Binnenmarktsachverhalte und Drittstaatensachverhalte führen, welche rechtspolitisch fragwürdig und nicht wünschenswert ist.433 Zum anderen wäre aber auch eine Ausweitung des Herkunftslandprinzips über Binnenmarktsachverhalte hinaus nicht sinnvoll,434 da das Herkunftslandprinzip eng mit dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung innerstaatlicher Rechtsnormen verknüpft ist,435 der europäische Gesetzgeber jedoch keinerlei Einfluss auf das Wettbewerbsrecht von Drittstaaten nehmen kann, und insofern kein berechtigtes Vertrauen in die Effektivität der jeweils anderen Wettbewerbsrechtsordnung besteht.436 Eine Ausweitung des Herkunftslandrechts ist auch aus einem weiteren Grund abzu107 lehnen: Die Anwendung dieses Prinzips hat nämlich zur Folge, dass die Wettbewerber auf demselben räumlichen Markt unterschiedlichen Regelungen unterworfen sind,437 da die inländischen Produkte im Grundsatz weiterhin den Vorgaben des strengeren nationalen Wettbewerbsrechts (Inländerdiskriminierung) 438 unterliegen. Dies scheint in Wi-
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427 So auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 556, Bernhard EuZW 1992, 437, 440. 428 Bernhard EuZW 1992, 437, 439. 429 Bernhard EuZW 1992, 437, 440; Sonnenberger ZVglRWiss 95 (1996), 3, 10; Ahrens FS Tillmann, S. 739, 747. 430 So Ahrens FS Tilmann, S. 739, 743; zustimmend MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 48; Sonnenberger ZVglRWiss 95 (1996), 3, 10. 431 Bernhard EuZW 1992, 437, 439. 432 Bereits zurückgehend auf die Lehre von Savigny; vgl. dazu Bernhard EuZW 1992, 437, 439. 433 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 538; Ahrens FS Tillmann, S. 739, 743. 434 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 542; Koos WRP 2006, 499, 503. 435 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 542; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 45; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 913. 436 So auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 542. 437 Bernhard EuZW 1992, 437, 441. 438 Zur Frage, ob die Inländerdiskriminierung gegen verfassungsrechtliche oder gemeinschaftsrechtliche Vorgaben verstößt, welche den nationalen Gesetzgeber zwingen könnten, die
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derspruch zum Gebot der Chancengleichheit aller Wettbewerber auf dem Markt (par conditio concurrentium) zu stehen439 und ist allenfalls im Interesse der uneingeschränkten Verwirklichung des Binnenmarktes und angesichts der Tatsache, dass dieses Problem mit fortschreitender Harmonisierung der rechtlichen Wettbewerbsbedingungen an Bedeutung verlieren wird, hinzunehmen. Eine strikte und generelle Anknüpfung an das Ursprungslandprinzip, wie sie verein- 108 zelt vertreten wird, könnte zudem in jenen Fällen in Widerspruch zur Warenverkehrsfreiheit geraten, in denen das Recht des Herkunftslandes „strenger“ ist.440 Die Warenverkehrsfreiheit und das aus ihr fließende Herkunftslandprinzip dienen von ihrer ratio legis her primär dazu, binnenmarktbeschränkende Wirkungen, die sich aus der Anwendung des Bestimmungslandrechts ergeben, abzubauen.441 Das Herkunftslandrecht kann jedoch gerade nicht stets als das geeignete Recht angesehen werden, um wettbewerbsrechtliche Konstellationen im Interesse des Abbaus von Handelshemmnissen zu regeln. Darüber hinaus würde ein striktes kollisionsrechtliches Verständnis des Art. 34 AEUV auch dazu führen, dass dem Recht des Bestimmungslandes der ihm grundsätzlich über Art. 36 AEUV zugebilligte Regelungsspielraum verschlossen bliebe.442 Nicht zuletzt wäre Konsequenz einer kollisionsrechtlichen Deutung der Grundfreiheiten – darauf weisen auch Hausmann und Obergfell443 hin – die Unvereinbarkeit der Marktortregel mit dem Gemeinschaftsprimärrecht.444 Festgehalten werden kann daher, dass das durch die Rechtsprechung des EuGH zur 109 Warenverkehrsfreiheit etablierte Herkunftslandprinzip keine Bedeutung für die Frage nach dem anwendbaren Recht in einem Fall mit Auslandsbezug hat, es vielmehr nur auf materiell-rechtlicher Ebene wirkt, indem es ein binnenmarktwidriges Anknüpfungsergebnis korrigiert.445 Nichtsdestotrotz kann die Warenverkehrsfreiheit, wie gezeigt, Einfluss auf die Be- 110 wertung internationaler Sachverhalte haben. Denn immer dann, wenn die Anwendung des durch die gemeinschaftsrechtliche Kollisionsnorm des Art. 6 Rom II-VO berufenen nationalen Wettbewerbsrechts gegen die Warenverkehrsfreiheit verstößt, ist die konkrete nationale Rechtsvorschrift nicht anzuwenden.446 Primäres Gemeinschaftsrecht kann mithin im Einzelfall die Nichtanwendbarkeit des durch das Kollisionsrecht berufenen nationalen Sachrechts zur Folge haben, dieses gleichsam überlagern447 und insofern die Wirkungen der zugunsten der Anwendbarkeit des Inlandsrechts getroffenen kollisionsrechtlichen Entscheidung verdrängen.448 Eine solche Verdrängung des eigentlich anwendbaren Wettbewerbsstatuts, welches durch eine marktortspezifisch ausgerichtete kollisionsrechtliche Anknüpfung berufen
_____ nationalen strengeren Normen auch mit Blick auf inländische Produkte unangewendet zu lassen, vgl. Dethloff S. 273 f., 280 sowie Basedow RabelsZ 59 (1995), 1, 37 f. 439 Siehe hierzu auch Bernhard EuZW 1992, 437, 441, der darauf hinweist, dass die Cassis de DijonRechtsprechung in Widerspruch zum Gebot des par conditio concurrentium steht – aber im Interesse der Gewährleistung der Warenverkehrsfreiheit und eines ungehinderten Handels dennoch statt des „lokalen Marktrechts“ das „liberale Ursprungsrecht“ für Warenimporte maßgeblich ist. 440 Siehe hierzu ausführlich Bernhard EuZW 1992, 437, 442. 441 Vgl. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 566. 442 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 102 m.w.N.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 559. 443 Vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 100. 444 So auch Chrocziel EWS 1991, 173, 177; ähnlich Drasch S. 365; speziell zur Warenverkehrsfreiheit Baetzgen S. 233 ff. 445 So auch Blasi S. 42. 446 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 537. 447 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 539. 448 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 559.
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wurde, findet jedoch nur statt, wenn das Recht im Verbringungsland ungünstiger ist als jenes im Herkunftsland und keine Rechtfertigung gelingt. Nur in diesem Fall findet mithin für das im Inland vertriebene Produkt das Wettbewerbsrecht des Herkunftsstaates Anwendung. bb) Kollisionsrechtlicher Gehalt der Dienstleistungsfreiheit? Neben der Warenverkehrsfreiheit hat mit Blick auf das Wettbewerbsrecht vor allem die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) Bedeutung erlangt. Sie wird insbesondere in Fällen des grenzüberschreitenden Vertriebs von Dienstleistungen 449 relevant, ihr kann jedoch auch Bedeutung hinsichtlich der Werbedienstleistungen selbständiger Dritter zukommen. Nach Art. 56 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs450 innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, grundsätzlich verboten, wobei die Norm nicht nur die Beseitigung sämtlicher (offener und versteckter451) Diskriminierungen des Dienstleistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit (Art. 57 Abs. 3 AEUV) untersagt, sondern auch „jeder Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus den anderen Mitgliedstaaten gilt –, sofern sie geeignet ist, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.“452 Beeinträchtigungen der Dienstleistungsfreiheit lassen sich ebenso wie im Bereich der 112 Warenverkehrsfreiheit entweder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses453 111
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449 Unter Dienstleistungen sind nach Art. 57 Abs. 1 AEUV Leistungen zu verstehen, „die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen“. 450 Ob eine Tatbestandsausnahme im Sinne der oben erwähnten Keck-Rechtsprechung (EuGH 24.11.1993 – C-267 u. 268/91 – Slg. 1993, I-6097 = GRUR 1994, 296 Tz. 15 ff. – Keck und Mithouard) im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in Betracht kommt, ist unklar. Zur Anwendbarkeit der Keck-Formel im Bereich der Dienstleistungsfreiheit vgl. die Entscheidung Alpine Investments, EuGH 10.5.1995 – C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 = NJW 1995, 2541 – Alpine Investments, in der erstmals die Übernahme der Keck-Formel für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit nach ex-Art. 49 EG (= Art. 56 AEUV) im Raum stand. Im konkreten Fall, in welchem eine Regelung des Exportstaates zu beurteilen war, welche die Kontaktaufnahme mit Kunden durch sog. „cold calling“ verbot, diskutierte der EuGH zwar eine analoge Anwendung der Keck-Grundsätze (dazu Steinke Übertragbarkeit, S. 181 ff.), lehnte eine solche Übertragung jedoch letztlich mit der Begründung ab, dass das Verbot der Kontaktaufnahme mit Kunden im Ausland jedenfalls in den Anwendungsbereich von ex-Art. 49 EG falle. Gegenstand des Verfahrens war ein Verbot des niederländischen Finanzministers gegenüber einem in den Niederlanden ansässigen Unternehmens, welches mit potentiellen Kunden ohne vorherige Anmeldung (sog. „cold calling“) Kontakt aufnahm, um Warenterminverträge abzuschließen. Wie die Situation im Falle einer Regelung des Importstaates zu bewerten wäre, ist bislang nicht geklärt. Siehe hierzu ausführlich MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 52. Vgl. zudem EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 Tz. 44 ff., 50 – De Agostini und EuGH 28.10.1999 – C-6/98 – Slg. 1999, I-7599 Tz. 47 f., 49 – Pro Sieben Media, in welcher der Gerichtshof das Vorliegen einer Verkaufsmodalität hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit bejaht, bezüglich der Dienstleistungsfreiheit jedoch eine Beeinträchtigung annimmt. 451 EuGH 3.2.1982 – 62/81 – Slg. 1982, 223 Tz. 8 – Seco. 452 EuGH (Große Kammer) 8.9.2009 – C-42/07 – Slg. 2009, I-4221 Tz. 51 – Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International; ebenso EuGH (Große Kammer) 28.4.2009 – C-518/06 – Slg. 2009, I-3491 Tz. 62 – Kommission/Italien; EuGH (Große Kammer) 4.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 85 – Murphy. 453 Siehe auch die Aufzählung der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses in Art. 4 Nr. 8 und Erwägungsgrund 40 RL 2006/123/EG – ABl. EG L 376 v. 27.12.2006, S. 36 ff. (u.a. Schutz der Verbraucher und Dienstleistungsempfänger; Lauterkeit des Handelsverkehrs).
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oder durch die in Art. 62 i.V.m. Art. 52 AEUV454 vorgesehenen Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit rechtfertigen, jedenfalls sofern die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.455 Gelingt eine Rechtfertigung nicht und verstößt die nationale Norm des (Wettbewerbs)Rechts gegen die Dienstleistungsfreiheit, ist sie nicht anzuwenden. Dies bedeutet, dass auch die Dienstleistungsfreiheit im Falle unlauterer Verhaltensweisen das kollisionsrechtlich bestimmte Anknüpfungsergebnis überlagern und zu einer Korrektur des Sachrechts führen kann. Allerdings schafft auch sie selbst kein Kollisionsrecht.456 cc) Der Nichtdiskriminierungsgrundsatz in Art. 18 AEUV. Im Rahmen der Dis- 113 kussion um ein kollisionsrechtliches Prinzip des europäischen Primärrechts wurde auch debattiert, ob dem allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV eine für wettbewerbsrechtliche Sachverhalte maßgebliche Kollisionsregel zu entnehmen sei.457 So wurde argumentiert, das Diskriminierungsverbot erfordere es, dass für auf einem mitgliedstaatlichen Markt tätige ausländische und inländische Wirtschaftsteilnehmer die gleichen Regeln gelten müssten,458 was letztlich eine Anwendung des gemeinschafts(kollisions)rechtlichen Marktortprinzips geboten erscheinen lasse, da diese das Gebot des par conditio concurrentium gewährleiste.459 Der EuGH hat die Anwendung von Art. 18 AEUV auf den Fall der Inländerdiskrimi- 114 nierung jedoch bisher abgelehnt, da als Anknüpfungspunkt für die mit Blick auf Art. 34 AEUV eintretende innerstaatliche Schlechterstellung nicht die Staatsangehörigkeit des Marktteilnehmers, sondern die Herkunft der Ware heranzuziehen sei.460 Die Frage, ob dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV eine kollisionsrechtliche Bedeutung beizumessen ist, kann mithin noch nicht als abschließend geklärt angesehen werden.461 Mit der überwiegenden Meinung in der Literatur spricht allerdings viel dafür, dieses Prinzip nicht kollisionsrechtlich zu deuten.462
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454 Art. 52 AEUV erwähnt zwar nicht den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums – dieser wird jedoch vom EuGH als zwingender Grund des Allgemeininteresses zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit anerkannt, EuGH 18.3.1980 – 62/79 – Slg. 1980, 881 = GRUR 1980, 602 Tz. 15 f. – Coditel I; EuGH (Große Kammer) 4.10.2011 – C-403/08 und C-429/08 – GRUR 2012, 156 Tz. 94 – Murphy. 455 Vgl. hierzu EuGH 30.11.1995 – C-55/94 – Slg. 1995, I-4165 Tz. 37 – Gebhard: Die Maßnahmen „müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist“. 456 Dazu Ahrens FS Tilmann, S. 739, 742 f.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 43; Staudinger/ Fezer/Koos IntWIR Rn. 377. 457 VgI. Höpping S. 97 ff. 458 Vgl. Bernhard EuZW 1992, 437, 441; allgemein zur kollisionsrechtlichen Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes auch Roth RabelsZ 55 (1991), 623, 643 ff.; Sonnenberger ZVglRWiss 95 (1996), 3, 15 ff. 459 So Bernhard S. 250; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 568. 460 Siehe EuGH 23.10.1986 – 355/85 – Slg. 1986, 3231, 3241 Tz. 9 = NJW 1987, 3069 – Cognet. Vgl. hierzu auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 568. 461 Vgl. Roth RabelsZ 55 (1991), 623, 643 ff.; Sonnenberger ZVglRWiss 95 (1996), 3, 15 ff. 462 So sowohl Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 109 als auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 80; im Zusammenhang mit dem Immaterialgüterrecht spricht sich Drexl in FS Dietz, S. 474 für ein ausschließlich fremdenrechtliches Verständnis des Art. 12 I EG aus. Vgl. zu der Problematik Dethloff S. 256 f.
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d) Gemeinschaftssekundärrecht auf der Grundlage des Herkunftslandprinzips. Die europäische Richtliniengesetzgebung der letzten Jahre weist eine erhebliche Tendenz zur Implementierung des Herkunftslandprinzips (bzw. des damit verwandten Sende- und Ursprungslandprinzips463) auf.464 Dieses findet sich beispielsweise in der E-Commerce-Richtlinie 465 sowie in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste 466 (frühere Fernsehrichtlinie467). Zudem fand sich sowohl im Vorschlag der Kommission für eine Dienstleistungsrichtlinie,468 als auch im Vorschlag für eine Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken469 eine Regelung des Herkunftslandprinzips,470 wobei die Festschreibung in diesen Sekundärrechtsakten aber letztlich an heftigem rechtspolitischem Widerstand scheiterte.471 Soweit das Herkunftslandprinzip im Gemeinschaftssekundärrecht Niederschlag ge116 funden hat, enthält es im Grundsatz eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Anordnung, als Herkunftsstaat die Einhaltung aller innerstaatlichen Normen durch die im Inland niedergelassenen Waren- oder Diensteanbieter zu kontrollieren und sicherzustellen. Diese Verpflichtung wird auch anschaulich als „Kontrolle an der Quelle“ bezeichnet.472 Darüber hinaus impliziert das Herkunftslandprinzip zugleich ein Verbot, die in der konkreten Richtlinie garantierte Freiheit für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten zu beschränken.473 Wie auf der Ebene des Primärrechts besteht jedoch auch auf der Ebene des Sekun117 därrechts Streit über einen möglichen kollisionsrechtlichen Gehalt des Herkunftslandprinzips. Und auch die Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben im nationalen Recht, wie die ursprüngliche Normierung des Herkunftslandprinzips im § 4 TDG,474 haben im Schrifttum eine Diskussion dahingehend ausgelöst, ob hiermit eine echte Kollisionsregel475 oder eine sachrechtliche Ausprägung des Herkunftslandprinzips geschaffen wurde.476 Neben bereichsspezifischen rechtspolitischen und dogmatischen Aspekten, die gleich noch näher analysiert werden sollen, ist ein maßgeblicher Kritikpunkt an einer kollisionsrechtlichen Deutung, dass sich der Anwendungsbereich der Richtlinien und damit des sekundärrechtlichen Herkunftslandprinzips allein auf das Verhältnis der
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463 Zum Sendelandprinzip vgl. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 569 sowie Rn. 105. 464 Vgl. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 426; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 57. Siehe auch Piper/Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 66. 465 RL 2000/31/EG – ABl. EG L 178 v. 17.7.2000, S. 1 ff. 466 RL 2010/13/EU – ABl. EU L 95 v. 15.4.2010, S. 1 ff. 467 RL 1989/552/EWG – ABl. EWG L 298 v. 17.10.1989, S. 23 ff. 468 Vorschlag 2004/1/COD f. VO – 2004/21/SEK v. 13.1.2004. 469 Vorschlag 2003/134/COD f. VO – 2003/724/SEK v. 18.6.2003. 470 So MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 105. 471 Kritik aus der Literatur von Basedow EuZW 2004, 423, 424; Sonnenberger RIW 2004, 321; dazu Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 426, 575 sowie MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 73; vgl. auch den Beschluss des Bundestages vom 29.6.2005 (BTDrucks. 15/5832). 472 Dazu Glöckner WRP 2005, 795 ff. 473 Ohly WRP 2006, 1401, 1403. 474 Vgl. Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz, EGG) vom 14.12.2001, BGBl I S. 3721. Das TDG wurde durch Art. 5 S. 2 EGG mit Inkrafttreten des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages mit Wirkung vom 1. März 2007 aufgehoben. Nachfolgeregelungen finden sich im Telemediengesetz (TMG); vgl. das Gesetz zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste (EIGVG), BGBl 2007 I S. 179; dazu auch Kitz ZUM 2007, 368 ff. 475 Vgl. etwa Mankowski IPRax 2002, 257, 258 ff.; ders. ZVglRWiss 100 (2001), 137, 179; Staudinger/ v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 299; Thünken IPRax 2001, 15, 20. 476 So z.B. Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 352; Glöckner ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 547 ff., 555 ff.
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EU-Mitgliedstaaten und der Staaten des EWR zueinander bezieht,477 weshalb die Etablierung eines kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzips zu einer Rechtsspaltung führen würde, denn die Kollisionsanknüpfung innereuropäischer Sachverhalte würde von der Anknüpfung im Verhältnis zu Drittstaaten abgespalten.478 Zusätzlich kommt es oftmals auch mit Blick auf den definierten Anwendungsbereich der Richtlinien zu einer weiteren Rechtsspaltung.479 So würde beispielsweise ein kollisionsrechtliches Verständnis des Herkunftslandprinzips in der E-Commerce-Richtlinie den Online-Wettbewerb und ein mögliches kollisionsrechtliches Herkunftslandprinzip in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste den Wettbewerb mittels grenzüberschreitender Medien mit Blick auf die kollisionsrechtliche Bewertung vom übrigen Wettbewerb abtrennen.480 Derartige gespaltene Anknüpfungen sind aus Sicht des Kollisionsrechts jedoch äußerst unbefriedigend. Darüber hinaus werden aber noch eine Vielzahl weiterer Bedenken geäußert und diskutiert, weshalb im Folgenden ein genauerer Blick auf die einzelnen Sekundärrechtsakte geworfen und deren kollisionsrechtlicher Gehalt näher untersucht werden soll. aa) Das Herkunftslandprinzip und die Richtlinie über audiovisuelle Medien- 118 dienste. Im Interesse einer Liberalisierung der Geschäftstätigkeit im Binnenmarkt und mit dem Ziel, einen einheitlichen europäischen Fernsehmarkt unter Aufhebung aller Beschränkungen der Verkehrsfreiheit und der Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen zu schaffen,481 wurde in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste,482 die eine Neufassung der Fernsehrichtlinie483 darstellt und nunmehr auch nicht-lineare „fernsehähnliche“ Mediendienste484 erfasst, das ursprünglich als Sende-
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477 Siehe hierzu auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 53. 478 Vgl. Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 64; siehe auch Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 914. 479 Vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 54, 215. 480 Vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 54, 215. 481 Begründung zur RL 1989/552/EWG. Zudem sollte im Interesse der Erleichterung des freien Verkehrs von Informationen und Ideen innerhalb der Gemeinschaft eine Koordinierung der geltenden Rechtsvorschriften, welche die Ausübung der relevanten Berufstätigkeiten betreffen, vorgenommen werden. 482 Die neue Richtlinie trat am 19.12.2007 in Kraft (vgl. RL 2010/13/EU – ABl. EU L 95 v. 15.4.2010, S. 1 ff.). Sie ist die konsolidierte Fassung der Neufassung der Richtlinie 2007/65/EG, welche wiederum auf die erste Fernsehrichtlinie 89/552/EWG zurückgeht. Der Begriff audiovisuelle Mediendienste umfasst dabei einerseits Dienstleistungen i.S.d. AEUV, „für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze ist“ (Art. 1 Abs. 1 lit. a Ziff. i RL 2010/13/EU) sowie andererseits audiovisuelle kommerzielle Kommunikation (Art. 1 Abs. 1 lit. a Ziff. ii RL 2010/13/EU). Ausgenommen sind Formen der audiovisuellen Kommunikation zu privaten Zwecken und die Bereitstellung audiovisueller Dienste, deren Hauptzweck nicht die Bereitstellung von Programmen ist (vgl. Erwägungsgründe 21, 22 RL 2010/13/EU). Ausführlich zur Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und ihre Bedeutung für das Lauterkeitsrecht Heinze Rn. 382 ff. 483 Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit. Siehe hierzu bereits Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 365 ff. Zur Kommissionsbegründung KOM (86) 146 siehe die Beilage 5/86 zum Bulletin der Europäischen Gemeinschaft. 484 Unter lineare audiovisuelle Mediendienste fallen reguläre Fernsehprogramme; audiovisuelle Mediendienste auf Abruf bilden die nichtlinearen audiovisuellen Mediendienste. Vgl. dazu die Legaldefinition in Art. 1 lit. a i.V.m. lit. e und g der RL über audiovisuelle Mediendienste. Erfasst werden damit Internet- oder mobiles Fernsehen sowie das sogenannte Bezahlfernsehen, bei dem die Zuschauer eine Auswahl treffen können, zum Beispiel über Videoabruf. Allerdings unterfallen interaktive OnDemand-Dienste nach der Auslegung der Fernseh-RL durch den EuGH 2.6.2005 – C-89/04 – Slg. 2005, I-4891 = NJW 2005, 3056 Tz. 39 – Mediakabel nicht unter den Begriff der Fernsehtätigkeit. Zur Entstehungsgeschichte und zum Anwendungsbereich der RL vgl. Stender-Vorwachs/Theißen ZUM 2007,
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landprinzip485 bezeichnete Herkunftslandprinzip etabliert.486 Danach ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass „alle audiovisuellen Mediendienste, die von seiner Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern übertragen werden, den Vorschriften des Rechtssystems entsprechen, die auf für die Allgemeinheit bestimmte audiovisuelle Mediendienste in diesem Mitgliedstaat anwendbar sind“ (Art. 2 Abs. 1). Erfasst werden hiervon beispielsweise das Gebot der Erkennbarkeit von Fernsehwerbung und Teleshopping sowie ihre Trennung vom redaktionellen Programminhalt (Art. 10).487 Nach Art. 2 a Abs. 1 der Richtlinie gewährleisten die Mitgliedstaaten zudem den frei119 en Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von Sendungen aus einem anderen Mitgliedstaat in ihrem Hoheitsgebiet „aus Gründen, die Bereiche betreffen, die durch diese Richtlinie koordiniert sind“. Art. 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste regeln zudem, dass der Mediendiensteanbieter der Rechtshoheit des Mitgliedstaates unterliegt, in dem er niedergelassen ist. Dies bedeutet, dass der Herkunftsstaat einerseits eine exklusive Kontrolle ausübt, diese jedoch andererseits auf den durch die Richtlinie koordinierten Bereich beschränkt ist. In der Entscheidung „De Agostini“,488 die zwar noch die Fernsehrichtlinie betraf, 120 aber auch mit Blick auf die Änderungsrichtlinie Bedeutung behält,489 hat der EuGH den koordinierten Bereich der Richtlinie allerdings recht eng verstanden. So regele diese zwar auch werberechtliche Fragen – außerhalb des koordinierten Bereichs fallen jedoch jene Regelungen, die nicht spezifisch die Tätigkeit von Fernsehanstalten betreffen, sondern vielmehr allgemein der Lauterkeit des Handelsverkehrs und dem Verbraucherschutz dienen.490 Dem Empfangsmitgliedstaat bleibt es daher unbenommen, nationale Vorschriften, die allgemein dem Schutz der Verbraucher vor irreführender Werbung491 oder dem Schutz der öffentlichen Ordnung dienen, anzuwenden, soweit hierduch keine zweite Sendungskontrolle eingeführt und die Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten aus anderen Mitgliedstaaten nicht verhindert wird.492 Für diese jenseits des ko-
_____ 613 ff. Zum Begriff der audiovisuellen Mediendienste Kleist/Scheuer MMR 2006, 127, 128 ff.; W. Schulz EuZW 2008, 107, 108 f.; Stender-Vorwachs/Theißen ZUM 2007, 613, 615 f. 485 Die RL über audiovisuelle Medien erfasst nicht nur das „Senden“, weshalb sich die Begrifflichkeit auch im Richtlinientext (RL 2007/65/EG) änderte. 486 Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 7 und 27 der RL 2007/65/EG; siehe auch Stender-Vorwachs/ Theißen ZUM 2007, 613, 616. Zu den Gründen der Implementierung des Herkunftslandprinzips und seiner Ausgestaltung näher Blasi S. 46 ff. 487 Zum Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips der Fernsehrichtlinie eingehend Blasi S. 175 ff. 488 EuGH 17.9.1996 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 Tz. 28 ff. – De Agostini. 489 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 55. 490 EuGH 17.9.1996 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 Tz. 34 – De Agostini. Ansonsten würden die Angleichungsmaßnahmen im Lauterkeitsrecht (beispielsweise Richtlinie 84/450/EWG, heute Richtlinie 2006/114/EG) im Bereich der Fernsehwerbung ihre Bedeutung verlieren. Siehe zudem Erwägungsgrund 82 RL 2010/13/EU. 491 So bereits zur Fernsehrichtlinie EuGH 17.9.1996 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 ff. – De Agostini; in diesem Sinne auch schon Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 374; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.23; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 535; vgl. auch Micklitz/Keßler GRUR Int. 2002, 885, 888 f.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 101. Kritisch dagegen Blasi S. 237 ff. Dies macht auch Erwägungsgrund 56 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste deutlich, wonach für unlautere Geschäftspraktiken und dabei auch für irreführende und aggressive Praktiken in audiovisuellen Mediendiensten die Lauterkeitsrichtlinie greife. 492 EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 Tz. 33 f., 38 – De Agostini; EuGH 22.9.2011 – C-244/10 und C-245/10 – GRUR Int. 2012, 53 Tz. 48 ff. – Mesopotamia Broadcast.
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ordinierten Bereichs liegenden Gebiete gelten damit die allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Kollisionsregeln des autonomen Rechts493 bzw. für Sachverhalte nach dem 11.1. 2009494 die nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO maßgebliche Marktortanknüpfung.495 Das in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste etablierte Sendelandprinzip 121 zwingt die Empfangsstaaten mithin einerseits dazu, die rechtlichen Bedingungen des Ursprungsstaates zu akzeptieren, andererseits wird der Sendestaat verpflichtet, eine Sendekontrolle wahrzunehmen.496 Hierdurch wird die grenzüberschreitende Tätigkeit von Fernsehveranstaltern erheblich erleichtert und das Ziel der Richtlinie, den Anbietern den Übergang von einem nationalen Markt zu einem gemeinsamen Markt für die Herstellung und Verbreitung von Programmen zu sichern, in die Praxis umgesetzt. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang zudem, dass der Empfangs- oder Abrufstaat mit Blick auf das sekundärrechtliche Herkunftslandprinzip im Unterschied zu den Grundfreiheiten des Primärrechts die Anwendung eigenen Rechts nicht mehr mit zwingenden Erfordernissen des Gemeinwohls begründen kann. Das sekundärrechtliche Herkunftslandprinzip nimmt den Mitgliedstaaten mithin die im Bereich des primärrechtlichen Herkunftslandprinzips grundsätzlich bestehende Möglichkeit der Rechtfertigung.497 Aufgrund der klaren Formulierung wird dem Herkunftslandprinzip der Richtlinie 122 über audiovisuelle Mediendienste überwiegend 498 ein kollisionsrechtlicher Gehalt beigemessen. Im Ergebnis führt die Richtlinie über audiovisuelle Medien entsprechend ihrer Zielsetzung daher zu einer weiteren Liberalisierung der Geschäftstätigkeit im Binnenmarkt und ermöglicht letztlich den Anbietern audiovisueller Mediendienste die Wahl der für sie günstigsten Rechtsordnung (sog. „forum shopping“) durch einen Wechsel des Niederlassungsstaates.499 bb) Das Herkunftslandprinzip und die E-Commerce-Richtlinie (1) Anwendungsbereich. Die intensivsten Diskussionen wurden und werden je- 123 doch mit Blick auf den Rechtscharakter des in der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 8.6.2000500 etablierten Herkunftslandprinzips (Bin-
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493 Ebenso zur Fernsehrichtlinie Dethloff S. 52; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 372 ff.; Staudinger/ v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 300; s. auch Kort GRUR Int. 1994, 594, 601. 494 Zum Streit um die zeitliche Anwendbarkeit der Rom II-VO siehe Rn. 169 sowie EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA; siehe zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Paolo Mengozzi v. 6.9.2011 auch Sujecki EuZW 2011, 815; sowie Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 154; v. Hein ZEuP 2009, 6, 10 f.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 37. 495 Vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 120. 496 Ahrens FS Tilmann, S. 739, 744. Halfmeier ZEuP 2001, 837, 855 bezeichnet dies als „Anerkennungsund Vertrauensprinzip“. 497 Vgl. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 53. 498 Vgl. (teilweise noch zur Fernseh-RL) AnwKommBGB/Wagner Art. 40 EGBGB Rn. 72; v. Bar/ Mankowski § 3 Rn. 88; Dethloff S. 51 ff.; dies. JZ 2000, 179, 180; Kort GRUR Int. 1994, 594, 601; Kotthoff S. 34 f.; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 159, 365 ff.; Lehmler UWG Einl. Rn 58; Mankowski ZVglRWiss 100 (2001), 137, 142 f.; MünchKommBGB/Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 227a; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 97; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 300; Reithmann/Martiny/Obergfell IVR Rn. 1773; Sack WRP 1994, 281, 284; Schack MMR 2000, 59, 62; Schricker GRUR Int. 1990, 771, 774 f.; Schricker/Henning-Bodewig WRP 2001, 1367, 1370; Thünken S. 51; ders. IPRax 2001, 15, 19 – A.A. Ahrens FS Tilmann, S. 739, 744 f.; Baetzgen S. 290 Rn. 734; Blasi S. 267 ff.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 858; Piper/ Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 78; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 537; zweifelnd auch Harte/Henning/ Glöckner Einl. C Rn. 28 ff. sowie Sack WRP 2008, 845, 858. 499 Vgl. dazu Lehmann EuZW 2000, 517, 518; auch Hoeren MMR 1999, 192, 194. 500 RL 2000/31/EG – ABl. EG L 178 v. 17.7.2000, S. 1 ff.
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nenmarktregel) geführt.501 Die E-Commerce-Richtlinie, deren Ziel es ist, den Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen und auf diese Weise einen Beitrag zum Funktionieren des Binnenmarktes zu leisten (Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2000/31/EG), enthält in Art. 3 Abs. 1 eine Regelung, wonach jeder Mitgliedstaat dafür Sorge zu tragen hat, „dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen“. Absatz 2 ergänzt, dass die Mitgliedstaaten „den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken (dürfen), die in den koordinierten Bereich fallen“.502 Die sog. E-Commerce-Richtlinie löst sich mithin von einer umfassenden Regelungszuständigkeit des Empfangs- und Abrufstaates und verweist letztlich auf das Recht im Herkunftsland.503 Diensteanbieter mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat müssen sich folglich nur an den nationalen Rechtsnormen ausrichten, bestehende strengere Anforderungen in einem anderen Mitgliedstaat, in welchem ihr Angebot unter Umständen auch abgerufen werden kann, müssen sie hingegen nicht beachten.504 Hierdurch sollen ein einheitlicher Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr (electronic commerce) im Binnenmarkt geschaffen und bestehende Beschränkungen ausgeschlossen werden.505 Problematisch ist jedoch die Reichweite506 der als „Herzstück“507 der E-Commerce124 Richtlinie bezeichneten Binnenmarktklausel,508 denn Art. 2h der E-Commerce-Richtlinie definiert den „koordinierten Bereich“ deutlich weiter, als dies der EuGH in „De Agostini“509 mit Blick auf die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste getan hat.510 So unterfallen nach Art. 2h der E-Commerce-Richtlinie alle rechtlichen Anforderungen, die das Rechtssystem der Mitgliedstaaten an Dienste der Informationsgesellschaft und deren Anbieter stellt, dem koordinierten Bereich, und zwar unabhängig davon, ob diese Anforderungen speziell an solche Dienste und Anbieter gestellt werden oder nicht. Unter „Diensten der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie sind dabei 125 alle in der Regel gegen Entgelt, elektronisch, im Fernabsatz und auf individuellen Abruf erbrachten Dienstleistungen und damit im Grunde sämtliche wirtschaftliche Online-
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501 Siehe hierzu auch Spindler RabelsZ 66 (2002), 633, 635. 502 Zur Frage der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 und 2 E-Commerce-RL siehe auch EuGH v. 15.3.2012 – C-292/10 – GRURInt 2012, 544 ff., in welcher das Gericht feststellte, dass dieser nur anwendbar ist, „wenn der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft tatsächlich niedergelassen ist, feststeht.“ Dies zu prüfen, obliege dem vorlegenden Gericht. Keine Anwendung findet Art. 3 daher, wenn der Ort der Niederlassung unbekannt ist. 503 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 53; Sack EWS 2010, 70, 71; ders. EWS 2011, 65, 66. 504 Lehr NJW 2012, 705, 709. 505 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 3.46. Neben der Anordnung des Herkunftslandprinzips hinsichtlich des koordinierten Bereichs, sieht die Richtlinie auch eine Harmonisierung des Sachrechts, beispielsweise mit Blick auf die Zulassungsfreiheit (Art. 4), die Informationspflichten (Art. 5, 6), die kommerzielle Kommunikation reglementierter Berufe (Art. 8) u.a., vor. 506 Die Reichweite des Herkunftslandprinzips der E-CommerceRL wird dabei maßgeblich durch die Abgrenzung des „koordinierten Bereichs“ bestimmt. Siehe Micklitz/Keßler GRUR Int. 2002, 885, 889; s. hierzu auch Blasi S. 324 ff.; Dethloff S. 55; Thünken S. 66 f. 507 KOM (2003), 702 endg. S. 4, auf S. 9 dann als „Kernstück der Richtlinie“ bezeichnet. 508 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 121. 509 Zur engen Auslegung des „koordinierten Bereiches“ s. EuGH 9.7.1997 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 ff. – De Agostini. 510 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 56; Dethloff S. 55.
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Aktivitäten zu verstehen.511 Die E-Commerce-Richtlinie nennt in Erwägungsgrund 18 beispielhaft den Online-Verkauf von Waren, Online-Informationsdienste, kommerzielle Kommunikation oder Dienste, die Instrumente zur Datensuche, zum Datenzugang und zur Datenabfrage bereitstellen.512 Erfasst werden aber auch Dienste, die Informationen über ein Kommunikationsnetz übermitteln, die Zugang zu Kommunikationsnetzen bieten, und „Punkt-zu-Punkt“-Dienste, wie beispielsweise Video-on-Demand.513 Nicht als Dienste der Informationsgesellschaft zu qualifizieren sind hingegen Fernseh- und Hörfunksendungen.514 Nach Art. 2i E-Commerce-Richtlinie werden schließlich alle Anforderungen in Bezug 126 auf die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft und damit auch alle anwendbaren Normen des Werbe- und Wettbewerbsrechts erfasst,515 einschließlich der von der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken geregelten Bereiche.516 Nicht in den koordinierten Bereich fallen hingegen nach Art. 2h, ii E-Commerce-Richtlinie Regelungen, die Anforderungen aufstellen betreffend die Waren als solche, die Lieferung von Waren, sowie betreffend Diensten, die nicht auf elektronischem Wege erbracht werden. Zu beachten ist zudem, dass die E-Commerce-Richtlinie im Anhang zahlreiche Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip festlegt.517 Art. 3 Abs. 4 bis Abs. 6 erlaubt es den Mitgliedstaaten zudem, unter bestimmten engen Voraussetzungen Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Sicherheit sowie zum Schutz der Verbraucher zu ergreifen, selbst wenn diese einen Verstoß gegen die Binnenmarktregel zur Folge haben.518 Zusammenfassend lässt sich mithin festhalten, dass jedenfalls alle lauterkeitsrecht- 127 lichen Vorschriften, die Werbe- bzw. Wettbewerbsmaßnahmen im Internet betreffen,519 in den Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips fallen. Ausgenommen sind jedoch unter anderem die gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht, die Freiheit der Rechtswahl der Vertragsparteien,520 vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge sowie die Regeln über die Zulässigkeit nicht angeforderter kommerzieller Kommunikation mittels elektronischer Post, die sog. Spam-Mails.521 (2) Abgrenzung zur Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste. Aufgrund der 128 Neufassung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die einen gegenüber der
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511 Definition im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der RL 1998/34/EG – ABl. EG L 204 v. 21.7.1998, S. 37 ff. (Transparenz-RL) in der Fassung der RL 1998/48/EG – ABl. EG L 217 v. 5.8.1998, S. 18 ff., so in Art. 2a der E-Commerce RL. 512 Vgl. Erwägungsgrund 18 E-CommerceRL. 513 Vgl. Erwägungsgrund 18 E-CommerceRL. 514 Erwägungsgrund 18 E-CommerceRL; s. zur Ausnahme von Domainnamen Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 578. 515 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 56; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 578; Fezer/ Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 122. 516 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 578; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 122. 517 Micklitz/Keßler GRUR Int. 2002, 885, 889; darunter findet sich eine Ausnahme speziell für das Wettbewerbsrecht: Zulässigkeit nicht angeforderter kommerzieller Kommunikation mittels elektronischer Post. 518 Vgl. hierzu Sack WRP 2001, 1408, 1421 sowie Spindler RabelsZ 66 (2002) 633, 673 ff. 519 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 71. 520 Zum bestehenden Streit, ob damit das gesamte internationale Vertragsrecht vom Anwendungsbereich der E-CommerceRL ausgenommen ist, siehe Mankowski IPRax 2002, 257, 264 f.; Spindler RabelsZ 66 (2002) 633, 666; Thünken S. 88 f. 521 Vgl. Anhang E-CommerceRL.
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Fernsehrichtlinie erweiterten Anwendungsbereich zur Folge hat, ergeben sich Überschneidungen mit der E-Commerce-Richtlinie, insbesondere im Online-Bereich.522 Art. 4 Abs. 8 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sieht insofern vor, dass die Richtlinie 2000/31/EG Anwendung findet, soweit nichts anderes geregelt ist. Im Grundsatz ist daher von einer parallelen Anwendbarkeit der E-Commerce-Richtlinie auszugehen.523 Im Falle einer Kollision soll jedoch die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste Vorrang genießen – jedenfalls soweit nichts anderes geregelt ist.524 Drexl525 weist darauf hin, dass im Lichte der „De Agostini“- Rechtsprechung des 129 EuGH526 mit Blick auf das Herkunftslandprinzip durchaus Unterschiede im Regelungsgehalt bestehen, und daher die Frage aufkommen kann, ob einem Diensteanbieter im Anwendungsbereich beider Richtlinien eine Berufung auf das Herkunftslandprinzip der ECommerce-Richtlinie möglich ist, um der Anwendung einer nicht medienspezifischen allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Regelung des Abrufstaates zu entgehen. Im Ergebnis plädiert er überzeugend dafür, die Anwendbarkeit der E-Commerce-Richtlinie zu bejahen, da die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste den Abrufstaat nicht verpflichtet, sein strengeres nationales Recht anzuwenden.527 Zudem fehlt es in diesem Fall an einer Kollision, da derartige Regelungen nach der Rechtsprechung des EuGH in „De Agostini“528 nicht zum koordinierten Bereich der Richtlinie über audiovisuelle Medien gehören, weshalb die E-Commerce-Richtlinie uneingeschränkt greift. 529 130
(3) Der Streit um den kollisionsrechtlichen Charakter des Herkunftslandprinzips. Der Streit um den kollisionsrechtlichen Charakter des Herkunftslandprinzips, der schon auf der Ebene des Primärrechts geführt wurde und nach wie vor geführt wird,530 setzte sich naturgemäß auch auf der Ebene des Sekundärrechts, und in besonderem Maße mit Blick auf das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie, fort. Die in Art. 3 E-Commerce-Richtlinie gefasste Regelung ist jedenfalls nicht eindeutig formuliert und auch der Europäische Gerichtshof hat sich bisher nicht eindeutig zum Rechtscharakter dieses Prinzips geäußert. Vielmehr hat er in der „eDate Advertising“-Entscheidung vom 25.10.2011 lediglich festgestellt, dass die Regelung keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsnorm verlange,531 sondern auch als sachrechtliche Rechtsanwendungsschranke ausgestaltet werden kann.
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522 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 122; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 57. 523 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 57. 524 Art. 4 Abs. 8 der RL über audiovisuelle Mediendienste, RL 2010/13/EU – ABl. EU L 95 v. 15.4.2010, S. 1 ff. 525 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 57. 526 EuGH 9.7.1997 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 ff. – De Agostini. 527 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 57. 528 EuGH 9.7.1997 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 ff. – De Agostini. 529 Dies ergibt sich auch aus dem Erwägungsgrund Nr. 82 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, RL 2010/13/EU – ABl. EU L 95 v. 15.4.2010, S. 9. Dort unterscheidet der Richtliniengeber auch terminologisch zwischen den „Praktiken, die unter die vorliegende Richtlinie fallen“ und den durch die RL 2005/29/EG geregelten unlauteren Geschäftspraktiken. 530 Vgl. hierzu Rn. 85 ff. 531 EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 63, 68 – eDate Advertising. Konkret stellte der Gerichtshof fest, dass Art. 3 der E-CommerceRL keine Umsetzung in einer speziellen Kollisionsregel verlange, die Mitgliedstaaten jedoch vorbehaltlich der bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs 4 der Richtlinie gestatteten Ausnahmen im koordinierten Bereich sicherstellen müssten, „dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht.“
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Die mit Blick auf das sekundärrechtliche Herkunftslandprinzip entbrannte heftige Diskussion532 darüber, ob es sich bei der Normierung um eine Regel des Internationalen Privatrechts handelt oder ob darin nur ein sachrechtliches Prinzip zu sehen ist,533 hat sich mithin (auch vor dem Hintergrund der Etablierung der Rom II-VO534) nicht erledigt. Die Debatte um die Rechtsnatur des Herkunftslandprinzips zieht sich schon über 131 Jahre hin, beginnend bereits während der Entstehung der E-Commerce-Richtlinie und fortgeführt noch nach Umsetzung des Herkunftslandprinzips im deutschen Recht (zunächst in §§ 4 Abs. 1 sowie 2 TDG und später in § 3 Abs. 1 und 2 TMG).535 Gestritten wird dabei nicht nur über rechtsdogmatische Fragen – auch aus rechtspolitischer Sicht wird diskutiert, ob das Herkunftslandprinzip überhaupt geeignet ist, der Probleme, die sich insbesondere aus der Ubiquität des Internets ergeben, Herr zu werden,536 oder ob die Etablierung eines solchen Prinzips nicht vielmehr zu einer Absenkung bestehender Verhaltensstandards in Europa, einem „race to the bottom“ führt.537 Im Folgenden soll daher ein grober Überblick über die maßgeblichen Ansichten und Argumente gegeben werden und eine kurze Stellungnahme erfolgen. (aa) Meinungsstand. Ein Teil der Literatur sah im Herkunftslandprinzip der E-Com- 132 merce-Richtlinie eine kollisionsrechtliche Norm in Form einer Gesamtverweisung.538 Diesem Verständnis folgend wurde davon ausgegangen, dass Art. 3 auf das Sach- und Kollisionsrecht des Herkunftslandes verweist, welches im Ergebnis frei ist, eine vom Herkunftslandprinzip abweichende Anknüpfung nach dem Marktortprinzip vorzuneh-
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532 Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 191 sowie dies. MMR 2002, 203, 203, die feststellen, dass das Herkunftslandprinzip der E-CommerceRL mit Blick auf sein Verhältnis zum Kollisionsrecht und den Grundfreiheiten „eine der undurchschaubarsten, aber auch folgenreichsten Regelungen“ der RL darstellt. Hoeren MMR 1999, 192, 195 bezeichnet diese Problematik als eine der „dunkelsten Stellen der Richtlinie“. Siehe hierzu Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1259; Bodewig GRUR Int. 2000, 475, 482 f.; Fritze/Holzbach WRP 2000, 872, 875; Glöckner ZVglRWiss 99 (2000), 278, 306; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 35; Henning-Bodewig GRUR Int. 1999, 233, 239 f.; Hoeren MMR 1999, 192, 194; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 194; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 914 f.; Micklitz/Kessler GRUR Int. 2002, 885, 888; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 126; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 598; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 123 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 578. 533 Zwischen diesen beiden Polen finden sich zudem vermittelnde Vorschläge, die entweder stärker zu einem materiell-rechtlichen oder aber einem kollisionsrechtlichen Verständnis tendieren. Ausführlich zur Diskussion um den kollisionsrechtlichen Gehalt des Herkunftslandprinzips in der E-CommerceRL sowie im TDG MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 48 ff.; Sack EWS 2011, 513, 514 ff. 534 Geht man nämlich von einem sachrechtlichen Verständnis des Herkunftslandprinzips der E-Commerce-Richtlinie aus, würde eine autonome mitgliedstaatliche Kollisionsnorm in Form des § 3 TMG (mit Ausnahme von sog. Altfällen) durch das höherrangige unionsrechtliche Marktortprinzip, welches nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO universelle Anwendung findet, verdrängt. Bejaht man hingegen ein kollisionsrechtliches Verständnis des in der E-Commerce-Richtlinie niedergelegten Herkunftslandprinzips, würde die Marktortanknüpfung nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO wegen Art. 27 Rom II-VO von einem kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzip verdrängt. Die Frage, ob die E-Commerce-Richtlinie in Art. 3 eine Kollisionsnorm enthält, ist mithin nach wie vor von Bedeutung. Siehe hierzu ausführlich und mit Nachweisen Rn. 151. 535 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 124. Ausführlich und m.w.N. hierzu MünchKommUWG/ Mankowski IntWettbR Rn. 48 ff. 536 Ahrens CR 2000, 835, 841; Tettenborn K&R 2000, 59, 61 f. 537 Lehmann ZUM 1999, 180, 181; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 914; Spindler MMR-Beilage 7/2000, 4, 8; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 194; dies. MMR 2002, 203, 207; Bodewig GRUR Int. 2000, 475, 482 f.; Fezer/ Koos IPrax 2000, 349, 354; Hoeren MMR 1999, 192, 194. 538 Hoeren MMR 1999, 192, 195; siehe auch Bernreuther WRP 2001, 384, 385 f.; ders. WRP 2001, 513, 515, der sogar noch weiter geht und die Auffassung vertritt, dass das Herkunftslandprinzip nicht nur eine Gesamtverweisung darstellt, sondern ebenfalls die Internationale Zuständigkeit regelt.
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men.539 Dem Herkunftslandprinzip wurde mithin ein kollisionsrechtlicher Charakter beigemessen, der jedoch die Anknüpfungsregeln nach nationalem Kollisionsrecht letztlich unberührt ließ. Im Bereich des Lauterkeitsrechts hätte dies bedeutet, dass zwar zunächst auf das Recht des Herkunftslandes verwiesen werden würde; dieses dann im Anwendungsbereich der Rom II-VO aber über Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO auf das Recht des Marktortes weiterverweisen und dessen uneingeschränkte Anwendung erlauben könnte.540 Dieselbe Konsequenz hätte sich für Sachverhalte vor Inkrafttreten der Rom II-VO (sog. Altfälle) ergeben; so hätte beispielsweise für einen in Deutschland ansässigen Diensteanbieter im Falle unlauteren Wettbewerbs der Marktort541 über das anwendbare Recht entschieden, und zwar ohne Rücksicht auf den Ort der Niederlassung.542 Der Verweis auf das Recht des Herkunftslandes würde sich bei Anwendung dieser Prämissen in der Regel in sein Gegenteil verkehren.543 Zwar kann diese Auffassung für sich verbuchen, den befürchteten „race to the bot133 tom“-Effekt544 zu unterbinden, da es der Diensteanbieter nicht in der Hand hätte, durch die Wahl seines Sitzes das für ihn günstigste Recht auszusuchen. Die tatsächliche Problematik dieses Verständnisses des Herkunftslandprinzips zeigt sich jedoch schon im Lichte des Regelungsziels der Richtlinie, denn diese bezweckt im Interesse des einwandfreien Funktionierens des Binnenmarktes die Sicherstellung der Verkehrsfreiheit von Diensten der Informationsgesellschaft,545 sie soll dem Anbieter Rechtsermittlungskosten ersparen und ein Euro-Marketing erlauben.546 Diese Ziele würden jedoch bei Zugrundelegung des geschilderten Ansatzes verfehlt, da die von der Richtlinie favorisierte Anwendbarkeit nur eines einzigen Rechts letztlich konterkariert würde.547 Mehrfachanknüpfungen mit jeweils unterschiedlichen Schutzstandards wären nämlich dennoch möglich.548 Zudem widerspricht eine kollisionsrechtliche Deutung auch dem vom europäischen Richtliniengesetzgeber in Art. 1 Abs. 4 E-Commerce-Richtlinie deutlich zum Ausdruck gebrachten Willen, kein Kollisionsrecht schaffen zu wollen.549 Festgehalten werden kann daher, dass sich diese Auffassung in klaren Widerspruch zum Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 E-Commerce-Richtlinie sowie zur Zielsetzung der E-Com-
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539 Hoeren MMR 1999, 192, 195. 540 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 69. 541 Zum autonomen deutschen Wettbewerbskollisionsrecht und der insofern maßgeblichen Anknüpfung an den Marktort als Ort der wettbewerblichen Interessenkollision siehe Rn. 191 ff. 542 Spindler ZUM 1999, 775, 785; ders. MMR-Beilage 7/2000, 4, 9. 543 Grundmann RabelsZ 67 (2003), 246, 272 f. 544 Siehe hierzu Lehmann ZUM 1999, 180, 181; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 914; Spindler MMRBeilage 7/2000, 4, 8; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 194; dies. MMR 2002, 203, 207; Bodewig GRUR Int. 2000, 475, 482 f.; Fezer/Koos IPrax 2000, 349, 354; Hoeren MMR 1999, 192, 194. 545 Hierauf weist auch der EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 54 ff. – eDate Advertising ausdrücklich hin. 546 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 69; Mankowski GRUR Int 1999, 909, 913; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 54. 547 Ähnlich auch Mankowski GRUR Int 1999, 909, 913. 548 Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 913; Thünken IPRax 2001, 15, 20; Höder S. 183; Harte/Henning/ Glöckner Einl. C Rn. 47. 549 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 67; ähnlich auch Sack FS Lorenz, S. 659, 665 f.; ders. EWS 2010, 70, 71; ders. EWS 2011, 65, 68; ders. EWS 2011, 513, 517; Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902; Leistner in Bettinger/Leistner Teil 1 A Rn. 85. Auf die Relevanz des Art. 1 Abs. 4 der E-CommerceRL im Rahmen der Auslegung des Art. 3 weist auch der EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 60 – eDate Advertising hin.
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merce-Richtlinie setzt,550 weshalb sie in dieser, durch das Herkunftslandprinzip unkorrigierten Form – soweit ersichtlich –, auch nicht mehr vertreten wird.551 Nach einer anderen Auffassung stellt das Herkunftslandprinzip nicht nur eine Ge- 134 samtverweisung dar, sondern regelt ebenfalls die Internationale Zuständigkeit.552 Allerdings steht auch dieser Auffassung zum einen die vom europäischen Gesetzgeber niedergelegte Intention des Art. 1 Abs. 4 der E-Commerce-Richtlinie entgegen; zum anderen steht sie auch in Widerspruch zur die Zuständigkeiten der Zivilgerichte regelnden EuGVVO, welche kurz nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die E-Commerce-Richtlinie in Kraft getreten ist.553 Diese etabliert mit Art. 5 Nr. 3 EuGVVO einen besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, welcher insbesondere in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten zu einer Zuständigkeit von Gerichten außerhalb des Herkunftslandes,554 beispielsweise jenen des Abrufstaates, führen kann.555 Daneben gibt es einige namhafte Vertreter in der Literatur, die dem Herkunftsland- 135 prinzip einen ausdrücklichen kollisionsrechtlichen Verweis ausschließlich auf das Sachrecht des Herkunftslandes entnehmen wollen.556 Sie berufen sich dabei insbesondere auf Sinn und Zweck der E-Commerce-Richtlinie und betonen, dass allein ein kollisionsrechtliches Verständnis des Art. 3 Abs. 1 und 2 dem Regelungsziel des Gemeinschaftsgesetzgebers gerecht wird, „einen wirklichen Raum ohne Binnengrenzen für die Dienste der Informationsgesellschaft zu verwirklichen“, in welchem „die europäischen Bürger und Unternehmen uneingeschränkt und ohne Behinderung durch Grenzen Nutzen aus den Möglichkeiten des elektronischen Geschäftsverkehrs ziehen können“.557 Betont wird, dass das Herkunftslandprinzip nach Art. 3 Abs. 1 E-Commerce-Richtlinie gerade ausnahmslos garantieren soll, dass die Dienste der Informationsgesellschaft den Anforderungen des nationalen Rechts entsprechen.558 Für eine kollisionsrechtliche Deutung spreche daher nicht zuletzt auch der Erwägungsgrund Nr. 22, der im Interesse des freien Dienstleistungsverkehrs und der Gewährleistung von Rechtssicherheit festschreibt, dass die Dienste der Informationsgesellschaft grundsätzlich dem Rechtssystem desjenigen Mitgliedstaates unterworfen sein sollen, in dem der Anbieter niedergelassen ist.559 Darüber hinaus verweisen die Vertreter dieser Ansicht auf den unbestreitbaren Vorteil der Rechtsklarheit, denn dieser Deutung des Herkunftslandprinzips folgend, wäre
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550 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 128; Grundmann RabelsZ 67 (2003), 246, 273. 551 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 128. 552 So im Ergebnis Bernreuther WRP 2001, 384, 385 f.; ders. WRP 2001, 513, 515, der davon ausgeht, dass das Herkunftslandgericht auch für die Durchsetzung des Herkunftslandrechts zuständig ist, da die Vorschrift ausdrücke, dass jeder Mitgliedstaat der EU seiner Rechtsordnung Rechtsgeltung zu verschaffen hat. 553 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 65; Mankowski CR 2000, 763, 768 f. 554 In der Regel wird der allgemeine Beklagtengerichtsstand nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO jedoch zur Zuständigkeit der Gerichte des Herkunftslandes führen. 555 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 65. 556 S. nur v. Bar/Mankowski § 3 Rn. 88; Höder S. 200 f.; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 17; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 912 f.; ders. ZVglRWiss 100 (2001), 137, 140 ff., 179 f.; ders. CR 2001, 630, 632; ders. IPRax 2002, 257, 257 f.; ders. EWS 2002, 401, 402 ff.; MünchKommUWG/ders. IntWettbR Rn. 48 ff.; Gierschmann DB 2000, 1315, 1316; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 134 ff.; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 198; Nickels DB 2001, 1919, 1922; Stagl ÖBl. 2004, 244, 251 f.; Thünken S. 83 ff.; ders. ICLQ 51 (2002), 909, 940 f.; ders. IPRax 2001,15, 19 f. 557 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 134. Diesem unbedingt kollisionsrechtlichen Verständnis tritt jetzt der EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 63, 68 – eDate Advertising entgegen, wenn er feststellt, dass Art. 3 der Richtlinie dahingehend auszulegen sei, dass er keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsregel verlange. 558 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 134. 559 Erwägungsgrund 22 der RL 2000/31/EG (E-CommerceRL).
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stets nur eine nationale Rechtsordnung, nämlich die des Herkunftslandes, anwendbar, was ein einheitliches Euro-Marketing erlauben und die Rechtsermittlungskosten spürbar senken würde.560 Zudem wird betont, dass diese Deutung auch in Gleichklang mit der Interpretation des der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste zugrunde liegenden Herkunftslandprinzips,561 welchem überwiegend ein kollisionsrechtlicher Gehalt zugeschrieben wird, laufe:562 Wenn man davon ausgehe, dass diese Richtlinie der E-Commerce-Richtlinie als Vorbild diente, so ergebe es keinen Sinn, zwar in einem ersten Schritt das Herkunftslandprinzip zu übernehmen, ihm jedoch im zweiten Schritt keine kollisionsrechtliche Wirkung beizumessen.563 136 In gewisser Weise eine vermittelnde Ansicht nehmen schließlich die Vertreter in der Literatur ein, die einen kollisionsrechtlichen Verweis auf das Recht des Herkunftslandes nur unter der Voraussetzung annehmen wollen, dass dieses günstiger ist als das Recht am Marktort.564 Nach dieser Ansicht, die zum Teil den Charakter des Herkunftslandprinzips als ein kollisionsrechtliches Günstigkeitsprinzip betont,565 zum Teil darin aber auch eine Hybridkonstruktion zwischen Kollisionsrecht und Sachrecht erkennt,566 bleibt das Recht des Empfangsstaates mithin anwendbar, wenn dieses milder als das Herkunftslandrecht ist.567 Die Vertreter dieser Ansicht betonen, dass durch die Annahme eines solchen Günstigkeitsprinzips die negativen Effekte eines strikten Verweises auf das Herkunftslandrecht, insbesondere die Benachteiligung jener Internet-Anbieter, die ihre Niederlassung in Staaten mit hohen Schutzstandards haben, vermieden werden. 568 Gleichzeitig werde jedoch gewährleistet, dass ein Unternehmen, das seine wettbewerblichen Aktivitäten am Recht des Niederlassungsstaates ausrichtet, auch mit Blick auf sein Agieren in anderen Mitgliedstaaten auf der sicheren Seite ist.569 Aus diesem Grund unterstütze das so verstandene Herkunftslandprinzip mithin in konsequenter Art und Weise die Interessen der Anbieter und lasse Rechtsordnungen, die ein höheres Schutzniveau vorsehen, gar nicht mehr zur Anwendung kommen.570 Ein großer Teil der Literatur verneint jedoch insbesondere unter Verweis auf den in 137 Art. 1 Abs. 4 E-Commerce-Richtlinie festgeschriebenen Vorbehalt einen kollisionsrechtlichen Gehalt des Herkunftslandprinzips.571
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560 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 54. 561 Vgl. Bernhard EuZW 1992, 437, 440; Dethloff JZ 2000, 179, 180; Dethloff S. 51; Henning-Bodewig WRP 2001, 771, 772; Schricker GRUR Int. 1990, 771, 775. 562 So etwa Bodewig GRUR Int. 2000, 475, 478; Lurger FS 75 Jahre MPI S. 479, 486; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 193; Mankowski ZVglRWiss 100 (2001), 137, 167; MünchKommUWG/ders. IntWettbR Rn. 56; Spindler ZUM 1999, 775, 781; Thünken S. 75. 563 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 136; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 56. 564 Fritze/Holzbach WRP 2000, 872, 876; vgl. hierzu auch Sack WRP 2001, 1408, 1409; ders. WRP 2002, 271, 276; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 195 f.; für das gemeinschaftsrechtliche Primärrecht Roth RabelsZ 55 (1991), 623, 645 ff.; ablehnend Thünken S. 80 f. 565 Fritze/Holzbach WRP 2000, 872, 876; vgl. dazu auch Sack WRP 2001, 1408, 1409; ders. WRP 2002, 271, 276; ders. EWS 2010, 70, 71 ff. 566 Siehe beispielsweise Spindler ZHR 165 (2001), 324, 336, der das als Herkunftslandprinzip als eine „eigenartige hybride Konstruktion zwischen Kollisionsrecht und sachrechtlichem Korrektiv“ bezeichnet. 567 Spindler ZHR 165 (2001), 324, 335 f.; vgl. auch ders. RIW 2002, 183, 185; ders. RabelsZ 66 (2002), 633, 644 ff., 665; ders. NJW 2002, 921, 926; ders. IPRax 2001, 400, 401; am Ende trifft Spindler aber eine sachrechtliche Einordnung ZHR 165 (2001), 324, 340 f. 568 Spindler ZHR 165 (2001), 324, 337; Fritze/Holzbach WRP 2000, 372, 375 f. 569 Fritze/Holzbach WRP 2000, 872, 876. 570 Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 195. 571 Ahrens CR 2000, 835, 837 f.; ders. FS Tilmann, S. 739, 745 f.; Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1252; Baetzgen Rn. 714 ff.; Dethloff S. 54; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72; Fezer/Koos IPRax 2000,
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(bb) Stellungnahme. Auch wenn einige Argumente der Vertreter eines kollisions- 138 rechtlichen Ansatzes überzeugend und plausibel sind,572 so können sie doch letztlich in der Gesamtschau nicht überzeugen. Gegen eine kollisionsrechtliche Deutung des in der E-Commerce-Richtlinie etablierten Herkunftslandprinzips spricht nämlich in erster Linie der vom europäischen Richtliniengesetzgeber in Art. 1 Abs. 4 E-Commerce-Richtlinie deutlich zum Ausdruck gebrachte Wille, kein Kollisionsrecht schaffen zu wollen,573 welchen die Vertreter eines kollisionsrechtlichen Verständnisses schlicht ignorieren.574 Ebenso verhält es sich mit Erwägungsgrund 23575 der Richtlinie, der ebenfalls einem kollisionsrechtlichen Verständnis entgegensteht, da der Richtliniengesetzgeber auch hier deutlich herausgestellt hat, dass eine Kodifizierung des Internationalen Privatrechts gerade nicht bezweckt war.576 Das schlichte Hinweggehen über diese Willensbekundungen erscheint daher bedenklich: Zum einen handelt es sich bei Art. 1 Abs. 4 E-Commerce-Richtlinie um geltendes und von den Mitgliedstaaten zu beachtendes Unionsrecht, das durchaus als Auslegungsgrundsatz für die Frage nach einem möglichen kollisions- oder sachrechtlichen Verständnis herangezogen werden kann,577 zum anderen wird dem Richtliniengesetzgeber hier ein Unverständnis in Kollisionsfragen unterstellt, das mehr als fragwürdig ist.578 Zu Recht stellt Ahrens diesbezüglich fest, dass die Bewertung durch den europäischen Gesetzgeber nicht als eine „Art gesetzgeberischer falsa demonstratio“ abgetan werden darf.579
_____ 349, 352; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 377, 555 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 32 ff.; ders. ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 864 ff.; Löffler WRP 2001, 379, 380; Sack WRP 2002, 271, 273; ders. WRP 2001, 1408, 1411, 1417 ff., 1425; ders. WRP 2008, 845, 855; ders. EWS 2010, 70, 71; ders. EWS 2011, 65, 67 f; vermittelnd i.S. eines „kollisionsrechtlichen Mindestgehalts“, da sich das Herkunftslandprinzip in der E-CommerceRL aus dem nationalen Recht ergibt Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. Siehe auch Spindler ZUM 1999, 775, 785, der darauf hinweist, dass ein kollisionsrechtliches Verständnis ausgeschlossen werden kann, da es den verschiedenen Rechtsgebieten, auf welche die Richtlinie Anwendung finden soll, nicht gerecht werde, denn diese folgen jeweils unterschiedlichen Anknüpfungskriterien. 572 Ein unbestreitbarer Vorteil eines kollisionsrechtlichen Verständnisses wäre jedenfalls die bestehende Rechtsklarheit, da stets nur eine nationale Rechtsordnung, nämlich die des Herkunftslandes, anwendbar wäre – im Falle eines sachrechtlichen Verständnisses würden jedoch dem Diensteanbieter entgegen der Intention der E-CommerceRL die Rechtsermittlungskosten auferlegt, siehe hierzu Fezer/ Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 134. 573 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 67; ähnlich auch Sack FS Lorenz S. 659, 665 f.; Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902; Leistner in Bettinger/Leistner Teil 1 A Rn. 85. 574 So erklären beispielsweise Mankowski IPRax 2002, 257, 258 sowie MünchKommUWG/ders. IntWettbR Rn. 48 ff., Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie schlicht für unbeachtlich. Es handele sich dabei um einen bloßen Programmsatz „ohne greifbare Konsequenzen“, der aufgrund des Widerspruchs zur Realität und Zielsetzung der Richtlinie insgesamt unbeachtlich sei. Siehe auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 137. 575 Erwägungsgrund 23 bestimmt: „Diese Richtlinie zielt weder darauf ab, zusätzliche Regeln im Bereich des internationalen Privatrechts hinsichtlich des anwendbaren Rechts zu schaffen, noch befasst sie sich mit der Zuständigkeit der Gerichte; Vorschriften des anwendbaren Rechts, die durch Regeln des Internationalen Privatrechts bestimmt sind, dürfen die Freiheit zur Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft im Sinne dieser Richtlinie nicht einschränken.“ 576 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 128. 577 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 67, der feststellt, dass insofern auch unbeachtlich ist, dass die Vorschrift keine Rechtsfolge enthält, denn sie lasse sich durchaus als „Auslegungsgrundsatz für das dogmatische Verständnis des Herkunftslandprinzips heranziehen“; so aber Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 137. 578 So auch Ohly GRURInt 2001, 899, 901 f.; Ahrens FS Tilmann, S. 739, 745 f. 579 Ahrens FS Tilmann, S. 739, 746, der hinzufügt, dass hier Rechtsfolgen festgeschrieben werden, „die nicht zur wissenschaftlichen Disposition zu stellen sind.“
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Und auch der EuGH hat in seiner „eDate Advertising“-Entscheidung vom 25.10. 2011580 betont, dass aus Art. 1 Abs. 4 E-Commerce-Richtlinie in Verbindung mit Erwägungsgrund 23 der Richtlinie folge, „dass es den Aufnahmemitgliedstaaten grundsätzlich freisteht, das anwendbare Sachrecht anhand ihres internationalen Privatrechts zu bestimmen, soweit sich daraus keine Einschränkung der Freiheit zur Erbringung von Diensten des elektronischen Geschäftsverkehrs ergibt.“ 139 Nicht zuletzt zeigt auch die Verabschiedung der Rom II-VO mit einer speziellen wettbewerbsrechtlichen Kollisionsnorm, die eine Anknüpfung am Marktort vorsieht, dass der europäische Gesetzgeber mit Art. 3 E-Commerce-Richtlinie keine eigenständige Kollisionsnorm schaffen wollte.581 Konsequenz eines kollisionsrechtlichen Verständnisses wäre zudem eine ausnahms140 lose Anwendung des Herkunftslandprinzips unabhängig davon, ob dieses für den Diensteanbieter strengere Vorschriften vorsieht.582 Eine uneingeschränkte Geltung des Rechts des Herkunftslandes ist jedoch insbesondere vor diesem Hintegrund zur Verwirklichung eines Binnenmarktes gerade nicht geboten und im Einzelfall auch nicht dienlich.583 Das Recht des Niederlassungsstaates soll vielmehr mit Blick auf die Zielsetzung der Richtlinie nur dann zur Anwendung kommen, wenn sich dieses als für den Diensteanbieter günstiger erweist.584 Vor diesem Hintergrund ist auch die Annahme eines kollisionsrechtlichen Günstigkeitsprinzips schwerlich zu begründen. Darüber hinaus fehlt es für die Annahme eines solchen Günstigkeitsprinzips auch an der Nennung einer zweiten Rechtsordnung, welche für die Möglichkeit eines Vergleichs aber unerlässlich ist, die sich jedoch letztlich nur aus dem Internationalen Privatrecht des zur Entscheidung berufenen Gerichts (lex fori) ergeben kann.585 Zudem ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb das Herkunftslandrecht zum Sachverhalt die „engste Verbindung“ aufweise.586 Nicht zuletzt würde ein sachrechtliches Verständnis auch eine unerwünschte Kollisionsrechtsspaltung verhindern587 und dem wettbewerbsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit aller Wettbewerber auf dem Markt (par conditio concurrentium) dienen. Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass die überzeugenderen Gründe 141 gegen eine kollisionsrechtliche Qualifikation und für ein sachrechtliches Verständnis des Herkunftslandprinzips sprechen.588 Das Herkunftslandprinzip der E-Commerce Richt-
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580 EuGH 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 62 – eDate Advertising. 581 Ähnlich auch Ahrens FS Tilmann, S. 739, 745 f. 582 Siehe in diesem Kontext auch Leistner in Bettinger/Leistner Teil 1 A Rn. 85, der zudem auf die massiven Auswirkungen in der gerichtlichen Praxis verweist. 583 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 68. 584 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 68. 585 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 71; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 195. 586 Ohly GRURInt 2001, 899, 902. Anders MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 69, der darauf verweist, dass die engste Verbindung zwar das „Grundanknüpfungsprinzip“, nicht aber das einzige Anknüpfungsprinzip darstelle. 587 Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. Ein binnenmarktfunktionales Verständnis führt zu einer kollisionsrechtlich parallelen Bewertung und verhindert eine unterschiedliche Anknüpfung der Handlungen von Anbietern aus Drittstaaten und jenen aus Mitgliedstaaten der EU. Letzteren ist dann lediglich gestattet, sich im Interesse des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes auf ein milderes Herkunftslandrecht zu berufen. 588 So auch Ahrens CR 2000, 835, 837 f.; ders. FS Tilmann, S. 739, 745 f.; Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1252; Baetzgen Rn. 714 ff.; Dethloff S. 54; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72; Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 352; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 377, 555 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 32 ff.; ders. ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 864 ff.; Leistner in Bettinger/ Leistner Teil 1 A Rn. 90; Löffler WRP 2001, 379, 380; Sack WRP 2002, 271, 273; ders. WRP 2001, 1408, 1411, 1417 ff., 1425; ders. WRP 2008, 845, 855; vermittelnd i.S. eines „kollisionsrechtlichen Mindestgehalts“, da
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linie ist eine spezielle Ausprägung der Grundfreiheiten des Primärrechts589 und soll wie diese im Interesse der Verkehrsfreiheit einen europarechtlichen Anwendungsvorrang bewirken.590 Insoweit basiert es auf dem „Gedanken der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der nationalen Rechtsordnungen und der gegenseitigen Anerkennung“.591 Als Instrument zur Verwirklichung des Binnenmarktes soll es mit Blick auf den Regelungsbereich der E-Commerce-Richtlinie den freien und ungehinderten Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft jedenfalls in den Fällen gewährleisten, in denen die Diensteanbieter den rechtlichen Standards des Niederlassungsstaates genügen.592 Legt man ein solches binnenmarktfunktionales Verständnis zugrunde 593 und nimmt den Richtliniengesetzgeber ernst, so ist das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie mithin als sachrechtliches Prinzip einzuordnen,594 das sich gegen die Anwendung des nach nationalem Wettbewerbskollisionsrecht berufenen Rechts durchsetzt, und insofern das eigentlich zur Anwendung berufene Sachrecht binnenmarktkonform korrigiert, wodurch sichergestellt wird, dass nicht durch die Anwendung besonders strengen Rechts einzelner Mitgliedstaaten das Funktionieren des Binnenmarkts behindert wird.595 Der Anwendung des Herkunftslandprinzips ist mithin eine kollisionsrechtliche 142 Prüfung vorgelagert.596 Auch hier ist dementsprechend zweistufig vorzugehen: In einem ersten Schritt ist nach dem Kollisionsrecht der lex fori das anwendbare Recht zu bestimmen – im Wettbewerbskollisionsrecht ist insofern Art. 6 Rom II-VO maßgeblich. Handelt es sich dabei um jenes des Abrufstaates, darf dieses nicht angewendet werden, wenn es zu einer Beeinträchtigung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft kommen würde.597 Letztlich wird daher in einem zweiten Schritt das nach dem Marktortprinzip berufene Sachrecht über das Herkunftslandprinzip korrigiert, sofern dieses strenger ist als das Recht des Niederlassungsstaates. Mit Blick auf das Wettbewerbsrecht hätte dies im Falle einer Beeinträchtigung zur Folge, dass das nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO zur Anwendung berufene Recht des Marktortes unangewendet bleibt.598 Ist also beispielsweise eine Internet-Werbemaßnahme zu beurteilen, bedeutet dies, dass der Mitgliedstaat, in welchem die Informationen bestimmungsgemäß abgerufen werden, zwar sein nationales Recht anwenden kann –
_____ sich das Herkunftslandprinzip in der E-CommerceRL aus dem nationalen Recht ergibt, Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. Siehe auch Spindler ZUM 1999, 775, 785, der darauf hinweist, dass ein kollisionsrechtliches Verständnis ausgeschlossen werden kann, da es den verschiedenen Rechtsgebieten, auf welche die Richtlinie Anwendung finden soll, nicht gerecht werde, denn diese folgen jeweils unterschiedlichen Anknüpfungskriterien. 589 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 80. 590 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72. 591 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 60. 592 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 60. 593 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 80; Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902; ders. WRP 2006, 1401, 1406; 594 Ahrens CR 2000, 835, 837 f.; ders. FS Tilmann, S. 739, 745 f.; Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1252; Baetzgen Rn. 714 ff.; Dethloff S. 54; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72; Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 352; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 377, 555 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 32 ff.; ders. ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 864 ff.; Löffler WRP 2001, 379, 380; Sack WRP 2002, 271, 273; ders. WRP 2001, 1408, 1411, 1417 ff., 1425; ders. WRP 2008, 845, 855; vermittelnd i.S. eines „kollisionsrechtlichen Mindestgehalts“, Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. 595 Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. 596 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 62. 597 So auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 62. 598 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72.
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dies darf jedoch nicht zur Folge haben, dass die Handlung oder Maßnahme strenger bewertet wird als nach dem Herkunftslandrecht.599 Umstritten ist jedoch ebenfalls, ob das günstigere Heimatrecht von Amts wegen600 143 oder nur auf Einwand des Beklagten hin zu prüfen ist. Mit Ahrens ist davon auszugehen, dass der Vergleich zwischen dem auf der Basis der Marktortanknüpfung ermittelten Rechts (Wettbewerbstatut) und dem Recht des Herkunftslandes im Prozess auf Einrede des Beklagten hin stattfindet, wobei dieser für die Behauptung, das Recht des Niederlassungsstaates sei weniger streng, darlegungs- und beweispflichtig ist.601 (4) Die Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie im deutschen TMG. Die E-Commerce-Richtlinie wurde in Deutschland durch Art. 1 des Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG)602 v. 14.12.2001 unter Änderung des bestehenden Teledienstegesetzes (TDG) sowie durch den Mediendienstestaatsvertrag (MDStV, i.d.F. v. 1.4.2003) umgesetzt. Mit Wirkung vom 1.3.2007 wurde schließlich das TDG in das Telemediengesetz (TMG) überführt, wobei die das Herkunftslandprinzip betreffenden Normen hierbei weitgehend unverändert blieben.603 Nunmehr findet sich für den Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs in § 3 Abs. 1 TMG die Regelung, dass in der Bundesrepublik Deutschland nach § 2a TMG niedergelassene Diensteanbieter und ihre Telemedien den Anforderungen des deutschen Rechts auch dann unterliegen, wenn die Telemedien in einem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinien 2000/31/EG und 89/552/EWG geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, womit das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie faktisch im deutschen Recht umgesetzt wird.604 Betrachtet man nur die Regelung des TMG, so wird festgelegt, dass deutsche Unternehmen, die im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs tätig sind, im Grundsatz mithin selbst dann, wenn sie im Gebiet der EU grenzüberschreitend agieren, ausschließlich deutsches Recht beachten müssen.605 Die Tätigkeit von ausländischen Diensteanbietern auf dem deutschen Markt wird hingegen gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 TMG nicht durch nationale Vorschriften, welche im Herkunftsland nicht gelten, eingeschränkt.606 Ebenso wie in der E-Commerce-Richtlinie bestehen eine Reihe von Ausnahmen (§ 3 145 Abs. 3 und 4 TMG607) und Beschränkungsmöglichkeiten (§ 3 Abs. 5 TMG). So kann auch nach dem TMG das Angebot und die Erbringung von Telemedien durch einen Diensteanbieter, der in einem anderen Staat im Geltungsbereich der Richtlinien 2000/31/EG oder
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599 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 3.47. Die Sicherstellung, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegt, als dies im Sitzstaat der Fall wäre, ist auch nach EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 55 – eDate Advertising alleiniges und maßgebliches Primat der E-CommerceRL. Vgl. dazu Sack EWS 2011, 513. 600 Spindler NJW 2002, 921, 927. 601 Ahrens FS Tillmann, S. 739, 747; beschränkt auf das Verfügungsverfahren Ohly GRUR Int. 2001, 899, 903. 602 BGBl. 2001 I S. 3721. 603 Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 40; siehe hierzu Kitz ZUM 2007, 368 ff. 604 Siehe hierzu auch Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.22; vgl. dazu auch BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 Tz. 27 – Arzneimittelwerbung im Internet. 605 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.22. 606 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.22. 607 So bleiben beispielsweise die Freiheit der Rechtswahl, die Vorschriften in Bezug auf Verbraucherverträge, das für den Schutz personenbezogener Daten geltende Recht sowie das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte von den Absätzen 1 und 2 unberührt.
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89/552/EWG niedergelassen ist, unter bestimmten Voraussetzungen Beschränkungen durch das innerstaatliche Recht zum Schutz besonders wichtiger öffentlicher Güter und Interessen, wie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der öffentlichen Gesundheit oder der Interessen der Verbraucher, unterliegen. Neben den Regelungen in § 3 TMG findet sich im TMG aber auch ein Pendant zum 146 in der E-Commerce Richtlinie festgeschriebenen Grundsatz der „IPR- und IZPR-Neutralität“.608 § 1 Abs. 5 TMG normiert ausdrücklich, dass das TMG weder Regelungen im Bereich des Internationalen Privatrechts trifft, noch Fragen der Zuständigkeit der Gerichte regelt. Dennoch wird angesichts der Formulierung des § 3 Abs. 1 TMG sowie mit Blick auf die Gesetzgebungshistorie609 in der Literatur die Frage aufgeworfen, ob der deutsche Gesetzgeber mit dieser Regelung nicht doch eine Kollisionsnorm geschaffen hat.610 Grundsätzlich wäre eine kollisionsrechtliche Ausgestaltung auch unter Zugrundele- 147 gung eines sachrechtlichen Verständnisses des in der E-Commerce-Richtlinie611 niedergelegten Herkunftslandprinzips formal möglich gewesen, da zumindest bis zur Geltung der Rom II-VO insofern ein gesetzgeberischer Ermessenspielraum bestand.612 In diesem Fall würde es sich nicht um eine unionsrechtlich vorgegebene Kollisionsnorm, sondern um eine nationale, auf mitgliedstaatlichen Erwägungen beruhende eigenständige IPR-Norm handeln.613 Basierend auf einem kollisionsrechtlichen Verständnis des Herkunftslandprinzips der E-Commerce-Richtlinie bzw. ausgehend von einer autonom mitgliedstaatlichen Etablierung eines solchen kollisionsrechtlichen Prinzips wird argumentiert, mit der Unterwerfung deutscher Anbieter unter deutsches Recht enthalte die im TMG niedergelegte Bestimmung jedenfalls eine einseitige Sonderkollisionsnorm,614 eine kollisionsrechtliche Norm mithin, die nur bezogen auf „Exportsachverhalte“ Anwendung finde.615 Und in der Tat ist die Vorschrift von ihrem Wortlaut her missverständlich und könn- 148 te mit Blick auf das Wettbewerbsrecht als eine Abweichung vom Marktortprinzip verstanden werden.616 Dies scheint insbesondere für Fälle zu gelten, in denen ein in Deutschland ansässiger Diensteanbieter nur auf dem ausländischen Markt agiert (sog. off shore-Marketing), denn in diesem Fall wäre anders als nach der Marktortanknüpfung deutsches Recht zur
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608 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 78. 609 Ausführlich hierzu Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 603 ff. 610 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 601. Ablehnend jetzt BGH 8.5.2012 – VI ZR 217/08 – ZUM 2012, 675. 611 So jedenfalls die überwiegende Meinung in der Literatur: Ahrens CR 2000, 835, 837 f.; ders. FS Tilmann, S. 739, 745 f.; Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1252; Baetzgen Rn. 714 ff.; Dethloff S. 54; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72; Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 352; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 377, 555 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 32 ff.; ders. ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 864 ff.; Löffler WRP 2001, 379, 380; Sack WRP 2002, 271, 273; ders. WRP 2001, 1408, 1411, 1417 ff., 1425; ders. WRP 2008, 845, 855; vermittelnd i.S. eines „kollisionsrechtlichen Mindestgehalts“, da sich das Herkunftslandprinzip in der E-Commerce-RL aus dem nationalen Recht ergibt Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. 612 So Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 602 („reine autonome-mitgliedstaatliche Regelung“). 613 Allerdings würde eine solche Norm nunmehr von der höherrangigen unionsrechtlichen Marktortanknüpfung nach Art. 6 der Rom II-VO verdrängt, weshalb unter Geltung der Rom II-VO kein gesetzgeberisches Ermessen mehr besteht, Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 602. 614 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 614; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 63, 65; Höder S. 200; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.22; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 60. 615 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 614; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 63, 65; Höder S. 200; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.22; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 60. 616 So auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 78.
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Anwendung berufen. Und auch die gewählte und vom Richtlinientext617 abweichende amtliche Überschrift „Herkunftslandprinzip“ scheint auf den ersten Blick gegen ein materiell-rechtliches, den Geltungsanspruch des anwendbaren Sachrechts im Einzelfall begrenzendes Prinzip zu sprechen.618 Lediglich § 3 Abs. 2 TMG scheint eindeutig einen sachrechtlichen Charakter aufzuweisen.619 Andererseits kann § 3 Abs. 1 TMG, worauf Drexl zu Recht hinweist, nicht ohne Bezug 149 zum Auslegungsgrundsatz des § 1 Abs. 5 TMG betrachtet werden, welcher wiederum dafür spricht, dass deutsches Wettbewerbsrecht nur zur Anwendung kommt, wenn dieses auch kollisionsrechtlich nach der maßgeblichen Marktortanknüpfung berufen wäre.620 Legt man diesen Ansatz zugrunde, würde der deutsche Gesetzgeber, wenn auch missverständlich formuliert, mit § 3 Abs. 1 TMG lediglich seiner aus der E-Commerce Richtlinie folgenden Verpflichtung nachkommen, „dafür Sorge (zu tragen), dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, (…)“.621 Zum anderen würde ein sachrechtliches Verständnis auch von einer entsprechenden sachrechtlichen Deutung des in der E-Commerce-Richtlinie etablierten Herkunftslandprinzips getragen.622 Endgültige Klarheit bringt die grammatikalisch-systematische sowie richtlinienorientierte Auslegung jedoch nicht. Angesichts der schon auf europäischer Ebene geführten Diskussionen um den kollisionsrechtlichen Gehalt des Herkunftslandprinzips ist es daher zugegebenermaßen bedauerlich, dass es der Gesetzgeber im Zuge der Umsetzung des Grundsatzes der IPR-Neutralität in § 1 Abs. 5 TDG bei der schlichten Übernahme des Wortlauts belassen und keinerlei Erläuterung oder Klarstellung vorgenommen hat.623 So hätte er im Falle eines sachrechtlichen Verständnisses des Herkunftslandprinzips beispielsweise durchaus niederlegen können, dass die Regelungen des TMG erst nach der kollisionsrechtlichen Bestimmung deutschen Rechts als des maßgeblichen anwendbaren Rechts zur Anwendung gelangen dürfen.624 150 Im Ergebnis erscheint die Einordnung des Herkunftslandprinzips des TMG daher weniger klar, als dies mit Blick auf das in der E-Commerce-Richtlinie niedergelegte Herkunftslandprinzips der Fall ist. Dennoch ist davon auszugehen, dass § 3 TMG selbst keinen kollisionsrechtlichen Gehalt aufweist,625 sondern sachrechtlich zu charakterisieren ist. Ähnlich wie im Kontext von Art. 3 E-Commerce-Richtlinie626 kann der in § 1 Abs. 5 TMG eindeutig geäußerte Wille des Gesetzgebers, dem Herkunftslandprinzip keinen kollisionsrechtlichen Gehalt beimessen zu wollen, trotz einer gewissen Schwächung durch
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617 Deren Art. 3 trägt die Überschrift „Binnenmarkt“ und ist mithin kollisionsrechtlich neutral. 618 Siehe hierzu Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 63; Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902; Staudinger/ Fezer/Koos IntWIR Rn. 604. 619 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 615; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.22; Höder S. 200; Harte/ Henning/Glöckner Einl. C Rn. 63. 620 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 78. 621 Ähnlich auch Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 44. 622 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 605. 623 So auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 78. 624 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 78; ebenso Sack WRP 2002, 271, 274; siehe auch Spindler NJW 2002, 921, 926. 625 Sack WRP 2002, 271, 282; ders. FS Lorenz 659, 667 f.; ders. EWS 2011, 513; Spindler CR 2012, 176, 177 sowie nunmehr im Gefolge der eDate Advertising-Entscheidung des EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 auch der BGH 8.5.2012 – VI ZR 217/08 – ZUM 2012, 675 – Sedlmayr; s. auch KG 16.4.2013 – 5 U 63/12 ZUM 2013, 886; Gloy/Loschelder/Erdmann/Ahrens § 68 Rn. 28; vgl. auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn 78. 626 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 605.
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die Streichung des noch im Gesetzentwurf zum TDG a.F. enthaltenen Kollisionsrechtsvorbehalts sowie eines Günstigkeitsvergleichs,627 nicht schlicht ignoriert werden.628 Die bestehenden Bedenken und Unstimmigkeiten ändern daher an der grundsätzlichen sachrechtlichen Einordnung des Herkunftslandprinzips und der folglich nach dem üblichen Mechanismus des Europarechts vorzunehmenden zweistufigen Prüfung nichts. Dies bestätigte nunmehr auch der BGH in seiner Entscheidung „Sedlmayr“, in welcher er feststellte, dass § 3 TMG „Keine Kollisionsnorm, sondern ein sachrechtliches Beschränkungsverbot“ enthält.629 Im Ergebnis ist folglich zunächst nach der Marktortregel des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO 151 das anwendbare Recht zu ermitteln, sodass deutsches Wettbewerbsrecht erst dann zur Anwendung kommt, wenn es auch nach dem Marktortprinzip zur Anwendung berufen ist. Dies bedeutet, dass beispielsweise der ausschließlich auf dem Auslandsmarkt stattfindende Internet-Auftritt inländischer Anbieter nicht deutschem Wettbewerbsrecht unterfällt.630 Führt die Anknüpfung an das Marktortprinzip jedoch zum deutschen Recht, so ist das Ergebnis der Anwendung der einschlägigen Rechtsnorm an den Vorgaben des Europarechts zu messen und im Falle eines Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit ist diese unangewendet zu lassen.631 Dieses materiell-rechtliche, binnenmarktfunktionale Verständnis des Herkunftslandprinzips gepaart mit der stufenweisen Errichtung gemeinschaftsrechtlicher Mindeststandards dient der Schaffung eines funktionsfähigen Binnenmarktes und eines europäischen Rechtsraums.632 Zu bedenken ist in diesem Kontext auch, dass, wenn man mit der überwiegenden 152 Meinung in der Literatur633 von einem sachrechtlichen Verständnis des Herkunftslandprinzips der E-Commerce-Richtlinie ausgeht,634 eine autonome mitgliedstaatliche Kollisionsnorm in Form des § 3 TMG nunmehr mit Ausnahme von sog. Altfällen, in denen die Rom II-VO intertemporal nicht anwendbar ist,635durch das höherrangige unionsrechtliche Marktortprinzip, welches nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO universelle Anwendung
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627 Der Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG), BTDrucks 14/6098 zum TDG a.F., enthielt in § 4 Abs. 1 S. 1 TDG-E noch einen ausdrücklichen Kollisionsrechtsvorbehalt („… soweit sich nicht aus den Regeln des internationalen Privatrechts etwas anderes ergibt“). In § 4 Abs. 1 S. 2 TDG-E war zudem ein Günstigkeitsvergleich vorgesehen („Auf solche Teledienste ist das nach den Regeln des internationalen Privatrechts maßgebliche Recht eines anderen Staates jedoch nicht anwendbar, soweit dadurch der freie Dienstleistungsverkehr über die Anforderungen des deutschen Rechts hinausgehend eingeschränkt werden würde.“). Auch die Formulierung des § 4 Abs. 2 S. 2 TDG-E machte eine sachrechtliche Ausgestaltung deutlich („Auf solche Teledienste sind die nach den Regeln des internationalen Privatrechts maßgeblichen Normen nicht anwendbar, soweit dadurch der freie Dienstleistungsverkehr über die Anforderungen des Rechts des Niederlassungsstaates hinausgehend eingeschränkt werden würde.“). 628 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 78. 629 BGH 8.5.2012 – VI ZR 217/08 – ZUM 2012, 675 – Sedlmayr. 630 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 78. 631 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.22. 632 Ähnlich Ohly GRUR Int. 2001, 899, 908. 633 Ahrens CR 2000, 835, 837 f.; ders. FS Tilmann, S. 739, 745 f.; Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1252; Baetzgen Rn. 714 ff.; Dethloff S. 54; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72; Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 352; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 377, 555 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 32 ff.; ders. ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 864 ff.; Löffler WRP 2001, 379, 380; Sack WRP 2002, 271, 273; ders. WRP 2001, 1408, 1411, 1417 ff., 1425; ders. WRP 2008, 845, 855; vermittelnd i.S. eines „kollisionsrechtlichen Mindestgehalts“, da sich das Herkunftslandprinzip in der E-CommerceRL aus dem nationalen Recht ergibt Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. 634 Vgl. zur Diskussion um den kollisionsrechtlichen Gehalt ausführlich Rn. 123 ff. 635 Zum zeitlichen Anwendungsbereich der Rom II-VO siehe Rn. 169.
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findet, verdrängt und wie Fezer/Koos betonen, auf seinen „sachrechtlichen Gehalt ‚zurückgestutzt‘“ würde.636 Geht man hingegen von einem kollisionsrechtlichen Verständnis des in der E-Commerce-Richtlinie niedergelegten Herkunftslandprinzips aus, würde die Marktortanknüpfung nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO wegen Art. 27 Rom II-VO637 von einem kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzip verdrängt.638 Die Frage, ob die E-Commerce-Richtlinie in Art. 3 eine Kollisionsnorm enthält, ist mithin nach wie vor von praktischer Relevanz. 153
cc) Das Herkunftslandprinzip und die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Das Herkunftslandprinzip fand sich auch in einem Vorschlag für eine Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, welche im Jahr 2003 vorgelegt wurde.639 Dieser regelte in seinem Art. 4 Abs. 1 S. 1, dass sich Gewerbetreibende auf dem durch die Richtlinie angeglichenen Gebiet lediglich an die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates halten müssen, in dem sie niedergelassen sind, wodurch die Anwendbarkeit des Rechts anderer Staaten generell ausgeschlossen wurde.640 Aufgrund der Ausgestaltung der Norm bestand kein Zweifel daran, dass das dort niedergelegte Herkunftslandprinzip kollisionsrechtlich zu deuten war.641 Allerdings rief der Vorschlag einer Implementierung eines kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzips heftige rechtspolitische Kritik hervor.642 Insbesondere mit Blick auf den Verbraucherschutz wurde argumentiert, dass die Anknüpfung an den Marktort, wonach grundsätzlich das Recht des Ortes anzuwenden ist, auf dem die wettbewerblichen Interessen kollidieren, einem kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzip grundsätzlich vorzuziehen sei.643 Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Etablierung eines solchen Prinzips zu einer wertungsmäßig nicht tragbaren und vielfach kritisierten Aufspaltung des anwendbaren Rechts geführt hätte.644 Denn die Lauterkeitsrichtlinie führt in ihrem Anwendungsbereich645 zwar zu einer vollständigen Harmonisierung der Rechtsvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken – allerdings gemäß Art. 3 nur im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern.646 Unlautere Geschäftspraktiken, die Mitbewerber betreffen, sind nicht umfasst.
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636 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 602. Siehe aktuell jedoch BGH 8.5.2012 – VI ZR 217/08 – ZUM 2012, 675 – Sedlmayr. 637 Siehe hierzu Rn. 176. 638 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 620. 639 Vorschlag 2003/134/COD f. VO – 2003/724/SEK v. 18.6.2003. Siehe hierzu auch Ohly WRP 1402, 1408 ff.; Leistner ZEuP 2009, 56, 66 ff. 640 Vgl. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 85. Vgl. zu möglichen kollisionsrechtlichen Auswirkungen auch Leistner ZEuP 2009, 56, 68 ff. 641 Vgl. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 69; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 105; Basedow EuZW 2004, 423 ff.; dagegen Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 38; Staudinger/ Fezer/Koos IntWIR Rn. 538; Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 300; Leistner ZEuP 2009, 56, 66; Piekenbrock GRUR Int. 2005, 997, 1001; Seichter WRP 2005, 1087, 1089; bzgl. Abs. 1 S. 1 der Entwurfsvorschrift auch Ohly WRP 2006, 1401, 1408. 642 Vgl. z.B. Henning-Bodewig GRUR Int. 2004, 183, 193; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 69, 71; Darstellung in MünchKommUWG/Micklitz EG E Rn. 182 ff.; kritisch auch Gamerith WRP 2005, 391, 409 ff. 643 Siehe hierzu Henning-Bodewig GRUR Int. 2004, 183, 193; vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 150. 644 Siehe beispielhaft Henning-Bodewig GRUR Int. 2005, 629, 630; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 43; Seichter WRP 2005, 1087, 1088. 645 Dazu näher Piper/Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 47 ff. 646 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 147 sprechen insoweit von einer „vollharmonisierten Teilharmonisierung“. Siehe auch Fezer WRP 2006, 781, 782.
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Der Widerstand gegen den Vorschlag zeigte schließlich Wirkung und in dem im Er- 154 gebnis angenommenen Richtlinientext647 findet sich nunmehr in Art. 4 lediglich die Regelung, wonach die Mitgliedstaaten den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Warenverkehr nicht aus Gründen einschränken dürfen, die mit dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich zusammenhängen. Dabei handelt es sich letztlich nur um eine „reduzierte Variante“ 648 des Herkunftslandprinzips in Form des „Binnenmarktprinzips“, welches gerade keine kollisionsrechtliche Bedeutung hat.649 Dabei ist vor dem Hintergrund, dass die Richtlinie eine abschließende Angleichung anstrebt, durchaus fraglich, welche praktische Relevanz dem Binnenmarktprinzip überhaupt zukommt.650 Allenfalls mit Blick auf Generalklauseln, wie beispielsweise jene in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie, bei deren Anwendung trotz der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung durchaus Spielraum besteht, schützt das Binnenmarktprinzip gegen Beschränkungen.651 Die doch eher geringe Bedeutung mag im Übrigen auch einer der Gründe sein, warum die Umsetzung in Deutschland im angeglichenen UWG652 ohne eine Bestimmung zum Herkunftslandprinzip erfolgte.653 dd) Das Herkunftslandprinzip und die Dienstleistungsrichtlinie. Darüber hi- 155 naus fand sich das Herkunftslandprinzip654 auch im ursprünglichen Vorschlag für eine Dienstleistungsrichtlinie vom 13.1.2004.655 Deren Art. 16 bestimmte, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen haben, dass Dienstleistungserbringer für die Gesamtheit der für die Aufnahme und Ausübung von Dienstleistungen geltenden Anforderungen „lediglich den Bestimmungen ihres Herkunftsmitgliedstaates unterliegen, die vom koordinierten Bereich erfasst sind.“ Die Verpflichtung sollte sich nach Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 des Richtlinienvorschlags insbesondere auf Bestimmungen über Verhalten, Qualität und Inhalt der Dienstleistung, über Werbung, Verträge und Haftung der Dienstleistungserbringer erstrecken. Damit wären grundsätzlich auch der Bereich des Deliktsrechts und damit ein wesentlicher Teil des Privatrechts sowie mit Blick auf die Werbung auch das Wettbewerbsrecht betroffen gewesen. Die Kontrolle der Dienstleistungen sollte dabei dem Herkunftsmitgliedstaat obliegen. Allerdings sah der Vorschlag einen umfangreichen Katalog von Ausnahmen vor.
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647 RL 2005/29/EG – ABl. EG L 149 v. 11.6.2005, S. 22 ff. Vgl. zur Umsetzung der Lauterkeitsrichtlinie Fezer WRP 2006, 781 ff.; Köhler GRUR 2005, 793 ff.; Seichter WRP 2005, 1087 ff. 648 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 84. 649 Vgl. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 86. 650 Siehe etwa Gloy/Loschelder/Erdmann/Ahrens § 30 Rn. 30; Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 300 f.; Henning-Bodewig GRUR Int. 2005, 629, 634; Piekenbrock GRUR Int. 2005, 997, 999 f.; Ohly WRP 2006, 1401, 1412 stellt fest, dass das Binnenmarktprinzip lediglich die Funktion haben soll, die Richtlinienkonformität des nationalen Rechts durchzusetzen. Siehe hierzu und mit eigenem Lösungsansatz auch Leistner ZEuP 2009, 56 ff. 651 So auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 88. 652 Die Angleichung erfolgte durch das 1. ÄndG des UWG vom 22.12.2008, BGBl. I S. 2949; dies trat am 30.12.2008 in Kraft; vgl. auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 88. 653 Vgl. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 84. 654 Zum kollisionsrechtlichen Verständnis des vorgeschlagenen Herkunftslandprinzips vgl. Basedow EuZW 2004, 423 (im Vergleich zum Herkunftslandprinzip der E-CommerceRL); MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 73; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 112 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 540; sowie (einschränkend) Glöckner WRP 2005, 795, 802; siehe auch Albath/Giesler EuZW 2006, 38, 41. 655 Vorschlag 2004/1/COD f. VO – 2004/21/SEK v. 13.1.2004. Siehe hierzu Deinert EWS 2006, 445, 447 f.
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Aufgrund der konkreten Ausgestaltung und des weiten Anwendungsbereichs wurde ein kollisionsrechtlicher Gehalt des in Art. 16 des Richtlinienvorschlags niedergelegten Herkunftslandprinzips in der Literatur bejaht.656 Allerdings erfuhr die geplante Dienstleistungsrichtlinie657 ebenfalls heftigen politi156 schen Widerstand: Die Kritik an dem Vorschlag bezog sich dabei erneut in besonderem Maße auf das Herkunftslandprinzip in einer möglichen kollisionsrechtlichen Ausprägung,658 welches sich nicht nur in Widerspruch zu der im Wettbewerbskollisionsrecht geltenden Anknüpfung an den Marktort gesetzt hätte, sondern auch aufgrund seines weiten Anwendungsbereichs mit Blick auf den geringen Harmonisierungsgrad der betroffenen Bereiche nicht tragbar erschien.659 In Deutschland führte die Auseinandersetzung schließlich dazu, dass der Bundestag mit Beschluss vom 29.6.2005660 gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP die Europäische Kommission aufforderte, ihren Vorschlag zurückzuziehen und nach erneuter Überarbeitung einen geänderten Entwurf vorzulegen. Die Kommission reagierte auf die breite Kritik und formulierte Art. 16 schließlich neu. Dieser enthält nunmehr lediglich allgemeine Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit, welche sich unmittelbar an der Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV orientieren.661 Das Europäische Parlament stimmte der Dienstleistungsrichtlinie im Ergebnis mit Beschluss vom 16.2.2006 zu. Festgehalten werden kann mithin, dass es sich bei Art. 16 nach überwiegender Mei157 nung662 nicht um eine kollisionsrechtliche Regelung handelt. Diese Normierung wird vielmehr überwiegend als sekundärrechtliche Umsetzung des primärrechtlichen Binnenmarktkonzeptes eingeordnet.663 Auch Art. 17 Nr. 15 der Dienstleistungsrichtlinie stellt nochmals deutlich heraus, dass eine kollisionsrechtliche Regelung nicht getroffen wird, sondern das Internationale Privatrecht und insbesondere die Kollisionsnormen der Rom I- und Rom II-VO unberührt bleiben, da er regelt, dass Art. 16 keine Anwendung findet auf „Bestimmungen betreffend vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse, einschließlich der Form von Verträgen, die nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts festgelegt werden“. 158
ee) Weitere werberechtliche Richtlinien. Auch in den weiteren werberechtlichen Richtlinien finden sich keine wettbewerbsrechtlich relevanten Kollisionsnormen. Weder die im Jahr 1984 verabschiedete und in Kraft gesetzte Richtlinie über irreführende Werbung664 noch die 1997 geänderte, die vergleichende Werbung einbeziehende Richtli-
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656 Dazu MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 90; weiterhin Deinert EWS 2006, 445, 447 f. sowie im Vergleich zum Herkunftslandprinzip der E-CommerceRL Basedow EuZW 2004, 423, 424. 657 Vorschlag 2004/1/COD f. VO – 2004/21/SEK v. 13.1.2004. 658 Vgl. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 426 m.w.N. zum Streitstand. 659 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 89 f. Vgl. hierzu auch Albath/Giesler EuZW 2006, 38 ff.; Glöckner WRP 2005, 795, 795, 805 ff.; Mankowski IPRax 2004, 385 ff. 660 BTDrucks. 15/5832. 661 Vgl. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 91. 662 Siehe beispielsweise MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 120 f.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 541; wohl auch Leible/Lehmann RIW 2007, 721 ff.; zweifelnd jedoch Lemor EuZW 2007, 135, 138. 663 Siehe Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 152; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 39; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 120. 664 RL 1984/450/EWG des Rates vom 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABI. EG L 250 S. 20 = GRUR Int. 1984, 688, seit 12.12.2007 ersetzt durch die RL 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
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nie665 enthalten Kollisionsregeln.666 Sie schaffen jedoch auch kein umfassendes Einheitsrecht,667 welches die Bedeutung der kollisionsrechtlichen Problematik in den Hintergrund treten lässt.668 Allerdings enthalten einige Richtlinien des Sekundärrechts Regelungen, die für das Wettbewerbskollisionsrecht zumindest mittelbar von Bedeutung sein können. Dazu zählen zum Beispiel: Art. 21 Abs. 11 der zweiten Bankenrichtlinie vom 15.12.1989669 (für die Werbetätigkeit wird auf den Ort der Markttransaktion bzw. den Ort der Dienstleistung abgestellt), Art. 41 der Dritten Richtlinie Schadensversicherung670 und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung671 (für Form und Inhalt einer Werbung sind die aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigten Bestimmungen des Mitgliedstaates der Zweigniederlassung bzw. Dienstleistung maßgeblich) sowie die Dienstleistungsrichtlinie für Rechtsanwälte vom 22.3.1977,672 die u.a. das Werberecht im Aufnahmestaat für beachtlich erklärt.673 e) Das Europäische Wettbewerbskollisionsrecht der Rom II-VO aa) Kollisionsrechtsvereinheitlichung. Nachdem das internationale Einheitsrecht 159 im Bereich des unlauteren Wettbewerbsrechts nur sehr schwach ausgebaut ist,674 kommt dem Wettbewerbskollisionsrecht umso größere Bedeutung zu. Ähnlich wie im materiellen Recht wäre dem Interesse an vorhersehbaren und einheitlichen Entscheidungen auch im Bereich des Kollisionsrechts am besten durch eine Vereinheitlichung der Rechtsnormen gedient.675 Jedoch konnte gezeigt werden, dass sich auf internationaler Ebene lediglich fremdenrechtliche, aber keine kollisionsrechtlichen Normen finden lassen.676 Anders sieht es auf europäischer Ebene aus: Die vom Rat und dem Europäischen Parlament nach fast vierjährigen, zum Teil zähen Verhandlungen677 erzielte Verständigung über eine einheitliche Regelung des Kollisionsrechts im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse, die in der Verkündung der Verordnung (EG) Nr. 864/ 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) im Juli 2007 mündete, ist als ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu einem vereinheitlichten europäischen Kollisi-
_____ vom 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung), ABI. EU 2006 L 376 S. 21 = GRUR Int. 2007, 308. 665 RL 1997/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.10.1997 zur Änderung der RL 1984/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABI. EG Nr. L 290 S. 18; vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt durch Gesetz vom 1.9.2000, BGBl I S. 1374. 666 Vgl. Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 159, F 332; Kort GRUR Int. 1994, 594, 602; MünchKommBGB/ Drexl IntUnlWettbR Rn. 74; MünchKommBGB/Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 227a; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 378, 534; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 296. 667 Dazu Lettl GRUR Int. 2004, 85, 91 f.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 534; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 296. 668 Vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 118. 669 RL 1989/646/EWG, ABl. EG 1989 L 386, 1. 670 RL 1992/49/EWG, ABl. EG 1992 L 228, 1. 671 RL 1992/96/EWG, ABl. EG 1992 L 360, 1. 672 RL 1977/249/EWG, ABl. EG 1977 L 78, 17. 673 Vgl. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 427. 674 Vgl. hierzu S. 2 sowie Rn. 52 ff. 675 Heinze FS Kropholler, S. 113. 676 Vgl. hierzu Rn. 52 ff. insb. 74. 677 Zur wechselvollen Vorgeschichte der Rom II-VO vgl. Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006) 265, 259 ff.
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onsrecht anzusehen und unterstellt das Wettbewerbskollisionsrecht in ihrem Art. 6 einem einheitlichen gemeinschaftsrechtlichen Regime.678 Mit der Rom II-VO, die seit dem 11.1.2009679 für die Gerichte der EU – mit Ausnahme 160 Dänemarks – das maßgebliche Regelungswerk für die Bestimmung des anwendbaren Rechts für außervertragliche Schuldverhältnisse ist, machte der Europäische Gesetzgeber erstmalig von seiner durch den Amsterdamer Vertrag geschaffenen Kompetenz zur Schaffung einheitlichen Kollisionsrechts nach Art. 61 lit. c), 65 lit. b) und 67 EGV (vgl. heute Art. 81 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c) AEUV) Gebrauch.680 bb) Entstehungsgeschichte und Regelungsgehalt der Rom II-VO. Mit der Rom IIVO fand ein Prozess sein Ende, der bereits im Jahre 1972 durch einen von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft vorgelegten „Vorentwurf eines Übereinkommens über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht“ in Gang gesetzt wurde.681 Dieser blieb jedoch lange Zeit unbearbeitet682 und ging nach dem Beitritt Großbritanniens, Dänemarks und Irlands zur EG schließlich völlig unter, 683 was wohl zum Teil der für erforderlich gehaltenen Fokussierung auf das internationale Vertragsrecht geschuldet war.684 Erst im Jahre 1996 wandte man sich mit Blick auf das durch den Vertrag von Amsterdam festgeschriebene Ziel der Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten685 auf europäischer Ebene erneut der Vereinheitlichung des internationalen außervertraglichen Schuldrechts zu. 686 In der „Entschließung zur Festlegung der Prioritäten für die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres für den Zeitraum vom 1.7.1996 bis zum 30.6.1998“ vom 14.10.1996 erklärte der Rat die „Aufnahme der Beratungen über die Erforderlichkeit und die Möglichkeit der Einführung eines Übereinkommens über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht“ als ein Arbeitsvorhaben im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit.687 Als ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen 162 Kollisionsrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse ist sodann der 1998 von der 161
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678 v. Hein ZEuP 2009, 6, 32 spricht insoweit von einem „Meilenstein in der Europäisierung des Internationalen Privatrechts“; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 154; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 721; Wagner IPRax 2008, 1, 1. 679 Zum Streit um die zeitliche Anwendbarkeit der Rom II-VO siehe Rn. 169 sowie EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA; siehe zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Paolo Mengozzi v. 6.9.2011 auch Sujecki EuZW 2011, 815; sowie Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 154; v. Hein ZEuP 2009, 6, 10 f.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 37. 680 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 97. 681 Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006), 265, 259; Staudinger/v. Hoffmann Vorb. zu Art. 38–42 EGBGB Rn. 10; v. Hein ZVglRWiss 102 (2003) 528, 529; Kreuzer in Reichelt/Rechberger S. 13, 19. 682 Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006), 265, 259; Staudinger/v. Hoffmann Vorb. zu Art. 38–42 EGBGB Rn. 10; v. Hein ZVglRWiss 102 (2003), 528, 529; Kreuzer in Reichelt/Rechberger S. 13, 19. 683 Junker NJW 2007, 3675, 3676. 684 v. Hein ZVglRWiss 102 (2003), 528, 530; Kreuzer in Reichelt/Rechberger S. 13, 19; MünchKommBGB/ Junker Vorb. zu Art. 1 Rom II-VO Rn. 4. 685 Staudinger/v. Hoffmann Vorb. zu Art. 38–42 EGBGB Rn. 14. 686 Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006) 256, 259. 687 Entschließung des Rates vom 14.10.1996, ABl. EG 1996 C 319/1. Zudem für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages s. Entschließung des Rates vom 18.12.1997 zur Festlegung der Prioritäten für die Zusammenarbeit im Bereich der Justiz und Inneres für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam, ABl. EG 1998 C 11/2. Siehe hierzu auch MünchKommBGB/Junker Vorb. zu Art. 1 Rom II-VO Rn. 6.
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Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht (GEDIP) vorgelegte „Entwurf eines EU-Übereinkommens über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht“ anzusehen.688 Diesem folgte im Jahr 1999 ein interner Entwurf der EG-Kommission zu einer VO über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht.689 Am 22.7.2003 legte die Kommission schließlich einen Vorschlag für eine Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO) vor, welcher auf einem Vorentwurf der Kommission690 sowie dem Regelungsvorschlag der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht basierte.691 Die Schaffung einer speziellen deliktischen Anknüpfungsnorm für den Bereich des unlauteren Wettbewerbs gehörte dabei zu den umstrittensten Fragen im Entstehungsprozess der Rom II-VO.692 Dies lag einerseits daran, dass nicht alle Mitgliedstaaten ein ausgebautes Rechtssystem gegen den unlauteren Wettbewerb vorweisen konnten, andererseits war auch umstritten, ob für diesen Bereich tatsächlich ein Bedürfnis für die Schaffung einer sonderdeliktsrechtlichen Anknüpfungsnorm bestand.693 Der Vorschlag für die Rom II-VO aus dem Jahre 2003 enthielt jedoch in Art. 5 Abs. 1 163 zunächst eine allgemeine Kollisionsregel für die Anknüpfung wettbewerbsrechtlicher Sachverhalte,694 die vorsah, dass „auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entstanden sind, (…) das Recht des Staates anzuwenden“ ist, „in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt werden könnten“.695 Auch wenn Art. 5 Abs. 1 des Vorschlags eine Anknüpfung an den Marktort zugrunde gelegt wurde, so war die Formulierung doch recht offen gehalten, weshalb sich sowohl Vertreter der wettbewerblichen Interessenkollisionslösung als auch jene der Auswirkungstheorie in ihrem Wortlaut wiederfinden konnten.696 Ähnlich vage hielt sich auch die Begründung zum Vorschlag von 2003, in welcher die Kommission ausdrücklich auf die Existenz verschiedener Modelle der Marktortanknüpfung in den europäischen Staaten verwies.697 Koos stellte in diesem Kontext fest, dass die Aussagen
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688 Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006) 256, 259. Der Entwurf ist in franz. Sprache abgedruckt in IPRax 1999, 286 ff. Vgl. hierzu auch Jayme IPRax 1998, 298 ff. 689 Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006), 256, 259; v. Hein ZVglRWiss 102 (2003), 528, 532; Wagner EuZW 1999, 709, 709; ausführlich dazu Kreuzer in Reichelt/Rechberger S. 13, 20. 690 Vgl. die Stellungnahme der 2. Kommission des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht zum Vorentwurf eines Vorschlags der europäischen Kommission für eine Verordnung des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice/ news/consulting_public/rome_ii/contributions/deutscher_rat_internat_privatrecht_de.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2013). 691 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 159; G. Wagner FS Kropholler, S. 716. Siehe hierzu auch Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006) 256, 260. 692 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 102. 693 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 102. 694 Diese wurde damit begründet, dass eine breite Einigkeit hinsichtlich der Anknüpfung an den Marktort bestehe und schon entsprechende Regelungen in den Gesetzen einiger Mitgliedstaaten (wie beispielsweise Österreich, Spanien oder der Niederlande) zu finden seien, KOM (2003) 427 endg. S. 17. Die Schaffung einer speziellen Anknüpfungsnorm sei zudem im Interesse der Rechtssicherheit geboten, siehe hierzu ausführlich MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 102. 695 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 159; Koos The European Legal Forum 2006, II-73. 696 Koos The European Legal Forum 2006, II-73. 697 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 22.7.2003, KOM (2003) 427 endg. S. 17 f.; Koos The European Legal Forum 2006, II-73.
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der Kommission und die Fassung der Kollisionsnorm darauf hindeuten, dass „jedenfalls eine objektivistische Marktortanknüpfung ohne Entscheidung über den dogmatisch-systematischen Standort der Marktortanknüpfung vorgenommen werden sollte“.698 Die wettbewerbsrechtliche Sonderanknüpfung in Art. 5 des Vorschlags stieß je164 doch auf heftige Kritik699 – insbesondere wurde erneut die Sinnhaftigkeit einer speziellen Anknüpfungsregel in Frage gestellt. Zudem wurde auch die unzureichende Klarheit der Norm, insbesondere das Fehlen einer Definition des Begriffes des unlauteren Wettbewerbs, beanstandet.700 Im weiteren Verlauf des Rechtssetzungsprozesses wurde daher zwar kurzfristig von der Normierung einer speziellen Wettbewerbskollisionsnorm Abstand genommen,701 im Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 21.2.2006 fand sich jedoch in Art. 7 erneut eine Regelung702 folgenden Inhalts: „Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus unlauteren Geschäftspraktiken entstanden sind, ist das nach Art. 5 Abs. 1 bezeichnete Recht anzuwenden. Der Staat, in dem der Schaden eintritt oder einzutreten droht, ist der Staat, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt werden könnten“. Art. 7 verwies damit auf die in Art. 5 des Geänderten Vorschlags niedergelegte allgemeine deliktische Kollisionsnorm. Auch wenn das Festhalten an einer Sonderanknüpfung für den Bereich des unlauteren Wettbewerbsrechts durch den Gemeinsamen Standpunkt des Rates703 in der zweiten Lesung des Parlaments wiederum auf Kritik stieß,704 wurde die Beibehaltung einer speziellen Wettbewerbskollisionsnorm, welche in Art. 6 Rom II-VO schließlich ihren Niederschlag fand, im Ergebnis doch gebilligt.705 Das Europäische Parlament konn-
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698 Koos The European Legal Forum 2006, II-74. 699 Der Rechtsausschuss schlug in seinem Bericht gar eine ersatzlose Streichung des Art. 5 vor. Siehe Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 27.6.2005, Berichterstatterin Diana Wallis, A6-0211/2005 endg., RR/572354DE.doc. Änderungsantrag 8 (S. 9) und 29 (S. 22 f.). 700 Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 27.6.2005, Berichterstatterin Diana Wallis, A6-0211/2005 endg., RR/572354DE.doc, Änderungsantrag 29 (S. 23); Koos The European Legal Forum 2006, II-73. 701 Vgl. die Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), (KOM(2003)0427 – C5-0338/2003-2003/0168 (COD)) v. 6.7.2005, P6_TA(2005)0284, abgedruckt in IPRax 2006, 413 ff.; sowie den Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 27.6.2005, A6-0211/2005 endg., RR/572354DE.doc. 702 S. den Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 21.2.2006, KOM(2006), 83 endg. 2003/0168 (COD), abgedruckt in IPRax 2006, 404 f. 703 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 22/2006 vom 25.9.2006, vom Rat festgelegt gemäß Art. 251 EG im Hinblick auf die Annahme einer Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. EU L 289 E S. 68 ff. 704 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9.1.2007 zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), Berichterstatterin Diana Wallis, A6-0481/2006, P6_TA-PROV (2007)0006. 705 Vgl. den Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 22/2006 vom 25.9.2006, vom Rat festgelegt gemäß Art. 251 EG im Hinblick auf die Annahme einer Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates
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te sich folglich mit seinen Bedenken nicht gegen den Rat und die Kommission durchsetzen.706 cc) Sachlicher, zeitlicher und territorialer Anwendungsbereich (1) Sachlicher Anwendungsbereich. In sachlicher Hinsicht besitzt die Rom II-VO nach Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO Geltung „für außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen“. Der Begriff des „außervertraglichen Schuldverhältnisses“ ist dabei, wie auch Erwägungsgrund Nr. 11 nochmals deutlich macht, nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers autonom auszulegen.707 Eine Konkretisierung erfolgt jedoch schon durch Art. 2 Rom II-VO, welcher zeigt, dass der Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses Ansprüche aus unerlaubter Handlung (Art. 4 Rom II-VO), wozu auch die Gefährdungshaftung zählt,708 aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 10 Rom II-VO), Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 11 Rom II-VO), sowie aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (Art. 12 Rom II-VO) erfasst. Die Art. 5–9 Rom II-VO machen zudem deutlich, dass auch Bereiche des Sonderdeliktsrechts, wie die Produkt- und Umwelthaftung, das Kartell-, Immaterialgüter- und Arbeitskampfrecht sowie das aus Sicht dieser Kommentierung maßgebliche Lauterkeitsrecht (Art. 6 Rom II-VO) erfasst werden. Außervertragliche Schuldverhältnisse im Sinne der Rom II-VO sind dabei grundsätzlich von vertraglichen Schuldverhältnissen abzugrenzen, welche dann vorliegen, wenn eine Partei gegenüber einer anderen freiwillig eine Verpflichtung eingegangen ist.709 Fehlt es hieran und liegt keine durch Rechtsgeschäft entstandene Sonderverbindung der Parteien vor, ist der Anwendungsbereich der Rom II-VO eröffnet.710 Art. 2 Abs. 2 und Abs. 3 der Rom II-VO zeigen schließlich, dass die Verordnung nicht auf kompensatorische Rechtsbehelfe beschränkt ist, vielmehr ebenfalls Abwehrrechte einschließt.711 So findet sich in Art. 2 Abs. 2 Rom II-VO die Regelung, dass die Verordnung auch für außervertragliche Schuldverhältnisse gilt, deren Entstehen wahrscheinlich ist. Diese Regelung wird durch Art. 2 Abs. 3 Rom II-VO ergänzt, der sämtliche Bezugnahmen in der Verordnung auf ein schadensbegründendes Ereignis und auf einen Schaden für entsprechend anwendbar erklärt, selbst wenn der Eintritt eines solchen Ereignisses oder Schadens lediglich wahrscheinlich ist. Der in Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO ebenfalls erwähnte Begriff der „Zivil- und Handelssache“ wird in der Verordnung nicht definiert. In Satz 2 findet sich lediglich eine negative Abgrenzung.712
_____ über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. EU L 289 E S. 68 ff. und die dortige Begründung der abgelehnten Änderung 29. 706 Siehe hierzu auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 102. 707 Erwägungsgrund Nr. 11; G. Wagner IPRax 2008, 1, 1; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 8. 708 Erwägungsgrund Nr. 11. 709 Leible/Lehmann RIW 2007, 722, 723. 710 Leible/Engel EuZW 2004, 7, 8. 711 G. Wagner IPRax 2008, 1, 1; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 723. 712 Vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen sind insbesondere öffentlich-rechtliche Streitigkeiten (Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten), aber beispielsweise auch Staatshaftungsansprüche, selbst wenn diese vor den Zivilgerichten geltend zu machen sind, v. Hein ZVglRWiss 102 (2003), 528, 541.
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Damit entspricht die Normierung des sachlichen Anwendungsbereiches der Rom IIVO den entsprechenden Vorschriften der Rom I-VO713 und der EuGVVO,714 was nach dem Willen der Kommission einen Gleichlauf der drei Regelungswerke bewirken und somit der Einheit und Kohärenz des Unionsrechts Rechnung tragen soll.715 Der Begriff der „Zivil- und Handelssache“ ist mithin unter Beachtung der zur EuGVVO und zum EVÜ bzw. der zur Rom I-VO ergangenen Rechtsprechung autonom zu bestimmen.716 169
(2) Zeitlicher Anwendungsbereich. Nach Art. 31 gilt die Rom II-VO für sämtliche schadensbegründende Ereignisse, die nach ihrem „Inkrafttreten“ eintreten. Fraglich ist jedoch, welches das maßgebliche Datum des Inkrafttretens ist. Nach Art. 32 Rom II-VO „gilt“ die Verordnung ab dem 11.1.2009, mit Ausnahme des Artikels 29, für den der 11.7.2008 maßgeblich ist. Unsicherheiten bestanden in der Vergangenheit allerdings bezüglich der Frage, ob Art. 31 Rom II-VO bei Festlegung der zeitlichen Anwendbarkeit auf das in Art. 32 Rom II-VO genannte Datum (11.1.2009) Bezug nimmt, oder ob mit „Inkrafttreten“ auf die allgemeine Regel des Art. 297 AEUV (ex-Art. 254 Abs. 1 S. 2 EGV) verwiesen wird, wonach grundsätzlich der zwanzigste Tag nach Veröffentlichung im Amtsblatt und damit der 20.8.2007 maßgeblich wäre.717 Die überwiegende Meinung in der Literatur und auch der BGH vertraten den Ansatz, dass einheitlich auf den 11.1.2009 abzustellen sei,718 wobei entscheidend sei, wann sich das maßgebliche Geschehen abgespielt hat, nicht jedoch wann Klage erhoben wurde.719 Dies hat der EuGH nunmehr in seiner Entscheidung „Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA“ ausdrücklich bestätigt und festgestellt, dass die Art. 31 und 32 der Rom II-VO in Verbindung mit Art. 297 AEUV dahingehend auszulegen sind, „dass ein nationales Gericht verpflichtet ist, diese Verordnung nur auf schadensbegründende Ereignisse anzuwenden, die ab dem 11. Januar 2009 eingetreten sind, und dass der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens, mit dem Schadensersatz eingeklagt wird, oder der Zeitpunkt der Bestimmung des anwendbaren Rechts durch das angerufene Gericht kei-
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713 Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), welche das Römische EWG-Übereinkommen vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, auch Europäisches Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) genannt, abgelöst hat. 714 Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). 715 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 7 Rom I-VO und Erwägungsgrund Nr. 7 Rom II-VO. Bei dieser rechtsaktübergreifenden Auslegung ist mithin die Stellung der Bestimmung im Gefüge des Unionsrechts insgesamt zu beachten und im Interesse der Einheit der Unionsrechtsordnung eine einheitliche Auslegung zentraler Begrifflichkeiten vorzunehmen. 716 G. Wagner IPRax 2008, 1, 1; v. Hein ZEuP 2009, 12; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 722; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 8; v. Hein VersR 2007 440, 442; Huber/Bach IPRax 2005, 73, 74. 717 Fezer/Hausmann/Oberfell Einl. I Rn. 158. 718 Siehe auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 154, welche die Formulierung „Inkrafttreten“ in Art. 31 Rom II-VO als Hinweis auf das in Art. 32 Rom II-VO genannte Datum des 11.1.2009 interpretieren, um so einen nachteiligen Statutenwechsel zu vermeiden. Ausführlich hierzu v. Hein ZEuP 2009, 6, 10 f., der darauf hinweist, dass einige Verordnungen zwischen ihrem „Inkrafttreten“ und ihrer „Anwendbarkeit“ differenzieren (z.B. Art. 33 EuVTVO oder Art. 24 EuBVO), was auch bei der Rom II-VO der Fall sei. Für ein Inkrafttreten der Rom II-VO am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt spreche, dass die Kommission nach Art. 30 I Nr. 1 „bis spätestens 20. August 2011“ einen Bericht über die Handhabung der Verordnung, insbesondere in Bezug auf die Anwendung ausländischen Rechts, vorlegen musste. Darüber hinaus habe die Kommission selbst erklärt, diese Studie „spätestens […] vier Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung“ zu präsentieren. Rechne man aber nun vom 20.8.2011 vier Jahre zurück, so gelange man exakt zu dem nach Art. 254 I, II EGV ermittelten Datum des Inkrafttretens (20.8.2007); BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 10 – Ausschreibung in Bulgarien. 719 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 37.
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nen Einfluss auf die Festlegung des zeitlichen Anwendungsbereichs dieser Verordnung haben.“ 720 Maßgeblicher Zeitpunkt ist allein der Eintritt des schädigenden Ereignisses.721 Im Falle von Unterlassungsansprüchen (Art. 2 Abs. 3 lit. a) Rom II-VO) ist darauf 170 abzustellen, ob der Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses bereits vor der Anwendbarkeit der Rom II-VO wahrscheinlich war oder nicht.722 (3) Territorialer Anwendungsbereich/universelle Geltung der Verordnung. Die 171 Rom II-VO gilt, wie generell alle auf Art. 81 Abs. 2 AEUV gestützten Rechtsakte, nicht für Dänemark,723 weshalb Dänemark wie ein Drittstaat zu behandeln ist.724 Das Vereinigte Königreich und Irland haben hingegen von ihrer Möglichkeit des Opt-in Gebrauch gemacht – die Verordnung hat mithin für sie Geltung.725 Wie Art. 3 Rom II-VO deutlich herausstellt, handelt es sich bei der Verordnung um 172 sog. loi uniforme,726 was bedeutet, dass sie „universelle Geltung“ hat, und das nach ihr bezeichnete Recht auch dann anzuwenden ist, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaates, sondern das eines Drittstaates ist. Hierdurch wird die Rom II-VO zum einen der Zielsetzung des Art. 81 Abs. 2 AEUV gerecht, Kollisionsnormen mit universeller Geltung zu schaffen.727 Zum anderen wird eine ungewollte Aufspaltung in ein Binnenmarktkollisionsrecht und ein Kollisionsrecht, das im Verhältnis zu Drittstaaten gilt, vermieden.728 Die Ausgestaltung als universelles Recht hat darüber hinaus zur Folge, dass das auf außervertragliche Schuldverhältnisse bezogene autonome Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten vollständig durch die Rom II-VO ersetzt wird und nur noch in Altfällen Anwendung findet.729 Die Bedeutung und der Anwendungsbereich des autonomen Kollisionsrechts sind seit Geltung der Verordnung mithin verschwindend gering.730 Mit Blick auf das Wettbewerbskollisionsrecht stellt die Verordnung folglich sicher, 173 dass in der gesamten Europäischen Union unabhängig vom gewählten Forum stets das-
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720 EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA; siehe zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Paolo Mengozzi v. 6.9.2011 auch Sujecki EuZW 2011, 815. 721 EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 36 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA. So auch schon MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 98; ausführlich zum Stand der Diskussion v. Hein ZEuP 2009, 6, 11. 722 v. Hein ZEuP 2009, 6, 11. 723 Erwägungsgrund Nr. 40; Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO; Wagner IPRax 2008, 314, 315; ders. IRPax 2008, 1, 3; v. Hein ZEuP 2009, 6, 15; Art. 69 EG i.V.m. Art. 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks (ABl. EG 1997, C 340/101 – mit Titel IIIa ist der spätere Titel IV gemeint). 724 v. Hein ZEuP 2009, 6, 15; Huber/Bach IPRax 2005, 73, 75. 725 Erwägungsgrund 39; G. Wagner IRPax 2008, 1, 3; v. Hein ZEuP 2009, 6, 15. 726 Huber/Bach IPRax 2005, 73, 75; v. Hein ZVglRWiss 102 (2003), 528, 542. Vereinzelt wurden Zweifel an der Kompetenz der EG für eine universelle Regelung geäußert. Diese sind jedoch mit Blick auf Art. 65 lit. b EGV unberechtigt, so auch Huber/Bach IPRax 2005, 73, 75; v. Hein ZEuP 2009, 6, 15; Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006), 259, 262. 727 Der erforderliche Binnenmarktbezug besteht, wie MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 100 unter Verweis auf Kreuzer in Reichelt/Rechberger S. 13, 27 feststellt, auch mit Blick auf die Anwendbarkeit des Rechts von Drittstaaten. 728 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 156; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 724. 729 G. Wagner IPRax 2008, 1, 4; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 724; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 156. 730 Zum autonomen Wettbewerbskollisionsrecht siehe Rn. 190 ff.; ausführlich Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 61 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 621 ff.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 236 ff.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 82 ff.
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selbe Recht berufen und ein forum shopping ausgeschlossen wird.731 Im Ergebnis bedeutet dies für den einzelnen Bürger und das einzelne Unternehmen, dass ein Wechsel des Aufenthalts- oder Niederlassungsstaates nicht mehr zu einem Statutenwechsel führt, was die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im Interesse der Beteiligten erhöht und als maßgeblicher Grund für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander, aber auch im Verhältnis zu Drittstaaten, angesehen werden kann.732 174
dd) Anwendungsvorrang der Rom II-VO vor autonomem Wettbewerbskollisionsrecht. Die Rom II-VO hält mit Art. 6 eine spezielle Kollisionsnorm für die Anknüpfung wettbewerbsrechtlicher Sachverhalte bereit, welche das autonom entwickelte und zumeist auf Art. 40 EGBGB gestützte Wettbewerbskollisionsrecht verdrängt.733 Es handelt sich dabei um einen Anwendungsvorrang dieses sekundärrechtlichen Gemeinschaftsaktes, nicht um einen Geltungsvorrang. 734 Nationale Rechtsnormen verlieren daher, selbst in Fällen, in denen sie dem Gemeinschaftsrecht widersprechen, nicht ihre Gültigkeit.735 Der Anwendungsvorrang der gemeinschaftsrechtlichen Normen gegenüber dem nationalen Kollisionsrecht, der sich bereits unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht selbst ergibt736 und der grundsätzlich umfassend gilt – was bedeutet, dass das Unionsrecht dem mitgliedstaatlichen Recht jeder Regelungsebene vorgeht737 –, hat daher lediglich die Nichtanwendung des nationalen Rechts im Falle eines Konfliktes zur Folge.738
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ee) Verhältnis zu völkerrechtlichen und sonstigen gemeinschaftskollisionsrechtlichen Regelungen. Das Verhältnis der Rom II-VO zu einschlägigen internationalen Übereinkommen muss grundsätzlich autonom-unionsrechtlich festgestellt werden.739 Art. 28 Rom II-VO regelt insofern, dass die Bestimmungen der Rom II-VO nicht die Anwendung der internationalen Übereinkommen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung angehören und die Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten (Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO), berühren. Konventionsrechtliche Regelungen gehen dem Verordnungsrecht mithin im Interesse der Vertragstreue der Mitgliedstaaten, die ihren Verpflichtungen gegenüber
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731 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 100. 732 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 100. 733 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 4, 155. Zur Verortung des Marktortprinzips im deutschen Wettbewerbskollisionsrecht siehe ausführlich Rn. 191. 734 Ahrens FS Georgiades S. 789. 735 Ahrens FS Georgiades S. 789: Im Ergebnis dürfen sie mithin nicht angewandt werden, soweit sie mit primärem oder sekundärem Gemeinschaftsrecht kollidieren. Dies stellt Art. 3 Nr. 1 EGBGB deutlich heraus. 736 Art. 3 Nr. 1 EGBGB, der insoweit nur deklaratorischen Charakter hat (Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 51; R. Wagner IPRax 2008, 314, 317; Wendehorst in Langenbucher/Engert § 8 Rn. 3), stellt dies jedoch nochmals deutlich heraus, s. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 44. 737 Siehe hierzu die Rechtsache EuGH 9.3.1978 – C-106/77 – Slg. 1978, 629 Tz. 16 – Simmenthal, in welcher der Gerichtshof feststellt, dass „jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar“ ist. 738 Mit Blick auf das Zivilrecht muss die Norm des Unionsrechts jedoch unmittelbar anwendbar sein. Siehe in diesem Kontext auch EuGH 19.6.1990 – C-213/89 – Slg. 1990, I-2433 Tz. 19 ff. – Factortame; EuGH 15.7.1964 – 6/64 – Slg. 1964, 1251, 1269 – Costa; EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 65 – Einheitliches Patentgerichtssystem sowie die 17. Erklärung zum Vorrang als Teil der Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat, ABl. EU C 115 v. 9.5.2008, S. 344. 739 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 104; Handig GRUR Int. 2008, 24, 25.
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Drittstaaten auch weiterhin nachkommen sollen,740 vor, sofern sie in Bezug auf lauterkeitsrechtliche Sachverhalte Kollisionsregeln enthalten. Allerdings ist die Regelung des Art. 28 Rom II-VO auf „frühere“ Übereinkommen begrenzt, was bedeutet, dass nur jene Übereinkommen Vorrang beanspruchen können, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung741 angehört haben. Handelt es sich hingegen um rein mitgliedstaatliche Beziehungen, findet gemäß Art. 28 Abs. 2 Rom II-VO allein die Rom II-VO Anwendung. Das Unionsrecht hat mithin im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander Vorrang vor zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen internationalen Übereinkommen.742 Das Verhältnis der Rom II-VO zu anderen europäischen Rechtsakten, die beson- 176 dere Kollisionsnormen im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse vorsehen, regelt Art. 27 Rom II-VO, indem er bestimmt, dass die Rom II-VO nicht die Anwendung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts berührt, die für besondere Gegenstände Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten. Besondere Kollisionsnormen im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse gehen der Rom II-VO mithin vor.743 Da dem Herkunftslandprinzip der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste744 177 überwiegend ein kollisionsrechtlicher Gehalt beigemessen wird,745 bedeutet dies, dass sie gegenüber der Rom II-VO mit Blick auf ihren spezifischen Anwendungsbereich Vorrang beansprucht. Entsprechend der in „De Agostini“746 zugrunde gelegten engen Auslegung des koordinierten Bereichs, erfasst das Herkunftslandprinzip der Richtlinie aber nur jene Regelungen, die spezifisch die Tätigkeit von Fernsehanstalten betreffen. Handelt es sich hingegen um allgemein der Lauterkeit des Handelsverkehrs und dem Verbraucherschutz dienende Vorschriften, unterfallen diese nicht dem koordinierten Bereich und werden mithin nicht vom Herkunftslandprinzip erfasst.747 Für diese jenseits
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740 Siehe Erwägungsgrund 36, VO 2007/864/EG – ABl. EU L 199 v. 31.7.2007, S. 43. 741 Das maßgebliche Datum ist insofern der 1.7.2007. 742 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 44; Bamberger/Roth/Spickhoff Art. 28 Rom II-VO Rn. 4; Piper/ Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 13d. Zum Verhältnis der Rom II-VO zu von der Europäischen Union selbst abgeschlossenen Verträgen, welche Kollisionsnormen enthalten siehe ausführlich MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 108. 743 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 44. 744 Die neue Richtlinie trat am 19.12.2007 in Kraft (vgl. RL 2010/13/EU – ABl. EU L 95 v. 15.4.2010, S. 1 ff.). Sie ist die konsolidierte Fassung der Neufassung der Richtlinie 2007/65/EG, welche wiederum auf die erste Fernsehrichtlinie 89/552/EWG zurückgeht. 745 Vgl. (teilweise noch zur FernsehRL) AnwKommBGB/Wagner Art. 40 EGBGB Rn. 72; v. Bar/ Mankowski § 3 Rn. 88; Dethloff S. 51 ff.; dies. JZ 2000, 179, 180; Kort GRUR Int. 1994, 594, 601; Kotthoff S. 34 f.; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 159, 365 ff.; Lehmler UWG Einl. Rn 58; Mankowski ZVglRWiss 100 (2001), 137, 142 f.; MünchKommBGB/Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 227a; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 97; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 300; Reithmann/Martiny/Obergfell IVR Rn. 1773; Sack WRP 1994, 281, 284; Schack MMR 2000, 59, 62; Schricker GRUR Int. 1990, 771, 774 f.; Schricker/Henning-Bodewig WRP 2001, 1367, 1370; Thünken S. 51; ders. IPRax 2001, 15, 19 – A.A. Ahrens FS Tilmann, S. 739, 744 f.; Baetzgen S. 290 Rn. 734; Blasi S. 267 ff.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 858; Piper/ Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 78; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 537; zweifelnd auch Harte/Henning/ Glöckner Einl. C Rn. 28 ff. sowie Sack WRP 2008, 845, 858. Siehe zum Streit über den kollisionsrechtlichen Charakter des Herkunftslandprinzip der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste auch Rn. 118 ff. 746 EuGH 17.9.1996 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 Tz. 28 ff. – De Agostini. Die Entscheidung betraf zwar noch die Fernsehrichtlinie, hat aber auch mit Blick auf die Änderungsrichtlinie Bedeutung, MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 55. 747 EuGH 17.9.1996 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 Tz. 34 – De Agostini. Anonsten würden die Angleichungsmaßnahmen im Lauterkeitsrecht (beispielsweise Richtlinie 84/450/EWG, heute Richtlinie 2006/114/EG) im Bereich der Fernsehwerbung ihre Bedeutung verlieren. Siehe zudem Erwägungsgrund 82 RL 2010/13/EU.
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Einleitung Teil D.
des koordinierten Bereichs liegenden Gebiete gilt damit jedenfalls für Sachverhalte nach dem 11.1.2009748 die nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO maßgebliche Marktortanknüpfung.749 Bejaht man entgegen der hier vertetenen Auffassung750 einen kollisionsrechtlichen 178 Gehalt des in der E-Commerce-Richtlinie751 niedergelegten Herkunftslandprinzips,752 so geht auch diese der Rom II-VO im Rahmen ihres Anwendungsbereichs vor.753 Maßgeblich wäre mithin für den koordinierten Bereich, der mit Blick auf die E-Commerce-Richtlinie jedoch deutlich weiter verstanden wird und alle rechtlichen Anforderungen umfasst, die das Rechtssystem der Mitgliedstaaten an Dienste der Informationsgesellschaft und deren Anbieter stellt, und zwar unabhängig davon, ob diese Anforderungen speziell an solche Dienste und Anbieter gestellt werden oder nicht, gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 der E-Commerce-Richtlinie das Recht des Staates, in dem der Diensteanbieter seine Niederlassung hat. 179 Eine kollisionsrechtliche Deutung des sekundärrechtlichen Herkunftslandprinzips führt mithin zu einer Kollisionsrechtsspaltung, was bedeutet, dass unterschiedliche Anknüpfungsmomente für den durch die E-Commerce-Richtlinie koordinierten Bereich einerseits und außereuropäische Sachverhalte bzw. von der E-Commerce-Richtlinie nicht umfasste Sachverhalte auf der anderen Seite existieren. Hinsichtlich Letzterer würde es nämlich bei einer Anknüpfung an autonomes Recht bzw. für Sachverhalte nach dem 11.1.2009754 bei der nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO maßgeblichen Marktortanknüpfung bleiben. 180
ff) Qualifikation. Wie schon an anderer Stelle ausgeführt,755 muss die Auslegung sämtlicher Normen der Rom II-VO – und damit auch die Qualifikation der entsprechenden anknüpfungsrelevanten Systembegriffe – autonom unionsrechtlich, d.h. nach den Auslegungsgrundsätzen des EU-Rechts erfolgen.756 Dies bedeutet, dass „die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten“ müssen.757
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748 Zum Streit um die zeitliche Anwendbarkeit der Rom II-VO siehe Rn. 169 sowie EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. Rn. 154; v. Hein ZEuP 2009, 6, 10 f.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 37. 749 Vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 120. 750 Siehe hierzu ausführlich Rn. 138 ff. 751 Zum Verhältnis der E-CommerceRL zur Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste siehe Rn. 128 f. 752 Siehe nur v. Bar/Mankowski § 3 Rn. 88; Höder S. 200 f.; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 17; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 912 f.; ders. ZVglRWiss 100 (2001), 137, 140 ff., 179 f.; ders. CR 2001, 630, 632; ders. IPRax 2002, 257, 257 f.; ders. EWS 2002, 401, 402 ff.; MünchKommUWG/ders. IntWettbR Rn. 48 ff.; Gierschmann DB 2000, 1315, 1316; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 134 ff.; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 198; Nickels DB 2001, 1919, 1922; Stagl ÖBl. 2004, 244, 251 f.; Thünken S. 83 ff.; ders. ICLQ 51 (2002), 909, 940 f.; ders. IPRax 2001,15, 19 f., die dem Herkunftslandprinzip in der Regel einen Verweis ausschließlich auf das Sachrecht des Herkunftslandes entnehmen wollen. Zum Streit um den kollisionsrechtlichen Gehalt der E-CommerceRL ausführlich Rn. 123 ff. insb. 130 ff. 753 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 143 ff. 754 Zum Streit um die zeitliche Anwendbarkeit der Rom II-VO siehe Rn. 169 sowie EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 154; v. Hein ZEuP 2009, 6, 10 f.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 37. 755 Vgl. hierzu Rn. 10 f. 756 Heinze FS Kropholler, S. 198; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 157; EuGH (Große Kammer) 8.11.2005 – C-443/03 – Slg. I 2005, 9637 = NJW 2006, 491 Rn. 43 f. Siehe hierzu auch Handig GRUR Int. 2008, 24, 25. 757 EuGH (Große Kammer) 18.10.2011 – C-34/10 – GRUR 2011, 1104 Tz. 25 – Brüstle; s. auch EuGH 7.12.2006 – C-306/05 – Slg. 2006, I-11521 Tz. 31 = GRUR 2007, 225 – SGAE; EuGH 30.6.2011 – C-271/10 – GRUR 2011, 913 Tz. 25 – VEWA; EuGH 14.12.2006 – C-316/05 – Slg. 2006, I-12083 Tz. 21 = GRUR Int. 2007,
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Internationales Wettbewerbsrecht
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Leitgedanke jeglicher Auslegung muss es dabei sein, der konkreten Norm größtmög- 181 liche Wirksamkeit zu verschaffen („effet utile“).758 Stehen also mehrere Auslegungsalternativen zur Wahl, ist derjenigen der Vorzug zu geben, welche am besten geeignet ist, die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren.759 Relevanz für den Auslegungsvorgang erlangen dabei nicht nur die konkreten Vorschriften der Rom II-VO, sondern auch die dazugehörigen Erläuterungen, die sich an anderer Stelle der Verordnung befinden. Insbesondere die den eigentlichen Normen vorangestellten Erwägungsgründe (Art. 296 Abs. 2 AEUV) sind – auch wenn sie nach Ansicht des Gerichtshofes nicht rechtlich verbindlich sind760 – bei der Auslegung zu beachten, da sie oftmals Auskunft über allgemeine Erwägungen beim Erlass des Rechtsaktes oder der konkreten Einzelvorschrift sowie über die mit dem Rechtsakt verfolgten Ziele geben und angesichts des untrennbaren Zusammenhangs zwischen den Erwägungsgründen und den verfügenden konkreten Bestimmungen761 als Teil des Rechtsaktes anzusehen sind.762 Im Übrigen kommen die anerkannten Auslegungsgrundsätze der grammatikali- 182 schen, 763 systematischen (rechtsaktimmanent und rechtsaktübergreifend) 764 sowie der
_____ 320 – Nokia; Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 3.2.2011 – C-122/10 – Tz. 24 – Ving Sverige; siehe bereits EuGH 19.3.1964 – Rs. 75/63 – Slg. 1964, 379, 396 – Unger. 758 EuGH 9.3.2006 – C-174/05 – Slg. 2006, I-2443 Tz. 20 – Zuid-Hollandse Milieufederatie und Natuur en Milieu; bereits EuGH 15.7.1963 – 34/62 – Slg. 1962, 289, 318 – Kommission/Deutschland. Siehe auch Fezer/ Hausmann/Obergfell Einl. Rn. 157 sowie zum klassischen Auslegungskanon MünchKommBGB/Junker Vorb. zu Art. 1 Rom II-VO Rn. 30–34. 759 EuGH 9.3.2006 – C-174/05 – Slg. 2006, I-2443 Tz. 20 – Zuid-Hollandse Milieufederatie und Natuur en Milieu; so auch bereits EuGH 15.7.1963 – 34/62 – Slg. 1962, 289, 318 – Kommission/Deutschland. 760 Vor diesem Hintegrund können sie argumentativ nicht eingesetzt werden, um von den konkreten Regelungen des Rechtsaktes abzuweichen oder diese entgegen dem Wortlaut auszulegen, EuGH 19.11.1998 – C-162/97 – Slg. 1998, I-7477 Tz. 54 – Nilsson; EuGH 24.11.2005 – C-136/04 – Slg. 2005, I-10095 Tz. 32 – Deutsche Milchkontor. 761 Vgl. EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 300, 303 Tz. 55 – eDate Advertising: „In diesem Sinne ist der verfügende Teil eines Unionsrechtsakts untrennbar mit seiner Begründung verbunden und erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu seinem Erlass geführt haben“; zurückhaltender noch EuGH 13.7.1989 – 215/88 – Slg. 1989, 2789 Tz. 31 – Casa Fleischhandel. 762 Kein Bestandteil des auszulegenden Normtextes sind jedoch die erläuternden Berichte der europäischen Organe zur Auslegung der Bestimmungen. 763 Ausgangspunkt jeder autonom unionsrechtlichen Auslegung ist dabei der Wortlaut der konreten Bestimmung im Sinne „gewöhnlichen Sprachgebrauchs“, EuGH 10.3.2005 – C-336/03 – Slg. 2005, I-1947 Tz. 21 – easyCar, wobei keine isolierte Betrachtung nur einer Sprachfassung erfolgen darf, die Bestimmung vielmehr unter Berücksichtigung der anderen Sprachfassungen auszulegen ist, siehe EuGH 6.10.1982 – 283/81 – Slg. 1982, 3415 Tz. 18 – C.I.L.F.I.T.; EuGH 3.6.2010 – C-569/08 – Slg. 2010, I-4871 = GRUR 2010, 733 Tz. 33-35 – Schlicht; EuGH 9.6.2011 – C-52/10 – GRUR Int. 2011, 733 Tz. 23 – Alter Channel; EuGH 17.11.2011 – C-412/10 – NJW 2012, 441 Tz. 28 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA. Weichen die einzelnen Fassungen voneinander ab, so muss eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung erfolgen, EuGH 27.10.1977 – 30/77 – Slg. 1977, 1999 Tz. 13/14 – Bouchereau; EuGH 4.10.2007 – C-457/05 – Slg. 2007, I-8075 Tz. 18 – Diageo; EuGH 17.9.2009 – C-347/08 – Slg. 2009, I-8661 Tz. 26 – Voralberger Gebietskrankenkasse; EuGH 9.6.2011 – C-52/10 – GRUR Int. 2011, 733 Tz. 24 – Alter Channel. Siehe hierzu auch Weiler ZEuP 2010, 861. 764 Zu berücksichtigen ist primär die Stellung der Norm im Gesamtgefüge der Verordnung (rechtsaktimmanente Systematik), siehe etwa EuGH 28.7.2011 – C-195/09 – GRUR Int. 2011, 934 Tz. 39 ff. – Synthon sowie EuGH 2.9.2010 – C-66/09 – GRUR Int. 2010, 974 Tz. 42 – Kirin Amgen; daneben ist aber auch die Stellung der Bestimmung im Gefüge des Unionsrechts insgesamt zu beachten, weshalb im Grundsatz, insbesondere im Interesse der Einheit der Unionsrechtsordnung, eine einheitliche Auslegung zentraler Begrifflichkeiten zu erfolgen hat. Siehe hierzu beispielsweise Erwägungsgrund Nr. 7, der explizit festlegt, dass die Bestimmungen der Rom II-VO und die in ihnen enthaltenen Begrifflichkeiten sowohl mit der EuGVVO als auch mit den Instrumenten, die das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zum Gegenstand haben, in Einklang stehen sollen.
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Einleitung Teil D.
teleologischen Auslegung765 unter besonderer Beachtung des Grundsatzes der Effektivität766 zur Anwendung. Zudem kann im Einzelfall auch die Berücksichtigung entstehungsgeschichtlicher Argumente767 erforderlich werden. Mit Blick auf die Rom II-VO bedeutet dies nicht nur, dass schon die Qualifikation eines „zivil- und handelsrechtlichen außervertraglichen Schuldverhältnisses“ autonom unionsrechtlich vorzunehmen ist,768 vielmehr ist auch für die Begriffe der in Art. 6 Rom II-VO verankerten wettbewerbsrechtlichen Kollisionsnorm ein autonom unionsrechtlicher Auslegungsmaßstab anzulegen.769 In Erwägungsgrund 7 weist der Verordnungsgeber zudem explizit darauf hin, dass die Bestimmungen der Rom II-VO und die in ihnen enthaltenen Begrifflichkeiten sowohl mit der EuGVVO als auch mit den Instrumenten, die das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zum Gegenstand haben, in Einklang stehen sollen.770 Hierdurch soll der Einheit und Kohärenz des Unionsrechts Rechnung getragen werden. Die letztverbindliche Kompetenz zur Auslegung der Bestimmungen der Rom II183 VO liegt beim Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg (Art. 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 lit. b) EUV), der im Interesse der Sicherung einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts771 im Falle einer Vorlage eines nationalen Gerichts nach Art. 267 Abs. 2 AEUV772 Anwendungs- und Auslegungsfragen im Vorlageverfahren klären muss.773 Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Regelungsziele der Rom II-VO, insbesondere der Zweck, den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten vorhersehbarer zu machen und
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765 Besondere Relevanz im Auslegungsprozess kommt dabei den mit dem Rechtsakt verfolgten Zielen zu, Vgl. EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001, I-7945 = GRUR 2002, 354 Tz. 35 f. – Toshiba; EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 = GRUR 2007, 511 Tz. 61 – de Landtsheer; EuGH (Große Kammer) 18.10.2011 – C-34/10 – GRUR 2011, 1104 Tz. 31 f. – Brüstle. 766 EuGH 9.3.2006 – C-174/05 – Slg. 2006, I-2443 Tz. 20 – Zuid-Hollandse Milieufederatie und Natuur en Milieu; bereits EuGH 15.7.1963 – 34/62 – Slg. 1962, 289, 318 – Kommission/Deutschland. Siehe auch Fezer/ Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 157 sowie zum klassischen Auslegungskanon, MünchKommBGB/Junker Vorb. zu Art. 1 Rom II-VO Rn. 30–34. 767 Ergibt sich weder aus der teleologischen noch aus der Auslegung an Wortlaut und Systematik der Norm ein klares Ergebnis (die Gleichrangigkeit der entstehungsgeschichtlichen Auslegung zur systematischen, grammatikalischen und teleologischen Auslegung ist in der Rechtsprechung des EuGH unischer, vgl. EuGH (Große Kammer) 9.3.2010 – C-518/07 – Slg. 2010, I-1885 Tz. 29 – Kommission/ Deutschland: keine Berücksichtigung entstehungsgeschichtlicher Argumente, wenn aufgrund von Wortlaut, Zielen und Systematik „klare Auslegung“ möglich ist; für eine gleichrangige Beachtung jedoch Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009) 1, 1), kann auch die Entstehungsgeschichte der Norm wertvolle Hinweise für die Auslegung einer konreten Bestimmung des Unionsrechts geben. 768 Erwägungsgrund 11. 769 Erwägungsgrund 13; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 157; Handig GRUR Int. 2008, 24, 25. 770 Erwägungsgrund Nr. 7; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 157; Schulze/Heinrich/Dörner Vorb. zu Art. 1 Rom II-VO Rn. 2. 771 Zur Wahrung der einheitlichen Auslegung und Wirkung des Unionsrechts als Funktion des Vorabentscheidungsverfahrens EuGH 6.4.1962 – 13/61 – Slg. 1962, 97, 111 – De Geus; EuGH 24.5.1977 – 107/76 – Slg. 1977, 957 Tz. 5 – Hoffmann-La Roche; EuGH (Plenum) 8.3.2011 – Gutachten 1/09 – GRUR Int. 2011, 309 Tz. 83 – Einheitliches Patentgerichtssystem. 772 Art. 267 Abs. 2 AEUV eröffnet jedem mitgliedstaatlichen Gericht die Möglichkeit, Fragen hinsichtlich der Auslegung der Verträge (Art. 267 Abs. 1 lit. a AEUV) und des europäischen Sekundärrechts („Handlungen der Organe“, Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV) einschließlich der von der Union geschlossenen internationalen Übereinkommen (siehe hierzu EuGH [Große Kammer] 4.5.2010 – C-533/08 – Slg. 2010, I-4107 Tz. 60 – TNT Express) dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, sofern es deren Beantwortung als entscheidungserheblich ansieht. Zur Frage, ob es sich bei der vorliegenden Einrichtung um ein Gericht i.S.v. Art. 267 AEUV handelt, siehe EuGH (Große Kammer) 16.12.2008 – C-210/06 – Slg. 2008, I-9641 Tz. 55 ff. – Cartesio. Allgemein zum Vorabentscheidungsverfahren siehe Piekenbrock EuR 2011, 317. 773 MünchKommBGB/DrexlIntUnlWettbR Rn. 103.
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Internationales Wettbewerbsrecht
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Rechtssicherheit hinsichtlich des anzuwendenden Rechts zu garantieren, erreicht werden.774 gg) Struktur der Kollisionsnorm (1) Regelanknüpfung. Die Rom II-VO hält in Art. 6 Rom II-VO eine spezielle Kol- 184 lisionsnorm für die Anknüpfung von Ansprüchen wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens bereit. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Sonderregel, welche eine Abweichung von der Erfolgsortanknüpfung des Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO etabliert. Vielmehr stellt Art. 6 Rom II-VO eine „Präzisierung“ derselben dar.775 Im Bereich des Wettbewerbsrechts soll die Kollisionsnorm nach dem Willen des Ver- 185 ordnungsgebers die Wettbewerber, die Verbraucher und die Öffentlichkeit schützen und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft sicherstellen, was im Allgemeinen durch eine Anknüpfung an das Recht des Staates, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt zu werden drohen, erreicht werden könne.776 Ausgehend von der Regelanknüpfung des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO gilt mithin für Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs das auch bisher in Deutschland777 und in vielen anderen europäischen Rechtsordnungen zur Anwendung berufene Marktortprinzip,778 ein Prinzip, das dem Schutzzweck des Wettbewerbsrechts in ausreichendem Maße Rechnung trägt.779 Anwendbar ist folglich das Recht des Staates, auf dessen Markt die Wettbewerbsmaßnahme einwirkt und die wettbewerblichen Interessen kollidieren.780 (2) Ausnahmen von der Regelanknüpfung. In Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO findet sich 186 eine Sonderregelung für bilaterales Wettbewerbsverhalten, wonach die allgemeine deliktische Anknüpfungsregel des Art. 4 Rom II-VO Anwendung findet, wenn ausschließlich die Interessen eines Wettbewerbers betroffen sind. Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO knüpft – anders als Art. 40 Abs. 1 EGBGB – am Recht des Staates an, in dem der Schaden eintritt (Erfolgsort).781 Zudem sieht Art. 4 Rom II-VO
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774 Erwägungsgrund 6; so auch MünchKommBGB/Junker Vorb. zu Art. 1 Rom II-VO Rn. 28, vgl. auch EuGH (Große Kammer) 8.11.2005 – C-443/03 – Slg. I 2005, 9637 = NJW 2006, 491 Tz. 45. 775 Erwägungsgrund 21. Im Vorfeld war lange umstritten, ob es überhaupt einer wettbewerbsrechtlichen Sonderregel bedarf oder ob nicht die allgemeine Anknüpfungsregel des Art. 4 Rom II-VO genügt. Siehe hierzu Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729 sowie zur Entwicklung Rn. 161 ff. 776 Erwägungsgrund 21. Zum maßgeblichen Marktortprinzip vgl. ausführlich Rn. 211 ff. 777 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 181 weisen darauf hin, dass die bisherige Spruchpraxis in Deutschland und Österreich bei der Bestimmung des Marktortes zumindest eine Indizwirkung entfalten kann, jedenfalls sofern die Argumentationslinien nicht rechtsnormgebunden verlaufen. 778 Die Hamburg Group for Private International Law hatte im Jahre 2002 in Folge des Vorentwurfs hingegen das Herkunftslandprinzip als Anknüpfungsregel für das Wettbewerbsrecht vorgeschlagen, siehe hierzu Hamburg Group for Private International Law RabelsZ 67 (2003) 1, 18 ff. (ähnlich zuvor auch schon Dethloff JZ 2000, 179 ff.). Mit Blick darauf, dass die Anknüpfungsregeln der Rom II-VO universelle Geltung haben, der europäische Gesetzgeber jedoch keinerlei Einfluss auf den Schutzstandard in Drittstaaten hat, ist die Etablierung des Marktortprinzips die angemessenere Lösung. Eine Entscheidung für das Herkunftslandprinzip hätte zudem, wie auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 101 zu Recht betont, zu einer Bevorzugung der Anbieterinteressen geführt und den Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit am Markt (par conditio concurrentium) gestört. 779 G. Wagner IPRax 2008, 1, 8; v. Hein ZVglRWiss 102 (2003), 528, 554; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729. 780 Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729. Ausführlich hierzu Rn. 213 ff. 781 Art. 4 der Rom II-VO hat sich mithin gegen das in Deutschland vorherrschende Ubiquitätsprinzip entschieden. Der Handlungsort eines Delikts ist allerdings auch unter der Geltung der Rom II-VO nicht
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Einleitung Teil D.
auch keine Wahlmöglichkeit des Geschädigten vor.782 Zu beachten ist zudem, dass die Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO an das Erfolgsortrecht unter drei Vorbehalten steht: Haben der Schädiger und der Geschädigte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat (Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO), so unterliegt die unerlaubte Handlung dem Recht dieses Staates. Weist der Sachverhalt eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat auf (Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO), so finden weder die Anknüpfung nach Abs. 1 noch nach Abs. 2 Anwendung. Haben die Parteien eine gültige Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO getroffen, ist diese gegenüber allen drei objektiven Anknüpfungen vorrangig. Anders als noch in den Vorentwürfen783 beschränkt sich die Regelung des Art. 6 Rom 187 II-VO zudem nicht auf das Lauterkeitsrecht, sondern bezieht das Recht der Wettbewerbsbeschränkungen ebenfalls mit ein.784 Art. 6 Abs. 3 lit. a) Rom II-VO bestimmt insofern als Grundregel, dass auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem den Wettbewerb einschränkenden Verhalten das Recht des Staates anzuwenden ist, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird. In Art. 6 Abs. 3 lit. b) Rom II-VO findet sich zudem eine Sonderregelung für die Fälle des sog. MultistateWettbewerbs, in denen durch ein und dasselbe Verhalten der Markt in mehr als einem Staat beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird. Liegt ein solcher Fall vor, kann der Geschädigte, der vor einem Gericht im Mitgliedstaat des Wohnsitzes des Beklagten klagt, seinen Anspruch auf das Recht des angerufenen Gerichtsstaates (lex fori) stützen, sofern der Markt in diesem Staat zu denjenigen Märkten gehört, die unmittelbar und wesentlich durch das den Wettbewerb einschränkende Verhalten beeinträchtigt werden. Gleiches gilt, wenn der Kläger seine gegen mehrere Verletzer erhobene Klage auf der Grundlage von Art. 6 Nr. 1 EuGVVO im Heimatstaat eines Verletzers erhoben hat, zumindest sofern das den Wettbewerb einschränkende Verhalten auch den Markt im Mitgliedstaat dieses Gerichts unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt. Als Alternative bleibt dem Kläger zudem die Möglichkeit, in den Staaten der verschiedenen Märkte, auf die sich das wettbewerbsbeschränkende Verhalten auswirkt, zu klagen.785 188 Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO stellt schließlich fest, dass das nach Art. 6 anzuwendende Recht nicht zur Disposition der Parteien steht (Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO).786 Vom Marktortrecht kann mithin bei deliktischen Ansprüchen, die auf einem unlauteren Wettbewerbsverhalten beruhen, nicht durch Rechtswahl abgewichen werden. Dies ist angesichts des Schutzzwecks dieses Rechtsgebiets auch einleuchtend, denn in Fällen des unlauteren Wettbewerbs stehen nicht nur die Interessen einzelner Individuen im Raum, sondern auch die Interessen Dritter sowie der Allgemeinheit. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die systematische Stellung ist jedoch frag189 lich, ob Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO ebenfalls einen Ausschluss der Rechtswahl für Fälle rein betriebs- oder individualrechtsbezogener Wettbewerbsverstöße anordnet. Betrachtet
_____ vollkommen unerheblich: Zum einen besteht die Möglichkeit, über Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO das Recht des Handlungsortes zu berufen. Zum anderen findet sich in Art. 17 Rom II-VO eine Regelung, dass Sicherheitsund Verhaltensvorschriften am Handlungsort als sog. local data zu berücksichtigen sind. Nicht zuletzt ist der Handlungsort auch bei Sonderdelikten relevant. Siehe hierzu ausführlich v. Hein ZEuP 2009, 6, 16. 782 Siehe hierzu Wendehorst in Langenbucher/Engert S. 384 Rn. 18; v. Hein ZEuP 2009, 6, 16, 18. 783 So beispielsweise Art. 5 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 22.7.2003, KOM(2003) 427 endg., S. 16 ff. 784 G. Wagner IRPax 2008, 1, 7; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729. Zur Frage, ob die strukturelle Nähe zwischen dem Lauterkeitsrecht und dem Wettbewerbsrecht eine Übertragung des Auswirkungsprinzips auf das Lauterkeitskollisionsrecht erfordert, siehe ausführlich Rn. 39 ff., 214 ff. 785 Ausführlich hierzu G. Wagner IPRax 2008, 1, 8 und Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729. 786 G. Wagner IPRax 2008, 1, 8.
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man allein den Wortlaut der Norm, so schließt dieser nur eine Abweichung durch Rechtswahl von dem „nach diesem Artikel anzuwendenden Recht“ aus. Das Recht für rein bilaterale Wettbewerbsverstöße bestimmt sich jedoch gemäß Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO nach Art. 4 Rom II-VO, welcher eine Rechtswahl zulässt.787 Dies könnte für eine Zulässigkeit sprechen.788 Allerdings sprechen die besseren (systematischen und teleologischen) Gründe gegen eine Zulässigkeit der Rechtswahl auch im Bereich des Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO, da auch eine bilaterale (betriebsbezogene) Wettbewerbshandlung oftmals das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Leistungswettbewerb betrifft.789 6. Autonomes Kollisionsrecht. Der Anwendungsbereich des autonomen Kollisi- 190 onsrechts hat sich mit Inkrafttreten der Rom II-VO erheblich reduziert, denn Art. 6 Rom II-VO verdrängt als unmittelbar geltendes Recht (Art. 288 Abs. 2 AEUV) in seinem Anwendungsbereich790 das nationale Wettbewerbskollisionsrecht.791 Da es sich bei den Regelungen der Rom II-VO um so genanntes loi uniforme handelt, die Kollisionsregeln mithin auch im Verhältnis zu Drittstaaten Geltung beanspruchen,792 beschränkt sich der Anwendungsbereich des autonomen deutschen Rechts auf Altfälle, in denen die Rom II-VO intertemporal nicht anwendbar ist, und damit auf Sachverhalte vor dem 11.9.2009.793 Aus diesem Grund sollen an dieser Stelle nur die wesentlichen Grundzüge der Rechtslage dargestellt werden.794 a) Die Marktortanknüpfung als Abweichung vom internationaldeliktsrechtli- 191 chen Ubiquitätsprinzip. Die Regelungen des außervertraglichen Kollisionsrechts finden sich im deutschen Recht in Art. 39 ff. EGBGB. Dieses hält allerdings keine explizite Kollisionsregel für die Anknüpfung wettbewerbsrechtlicher Sachverhalte bereit. Zwar gab es in der Vergangenheit verschiedene Bemühungen, eine eigenständige Kollisionsnorm für den Bereich des Immaterialgüterrechts sowie des Wettbewerbsrechts zu kodifi-
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787 Leible RIW 2008, 257, 258; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 731. 788 Siehe in diesem Kontext auch G. Wagner IPRax 2008, 1, 8, der für eine teleologische Reduktion von Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO plädiert; wegen der auf dem Spiel stehenden Interessen Dritter als fragwürdig dargestellt v. Hein ZVglRWiss 102 (2003), 528, 556. 789 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 671. Siehe hierzu auch Rn. 229, 264. 790 Zum territorialen, zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Rom II-VO siehe Rn. 165 ff. 791 Es handelt sich hierbei um einen Anwendungsvorrang, der umfassend gilt, siehe hierzu EuGH 9.3.1978 – C-106/77 – Slg. 1978, 629 Tz. 16 – Simmenthal, in welcher der Gerichtshof feststellt, dass „jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar“ ist. 792 S. die universelle Anwendung der Rom II-VO in Art. 3 Rom II-VO; vgl. auch MünchKommBGB/Junker Vorb. Art. 38 EGBGB Rn. 14; ders. JZ 2008, 169, 170; v. Hein ZEuP 2009, 6, 15; ders. VersR 2007, 440, 443; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 9; Leible/Lehmann RIW 2007 721, 724; G. Wagner IPRax 2008, 1, 4; ders. IPrax 2006, 372, 389 f. 793 Zur Frage des maßgeblichen Geltungszeitpunktes siehe Rn. 169 f. Nach Ansicht des EuGH 17.11.2011 − C-412/10 – NJW 2012, 441 f. Tz. 37 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA findet die Rom II-VO nur auf schadensbegründende Ereignisse Anwendung, die ab dem 11.9.2009 eingetreten sind. Diese Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung wurde auch schon zuvor von der überwiegenden Meinung in der Literatur (siehe hierzu statt vieler Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 154; v. Hein ZEuP 2009, 6, 10 f.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 37) vertreten. Entscheidend für die Frage, welches Recht anwendbar ist, ist dabei wann sich das maßgebliche Geschehen abgespielt hat, nicht jedoch wann das Verfahren mit dem Schadensersatz eingeklagt wird, eingeleitet wurde oder wann die Bestimmung des anwendbaren Rechts durch das Gericht erfolgte. 794 Ausführlich zum autonomen deutschen Wettbewerbskollisionsrecht Rn. 190 ff.; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 61 ff.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 621 ff.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 236 ff.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 82 ff.
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zieren. Diese waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt.795 Vielmehr sah man auch bei der IPR Reform im Jahre 1999,796 im Rahmen derer Kollisionsregeln für außervertragliche Schuldverhältnisse normiert wurden, von der Kodifizierung einer eigenständigen Norm für das Internationale Wettbewerbsrecht ab.797 Der Gesetzgeber ging mit Blick auf das Wettbewerbskollisionsrecht vielmehr vom Fortbestehen der richterrechtlich entwickelten Marktortanknüpfung aus,798 die trotz erheblicher Bedenken799 traditionell sowohl von der überwiegenden Ansicht im Schrifttum800 als auch von der Rechtsprechung801 im internationalen Deliktsrecht verortet wird. Mit Blick auf das EGBGB ist daher aus wettbewerbsrechtlicher Sicht im Ausgangs192 punkt das allgemeine Deliktsstatut, das nunmehr in Art. 40 EGBGB kodifiziert ist802 und dem als Anknüpfungsprinzip die Tatortregel zu Grunde liegt,803 maßgeblich.804 Gemäß Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist grundsätzlich das Recht des Handlungsortes anwendbar. Zudem hat der Verletzte nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB die Möglichkeit, statt des Handlungsortrechts die Anwendung des Rechts des Erfolgsortes zu verlangen. Besteht jedoch zum Recht eines anderen Staates eine „wesentlich engere Verbindung“, so findet nach der in Art. 41 Abs. 1 EGBGB verankerten Ausweichklausel das Recht dieses Staates Anwendung. Nach Art. 42 S. 1 EGBGB ist zudem die nachträgliche Rechtswahl zulässig. 193 Die unveränderte und unmittelbare Anwendung des in Art. 40 EGBGB verankerten Ubiquitätprinzips im Rahmen des Wettbewerbskollisionsrechts war und ist jedoch insbesondere mit Blick auf das wettbewerbsrechtliche Prinzip der Chancengleichheit aller Wettbewerber auf dem Markt (par conditio concurrentium) nicht unproblematisch. Es besteht daher Einigkeit darüber, dass im Rahmen der kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Wettbewerbshandlungen keine Unterscheidung nach Handlungs- und Er-
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795 Vgl. beispielsweise den vom Bundesjustizministerium im Jahr 1984 vorgelegten Vorschlag für einen neuen Art. 40 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB-E, der bei Ansprüchen aus unlauterem Wettbewerbsverhalten die Anwendbarkeit des Rechts des Staates vorsah, „auf dessen Markt die Wettbewerbsmaßnahme einwirkt, es sei denn, dass allein oder überwiegend die Geschäftsinteressen eines bestimmten Mitbewerbers betroffen sind“. Siehe hierzu auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 61 sowie Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 301. 796 Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21.5.1999, BGBl I S. 1026. 797 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.4. 798 Vgl. hierzu die Begründung RegE BTDrucks. 14/343, S. 10. 799 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 36 ff.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 10. Vgl. hierzu auch Rn. 27, 191 ff. 800 Ahrens FS Tillmann 739, 747; Köhler/Bornkamm Einl. Rn 5.4; Lindacher WRP 1996, 645, 647 ff.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 9 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 14. 801 So der BGH in den Leitentscheidungen BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck; BGH 20.12.1963 – Ib ZR 104/62 – BGHZ 40, 391, 394 = GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport m. Anm. Hoepffner. Seitdem ständige Rechtsprechung, BGH 23.10.1970 – I ZR 86/69 – GRUR 1971, 153, 154 – Tampax m. Anm. Droste; BGH 13.5.1977 – I ZR 115/75 – GRUR 1977, 672, 673 – Weltweit-Club; BGH 11.3.1982 – I ZR 39/78 – GRUR 1982, 495, 497 – Domgarten-Brand; BGH 4.6.1987 – I ZR 109/85 – GRUR 1988, 453, 454 – Champagner unter den Mineralwässern; BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 14 = GRUR 1991, 463, 464 – Kauf im Ausland; BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland; BGH 14.5.1998 – I ZR 10/96 – GRUR 1998, 945, 946 – CoVerlagsvereinbarung; BGH 13.5.2004 – I ZR 264/00 – GRUR 2004, 1035, 1036 – Rotpreis-Revolution; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 Tz. 25 – Arzneimittelwerbung im Internet; BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 10 – Ausschreibung in Bulgarien. 802 Hierbei wurde das bereits im Richterrecht geltende Tatortprinzip, das die Maßgeblichkeit der lex loci delicti commissi vorsah (vgl. hierzu BGHZ 87, 95, 97 ff.), in Gesetzesform gegossen. 803 Arndt/Köhler EWS 2001, 102, 105. 804 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.4.
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folgsort erfolgen darf, denn andernfalls würde ein Unternehmen, das vom Inland aus auf dem ausländischen Markt tätig wird, gegenüber seinen Konkurrenten auf dem Auslandsmarkt dadurch einen Wettbewerbsnachteil erleiden, dass für dieses Unternehmen zwei Rechtsordnungen maßgeblich wären. 805 Ebenso besteht Einigkeit dahingehend, dass aus Gründen der Rechtssicherheit eine (nachträgliche) Rechtswahl im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts nicht zulässig ist, Art. 42 EGBGB mithin keine Anwendung findet.806 Und auch die für das allgemeine Deliktsrecht in Art. 40 Abs. 2 EGBGB verankerte Sonderanknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht von Verletzer und Verletztem kann im Bereich des Wettbewerbsrechts keine Geltung beanspruchen.807 Diesen Besonderheiten des internationalen Wettbewerbsrechts hat auch der BGH im Rahmen seiner Rechtsprechung stets Beachtung geschenkt. Zwar nahm er die deliktsrechtliche Tatortregel grundsätzlich zum Ausgangspunkt seiner Bewertung,808 im Rahmen der Bestimmung des maßgeblichen Begehungsortes trug er jedoch den wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten umfassend Rechnung.809 Festgehalten werden kann daher, dass die wettbewerbsspezifischen Besonderheiten 194 im deutschen Wettbewerbskollisionsrecht bei der Konkretisierung der maßgeblichen Tatortregel ausreichend zum Tragen kamen. Grundsätzlich wird ebenso wie auf europäischer Ebene zwischen marktbezogenen und betriebsbezogenen Wettbewerbshandlungen unterschieden, wobei als maßgeblicher Begehungsort bei marktbezogenen Wettbewerbshandlungen grundsätzlich der Ort anzusehen ist, wo auf die Marktgegenseite eingewirkt wird und die wettbewerblichen Interessen kollidieren.810 Dieser Ort ist Handlungs- und Erfolgsort zugleich.811 Insofern findet eine (korrigierende) Auslegung des Art. 40 Abs. 1 EGBGB statt.812 Vereinzelt wird zwar auch versucht,813 die Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB zu Hilfe zu nehmen, um die Marktortanknüpfung zu begründen – und auch in den Gesetzesmaterialien zur IPR-Novelle von 1999 zeigte sich eine Tendenz, die Marktortanknüpfung als Abweichung vom internationaldeliktsrechtlichen Ubiquitätsprinzip unter Anwendung der Ausweichklausel nach Art. 41 EGBGB zu begründen.814 Dies ist jedoch nicht unproblematisch, denn Ausweichklauseln wie jene des
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805 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 63. 806 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.19; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 629; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 13. 807 BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 11 – Ausschreibung in Bulgarien; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 64; Rauscher/Pabst NJW 2012, 3490, 3496. 808 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 176; Binder RabelsZ 1955, 401, 412 f. 809 BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck; BGH 20.12.1963 – Ib ZR 104/62 – BGHZ 40, 391, 395 = GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport m. Anm. Hoepffner; BGH 23.10.1970 – I ZR 86/69 – GRUR 1971, 153, 154 – Tampax m. Anm. Droste; BGH 13.5.1977 – I ZR 115/75 – GRUR 1977, 672, 673 – Weltweit-Club; BGH 11.3.1982 – I ZR 39/78 – GRUR 1982, 495, 497 – Domgarten-Brand; BGH 4.6.1987 – I ZR 109/85 – GRUR 1988, 453, 454 – Champagner unter den Mineralwässern; BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 14 f. = GRUR 1991, 463, 464 – Kauf im Ausland; BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland; BGH 14.5.1998 – I ZR 10/96 – GRUR 1998, 945, 946 – Co-Verlagsvereinbarung; BGH 13.5.2004 – I ZR 264/00 – GRUR 2004, 1035, 1036 – Rotpreis-Revolution; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 Tz. 25 – Arzneimittelwerbung im Internet; BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 10 – Ausschreibung in Bulgarien. 810 Sack WRP 2000, 296, 272. 811 Sack WRP 2000, 296, 272; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 910; ähnlich auch Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 64. 812 Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 910. 813 Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 301, 326. 814 BTDrucks. 14/343, S. 10. Jedenfalls wurde unter Verweis auf Art. 41 EGBGB die Etablierung einer sonderkollisionsrechtlichen Regelung für das Wettbewerbsrecht für entbehrlich gehalten.
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Art. 41 EGBGB sollen in der Regel konkrete, nicht aber ganz grundsätzliche Unzulänglichkeiten in der Regelanknüpfung korrigieren.815 b) Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung zum Wettbewerbskollisionsrecht. Wie schon erwähnt, ging die Rechtsprechung zum Wettbewerbskollisionsrecht zwar grundsätzlich von einer deliktskollisionsrechtlichen Verankerung aus, trug jedoch von Beginn an den Eigenheiten des Wettbewerbsrechts Rechnung. Während das Reichsgericht anfangs noch zur Anwendung der lex fori tendierte und deutsches Wettbewerbsrecht grundsätzlich zur Anwendung brachte, wenn ein Wettbewerbsverstoß einen Inländer auf einem Auslandsmarkt verletzte816 und auch der BGH zunächst die Linie des Reichsgerichts fortsetzte817 und deutsches Wettbewerbsrecht selbst dann auf den Auslandswettbewerb unter Gewerbetreibenden mit Sitz im Inland zur Anwendung brachte, wenn der Handlungsort auch nur teilweise im Inland lag,818 löste sich die jüngere Rechtsprechung im Laufe der Jahre jedoch von diesem Heimwärtsstreben und wandte zunehmend auch ausländisches Recht an.819 Einen grundlegenden Wandel brachte schließlich die „Kindersaugflaschen“-Ent196 scheidung des BGH aus dem Jahr 1961,820 in welcher der BGH den Tatort im Sinne einer wettbewerbsspezifischen Anknüpfung an jedem Ort lokalisierte, an dem die wettbewerblichen Interessen miteinander kollidieren. Ein unlauterer Wettbewerbsverstoß kann nach dieser Rechtsprechungslinie demnach nur dort begangen werden, wo wettbewerbliche Interessen der Mitbewerber aufeinanderstoßen.821 Dies ist nach Auffassung des BGH zugleich auch der Ort, an dem die Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb betroffen sind.822 Marktort im Falle einer unlauteren Werbemaßnahme oder einer sonstigen Maßnahme, die der Kundengewinnung dient, ist mithin das Recht des Landes, auf dessen Markt durch die konkrete Aktion auf die Entschließung der Kunden eingewirkt werden soll.823 Hierdurch sollen kollisionsrechtlich bedingte Verzerrungen des Wettbewerbs ausgeschlossen und letztlich einheitliche Bedingungen für die auf dem Markt miteinander konkurrierenden Teilnehmer sichergestellt werden.824 Die in der „Kindersaugflaschen“-Entscheidung825 geprägte Recht195
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815 Mankowski GRUR Int 1999, 909, 910. Kritisch auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 630. 816 RGZ 55, 199, 200. 817 BGH 13.7.1954 – I ZR 14/53 – BGHZ 14, 286 ff. = GRUR 1955, 150 f.; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 302; Binder RabelsZ 1955, 401, 413. 818 Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 302 m.w.N. Die Frage, ob gemäß der für das Deliktskollisionsrecht maßgeblichen Ubiquitätregel auch ausländisches Recht als Recht des Handlungsortes, hätte anwendbar sein können, thematisierte der BGH nicht. 819 BGH 24.7.1957 – I ZR 21/56 – GRUR 1958, 189, 197 – Zeiß; BGH 18.12.1959 – I ZR 62/58 – GRUR 1960, 372, 377 – Kodak. 820 BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329 ff. = GRUR 1962, 243 ff. – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck. In diesem Fall hat ein US-amerikanischer Hersteller von Kindersaugflaschen gegen einen deutschen Nachahmer geklagt, welcher die Flaschen zwar im Inland herstellte, sie jedoch ausschließlich im Ausland auf den Markt brachte. 821 BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 f. = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck. 822 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 621. 823 BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 15 – GRUR 1991, 463, 464 – Kauf im Ausland; BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland; BGH 13.5.2004 – I ZR 264/00 – GRUR 2004, 1035, 1036 – Rotpreis-Revolution. 824 Ahrens FS Tilmann, S. 739, 748. 825 BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329 ff. = GRUR 1962, 243 ff. – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck.
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sprechungslinie wurde vom BGH in weiteren Entscheidungen, insbesondere auch in der Entscheidung „Stahlexport“826 fortgeführt und kann mittlerweile als ständige Rechtsprechung angesehen werden.827 Festzuhalten ist damit, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine Modifizierung 197 des Deliktsstatuts vorzunehmen ist. Diese hat zur Folge, dass der Begehungsort wettbewerbsspezifisch bestimmt wird, und im Ergebnis das Recht des Ortes anwendbar ist, an dem die wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber aufeinanderstoßen.828 Ohne Relevanz sind hingegen inländische Vorbereitungshandlungen für eine auf dem Auslandsmarkt geplante Wettbewerbshandlung,829 die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort der potentiellen Kunden830 sowie der Ort des Schadenseinstritts.831 Auch die Tatsache, dass die Wettbewerber ihren Sitz im Inland haben, führt nicht zur Anwendung des deutschen UWG. In der Entscheidung „Ausschreibung in Bulgarien“ stellte der BGH832 diesbezüglich ausdrücklich klar, dass auch im Falle des Inländerwettbewerbs im Ausland die Anwendung des Marktortprinzips angemessen erscheint.833 In-
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826 BGH 20.12.1963 – Ib ZR 104/62 – BGHZ 40, 391 ff. = GRUR 1964, 316 ff. – Stahlexport m. Anm. Hoepffner. In dieser Entscheidung, in der der BGH ein Distanzdelikt, bei dem Handlungs- und Erfolgsort auseinander fielen, zu bewerten hatte, bestätigte er unter Beachtung der in der KindersaugflaschenEntscheidung geprägten Grundsätze die Maßgeblichkeit des Rechts des Ortes, an dem die wettbewerblichen Interessen aufeinanderstoßen. Insofern nahm das Gericht auch in dieser Entscheidung eine wertende, den spezifischen Interessen des Wettbewerbsrechts Rechnung tragende Bestimmung des Begehungsortes vor. Siehe hierzu auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 190. 827 Noch heute basiert die Rechtsprechung zum internationalen Wettbewerbsrechts auf den Entscheidungen Kindersaugflaschen und Stahlexport (BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 f. = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck; BGH 20.12.1963 – Ib ZR 104/62 – BGHZ 40, 391, 395 f. = GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport m. Anm. Hoepffner); Sack GRUR Int. 1988, 320, 322. Vgl. im Übrigen: BGH 23.10.1970 – I ZR 86/69 – GRUR 1971, 153, 154 – Tampax m. Anm. Droste; BGH 13.5.1977 – I ZR 115/75 – GRUR 1977, 672, 673 – Weltweit-Club; BGH 11.3.1982 – I ZR 39/78 – GRUR 1982, 495, 497 – Domgarten-Brand; BGH 4.6.1987 – I ZR 109/85 – GRUR 1988, 453, 454 – Champagner unter den Mineralwässern; BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 14 f. = GRUR 1991, 463, 464 – Kauf im Ausland; BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland; BGH 14.5.1998 – I ZR 10/96 – GRUR 1998, 945, 946 – Co-Verlagsvereinbarung; BGH 13.5.2004 – I ZR 264/00 – GRUR 2004, 1035, 1036 – Rotpreis-Revolution; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 Tz. 25 – Arzneimittelwerbung im Internet; BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 10 ff. – Ausschreibung in Bulgarien. 828 Mankowski GRUR Int. 1999, 909; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 621; BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 f. = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck; BGH 20.12.1963 – Ib ZR 104/62 – BGHZ 40, 391, 395 f. = GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport m. Anm. Hoepffner; BGH 23.10.1970 – I ZR 86/69 – GRUR 1971, 153, 154 – Tampax m. Anm. Droste; BGH 13.5.1977 – I ZR 115/75 – GRUR 1977, 672, 673 – Weltweit-Club; BGH 11.3.1982 – I ZR 39/78 – GRUR 1982, 495, 497 – Domgarten-Brand; BGH 4.6.1987 – I ZR 109/85 – GRUR 1988, 453, 454 – Champagner unter den Mineralwässern; BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 14 f. = GRUR 1991, 463, 464 – Kauf im Ausland; BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland; BGH 14.5.1998 – I ZR 10/96 – GRUR 1998, 945, 946 – Co-Verlagsvereinbarung; BGH 13.5.2004 – I ZR 264/00 – GRUR 2004, 1035, 1036 – Rotpreis-Revolution; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 Tz. 25 – Arzneimittelwerbung im Internet; BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 10 – Ausschreibung in Bulgarien. 829 Siehe beispielsweise BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland sowie BGH 20.12.1963 – I ZR 104/62 – BGHZ 40, 391, 395 f. = GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport m. Anm. Hoepffner. 830 BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland. 831 BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420 – Gewinnspiel im Ausland. 832 BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 13 – Ausschreibung in Bulgarien. Siehe hierzu auch ausführlich Glöckner WRP 2011, 137 ff. 833 Insofern nahm der BGH ausdrücklich von seiner Rechtsprechung in der Entscheidung BGH 20.12.1963 – I ZR 104/62 – BGHZ 40, 391, 397 ff. = GRUR 1964, 316, 318 f. – Stahlexport Abstand.
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Einleitung Teil D.
sofern stellt er einen Gleichlauf mit der ab dem 11.1.2009 geltenden Anknüpfung nach Art. 6 Abs. 1 der Rom II-VO her. Diese wettbewerbsspezifische Anknüpfung trägt den Besonderheiten, die unlauteren Wettbewerbshandlungen im Vergleich zu anderen unerlaubten Handlungen anhaften, ausreichend Rechnung und wurde daher auch in der Literatur überwiegend gebilligt.834 198 Jenseits der die Anknüpfung an den Marktort etablierenden Interessenkollisionslösung, die wie gezeigt seit der Kodifizierung des Deliktskollisionsrechts überwiegend auf Art. 40 Abs. 1 bzw. Art. 41 Abs. 1 EGBGB gestützt wird, gibt es jedoch auch Ansätze in der Literatur, die eine Anwendung des kartellrechtlichen Auswirkungsprinzips favorisieren835 oder für eine Anknüpfung an das Recht des Schutzlandes plädieren.836 III. Die Bestimmung des Wettbewerbsstatuts nach der Rom II-VO 1. Kollisionsrechtsvereinheitlichung innerhalb der Europäischen Union. Der europäische Gesetzgeber war in der Vergangenheit sehr zurückhaltend mit dem Erlass von Gemeinschaftsrechtsakten auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts. Ein wesentlicher Grund hierfür kann sicherlich in der lange Zeit fehlenden ausdrücklichen Gemeinschaftskompetenz gesehen werden837 – ein Manko, das jedoch durch den Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1997 (in Kraft getreten am 1.5.1999) beseitigt wurde. Dieser forderte den europäischen Gesetzgeber mit Art. 61 lit. c) EG (a.F.) zum schrittweisen Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts auf und führte zu einer Vergemeinschaftung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen.838 In der Folge wechselte das Internationale Privatrecht aus der dritten Säule (Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres) in die erste Säule der Europäischen Union (Art. 65 EGV a.F.). Nach Art. 65 EGV schließen die Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammen200 arbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes notwendig sind, die Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten ein. Der Vertrag von Amsterdam war folglich mit einer erheblichen Erweiterung der Gesetzgebungszuständigkeiten auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts verbunden.839 Seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages sind eine Reihe von Rechtsakten ergan201 gen.840 Die hier maßgebliche Rom II-VO vom 11.7.2007 ist bisheriger Schlusspunkt langjäh199
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834 Siehe statt vieler: Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 194; MünchKommBGB/Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 234, 240. 835 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 403, die das kartellrechtliche Auswirkungsprinzip auch in dogmatischer Hinsicht auf das Wettbewerbskollisionsrecht übertragen wollen. Des weiteren: Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 112; Koos WRP 2006, 499, 504 ff. Zur Abgrenzung des Marktortprinzips vom Auswirkungsprinzip siehe auch Rn. 39 ff., 214 ff. 836 Sandrock GRUR Int. 1985, 507, 518; Siehe hierzu auch ausf. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 214. Zur Abgrenzung des Marktortprinzips vom Schutzlandprinzip siehe auch Rn. 33 ff., insb. 36. 837 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 52, die ebenfalls auf die Schwerfälligkeit des völkerrechtlichen Übereinkommens als Regelungsinstrument verweisen. 838 R. Wagner NJW 2003, 2344, 2344. 839 Staudinger/v. Hoffmann Art. 38–42 EGBGB Rn. 14. 840 MünchKommBGB/Junker Vorb. zu Art. 1 Rom II-VO Rn. 1; R. Wagner NJW 2003, 2344, 2345 nennt die bis 1999 ergangenen Rechtsakte.
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Internationales Wettbewerbsrecht
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riger Bemühungen,841 den Bereich des internationalen außervertraglichen Schuldrechts innerhalb der Europäischen Gemeinschaften zu vereinheitlichen.842 Die Rom II-VO hat aber nicht nur eine lange Gesetzgebungsgeschichte – ihr wird insofern auch „historische“ Bedeutung beigemessen, als es sich um „die erste Neuschöpfung des europäischen Kollisionsrechts“ handelt.843 2. Qualifikation: Autonome Auslegung des Normtextes. Wie schon oben darge- 202 stellt,844 muss die Auslegung sämtlicher Bestimmungen der Rom II-VO bzw. die Qualifikation der entsprechenden Systembegriffe autonom gemeinschaftsrechtlich, d.h. nach den Auslegungsgrundsätzen des EU-Rechts erfolgen.845 3. Die allgemeine Regel des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO: Anknüpfung an den Marktort a) Grundbegriffe des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO. Die Begrifflichkeiten der Rom II-VO 203 werden in den einzelnen Mitgliedstaaten zum Teil unterschiedlich ausgelegt, zudem weist die Verordnung kaum Definitionen auf – dies erschwert ihre Anwendbarkeit und führt im Lichte der autonom unionsrechtlichen Auslegung zu Unsicherheiten.846 aa) Außervertragliches Schuldverhältnis. Dass der Begriff des „außervertragli- 204 chen Schuldverhältnisses“ autonom unionsrechtlich auszulegen ist, hat auch der europäische Gesetzgeber in Erwägungsgrund 11 nochmals ausdrücklich betont.847 In Art. 2 Rom II-VO findet sich zudem eine Konkretisierung des Begriffs des „außervertraglichen Schuldverhältnisses“.848 Danach liegt ein „außervertragliches Schuldverhältnis“ grundsätzlich immer dann vor, wenn es nicht durch eine freiwillig eingegangene Verpflichtung, sondern durch eine Sonderverbindung wie eine ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 10 Rom II-VO), eine Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 11 Rom II-VO) oder eine culpa in contrahendo (Art. 12 Rom II-VO) begründet wird. Denn durch die fehlende Freiwilligkeit grenzt es sich vom vertraglichen Schuldverhältnis ab, welches wiederum
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841 Bemühungen, die weit zurück reichen, denn die Kommission der Europäischen Gemeinschaft legte bereits im Jahre 1972 einen „Vorentwurf eines Übereinkommens über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht“ vor. Abgedruckt in RabelsZ 38 (1974), 211 und auszugsweise bei Staudinger/v. Hoffmann Vorb. Art. 38-42 EGBGB Rn. 11. An diesem Vorentwurf wurde jedoch zunächst nicht weitergearbeitet, vgl. Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006) 256, 261; Wagner EuZW 1999, 709, 709; Wendehorst in Langenbucher/Engert S. 381 Rn. 12. Siehe hierzu auch Rn. 161 ff. 842 Zu den Zielen des Gemeinschaftsgesetzgebers s. Erwägungsgründe 1 und 6. Zur wechselvollen Vorgeschichte der Rom II-VO vgl. Rn. 161 ff. 843 MünchKommBGB/Junker, Vorb. zu Art. 1 Rom II-VO Rn. 1. Erst deutlich später wurde durch das Übereinkommen vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Schuldvertrags-Übereinkommen – EVÜ) eine Vereinheitlichung auf dem Gebiet des internationalen Vertragsrechts erreicht, R. Wagner EuZW 1999, 709, 709; Staudinger/v. Hoffmann Art. 38–42 EGBGB Rn. 10. 844 Siehe hierzu Rn. 180 ff. 845 Erwägungsgrund 11, 13 und 30. Auf die Erwägungsgründe bezugnehmend Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 157; Mankowski GRUR Int. 2005, 634, 636; MünchKommBGB/Junker Vorb. zu Art. 1 Rom II-VO Rn. 30; Heinze FS Kropholler, S. 105, 108; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 157; EuGH (Große Kammer) 8.11.2005 – C-443/03 – Slg. I 2005, 9637 = NJW 2006, 491 Rn. 43 f. Siehe hierzu auch Handig GRUR Int. 2008, 24, 25. 846 Handig GRUR Int. 2008, 24, 25 f.; Mankowski GRUR Int. 2005, 634, 635; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 10. 847 G. Wagner IPRax 2008, 1, 1; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 8; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.3. 848 Junker NJW 2007, 3675, 3676.
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Einleitung Teil D.
durch eine rechtsgeschäftlich entstandene Sonderverbindung der Parteien charakterisiert wird.849 Nach Art. 2 Abs. 2 und Abs. 3 Rom II-VO ist der Anwendungsbereich der Verordnung wie schon erwähnt auch nicht auf kompensatorische Rechtsbehelfe beschränkt, sondern umfasst auch Abwehrrechte. Die Kollisionsnormen der Rom II-VO gelten mithin auch für außervertragliche Schuldverhältnisse, in denen ein Schaden zwar noch nicht eingetreten, dessen Entstehen aber wahrscheinlich ist.850 Mit Blick auf das Wettbewerbsrecht stellt Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO klar, dass ein unlauteres Wettbewerbsverhalten eine „besondere unerlaubte Handlung“851 und folglich ein außervertragliches Schuldverhältnis im Sinne der Verordnung begründen kann. bb) Unlauteres Wettbewerbsverhalten. Sind außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten mithin zwar ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasst (Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO), so ist dennoch unklar, was genau unter einem „unlauteren Wettbewerbsverhalten“ zu verstehen ist. Weder in der Verordnung noch im sonstigen Gemeinschaftsrecht findet sich eine Definition des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs.852 Eine gewisse Orientierung können allenfalls die Erläuterungen der Europäischen Kommission zum Verordnungsvorschlag bieten, denn diese geben, auch wenn sie nach Ansicht des Gerichtshofes nicht rechtlich verbindlich sind,853 dennoch Auskunft über allgemeine Erwägungen beim Erlass der konkreten Vorschrift sowie über das mit ihr verfolgte Ziel, weshalb sie insbesondere auch mit Blick auf den untrennbaren Zusammenhang zwischen ihnen und den verfügenden konkreten Bestimmungen854 als Teil des Rechtsaktes anzusehen sind.855 In den Erwägungen der Rom II-VO findet sich ein weites Verständnis des Begriffs 206 des unlauteren Wettbewerbs: Erfasst werden sollen danach „Handlungen, die auf die Nachfrage Einfluss zu nehmen trachten (z.B. Täuschung und Zwang), Handlungen, die das Angebot von Wettbewerbern behindern sollen (z.B. Störung der Zulieferung, Abwerbung von Angestellten oder Boykott) oder Handlungen, mit denen Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden (z.B. Schaffung einer Verwechslungsgefahr oder Ausnutzung seines Bekanntheitsgrades)“.856 Dies sind jedoch nur Orientierungspunkte für die Auslegung des Begriffs des unlauteren Wettbewerbsverhaltens. 205
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849 Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 723. 850 G. Wagner IPRax 2008, 1, 1; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 723. 851 Erwägungsgrund 19. 852 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 110. 853 Vor diesem Hintegrund können sie argumentativ nicht eingesetzt werden, um von den konkreten Regelungen des Rechtsaktes abzuweichen oder diese entgegen dem Wortlaut auszulegen, EuGH 19.11.1998 – C-162/97 – Slg. 1998, I-7477 Tz. 54 – Nilsson; EuGH 24.11.2005 – C-136/04 – Slg. 2005, I-10095 Tz. 32 – Deutsche Milchkontor. 854 Vgl. EuGH (Große Kammer) 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 303 Tz. 55 – eDate Advertising: „In diesem Sinne ist der verfügende Teil eines Unionsrechtsakts untrennbar mit seiner Begründung verbunden und erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu seinem Erlass geführt haben“; zurückhaltender noch EuGH 13.7.1989 – 215/88 – Slg. 1989, 2789 Tz. 31 – Casa Fleischhandel. 855 Kein Bestandteil des auszulegenden Normtextes sind jedoch die erläuternden Berichte der europäischen Organe zur Auslegung der Bestimmungen. 856 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) von 2003, KOM [2003] 427 endg, S. 17. Zum Begriff des unlauteren Wettbewerbs im Zusammenhang mit Art. 6 Rom II-VO vgl. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 162; Palandt/Thorn Art. 6 Rom II-VO Rn. 9 ff.; Handig GRUR Int. 2008, 24, 26; Mankowski GRUR Int. 2005, 634, 635; Sack WRP 2008, 845, 848 ff.; zum Begriff der „Bilateralen Wettbewerbshandlung“: Lindacher GRUR Int. 2008, 453, 457.
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Internationales Wettbewerbsrecht
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Letztverbindlich muss der konkrete Inhalt des Internationalen Lauterkeitsrechts 207 künftig jedoch durch die Rechtsprechung des EuGH bestimmt werden,857 der sich dabei vermutlich sowohl an den nationalen Auslegungsmaßstäben als auch am bestehenden sekundärrechtlichen Lauterkeitsrecht der Gemeinschaft, beispielsweise an der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken,858 ausrichten wird.859 Vor diesem Hintergrund hat auch Mankowski vorgeschlagen, den Anknüpfungsgegenstand des Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom II-VO im Lichte der Definition der Geschäftspraktik in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 860 zu bestimmen. 861 Entsprechend Art. 2 lit. d der Richtlinie wäre demnach unter einem Wettbewerbsverhalten „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“, zu verstehen. Allerdings sind die genannten Kriterien nicht als abschließend zu betrachten. Der Begriff der Wettbewerbshandlung i.S.v. Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom II-VO muss vielmehr – was auch Mankowski betont – weiter als in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken gefasst werden.862 So muss insbesondere auch zur Kenntnis genommen werden, dass sich der Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts im Lichte einer autonom unionsrechtlichen Auslegung in die Phase des Vertragsschlusses sowie der Vertragserfüllung ausgedehnt hat,863 was im Einzelfall eine gemeinschaftsrechtlich orientierte funktionale Abgrenzung von Vertrags- und Wettbewerbsstatut erforderlich machen kann.864 Eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Reichweite des Begriffs der Wettbewerbshandlung bleibt mithin bestehen. Neben den Begriff der Wettbewerbshandlung tritt jener der Unlauterkeit (Art. 6 208 Abs. 1 und 2 Rom II-VO), welcher verdeutlicht, dass die Rom II-VO entsprechend ihres Anwendungsbereichs stets nur an ein – durch den Verstoß gegen eine Verbotsnorm entstandenes – außervertragliches Schuldverhältnis anknüpft.865 Zudem dient der Begriff der Unlauterkeit auch der Abgrenzung der wettbewerbsrechtlichen von der kartellrechtlichen Anknüpfung gemäß Art. 6 Abs. 3 Rom II-VO: In beiden Fällen kann ein Wettbewerbsverhalten vorliegen, wobei nur ein „unlauteres“ Wettbewerbsverhalten der Anknüpfung nach Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom II-VO unterliegt.866 cc) Beeinträchtigung. Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO setzt eine Beeinträchtigung der Wett- 209 bewerbsbeziehungen oder der kollektiven Interessen der Verbraucher voraus. Von einer
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857 Handig GRUR Int. 2008, 24, 26 vermutet insofern, dass die „Auslegung des EuGH durch Vergleich der einzelnen nationalen Rechte erfolgen und daher eine repräsentative Schnittmenge bilden wird“. Zu möglichen Abweichungen siehe Sack WRP 2008, 845, 846. 858 RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der RL 84/450/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG (RL über unlautere Geschäftspraktiken, ABl. 2005 L 149, S. 22 ff.). 859 Handig GRUR Int. 2008, 24, 26; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 111. 860 Art. 2d der RL über unlautere Geschäftspraktiken RL 2005/29/EG – ABl. EG L 149 v. 11.6.2005, S. 22 ff. 861 Mankowski GRUR Int. 2005, 634, 636. 862 Mankowski GRUR Int. 2005, 634, 636; dazu auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 111. 863 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 129 f. Dies wird mit Blick die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, RL 2005/29/EG – ABl. EU L 149 v. 11.6.2005, S. 22 ff., deutlich, die auch Praktiken in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezieht, die „vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“ stattfinden. 864 Zur Abgrenzung des Wettbewerbskollisionsrechts zum Vertragskollisionsrecht siehe Rn. 44 ff. 865 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 112. 866 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 113.
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Einleitung Teil D.
Beeinträchtigung ist immer dann auszugehen, wenn die Marktchancen von Mitbewerbern auf dem Markt nachteilig beeinflusst werden, beziehungsweise, wenn das Verhalten die Interessen mehrerer Verbraucher schädigt oder schädigen kann.867 Wie Erwägungsgrund 21 zeigt, genügt dabei ein Verhalten, von dem die Gefahr einer Beeinträchtigung droht. Die wahrscheinliche Beeinträchtigung steht damit grundsätzlich einer tatsächlichen gleich.868 210 Essentiell für das Vorliegen einer Beeinträchtigung ist zudem grundsätzlich, dass das Handeln Wettbewerbszwecken dient,869 wobei Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO für alle marktbezogenen, das heißt für alle unmittelbar an die Marktgegenseite gerichteten, Wettbewerbshandlungen gilt, während Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO jene Fälle erfasst, in denen ausschließlich die Interessen eines einzelnen Mitbewerbers betroffen sind870 und damit allenfalls eine mittelbare Marktauswirkung vorliegt.871 b) Der Marktort als maßgeblicher Ort der Beeinträchtigung 211
aa) Wettbewerbsspezifische Auslegung des Ortes der Beeinträchtigung: Der Marktort. Wie eben gezeigt, findet sich die allgemeine Anknüpfungsregel für unlauteres Wettbewerbsverhalten in Form der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Marktortregel in Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO, während Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO eine spezielle Regelung für sogenannte „bilaterale“ Wettbewerbshandlungen enthält. Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO soll dabei nicht als lex specialis zur allgemeinen Kollisionsregel des Art. 4 Rom II-VO fungieren, sondern ist nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers als Präzisierung der in Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO getroffenen Anknüpfungsregel zu verstehen.872 Das Wettbewerbskollisionsrecht wird mithin auch auf europäischer Ebene nicht aus dem allgemeinen Deliktskollisionsrecht gelöst.873 Dies hat zur Folge, dass es sich bei Art. 6 Rom II-VO um eine sonderdeliktskollisionsrechtliche Regelung handelt, bei deren Anwendung lediglich eine wettbewerbsspezifische Bestimmung des Begehungsortes erfolgt.874
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867 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.32 stellt in diesem Kontext fest, dass selbst eine gegenüber einem einzelnen Verbraucher vorgenommene Handlung genügt, „wenn sie ihrer Art nach auf Fortsetzung angelegt ist und damit in ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreicht (z.B. unerbetene E-Mail-Werbung oder Telefonwerbung gegenüber einem einzelnen Verbraucher)“. 868 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 21 S. 2 der Rom II-VO: Es ist ausreichend, dass ein Verhalten vorliegt, von dem die Gefahr einer Beeinträchtigung droht. 869 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 110. 870 Wie beispielsweise beim Ausspähen und der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen, Industriespionage oder der unlauteren Mitarbeiterabwerbung. Maßgeblich ist, dass jedenfalls nicht die Interessen Dritter betroffen sind. Siehe hierzu auch Huber/Bach IPRax 2005, 73, 78. 871 Siehe hierzu MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 110, der Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO mit Blick darauf, dass „wettbewerbsrelevantes Verhalten, das nicht direkt auf die Marktgegenseite einwirkt, sehr wohl mittelbar den Wettbewerb und die kollektiven Interessen der Marktteilnehmer beeinträchtigen kann“, rechtspolitisch für bedenklich hält. 872 Erwägungsgrund Nr. 21. 873 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 638; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 96; G. Wagner IPRax 2008, 1, 1. 874 Erwägungsgrund Nr. 21; Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1249; ähnlich Deinert EWS 2006, 445, 451; Koos WRP 2006, 499, 500; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 637. Die wettbewerbsspezifische Auslegung entspricht auch der Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Auffassung im deutschen Schrifttum. Siehe hierzu auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 638 (Übersicht m.w.N. insb. zur Rspr.); Lindacher GRUR Int. 2008, 453, 453; zur alten Rechtslage ebenso Dethloff JZ 2000, 179, 180; Dethloff NJW 1998, 1596, 1599; Koos WRP 2006, 499, 500; Kotthoff CR 1997, 676, 677; Kreuzer in v. Caemmerer S. 273.
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436
Internationales Wettbewerbsrecht
Einl
Auch wenn an der dogmatischen Verankerung im Deliktskollisionsrecht vielfach 212 Kritik geäußert875 und argumentiert wird, sie stelle einen „Anachronismus“ dar und widerspreche „der Entwicklung des Lauterkeitsrechts zum Marktordnungsrecht und der Loslösung von individualrechtlichen Grundlagen“876 und auch die Kommission in der Begründung des Vorschlags für eine Rom II-VO noch einen unentschiedenen Standpunkt vertreten und implizit zum Ausdruck gebracht hatte, dass eine Entscheidung zwischen einer Verankerung im Deliktsstatut bzw. der Schaffung einer lauterkeitsrechtlichen Sonderkollisionsnorm nicht notwendig sei,877 so geht die geltende Fassung der Rom II-VO nunmehr jedoch eindeutig von einer deliktsrechtlichen Qualifikation aus.878 Festgehalten werden kann daher, dass die Wettbewerbskollisionsnorm des Art. 6 Rom II-VO als Sonderdeliktsrecht zu qualifizieren ist, welches zwischen markt- bzw. verbraucherbezogenen und konkurrentenbezogenen Wettbewerbsverstößen differenziert, 879 wobei grundsätzlich die bereits aus dem autonomen deutschen 880 Kollisionsrecht bekannte Marktortanknüpfung gilt.881 Nach überwiegender Meinung werden Wettbewerbsverletzungen daher dort began- 213 gen, wo die Interessen der Wettbewerber aufeinandertreffen und durch unlauteres Verhalten beeinträchtigt werden können (Marktortprinzip).882 Maßgeblich ist folglich das Recht des Ortes, auf dessen Markt eingewirkt wird (Zielmarkt) und die wettbewerblichen Interessen kollidieren.883 Dies ist der Ort, auf dem um Marktanteile gekämpft wird und auf dem die Kunden umworben werden.884 Insofern werden auch Verhaltensweisen erfasst, die von außen, wie im Falle von Distanzdelikten, auf den Zielmarkt ausgerichtet sind.885
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875 Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 95 f.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 639; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 9. 876 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 639 mit Verweis auf die Begründung zum Vorschlag von 2003, KOM [2003] 427 endg., S. 17. 877 Begründung zum Vorschlag von 2003, KOM[2003] 427 endg., S. 17; siehe hierzu auch Staudinger/ Fezer/Koos IntWIR Rn. 637 sowie Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 234 m.w.N. 878 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 639. 879 Huber/Bach IPRax 2005, 73, 78; Schulze/Dörner Art. 6 Rom II-VO Rn. 3. 880 Zur alten Rechtslage unter Geltung der am 1.6.1999 in Kraft getretenen Fassung des Art. 40 EGBGB BGH v. 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 10 – Ausschreibung in Bulgarien m.w.N. 881 v. Hein ZEuP 2009, 6, 29; Huber/Bach IPRax 2005, 73, 78; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729; Sack WRP 2008, 845, 846; Sonnentag ZVglRWiss 105 (2006) 256, 285; Handig GRUR Int. 2008, 24, 27; Benecke RIW 2003, 830, 834; Schulze/Dörner Art. 6 Rom II-VO Rn. 3; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 15; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 132; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 641; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 135. Damit entspricht die Anknüpfung der jetzt maßgeblichen europäischen Wettbewerbskollisionsnorm den bisher von den deutschen Gerichten angewandten Grundsätzen, siehe hierzu aktuell BGH v. 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 10 – Ausschreibung in Bulgarien: „Geht es um die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eines Verhaltens bei der Gewinnung von Kunden, ist Marktort der Ort, an dem auf die Entschließung des Kunden eingewirkt werden soll. Dort soll das Wettbewerbsrecht unlauteres Konkurrenzverhalten verhindern; auf diesen Ort bezieht sich auch das durch das Wettbewerbsrecht ebenfalls geschützte Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb.“ 882 Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1249; ähnlich Deinert EWS 2006, 445, 451; s. auch Oberster Gerichtshof 9.8.2011 – 17 Ob 6/11 y alcom-international.at, GRUR Int. 2012, 464, 466 f. 883 Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729; Schulze/Dörner Art. 6 Rom II-VO Rn. 3. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 132 und Palandt/Thorn Art. 6 Rom II-VO Rn. 9 sprechen insoweit auch vom „Ort der wettbewerblichen Interessenkollision“. 884 Palandt/Thorn Art. 6 Rom II-VO Rn. 9. 885 Palandt/Thorn Art. 6 Rom II-VO Rn. 9.
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Einl
Einleitung Teil D.
214
bb) Dogmatische Einordnung der Marktortregel: Auswirkungsprinzip vs. Interessenkollisionslösung. Zwar hat der Gemeinschaftsgesetzgeber mit Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO eine Entscheidung für die dogmatische Zuordnung zum Deliktskollisionsrecht getroffen. Streitig ist jedoch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO nach wie vor, ob es sich bei der diesem zugrunde gelegten Marktortregel um eine an der Schutzzwecktrias ausgerichtete Interessenkollisionslösung i.S.d. Einwirkungstheorie handelt,886 oder ob die Marktortregel des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO eine kollisionsrechtliche Ausprägung des Auswirkungsprinzips im Sinne eines wettbewerbsrechtlichen Grundprinzips darstellt.887 Im Grunde geht es bei diesem Streit um das Ausmaß der Berücksichtigung von 215 Individual- bzw. Kollektivinteressen und die Versuchung, zwei Rechtsgebiete, die sich sehr nahe stehen und die beide dem Schutz eines geordneten und unverfälschten wirtschaftlichen Wettbewerbs dienen,888 unter einer einheitlichen Kollisionsregel zusammenzufassen und insofern ein einheitliches Marktortrecht zu schaffen.889 Befürworter der Auswirkungstheorie betonen daher insbesondere den Gleichlauf der Rechte und die schwindende Bedeutung von Individualinteressen im Lauterkeitsrecht, weshalb sie auch für das Wettbewerbskollisionsrecht die Anwendung des Auswirkungsprinzips fordern.890 Andere Vertreter heben hingegen hervor, dass mit der Kodifizierung des Wettbewerbskollisionsrechts in Art. 6 Rom II-VO keine Entscheidung zwischen Auswirkungstheorie und Einwirkungstheorie getroffen,891 hier vielmehr gezielt eine breite Formulierung gewählt wurde, welche auch Auswirkungen einschließen kann, die sich nicht aus einer direkten Einwirkung auf Verbraucher ergeben.892 Die überwiegende Ansicht geht jedoch davon aus, dass mit Art. 6 Abs. 1 Rom IIVO nicht von der bisherigen Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten abgewichen werden sollte893 und verweist insofern zu Recht auf den Wortlaut der geltenden Fassung der Rom II-VO, der zeigt, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber für die Etablierung einer wettbewerblichen Interessenkollisionslösung entschieden hat, 894 welche die Mitbewerber im Blick hat und damit konkurrentenbezogen ist, die zugleich aber auch durch die Einbeziehung der kollektiven Interessen der Verbraucher einen Marktbezug hat.895
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886 Sack WRP 2008, 845, 847f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 15; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 142, 144; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 233; Palandt/Thorn Rom II 6 (IPR) Rn. 9. 887 Handig GRUR Int. 2008, 24, 29; Koos WRP 2006, 499, 506. 888 Siehe MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 11 f., der in diesem Kontext darauf verweist, dass sowohl Kartellrecht als auch Lauterkeitsrecht auf europäischer Ebene dem Schutz des unverfälschten Wettbewerbs i.S.d. EU-Protokolls über den Binnenmarkt und den Wettbewerb verpflichtet sind (vor Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages: Art. 3 Abs. 1 lit. g EG). 889 Siehe hierzu MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 142. 890 Siehe Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 403, die das kartellrechtliche Auswirkungsprinzip auch in dogmatischer Hinsicht auf das Wettbewerbskollisionsrecht übertragen wollen. Des Weiteren: Harte/ Henning/Glöckner Einl. C Rn. 112; Koos WRP 2006, 499, 504 ff. Zur Abgrenzung des Wettbewerbskollisionsrechts vom Kartellkollisionsrecht (Auswirkungsprinzips) siehe Rn. 39 ff., 214 f. 891 Siehe beispielsweise Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 641; Handig GRUR Int. 2008, 24, 29, auch wenn beide Autoren darauf hinweisen, dass die praktische Relevanz dieser Frage begrenzt ist, denn auch die Einwirkungstheorie ist objektiviert aufzufassen, weshalb sich beide Ansätze in ihren Ergebnissen stark annähern. 892 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 641. 893 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 234. 894 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 142. 895 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 641; Sack WRP 2008, 845, 846; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 233 ff.
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Internationales Wettbewerbsrecht
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Zwar enthielten die Verordnungsvorschläge aus den Jahren 2003 und 2006896 im Ge- 216 gensatz zur aktuellen Fassung noch eine Eingrenzung auf unmittelbare oder wesentliche Beeinträchtigungen, was laut Begründung der Kommission zur Begrenzung der relevanten „Auswirkungen“ auf den Markt erforderlich sei897 und vereinzelt dahingehend gedeutet wird, dass eine der Auswirkungstheorie entsprechende Lösung von der Kommission beabsichtigt wurde.898 Dies ist jedoch nicht überzeugend.899 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich mit der Rom II-VO vielmehr aus guten Gründen für eine Interessenkollisionslösung in der Ausprägung der Einwirkungstheorie und damit für eine eigenständige lauterkeitskollisionsrechtliche Anknüpfung entschieden.900 Zum einen ist schon fraglich, ob es sich bei der in den Verordnungsvorschlägen niedergelegten Begrenzung durch die Worte „unmittelbar und wesentlich“ um einen kollisionsrechtlichen oder einen sachrechtlichen Aspekt handelte. Denn ob eine Beeinträchtigung im konkreten Fall so wesentlich ist, dass daraus Ansprüche entstehen, wird vereinzelt auch als Frage des materiellen Rechts angesehen.901 Aber selbst wenn man diesen Aspekt auf der kollisionsrechtlichen Ebene ansiedelt, so ist festzuhalten, dass auch der lauterkeitskollisionsrechtlichen Anknüpfung ein Spürbarkeitskriterium immanent ist,902 welches in die Marktortregel des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO hineinzulesen ist.903 Zum anderen verzichtet der Gemeinschaftsgesetzgeber auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO auf Begrifflichkeiten, die eine Bezugnahme zum Auswirkungsprinzip nahe legen. Stattdessen wird auf den Ort abgestellt, an dem eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen oder kollektiven Interessen der Verbraucher erfolgt. Laut Begründung der Kommission wird insoweit der Markt erfasst, „auf dem sich die Wettbewerber um die Verbraucher bemühen“,904 womit letztlich nichts anderes gemeint ist als der Marktort, verstanden als Ort der Interessenkollision.905 Nicht zuletzt sprechen auch systematische und rechtspolitische Gründe gegen die 217 Anwendung des kartellrechtlichen Auswirkungsprinzips im Wettbewerbskollisionsrecht.906 Zunächst unterscheiden sich Lauterkeits- und Kartellrecht trotz einer gewissen konzeptionellen Nähe funktional voneinander:907 Im Wettbewerbsrecht geht es primär
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896 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) KOM (2003) 427 endg.; Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) KOM (2006) 83 endg. 897 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse azuwendende Recht („Rom II“) KOM (2003) 427 endg. S. 18. 898 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 643. A.A. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 233; Buchner GRUR Int. 2005, 1004, 1009. 899 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 233. 900 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 142; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 233. 901 Sack WRP 2008, 845, 854; Palandt/Thorn Art. 6 Rom II-VO Rn. 13. Und auch das österreichische Justizministerium vertrat den Standpunkt, dass es sich bei den Kriterien der Unmittelbarkeit und der Wesentlichkeit nur um materiellrechtliche Aspekte handele. Siehe hierzu Vermerk der österreichischen Delegation für den Ausschuss für Zivilrecht („Rom II“) vom 3.5.2004, Dossier Nr. 2003/0168, DokNr. 9009/04 ADD1, S. 2. 902 Handig GRUR Int. 2008, 24, 28; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 212; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 293. 903 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 643. Siehe hierzu Rn. 219 ff. 904 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) KOM(2003) 427 endg. S. 18. 905 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 233. 906 Ausführlich hierzu Rn. 39 ff., 214 ff. 907 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 12, 18.
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Einleitung Teil D.
um die Beurteilung von Verhaltensweisen zu Wettbewerbszwecken und damit um das unzulässige Einwirken auf den Markt,908 während das Kartellrecht mögliche negative Auswirkungen auf den Markt im Blick hat. Zudem spricht auch die starke Betonung marktordnungsrechtlicher zu Lasten individualrechtlicher Aspekte gegen eine Übertragung der kartellrechtlichen Grundsätze.909 Letztlich muss man daher mit dem überwiegenden Teil der Literatur zu dem Ergeb218 nis gelangen, dass die der Rom II-VO zugrunde gelegte Marktortregel nicht im Sinne einer kartellrechtlichen Auswirkung auf den Markt zu deuten ist, es sich vielmehr um die Etablierung einer schutzzweckorientierten Interessenkollisionslösung i.S.d. Einwirkungstheorie handelt.910 c) Einschränkungen der Marktortanknüpfung aa) Das Spürbarkeitskriterium bei Multistatedelikten. Eine der umstrittensten Fragen im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts ist der angemessene Umgang mit Multistate-Wettbewerbshandlungen,911 worunter prinzipiell jedes Wettbewerbsverhalten zu subsumieren ist, das die Märkte mindestens zweier Staaten berührt.912 Weder die Vertreter einer interessenkollisionsrechtlich geprägten, wettbewerbsspezifischen Marktortanknüpfung noch jene, die eine Anwendung des kartellrechtlichen Auswirkungsprinzips favorisieren, können hier eindeutige Lösungsansätze bieten.913 Die nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO maßgebliche Marktortregel mit ihrer Anknüpfung an den Ort der wettbewerblichen Interessenkollision führt im Falle von Multistate-Delikten jedenfalls zur Anwendbarkeit einer Vielzahl von Rechtsordnungen, da zumindest theoretisch jeder Markt zu berücksichtigen ist, auf dem auf die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher eingewirkt wird.914 Dies kann in der Praxis zu erheblichen Problemen führen. Besonders dringlich erscheint eine Lösung heute insbesondere mit Blick auf das On220 line-Marketing und die Rundfunkwerbung, insbesondere im Bereich der Kabel- und Satellitenverbreitung und des hier zu beobachtenden spillover-effects, welcher die teilweise unbeabsichtigte und unvermeidbare Mitbestrahlung von (Rand)Gebieten beschreibt.915 Aber auch im Kontext von Werbemaßnahmen im Zusammenhang mit dem internationalen Vertrieb von Printmedien bzw. im Bereich des internationalen Telefonmarketings wird die Problematik der Multistate-Wettbewerbshandlungen offensichtlich.916 In all diesen Fällen sind die (Multistate-)Wettbewerbsverstöße in der Regel nicht teilbar, was an technischen Gegebenheiten, aber auch an der fehlenden Beherrschungsmöglichkeit der Verbreitung des Mediums liegen kann917 und letztlich dazu führt, dass durch ein und dieselbe Werbemaßnahme eine Vielzahl von Staaten betroffen ist. 219
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908 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 15; Kreuzer in: v. Caemmerer S. 232, 270 f.; Kotthoff S. 22. 909 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 144. 910 Sack WRP 2008, 845, 847 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 15; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 142, 144; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 233; Palandt/Thorn Art. 6 Rom II-VO Rn. 9. 911 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 286. 912 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 278; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 713; Dethloff S. 293. 913 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 286. 914 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 24; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 161. 915 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 289; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 711; Höder S. 15; Dethloff S. 105, 124. 916 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 286; Kiethe WRP 2000, 616, 617 f. 917 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 287; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 711; Dethloff S. 105.
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Internationales Wettbewerbsrecht
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Zwar kann im Einzelfall die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste,918 soweit 221 ihr spezifischer (enger) Anwendungsbereich reicht,919 zu klaren Ergebnissen führen. Zudem fällt der Bereich der Internetwerbung, jedenfalls soweit es sich um Binnenmarktsachverhalte handelt, weitestgehend in den Anwendungsbereich der E-CommerceRichtlinie,920 weshalb nach Art. 3 der Richtlinie im Einzelfall je nach Ansicht921 entweder eine Korrektur des nach dem Marktortprinzip festgestellten Ergebnisses vorgenommen wird922 oder die Marktortanknüpfung schon auf kollisionsrechtlicher Ebene durch das Herkunftslandprinzip verdrängt wird.923 Allerdings bleibt mit der Internetwerbung in Drittstaaten und den sonstigen Multistate-Konstellationen noch ein weites Feld, in dem eine Begrenzung der durch die Marktortanknüpfung grundsätzlich zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen erforderlich erscheint und in dem der Werbende oftmals vor dem grundsätzlichen Dilemma steht, dass er sich entweder am jeweils strengsten Werberecht orientiert924 oder die Werbung in einem ubiquitären Medium komplett unterlässt.925 In Literatur und Rechtsprechung wird daher schon seit Langem nach einem Weg ge- 222 sucht, um Bagatellfälle von vornherein auszusondern und eine Kumulation von Rechtsordnungen, insbesondere in Fällen von Internetwerbung, Rundfunksendungen und international verbreiteten Periodika, zu vermeiden oder zumindest die Zahl der anwendbaren Rechtsordnungen zu reduzieren.926
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918 Die neue Richtlinie trat am 19.12.2007 in Kraft (vgl. RL 2010/13/EU – ABl. EU L 95 v. 15.4.2010, S. 1 ff.). Sie ist die konsolidierte Fassung der Neufassung der Richtlinie 2007/65/EG, welche wiederum auf die erste Fernsehrichtlinie 89/552/EWG zurückgeht. 919 Siehe hierzu Rn. 118 ff. Zu bachten ist jedoch, dass nach der Entscheidung EuGH 17.9.1996 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 Tz. 28 ff. – De Agostini, der Anwendungsbereich eng auszulegen ist. Zwar werden auch werberechtliche Fragen erfasst – außerhalb des koordinierten Bereichs fallen jedoch jene Regelungen, die nicht spezifisch die Tätigkeit von Fernsehanstalten betreffen, sondern vielmehr allgemein der Lauterkeit des Handelsverkehrs und dem Verbraucherschutz dienen. 920 RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt. 921 Zum Streit um den kollisionsrechtlichen Gehalt des Herkunftslandprinzips der E-CommerceRL siehe ausführlich Rn. 123 ff. 922 Für ein sachrechtliches und gegen ein kollisionsrechtliches Verständnis plädieren: Ahrens CR 2000, 835, 837 f.; ders. FS Tilmann, S. 739, 745 f.; Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1252; Baetzgen Rn. 714 ff.; Dethloff S. 54; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72; Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 352; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 377, 555 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 32 ff.; ders. ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 864 ff.; Löffler WRP 2001, 379, 380; Sack WRP 2002, 271, 273; ders. WRP 2001, 1408, 1411, 1417 ff., 1425; ders. WRP 2008, 845, 855; vermittelnd i.S. eines „kollisionsrechtlichen Mindestgehalts“, da sich das Herkunftslandprinzip in der E-CommerceRL aus dem nationalen Recht ergibt Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. 923 Ein kollisionsrechtliches Verständnis des Herkunftslandprinzips der E-CommerceRL vertreten: v. Bar/Mankowski § 3 Rn. 88; Höder S. 200 f.; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 17; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 912 f.; ders. ZVglRWiss 100 (2001), 137, 140 ff., 179 f.; ders. CR 2001, 630, 632; ders. IPRax 2002, 257, 257 f.; ders. EWS 2002, 401, 402 ff.; MünchKommUWG/ders. IntWettbR Rn. 48 ff.; Gierschmann DB 2000, 1315, 1316; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 134 ff.; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 198; Nickels DB 2001, 1919, 1922; Stagl ÖBl. 2004, 244, 251 f.; Thünken S. 83 ff.; ders. ICLQ 51 (2002), 909, 940 f.; ders. IPRax 2001,15, 19 f. 924 Leistner in Bettinger/Leistner Teil 1 A Rn. 78 verweist insofern auch auf die in diesem Kontext regelmäßig entstehenden „prohibitiv hohen Rechtsinformationskosten“. 925 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 287, 289; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 711; Sack WRP 2008, 845, 852; Dethloff S. 87. 926 Siehe in diesem Kontext Harte/Henning/Glöckner Einl. C. Rn. 158, der darauf hinweist, dass die Leistungsfähigkeit des Spürbarkeitskriteriums jedoch, soweit es nicht nur Bagatellfälle ausschalten sondern auch die Kumulation von Rechtsordnungen verhindern soll, begrenzt ist.
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Einleitung Teil D.
Während vor allem die Vertreter des Auswirkungsprinzips, aber vereinzelt auch jene, die eine Interessenkollisionslösung bevorzugen, eine kollisionsrechtlich relevante Auswirkung bei Multistatedelikten nur dann annehmen, wenn spürbar in das Marktgeschehen eingegriffen wird, 927 stützt sich ein anderer Teil der Literatur, der die Zugrundelegung der dem kartellrechtlichen Auswirkungsprinzips entnommenen Spürbarkeitsgrenze meist als unpassend ablehnt,928 auf das Kriterium der Finalität. Danach soll nur das Recht der Staaten berufen sein, in denen gezielt auf Kunden eingewirkt wird,929 was in Internet-Fällen beispielsweise bedeutet, dass das Recht des Staates Anwendung finden soll, von dem aus die Website bestimmungsgemäß abgerufen werden kann.930 Allerdings betonen die Vertreter des Finalitätskriteriums in unterschiedlichem Maße subjektive und objektive Kriterien.931 Einig ist man sich jedoch weitgehend, dass eine rein subjektiv geprägte Finalität als Begrenzungskriterium nicht geeignet ist,932 denn die Motivation des Agierenden, beispielsweise des werbenden Unternehmens, kann nicht für die Beantwortung der Frage nach dem anwendbaren Recht maßgeblich sein, da der einzelne Wettbewerber andernfalls mittels bloßer Behauptung Einfluss auf die kollisionsrechtliche Beurteilung des Geschehens nehmen könnte. 933 Dies würde eine erhebliche Manipulations- und Umgehungsgefahr mit sich bringen.934 Zudem verbietet das Wettbewerbsrecht unlauteres Wettbewerbsverhalten gerade unabhängig von den subjektiven Vorstellungen des Werbenden und schließt auch die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerber in die Betrachtung ein.935 Nach überwiegender Auffassung kommt es daher letztlich sowohl für die Prüfung 223 der Spürbarkeit einer Wettbewerbsmaßnahme als auch für jene der Marktgerichtetheit im Sinne einer Finalität auf die Bewertung bestimmter objektiver quantitativer und wertender936 Indizien an.937 Insbesondere mit Blick auf die Problematik der Internetwerbung gelangen beide Ansichten daher zu ähnlichen Ergebnissen, da sie übereinstimmend in erster Linie auf objektive, meist ähnlich gelagerte, Anhaltspunkte abstellen.938
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927 Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 916; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 24; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 303; Glöckner ZVglRWiss 99 (2000), 278, 285; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 158; Höder S. 60; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 211. 928 So beispielsweise Kotthoff CR 1997, 676, 680, 681. 929 Im Bereich der Internetwerbung soll daher beispielsweise der Ort der Markteinwirkung dort zu lokalisieren sein, wo die Internetseite bestimmungsgemäß abgerufen werden kann, Staudinger/ v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 342; siehe dazu BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – GRUR 2006, 513 Rn. 21; OLG Frankfurt aM 24.5.2013 – 6 U 103/11 – GRUR-RR 2012, 392, 393; OLG München 16.5.2013 – 6 W 411/13 – GRUR-RR 2013, 388. 930 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 166; Höder S. 55; LG Berlin 30.4.2013 – 15 O 92/12 – NJW 2013, 2605, 2608 m. Anm. Steinrötter. 931 Kotthoff CR 1997, 676, 680, 681 beispielsweise will die „verobjektivierte Zielrichtung einer Wettbewerbshandlung“ ermitteln. Kritisch insofern Koos WRP 2006, 499, 502, der darauf hinweist, dass Finalität nicht verobjektivierbar sei. 932 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 167; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 731; Höder S. 60; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 159; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 187 ff.; zur Rechtswirksamkeit eines Disclaimers und der daraus folgenden Indizwirkung BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 Tz. 23 ff. – Arzneimittelwerbung im Internet; KG 20.12.2001 – 2 W 211/01 – GRUR Int. 2002, 448, 450. 933 Siehe beispielsweise Kotthoff CR 1997, 676, 680, 681; Höder S. 60; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 917; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 166, 167. 934 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 167; Höder S. 56. 935 Höder S. 56. 936 Harte/Henning/Glöckner Ein. C Rn. 160. 937 Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 921; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 720. 938 Kotthoff CR 1997, 676, 682; Leible/Müller NJW 2011, 495.
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Als maßgebliche Beurteilungskriterien werden dabei, insbesondere mit Blick auf 224 Internetsachverhalte, folgende angesehen:939 die konkrete Gestaltung von Websites,940 vor allem bezüglich der Angabe von Preisen in unterschiedlichen Währungen und Zahlungsoptionen,941 wobei die Aussagekräftigkeit dieses Kriteriums angesichts der Internationalisierung der Zahlungsmodalitäten und der damit verbundenen Zunahme an Zahlungsmöglichkeiten per Kreditkarte oder „elektronischem Geld“ immer mehr abnimmt;942 die Verwendung unterschiedlicher nationaler Telefax- oder Telefonnummern als mögliche Kontaktdaten,943 aber auch der Einsatz unterschiedlicher Sprachen;944 die angebotenen Versandmodalitäten;945 die Natur des beworbenen Produkts;946 die Angebotsstruktur;947 mögliche Vertriebsbeschränkungen;948 die Platzierung der Internet-Werbung, beispielsweise auf fremden Seiten;949 aber auch die Bezugnahme auf die jeweilige Internetwerbung im Rahmen anderer inländischer Werbemaßnahmen;950 die Referenz auf bestimmte Rechtsordnungen oder Belehrungen über bestimmte nationale Widerrufsrechte;951 die Verwendung von klar formulierten und verständlichen Disclaimern952
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939 Zum Inlandsbezug vgl. insbesondere BGH 13.10.2004 – I ZR 163/02 – GRUR 2005, 431, 432 – Hotel Maritime; BGH 8.3.2012 – I ZR 75/10 (KG) – GRUR 2012, 621 – Oscar; BGH 29.7.2009 – I ZR 169/07 – GRUR 2010, 239 ff. – Umsatzrendite; BGH 28.6.2007 – I ZR 49/04 – GRUR 2007, 884 ff. – Cambridge Institute; BGH 15.2.2007 – I ZR 114/04 I – GRUR 2007, 871 – Wagenfeld; OLG Düsseldorf 22.4.2008 – I-20 U 93/07 – MMR 2008, 748; OLG Düsseldorf 5.5.2011 – I -2 U 10/10, 2 U 10/10 – BeckRS 2011, 20929; OLG München 2.2.2012 – 29 U 3538/11 – ZUM 2012, 587 ff. 940 Dazu ausführlich Mankowski GRUR Int. 1999, 915, 917 ff.; Dethloff NJW 1998, 1599, 1600. 941 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 916; Dethloff NJW 1998, 1596, 1600; ähnlich auch EuGH 7.12.2010 – C-585/08, C-144/09 – NJW 2011, 505, 509; a.A. Leible/Müller NJW 2011, 495, 496. 942 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 187; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722. 943 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 25; Dethloff NJW 1998, 1596, 1600; a.A. EuGH 7.12.2010 – C-585/08, C-144/09 – NJW 2011, 505, 509; Leible/Müller NJW 2011, 495, 496. 944 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 25: Handelt es sich um die jeweilige Landessprache oder wird sie von einer Minderheit signifikanter Größe verstanden oder gesprochen, spricht dies für eine Inlandsrelevanz. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 721 stellen in diesem Kontext allerdings zu Recht fest, dass man wohl heute bei einer englischsprachigen Website davon ausgehen müsse, dass diese „grundsätzlich geeignet ist, in jedem Staat eine kollisionsrechtlich erhebliche Wirkung zu entfalten“. Siehe auch BGH 15.2.2007 – I ZR 114/04 I – GRUR 2007, 871 – Wagenfeld; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 (KG) – GRUR 2006, 513 – Arzneimittelwerbung im Internet; LG Berlin 1.6.2011 – 24 U 111/10 – WRP 2012, 102. 945 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 187. 946 Hier ist beispielsweise entscheidend, ob es sich um eine versandfähige oder eine schwer transportierbare oder verderbliche Ware handelt, ob sie überall zu gebrauchen ist oder ob es sich beispielsweise ganz offensichtlich um eine nur lokal zu erbringende Dienstleistung handelt, Piper/ Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 25; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722. 947 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 916. 948 Allerdings genügt eine bloße betriebsinterne Anweisung, nur in bestimmte Staaten zu liefern, grundsätzlich nicht, um eine Einwirkung der Internetwerbung mit Blick auf andere Staaten auszuschließen. Siehe hierzu OLG Frankfurt 3.12.1998 – 6 W 122/98 – ZUM-RD 1999, 455, 457; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 920. 949 Dethloff NJW 1998, 1596, 1600. 950 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722; BGH 13.10.2004 – I ZR 163/02 – GRUR 2005, 431, 432 – Hotel Maritime. Zum Inlandsbezug siehe auch aktuell BGH 8.3.2012 – I ZR 75/10 (KG) – GRUR 2012, 621 – Oscar sowie BGH 29.7.2009 – I ZR 169/07 – GRUR 2010, 239 ff. –Umsatzrendite; BGH 28.6.2007 – I ZR 49/04 – GRUR 2007, 884 ff. – Cambridge Institute; BGH 15.2.2007 – I ZR 114/04 I – GRUR 2007, 871 – Wagenfeld; OLG München 2.2.2012 – 29 U 3538/11 – ZUM 2012, 587 ff. 951 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 187. 952 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722. Entscheidend ist hierbei allerdings, dass dieser klar und verständlich formuliert ist und sich der Wettbewerber auch tatsächlich daran hält. Ist sein Verhalten hingegen inkonsistent, weil er beispielsweise eine geografische Beschränkung in der Praxis außer Acht lässt, kann er sich entsprechend des Grundsatzes venire contra factum proprium nicht auf die Begrenzung berufen. Siehe hierzu Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 920; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 =
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sowie weitere für eine Begrenzung auf einen bestimmten Zielmarkt sprechende Aspekte.953 Die Rom II-VO selbst lässt die Frage, ob die wettbewerbskollisionsrechtliche An225 knüpfung ein Begrenzungskriterium in Form einer Spürbarkeitsschwelle oder einer de minimis-Schranke benötigt, bedauerlicherweise offen. Vereinzelt wird jedoch argumentiert, dass aufgrund der Streichung der noch im Verordnungsvorschlag enthaltenen Begrenzung auf unmittelbare oder wesentliche Beeinträchtigungen954 die Annahme einer kollisionsrechtlichen Spürbarkeitsschwelle generell abzulehnen sei.955 Diese Sichtweise kann jedoch nicht überzeugen.956 Dem aktuellen Wortlaut als auch den Materialien lässt sich eine solche Motivation nämlich nicht entnehmen. Eine derartige Begrenzung bzw. Korrektur in Form eines Spürbarkeitskriteriums ist mithin nicht von vornherein ausgeschlossen.957 Vielmehr ist davon auszugehen, dass dem Begriff der Beeinträchtigung von vornherein ein Aspekt der Spürbarkeit innewohnt,958 jedenfalls aber in diesen hineinzulesen ist.959 Diese Wesentlichkeitsschwelle ist sodann im Rahmen der kollisionsrechtlichen Prüfung, ob eine Wettbewerbshandlung geeignet ist, die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher zu beeinträchtigen, zu prüfen. Denn weder der Schutz der Verbraucher noch der des Marktes als Institution erfordern die Anwendung des nationalen Lauterkeitsrechts, wenn keine spürbare Marktbeeinflussung und damit auch kein Interessenkonflikt vorliegt.960 Dies bedeutet, dass nicht schon jeder noch so kleine Bezug zum Marktort die Anwendbarkeit des dortigen Rechts zur Folge haben kann.961 Vielmehr muss eine gewisse Wesentlichkeitsschwelle überschritten sein,962 was unter Zugrundelegung oben genannter objektiver, qualitativer sowie quantitativer Kriterien im Einzelfall festzustellen ist. 226
bb) Das Herkunftslandprinzip bei Multistatedelikten. Angesichts der beschriebenen Problematik in Fällen von Mulitstate-Delikten, wäre grundsätzlich aus rein praktischen Erwägungen die Beurteilung von Wettbewerbshandlungen nach nur einer Rechts-
_____ GRUR 2006, 513, Tz. 22, 25 – Arzneimittelwerbung im Internet; KG 20.12.2001 – 2 W 211/01 – GRUR Int. 2002, 448, 450. Zustimmend Ohly WRP 2006, 1401, 1406; Hoeren MMR 2006, 464; Mankowski GRUR Int. 2006, 609, 610 f. 953 Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 921; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 25; Dethloff NJW 1998, 1596, 1600; Bornkamm S. 116. 954 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) KOM(2003) 427 endg. S. 18. 955 Sack WRP 2008, 845, 854. Kritisch mit Blick auf den Wortlaut auch Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 24, der das Prinzip jedoch sachrechtlich einordnet und eine kollisionsrechtliche Berücksichtigung im Ergebnis dennoch für möglich hält. 956 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 293; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 173. 957 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 173; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 293. 958 So in aller Deutlichkeit MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 173. 959 Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729. 960 Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 916. Ähnlich auch Höder S. 60: „Der Schutz der Institution ‚lauterer Wettbewerb‘ wird nur dann virulent, wenn eine Beeinträchtigung von einer gewissen Stärke droht.“ 961 Siehe hierzu Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 24 und Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 342, die beispielsweise die zufällige Verbreitung einer Zeitschrift oder die schlichte Abrufbarkeit einer Internetseite nennen. Auch schon nach autonomem deutschem Wettbewerbskollisionsrecht war anerkannt, dass eine spürbare Auswirkung auf den Markt erforderlich ist. 962 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 211. Die zufällige Verbreitung einzelner Exemplare einer Zeitung in einem bestimmten Land führt daher nicht automatisch zur Anwendbarkeit des Rechts dieses Landes, ebenso bleiben sog. spillover-Effekte außer Betracht, Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 342.
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ordnung wünschenswert. Vor diesem Hintergrund wurde schon vor Erlass der Rom II-VO zumindest mit Blick auf Multistate-Wettbewerbshandlungen innerhalb der Europäischen Union vereinzelt vorgeschlagen, von der gängigen Interessenkollisionslösung abzuweichen und in Konstellationen, in denen neben einer Einwirkung auf den Markt des Herkunftsstaates auch eine Einwirkung auf einen weiteren EU-Markt vorliegt, an das Recht des Herkunftslandes anzuknüpfen.963 Begründet wurde diese Sonderanknüpfung, die nicht nur Fälle des Onlinemarketings, sondern grundsätzlich alle medialen unteilbaren Wettbewerbshandlungen mit grenzüberschreitender Verbreitung erfassen sollte,964 zumeist mit einer größeren Praktikabilität, einer Reduktion der Rechtsermittlungskosten sowie einer erhöhten Vorhersehbarkeit.965 Zudem wurde darauf verwiesen, dass sie sich in besonderem Maße zur Verhaltenssteuerung eigne.966 Neben grundsätzlichen rechtspolitischen Bedenken, die gegen eine Etablierung des 227 Herkunftslandprinzips vorgebracht werden,967 kann diese Ansicht aber auch angesichts der klaren Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers für eine Marktortanknüpfung in Art. 6 Rom II-VO nicht überzeugen. Eine gewisse Erleichterung ergibt sich jedoch für den Bereich der Binnenmarkt-Onlinewerbung aufgrund des in Art. 3 der E-Commerce-Richtlinie968 etablierten Herkunftslandprinzips,969 das je nach Ansicht entweder das Marktortprinzip der Rom II-VO verdrängt970 oder aber zu einer Korrektur des nach dem kollisionsrechtlichen Marktortprinzip festgestellten Ergebnisses auf der Ebene des Sachrechts führt.971
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963 Dethloff JZ 2000, 179, 181; dies. S. 284; darauf bezugnehmend auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 492 und Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 27. 964 Dethloff S. 285; darauf bezugnehmend Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 492. 965 Dethloff JZ 2000, 179, 182; dies. S. 284. 966 Dethloff JZ 2000, 179, 182. 967 So trägt das Herkunftslandprinzip nicht nur die Gefahr der Absenkung bestehender Verhaltensstandards (race to the bottom) in sich, Konsequenz seiner Etablierung wäre auch, dass Anbieter auf demselben Markt unterschiedlichen Verhaltensregeln unterliegen, was einen Verstoß gegen den wettbewerbsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit aller Wettbewerber auf dem Markt bedeuten würde. Siehe hierzu beispielsweise Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 914; Spindler MMR-Beilage 7/2000, 4, 8; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 194; dies. MMR 2002, 203, 207; Lehmann ZUM 1999, 180, 181; Bodewig GRUR Int. 2000, 475, 482 f.; Fezer/Koos IPrax 2000, 349, 354; Hoeren MMR 1999, 192, 194. 968 RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt. 969 Zum Anwendungsbereich der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und dem dort verankerten kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzip siehe Rn. 118 ff. sowie Rn. 221. 970 Für ein kollisionsrechtliches Verständnis des Herkunftslandprinzips der E-CommerceRL, welches in seinem Anwendungsbereich das Marktortprinzip verdrängt, im Ergebnis: v. Bar/Mankowski § 3 Rn. 88; Höder S. 200 f.; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 17; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 912 f.; ders. ZVglRWiss 100 (2001), 137, 140 ff., 179 f.; ders. CR 2001, 630, 632; ders. IPRax 2002, 257, 257 f.; ders. EWS 2002, 401, 402 ff.; MünchKommUWG/ders. IntWettbR Rn. 48 ff.; Gierschmann DB 2000, 1315, 1316; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 134 ff.; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 198; Nickels DB 2001, 1919, 1922; Stagl ÖBl. 2004, 244, 251 f.; Thünken S. 83 ff.; ders. ICLQ 51 (2002), 909, 940 f.; ders. IPRax 2001,15, 19 f. 971 So im Ergebnis Ahrens CR 2000, 835, 837 f.; ders. FS Tilmann, S. 739, 745 f.; Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1252; Baetzgen Rn. 714 ff.; Dethloff S. 54; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72; Fezer/ Koos IPRax 2000, 349, 352; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 377, 555 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 32 ff.; ders. ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 864 ff.; Löffler WRP 2001, 379, 380; Sack WRP 2002, 271, 273; ders. WRP 2001, 1408, 1411, 1417 ff., 1425; ders. WRP 2008, 845, 855; vermittelnd i.S. eines „kollisionsrechtlichen Mindestgehalts“, da sich das Herkunftslandprinzip in der E-CommerceRL aus dem nationalen Recht ergibt, Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. Zum Streit um den kollisionsrechtlichen Gehalt siehe ausführlich Rn. 130 ff.
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Jenseits der erfassten Binnenmarktsachverhalte kann die Übernahme des europäischen Herkunftslandprinzips erst recht nicht überzeugen: Würde man das Prinzip als universell anwendbare kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung zur Anwendung bringen, würden die Staaten nicht nur ihre Regelungszuständigkeit für das wettbewerbliche Agieren im Internet weitgehend aufgeben, aufgrund der fehlenden Regelungsbefugnis des Gemeinschaftsgesetzgebers könnte darüber hinaus auch kein angemessener Schutz der inländischen Verbraucher gegen unlautere Wettbewerbshandlungen gewährleistet werden.972 4. Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO – Bilaterale Wettbewerbshandlungen
a) Anwendungsbereich und Normzweck. Art. 6 der Rom II-VO differenziert grundsätzlich zwischen marktbezogenem Wettbewerbsverhalten (Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO) und bilateralem, ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers beeinträchtigendem unlauterem Wettbewerbsverhalten (Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO), welches auch als „konkurrentenbezogen“ bzw. „betriebsbezogen“ bezeichnet wird973 und nach Ansicht der Kommission etwa bei der Abwerbung von Angestellten, bei Bestechung, Industriespionage, Preisgabe eines Geschäftsgeheimnisses oder einer Anstiftung zum Vertragsbruch vorliegt.974 Der Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen des unlauteren Wettbewerbs230 verhaltens kommt mit Blick auf die kollisionsrechtliche Beurteilung entscheidendes Gewicht zu: Während sich die Anknüpfung marktbezogenen Wettbewerbsverhaltens nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO in Abweichung von der allgemeinen deliktskollisionsrechtlichen Regelung des Art. 4 Rom II-VO nach dem Marktortprinzip richtet, erklärt Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO im Bereich bilateraler Wettbewerbsverstöße die allgemeine Kollisionsnorm des Art. 4 Rom II-VO für grundsätzlich anwendbar. Diese Verweisung auf das allgemeine Deliktskollisionsrecht in Art. 6 Abs. 2 Rom IIVO erlangt besondere Relevanz mit Blick auf Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO, der die Anwendbarkeit des gemeinsamen Heimatrechts ermöglicht sowie hinsichtlich Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO, der das Vertragsstatut eröffnet975 und die beide im Bereich der bilateralen Wettbewerbsverstöße anwendbar sind.976 Ausgeschlossen ist nach Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO jedoch – nach überwiegender Ansicht auch im Falle bilateraler Wettbewerbshandlungen977 – eine Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO.978 229
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b) Anknüpfung: Ausschließliche Beeinträchtigung von Individualinteressen. Die aufgrund der Verweisung mögliche Abweichung von der grundsätzlich maßgeblichen Marktortanknüpfung nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO wird überwiegend als rechtspolitisch nicht unproblematisch angesehen,979 weshalb der Abgrenzung zwischen marktbe-
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972 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 163. 973 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.44; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 653; Huber/Bach IPRax 2005, 73, 78. 974 KOM (2003) 427 endg., S. 18. Kritisch zur getroffenen Differenzierung: Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 166; siehe ausführlich zu Art. 6 II Rom II-VO Sack GRuR Int. 2012, 601. 975 Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 119. 976 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.45; Sack WRP 2008, 845, 847; Sack WRP 2008, 1405, 1413. 977 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 158; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 671; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 238 f.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 160. 978 Vgl. hierzu auch Rn. 188 f., 262 ff. 979 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 158; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 166.
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zogenem und konkurrentenbezogenem unlauterem Wettbewerbsverhalten besondere Bedeutung zukommt.980 Umstritten ist die Differenzierung insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch bilaterale Wettbewerbshandlungen einen Marktbezug aufweisen, denn ein solcher ist jeder Wettbewerbshandlung bereits begrifflich immanent.981 Darüber hinaus wird auch Kritik an dem im Entwurfsvorschlag geäußerten Kriterium des Abzielens auf einen bestimmten Mitbewerber geäußert. Dieses sei zur Eingrenzung nicht geeignet, da einige Formen unlauteren Wettbewerbsverhaltens auf einen bestimmten Wettbewerber zielen und dies dennoch vor allem durch Handeln gegenüber Abnehmern und damit auf einem Markt geschehe.982 Nicht zuletzt verschlechtere jede Wettbewerbshandlung, die sich gezielt gegen einen Wettbewerber richte, dessen Wettbewerbsposition983 und habe daher zugleich eine wettbewerbsverzerrende Wirkung,984 da das Gleichgewicht des Leistungswettbewerbs gestört werde. 985 Zudem könnte ein vorschnelles Abweichen von der Marktortanknüpfung zugunsten des Rechts am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt das Gebot der Wettbewerbsgleichheit (par conditio concurrentium) am Marktort gefährden.986 Vereinzelt wird daher vorgeschlagen, den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO sehr eng zu fassen und auch Verhaltensweisen, die grundsätzlich als betriebsbezogen oder bilateral eingestuft werden, der wettbewerbskollisionsrechtlichen Anknüpfung nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO zu unterstellen.987 Diese Herangehensweise ist jedoch nicht unproblematisch, denn unabhängig von 232 der aus rechtspolitischer und systematischer Sicht durchaus nachvollziehbaren Kritik, muss Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO als unmittelbar geltendes Recht vom Forumstaat angewendet werden, wobei dieser auch darauf zu achten hat, dass die enge Auslegung nicht dazu führen darf, dass der Norm letztlich kein Anwendungsspielraum mehr verbleibt.988 Dies wäre jedoch der Fall, wenn man unter Hinweis darauf, dass auch die von der Kommission als bilateral eingestuften Wettbewerbshandlungen notwendigerweise einen Marktbezug aufweisen989 und damit Drittinteressen berühren, die Anwendbarkeit der Vorschrift grundsätzlich verneinen will. Zwar ist den Kritikern zuzugestehen, dass auch die von der Kommission genannten bilateralen Wettbewerbshandlungen negative Auswir-
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980 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 158. 981 Vgl. Sack WRP 2008, 845, 850; ders. GRUR Int. 2012, 601, 603. Ähnlich auch Lindacher GRUR Int. 2008, 453, 457 sowie BGH v. 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66, 69 = GRUR 2010, 847, 849 – Ausschreibung in Bulgarien sowie MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 150. Ähnlich auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 666. 982 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 150. 983 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 327. 984 BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 19 – Ausschreibung in Bulgarien unter Verweis auf MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 144. 985 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 327. 986 Hierauf weist auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 150 hin. 987 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 656 verweisen diesbezüglich beispielsweise auf die Fallgruppe der Rufschädigung, „bei der neben dem individuellen Interesse des geschädigten Unternehmens zugleich das Interesse der Allgemeinheit am Schutz des Leistungswettbewerbs tangiert ist.“ Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 166 lehnen die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO auf bilaterale Wettbewerbshandlungen gänzlich ab. 988 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 149; kritisch dazu, aber im Ergebnis übereinstimmend Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 665. 989 So auch BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 19 – Ausschreibung in Bulgarien.
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kungen auf einen bestimmten Markt haben können,990 dennoch ist ihr Marktbezug meist nur ein mittelbarer,991 da bilaterale Wettbewerbshandlungen primär die Individualinteressen eines Mitbewerbers berühren992 und sich auf ein unmittelbar identifizierbares Opfer beziehen.993 Zudem sind auch besondere Interessen des Geschädigten oder des Schädigers, die eine Anknüpfung an das Marktortrecht erfordern würden, nicht ersichtlich.994 Auch wenn mithin durchaus Zurückhaltung bei der Anwendung des Art. 6 Abs. 2 233 Rom II-VO geboten ist – schließlich macht schon der Gemeinschaftsgesetzgeber durch das Wort „ausschließlich“ klar, dass insoweit eine grundsätzlich eng auszulegende Ausnahmevorschrift vorliegt995 –, müssen im Ergebnis dennoch jedenfalls die von der Kommission genannten Wettbewerbshandlungen (Abwerbung von Angestellten, Bestechung, Industriespionage, Verrat von Geschäftsgeheimnissen und Verleitung zum Vertragsbruch) dem allgemeinen Deliktsstatut gemäß Art. 4 Rom II-VO unterstellt werden.996 Liegt allerdings ein unmittelbarer Marktbezug vor, wie in den Fällen der vergleichenden Werbung, des Boykottaufrufs oder der Anschwärzung eines Mitbewerbers, ist der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO nicht eröffnet und es bleibt bei der Grundregel des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO.997 In diesen Fällen sind neben den Individualinteressen auch Drittinteressen, insbesondere das Interesse der Allgemeinheit am Schutz des Leistungswettbewerbs betroffen.998
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990 Vgl. Sack WRP 2008, 845, 850. Ähnlich auch Lindacher GRUR Int. 2008, 453, 457 sowie BGH v. 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 19 – Ausschreibung in Bulgarien sowie MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 150. 991 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 362 sowie BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 19 – Ausschreibung in Bulgarien, stellen insofern fest, dass den unternehmensbezogenen Eingriffen die „unmittelbar marktvermittelte Einwirkung auf die geschäftlichen Entscheidungen der ausländischen Marktgegenseite“ fehlt, welche eine abweichende Anknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht ausschließen würde. Liegt eine unmittelbar marktvermittelte Einwirkung auf die geschäftlichen Entscheidungen der ausländischen Marktgegenseite jedoch vor, wie im Falle der Anschwärzung eines Mitbewerbers oder von Boykottaufrufen gegen einen Mitbewerber, so bleibe die Grundanknüpfung nach Art. 6 I Rom II-VO anwendbar. Siehe auch Glöckner WRP 2011, 137, 139 sowie Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 656. 992 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 362. Die „Bilarität“ betonend: KOM (2003) 427 endg., S. 18; Huber/Bach IPRax 2005, 73, 78; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729. Ähnlich auch Staudinger/Fezer/ Koos IntWIR Rn. 656. 993 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 362. 994 So Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 730 f., die darauf hinweisen, dass in den Fällen bilateraler Wettbewerbverstöße der Erfolg oftmals ein Vermögensschaden sein wird, der am Ort der Niederlassung des Geschädigten eintritt. 995 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 149; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 166; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 665. 996 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 666; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.44 nennt als weitere „bilaterale Handlungen“ noch Sabotageakte gegenüber dem Mitbewerber, wie die Beschädigung oder Zerstörung von Betriebseinrichtungen, Rohstoffen oder Waren. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 326 nennen zudem kreditgefährdende Behauptungen nach § 824 BGB sowie die bloße Produktnachahmung, solange das Nachahmungsstück noch nicht auf den Markt gelangt ist. Siehe zu den einzelnen Fallgruppen auch Sack GRUR Int. 2012, 601, 606 f. 997 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 150; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.44; BGH 11.2.2010 – I ZR 85/08 – BGHZ 185, 66 = GRUR 2010, 847 Tz. 19 – Ausschreibung in Bulgarien. 998 So auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 665 mit Blick auf die Rufschädigung sowie Fezer/ Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 326 mit Blick auf Anschwärzung und Boykottaufruf (kritisch zudem auch mit Blick auf die Betriebsspionage); Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.44 nennt zudem noch den Fall des Aussprechens einer unbegründeten Schutzrechtsverwarnung gegenüber Abnehmern des Produkts eines Mitbewerbers; s. hierzu auch Sack GRUR Int. 2012, 601, 604.
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c) Verweis auf Art. 4 Rom II-VO aa) Maßgeblichkeit des Erfolgsortes. Ist aufgrund der Verweisung in Art. 6 Abs. 2 234 Rom II-VO für „bilaterale“ Wettbewerbshandlungen mithin grundsätzlich das allgemeine Deliktskollisionsrecht nach Art. 4 Rom II-VO maßgeblich, so bedeutet dies, dass allein auf den Ort des unmittelbaren Schadenseintritts (Erfolgsort) abzustellen ist, und weder der Handlungsort noch der Ort, an dem indirekte Schadensfolgen eingetreten sind, maßgeblich sind.999 Unklar ist allerdings, wie der Erfolgsort bei bilateralen Wettbewerbsverstößen genau 235 zu bestimmen ist,1000 da theoretisch die Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmens überall dort gestört ist, wo dieses tätig ist.1001 Auch wenn eine bilaterale Wettbewerbshandlung vorliegt, kommt es auf den Märkten zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen, auf denen die betroffenen Akteure miteinander in Wettbewerb treten. Wäre dies allerdings für die Anknüpfung relevant, hätte es keiner Abweichung von der Grundregel des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO bedurft. Darüber hinaus dient Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO primär dem Schutz des einzelnen Wettbewerbers, der durch eine unternehmensbezogene unlautere Wettbewerbshandlung in seiner Wettbewerbsstellung beeinträchtigt wird.1002 Würde man jedoch die Beeinträchtigung überall dort lokalisieren, wo dieser wettbewerblich tätig wird, käme dies einem objektiven Schutz des Wettbewerbs gleich1003 und stünde in Widerspruch zur Schutzintention des Art. 6 Abs. 2 Rom IIVO. Aus diesem Grund ist der Schaden bzw. der Nachteil, der aufgrund des bilatera- 236 len Wettbewerbsverstoßes entstanden ist, grundsätzlich am Sitz des geschädigten Unternehmens oder der geschädigten Niederlassung angemessen zu lokalisieren,1004 schließlich ist das der Ort, von dem aus die Geschäfte geführt werden. Dieses Ergebnis wird auch in der Literatur überwiegend vertreten.1005 Zwar finden sich auch kritische Stimmen, die betonen, dass ein solches Verständnis der maßgeblichen Prämisse der Rom II-VO widerspreche, wonach Vermögensschäden als indirekte Schäden im Anwendungsbereich der Verordnung unerheblich sein sollen,1006 weshalb allein eine Anknüpfung an den Ort der Behinderung der Betriebstätigkeit1007 bzw. an den Ort der Beeinträchtigung der Wettbewerbsbeziehungen bzw. der Wettbewerbsstellung angemessen erscheine.1008 Nichtsdestotrotz muss der Ort, an dem sich das geschädigte Unternehmen
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999 Dies ist auch sachgerecht, denn eine Anknüpfung an den Ort der Handlung erscheint im Bereich wettbewerblichen Agierens eher zufällig und daher unangemessen. So auch zur noch alten deutschen Regelung Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 117; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.45. 1000 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 157. 1001 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 659. Ähnlich auch Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 119. 1002 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 157. 1003 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 157. 1004 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 157; Sack WRP 2008, 845, 850; Lindacher GRUR Int. 2008, 453, 457; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 16. Kritisch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 662; Fezer/ Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 326; s. hierzu auch Oberster Gerichtshof 9.8.2011 – 17 Ob 6/11 y alcominternational.at, GRUR Int. 2012, 464 sowie Oberster Gerichtshof 20.9.2011 – 4 Ob 12/11 K HOBAS-Rohre, GRUR Int. 2012, 468. 1005 Sack WRP 2008, 845, 850; Lindacher GRUR Int. 2008, 453, 457; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 16. Kritisch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 662; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 326. 1006 Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 118. 1007 Briem S. 65. 1008 In diesem Sinne wohl kritisch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 662 sowie Harte/Henning/ Glöckner Einl. C Rn. 119.
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befindet, als Ausgangspunkt der Individualinteressen des geschädigten Unternehmens angesehen werden. 237
bb) Anknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht. Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO erklärt alle Regelungen des Art. 4 Rom II-VO für anwendbar, weshalb anders als im Bereich der marktbezogenen Wettbewerbsverstöße1009 ein Rückgriff auf das Recht des gemeinsamen Aufenthaltsortes erlaubt ist, sofern sowohl die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, als auch die geschädigte Person zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben.1010 Vorrangig vor dem Recht des Erfolgsortes ist damit nach Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes anwendbar, welcher durch Art. 23 Rom II-VO eine Präzisierung erfährt. Nach Art. 23 Abs. 1 Rom II-VO ist der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen der Ort ihrer Hauptverwaltung. Im Falle von unlauteren Wettbewerbshandlungen, die sich gegen eine Zweigniederlassung, eine Agentur oder eine sonstige Niederlassung richten, steht nach Art. 23 Abs. 2 Rom II-VO dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Ort gleich, an dem sich diese Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung befindet. Handelt es sich um eine natürliche Person, die im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit handelt, bestimmt Art. 23 Abs. 2 Rom II-VO, dass der Ort ihrer Hauptniederlassung der gewöhnliche Aufenthalt i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO ist.
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cc) Ausweichklausel und akzessorische Anknüpfung. Ebenso kann auch die allgemeine Ausweichklausel nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO sowie die Möglichkeit der akzessorischen Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II-VO aufgrund des engen Verweisungsrahmens nur in Fällen „bilateraler“ Wettbewerbshandlungen Relevanz erlangen. Dies ist auch unmittelbar einleuchtend, denn in den Fällen marktbezogener Wettbewerbshandlungen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO stellt die Anknüpfung an den Marktort als den Ort der wettbewerblichen Interessenkollision bereits die engste Verbindung in lauterkeitsrechtlichen Sachverhalten her, weshalb keine Korrektur des Ergebnisses erforderlich ist.1011 Ebenfalls kommt eine akzessorische Anknüpfung an ein zwischen den Beteiligten bestehendes Vertragsverhältnis in diesen Fällen nicht in Betracht.1012 Zudem wird die Bedeutung der Ausweichklausel auch mit Blick auf bilaterale Wettbewerbsverstöße eher gering sein, denn die Anknüpfung an den Erfolgsort und den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt wird bereits die meisten Fallkonstellationen erfassen.1013 5. Die wettbewerbskollisionsrechtliche Anknüpfung im Einzelfall
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a) Typologie wettbewerbsrechtlich relevanter Handlungen. In der Vergangenheit gab es verschiedene Versuche, lauterkeitsrechtlich relevante Verhaltensweisen zu
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1009 Sack WRP 2008, 845, 847; KOM (2003) 427 endg., S. 18; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 666; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 125; Glöckner WRP 2011, 137, 142, der einen unmittelbaren Rückgriff auf Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO aus teleologischen Gründen ablehnt. 1010 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 164; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 663. 1011 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 667. 1012 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 256. 1013 So auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 157.
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typologisieren. So wurde zum einen zwischen marktbezogenen und nicht marktbezogenen, sog. betriebsbezogenen bzw. bilateralen Wettbewerbsverstößen differenziert.1014 Diese Unterscheidung sollte auch für die kollisionsrechtliche Beurteilung bedeutsam sein, denn während die marktortspezifische Anknüpfung nur auf marktbezogene Wettbewerbsverstöße Anwendung finden sollte, wurde für bilateral wirkende Wettbewerbsverstöße das allgemeine Deliktsstatut favorisiert.1015 Auch wenn diese Differenzierung nicht unumstritten ist,1016 so trägt ihr nunmehr doch auch der europäische Gesetzgeber mit Art. 6 Rom II-VO Rechnung: Während Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO das anwendbare Recht bei marktbezogenen unlauteren Wettbewerbshandlungen nach dem Marktortprinzip bestimmt, sieht Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO für Fälle rein bilateraler Verhaltensweisen eine Anknüpfung an das allgemeine Deliktsstatut nach Art. 4 der Rom II-VO vor. Darüber hinaus finden sich aber auch Bemühungen, eine Strukturierung entsprechend der im Wettbewerbsrecht zu Grunde liegenden wettbewerbsrechtlichen Schutzrichtungen vorzunehmen. Ausgehend von der Trias der Interessenkreise der Wettbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit wurde versucht, Wettbewerbshandlungen in die Gruppe der Konkurrentenbeeinträchtigung sowie der Beeinträchtigung der Abnehmer und der Allgemeinheit einzuteilen.1017 Allerdings sind diese Systematisierungsversuche nicht nur angesichts der Vielfalt 240 denkbarer Wettbewerbsrechtsverstöße kritisch zu betrachten,1018 vielmehr können sie auch vor dem Hintergrund nicht überzeugen, dass eine Verflechtung der verschiedenen Interessen dem Wettbewerbsrecht geradezu immanent zu sein scheint und nur in den seltensten Fällen ganz klar ausgemacht werden kann, ob es sich um eine Verletzung objektiver Verhaltensnormen handelt, die dem Schutz der Konkurrenten, dem der Verbraucher oder aber dem Schutz sonstiger Allgemeininteressen dienen.1019 Eine Typologisierung ausgehend von der dem Wettbewerbsrecht zu Grunde liegenden Schutzzwecktrias erscheint mithin nicht zielführend.1020 Aus diesem Grund soll an dieser Stelle kein erneuter Versuch einer Systematisierung unternommen werden, vielmehr sollen nur jene Fallgruppen näher spezifiziert und dargestellt werden, die auch in der Praxis die größte Relevanz haben und regelmäßig zu Diskussionen führen.
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1014 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 688; in diesem Sinne MünchKommBGB/Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 235 f.; Sack WRP 2000, 269, 272 f.; Dethloff S. 73 f.; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 315 m.w.N. 1015 MünchKommBGB/Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 235 f.; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 315 ff. 1016 Gegen eine Anknüpfung an das Deliktsstatut: Bernhard Internationales Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs, S. 274 ff., 281 (Recht am Ort der beeinträchtigten Produktion); Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 212 f. (Sitz des betroffenen Unternehmens). 1017 MünchKommBGB/Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 243 ff. 1018 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 178. 1019 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 177; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 328; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 688; siehe hierzu auch MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 109 ff. 1020 So auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 688; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 178.
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b) Fallgruppen aa) Unlautere Werbung (1) Der Begriff der unlauteren Werbung. Die wohl wichtigste Wettbewerbshandlung stellt in der Praxis die Werbung dar, weshalb sie auch als Ausgangspunkt der folgenden Darstellung wettbewerbsrechtlicher Fallkonstellationen dienen soll. Der Begriff der Werbung, der auch im neuen UWG nicht definiert wird, erhält dabei unter Rückgriff auf das gemeinschaftsrechtliche Sekundärrecht die nötigen Konturen. Nach Art. 2 Nr. 1 der Irreführungsrichtlinie (RL 2006/114/EG – ABl. EG L376, S. 21 ff.) unterfällt dem Begriff der Werbung „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern“.1021 Art. 2f der E-Commerce-Richtlinie1022 erweitert den Begriff dahingehend, dass alle Formen der kommerziellen Kommunikation umfasst sind, „die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt.“ Unter den Begriff der Werbung fällt mithin grundsätzlich jede den Absatz fördernde geschäftliche Kommunikationshandlung.1023 Die Unlauterkeit einer solchen Werbemaßnahme kann sich dabei aus verschie242 denen Gründen ergeben. Zu nennen ist hier beispielsweise die irreführende Werbung, die ebenfalls in unterschiedlicher Form vorliegen kann: Irreführung über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG) bzw. des werbenden Unternehmens (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG), den Verkaufsanlass (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG), den Preis (§ 5 Abs. 4 UWG) oder aber beispielsweise die Irreführung in Form des Verschweigens von Tatsachen (§ 5a UWG). Unlauter kann eine Werbung aber auch sein, weil der Werbecharakter der geschäftlichen Handlung verschleiert ist (verdeckte Werbung oder Schleichwerbung, § 4 Nr. 3 UWG) oder es sich um einen Fall der unlauteren vergleichenden Werbung handelt (§ 6 UWG). Nicht zuletzt fallen in den Bereich der unlauteren Werbung auch absatzfördernde Maßnahmen, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Art und Weise oder durch sonstigen unangemessenen, unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen (§ 4 Nr. 1 UWG) sowie Fälle, in denen die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen oder aber die Zwangslage von Verbrauchern ausgenutzt wird (§ 4 Nr. 2 UWG). Gerade in den letztgenannten Konstellationen, in denen in psychologisch bedenklicher Weise auf die Kaufentscheidung Einfluss genommen werden soll, sind die Interessen der Abnehmer sowie der Verbraucher am Markt in besonderem Maße tangiert.1024 Unlauter und insofern abnehmerbeeinträchtigend ist eine Werbung aber nicht zuletzt auch dann, wenn sie in unzumutbarer Weise belästigt (§ 7 UWG), was beispielsweise der Fall ist, wenn sie entgegen des erkennbaren Willens des Verbrauchers (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG) oder aber im Falle von Telefonwerbung ohne die Einwilligung des Angerufe241
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1021 1022 1023 1024
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Siehe auch RL 84/450/EWG – ABl. EG L 250 v. 10.9.1984 S. 17 ff. RL 2000/31/EG – ABl. EG L 178 v. 17.7.2000, S. 1 ff. So auch Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 202. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 267.
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nen erfolgt (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Ebenfalls eine unzumutbare Belästigung stellt die unaufgeforderte Fax- und E-Mail-Werbung dar (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG). (2) Die Relevanz des Werbemarktes. Da es sich in den Fällen der unlauteren Wer- 243 bung um marktortbezogene Wettbewerbsmaßnahmen handelt, muss bei der kollisionsrechtlichen Bewertung die nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO maßgebliche Anknüpfung an den Marktort zu Grunde gelegt werden.1025 Dies bedeutet, dass der Ort ermittelt werden muss, auf dem die wettbewerblichen Interessen kollidieren. Werbung dient der Absatzförderung und bezweckt eine Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit und das wirtschaftliche Handeln der Abnehmer.1026 Diese sollen durch die Werbemaßnahme dazu bestimmt werden, sich möglichst für die vom Werbenden angepriesenen Produkte und Dienstleistungen zu entscheiden. Das Wettbewerbsrecht schützt die Adressaten – wie die oben dargestellten Fallgruppen eindeutig zeigen – hierbei insbesondere vor einer Irreführung, unzumutbaren Belästigungen oder aber der Ausübung von Druck. Gleichzeitig werden durch das Lauterkeitsrecht die auf dem Werbemarkt aktiven Konkurrenten vor einer Benachteiligung beispielsweise durch kritische vergleichende Werbemaßnahmen geschützt. Und nicht zuletzt ist im Falle einer unlauteren Werbung stets auch das Interesse der Allgemeinheit am Bestand eines unverfälschten Wettbewerbs tangiert.1027 Zwar zielen die Interessen der Abnehmer, der Konkurrenten und der Allgemeinheit dabei nicht immer in dieselbe Richtung, so können beispielsweise die Verbraucher durchaus ein Interesse an einer wahrheitsgemäß vergleichenden Werbung haben, während eine solche dem Interesse der Konkurrenten regelmäßig entgegen läuft.1028 Nichtsdestotrotz zeigt eine Analyse der in Fällen absatzfördernder Maßnahmen tangierten Interessen, dass diese stets auf dem Markt liegen, auf welchen durch die konkrete Werbemaßnahme eingewirkt werden soll.1029 An diesem Ort soll das Wettbewerbsrecht unlauteres Konkurrenzverhalten verhindern und die Kunden als Marktteilnehmer vor unlauteren Wettbewerbsmaßnahmen schützen.1030 Der Ort der Einwirkung auf die Entschließung der Kunden ist mithin der Ort, an 244 dem die maßgeblichen Interessen des Werbenden mit denen der irregeführten oder in sonstiger unlauterer Form beeinflussten oder belästigten Marktteilnehmer sowie auch mit jenen konkurrierender Unternehmen kollidieren. Nicht zuletzt bezieht sich auch das Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerbsrecht auf diesen Ort, denn die Allgemeinheit ist daran interessiert, dass eine zur Verfälschung des Leistungswettbewerbs auf diesem Markt geeignete unlautere Werbung verhindert wird.1031 Festgehalten werden kann daher, dass im Falle unlauterer Werbung grundsätzlich 245 das Recht des Landes Anwendung findet, in welchem mittels Werbung oder durch sonstige Maßnahmen auf die Entscheidung des Kunden Einfluss genommen und auf dessen Entschließung eingewirkt werden soll. Maßgeblich ist folglich das Recht des Werbe-
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1025 Siehe zum relevanten Marktortprinzip ausführlich Rn. 211 ff. 1026 BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11 ff. = GRUR 1991, 463 ff. – Kauf im Ausland; Vorauflage/ Schricker Einl. Rn. F 202. 1027 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 269. 1028 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. Rn. 270; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 202. 1029 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 203; MünchKommBGB/Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 234, 241, 244; Sack GRUR Int. 1988, 320, 322 ff.; Wirner S. 111 f. 1030 BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 15 = GRUR 1991, 463, 464 – Kauf im Ausland. 1031 BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 15 = GRUR 1991, 463, 464 f. – Kauf im Ausland; Fezer/ Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 270.
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marktes.1032 Dies bedeutet, dass in Fällen des „Werbeexportes“ der Marktort (Werbemarkt) in der Regel im Ausland liegen wird, was die Anwendbarkeit ausländischen Rechts zur Folge hat, während in Fällen des „Werbeimportes“ das inländische Recht zum Zuge kommt.1033 Dies gilt auch dann, wenn der spätere Absatz der Ware auf einem anderen Markt 246 stattfinden soll.1034 Zwar ist in diesen Konstellationen auch das Absatzinteresse anderer Wettbewerber auf diesem Markt berührt, allerdings handelt es sich insoweit nur um Auswirkungen des Werbeverhaltens, welches unter Zugrundelegung des Marktortsprinzips nach dem Recht des Werbemarktes beurteilt wird.1035 Das heißt: Liegen der Werbemarkt und der Absatzmarkt, also der Ort, an dem die mit Blick auf die Waren oder Dienstleistungen relevanten Absatzhandlungen stattfinden sollen, nicht in demselben Staat,1036 ist folglich nach überwiegender Auffassung allein das Recht des Werbemarktes maßgeblich.1037 Der Absatzmarkt ist insofern ohne Belang.1038 Unerheblich ist ebenso, wo die betreffenden Waren hergestellt worden sind und/oder aus welchem Land sie exportiert wurden.1039 Auch die Staatsangehörigkeit, der Ort des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts der angesprochenen Abnehmer sowie der Ort, an dem Vorbereitungshandlungen stattgefunden haben oder ein möglicher Schaden eingetreten ist, sind bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts ohne Relevanz.1040 Der Werbemarkt als Ort der wettbewerblichen Interessenkollision ist darüber hinaus 247 auch unabhängig vom eingesetzten Medium der für die kollisionsrechtliche Beurteilung relevante Markt.1041 Dies gilt sowohl für Fälle der Direktwerbung, Anzeigen in Zei-
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1032 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 269 f.; Ahrens FS Tilmann, S. 739, 751; Deutsch S. 62 f., Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 203; Kotthoff CR 1997, 676, 677; Kropholler IPR § 53 VI; MünchKommBGB/ Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 244; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 317 f., 320; Piper/Ohly/ Sosnitza Einf. B Rn. 15; Sack GRUR Int. 1988, 320, 322 ff.; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 334; Wirner S. 111 f. So auch schon BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11 ff. = GRUR 1991, 463 ff. – Kauf im Ausland. S. auch bereits Ulmer Immaterialgüterrechte, S. 21. 1033 Ahrens FS Tilmann S. 739, 751. 1034 BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 15 = GRUR 1991, 463, 465 – Kauf im Ausland. 1035 BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 15 f. = GRUR 1991, 463, 465 – Kauf im Ausland; Sack GRUR Int. 1988, 320, 323 ff. m.w.N. 1036 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Werbemaßnahmen auf einem ausländischen Markt auf deutsche Kunden einwirken, der Absatz der Waren allerdings ausschließlich in Deutschland erfolgt. Siehe hierzu BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11 ff. = GRUR 1991, 463 ff. – Kauf im Ausland. Werbe- und Absatzmarkt fallen aber auch dann auseinander, wenn in Deutschland irreführend für ein ausländisches Produkt mit dem Ziel geworben wird, deutsche Kunden für den Erwerb des in Deutschland nicht erhältlichen ausländischen Produkts zu gewinnen. Siehe hierzu BGH 3.12.1971 – I ZR 46/69 – GRUR 1972, 367, 368 – Besichtigungsreisen I. 1037 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 689; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 277 ff.; Ahrens FS Tilman, S. 739, 751; Deutsch S. 62 f.; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 204; Sack GRUR Int. 1988, 320, 323 ff.; s. auch BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 14 f. = GRUR 1991, 463, 464 f. – Kauf im Ausland. 1038 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 689; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 277 ff. So auch schon BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 15 f. = GRUR 1991, 463, 465 – Kauf im Ausland. 1039 Aus diesem Grund hat der BGH schon in seiner Entscheidung „Kindersaugflauschen“, BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329 ff. = GRUR 1962, 243 ff. m. Anm. Filseck, Ansprüche eines USamerikanischen Herstellers von Kindersaugflaschen gegen einen deutschen Nachahmer aus dem deutschen UWG abgewiesen, da dieser die Flaschen zwar in Deutschland hergestellt, jedoch ausschließlich im Ausland auf den Markt gebracht hatte. Wird jedoch zugleich eine Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums geltend gemacht, ist ebenfalls Art. 8 Rom II-VO zu beachten, der das Recht des Landes beruft, für dessen Territorium Schutz beansprucht wird. 1040 So auch schon BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 15 = GRUR 1991, 463, 465 – Kauf im Ausland. 1041 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 275; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 203.
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tungen und Zeitschriften, Postwurfsendungen, Kinowerbung, Plakatanschläge sowie für Katalogwerbung.1042 Nur die Fernsehwerbung unterliegt teilweise dem in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste1043 niedergelegten Sendelandprinzip (Herkunftslandprinzip), was zur Folge hat, dass das Recht des Sendestaates anzuwenden ist. 1044 Allerdings unterfällt insbesondere der in der Praxis relevante Fall der irreführenden Werbung nach wie vor der Anknüpfung an das Recht des Werbemarktes.1045 Geht man entgegen der hier vertretenen Auffassung1046 von einem kollisionsrechtlichen Gehalt der E-Commerce-Richtlinie aus,1047 unterfallen zudem – jedenfalls im Anwendungsgebiet der Richtlinie – alle Formen der kommerziellen Kommunikation im Online-Bereich dem in Art. 3 Abs. 1 E-Commerce-Richtlinie niedergelegten Herkunftslandprinzip,1048 wonach grundsätzlich das Recht des Staates anwendbar ist, in welchem der Diensteanbieter seine Tätigkeit ausübt. Ausgenommen ist jedoch der im Anhang der E-Commerce-Richtlinie explizit genannte Fall nicht angeforderter kommerzieller Kommunikationen mittels EMail. Probleme ergeben sich mit Blick auf Werbemaßnahmen jedoch auch in Fällen des 248 Multistate-Wettbewerbs, insbesondere im Kontext der Internetwerbung, aber auch im Bereich der Printmedien und des Rundfunks, denn die Zugrundelegung des nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO maßgeblichen Marktortprinzips, wonach jeder Ort Relevanz erlangt, an dem die Werbung auf die Marktgegenseite einwirkt, führt zur Maßgeblichkeit einer Vielzahl von Rechtsordnungen.1049 Nach richtiger Ansicht1050 kommt es in diesen Fällen auf
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1042 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 203; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 275. 1043 RL über audiovisuelle Mediendienste. 1044 Siehe zum kollisionsrechtlichen Gehalt des Herkunftslandprinzips der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste Rn. 118 ff. 1045 EuGH 9.7.1997 – C-34/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913 ff. – De Agostini. In dieser Entscheidung fasste der EuGH den Begriff des koordinierten Bereichs der Fernseh-Richtlinie sehr eng. Diese regele zwar auch werberechtliche Fragen – außerhalb des koordinierten Bereichs fallen jedoch jene Regelungen, die nicht spezifisch die Tätigkeit von Fernsehanstalten betreffen und vielmehr allgemein der Lauterkeit des Handelsverkehrs und dem Verbraucherschutz dienen, wie beispielsweise die irreführende Werbung; in diesem Sinne auch Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 5.23; Sack WRP 2000, 269, 284; Staudinger/ Fezer/Koos IntWIR Rn. 570; vgl. auch Micklitz/Keßler GRUR Int. 2002, 885, 888 f.; MünchKommUWG/ Mankowski IntWettbR Rn. 101. Kritisch dagegen Blasi S. 237 ff. 1046 Siehe hierzu Rn. 138 ff. 1047 So jedenfalls v. Bar/Mankowski § 3 Rn. 88; Höder S. 200 f.; Leible/Engel EuZW 2004, 7, 17; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 912 f.; ders. ZVglRWiss 100 (2001), 137, 140 ff., 179 f.; ders. CR 2001, 630, 632; ders. IPRax 2002, 257, 257 f.; ders. EWS 2002, 401, 402 ff.; MünchKommUWG/ders. IntWettbR Rn. 48 ff.; Gierschmann DB 2000, 1315, 1316; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 134 ff.; Lurger/Vallant RIW 2002, 188, 198; Nickels DB 2001, 1919, 1922; Stagl ÖBl. 2004, 244, 251 f.; Thünken S. 83 ff.; ders. ICLQ 51 (2002), 909, 940 f.; ders. IPRax 2001,15, 19 f.; a.A. Ahrens CR 2000, 835, 837 f.; ders. FS Tilmann, S. 739, 745 f.; Apel/Grapperhaus WRP 1999, 1247, 1252; Baetzgen Rn. 714 ff.; Dethloff S. 54; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 72; Fezer/Koos IPRax 2000, 349, 352; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 377, 555 ff.; Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 32 ff.; ders. ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Halfmeier ZEuP 2001, 837, 864 ff.; Löffler WRP 2001, 379, 380; Sack WRP 2002, 271, 273; ders. WRP 2001, 1408, 1411, 1417 ff., 1425; ders. WRP 2008, 845, 855; vermittelnd i.S. eines „kollisionsrechtlichen Mindestgehalts“, da sich das Herkunftslandprinzip in der E-CommerceRL aus dem nationalen Recht ergibt Ohly GRUR Int. 2001, 899, 902. Zum Streit um den kollisionsrechtlichen Gehalt der E-CommerceRL siehe ausführlich Rn. 130 ff. 1048 Art. 3 Abs. 1 enthält eine Regelung, wonach jeder Mitgliedstaat dafür Sorge zu tragen hat, „dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen“. Absatz 2 ergänzt, dass die Mitgliedstaaten „den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken (dürfen), die in den koordinierten Bereich fallen“. 1049 Siehe hierzu ausführlich Rn. 219 ff., 211 ff. 1050 Siehe hierzu ausführlich Höder S. 60 ff.
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die Spürbarkeit der Wettbewerbsmaßnahme an, denn es ist davon auszugehen, dass dem Begriff der Beeinträchtigung nach Art. 6 Rom II-VO von vornherein ein Aspekt der Spürbarkeit innewohnt,1051 jedenfalls aber in diesen hineinzulesen ist.1052 Diese Wesentlichkeitsschwelle ist im Rahmen der kollisionsrechtlichen Begutachtung bei der Beantwortung der Frage, ob eine Wettbewerbshandlung geeignet ist, die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher zu beeinträchtigen, zu prüfen und durch eine umfassende Bewertung objektiver quantitativer und wertender1053 Indizien zu bestimmen.1054 Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls nicht schon jeder noch so kleine Bezug zum Marktort die Anwendbarkeit des dortigen Rechts zur Folge haben.1055 Als maßgeblich für die Prüfung, ob eine Wettbewerbsmaßnahme auf dem konkreten Markt spürbar ist, werden dabei insbesondere mit Blick auf Internetsachverhalte folgende Beurteilungskriterien angesehen: die konkrete Gestaltung von Websites,1056 vor allem mit Blick auf die Angabe von Preisen in unterschiedlichen Währungen und Zahlungsoptionen; 1057 die Verwendung unterschiedlicher nationaler Telefax- oder Telefonnummern als mögliche Kontaktdaten;1058 der Einsatz unterschiedlicher Sprachen;1059 die angebotenen Versandmodalitäten;1060 die Natur des beworbenen Produkts;1061 die Angebotsstruktur;1062 Vertriebsbeschränkungen;1063 die Platzierung der Internet-Werbung;1064 die Bezugnahme auf die jeweilige Internetwerbung im Rahmen anderer inländischer Werbemaßnahmen;1065
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1051 So in aller Deutlichkeit MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 173. 1052 Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 729. 1053 Harte/Henning/Glöckner Einl. C Rn. 160. 1054 Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 921; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 720. 1055 Siehe hierzu Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 24; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 342, die beispielsweise die zufällige Verbreitung einer Zeitschrift oder die schlichte Abrufbarkeit einer Internetseite nennen. Auch schon nach autonomem deutschem Wettbewerbskollisionsrecht war anerkannt, dass eine spürbare Auswirkung auf den Markt erforderlich ist. 1056 Dazu ausführlich Mankowski GRUR Int. 1999, 915, 917 ff.; Dethloff NJW 1998, 1596, 1600. 1057 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 918; Dethloff NJW 1998, 1596, 1600. Allerdings nimmt die Aussagekraft dieses Kriteriums angesichts der Internationalisierung der Zahlungsmodalitäten und der damit verbundenen Zunahme an Zahlungsmöglichkeiten per Kreditkarte oder „elektronischem Geld“ immer mehr ab. So auch MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 187 f.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722; Höder S. 75. 1058 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 25; Dethloff NJW 1998, 1596, 1600. 1059 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 25: Handelt es sich um die jeweilige Landessprache oder wird sie von einer Minderheit signifikanter Größe verstanden oder gesprochen, spricht dies für eine Inlandsrelevanz. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 721 stellen in diesem Kontext allerdings zu Recht fest, dass man wohl heute bei einer englischsprachigen Website davon ausgehen müsse, dass diese „grundsätzlich geeignet ist, in jedem Staat eine kollisionsrechtlich erhebliche Wirkung zu entfalten“. 1060 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 187. 1061 Hier ist beispielsweise entscheidend, ob es sich um eine versandfähige oder eine schwer transportierbare oder verderbliche Ware handelt, ob sie überall zu gebrauchen ist oder ob es sich beispielsweise ganz offensichtlich um eine nur lokal zu erbringende Dienstleistung handelt, Piper/ Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 25; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722. 1062 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 723; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 917. 1063 Allerdings genügt eine bloße betriebsinterne Anweisung, nur in bestimmte Staaten zu liefern, grundsätzlich nicht, um eine Einwirkung der Internetwerbung mit Blick auf andere Staaten auszuschließen. Siehe hierzu OLG Frankfurt 3.12.1998 – 6 W 122/98 – ZUM-RD 1999, 455, 457; Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 920. 1064 Dethloff NJW 1998, 1596, 1600. 1065 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 722; vgl. BGH 13.10.2004 – I ZR 163/02 – GRUR 2005, 431, 432 – Hotel Maritime.
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die Referenz auf bestimmte Rechtsordnungen oder Belehrungen über bestimmte nationale Widerrufsrechte; 1066 die Verwendung von klar formulierten und verständlichen Disclaimern1067 sowie weitere für eine Begrenzung auf einen bestimmten Zielmarkt sprechende Aspekte.1068 bb) Verkaufsfördermaßnahmen. Wettbewerbsrechtliche Relevanz haben aber 249 nicht nur klassische Werbemaßnahmen, sondern auch sonstige unter dem Begriff der Verkaufsfördermaßnahme zusammengefasste Aktionen, die auf die Gewinnung von Kunden abzielen und grundsätzlich alle Formen der Wertreklame sowie der entsprechenden Vorteilsgewährung selbst umfassen.1069 Dies bedeutet, dass im Grunde alle Wert- und Absatzformen, bei denen der Kunde zusätzliche Leistungen erhält, ohne diese gesondert vergüten zu müssen, erfasst werden, wie beispielsweise die Gewährung von Werbegeschenken, aber auch Kundenbindungsprogramme oder Gewinnspiele.1070 Mit Blick auf die kollisionsrechtliche Bewertung dieser Marketing- und Verkaufsför- 250 deraktionen ist festzustellen, dass sie grundsätzlich dem Recht des Ortes unterliegen, an dem durch die Aktion auf die Entschließung der Kunden eingewirkt werden soll und die materiellen Anreize eingesetzt werden, denn das ist der Ort, an dem die wettbewerblichen Interessen kollidieren (Marktort).1071 Dies gilt selbst dann, wenn die Gewährung des Vorteils oder Anreizes an einem anderen Ort erfolgt.1072 Werden mithin Vorteile oder Preisnachlässe eingesetzt, ist Marktort in der Regel der Ort, an dem diese offeriert oder die Verkaufsfördermaßnahme angekündigt wird; werden Gewinnspiele veranstaltet, kollidieren die wettbewerblichen Interessen an dem Ort, an dem das Spiel veranstaltet wird,1073 denn hier wird die potentielle Kundschaft angesprochen und der Anreiz eingesetzt. Auch Rabatte und Zugaben, die dem potentiellen Nachfrager Anreize vermitteln 251 und ihn insofern zum Erwerb des Produkts anhalten sollen, unterfallen grundsätzlich der Anknüpfung an den Marktort.1074 Aufgrund der Aufhebung des RabattG und der Zugabenverordnung ist nunmehr insbesondere keine zweistufige kollisionsrechtliche Prüfung mehr erforderlich, da ein Verstoß gegen die entsprechenden Verbotsvorschriften nicht mehr möglich und insoweit auch kein Rechtsbruch zu prüfen ist.1075 Zwar gab es
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1066 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 192. 1067 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 725. Entscheidend ist hierbei allerdings, dass dieser klar und verständlich formuliert ist und sich der Wettbewerber auch tatsächlich daran hält. Ist sein Verhalten hingegen inkonsistent, weil er beispielsweise eine geographische Beschränkung in der Praxis außer Acht lässt, kann er sich entsprechend des Grundsatzes venire contra factum proprium nicht auf die Begrenzung berufen. Siehe hierzu Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 920; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 Tz. 22 – Arzneimittelwerbung im Internet; KG 20.12.2001 – 2 W 211/01 – GRUR Int. 2002, 448, 450. 1068 Mankowski GRUR Int. 1999, 909, 921; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. B Rn. 25; Dethloff NJW 1998, 1596, 1600. 1069 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 275; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 321. 1070 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 321. 1071 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 313. 1072 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 315, die darauf hinweisen, dass der umkämpfte Markt der Markt ist, „auf dem zwecks Abzugs der Kaufkraft in einen anderen Markt die Verkaufsfördermaßnahme zur Einflussnahme auf die Abnehmer eingesetzt werden.“ Die Beeinflussung potentieller Kunden findet eben schon mit der Ankündigung und nicht erst mit der Gewährung des entsprechenden Vorteils statt. 1073 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 313; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 328. 1074 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 323. 1075 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 324; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 311.
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auf europäischer Ebene Bemühungen, Verkaufsförderaktionen einer gemeinschaftseinheitlichen Regelung zuzuführen, diese waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt: Der Vorschlag für eine Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt,1076 mit der Rabatte einschließlich unentgeltlicher Zugaben, Preisausschreiben, Gewinnspiele u.a. unmittelbar verbindlich geregelt werden sollten, wurde mittlerweile von der Kommission wieder zurückgezogen.1077 cc) Rechtsbruch. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Erfasst werden von diesem Tatbestand mithin die sogenannten Fälle des Rechtsbruchs. Wie die Vorschrift zeigt, soll dabei wettbewerbsrechtlich nicht jeder Gesetzesverstoß sanktioniert werden, sondern nur Verstöße gegen Normen, denen – jedenfalls auch – eine Schutzfunktion zu Gunsten des lauteren Marktverhaltens im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Teilnehmer auf dem Markt zukommt,1078 die also einen hinreichenden Marktbezug haben.1079 Beim Rechtsbruchtatbestand liegt typischerweise ein doppelter Gesetzesverstoß 253 vor, denn der Verstoß gegen eine außerwettbewerbsrechtliche Norm kann zugleich einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG implizieren.1080 Diesem doppelten Verletzungscharakter wird auch auf der kollisionsrechtlichen Ebene Rechnung getragen, indem die Verletzung der außerwettbewerbsrechtlichen Norm als Vorfrage getrennt vom Wettbewerbsstatut angeknüpft wird.1081 Die herrschende Meinung1082 knüpft Vorfragen dabei selbständig nach dem Internationalen Privatrecht der lex fori an. Dies bedeutet im Ergebnis eine zweistufige Prüfung: Auf der ersten Stufe ist die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit der verletzten Norm festzustellen, da das Wettbewerbsstatut grundsätzlich nicht über den Geltungsbereich von Normen außerhalb des Wettbewerbsrechts entscheiden kann.1083 Maßgeblich für den Rechtsbruchtatbestand ist mithin, ob die möglicherweise verletzte Norm überhaupt anwendbar sein will, weshalb der Norm selbst die Aussage entnommen werden muss, ob sie den anstehenden Sachverhalt mit Auslandsberührung regeln möchte.1084 Auf dieser Stufe wird mithin das für die Verletzung der außerwettbewerbsrechtlichen Norm maßgebliche Statut bestimmt (z.B. das Vertragsstatut). Auf der zweiten Stufe wird sodann nach Art. 6 Rom II-VO das Wettbewerbsstatut festgestellt.1085 252
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1076 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Verkaufsförderung im Binnenmarkt v. 15.10.2002, KOM (2002), 585 endg. Von der Grundkonzeption ging der Vorschlag von einer Zulässigkeit sämtlicher Formen der Verkaufsförderung aus, sofern gewisse Informationspflichten und Transparenzauflagen eingehalten werden. 1077 Vgl. insofern ABl. EU C 64 v. 17.3.2006 S. 3, 7. 1078 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 329. Ausführlich zum Rechtsbruchtatbestand Metzger. 1079 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 760. Art. 4 Nr. 11 UWG setzt insofern die auch schon zuvor vom BGH (BGH 11.5.2000 – I ZR 28/98 – BGHZ 144, 255 ff. = GRUR 2000, 1076 ff. – Abgasemissionen), eingeschlagene Rechtsprechungslinie um, wonach ebenfalls das Vorliegen eines hinreichenden Marktbezugs gefordert wurde. 1080 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 331. 1081 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 331; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 761. 1082 S. nur Kegel/Schurig § 9 II 1; Kropholler IPR § 32 IV; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 2; a.A. MünchKommBGB/Sonnenberger Einl. IPR Rn. 550 ff. 1083 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 761; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 316. 1084 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 316. 1085 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 331; Sack WRP 2008, 845, 850; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 216; Katzenberger IPRax 1981, 7, 8; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 761; MünchKommUWG/ Mankowski IntWettbR Rn. 309.
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Einige Autoren gehen hierbei jedoch einen umgekehrten Weg und bestimmen zunächst, welches Recht nach Art. 6 Rom II-VO auf die beanstandete Wettbewerbshandlung anwendbar ist, um danach das für die außerwettbewerbliche Vorschrift maßgebliche Statut zu bestimmen und in einem nächsten Schritt festzustellen, ob die Norm durch die betreffende Wettbewerbshandlung verletzt wurde.1086 Vereinzelt wird gar einstufig vorgegangen und generell, ohne zwischen Vor- und Hauptfrage zu differenzieren, nach dem Wettbewerbsstatut angeknüpft.1087 Der BGH ist in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht eindeutig,1088 hat aber in der „Asbestimporte“-Entscheidung1089 einen Verstoß gegen den Rechtsbruchtatbestand mit der Begründung abgelehnt, dass das Verhalten nach ausländischem und insofern maßgeblichem Recht zulässig war.1090 Er hat mithin eine zweistufige Prüfung vorgenommen und den Verstoß gegen die außerwettbewerbliche Norm nicht dem allgemeinen Wettbewerbsstatut unterstellt. Grundsätzlich kann es folglich im Rahmen der Prüfung des § 4 Nr. 11 UWG zur Prü- 254 fung ausländischen Rechts kommen. Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG, d.h. ein Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch, soll aber nach überwiegender Meinung grundsätzlich nur bei Verletzung deutscher Normen anzunehmen sein,1091 da die Ausnutzung eines Rechtsgefälles in der Regel nicht als unlautere Wettbewerbsmaßnahme zu bewerten sei.1092 Ein Ergebnis, das ebenfalls durch Implementierung des Herkunftslandprinzips erreicht wird.1093 Das Wettbewerbsstatut jedenfalls wird in Konstellationen, in denen ein Rechtsbruch im Raum steht, grundsätzlich an das Recht des Marktortes angeknüpft, auf dem der Rechtsbruch Wirkung zeigt. Ort der wettbewerblichen Interessenkollision ist mithin in der Regel der Markt, auf dem der Rechtsbruch ausgenutzt wird.1094 dd) Unlautere Produktnachahmung. Fälle unlauterer Produktnachahmung 255 werden nach Ansicht der hM in Deutschland1095 und nach der Rechtsprechung des
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1086 Sack WRP 2008, 845, 850; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 309. 1087 MünchKommBGB/Kreuzer Art. 38 EGBGB Rn. 245; Staudinger/v. Hoffmann Art. 40 EGBGB Rn. 33. Anwendbar soll dabei das Recht des Ortes sein, an dem die Ausnutzung des Rechtsbruches stattfindet (Absatzmarkt). 1088 So hat er in der Entscheidung BGH 9.10.1986 – I ZR 138/84 – BGHZ 98, 330 = GRUR 1987, 172, 174 – Unternehmensberatungsgesellschaft I, seine kollisionsrechtliche Prüfung auf die Ermittlung des Wettbewerbsstatuts beschränkt und auf der Grundlage des deutschen Wettbewerbsrechts ohne weitere kollisionsrechtliche Prüfung eine Prüfung des deutschen Steuerberatungsgesetzes angeschlossen. In der Entscheidung BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11 ff. = GRUR 1991, 463 ff. – Kauf im Ausland, musste er mangels Anwendbarkeit deutschen Wettbewerbsrechts zur Frage einer möglichen zweistufigen Prüfung nicht Stellung beziehen. Und in der Entscheidung BGH 11.3.1982 – I ZR 39/78 – GRUR 1982, 495, 497 – Domgarten-Brand, hinterfragte der BGH die Anwendbarkeit der Vorschriften des deutschen WeinG bzw. der BezeichnungsVO nicht – lehnte nur die Anwendbarkeit des deutschen Wettbewerbsrechts ab. 1089 BGH 9.5.1980 – 1 ZR 76/78 – GRUR 1980, 858, 860 – Asbestimporte. 1090 Vgl. in diesem Kontext auch die Entscheidung des BGH 13.5.2004 – I ZR 264/00 – GRUR 2004, 1035, 1036 – Rotpreis-Revolution, in welcher sich dieser indirekt ebenfalls zu einer zweistufigen Prüfung bekannt hat. So auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 764. 1091 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 333; vgl. auch Sack GRUR Int. 1988, 320, 338; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 312. 1092 BGH 9.5.1980 – 1 ZR 76/78 – GRUR 1980, 858, 860 – Asbestimporte, unter ausdrücklicher Aufgabe der Rechtsprechung im Fall „Weltweit-Club“, siehe BGH 13.5.1977 – I ZR 115/75 – GRUR 1977, 672, 673 – Weltweit-Club. 1093 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 333. 1094 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 333; Katzenberger IPRax 1981, 7, 8; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 216. 1095 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 110; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 302; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 871; siehe hierzu auch Sack GRUR Int. 2012, 601, 608 f.: der Vertrieb von
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EuGH1096 nicht dem „Recht des geistigen Eigentums“ i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Art. Rom II-VO zugeordnet, vielmehr unterfallen sie Art. 6 Rom II-VO. Vor dem Hintergrund, dass nicht die Nachahmung als solche, sondern nur mehr ihr Angebot als unlauter bewertet wird, handelt es sich um ein marktbezogenes Verhalten nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO. Maßgeblich ist mithin auch hier, jedenfalls sofern nicht ausschließlich die Interessen eines Mitbewerbers verletzt werden, das Marktortprinzip.1097 Wettbewerbsrechtliche Ansprüche in Fällen der unlauteren Produktnachahmungen richten sich folglich nach dem Recht des Landes, in dem die Waren angepriesen (Werbemarkt) und/oder abgesetzt (Absatzmarkt) werden.1098 Aus kollisionsrechtlicher Sicht unerheblich ist hingegen der Ort, an dem die erforderlichen Informationen und das Vorbild erlangt sowie das nachgeahmte Produkt hergestellt wurden.1099 Von kollisionsrechtlicher Bedeutung ist allein die Verwendung des nachgeahmten Produkts auf dem Absatzmarkt,1100 denn dies ist der Ort, auf dem zum einen das wettbewerbliche Interesse der Mitbewerber an der Vermeidung eines leistungsfremden Vorsprungs durch den Konkurrenten und der Substituierung oder Verdrängung des Originals und zum anderen das Interesse der Abnehmer an einer täuschungsfreien Kaufentscheidung betroffen sind. Nicht zuletzt ist das auch der Ort, an dem das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb sowie der marktstaatliche Schutz von Innovationen lokalisiert werden kann.1101 Im Ergebnis kommt also bei Klagen gegen den Absatz des nachgeahmten Produktes das Recht des Absatzmarktes zur Anwendung. Wird jedoch gegen die Werbung für das nachgeahmte Produkt vorgegangen, ist das Recht des Werbemarktes einschlägig.1102 ee) Die kollisionsrechtliche Bewertung von Vertriebsbindungssystemen. Vertriebsbindungssysteme werden im Wettbewerbsrecht meist in zwei unterschiedlichen Konstellationen relevant. Zum einen kann eine Situation vorliegen, in der ein Vertriebsbinder unter Verweis auf einen Rechtsbruch gegen einen gebundenen Händler vorgeht. Zum anderen kann aber auch ein Fall im Raum stehen, in welchem ein Vertriebsbinder beispielsweise wegen Verleitens zum Vertragsbruch oder des Schleichbezugs gegen einen Außenseiter vorgeht, der sein Vertriebsbindungssystem missachtet. 1103 Sind Vertriebsbindungssysteme kollisionsrechtlich zu beurteilen, so ist grundsätz257 lich zwischen der kartellrechtlich anzuknüpfenden Frage nach der Zulässigkeit von
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und die Werbung für nachgemachte(n) Waren fallen unter Art. 6 I Rom II-VO; die Herstellung und der Export unter Art. 6 II Rom II-VO. 1096 EuGH 2.3.1982 – 6/81 – GRUR Int. 1982, 439 Tz. 9 – Industrie Diensten/Beele. 1097 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 302; differenzierend Sack WRP 2008, 845, 859; zum deutschen Recht BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 = GRUR 62, 243, 245 – Kindersaugflaschen m Anm. Filseck; Vorauflage/Schricker Einl. F Rn. 208; MünchKomm/Drexl IntUnlWettbR Rn. 110; Fezer/ Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 341. 1098 Sack WRP 2008, 845, 859, vgl. BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 334 = GRUR 1962, 243, 245 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck; OLG München 30.10.2003 – 29 U 2691/03 = GRUR-RR 2004, 85 – Stricktop. 1099 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 341; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 299. 1100 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 341; BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 334, 336 = GRUR 1962, 243, 246 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck sowie MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 300. 1101 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 341; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 300. 1102 Sack WRP 2008, 845, 859; vgl. BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 334 = GRUR 1962, 243, 246 – Kindersaugflaschen m. Anm. Filseck; Vorauflage/SchrickerEinl. Rn. F 208; Sack GRUR Int. 1988, 320, 324. 1103 Vgl. Sack GRUR Int. 1988, 320, 335 f.; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 767; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl. I Rn. 335.
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Vertriebsbindungssystemen und der wettbewerbskollisionsrechtlichen Anknüpfung der Verletzung derartiger Systeme zu unterscheiden, denn die kartellrechtliche Prüfung von Vertriebsbindungssystemen ist eine Vorfrage, welche selbständig anzuknüpfen ist.1104 Mit Blick auf die Zulässigkeit derartiger Vertriebsbindungssysteme ist daher (zumindest jenseits der Art. 101, 102 AEUV, ex Art. 81 und 82 EG) das kartellrechtliche Auswirkungsprinzip,1105 welches nunmehr in Art. 6 Abs. 3 Rom II-VO seinen Niederschlag gefunden hat, maßgeblich. Für sog. Altfälle, in denen die Rom II-VO intertemporal nicht anwendbar ist,1106 gilt hingegen § 130 Abs. 2 GWB, wonach auf die Inlandsauswirkung der Vertriebsbindung abzustellen ist.1107 Die Zulässigkeit von selektiven Vertriebssystemen ist mithin nach dem Recht des Landes zu beurteilen, in dessen Gebiet sich das Vertriebssystem auswirkt.1108 Maßgeblich ist danach in der Regel das Recht des Landes, in welchem der gebundene Händler seinen Sitz hat.1109 Die Frage der Verletzung von Vertriebsbindungssystemen wird jedoch nach dem 258 wettbewerbskollisionsrechtlichen Marktortprinzip angeknüpft.1110 Und auch für das Verleiten zum Vertragsbruch, welches zwar grundsätzlich als bilaterale Wettbewerbshandlung im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO eingeordnet wird,1111 wird in der Literatur die Anwendbarkeit des Wettbewerbsstatuts statt des Deliktsstatuts gefordert, da das Individualinteresse hier hinter das Interesse der Allgemeinheit am Bestand des Leistungswettbewerbs zurücktreten müsse.1112 Allerdings ist insofern zu beachten, dass eine selbständige Anknüpfung der Vorfrage des Inhalts sowie des Bruchs der vertraglichen Bindung vorzunehmen ist.1113 Maßgeblich ist insofern das Vertragsstatut, das nach dem Kollisionsrecht des Forumstaates (lex fori) zu bestimmen ist.1114 Die wettbewerbskollisionsrechtliche Bewertung des Verschaffens eines Vorsprungs gegenüber anderen Mitbewerbern ist dann allerdings nach dem Marktortprinzip zu beurteilen, weshalb im Ergebnis das Recht des Ortes maßgeblich ist, wo sich der durch den Vertragsbruch geschaffene Wettbewerbsvorsprung realisiert.1115 Ausgehend von der Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO zugrunde liegenden Interessenkollisionslösung ist das in der Regel der Ort, an dem der vertragswidrige Absatz der vertriebsgebundenen Ware in Konkurrenz zum Warenab-
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1104 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 32; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 403. 1105 Vgl. hierzu ausfühlich Rn. 39 ff., 214 ff. 1106 Zum zeitlichen Anwendungsbereich der Rom II-VO siehe Rn. 169. 1107 § 130 Abs. 2 GWB ist als einseitige Kollisionsnorm ausgestaltet. Ist Deutschland Forumstaat, wird daher nur gefragt, ob sich das Vertriebsbindungssystem auf den deutschen Inlandsmarkt auswirkt. Angeknüpft wird daher in der Regel an das Recht des Staates, in dem der gebundene Händler seinen Sitz hat. Siehe hierzu auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 335; Gloy/Loschelder/Erdmann/Wilde § 10 Rn. 60; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 335; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 340; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 769. 1108 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 769. 1109 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 335; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 340; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 769. 1110 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 336; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 770. Ausführlich zum Marktortprinzip Rn. 211 ff. 1111 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) von 2003, KOM [2003] 427 endg, S. 17. 1112 So jedenfalls Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 336; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 770. 1113 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 336; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 343. 1114 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 343; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 769. Zur selbständigen Anknüpfung von Vorfragen siehe statt vieler: Kegel/Schurig § 9 II 1; Kropholler IPR § 32 IV; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 2; a.A. MünchKommBGB/Sonnenberger Einl. IPR Rn. 550 ff. 1115 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 336; Gloy/Loschelder/Erdmann/Wilde § 10 Rn. 60; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 211; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 771.
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satz jener Unternehmen tritt, die dem Vertriebsbindungssystem unterliegen.1116 Ist ein Fall des Außenseiterwettbewerbs vertriebsgebundener Waren im Ausland kollisionsrechtlich zu beurteilen, ist mithin auf den ausländischen Ort des Vertragsbruchs abzustellen.1117 Ist ein sog. Schleichbezug kollisionsrechtlich zu bewerten, ist nach bisheriger Rechtsprechung des BGH1118 selbst dann an das Inlandsrecht anzuknüpfen, wenn die Ware exportiert werden soll, da sich der Schleichbezug im Inland als selbständige Wettbewerbshandlung auf den inländischen Hersteller als Absatzkonkurrenten in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise auswirkt. 259
ff) Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz. Die kollisionsrechtliche Behandlung des sog. ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes,1119 welcher neben den in § 4 Nr. 9 UWG geregelten Fällen der Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers auch weitere Fälle der Ausnutzung fremder unternehmerischer Leistung umfasst,1120 ist aufgrund seiner Nähe und Rechtsähnlichkeit zum Immaterialgüterrecht umstritten.1121 So wird in der Literatur sowohl eine Anknüpfung an das Immaterialgüterrechtsstatut gemäß Art. 8 Abs. 1 Rom II-VO1122 als auch an das Wettbewerbsrechtsstatut gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO vertreten.1123 Während Art. 8 Abs. 1 der Rom II-VO für außervertragliche Schuldverhältnisse aus 260 einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums ausdrücklich die Geltung des Rechts des Landes anordnet, für dessen Gebiet Schutz beansprucht wird1124 (lex loci protectionis1125), knüpft Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO an den Marktort als den Ort der wettbewerblichen Interessenkollision an.1126 Der Anknüpfung immaterialgüterrechtlicher Sachverhalte liegt dabei ein territorialer Ansatz zugrunde, welcher damit begründet wird, dass es sich bei den Rechten zum Schutz geistigen Eigentums um durch einen Hoheits-
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1116 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 336; S. hierzu auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 771 ff., der dabei insbesondere auf den Ort abstellt, an dem der vertragsbrüchige Vertragshändler in Konkurrenz zu gebundenen Händlern steht. 1117 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 337; v. Gamm EWS 1991, 166, 168; a.A. MünchKommUWG/ Mankowski IntWettbR Rn. 344. 1118 BGH GRUR 1988, 916, 917 – Schleichbezug; zustimmend Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 211; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 346. 1119 Vgl. zum Begriff des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes auch Fezer WRP 2001, 989, 1006; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 780. Ausführlich dazu auch Sack ZHR 160 (1996), 493, 494 ff.; ders. WRP 2008, 845, 858 f.; Nemeczek WRP 2010, 1315 ff. 1120 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 780. 1121 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang auch immer wieder auf die gemeinsamen rechtsgeschichtlichen Wurzeln beider Rechtsgebiete sowie darauf verwiesen, dass Immaterialgüterrechte ähnlich wie das Wettbewerbsrecht eine unternehmerische Leistung schützen, vgl. hierzu Fezer/ Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 33 sowie Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 405, die von einem „wertungskompatiblen Gesamtsystem zum Schutz der unternehmerischen Leistung“ sprechen. Siehe hierzu ausführlich Sack GRUR Int. 2012, 601. 1122 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 339; Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 200. 1123 OLG München 30.10.2003 – 29 U 2691/03 – GRUR-RR 2004, 85 – Stricktop; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 363, 823; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 122; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 302 ff.; Sack WRP 2008, 1405, 1407; ders. WRP 2008, 845, 859; Sack GRUR Int. 2012, 601. 1124 Siehe hierzu auch Rn. 34. 1125 Zur Vorherrschaft des Schutzlandprinzips vgl. MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 6; Schricker/Loewenheim/Katzenberger Vor §§ 120 ff. Rn. 124; Muth S. 60; Ohly in Drexl/Kur S. 241. Zur Kritik an diesem territorial geprägten Ansatz insbesondere mit Blick auf die Frage der ersten Inhaberschaft siehe Klass GRUR Int. 2007, 373 ff. sowie dies. GRUR Int. 2008, 546 ff. 1126 Siehe hierzu ausführlich Rn. 211 ff.
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akt eines souveränen Staates verliehene Rechte handelt.1127 Auch wenn im Wettbewerbsrecht ebenfalls territoriale Erwägungen im Raum stehen, da jeder Staat beim Schutz von Verbrauchern und Allgemeininteressen primär inländische Aspekte im Blick hat,1128 so existiert im Wettbewerbsrecht dennoch kein durch staatlichen Akt territorial verliehenes Recht,1129 das eine territoriale Anknüpfung erforderlich erscheinen lassen würde. Zudem bestehen erhebliche Unterschiede1130 in der Konzeption, Ausgestaltung und Schutzrichtung beider Rechte. Insbesondere die Tatsache, dass das Wettbewerbsrecht primär Marktverhaltensrecht ist, während das Immaterialgüterrecht dem Schutz ausschließlicher Rechte dient,1131 zeigt, dass trotz gemeinsamer rechtsgeschichtlicher Wurzeln1132 ein Gleichlauf in der kollisionsrechtlichen Behandlung nicht angemessen1133 und eine Anknüpfung an das Recht des Marktortes im Ergebnis vorzugswürdiger ist.1134 Denn auch wenn der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz im Schnittbereich zwischen Wettbewerbsrecht und Immaterialgüterrecht angesiedelt ist, werden doch letztlich Verhaltensregeln als Teil des Marktordnungsrechts definiert.1135 6. Umfang des Wettbewerbsstatuts. Gemäß Art. 15 lit. a und lit. c Rom II-VO er- 261 fasst das Wettbewerbsstatut sowohl die Voraussetzungen als auch die Folgen eines Wettbewerbsverstoßes. 7. Unzulässigkeit der Rechtswahl, Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO. Grundsätzlich können 262 die Parteien im Internationalen Deliktsrecht gemäß Art. 14 Rom II-VO durch eine Vereinbarung nach Schadenseintritt oder aber, wenn alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen, auch vor Eintritt des schädigenden Ereignisses das Recht wählen, dem das außervertragliche Schuldverhältnis unterliegen soll. Diese Regelung ist der Überlegung geschuldet, dass das in Frage stehende Schadensverhältnis bei Schadenseintritt regelmäßig auf zwei Personen konzentriert ist, und einer (nachträglichen) Rechtswahl keine Drittinteressen entgegenstehen. Im Bereich des Wettbewerbskollisionsrechts ist dies jedoch anders, denn hier ist 263 die Schutzzwecktrias des Lauterkeitsrechts (Mitbewerber, Verbraucher, Allgemeinheit) zu beachten.1136 Hätten die Parteien eines Rechtsstreits die Möglichkeit, das anwendbare
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1127 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 4. An dieser Sichtweise wird selbst mit Blick auf das Urheberrecht festgehalten, obwohl dieses nahezu weltweit schlicht durch den Akt der Schöpfung entsteht und kein staatlicher Verleihungsakt notwendig ist. 1128 So auch Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 6. 1129 Vorauflage/Schricker Einl. Rn. F 6. 1130 Siehe hierzu ausführlich Rn. 33 ff. 1131 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 128. 1132 Vgl. hierzu Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 28: Echter Wettbewerbsschutz wurde erst als Konsequenz der durch das Gesetz zum Schutz von Warenbezeichnungen vom 12.5.1894 angestoßenen Entwicklung geschaffen. 1133 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 122. Im Ergebnis ebenso Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 407; Sack WRP 2008, 845, 859; Sack WRP 2008, 1405, 1407. A.A. Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 339. 1134 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 122; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 407 (werden wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen angeblich unlauterer Produktnachahmung geltend gemacht, ist mithin Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO anzuwenden). 1135 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 122. 1136 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 257; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 671; ähnlich auch MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 238.
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Recht zu wählen, könnte dies zu Lasten Dritter oder der Allgemeinheit gehen1137 und die Wettbewerbsgleichheit am Marktort beeinträchtigen.1138 Vor diesem Hintergrund hat der Gemeinschaftsgesetzgeber mit Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO eine Regelung in die Rom II-VO implementiert, die eine von dem nach Art. 6 Rom II-VO ermittelten Recht abweichende Rechtswahl untersagt. Allerdings ist fraglich, ob von der Regelung des Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO auch die Fäl264 le rein individualrechtsbezogener bzw. betriebsbezogener Wettbewerbsverstöße erfasst sind, da diese gemäß Art 6. Abs. 2 Rom II-VO nicht der wettbewerbsrechtlichen Kollisionsregel des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO unterliegen. Vielmehr ist für diese die allgemeine Kollisionsnorm des Art. 4 Rom II-VO einschlägig.1139 Hieraus wird z.T. der Rückschluss gezogen, dass für bilaterale Wettbewerbsverstöße das dem allgemeinen Deliktsrecht zugrunde liegende Prinzip der Rechtswahlfreiheit gilt und Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO entsprechend restriktiv auszulegen sei.1140 Ein anderer Teil der Literatur lehnt eine Rechtswahl auch im Bereich des Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO ab.1141 Mit Blick auf die Systematik sowie Sinn und Zweck der Norm ist eine Zulässigkeit der Rechtswahl im Bereich des Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO jedoch abzulehnen. Zum einen zeigt schon die systematische Stellung im Rahmen des Absatzes 4, dass Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO nicht ausgeschlossen sein soll.1142 Zum anderen betrifft auch eine bilaterale (betriebsbezogene) Wettbewerbshandlung nicht selten das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Leistungswettbewerb.1143 265
8. Eingriffsnormen, Art. 16 Rom II-VO. Art. 16 Rom II-VO bestimmt, dass Vorschriften des Gerichtsstaates, die ohne Rücksicht auf das für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht den Sachverhalt zwingend regeln (Eingriffsnormen der lex fori), auch dann anwendbar sind, wenn nach Art. 6 Rom II-VO das Recht eines anderen Staates zur Anwendung berufen ist. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO1144 kann hierbei als Konkretisierung des Begriffs einer Eingriffsnorm herangezogen werden.1145 Danach
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1137 Diese Gefahr bestünde insbesondere bei der Wahl eines gegenüber dem nach dem einschlägigen Wettbewerbskollisionsrecht zur Anwendung berufenen Wettbewerbsrecht großzügigeren Rechts, Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 258. 1138 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 178. 1139 Für den Ausschluss der Rechtswahlfreiheit auch bei rein individualrechtsbezogenen bzw. betriebsbezogenen Wettbewerbsverstößen Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 258; v. Hein ZEuP 2009, 6, 23; Sack WRP 2008, 545, 851; a.A. Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 670 f.; Palandt/Thorn Art. 6 Rom II-VO Rn. 19; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 730 f.; Leible RIW 2008, 257, 259; G. Wagner IPRax 2008, 1, 8; Piper/ Ohly/Sosnitzka, Einf. B Rn. 30. 1140 G. Wagner IPRax 2008, 1, 8, der für eine teleologische Reduktion von Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO plädiert; wegen der auf dem Spiel stehenden Interessen Dritter als fragwürdig dargestellt v. Hein ZVglRWiss 102 (2003), 528, 556. 1141 So auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 158; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 671; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 238 f.; MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 178. 1142 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 258. 1143 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 671. 1144 Verordnung 2008/593/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU L 177 v. 4.7.2008 (Rom I-VO). 1145 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 259; Staudinger/Feezer/Koos IntWIR Rn. 675; v. Hein ZEuP 2009, 6, 24 begründet dies mit der in Erwägungsgrund 7 geforderten, konsistenten Auslegung; Junker RIW 2010, 257, 267 f. schlägt vor, die Heranziehung des Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO in einem neuen Erwägungsrund deutlich zu machen, zumal der bisher dem Art. 16 Rom II-VO gewidmete Erwägungsgrund ohnehin geändert werden müsse. 1145 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 675.
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handelt es sich bei einer Eingriffsnorm um eine „zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen“.1146 Das Wettbewerbsrecht selbst kann allerdings nicht als Eingriffsrecht i.S.d. Art. 16 Rom II-VO angesehen werden, da dies der Regelung des Art. 6 Rom II-VO widerspräche.1147 Ob und inwiefern ausländische Eingriffsnormen Beachtung finden können, muss 266 das jeweilige nationale Recht entscheiden,1148 jedenfalls kommt deren Berücksichtigung nach Art. 16 Rom II-VO nicht ausdrücklich in Betracht. Aber auch eine vereinzelt angenommene Sperrwirkung, die sich aus dem Umkehrschluss zum Internationalen Vertragsrecht (Art. 7 I EVÜ, Art. 9 III Rom I-VO) bzw. der Entstehungsgeschichte1149 ergebe,1150 kann nicht angenommen werden.1151 9. Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung, Art. 24 Rom II-VO. Gemäß 267 Art. 24 Rom II-VO sind im Interesse der Effektivität der Kollisionsrechtsvereinheitlichung1152 Rück- und Weiterverweisungen ausgeschlossen. Bei den Kollisionsnormen der Rom II-VO und mithin auch bei Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom II-VO handelt es sich mithin um Sachnormverweisungen.1153 10. Der ordre public-Vorbehalt, Art. 26 Rom II-VO. Gemäß Art. 26 Rom II-VO steht 268 die Anwendung des nach Art. 6 Rom II-VO berufenen Wettbewerbsrechts unter dem Vorbehalt des ordre public. Das bedeutet, dass die Anwendung der wettbewerbskollisionsrechtlich ermittelten Vorschrift ausnahmsweise versagt werden kann, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung („ordre public“) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.1154 Wie Erwägungsgrund 32 zeigt, ist die Nichtanwendung des fremden Wettbewerbsrechts aber nur in engen Ausnahmefällen ge-
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1146 Ähnlich auch Art. 7 Abs. 2 EVÜ und Art. 34 EGBGB a.F. 1147 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 259. Als Eingriffsnorm ist aber beispielsweise § 8 Abs. 2 Var. 2 HWG zu qualifizieren, Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 675; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 386. 1148 Leible RIW 2008, 257, 263; so i.E. auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 675; ähnlich auch v. Hein ZEuP 2009, 6, 24; Junker RIW 2010, 257, 268. 1149 Sowohl der erste Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 22.7.2003, KOM (2003) 427 endg., S. 40, als auch der geänderte Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 21.2.2006, KOM (2006) 83 endg., S. 20, sahen vor, dass ausländischen Eingriffsnormen von den Gerichten des Forumstaates „Wirkung verliehen werden“ kann. Aus der Tatsache, dass sich diese Regelung nunmehr nicht mehr im Verordnungstext wiederfindet, kann jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass ihre Berücksichtigung unter Geltung der Rom II-VO verboten sein soll. Leible RIW 2008, 257, 263; so i.E. auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 675; ähnlich auch v. Hein ZEuP 2009, 6, 24; Junker RIW 2010, 257, 268. 1150 G. Wagner IPRax 2008, 1, 15; Darstellung des Streitstandes bei v. Hein ZEuP 2009, 6, 24 und Junker RIW 2010, 257, 258, die sich dieser Ansicht nicht anschließen. 1151 Leible RIW 2008, 257, 263; so i.E. auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 675; ähnlich auch v. Hein ZEuP 2009, 6, 24; Junker RIW 2010, 257, 268. 1152 Bamberger/Roth/Spickhoff Art. 24 Rom II-VO Rn. 1; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 9; Staudinger/Hausmann Art. 4 EGBGB Rn. 146. 1153 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 179; Bamberger/Roth/Spickhoff Art. 24 Rom II-VO Rn. 1. 1154 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 676.
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Einleitung Teil D.
rechtfertigt („außergewöhnliche Umstände“). Liegt ein solcher vor, ist die Unvereinbarkeit der Vorschrift mit dem ordre public von Amts wegen zu berücksichtigen.1155 Die Beantwortung der Frage, welche Normen zum ordre public gehören, richtet sich 269 dabei grundsätzlich nach dem Recht des Forumstaates,1156 wobei gemeinschaftsrechtliche Wertungen i.S.d. effet utile, aber auch die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und die in der EMRK verbürgten Menschenrechte zu berücksichtigen sind.1157 Allgemein formuliert fallen unter den „ordre public“ alle Vorschriften, „deren Einhaltung als so entscheidend für die Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation des betreffenden Mitgliedstaats angesehen wird, dass ihre Beachtung für alle Personen, die sich im nationalen Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befinden und für jedes dort lokalisierte Rechtsverhältnis, vorgeschrieben ist.“1158 Grundsätzlich unterfallen dem ordre public dabei nicht nur positive Normen des 270 berufenen Rechts, vielmehr kann auch ein fehlendes Verbot den im nationalen Recht verankerten Verboten widersprechen.1159 Mit Blick auf die deutschen Lauterkeitswertungen kann festgehalten werden, dass allein die Tatsache, dass das ausländische Wettbewerbsrecht stärker in die Wirtschaftsfreiheit der Wettbewerber eingreift, nicht die Anwendung des Art. 26 Rom II-VO rechtfertigt,1160 sich aber im Einzelfall insbesondere mit Blick auf die grundrechtlichen Verbürgungen der Meinungsfreiheit und der Menschenwürde durchaus ein Anwendungsbereich ergeben kann.1161 Allerdings muss hier insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen und Wirtschaftswerbung anwendbar ist,1162 ein zurückhaltender Maßstab angelegt werden, da andernfalls wahrscheinlich in einer Vielzahl von Fällen ausländische Werbeverbote unangewendet bleiben würden.1163 Mit Ausnahme der Fälle, in denen die absolut geschützte Menschenwürde betroffen ist,1164 ist daher stets ein ausreichender Inlandsbezug zu verlangen.1165 Mit Blick auf die Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO zugrunde gelegte Marktortanknüpfung wird der ordre public-Vorbehalt im Wettbewerbsrecht daher nur geringe Bedeutung erlangen.1166
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1155 Leible RIW 2008, 257, 263; Palandt/Thorn Art. 26 Rom II-VO Rn. 1; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 734. 1156 Siehe in diesem Kontext Erwägungsgrund 32, der bestimmt, dass ein unangemessener, über den Ausgleich des entstandenen Schadens hinausgehender Schadensersatz mit abschreckender Wirkung oder Strafschadensersatzansprüche je nach der Rechtsordnung des Mitgliedstaates des angerufenen Gerichts als mit der öffentlichen Ordnung dieses Staates unvereinbar angesehen werden kann. Dazu auch Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 676; Leible RIW 2008, 257, 263; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 734. 1157 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 676; Leible RIW 2008, 257, 263. 1158 EuGH 23.11.1999 – C-369/96 u. C-376/96 – Slg. 1999, 1-8430 Tz. 30 – Arblade und Leloup; siehe auch Palandt/Thorn Art. 26 Rom II-VO Rn. 1 und Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 734. 1159 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 676; Sack WRP 2008, 845, 862. 1160 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 183; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 678, 681f. 1161 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das anwendbare ausländische Recht eine Werbung erlaubt, welche nach deutschem Recht wegen Verstoßes gegen Art. 1 GG verboten wäre. Sack WRP 2008, 845, 863; Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 680. 1162 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95 u. 1 BvR 1787/95 – GRUR 2001, 170, 173 f. – Benetton-Werbung I; BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1060 f. – Therapeutische Äquivalenz; BVerfG 11.3.2003 – 1 BvR 426/02 – GRUR 2003, 442, 443 – Benetton-Werbung II. 1163 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 680; dazu ausführlich Sack WRP 2008, 845, 864. 1164 Staudinger/Fezer/Koos IntWIR Rn. 680. 1165 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 183; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 260. 1166 MünchKommBGB/Drexl IntUnlWettbR Rn. 183.
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E. Internationales Wettbewerbsverfahrensrecht Einleitung Teil E. Einl Internationales Wettbewerbsverfahrensrecht Einl Halfmeier Schrifttum Ahrens Die internationale Verbandsklage in Wettbewerbssachen, WRP 1994, 649; Alexander Die Sanktions- und Verfahrensvorschriften der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Binnenmarkt – Umsetzungsbedarf in Deutschland? GRUR Int. 2005, 809; ders. Gemeinschaftsrechtliche Perspektiven der kollektiven Rechtsdurchsetzung, WRP 2009, 683; ders. Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht (2010); Althammer Die Auslegung der Europäischen Streitgenossenzuständigkeit durch den EuGH – Quelle nationaler Fehlinterpretation? IPRax 2008, 228; Augenhofer Individualrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bei unlauterem Wettbewerbsverhalten des Unternehmers, WRP 2006, 169; von Bar/Mankowski Internationales Privatrecht Bd. I, 2. Aufl. (2003); Basedow in Schlosser (Hrsg.), Materielles Recht und Prozessrecht und die Auswirkungen der Unterscheidung im Recht der Internationalen Zwangsvollstreckung (1992) 131; Berger Die internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen in Internet-Websites aufgrund des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO, GRUR Int. 2005, 465; Brand Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, E-Commerce und „Fliegender Gerichtsstand“, NJW 2012, 127; Buchner Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der Internationalen Zuständigkeit (1998); Coester-Waltjen Internationales Beweisrecht (1983); Damm Zur Umsetzung der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, JZ 1994, 161; Domej Negative Feststellungsklagen im Deliktsgerichtsstand, IPRax 2008, 550; Fezer Plädoyer für eine offensive Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche UWG, WRP 2006, 781; Fezer/Koos Internationales Wettbewerbsprozessrecht, in: Staudinger, BGB, Bd. Wirtschaftsrecht (2010) Rn. 781 ff.; Geimer Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. (2009); Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. (2009); Glöckner Ist die Union reif für die Kontrolle an der Quelle? WRP 2005, 795; Grunsky Lex fori und Verfahrensrecht, ZZP 89 (1976) 241; Halfmeier Menschenrechte und internationales Privatrecht im Kontext der Globalisierung, RabelsZ 68 (2004) 653; ders. Popularklagen im Privatrecht (2006); Halfmeier/ Wimalasena Rechtsstaatliche Anforderungen an Opt-out-Sammelverfahren: Anerkennung ausländischer Titel und rechtspolitischer Gestaltungsspielraum, JZ 2012, 649; Heinze Beweissicherung im europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 480; ders. Der europäische Deliktsgerichtsstand bei Lauterkeitsverstößen, IPRax 2009, 231; ders. Surf global, sue local! Der europäische Klägergerichtsstand bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, EuZW 2011, 947; Heinze/Roffael Internationale Zuständigkeit für Entscheidungen über die Gültigkeit ausländischer Immaterialgüterrechte, GRUR Int. 2006, 787; Heldrich Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht (1969); Hess Europäisches Zivilprozessrecht (2010); ders. Cross-border Collective Litigation and the Regulation Brussels I, IPRax 2010, 116; ders. Der Schutz der Privatsphäre im Europäischen Zivilverfahrensrecht, JZ 2012, 189; Illmer Neutrality matters – Some Thoughts About the Rome Regulations and the So-Called Dichotomy of Substance and Procedure in European Private International Law, Civil Justice Quarterly 28 (2009) 237; Junker Internationales Zivilprozessrecht (2012); Knöfel Vier Jahre Europäische Beweisaufnahmeverordnung – Bestandsaufnahme und aktuelle Entwicklungen, EuZW 2008, 267; Köhler Zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2005, 793; Kohler Die grenzüberschreitende Verbraucherverbandsklage nach dem Unterlassungsklagengesetz im Binnenmarkt (2008); Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. (2011); Kubis Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen (1999); Lindacher Internationale Zuständigkeit in Wettbewerbssachen, FS Nakamura (1996) 321; ders. Die internationale Verbandsklage in Wettbewerbssachen, FS Lüke (1997) 377; ders. Wettbewerbsprozess und Staatenimmunität, WRP 1999, 54; ders. Zur Anwendung ausländischen Rechts, FS Beys (2003) 909; ders. Die internationale Dimension lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsansprüche, GRUR Int. 2008, 453; ders. Internationales Wettbewerbsverfahrensrecht (2009); ders. Delikt und Vertrag – Zur Zuständigkeit deutscher Wettbewerbsgerichte für Unterlassungs- und Vertragsstrafklagen bei Zuwiderhandlung nach internationaler Unterwerfung, FS Kerameus (2009) 709; Magnus/Mankowski (Hrsg.) Brussels I Regulation, 2. Aufl. (2012); MellerHannich/Höland Evaluierung der Effektivität kollektiver Rechtsschutzinstrumente für Verbraucher im nationalen Recht und rechtliche Bewertung ausgewählter Ansätze zu ihrer Fortentwicklung (2011), http://download.ble.de/09HS011.pdf; Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. (2007); Pfeiffer Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995); Puhr Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei unlauterem Wettbewerb im Internet (2005); Rauscher (Hrsg.) Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR/EuIPR (Bearbeitung 2011); Reich Rechtsprobleme grenzüber-
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Einleitung Teil E.
schreitender irreführender Werbung im Binnenmarkt, RabelsZ 56 (1992) 444; Remien Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld (1992); Rott/von der Ropp Stand der grenzüberschreitenden Unterlassungsklage in Europa, ZZP Int 9 (2004) 3; Sack Das Verhältnis des UWG zum allgemeinen Deliktsrecht, FS Ullmann (2006) 825; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl. (2010); Schmelz-Buchhold Mediation bei Wettbewerbsstreitigkeiten (2010); G. E. Schmidt Valt de revindicatie onder artikel 5 sub 3 EEX? NIPR 2004, 296; Stadler Von den Tücken der grenzüberschreitenden Verbands-Unterlassungsklage, VuR 2010, 83; dies. Grenzüberschreitender kollektiver Rechtsschutz in Europa, JZ 2009, 121; Sujecki Torpedoklagen im europäischen Binnenmarkt, GRUR Int. 2012, 18.
I.
II.
III.
IV.
Übersicht Gegenstand und Grundprinzip 1. Das lex fori-Prinzip ____ 1 2. Abgrenzung zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht ____ 7 3. Ausnahmen vom lex fori-Grundsatz und Einzelfragen ____ 10 Rechtsquellen 1. Europarecht ____ 13 a) Primärrecht ____ 15 b) Sekundärrecht ____ 17 aa) UGP-Richtlinie 2005/29/EG ____ 17 bb) Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG ____ 23 cc) Europäisches Zivilprozessrecht ____ 24 2. Völkerrecht a) Völkergewohnheitsrecht ____ 30 b) Völkerrechtliche Verträge aa) WTO/TRIPS ____ 32 bb) EuGVÜ und LuGÜ ____ 35 cc) Haager Zivilprozessübereinkommen ____ 38 dd) Haager Zustellungs- und Beweisaufnahmeübereinkommen ____ 39 ee) Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen ____ 40 ff) Bilaterale Verträge ____ 43 3. Autonomes deutsches Prozessrecht ____ 44 Zugang zum Recht ____ 45 1. Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe ____ 46 a) Prozess im Inland ____ 48 b) Prozess im Ausland ____ 54 c) Beratungshilfe ____ 57 2. Kollektiver Rechtsschutz ____ 58 Außergerichtliche Streitbeilegung 1. Abmahnverfahren ____ 61 2. Mediation ____ 63 3. Einigungsstellen ____ 65 4. Schiedsverfahren und andere Streitbeilegungsverfahren ____ 66
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V.
VI.
VII.
VIII. IX.
Parteifähigkeit 1. Natürliche Personen ____ 70 2. Gesellschaften u.a. a) Zusammenhang zwischen Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit ____ 71 b) Kollisionsrechtliche Grundsätze zur Beurteilung der Rechtsfähigkeit aa) Sitztheorie ____ 76 bb) Gründungstheorie innerhalb EWR ____ 78 cc) Bilaterale völkerrechtliche Verträge ____ 79 dd) Ausblick ____ 80 Prozessfähigkeit und gesetzliche Vertretung 1. Natürliche Personen ____ 81 2. Gesellschaften u.a. ____ 85 Prozessführungsbefugnis ____ 87 1. Parteien kraft Amtes und gesetzliche Prozessstandschaft ____ 88 2. Gewillkürte Prozessstandschaft ____ 91 3. Inkassozession ____ 92 4. Verbands- und Gruppenklagebefugnisse a) Verband als Zessionar oder Prozessstandschafter ____ 98 b) Gruppenklagebefugnisse nach ausländischem Verfahrensrecht ____ 99 c) Originäre Interventionskompetenzen des Verbandes ____ 100 aa) Materiell-rechtliche Lösung ____ 101 bb) Doppelnatur der Klagebefugnis ____ 102 cc) Prozessuale Einordnung ____ 103 dd) Ergebnis ____ 104 Postulationsfähigkeit ____ 109 Gerichtsbarkeit und Immunität ____ 113 1. Immunität natürlicher Personen ____ 114
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2.
X. XI.
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Immunität juristischer Personen a) Ausländische Staaten ____ 117 aa) Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität ____ 118 bb) Völkergewohnheitsrecht ____ 119 b) Staatsunternehmen ____ 122 3. Immunität im Vollstreckungsverfahren ____ 125 Rechtsweg ____ 127 Internationale Zuständigkeit nach EuGVO ____ 129 1. Anwendungsbereich der EuGVO a) Zeitlicher Anwendungsbereich der EuGVO im Zuständigkeitsrecht ____ 130 b) Sachlicher Anwendungsbereich der EuGVO ____ 132 c) Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich der EuGVO aa) Grundsätze ____ 136 bb) Einzelne Territorien ____ 138 cc) Dänemark-Frage ____ 140 2. Allgemeiner Gerichtsstand (Art. 2 EuGVO) ____ 142 3. Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 EuGVO) ____ 147 a) Anwendungsbereich ____ 148 b) Bestimmung des Erfüllungsortes aa) Vereinbarung ____ 151 bb) Verordnungsautonome Bestimmung ____ 152 cc) Bestimmung nach lex causae ____ 153 4. Besonderer Gerichtsstand des Tatorts (Art. 5 Nr. 3 EuGVO) ____ 157 a) Anwendungsbereich aa) Unerlaubte Handlungen ____ 159 bb) Ausnahme: Ausschließlicher Gerichtsstand des Art. 22 Nr. 4 ____ 160 cc) Sonstige Ausgleichsschuldverhältnisse ____ 161 dd) Vorbeugende Unterlassungsklage ____ 164 ee) Auskunft und Rechnungslegung ____ 165 ff) Feststellungsklage ____ 166 gg) Verhältnis zu vertraglichen Ansprüchen ____ 167 b) Ubiquitätsregel (Handlungs- oder Erfolgsort) ____ 169
XII.
XIII.
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c) Bestimmung des Handlungsortes ____ 174 d) Bestimmung des Erfolgsortes ____ 179 aa) Kein Klägergerichtsstand ____ 180 bb) Erfolgsort als Marktort ____ 181 cc) Ausnahme: Bilaterale Wettbewerbshandlungen ____ 186 e) Beschränkung der Kognitionsbefugnis des Gerichts am Erfolgsort? aa) Shevill-Entscheidung des EuGH ____ 187 bb) Martinez-Entscheidung des EuGH ____ 188 cc) Konsequenzen für das Lauterkeitsrecht ____ 190 f) Besonderheiten bei Verbandsklagen? ____ 193 5. Gerichtsstand der Niederlassung (Art. 5 Nr. 5 EuGVO) ____ 196 6. Gerichtsstand der Konnexität bei Mehrpersonenverhältnissen (Art. 6 Nr. 1 EuGVO) ____ 199 7. Gerichtsstandsvereinbarungen (Art. 23 EuGVO) ____ 203 8. Zuständigkeit kraft rügeloser Einlassung (Art. 24 EuGVO) ____ 207 Internationale Zuständigkeit nach LugÜ 1. Anwendungsbereich ____ 211 2. Weitgehende Identität mit der EuGVO ____ 212 Autonomes deutsches Recht der internationalen Zuständigkeit 1. Anwendungsbereich und Grundsatz der Doppelfunktionalität ____ 213 2. Allgemeiner Gerichtsstand ____ 215 3. Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes ____ 216 4. Besonderer Gerichtsstand bei deliktsrechtlichen Ansprüchen ____ 220 a) Besonderer Bezug zum Inland nötig? aa) Rechtsprechung ____ 223 bb) Kritik ____ 224 b) Anwendung der Mosaiktheorie bei § 32 ZPO? ____ 225 c) Anspruchskonkurrenz bei § 32 ZPO ____ 226 5. Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) ____ 227 6. Gerichtsstandsvereinbarungen (§ 38 ZPO) ____ 231 7. Zuständigkeit durch rügelose Einlassung (§ 39 ZPO) ____ 234
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Örtliche Zuständigkeit ____ 235 Vortrag zur Zuständigkeit und doppelrelevante Tatsachen ____ 236 XVI. Lis pendens 1. EuGVO/LugÜ ____ 238 a) Art. 27 EuGVO aa) Kernpunkttheorie ____ 239 bb) Maßgeblicher Zeitpunkt ____ 241 b) Art. 28 EuGVO ____ 242 2. Autonomes deutsches Recht ____ 243 XVII. Antisuit injunctions ____ 245 XVIII. Zustellungen 1. Zustellung nach EuZVO ____ 246 a) Zustellung auf Betreiben des Gerichts ____ 247 b) Zustellung im Parteibetrieb ____ 248 c) Sprachenproblematik bei Zustellungen ____ 249 2. Zustellung nach HZÜ ____ 250 XIX. Beweisaufnahme 1. Beweisaufnahme und Souveränität ____ 252 2. Beweisaufnahme nach EuBVO ____ 256 3. Beweisaufnahme nach HBÜ ____ 261 4. Sonstiger Rechtshilfeverkehr ____ 262 XX. Gerichtssprache ____ 263 XIV. XV.
Alphabetisches Stichwortverzeichnis Abmahnkosten 163 Abmahnung 61, 149 Abrufort 188 Absendeort 175 „acta iure imperii“ 118, 119, 120, 122, 133 „acta iure gestionis“ 118, 119, 120, 124, 128, 133 „actor sequitur forum rei“ 142, 157, 172, 215 AGB 106 Agentur 118, 177, 197 Ägypten 250 Air Baltic-Entscheidung 106 Aktionär 123, 240 Albanien 250 Alderney 139 allgemeines Persönlichkeitsrecht (siehe auch Persönlichkeitsrecht) 280 Andorra 139 Anerkennung 24, 34, 60, 79, 88, 129, 131, 243, 266, 276, 277, 278, 279, 280 Anerkennungshindernis 277 Anerkennungsverfahren 276 Ankerklage 200 Anspruchskonkurrenz 150, 168, 226
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XXI.
Einstweiliger Rechtsschutz 1. Zuständigkeit a) EuGVO ____ 265 aa) Begriff der einstweiligen Maßnahme ____ 266 bb) Insbesondere: Beweissicherungsverfahren ____ 267 b) Autonomes Verfahrensrecht ____ 268 2. Parallelverfahren ____ 270 3. Rechtsanwendung a) Europarecht ____ 271 b) Ermittlung ausländischen Rechts ____ 272 XXII. Vollstreckungsverfahren 1. Erzwingung von Handlungen oder Unterlassungen im Ausland durch Inlandszwang ____ 273 2. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen a) Verfahren ____ 276 b) Anerkennungshindernisse, insbesondere ordre public ____ 278 c) Vollstreckung einstweiliger Maßnahmen ausländischer Gerichte ____ 281 XXIII. Kostenrisiken ____ 283
Antigua und Barbuda 250 „antisuit injunction“ 245 Anwaltszwang 109, 111 Argentinien 250 Armenien 250 Aruba 36 Aufenthaltsort 65 Aufrechnung 11 Aufwendung 258 Aufwendungsersatz 163 Augenscheinsbeweis 254 Ausgleichsschuldverhältnis 161 Auskunft 165 Auskunftsanspruch 11, 33 Australien/australisch 59, 100, 101, 250 Azoren 138 Bahamas 250 Barbados 250 Begehungsort 65, 217, 220 Belgien 118 Belize 250 Beratungshilfe 52, 57 bereicherungsrechtlich 161, 162
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Beseitigungsanspruch 159 Bevollmächtigung = Vollmacht 91 Beweis/beweisen 9, 237 Beweisaufnahme 25, 26, 38, 39, 252, 253, 254, 256, 257, 258, 259, 260, 261 Beweislast 9,11, 252 Beweismittel 263, 267 Beweismittelimport 254, 256, 261 Beweisrecht 3, 33, 43, Beweissicherungsmaßnahme 257 Beweissicherungsverfahren 267 Beweisverfahren 267 Beweiswürdigung 2, 11 Bosnien-Herzegowina 250 Botschaft 115, 125 Botswana 250 BRAO = Bundesrechtsanwaltsordnung 112 Briefkasten(-gesellschaft) 75, 79 Britische Kanalinseln (siehe auch Großbritannien) 36 Bulgarien 130 Bundeskonsul 260, 262 China 250 „class action“ 58, 99 comitas 108 Common Law 245 Dänemark 25, 26, 35, 53, 54, 88, 140, 141, 156, 246, 253, 258 Darlegungslast 11 DENIC 68 Dienstleistungsfreiheit 96, 111 Diplomat/diplomatisch 30, 115 „disclaimer“ 184 Diskriminierungsverbot 15 Distanzdelikt 169 „doing business jurisdiction“ 230 (Internet-)Domain 67, 68, 69 EFTA-Staaten 37 Eilbedürftigkeit 61, 272 Eilverfahren 272 Eingriffskondiktion 161 Einigung 204, 240 Einigungstelle 65 Einrede 133, 212 Einspruchsverfahren 160 einstweilige Maßnahmen 265, 266, 267, 270, 281, 282 einstweilige Verfügung 109, 248, 268, 269, 271 einstweiliger Rechtsschutz 33, 109, 210, 239, 257, 265, 268, 269, 270, 271, 272, 281, 283 Eintrittsrecht 140 Einvernehmensanwalt 111 Einziehungsklagen 97 E-Mail 175, 205
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Enforcement-Richtlinien 2004/48/EG 23 England/englisch (siehe auch Großbritannien) 79, 264 Erfolgshonorar 284 Erfolgsort 169, 171, 172, 173, 179, 180, 181, 182, 184, 186, 187, 190, 191, 193, 198, 220, 224, 225 Erfolgsortzuständigkeit 181, 182, 184 Erfüllungsort 147, 149, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 168, 172, 216, 217, 219 Erfüllungsortsvereinbarung 151 Erfüllungsortzuständigkeit 149 Erfüllungsvereinbarung 151 Erlass 109, 207, 271 Erscheinungsort 175 Estland 130 EuBVO = Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 25, 26, 253, 254, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 267 EuGFVO = Verordnung (EG) Nr. 861/2007 25, 26 EuInsVO = EU-Insolvenzverordnung 88 EuMVVO = Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 25, 26 Europäischer Rechtsanwalt 110, 111 Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität von 1972 117, 118 Europäisches Zivilprozessrecht 24, 25 EuRAG = Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland 110, 111 EuVTVO = Verordung (EG) Nr. 805/2004 25, 26, 275 EuZVO = Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 25, 26, 39, 140, 246, 247, 248, 249, 250 Exequaturklage/-verfahren 25, 27, 277, 282 Exterritorialität 114, 274 Fahrlässigkeit/fahrlässig 159 faktischer Sitz 144, 174, Faröer-Inseln 141 Feststellungsklage 166, 239, 240, 244, Folgeschäden 180 Forderungskauf 93 „forum shopping“ 190 Frankreich/französisch 138, 159, 182, 187, 225 Französisch-Guayana 138 Freiberufler 115, 233 GATS = Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen 34 GATT = Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 34, 79 Gefährdungshaftung 159 geistiges Eigentum 23, 33, 160 Geldentschädigung 280 Generalprävention 280 Genugtuungsfunktion 280 „genuine (link)“ 31, 79, 170, 218 Gerichtsbarkeit 31, 113, 116, 124, 128 Gerichtspflichtigkeit 142, 182
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Einleitung Teil E.
Gerichtsstaat 118, 136 Gerichtsstandvereinbarung 40, 42, 62, 149, 151, 155, 203, 204, 205, 206, 216, 219, 231, 232, 240, 245 Gesamtschuldner 165 Geschäftsfähigkeit 81, 82, 83, 84, 204 Geschäftsführung ohne Auftrag 163 Gesellschaftsvertrag 144 Gewinnabschöpfung 22, 134, 162, 280 Gewinnherausgabe 162 Gibraltar 138 Grönland 141 Großbritannien/britisch 118, 139, 140 Grundfreiheit 15, 16 Gründungsort 49 Gründungstheorie 78, 79, 80 Gruppenklage 27, 58, 99 Guadeloupe 138 Guernsey 139 Haager Übereinkommen über den internationalen Zugang zur Rechtspflege von 1980 46 Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.6.2005 40, 203, 231 haftungsbegründend 166 Handelsbräuche 205 Handlungsort 169, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 187, 190, 193, 194, 198, 220, 274 Hauptniederlassung 144, 145 Hauptverwaltung 144, 145 HBÜ = Haager Übereinkommen von 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen 38, 39, 43, 253, 254, 261, 262 Heiliger Stuhl 250 Herausgabe 162 Herkunftslandprinzip 16 Hinterlegung 160 HZPÜ = Haager Übereinkommen von 1954 über den Zivilprozess 38, 250, 251 HZÜ = Haager Übereinkommen von 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen 38, 39, 43, 250, 251 ICANN 69 Immunität/immun (siehe auch Staatenimmunität) 30, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 128, 227, 274 Indien 250 Industriespionage 186 Inkassodienstleistung 93 (Inkasso)zession 92, 93, 94, 97 Insolvenzverfahren 87, 88, 132 Insolvenzverwalter 48, 88 Interessenmittelpunkt/Mittelpunkt der Interessen 188, 189, 192, 224 Internet 175, 182, 188, 189, 223, 254
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Internet-Delikt 188, 223 Internetveröffentlichung 189, 223 Irland/irisch 139, 140 Island 37, 110, 211, 213, 250 Isle of Man 36, 139 Israel 250 Japan 250 Jersey 139 Kanada 250 Kanarische Inseln 138 Kaufmann/Kaufleute 77, 232, 233 Kernpunkttheorie 239, 240, 270 Kirgistan 250 Klagebefugnis/klagebefugt 20, 21, 22, 59, 102, 193 Klägergerichtsstand 156, 180 Kognitionsbefugnis 181, 187, 188, 190, 191, 192, 225 Konsul/konsularisch 30, 115 Kroatien 250 Kuwait 250 „legal aid“ 54 Leistungsklage 166, 239, 240, 244 Lettland/lettisch 106, 130 Libanon 250 Liechtenstein 110 Lieferort 152 Liquidation 95 Litauen 130 Lizenzgeber 156 Lizenzgebühr 162 Lizenzvertrag 152, 156 „loser pays-Prinzip“ 283 LugÜ = Lugano Übereinkommen 35, 37, 131, 211, 212, 213, 228, 235, 238, 244, 268, 277, 281 Luxemburg 118 Madeira 138 Mahnverfahren 25 Malawi 250 Malta 130 Marke 160 Marktort 101, 170, 173, 181, 185, 186, 191, 193, 220 Marktortzuständigkeit 181 Marokko 250 „Martinez-Entscheidung“ 188, 189, 190, 191, 192, 224, 225 Martinique 138 Mediation 63, 64 Meistbegünstigungsprinzip 32, 34, 79 Mexiko 41 Missbrauchskontrolle 206 Mittäter 201 Moldawien 250 Monaco 139, 250 Montenegro 250 Mosaiktheorie/-prinzip 187, 190, 191, 192, 225
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Internationales Wettbewerbsverfahrensrecht
Nebentäter 201 Nichtigkeitsverfahren 160 Niederlanden/niederländisch 118, 182, 202, 266, 267, 279 Niederländische Antillen 36 Niederlassung 112, 195, 197, 198 Niederlassungsfreiheit 15, 78 Niederlassungsgerichtsstand 196 Norwegen 37, 110, 211, 213, 250 Notwehr 12 Online-Medien 189 opt-in-Verfahren 58, 140 opt-out-Verfahren 58, 279 Ordnungsgeld 19, 25, 135, 273, 275, 282 Ordre Public = Öffentliche Ordnung 12, 70, 80, 88, 258, 259, 278, 279, 280 Österreich 118, 161 „overruling“ 189 Pakistan 250 „par in parem (non habet imperium)“ 117, 122 Parteifähigkeit/parteifähig 34, 70, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 81, 82 Patent 160, 201, 212 Patentverletzung 160, 201 Persönlichkeit 191 Persönlichkeitsrecht 27, 161, 189, 191, 192, 223, 280 Persönlichkeitsrechtsverletzung 187, 188, 223, 224 Persönlichkeitsschutz 191 Polen 130 Popularklage 21, 59, 100, 101, 103, 104 Portugal 138 Postulationsfähigkeit 109 Print-Medien 189 „private enforcement“ 58 Prospekthaftungsklage 240 Prozessbevollmächtigung 246 Prozessfähigkeit 81, 82, 83, 84, 85 Prozessfinanzierung 283, 284 Prozessführungsbefugnis 60, 87, 88, 92, 98, 105, 195 Prozessführungsverbot 245 Prozesshandlung 109 Prozesskostenhilfe (PKH) 28, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 283, 284 Prozesskostenhilfe-Richtlinie 2003/8/EG = Richtlinie 2003/8/EG zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen 47, 52, 53, 54, 55, 56, 57
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Prozesskostensicherheit 15 Prozessstandschaft 89, 90, 91, 97, 98 „punitive damages“ (siehe auch Strafschadensersatz) 280 Qualifikation/qualifizieren 7, 8, 9, 10, 100, 103, 105, 109, 110, 124, 162, 171, 220 „quota litis“ 284 RDG = Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen 93, 94, 95, 97, 98 Rechnungslegung 165 Rechnungslegungsanspruch 11 Rechtsfähigkeit/rechtsfähig 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 79, 81, 95 Rechtshängigkeit/rechtshängig 241, 243, 244, 245 Rechtshilfe 43, 251, 255, 262 Rechtskraft/rechtskräftig 240, 280 Rechtsmittel 9, 33 Rechtsnachfolge 148 Rechtsschein 197 Rechtsschutz (auch kollektiver) 31, 57, 58, 59, 99, 162, 224 Rechtsweg 127, 128 Regressanspruch 165 „remise au parquet“ 246 Réunion 138 Richtlinie 98/27/EG (über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen) 105, 194 Rom I-VO 92, 94, 156, 172, 197, 204, 206, 219, 252 Rom II-VO 9, 101, 106, 108, 170, 186, 190, 191, 197, 206, 252 Rückabwicklung 161 Rumänien 130 Russland/russisch 223, 224, 250 Sabotage 186 Sachverständiger 254, 258 Saint-Barthélemy 138 Saint-Martin 138 Sammelklage 58, 202 Sammelverfahren 279 San Marino 139, 250 Sark 139 Säumnisentscheidung 207 satzungsmäßiger Sitz 144, 145 Schaden/schaden 19, 157, 163, 179, 180, 182, 186, 187, 188, 190, 192, 224, 225, 265, 280 Schadensberechnung 162 Schadenseintritt 164, 169, 224 Schadensersatz 19, 23, 27, 33, 148, 154, 160, 161, 162, 163, 165, 166, 181, 187, 201, 239, 240, 242, 280 Schadensort 180
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Einleitung Teil E.
Scheinauslandsgesellschaft 75, 77, 145 Schiedsgericht 256 Schiedsgerichtsbarkeit 132 Schiedsvereinbarung 240, 245 Schiedsverfahren 66, 132 Schriftform 232 Schuldanerkenntnis 217 Schuldnerberatung 96 Schweiz 37, 110, 112, 118, 211, 212, 250 Selbsthilfe 12 Sendeort 175 Serbien 250 Seychellen 250 „Shevill-Entscheidung“ 187, 188, 189, 190, 192, 225 Sitz 49, 65, 137, 142, 151, 155, 156, 157, 175, 180, 181, 186, 187, 188, 192, 194, 196, 203, 219, 228, 229, 258 Sitztheorie 76, 77, 78, 80, 85 Skandinavien 58 Slowakische Republik 130 Slowenien 130 Souveränität/souverän 4, 31, 116, 254, 255, 273, 274 Spanien/spanisch 124, 138 Spiegelbildprinzip 88 „spill over“ 182 Sprache 223, 224, 249, 263, 264 Sri Lanka 250 „St. Paul Dairy Entscheidung“ 267 St. Vincent und Grenadinen 250 Staatenimmunität (siehe auch Immunität) 118, 120, 123 Staatsangehörigkeit 48, 70, 136 Staatsgebiet 138 Staatsunternehmen/staatliches Unternehmen 115, 122, 123, 124 Strafschadensersatz 134, 280 Strafzahlung 218 Streitbeilegungsverfahren 67, 68, 69 Streitsache/-gegenstand 47, 132, 243, 244, 269, 277 Streudelikt 169, 190, Substantiierungspflicht 2 Südkorea 250 Surinam 250 „tag jurisdiction“ 230 Täter 169, 175, 176, 280 Tathandlung 178 Tatort 157, 160, 167, 169, 170, 171, 180, 222, 237 Tatortgerichtsstand 157, 159, 160, 161, 164, 165, 166, 168, 170, 171, 172, 180, 188, 189, 217 Tatortprinzip 62 Tatortzuständigkeit 163, 195, 236, Teilrechtsfähigkeit 74
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Telefax 205 Tessili-Regel 156 Titelgläubiger 277 Tochtergesellschaft 197 Torpedoklage 166, 240, 244, 269 TRIPS = Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum 32, 33 Trust 90 Tschechische Republik 130 Türkei/türkisch 139, 250 Ubiquitätsregel/-prinzip 169, 170, 171, 173, 174, 179, 180, 182 UDRP = Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy 69 UGP RL = Richtlinie 2005/29/EG 17, 18, 19, 20, 21, 107, 190 UKlaG 20, 28, 100, 101, 105, 106, 107 Ukraine 250 Unfallort 180 unerlaubte Handlung 157, 159, 162, 178, 224, 237 Ungarn 130 UN-Konvention über Staatenimmunität von 2004 117 Unterlassung/unterlassen 51, 149, 156, 187, 225, 239, 245, 269, 273 Unterlassungsanspruch 19, 25, 149, 150, 159, 160, 164, 183, 217, 275 Unterlassungsantrag 181, 190, 192 Unterlassungserklärung 149 Unterlassungsgebot 188 Unterlassungsklage 28, 134, 164, 180, 240 Unterlassungspflicht 155 Unterlassungsverfügung 33, 135, 245 Unterlassungsverpflichtung 62, 149, 152 Unterlassungsvertrag 156 Unternehmensleitung 174 Unternehmenssitz 186 Unterwerfungserklärung 19, 62, 149, 150, 151, 152, 155, 203, 205, 216, 217, 218, 219 Unzuständigkeit 209, 238 Urheberrechtsverletzung 201 USA/(US-)amerikanisch 34, 41, 58, 79, 80, 90, 99, 223, 224, 230, 250, 279, 280 Usbekistan 250 Vatikan 139 Venezuela 250 Verbandsklage 20, 27, 58, 100, 103, 104, 105, 107, 193, 194, 195 Verbandsklagebefugnis 59, 101, 102, 106, 108, 134, 194, 195 Verbraucher 19, 20, 97, 108 Verbraucherinteressen 20, 21, 28, 107 Verbraucherschutz 22, 97, 106, 279
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Internationales Wettbewerbsverfahrensrecht
Verbrauchervertrag 185 Verbraucherzentrale 97 Verfahrensdauer 240 Verfahrenseffizienz 150 Verfahrensverbindung 9 Vergleich 202 Verhältnismäßigkeit 51, 96 Verletzer 162, 280 Verletzter 189, 191, 192, 218, 224 Verletzungsklage 160, 212 Verletzungsort 180, 186 Verjährung 3, 11 Vermögen 180, 227 Vermögensgerichtsstand 230, 268 Vermögensschäden 180 Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz = VO (EG) Nr. 2006/2004 107 Verspätungsvorschrift 209 Vertragsstrafe 19, 62, 149, 216, 217, 218, 219 Vertreter/Vertretung 85, 86 Vertretungsmacht 86, 204 Verwaltungssitz 76, 77, 78, 79, 85, 86 Vollstreckbarkeit 277, 282 Vollstreckung 24, 26, 35, 41, 75, 126, 129, 227, 274, 277, 278, 281 Vollstreckungsmaßnahme 125 Vollstreckungstitel 25, 26, 248, 275 Vollstreckungsverfahren 31, 113, 121, 125, 274 Warenverkehrsfreiheit 139 WCAM = WetCollectieve Afwikkeling Massaschade 202
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Weißrussland 250 Werbemaßnahme 175, 177, 181 Widerklage 160 Wiederholungsgefahr 164 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961 115 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen von 1963 115 Willenserklärung 205 Willensmängel 204 WIPO = World Intellectual Property Organization 69 Wohnsitz 48, 54, 55, 137, 143, 144, 145, 147, 191, 200, 224, 265 WTO = World Trade Organization = Welthandelsorganisation 32, 34, 112, Zedent 93 Zessionar 92, 93, 98 Zeuge 254 Zeugenaussage 254, 255 Zeugenentschädigung 258 Zeugenvernehmung 266, 267 Zuständigkeitsvereinbarung 137, 203 Zustellung 25, 39, 241, 246, 248, 249, 250, 251, 263 Zustellungsform 247, 250, 251 Zustellungsrecht 43 Zustellungsverfahren 247 Zwangsvollstreckung 282 Zweigniederlassung 197 Zypern 118, 130, 139
I. Gegenstand und Grundprinzip 1. Das lex fori-Prinzip. Mit dem Begriff des Internationalen Wettbewerbsver- 1 fahrensrechts bezeichnet man die rechtsförmige Durchsetzung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche im Kontext transnationaler Wirtschafts- und Konkurrenzbeziehungen. Es behandelt somit diejenigen Rechtssätze des Verfahrensrechts, die bei Verfahren in Wettbewerbssachen mit Auslandsbezug anzuwenden sind.1 Es handelt sich also um einen Teilund Sonderbereich des Internationalen Zivilverfahrensrechts. Beide Begriffe sind latent irreführend, denn sie suggerieren eine internationale Vereinheitlichung, die nur partiell existiert (s. im Detail zu den verschiedenartigen Rechtsquellen unten Rn. 13 ff.). Ebenso wie beim „Internationalen Privatrecht“ ist auch hier zwar der Sachverhalt notwendig international, das Recht dagegen – zumindest im Ausgangspunkt – nationaler Herkunft.2 Dies wird im Internationalen Zivilverfahrensrecht besonders deutlich, denn hier gilt wohl „in aller Welt“3 das lex fori-Prinzip: Ein Gericht wendet stets sein heimatliches Verfahrensrecht an: „Forum regit processum“. Dieses Grundprinzip ist auch in
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Lindacher S. 1. von Bar/Mankowski § 5 Rn. 2. Heldrich S. 17.
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Deutschland allgemein anerkannt,4 in seinen Details aber noch keineswegs geklärt. Eine einschlägige gesetzliche Regelung gibt es im deutschen Recht nicht. Die deutsche Rechtsprechung geht jedenfalls davon aus, dass sich „Verfahrensfragen nur nach dem jeweiligen Prozessrecht des erkennenden Gerichts (lex fori) bestimmen.“5 In concreto wurde dies vom BGH bisher für das Vorliegen von Prozessvoraussetzungen 6 sowie für die Regeln der Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO 7 festgestellt. Dagegen ordnet der BGH den Umfang der Substantiierungspflicht hinsichtlich eines geltend gemachten Anspruchs dem materiellen Recht zu.8 In der Literatur ist die Bedeutung und Reichweite des lex fori-Grundsatzes umstritten. Während die ältere Literatur ihn als „uralten Grundsatz“ weitgehend uneingeschränkt geltend postuliert,9 wird er in der neueren Literatur differenzierter betrachtet.10 Dabei wird mit Recht erkannt, dass dieses Prinzip auf einer Unterscheidung zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht gründet, sich aber gerade diese Unterscheidung nicht „chemisch rein“ vornehmen lässt.11 Sie ist zwar als solche in Europa seit dem Mittelalter gängig,12 hat sich aber in den heute geltenden nationalstaatlichen Rechtsordnungen unterschiedlich entwickelt. Die Trennung zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht ist also nicht ontologisch vorgegeben, sondern ist Produkt historischdogmatischer Entwicklungen. Die Rechtsvergleichung zeigt, dass z.B. beim Beweisrecht13 und hinsichtlich der Verjährung14 erhebliche Unterschiede bestehen. Auch die Begründung des lex fori-Grundsatzes ist heute unsicher geworden. Eine eher traditionelle Linie ordnet das Verfahrensrecht dem öffentlichen Recht zu, welches schon aus Souveränitätsgründen im Inland unbeschränkt gelte.15 Das überzeugt nicht ganz, denn auch die Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht ist keineswegs eindeutig und von Rechtsordnung zu Rechtsordnung verschieden. Auch das Privatrecht ist Ausübung staatlicher Souveränität, weil es darüber entscheidet, unter welchen Umständen ein Bürger die Staatsgewalt zur Durchsetzung seiner Interessen nutzen darf. Hinzu kommt, dass es der staatlichen Souveränität keinen Abbruch tut, wenn der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung – in den durch die verfassungsmäßige Ordnung vorgegebenen Grenzen – erlauben, dass unter bestimmten Umständen ausländisches Recht von deutschen Gerichten angewandt wird.16 Sinnvollerweise wird daher der lex fori-Grundsatz nicht formalistisch begründet, sondern vorwiegend mit Praktikabilitätserwägungen: Auch in Fällen mit Auslandsbe-
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4 OLG Frankfurt/M. 5.4.2006 – 4 U 153/02 – Tz. III.2. m.w.N. 5 BGH 27.6.1984 – IVb ZR 2/83 – NJW 1985, 552, 553. 6 Ebd. 7 BGH 27.4.1977 – VIII ZR 184/75 – WM 1977, 793, 794; zahlreiche Nachweise auf das ältere Schrifttum bei Soergel/Kronke Art. 38 EGBGB Anhang IV Rn. 124 Fn. 1. 8 BGH ebd. 9 von Bar IPR, Bd. I, 1. Aufl. (1987) Rn. 321. 10 Eine „Befreiung des IZVR von dem Dogma der lex fori“ konstatiert insbesondere Schack Rn. 50; ähnlich Lindacher S. 2: Der lex fori-Grundsatz habe „schon seit geraumer Zeit den Glanz der Allgemeingültigkeit verloren.“ 11 Schack Rn. 45. 12 Zur Geschichte insoweit Heldrich S. 14 ff. 13 Ausführlich dazu Coester-Waltjen S. 13 ff. 14 Vgl. nur BGH 9.6.1960 – VIII ZR 109/59 – NJW 1960, 1720, 1721 zur prozessrechtlichen Betrachtung der Verjährung in den USA. 15 Verfahrensrecht als „Kernbereich staatlicher Souveränität“, so von Bar/Mankowski § 5 Rn. 75 und 77. 16 Vgl. zum Charakter des kraft IPR berufenen „fremden“ Rechts als im Ergebnis deutsches Bundesrecht Schinkels Normsatzstruktur des IPR (2007) 141 ff. und 149, der aber zugleich nur die Sachnormverweisung für verfassungsgemäß hält.
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rührung soll der Richter das ihm vertraute heimische Verfahrensrecht anwenden, um schnell und sicher zu einer Entscheidung zu kommen.17 Diese pragmatische Begründung ist überzeugend und wohl deshalb auch so weit verbreitet: Wollte man in Fällen mit Auslandsberührung auch noch ein umfangreiches „prozessuales Kollisionsrecht“18 vorschalten, so wäre das Gericht schnell überfordert und den Parteien letztlich nicht gedient.19 Zugleich eröffnet das Verständnis des lex fori-Grundsatzes als bloß pragmatisch begründete Regel aber auch die Möglichkeit, in sachlich begründeten Konstellationen Ausnahmen zu machen und so die Geltung des inländischen Verfahrensrechts gegebenenfalls einzuschränken.20 Bei einer konkreten Falllösung sind daher zwei Schritte vorzunehmen: Erstens ist 6 zu prüfen, ob die in Rede stehenden Normen zum Verfahrensrecht oder zum materiellen Recht gehören. Werden sie dem materiellen Recht zugeordnet, so ist in eine kollisionsrechtliche Prüfung einzutreten, um das anwendbare Recht zu bestimmen. Werden sie dagegen dem Verfahrensrecht zugeordnet, so gilt die lex fori, es sei denn, dass man in einem zweiten Schritt aus besonderen Gründen ausnahmsweise von dieser Regel abrückt. 2. Abgrenzung zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht. Die Abgren- 7 zung zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht wird teilweise in Anlehnung an die kollisionsrechtliche Begrifflichkeit als Qualifikation bezeichnet.21 Dies ist zumindest insoweit sinnvoll, als damit ebenso wie im Kollisionsrecht auf das „Problem der Qualifikation“ hingewiesen wird, nämlich auf die Frage, nach welchen Begriffen und Maßstäben die Zuordnung zum Prozessrecht erfolgen soll. Ebenso wie im Kollisionsrecht gilt auch hier das Primat der lex fori, d.h. das Recht des Forumstaates entscheidet darüber, was es als Prozessrecht ansieht und damit kraft des lex-fori-Grundsatzes „an sich zieht“.22 Allerdings kann – ebenso wie im Kollisionsrecht – dieses Prinzip der Qualifikation 8 gemäß lex fori nicht mehr uneingeschränkt gelten, wenn die fragliche Materie durch Europarecht oder völkerrechtlichen Vertrag harmonisiert ist: Würde man hier nach lex fori qualifizieren, so wäre der mit diesen Instrumenten angestrebte Entscheidungseinklang gefährdet. Daher ist bei diesen Rechtsquellen in der Regel eine vertragsautonome bzw. europarechtlich-autonome Qualifikation vorzunehmen. Im Wettbewerbsverfahrensrecht ist dies insbesondere bei Art. 1 Abs. 3 Rom II-VO 9 relevant. Dieser bestimmt, dass Fragen von „Beweis und Verfahren“ nicht dem durch diese Verordnung harmonisierten europäischen Kollisionsrecht unterliegen sollen (allerdings vorbehaltlich der Art. 21 Rom II-VO zu Formfragen und Art. 22 Rom II-VO zur Beweislast). Um insoweit die Entscheidungsharmonie in den beteiligten EU-Mitgliedstaaten
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17 Schack Rn. 48; allerdings spräche diese pragmatische Begründung ebenso für die Anwendung des heimischen materiellen Rechts, so die berechtigte Kritik bei Soergel/Kronke Art. 38 EGBGB Anhang IV Rn. 124. 18 Vgl. aber die entsprechende Begrifflichkeit bei Schack Rn. 4 ff. 19 So begründet etwa Grunsky ZZP 89 (1976) 241, 254, den lex fori-Grundsatz aus Sicht der Parteien: Im materiellen Recht gehe es um ein bereits abgeschlossenes Geschehen, so dass Rücksicht auf die seinerzeit bestehende Einschätzung und Interessensituation genommen werden müsse. Im Prozessrecht dagegen sei eine Anpassung des Verhaltens der Parteien an die lex fori des Gerichts regelmäßig möglich und zumutbar. 20 Beispiele bei Grunsky ebd. für den Fall, dass ausnahmsweise eine Verhaltensanpassung der Parteien an die lex fori nicht zumutbar erscheint. 21 Schack Rn. 51 m.w.N.; jedenfalls bezüglich der Abgrenzung von Verfahrensrecht und materiellem Recht zustimmend Basedow S. 136 ff. 22 So Schack Rn. 52.
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zu sichern, müssen die Begriffe „Beweis und Verfahren“ hier autonom ausgelegt werden; es kann insoweit nicht nach lex fori qualifiziert werden.23 Dazu hat sich allerdings noch keine europaweite Praxis herausgebildet. In der Literatur wird ein „Kriterium der Neutralität“ vorgeschlagen, wonach Verfahrensrecht im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Rom IIVO diejenigen Vorschriften umfasse, die „neutral“ in dem Sinne seien, dass sie nicht die Entscheidung in der Sache betreffen.24 Dies seien insbesondere Formfragen der Klageeinreichung, Regeln über Verfahrensarten, Verfahrensleitung, Verfahrensverbindung, Zusammensetzung des Gerichts, Kosten und Rechtsmittel.25 Dieser Vorschlag muss im Detail noch konkretisiert werden. Er geht aber vom richtigen Ausgangspunkt aus: Ist die Rom II-VO anwendbar, so kann der Begriff des Verfahrensrechts nicht mehr ohne weiteres der lex fori entnommen werden, sondern es ist eine europarechtlich-autonome Definition der Regelungsgegenstände „Beweis und Verfahren“ durchzuführen, welche gemäß Art. 1 Abs. 3 Rom II-VO nicht dem europäisch harmonisierten Kollisionsrecht unterworfen sind. Die autonome Qualifikation der Verordnung erfordert also einen „dezisionistischen Akt“26 – in diesem Falle ggf. durch den Europäischen Gerichtshof in seiner Auslegung der Rom II-VO. 3. Ausnahmen vom lex fori-Grundsatz und Einzelfragen. Selbst wenn man aber als Ergebnis der beschriebenen Qualifikation ein Problem dem Prozessrecht zuordnet, ist zumindest in der Literatur weitgehend anerkannt, dass dies vor deutschen Gerichten nicht zwingend und nicht in jedem Fall zur Anwendung des deutschen Verfahrensrecht führen muss.27 Dies gilt insbesondere im Verhältnis zum Kollisionsrecht: Es mag Fälle geben, in denen der Rechtsanwendungsbefehl des Kollisionsrechts nur dann sinnvoll ausgeführt werden kann, wenn auch das Verfahren entsprechend der vom Kollisionsrecht berufenen lex causae angepasst wird.28 Auch die Rechtsprechung nimmt trotz des apodiktisch vorgetragenen lex fori-Grundsatzes (s. oben Rn. 2) im konkreten Einzelfall durchaus auf fremdes Verfahrensrecht Rücksicht: So wird etwa die Frage der Rechtshängigkeit einer Klage im Ausland nach dortigem Verfahrensrecht bestimmt.29 Die auf den einzelnen Gebieten des Prozessrechts auftauchenden Probleme des lex11 fori-Grundsatzes werden in der folgenden Darstellung an der jeweils einschlägigen Stelle angesprochen. Überblicksartig kann aber auf die folgenden Einzelfragen hingewiesen werden: Zum materiellen Recht gehört aus deutscher Sicht insbesondere die Klagbarkeit30 und die Verjährung31 von Ansprüchen, die Darlegungslast32 und die Beweislast,33 die Voraussetzungen und Wirkungen einer Aufrechnung34 sowie das Bestehen von Aus-
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23 Illmer Civil Justice Quarterly 2009, 237, 243 ff. 24 Illmer a.a.O. 246; für eine sehr enge Auslegung des Begriffs von „evidence and procedure“ auch Dickinson Rome II Regulation, S. 596. 25 Illmer a.a.O. S. 247. 26 Basedow S. 142. 27 Schack Rn. 49 m.w.N. 28 Vgl. bereits Heldrich, S. 22; speziell zum Beweisrecht Coester-Waltjen S. 461 („Beweiskollisionsregel“ mit Rücksicht auf die lex causae); kritisch dazu Basedow S. 138 ff. 29 BGH 9.10.1985 – IVb ZR 36/84 – NJW 1986, 662, 663; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 261 Rn. 74. 30 Geimer IZPR Rn. 344. 31 BGH 9.6.1960 – VIII ZR 109/59 – NJW 1960, 1720, 1721. 32 BGH 27.4.1977 – VIII ZR 184/75 – WM 1977, 793, 794. 33 BGH 8.11.1951 – IV ZR 10/51 – BGHZ 3, 342, 345 f. 34 Geimer IZPR Rn. 352.
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kunfts- und Rechnungslegungsansprüchen.35 Zum Prozessrecht gehört dagegen insbesondere das Vorliegen von Prozessvoraussetzungen36 und die Beweiswürdigung.37 In der Literatur wird darüber hinaus erwogen, auch die Voraussetzungen und Gren- 12 zen von im Inland erlaubter Selbsthilfe und Notwehr stets dem deutschen Recht als lex fori zu entnehmen, weil der Rechtsfrieden im Inland auf dem Spiel stehe.38 Das ist im Ergebnis überzeugend. Systematisch gehören diese Fragen aber zum materiellen Recht, so dass insoweit zunächst das Kollisionsrecht zu befragen und dessen Ergebnis ggf. zum Schutz des inländischen ordre public zu korrigieren ist. II. Rechtsquellen 1. Europarecht. Das internationale Zivilprozessrecht und damit auch das interna- 13 tionale Wettbewerbsverfahrensrecht ist heute in weiten Teilen europarechtlich vereinheitlicht; z.T. wird insoweit schon von einem „Europäischen Zivilprozessrecht“ gesprochen.39 Dabei muss das Europarecht als ranghöchste Rechtsquelle angesehen werden. Gegenüber dem nationalen Recht ergibt sich dies aus dem vom EuGH bereits 1964 postulierten Anwendungsvorrang des Europarechts.40 Dieser Anwendungsvorrang des Europarechts besteht in der Logik des Europarechts auch gegenüber nationalem Verfassungsrecht.41 Auch die von der EU abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge (dazu unten 14 Rn. 40) gehen gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV dem Recht der Mitgliedstaaten vor. Innerhalb der Normenhierarchie des Europarechts stehen solche völkerrechtlichen Verträge oberhalb des Sekundärrechts, jedoch unterhalb des Primärrechts.42 Dies ergibt sich einerseits aus der in Art. 216 Abs. 2 AEUV angeordneten Bindung der Organe an die von der EU abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge und andererseits daraus, dass diese Verträge gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV nicht gegen das EU-Primärrecht verstoßen dürfen. Die EU ist als Völkerrechtssubjekt (Art. 47 EUV) außerdem an das Völkergewohnheitsrecht gebunden.43 a) Primärrecht. Das EU-Primärrecht, d.h. insbesondere der Vertrag über die Euro- 15 päische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), enthält keine Vorschriften, die das Zivilverfahrensrecht unmittelbar regeln. Vielmehr sieht Art. 81 AEUV vor, dass die konkreten Maßnahmen zur „Justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen“ im Wege der Sekundärrechtssetzung getroffen werden. Trotzdem kann das Primärrecht in Einzelfällen Wirkung entfalten. Zu beachten sind insoweit vor allem das Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) sowie die Grundfreiheiten des Binnenmarkts (Art. 26 ff. AEUV), die u.a. den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie die Niederlassungsfreiheit garantieren. In der Vergangenheit musste der EuGH z.B. wiederholt feststellen, dass eine Prozesskostensicherheit, die von EU-Ausländern, nicht aber von Inländern verlangt wird, gegen das europarechtliche Diskriminie-
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35 Schack IPRax 1991, 347, 349 f. 36 BGH 27.6.1984 – IVb ZR 2/83 – NJW 1985, 552, 553. 37 BGH 27.4.1977 – VIII ZR 184/75 – WM 1977, 793, 794. 38 Schack Rn. 53; Geimer Rn. 334. 39 So der Werktitel bei Hess Europäisches Zivilprozessrecht (2010). 40 EuGH 15.7.1964 – 6/64 – Slg. 1964, 1251 – Costa/Enel. 41 EuGH 17.12.1970 – 11/70 – Slg. 1970, 1125 – Internationale Handelsgesellschaft; zustimmend Schroeder Grundkurs Europarecht (2. Aufl. 2011) § 5 Rn. 18. 42 Schroeder Grundkurs Europarecht § 21 Rn. 19. 43 EuGH 16.6.1998 – C-162/96 – Slg. 1998 I-3655 Tz. 49 ff. – Racke.
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rungsverbot verstößt.44 Die Vorschrift des § 110 ZPO wurde daraufhin entsprechend angepasst. Derartige Wirkungen des EU-Primärrechts auf das nationale Verfahrensrecht sind 16 auch in Zukunft nicht ausgeschlossen. Sie werden allerdings selten sein, da die Grundfreiheiten des AEUV jedenfalls kein prozessrechtliches Herkunftslandprinzip in dem Sinne begründen können, dass eine aus der EU stammende Prozesspartei ihr heimatliches Prozessrecht „mitbringen“ dürfte.45 Hinzu kommt, dass die Harmonisierung des Prozessrechts heute vor allem durch das diesbezüglich inzwischen sehr umfangreich gewordene EU-Sekundärrecht stattfindet (dazu unten Rn. 24 ff.). Zwar sind auch sekundärrechtliche Vorschriften der EU schon aufgrund ihrer normenhierarchischen Stellung an den Vorgaben des Primärrechts zu messen,46 aber im Bereich der Grundfreiheiten scheint der EuGH das Sekundärrecht eher als Konkretisierung dieser Grundfreiheiten anzusehen.47 Ein Verstoß von Sekundärrecht gegen die Grundfreiheiten bleibt daher bisher nur eine theoretische Möglichkeit. Ggf. ist das Sekundärrecht zunächst primärrechtskonform auszulegen.48 b) Sekundärrecht aa) UGP-Richtlinie 2005/29/EG. Im EU-Sekundärrecht steht für das materielle Lauterkeitsrecht die Richtlinie 2005/29/EG (UGPRL, dazu oben Einl. Teil C Rn. 228 ff.) ganz im Vordergrund. Sie enthält in ihren Art. 11–13 auch Ausführungen zur prozessualen Rechtsdurchsetzung. Aufgrund ihres Charakters als Normen einer Richtlinie sind diese Vorschriften im Verfahrensrecht nicht unmittelbar anwendbar. Sie sind aber für die Auslegung des nationalen Rechts heranzuziehen. Dabei gilt das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung nicht nur für solche nationalen Normen, die zum Zwecke der Richtlinienumsetzung geschaffen wurden, sondern für den gesamten Bestand des nationalen Rechts.49 Außerdem bilden Art. 11–13 UGPRL mit Bezug auf das Verfahrens- und Sanktionsrecht den Kontrollmaßstab für die richtlinienkonforme Umsetzung der UGPRL. durch den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber. Ist die Richtlinie insoweit unzureichend umgesetzt, so kommt ausnahmsweise auch eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie zu Gunsten Privater in Betracht, um den nicht umgesetzten Rechtspositionen Geltung zu verschaffen.50 Ob das deutsche Verfahrens- und Sanktionsrecht den Anforderungen der Art. 11– 18 13 UGPRL genügt, bedarf daher einer näheren Überprüfung. Die Rechtsprechung hatte bisher noch keine Gelegenheit, sich mit dieser Frage zu befassen. Die herrschende Literaturmeinung geht davon aus, dass das deutsche Verfahrensrecht keiner Änderung bedürfe und schon in der Fassung nach der UWG-Reform des Jahres 2004 den Vorgaben der 17
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44 EuGH 20.3.1997 – C-323/95 – NJW 1998, 2127 – Hayes/Kronenberger. 45 Lindacher S. 7. 46 Schroeder Grundkurs Europarecht (2. Aufl. 2011) § 6 Rn. 12. 47 EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – GRUR 2004, 174, 175 Tz. 53 m.w.N. – Doc Morris. 48 Vgl. EuGH 23.2.2006 – C-471/04 – Slg. 2006 I-2107 Tz. 45 – Keller Holding. 49 Vgl. nur EuGH 10.4.1984 – 14/83 – Slg. 1984, 1891 Tz. 26 – von Colson und Kamann; EuGH 13.11.1990 – C-106/89 – Slg. 1990 I-4135 Tz. 8 – Marleasing; EuGH 27.6.2000 – C-240/98 bis C-244/98 – Slg. 2000 I-4941 Tz. 30 – Océano. 50 Dazu allgemein EuGH 12.2.2009 – C-138/07 – Slg. 2009 I-731 Tz. 31 – Cobelfret; speziell zur Rechtsdurchsetzung im Umweltrecht und zu einem direkt aus der Richtlinie ableitbaren Klagerecht von Umweltverbänden EuGH 12.5.2011 – C-115/09 – NJW 2011, 2779 Tz. 54 ff. – BUND.
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UGPRL entspreche.51 Gegen diese Ansicht gibt es jedoch ernstzunehmende Einwände, die bisher nur unzureichend aufgearbeitet sind.52 Insbesondere kurzzeitige Verstöße gegen das Lauterkeitsrecht – etwa eine Werbe- 19 kampagne von kurzer Dauer – können in Deutschland entgegen Art. 11 Abs. 1 Satz 1 UGPRL kaum effektiv sanktioniert werden: Dem Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG kann durch eine relativ kostengünstige Unterwerfungserklärung begegnet werden. Eine Vertragsstrafe – oder ein Ordnungsgeld im Falle einer gerichtlichen Entscheidung – wird nicht fällig, wenn die nächste Werbekampagne sich ausreichend unterscheidet, was angesichts der üblichen engen Tenorierungspraxis oft der Fall sein wird.53 Ein Schadensersatzanspruch der Mitbewerber ist zwar vorgesehen, in der Praxis ist ein Schaden aber oft schwer nachweisbar. Geschädigte Verbraucher können aus dem UWG bisher keinen Schadensersatzanspruch geltend machen. Zumindest die herrschende Auffassung verneint auch den Schutzgesetzcharakter des UWG im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.54 Einzelne Verbraucher sind daher regelmäßig auf das Vertragsrecht verwiesen, das aber nur in besonderen Einzelfällen – insbesondere im Kaufrecht gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB – Werbeaussagen auch vertragsrechtlich explizit für relevant erklärt. Der herrschenden Meinung ist zuzugeben, dass die UGPRL lauterkeitsrechtliche An- 20 sprüche einzelner Verbraucher nicht explizit fordert,55 sondern diese Frage „nicht berührt“ (Erwägungsgrund 9 UGPRL). Wenn man aber zum Schutz der Verbraucherinteressen im Lauterkeitsrecht statt dessen vor allem auf Verbandsklagen setzt, wie es der deutsche Gesetzgeber in § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG tut, so ist unverständlich, warum die Gründung klagebefugter Verbände gleichzeitig durch die Verweisung auf die einschränkenden Voraussetzungen des § 4 UKlaG erschwert wird. Die übliche Begründung, dass nur „geeignete“ Verbände die Klagebefugnis haben sollen,56 passt nicht zu den von Gesetz und Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen. Es ist z.B. nicht ersichtlich, was die Zahl der Mitglieder (mindestens 75 gemäß § 4 Abs. 2 UKlaG) mit der inhaltlichen Kompetenz zur Beurteilung von UWG-Verstößen zu tun haben soll. Auch die Forderung nach „hinreichender“ Sach- und Personalausstattung des Verbands57 und einer tatsächlichen Aufklärungs- und Beratungstätigkeit 58 sind sachfremde Einschränkungen. Ein kleines, aber motiviertes Team von drei oder vier kompetenten Volljuristen, die sich auf Abmahn- und Klagetätigkeit konzentrieren, wäre selbstverständlich dazu in der Lage, einen Beitrag zur Durchsetzung des materiellen Lauterkeitsrechts zu leisten. Hinter diesen Einschränkungen durch den Gesetzgeber und durch die Rechtspre- 21 chung steht eine diffuse Furcht vor der Popularklage,59 die aber bei näherer Betrachtung unberechtigt ist.60 Dasselbe gilt auch für die Missbrauchsklausel des § 8 Abs. 4
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51 Köhler GRUR 2005, 793, 800 f.; Alexander GRUR Int. 2005, 809, 815. 52 Wichtige Ansätze dazu aber bei Rott Effektivität des Verbraucherschutzes, Gutachten für die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2007) 133 ff., http://download.ble.de/04HS033.pdf; Fezer WRP 2006, 781, 788 (für Schaffung von Ansprüchen einzelner Verbraucher im Lauterkeitsrecht); vgl. bereits Damm JZ 1994, 161, 175. 53 Rott a.a.O. S. 136 unter Verweis auf Verbraucherzentrale Bundesverband Verbraucherschutzbilanz 2006. 54 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.10 m.w.N.; ebenso noch zum älteren Recht BGH 14.5.1974 – VI ZR 48/73 – GRUR 1975, 150; a.A. etwa Sack FS Ullmann (2006) 825, 841 ff.; Augenhofer WRP 2006, 169, 176. 55 Vgl. dazu die Kritik bei Augenhofer WRP 2006, 169, 172 („befremdlich“). 56 So bereits BGH 30.6.1972 – I ZR 16/71 – GRUR 1973, 78, 79. 57 Köhler/Bornkamm § 8 UWG Rn. 3.57. 58 OVG Münster 13.10.2003 – 4 B 970/03 – GRUR 2004, 347, 348. 59 Vgl. bereits BGH 30.6.1972 – I ZR 16/71 – GRUR 1973, 78, 79. 60 Ausführlich dazu Halfmeier S. 96 f. und 372 ff.
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UWG, die von dem fragwürdigen Gedanken beherrscht wird, dass die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts – als gesellschaftlich erwünschten Tätigkeit – nicht primär durch finanzielle Interessen motiviert sein dürfe.61 Die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts im Verbraucherinteresse ist also von einem Paradox beherrscht: Einerseits wird sie weitgehend in die Hände von Verbänden gegeben, andererseits wird die Klagebefugnis dieser Verbände durch die genannten sachfremden Vorschriften stark beschränkt. Das ist mit dem Gebot effektiver Rechtsdurchsetzung in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 UGPRL kaum zu vereinbaren. Wenn dagegen behauptet wird, dass die bestehenden Sanktionen und Verfahren im 22 Lauterkeitsrecht sich als „effektiv, erfolgreich, aber auch als abschreckend erwiesen“ hätten,62 gibt es dafür bisher nur wenig empirische Grundlagen. Entsprechende rechtstatsächliche Untersuchungen wären vielmehr dringend notwendig, um die Wirkung der de lege lata bestehenden Sanktionen und prozessrechtlichen Instrumente im Lauterkeitsrecht beurteilen zu können. Eine diesbezügliche jüngere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass zwar gewisse generalpräventive Wirkungen der im Lauterkeitsrecht geführten Prozesse bestehen, dass aber vor allem im Verbraucherschutzrecht weiterhin erhebliche Durchsetzungsdefizite bestehen und dass für die klagebefugten Einrichtungen zu wenig Anreize zur Klageerhebung vorhanden sind.63 Auch die Einführung des Gewinnabschöpfungsanspruchs gemäß § 10 UWG habe an diesen Defiziten kaum etwas geändert.64 Allerdings ist auch diese Studie nicht in dem Sinne empirisch, dass sie z.B. die Realität des Verhaltens von Unternehmen in den Blick nimmt, sondern sie fußt nur auf der subjektiven Wahrnehmung dieses Verhaltens durch ausgewählte Experten. Hier besteht also weiterhin erheblicher Forschungsbedarf. 23
bb) Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG. Auch wenn die „Enforcement-Richtlinie“ 2004/48/EG sich nicht auf das Lauterkeitsrecht im engeren Sinne bezieht, sondern auf die „Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums“, so kann sie doch aufgrund der Nähe dieser beiden Gebiete Einfluss auf die gebotenen Durchsetzungsvorschriften im Lauterkeitsrecht und auf deren Auslegung haben.65 Dies gilt insbesondere für die Berechnung des Schadensersatzes bei Verletzungen „geistigen Eigentums“ im Sinne dieser Richtlinie.
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cc) Europäisches Zivilprozessrecht. Als Teil des internationalen Verfahrensrechts wird das internationale Wettbewerbsverfahrensrecht von der inzwischen weit fortgeschrittenen Europäisierung des Zivilverfahrensrechts maßgeblich beeinflusst. Diese Entwicklung begann im wesentlichen mit dem Brüsseler Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen von 1968 (EuGVÜ, dazu unten Rn. 35), welches heute – mit stellenweise verändertem Inhalt – als EU-Sekundärrecht in Form der VO (EG) Nr. 44/2001 (EuGVO)66 weiterlebt. Die EuGVO regelt die Zuständigkeit der Gerichte sowie die An-
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61 Kritisch zu dieser Vorschrift bzw. der entsprechenden früheren Rechtsprechung Homburger/Kötz Klagen Privater im öffentlichen Interesse (1975) 69, 95; Knieper NJW 1971, 2251, 2254; von Arnim Gemeinwohl und Gruppeninteresse (1977) 311 f.; von Hippel Verbraucherschutz, 3. Aufl. (1986) 114; Halfmeier S. 335 ff. Mit Recht konstatiert Beater Rn. 2600, dass es für die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts völlig irrelevant sein müsste, „ob der Kläger aus ehrlichen, anständigen oder aus rein selbstsüchtigen Motiven vor Gericht zieht.“ 62 Alexander GRUR Int. 2005, 809, 811. 63 Meller-Hannich/Höland S. 139 f. 64 Ebd. S. 123. 65 Dazu Alexander S. 186 ff. sowie 270 ff.; Beyerlein WRP 2005, 1354 ff. 66 ABl. EG 2001 L 12, 1.
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erkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und damit auch im Lauterkeitsrecht. In weiten Teilen entspricht die EuGVO der Rechtslage unter dem EuGVÜ; insoweit kann daher auch die ältere Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung der EuGVO herangezogen werden.67 Die EuGVO ist inzwischen ergänzt worden durch eine Reihe weiterer Rechtsakte, die 25 im Zusammenspiel mit der EuGVO einen recht umfangreichen Korpus eines „Europäischen Zivilprozessrechts“68 bilden: Bereits im Jahr 2000 wurde die VO (EG) Nr. 1348/ 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen erlassen, diese wurde zwischenzeitlich ersetzt durch die seit 2008 geltende VO (EG) Nr. 1393/2007 (EuZVO, dazu unten Rn. 246).69 Die grenzüberschreitende Beweisaufnahme innerhalb der EU ist geregelt in der VO (EG) Nr. 1206/2001 (EuBVO, dazu unten Rn. 256).70 Neben diesen auf die Durchführung mitgliedstaatlicher Verfahren bezogenen Verordnungen treten seit 2004 drei weitere Verordnungen, in welchen sich das von der EU-Kommission verfolgte Ziel des „freien Verkehrs von Entscheidungen“ manifestiert, d.h. es werden mit diesen jüngeren Verordnungen besondere Vollstreckungstitel geschaffen, die in allen EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks, dazu sogleich) ohne ein Exequaturverfahren oder sonstige Formalia unmittelbar vollstreckbar sind. Dabei handelt es sich um die VO (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EuVTVO),71 die VO (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (EuMVVO)72 sowie die VO (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (EuGFVO).73 Alle drei Verordnungen haben im internationalen Wettbewerbsverfahrensrecht bisher nur beschränkte Bedeutung erlangt, zumal sie nur auf Zahlungsansprüche anwendbar sind – im Falle der EuGFVO sogar nur auf Zahlungsansprüche bis zu einer Höhe von € 2.000 (Art. 2 Abs. 1 EuGFVO). Hervorzuheben ist aber, dass der BGH die Anwendbarkeit der EuVTVO auch für die Titulierung von Ordnungsgeldern zur Durchsetzung lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsansprüche jedenfalls im Grundsatz bejaht hat.74 Im Einzelfall zu beachten ist die Sonderrolle des Königreichs Dänemark hinsicht- 26 lich der vorstehend genannten Verordnungen. Das Königreich Dänemark hat sich bei der justiziellen Zusammenarbeit innerhalb der EU seit langem ein Sonderrecht ausbedungen, welches heute dazu führt, dass die in Rn. 25 genannten Verordnungen nicht in Dänemark gelten.75 Für die EuGVO und die EuZVO wurden jedoch völkerrechtliche Abkommen zwischen Dänemark und der EU geschlossen, die dazu führen, dass die EuGVO und die EuZVO zwar nicht als EU-Sekundärrecht, aber doch inhaltlich auch für Dänemark gelten.76 Dies gilt aber nicht für die EuBVO, so dass eine Beweisaufnahme in Dä-
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67 EuGH 16.7.2009 – C-189/08 – Slg. 2009, I-6917 Tz. 18 – Zuid-Chemie = NJW 2009, 3501. 68 Zu diesem Begriff Hess Europäisches Zivilprozessrecht (2010). 69 ABl. EG 2007 L 324, 79. 70 ABl. EG 2001 L 174, 1. 71 ABl. EG 2004 L 2004, L 143, 15. 72 ABl. EG 2006 L 399, 1. 73 ABl. EG 2007 L 199, 1. 74 BGH 25.3.2010 – I ZB 116/08 – GRUR 2010, 662; dazu abl. Anm. Stoffregen WRP 2010, 839; die Auffassung des BGH wird inzwischen gestützt durch eine sachlich vergleichbare Entscheidung des EuGH zur Vollstreckung eines deutschen Ordnungsgeldbeschlusses in den Niederlanden nach EuGVO: EuGH 18.10.2011 – C-406/09 – Realchemie Nederland BV – NJW 2011, 3568 m. Anm. Giebel; s. auch unten Rn. 275. 75 Vgl. zuletzt das Protokoll Nr. 22 über die Position Dänemarks in der Fassung nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, ABl. EG 2008 C 115, 299. 76 ABl. EG 2005 L 299, 62 und 2007 L 94, 70 sowie 2008 L 331, 21; vgl. Nielsen IPRax 2007, 506 ff.
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nemark nicht nach EuBVO stattfinden kann. Auch die Titel gemäß EuVTVO, EuMVVO oder EuGFVO können in Dänemark nicht kraft dieser Verordnungen vollstreckt werden, sondern es ist ggf. der Weg der Art. 38 ff. EuGVO zu wählen. Wohl aber kann z.B. in Deutschland ein Europäischer Vollstreckungstitel gemäß EuVTVO gegen einen in Dänemark – oder in jedem anderen Staat – ansässigen Schuldner geschaffen werden.77 Dies mag sinnvoll sein, wenn etwa die kraft EuVTVO vereinfachte Vollstreckung gegen dessen Vermögen nicht in Dänemark, sondern in einem anderen EU-Mitgliedstaat beabsichtigt ist. Die am 10.1.2015 in Kraft tretende Reform der EuGVO ist vor allem gekennzeichnet 27 durch den Wegfall des Exequaturverfahrens.78 Eine nachgelagerte Kontrolle am Maßstab des ordre public im Vollstreckungsstaat bleibt jedoch möglich.79 Außerdem enthält die ab 2015 geltende EuGVO zahlreiche Detailänderungen, etwa im Bereich parellel anhängiger Klagen.80 Im Bereich der kollektiven Rechtsdurchsetzung (dazu unten Rn. 58) gilt heute be28 reits die Richtlinie 98/27/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen,81 die im geltenden deutschen Recht durch das UKlaG umgesetzt ist. Es bleibt abzuwarten, ob die Empfehlung der Kommission über gemeinsame Grundsätze bei Kollektivklagen zu Änderungen im deutschen Recht führen wird.82 29 Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe (dazu unten Rn. 46 ff.) enthält die Richtlinie 2003/8/EG zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug83 Mindestvorschriften, welche in §§ 1076–1078 ZPO umgesetzt wurden. 2. Völkerrecht a) Völkergewohnheitsrecht. Soweit die Normen des Völkergewohnheitsrecht zugleich als „allgemeine Regeln des Völkerrechts“ aufgefasst werden können, gehen sie gemäß Art. 25 GG dem einfachen Bundesrecht vor. Im Bereich des internationalen Wettbewerbsverfahrensrechts spielt dies vor allem bezüglich der Immunität ausländischer Staaten sowie der Angehörigen diplomatischer und konsularischer Vertretungen eine Rolle (dazu unten Rn. 113 ff.), wobei diese Regeln z.T. in den einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen84 sowie unter Bezug auf diese in §§ 18–20 GVG positiviert wurden. 31 Für andere Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts macht das Völkergewohnheitsrecht dagegen kaum einschränkenden Vorgaben. Dies gilt vor allem für die Zuständigkeit der Gerichte.85 Zwar wird in der völkerrechtlichen Literatur gelegentlich behauptet, dass das Völkerrecht ein bestimmtes Maß an Verbindung – einen genuine link
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77 Zöller/Geimer Art. 1 EuVTVO Rn. 3; Prütting/Gehrlein/Halfmeier Anhang nach § 1086 ZPO: EuVTVO Art. 2 Rn. 5. 78 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, ABl. EU 2012, L 351. 79 Ebd. Art. 45 ff. 80 Überblick bei Cadet EuZW 2013, 218. 81 ABl. EG 1998 L 166, 51. 82 Empfehlung der Kommission vom 11.6.2013 über gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren, ABl. EU 2013 L 201, 60. 83 ABl. EG 2003 L 26, 41. 84 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 24.4.1963, BGBl. 1969 II 1585; Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961, BGBl. 1964 II 957. 85 Zahlreiche Nachweise zur Diskussion bei Geimer Rn. 126 f.
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– des Sachverhalts mit dem Forumstaat verlange.86 Für die Ausfüllung dieses Begriffs gibt es aber weder in der völkerrechtlichen Rechtsprechung87 noch in der Staatenpraxis88 ausreichendes Material. Allenfalls mag man eine gänzlich willkürliche Behandlung mit inneren Angelegenheiten eines fremden Staates nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen für völkerrechtswidrig halten, aber dies kommt im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit nicht vor. Wendet sich nämlich ein Kläger oder Antragsteller an das Gericht im Forumstaat mit der Bitte um Rechtsschutz, so ist es gerade nicht willkürlich, wenn das Gericht sich daraufhin dieses Falles annimmt. Die ausreichende Verbindung mit dem Forumstaat liegt dann schon in der Klageerhebung in Verbindung mit den lokalen Zuständigkeitsnormen.89 Hinzu kommt, dass ein Zivilprozess im Forumstaat A keinerlei unmittelbare Auswirkungen auf die Verhältnisse in einem Staat B hat, da es dem Staat B kraft seiner Souveränität – sofern er diese nicht freiwillig durch völkerrechtliche Bindungen eingeschränkt hat – freisteht, ob und welche Wirkungen des im Ausland geführten Prozesses er auf seinem Territorium anerkennen möchte.90 Dies gilt nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für das Vollstreckungsverfahren, solange sich ein etwaiger Vollstreckungszwang auf das Inland des Forumstaats A beschränkt – mag dieser Zwang auch der Erzwingung oder Verhinderung von Verhalten im Ausland dienen (s. dazu unten Rn. 273). b) Völkerrechtliche Verträge aa) WTO/TRIPS. Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied der Welthandelsor- 32 ganisation (WTO) einschließlich des TRIPS-Vertrags.91 Diese Vertragswerke enthalten auf den ersten Blick keine Regeln, die das internationale Wettbewerbsverfahrensrecht unmittelbar betreffen. Mittelbar kann es hier aber doch zu Einflüssen kommen, und zwar sowohl hinsichtlich des vom WTO/TRIPS-System angeordneten Durchsetzungsniveaus als auch in Bezug auf das Meistbegünstigungsprinzip. Was die Durchsetzung der TRIPS-Regeln betrifft, so muss man davon ausgehen, 33 dass der Begriff der „Rechte des geistigen Eigentums“ in Art. 50 Abs. 1 TRIPS auch solche Rechte umfassen kann, die nach deutschem Recht im UWG aufgehoben sind, insbesondere in § 4 Nr. 9 UWG.92 Auch an anderen Stellen gibt es Überschneidungen in den
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86 Verdross/Simma Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. (1984) § 1183; in diesem Sinne wohl auch die umstrittene Entscheidung des BGH zu § 23 ZPO, die zusätzlich zum Wortlaut der Vorschrift einen „hinreichenden Inlandsbezug“ im Wege „völkerrechtskonformer Auslegung“ des nationalen Rechts verlangt, BGH 2.7.1991 – XI ZR 206/90 – BGHZ 115, 90, 94. 87 Vgl. zum Strafprozessrecht die berühmte Lotus-Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofes v. 7.9.1927, PCIJ Series A, no. 10 (1927), Rn. 46 f. (dazu Kunig/Uerpmann Jura 1994, 186): Das Völkerrecht verbiete es keinem Staat, die eigene Gerichtsbarkeit bezüglich eines im Ausland (oder hier auf hoher See) vorgefallenen Sachverhalts anzuwenden, es sei denn, es existiere eine besondere völkerrechtliche Verbotsnorm. 88 Vgl. nur die Zivilprozesse unter dem Alien Torts Claims Act in den USA, in denen unter Umständen ausländische Kläger gegen ausländische Unternehmen vorgehen konnten, um deren Verhalten im Ausland zu rügen, paradigmatisch etwa Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88 (2nd Cir. 2000), cert. denied, 532 U.S. 941 (2001); diese Fälle sind inzwischen jedoch stark eingeschränkt worden durch Kiobel v. Royal Dutch (U.S. Supreme Court, 17. April 2013). 89 Geimer Rn. 377; vgl. auch Verdross/Simma a.a.O. § 1186: Regeln der örtl. Zuständigkeit ergeben auch völkerrechtlich unbedenkliche internationale Zuständigkeit; in diesem Sinne auch Schack Rn. 215. 90 Vgl. Buchner S. 69. 91 BGBl. 1994 II 1625, 1730 ff. 92 Beyerlein WRP 2005, 1354, 1357 unter Verweis auf EuGH 14.12.2000 – C-300/98 und C-392/98 – GRUR 2001, 235 – Dior.
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Schutzgegenständen des TRIPS-Abkommens und des deutschen Lauterkeitsrechts.93 Daher muss sich auch das Durchsetzungsniveau in diesem Bereich des Lauterkeitsrechts an den Vorgaben der Art. 41 ff. TRIPS messen lassen. Diese Vorgaben sollen die rechtsstaatliche Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sichern und betreffen mit Blick auf Zivilverfahren insbesondere „fair and equitable procedures“ (Art. 42 TRIPS), das Beweisrecht (Art. 43 TRIPS), Unterlassungsverfügungen (Art. 44 TRIPS), die Berechnung des Schadensersatzes (Art. 45 TRIPS), sonstige Anordnungen z.B. über Zerstörung von Waren (Art. 46 TRIPS), Auskunftsansprüche (Art. 47 TRIPS), Ersatzansprüche bei missbräuchlicher Geltendmachung von angeblichen Rechten (Art. 48 TRIPS) sowie detaillierte Regeln zu den Mindestanforderungen an das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Art. 50 TRIPS).94 Gegen eine unmittelbare Berufung auf diese Regeln in einem konkreten Zivilprozess könnte man anführen, dass das TRIPS-Übereinkommen „keine Rechte von Privatpersonen“ begründen wollte.95 Selbst wenn dies zutreffen sollte, so ist jedenfalls das geltende Zivilverfahrensrecht nach Möglichkeit völkerrechtskonform auszulegen. 96 Eine diesbezüglich falsche Auslegung des geltenden Verfahrensrechts wäre daher ein Rechtsfehler, der mit Rechtsmitteln auch im Zivilprozess gerügt werden kann. Noch kaum geklärt sind die Auswirkungen des in GATT und GATS verankerten völker34 rechtlichen Meistbegünstigungsprinzips auf das internationale Zivilverfahrensrecht. Dazu ist in der Literatur die Frage aufgeworfen worden, ob dieses Prinzip etwa zur Anerkennung und damit Parteifähigkeit sämtlicher Gesellschaften aus WTO-Mitgliedstaaten führen muss, weil Deutschland dies u.a. in einem bilateralen Vertrag Gesellschaften aus den USA gewährt.97 Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bisher jedoch ausdrücklich verneint.98 35
bb) EuGVÜ und LugÜ. Das Brüsseler Übereinkommen von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen99 (EuGVÜ) ist 2001 durch die EuGVO ersetzt worden (Art. 68 EuGVO). Dies gilt inzwischen auch für das von der EuGVO ausgenommene Königreich Dänemark, weil dieses sich kraft eines mit der EG geschlossenen völkerrechtlichen Abkommens zur Anwendung der EuGVO verpflichtet hat.100
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93 Dazu umfassend z.B. Reger Der internationale Schutz gegen unlauteren Wettbewerb und das TRIPSÜbereinkommen (1999). 94 Ausführlich zu all diesen Vorschriften Correa Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – A Commentary on the TRIPS Agreement (2007) 409 ff.; Busche/Stoll TRIPS (2007) Art. 41 ff. 95 So jedenfalls Köhler/Bornkamm § 17 UWG Rn. 3a; differenzierter und zT a.A. zu Art. 41 ff. TRIPS Schwartmann Private im Wirtschaftsvölkerrecht (2005) 290 ff. 96 Vgl. nur v. Münch/Kunig/Rojahn GG, 5. Aufl. (2001) Art. 59 Rn. 38d m.w.N. sowie konkret für das Strafverfahrensrecht BVerfG 26.3.1987 – 2 BvR 589/79 – BVerfGE 74, 358, 370. 97 Dazu Lehmann RIW 2004, 816 ff.; Mankowski in Leible/Ruffert (Hrsg.) Völkerrecht und IPR (2006) 235 ff.; Sonnenberger (Hrsg.) Vorschläge und Berichte zur Reform des europäischen und deutschen internationalen Gesellschaftsrechts (2007) 18; gegen eine solche Wirkung des Meistbegünstigungsprinzips MünchKommBGB/Kindler Internationales Gesellschaftsrecht Rn. 503 f.; dafür jedoch AnwKommBGB/ Hoffmann Anh. zu § 12 EGBGB Rn. 146 ff. 98 BGH 27.10.2008 – II ZR 158/06 – NJW 2009, 289 Rn. 17 (Trabrennbahn) m. Anm. Kieninger; zu diesem Verfahren bereits Jung NZG 2008, 681, 683. 99 BGBl. 1972 II 774, Fassung gem. 4. Beitrittsübereinkommen v. 29.11.1996, BGBl. 1998 II 1412. 100 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG 2005 L 299, 62; das Abkommen ist am 1.7.2007 in Kraft getreten, ABl. 2007 L 94, 70; Details dazu bei Nielsen IPRax 2007, 506 und Kropholler/v. Hein Einl EuGVO Rn. 42 ff.
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Der verbleibende Anwendungsbereich des EuGVÜ umfasst daher einerseits die 36 noch vor dem Inkrafttreten der EuGVO (1.3.2002, s. Art. 76 EuGVO) erhobene Klagen. Darüber hinaus gilt das EuGVÜ auch heute noch für jene Territorien der Vertragsstaaten, für die zwar das EuGVÜ galt, die aber von der nunmehr als Unionsrecht auftretenden EuGVO wegen Art. 52 EUV i.V.m. Art. 355 AEUV nicht erfasst werden.101 Dies sind insbesondere die niederländischen Antillen und Aruba.102 Für die britischen Kanalinseln, die Isle of Man und zahlreiche britische Überseegebiete gilt das EuGVÜ jedoch nicht.103 Das Lugano-Übereinkommen (LugÜ) wurde 1998 als Parallelabkommen zum 37 EuGVÜ mit den EFTA-Staaten abgeschlossen. Es gilt heute in einer veränderten Fassung von 2007, mit der es weitgehend an die mit der EuGVO vorgenommenen inhaltlichen Veränderungen angepasst wurde.104 Das LugÜ findet heute aus deutscher Sicht Anwendung im Verhältnis zu Island, Norwegen und der Schweiz (dazu und zu verbleibenden Differenzen gegenüber der EuGVO s. unten Rn. 211 f.). cc) Haager Zivilprozessübereinkommen. Das Haager Übereinkommen von 1954 38 über den Zivilprozess105 (HZPÜ) spielt heute nur noch eine untergeordnete Rolle, da es in wichtigen Teilen durch spätere Übereinkommen ersetzt wurde, nämlich hinsichtlich der Zustellung (Art. 1–7 HZPÜ) durch das HZÜ (dazu sogleich Rn. 39 und unten Rn. 250) sowie hinsichtlich der Beweisaufnahme (Art. 8–16) durch das HBÜ (dazu Rn. 39 und 261). Das HZPÜ kommt in diesen Bereichen somit nur noch im Verhältnis zu denjenigen Staaten zur Anwendung, die zwar Vertragsstaaten des HZPÜ sind, nicht aber der jeweils neueren Konventionen. dd) Haager Zustellungs- und Beweisaufnahmeübereinkommen. Das Haager 39 Übereinkommen von 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen106 (HZÜ) wird für Zustellungen innerhalb der EU von der insoweit vorrangigen EuZVO verdrängt (s. unten Rn. 246), ist aber bei der Zustellung in zahlreiche Drittstaaten weiterhin relevant (s. unten Rn. 250). Dasselbe gilt für das Haager Übereinkommen von 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen107 (HBÜ, dazu unten Rn. 261). ee) Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen. Die EU hat 40 von ihrer Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge (Art. 216 AEUV) im Bereich des Zivilverfahrensrechts bereits Gebrauch gemacht, indem sie das Haager Übereinkommen vom 30.6.2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen unterzeichnet hat.108 Die EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland sind nicht
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101 Vgl. ausführlich Kropholler/v. Hein Einl EuGVO Rn. 41 ff. zum Geltungsbereich der EuGVO sowie Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht (6. Aufl. 1998) Art. 60 EuGVÜ Rn. 1 ff. zum seinerzeitigen Geltungsbereich des EuGVÜ. 102 BGBl. 1994 II 2534. 103 Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht (6. Aufl. 1998) Art. 60 EuGVÜ Rn. 11. 104 ABl. EG 2007 L 399, 3. 105 BGBl. 1958 II 576 sowie 1959 II 1388. 106 BGBl. 1977 II 1453. 107 BGBl. 1977 II 1742, 1979 II 780. 108 ABl. EG 2009, L 133, 1; Text und Ratifikationsstand des Übereinkommens sind auch abrufbar unter www.hcch.net.; zum Inhalt des Übereinkommens z.B. Rühl IPRax 2005, 410 ff.; Wagner RabelsZ 73 (2009) 100 ff.; Bläsi Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (2010).
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Signatarstaaten dieses Übereinkommens. Sollte es je in Kraft treten, so hätte es daher in Deutschland nicht die Stellung einfachen Bundesrechts – wie sonstige völkerrechtliche Verträge gemäß Art. 59 Abs. 2 GG – sondern es wäre als gegenüber dem Bundesrecht vorrangiges EU-Sekundärrecht zu behandeln. Allerdings hat die EU dieses Übereinkommen noch nicht durch einen Beschluss ge41 mäß Art. 218 AEUV ratifiziert; es ist daher in der EU bisher nicht anzuwenden. Auch für die anderen bisherigen Unterzeichnerstaaten (Mexiko und USA) ist es noch nicht in Kraft getreten. Bei diesem Übereinkommen handelt es sich um ein Restprodukt des gescheiterten Projekts eines weltweiten Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, an dem die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Ende des 20. Jahrhunderts erfolglos gearbeitet hatte.109 Inhaltlich befasst sich das Übereinkommen mit Gerichtsstandsvereinbarungen in in42 ternationalen Zivil- und Handelssachen; zugleich ist aber eine lange Liste von Sachbereichen ausdrücklich ausgeschlossen, u.a. Kartellsachen und Immaterialgütersachen.110 Für das Lauterkeitsrecht wäre es jedoch anwendbar.111 Sollte das Übereinkommen je in Kraft treten, so wäre es wegen Art. 216 Abs. 2 AEUV gegenüber der EuGVO vorrangig anzuwenden. Dies wäre immerhin ein kleiner Fortschritt, weil damit im Bereich des Zivilverfahrensrechts eine – wenn auch geringfügige – transatlantische Harmonisierung erreicht wäre, die als positives Beispiel für weitere Harmonisierungsbemühungen dienen könnte.112 43
ff) Bilaterale Verträge. Im Bereich der internationalen Rechtshilfe gibt es im Übrigen zahlreiche bilaterale Verträge, die den oben dargestellten multilateralen Verträgen z.T. vorgehen; dies gilt insbesondere für das Zustellungsrecht (Art. 25 HZÜ) und in Teilen auch für das Beweisrecht (Art. 28 HBÜ). Eine Übersicht über diese bilaterale Verträge liefert der Fundstellennachweis B zum Bundesgesetzblatt.
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3. Autonomes deutsches Prozessrecht. Soweit es keine europarechtlichen oder völkerrechtlichen Vorgaben gibt, gilt im Übrigen aufgrund des lex fori-Prinzips (s. oben Rn. 1 ff.) vor deutschen Gerichten das autonome – d.h. vom deutschen Gesetzgeber ohne externe Vorgaben gesetzte – deutsche Verfahrensrecht. Dieses besteht einerseits in den als lex specialis vorrangig zu prüfenden lauterkeitsrechtlichen Verfahrensnormen (§§ 12 ff. UWG) sowie andererseits aus dem im Übrigen geltenden allgemeinen Zivilverfahrensrecht insbesondere in Form von ZPO und GVG. III. Zugang zum Recht
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Auch wenn die Parteien im internationalen Wettbewerbsverfahrensrecht oft wirtschaftlich in der Lage sind, selbst größere Prozessrisiken zu schultern, so kann es doch Situationen geben, in denen dies problematisch sein mag: Man denke an die Beteiligung natürlicher Personen, kleinerer oder in der Krise befindlicher Unternehmen oder an die Tätigkeit von Interessenverbänden mit ggf. beschränkten Mitteln. Dem Zugang
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109 Dazu etwa Hess IPRax 2000, 342 ff.; von Mehren IPRax 2000, 465 ff.; Wagner IPRax 2001, 533 ff. 110 Details bei Rühl IPRax 2005, 410, 412. 111 Bläsi a.a.O. S. 95; Dogauchi/Hartley Draft Report on the Preliminary Draft Convention on Exclusive Choice of Court Agreements (2004) 33. 112 In diesem Sinne auch Rühl IPRax 2005, 410, 415; kritischer und sogar gegen eine Ratifikation des Übereinkommens durch die EU dagegen Schack Rn. 135.
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dieser Parteien zum Recht kommt auch deswegen eine besondere Bedeutung zu, weil das Lauterkeitsrecht nicht rein individualschützenden Charakter hat, sondern auch der Regulierung wirtschaftlichen Verhaltens im allgemeinen Interesse dient (dazu oben Einl. A). 1. Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe. Das dazu einschlägige Haager Über- 46 einkommen über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980113 garantiert den Angehörigen der Vertragsstaaten u.a. die Gleichbehandlung mit Inländern im Bereich der „unentgeltlichen Rechtspflege“ und der „unentgeltlichen Rechtsberatung“. Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Übereinkommen zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert, so dass sich weder Ausländer vor deutschen Gerichten noch Deutsche vor ausländischen Gerichten auf die darin enthaltenen Garantien berufen können. In der Europäischen Union gilt jedoch die Richtlinie 2003/8/EG vom 27.1.2003 zur 47 Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen.114 Diese wurde in §§ 1076–1078 ZPO umgesetzt, wobei § 1076 ZPO im wesentlichen auf die allgemeinen Vorschriften zur Prozesskostenhilfe (§§ 114–127 ZPO) verweist, soweit in §§ 1077 und 1078 ZPO nichts anderes bestimmt ist. § 1077 ZPO beschäftigt sich mit „ausgehenden“ Ersuchen auf Prozesskostenhilfe, d.h. solchen, die sich auf einen im EU-Ausland zu führenden Prozess beziehen. § 1078 ZPO regelt anschließend die „eingehenden“ Ersuchen auf Prozesskostenhilfe, die sich auf einen Prozess vor einem deutschen Gericht beziehen. Aus diesen Regeln ergibt sich insgesamt folgendes Bild: a) Prozess im Inland. Es gelten die §§ 114 ff. ZPO. Gemäß diesen Vorschriften kann 48 für natürliche Personen PKH gewährt werden, ohne dass es auf die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz ankäme.115 Für Parteien kraft Amtes (z.B. Insolvenzverwalter) gilt die Sonderregelung in § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Für bestimmte juristische Personen und sonstige parteifähige Vereinigungen (z.B. 49 Personengesellschaften) gilt § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO mit der dort enthaltenen Einschränkung auf die Verfolgung allgemeiner Interessen. Die Vorschrift umfasst juristische Personen bzw. Vereinigungen, die „im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig“ sind. Es müssen also sowohl Gründungsort als auch tatsächlicher Sitz innerhalb eines (nicht notwendig demselben) EU- oder EWR-Mitgliedstaates liegen.116 Für juristische Personen oder Personenvereinigungen, die diese Anforderungen nicht erfüllen – weil sie z.B. in einem Nicht-EU/EWR-Staat ihren Sitz haben – kommt also keine Prozesskostenhilfe in Betracht. PKH kann aber auch juristischen Personen oder Personenvereinigungen aus EU/ 50 EWR-Staaten gemäß § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur bei Armut der Partei oder der „am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten“ gewährt werden. Letzteres sind insbesondere die Gesellschafter oder Mitglieder der Partei, aber auch die Tochtergesellschaft im Verhältnis zur Muttergesellschaft, wenn ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungs-
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Convention of 25 October 1980 on International Access to Justice, abzurufen über www.hcch.net. ABl. EG 2003 L 26, 41; ABl. EU 2003 L 32, 15. Prütting/Gehrlein/Völker/Zempel ZPO (3. Aufl. 2011) § 114 Rn. 9. Der EWR umfasst neben der EU auch Island, Liechtenstein und Norwegen.
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vertrag besteht.117 Bei gemeinnützigen Vereinen sind aber weder Mitglieder noch Vorstand „wirtschaftlich Beteiligte“.118 Außerdem schränkt § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO die PKH für juristische Personen und Per51 sonenvereinigungen auf solche Fälle ein, bei denen ein Unterlassen der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung „allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde“.119 Nach der Rechtsprechung liegt ein allgemeines Interesse an der Rechtsverfolgung vor, wenn der Rechtsstreit erhebliche soziale oder ökonomische Wirkungen haben kann, z.B. bei Betroffenheit zahlreicher Arbeitnehmer oder Kleingläubiger. 120 Kein solches Interesse liege dagegen vor, wenn nur 36 Gläubiger betroffen sind, die überwiegend mit der notleidenden Gesellschaft konzernmäßig verflochten sind.121 Allerdings ist fraglich, ob diese Rechtsprechung heute unverändert fortgeführt werden kann, denn Art. 47 Abs. 3 der EU-Grundrechtecharta garantiert in seiner Auslegung durch den EuGH auch juristischen Personen zumindest im Grundsatz die Gewährung von Prozesskostenhilfe.122 Diese Vorschrift lässt nach Ansicht des EuGH die Rücksichtnahme auf die Umstände des konkreten Falles zu, erlaube aber Einschränkungen nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und unter Berücksichtigung von einzelfallbezogenen Faktoren wie Streitgegenstand, Erfolgsaussichten, Bedeutung des Rechtsstreits für die betroffene juristische Person, Komplexität des geltenden Rechts und Fähigkeit zur wirksamen Verteidigung.123 Gemäß § 114 Satz 1 ist weiterhin Voraussetzung für PKH, dass die Rechtsverfolgung 52 hinreichende Erfolgsaussicht hat und nicht mutwillig erscheint. Dies steht potentiell im Gegensatz zu Art 6 Abs.1 der Richtlinie 2003/8/EG, welcher eine Ablehnung des PKHAntrags nur bei „offensichtlich unbegründeten Verfahren“ vorsieht.124 Allerdings erlaubt die Richtlinie in Art. 6 Abs. 2 ausdrücklich eine solche Vorprüfung der Erfolgsaussichten, wenn vorprozessuale Rechtsberatung angeboten wird, was in Deutschland durch die Beratungshilfe gegeben ist. Die Rechtslage in Deutschland ist daher noch europarechtskonform.125 53 Für das Verfahren bei eingehenden Anträgen aus EU-Staaten (mit Ausnahme von Dänemark, Art. 1 Abs. 3 Richtlinie 2003/8/EG) auf grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe gilt § 1078 ZPO. Es sind entweder die deutschen Formulare oder die im Europäischen Gerichtsatlas126 bereitgestellten Formulare aus der Richtlinie zu benutzen. Die Einreichung in deutscher Sprache ist zwingend (§ 1078 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Bei Antragstellern aus Staaten mit wesentlich höheren Lebenshaltungskosten als in Deutschland kommt eine besondere Bedürftigkeit gemäß § 1078 Abs. 3 ZPO in Betracht. 54
b) Prozess im Ausland. Die deutsche Prozesskostenhilfe bezieht sich nur auf inländische Verfahren. Für Verfahren im Ausland gelten hinsichtlich Prozesskostenhilfe und ähnlicher Instrumente des legal aid jeweils die dortigen Vorschriften, es gilt forum regit processum. Allerdings garantiert die Richtlinie 2003/8/EG im EU-Ausland die Gewäh-
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OLG München 28.10.2002 – 7 U 4716/02 – ZIP 2002, 2131. Zimmermann ZPO (8. Aufl. 2008) § 116 Rn. 26. Zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift BVerfG 3.7.1973, BVerfGE 35, 348. BGH 5.11.1985 – X ZR 23/85 – NJW 1986, 2058. OLG München 28.10.2002 – 7 U 4716/02 – ZIP 2002, 2131. EuGH 22.12.2010 – C-279/09 – EuZW 2011, 137 – DEB GmbH ./. Bundesrepublik Deutschland. Ebd. Rn. 61. Kritisch daher Büttner AnwBl 2007, 477, 482. Zöller/Geimer ZPO § 1076 Rn. 10. http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/index_de.htm.
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rung von Prozesskostenhilfe für natürliche Personen mit Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat. Die Richtlinie gilt aber nicht im Verhältnis zu Dänemark (Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie). Für das Verfahren bei einem Antrag auf Prozesskostenhilfe im Rahmen dieser 55 Richtlinie gilt § 1077 ZPO. Danach ist das Amtsgericht als Übermittlungsstelle zuständig, in dem der Antragsteller seinen Wohnsitz hat. Das Amtsgericht übersendet den Antrag an die jeweils zuständige Empfangsstelle in dem anderen Mitgliedstaat. Ist der Antrag offensichtlich unbegründet oder fällt er offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/8/EG, so kann das Amtsgericht die Übermittlung durch Beschluss verweigern (§ 1077 Abs. 3 ZPO); so z.B. bei erheblichen formalen Mängeln und unvollständigen Angaben.127 Nach der Rechtsprechung des EuGH haben darüber hinaus und unabhängig von der 56 Richtlinie 2003/8/EG auch juristische Personen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der EU jedenfalls im Grundsatz einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe; dies ergebe sich aus Art. 47 Abs. 3 der EU-Grundrechtecharta (dazu oben bei Rn. 51).128 c) Beratungshilfe. Für Rechtsberatung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens 57 gewährt das deutsche Recht Beratungshilfe nach Maßgabe der §§ 1 ff. BerHG unter im wesentlichen denselben Voraussetzungen wie die Prozesskostenhilfe. Dies gilt gemäß § 10 BerHG auch für Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug im Sinne der Richtlinie 2003/8/EG. Die Hilfe umfasst nicht nur die außergerichtliche Beratung, sondern auch die Unterstützung bei ein- oder ausgehenden Anträgen auf Prozesskostenhilfe innerhalb der EU. Da der Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/8/EG auf natürliche Personen beschränkt ist (Art. 3 Abs.1 der Richtlinie), ist auch § 10 BerHG zunächst auf diese beschränkt. Angesichts des vom EuGH in Auslegung von Art. 47 EU-Grundrechtscharta postulierten Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz auch für juristische Personen129 kommt aber hier eine analoge Anwendung auch auf juristische Personen in Betracht. 2. Kollektiver Rechtsschutz. Im Bereich des Lauterkeitsrechts gibt es – gerade 58 in Deutschland seit Einführung der UWG-Verbandsklage im Jahre 1896 – eine lange Tradition von Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes. Dies passt zu der anerkannten marktordnenden und regulierenden Funktion dieses Rechtsgebiets; hier spielt private enforcement im öffentlichen Interesse seit langem eine wichtige Rolle. Bei rechtsvergleichender Betrachtung lassen sich hier zwei Arten von Phänomenen unterscheiden: Einerseits gibt es Formen der gebündelten Geltendmachung ohnehin schon bestehender subjektiver Rechte, die in der Regel als Gruppen- oder Sammelklagen bezeichnet werden. Paradigmatisch ist hier die US-amerikanische class action, in der ein vom Gericht ernannter Repräsentant die addierten Ansprüche der Gruppenmitglieder vertritt, sofern diese nicht ihren Austritt aus dem Verfahren erklären.130 Innerhalb dieser Phänomene unterscheidet man wiederum opt-in und opt-out-Verfahren: Die USamerikanische Sammelklage ist ein opt-out-Verfahren, weil ein Gruppenmitglied explizit austreten muss, wenn es nicht an die Verfahrenswirkungen gebunden sein möchte, wäh-
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127 OLG Hamm 3.2.2010 – 5 WF 11/10. 128 EuGH 22.12.2010 – C-279/09 – EuZW 2011, 137 – DEB GmbH. 129 Ebd. 130 Vgl. nur die Darstellung der Funktionsweise der class action z.B. bei Eichholtz Die US-amerikanische Class Action und ihre deutschen Funktionsäquivalente (2002); Baetge/Eichholtz in Basedow u.a. (Hrsg.) Die Bündelung gleichgerichteter Interessen im Prozess (1999) 287 ff.
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rend bei opt-in-Verfahren – wie es sie z.B. in Skandinavien gibt131 – ein Gruppenmitglied nur nach ausdrücklichem Beitritt an den Wirkungen des Verfahrens teilhat. Eine zweite Kategorie von Verfahren sind solche, in denen es nicht um die gebündel59 te Durchsetzung individueller subjektiver Rechte geht, sondern in denen zusätzliche originäre Interventionskompetenzen ohne Rücksicht auf individuelle Betroffenheit geschaffen werden, die der Durchsetzung des objektiven Rechts dienen. Das klassische Modell dieser Interventionskompetenzen sind die Popularklagen des römischen Rechts.132 Heute gibt es die Popularklage z.B. im deutschen Patent- und Markenrecht133 sowie im Ausland z.B. im australischen Lauterkeits- und Kartellrecht, wo „any other person“ vor Gericht gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten vorgehen kann.134 Die in Deutschland bestehende lauterkeitsrechtliche Verbandsklagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 UWG lässt sich als eingeschränkte Popularklage begreifen: Einerseits ist eben nicht wie in Australien jedermann klagebefugt, sondern nur die in der Vorschrift genannten Verbände und Institutionen; andererseits wird aber bei diesen – anders als in § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG – gerade keine individuelle Betroffenheit vorausgesetzt. 60 Im internationalen Wettbewerbsverfahrensrecht werfen diese Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes insbesondere Fragen der Prozessführungsbefugnis (Rn. 98 ff.), der internationalen Zuständigkeit (unten Rn. 193) sowie der Anerkennung ausländischer Entscheidungen (Rn. 278) auf, die im Folgenden im jeweiligen systematischen Kontext erörtert werden. IV. Außergerichtliche Streitbeilegung 1. Abmahnverfahren. Die Soll-Vorschrift zur Abmahnung in § 12 Abs. 1 UWG ist nicht auf deutsche Beteiligte beschränkt. Sie entfaltet daher ihre Wirkung als Obliegenheit – mit Blick auf die Vermeidung der Kostenfolge des § 93 ZPO – auch in vor deutschen Gerichten zu führenden Verfahren mit Auslandsberührung.135 Als Verfahrensvorschrift hängt ihre Geltung auch nicht von der Anwendung deutschen Sachrechts ab. Auch für die in Rechtsprechung und Literatur anerkannte Entbehrlichkeit der Abmahnung bei Unzumutbarkeit, z.B. wegen besonderer Eilbedürftigkeit, gelten in Verfahren mit Auslandsberührung keine Sonderregeln. Bei Nutzung moderner Kommunikationsmittel kann auch gegenüber einem im entfernten Ausland ansässigen Unternehmen eine Abmahnung schnell ausgesprochen werden. 62 Bei der Formulierung einer mit Vertragsstrafe bewehrten Unterwerfungserklärung ist in Sachverhalten mit Auslandsberührung eine Gerichtsstandsklausel (zu den Anforderungen an diese siehe unten Rn. 203 und 231) empfehlenswert, um sicherzustellen, dass ein ggf. entstehender Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe auch im gewünschten Forumstaat (d.h. in der Regel im Inland) durchgesetzt werden kann: Ohne Gerichtsstandsklausel riskiert man, dass der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe – je nach dogmatischer Einordnung – als vertragsrechtlicher Anspruch qualifiziert wird, so dass ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung im Inland jedenfalls nicht über das im 61
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131 Vgl. die Übersicht über die europäischen Entwicklungen bei Stadler JZ 2009, 121 ff. 132 Dazu und zur Systematik Halfmeier Popularklagen im Privatrecht (2006) S. 5 ff. 133 S. § 81 PatG, § 55 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. 134 Sec. 80, Competition and Consumer Act 2010; ebenso bereits Sec. 80 Trade Practices Act 1974. Die oft befürchtete Klageflut bei Popularklagebefugnissen fand auch in Australien nicht statt, s. Frischen Unlauterer Wettbewerb und Verbraucherschutz in Australien (1994) 221 f.; Harland GRUR Int. 1992, 193, 194. 135 Lindacher S. 31.
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deliktsrechtlichen Bereich geltende Tatortprinzip des Art. 5 Nr. 3 EuGVO bzw. § 32 ZPO zur Zuständigkeit deutscher Gerichte führt.136 2. Mediation. Gerade in Streitigkeiten mit Auslandsberührung bietet sich die außer- 63 gerichtliche Mediation als kosten- und ressourcenschonende Möglichkeit der Streitbeilegung an.137 Die EU-Mediationsrichtlinie findet im Grundsatz auch auf Mediationsverfahren in grenzüberschreitenden Streitigkeiten mit lauterkeitsrechtlichem Gegenstand Anwendung, da sie alle „Zivil- und Handelssachen“ betrifft.138 Sie enthält u.a. Bestimmungen zur Qualitätssicherung der Mediation und zur Sicherung der Vertraulichkeit der Mediation. In Deutschland wurde sie mit einiger Verspätung durch das Mediationsgesetz umgesetzt.139 Eines der Hauptprobleme bei der Mediation ist die Frage nach der Fortsetzung oder 64 Sicherung der Vertraulichkeit der Mediation in Bezug auf einen bei ihrem Scheitern ggf. zu führenden Zivilprozess. Weder die EU-Mediationsrichtlinie noch das deutsche Mediationsgesetz können jedoch eine umfassende Vertraulichkeit der Mediation garantieren.140 Die Praxis versucht, eine entsprechende Wirkung mit vertraglichen Vereinbarungen – z.B. zum Verbot bestimmten Tatsachenvortrags – zu erreichen.141 Bisher gibt es aber keine Rechtsprechung zur Wirksamkeit derartiger Klauseln. Angesichts des jedenfalls im deutschen Prozessrechts herrschenden Gebots zum wahrheitsgemäßen und vollständigen Vortrag (§ 138 ZPO) bestehen diesbezüglich auch erhebliche Zweifel.142 3. Einigungsstellen. Die Einigungsstellen gemäß § 15 UWG können auch in Verfah- 65 ren mit Auslandsberührung angerufen werden. Die Zuständigkeit ergibt sich in derartigen Fällen aus § 15 Abs. 4 i.V.m. § 14, d.h. entweder am Sitz oder Aufenthaltsort des Beklagten im Inland oder am Begehungsort. 4. Schiedsverfahren und andere Streitbeilegungsverfahren. Für Schiedsverfah- 66 ren in lauterkeitsrechtlichen Angelegenheiten mit grenzüberschreitendem Bezug gelten die allgemeinen Regeln der §§ 1025 ff. ZPO. In Streitigkeiten rund um die Internet-Domain „.eu“ kommt ein Streitbeilegungs- 67 verfahren gemäß Art. 22 der EG-Verordnung 874/2004 in Betracht;143 dies ist aber nur eine Kann-Bestimmung und schließt daher ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten nicht aus.144 Selbst wenn der Weg über Art. 22 dieser Verordnung gewählt wird, wird das Ergebnis des dort geregelten Streitbeilegungsverfahrens nur verbindlich, wenn nicht binnen 30 Tagen ein ordentliches Gericht angerufen wird.145 Die deutsche Vergabestelle DENIC für die Domain „.de“ bietet kein eigenes Streit- 68 beilegungsverfahren an, sondern ermöglicht nur einen die Übertragung der Domain
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136 Ebd. S. 34. 137 Ausführlich dazu Schmelz-Buchhold Mediation bei Wettbewerbsstreitigkeiten (2010). 138 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EU 2008 L 136/3. 139 BGBl 2012 I, 1577; dazu etwa Ahrens NJW 2012, 2465. 140 Eidenmüller/Prause NJW 2008, 2737, 2741; Unberath JZ 2010, 975, 978; Ahrens NJW 2012, 2465, 2468. 141 Hofmann SchiedsVZ 2011, 148. 142 Dazu insbesondere Zöller/Greger § 138 Rn. 5 m.w.N. 143 Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28.4.2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung der Domäne oberster Stufe „.eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung, ABl. EU 2004 L 162/40. 144 LG München I 27.1.2007 – 9HK O 17901/06 – MMR 2007, 395, 396. 145 Art. 22 Abs. 13 VO (EG) 874/2004, dazu OLG Düsseldorf 11.9.2007 – I-20 U 21/07 – MMR 2008, 107, 108.
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sperrenden „Dispute“-Eintrag und verweist im übrigen auf ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten.146 Für sonstige Domain-Streitigkeiten kommt das Streitbeilegungsverfahren nach der 69 „Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy“ (UDRP) der ICANN in Betracht.147 Dieses Verfahren wird bei dazu bestimmten Institutionen durchgeführt, insbesondere bei einem von der WIPO eingerichteten Zentrum.148 Die Einleitung eines solchen Verfahrens ist jedoch fakultativ und sperrt nicht den Weg zu den ordentlichen Gerichten. Auch die Entscheidung im UDRP-Verfahren ist für ein staatliches Gericht nicht bindend.149 V. Parteifähigkeit 70
1. Natürliche Personen. Vor einem deutschen Gericht gilt für die Parteifähigkeit zunächst § 50 ZPO als lex fori. Diese Vorschrift verweist in ihrem Abs. 1 auf den Begriff der Rechtsfähigkeit, der jedoch kollisionsrechtlich in Art. 7 EGBGB nur für die natürlichen Personen gesetzlich geregelt ist. Für diese gilt demnach das Recht ihrer Staatsangehörigkeit, was aber kaum zu Problemen führt. Hinzu kommt, dass eine ausländische Norm, die einzelnen oder bestimmten Gruppen von Menschen die Rechtsfähigkeit verweigern wollte, nicht mit dem deutschen ordre public gemäß Art. 6 EGBGB vereinbar wäre. 2. Gesellschaften u.a.
a) Zusammenhang zwischen Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit. Für Gesellschaften oder andere Personenvereinigungen sowie verselbständigte Vermögensmassen stellt sich in Sachverhalten mit Auslandsbezug die Sachlage komplizierter dar. Eine gesetzliche Regelung zur Ermittlung ihrer Rechtsfähigkeit gibt es bisher in Deutschland nicht.150 Auch die europarechtlichen Rom-Verordnungen nehmen diese Frage ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich aus.151 Zur Ermittlung der Parteifähigkeit einer solchen nicht-natürlichen „Person“ wer72 den daher verschiedene Lösungswege vertreten: Eine am Wortlaut des Gesetzes (§ 50 Abs. 1 ZPO) orientierte Auffassung geht auch hier über den Begriff der Rechtsfähigkeit vor und prüft, ob die fragliche „Person“ nach den anzuwendenden kollisionsrechtlichen Regeln (dazu unten bei Rn. 76 ff.) rechtsfähig ist; daraus ergibt sich dann auch die Antwort auf die Frage nach der Parteifähigkeit.152 Eine andere Meinung geht davon aus, dass es im deutschen internationalen Zivil73 prozessrecht eine ungeschriebene Kollisionsregel gebe, wonach sich die Parteifähigkeit nach dem Prozessrecht des – wiederum kollisionsrechtlich zu bestimmenden – „Heimatstaates“ bestimme, d.h. dass insoweit auf das ausländische Prozessrecht Rücksicht 71
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146 Vgl. zum Dispute-Eintrag www.denic.de/de/faqs.html. 147 Dazu www.icann.org/en/help/dndr/udrp; Überblicke aus deutscher Sicht bei Hoeren/Sieber/ Bettinger Handbuch Multimedia-Recht (29. Ergänzungslfg. 2011) Teil 6.2; MünchKommBGB/Heine (6. Aufl. 2012) § 12 Rn. 299 ff. 148 www.arbiter.wipo.int. 149 KG 21.10.2011 – 5 U 56/10 – BeckRS 2012, 3029. 150 Vgl. aber den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 14.12.2007, dazu Wagner/Timm IPRax 2008, 81. 151 Siehe Art. 1 (2) (a) der Rom I-VO Nr. 593/2008. 152 So die Vorgehensweise in BGH 9.7.1965 – Ib ZR 83/63 – GRUR 1966, 104, 105; OLG Frankfurt/Main 24.4.1990 – 5 U 18/88 – NJW 1990, 2204; OLG Düsseldorf 8.1.1993 – 17 U 82/92 – NJW-RR 1993, 999, 1000.
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genommen werden solle.153 Es reiche daher aus, dass das fragliche Gebilde nach seinem Personalstatut parteifähig ist, ob es auch rechtsfähig ist, sei irrelevant.154 Diese Meinung wird z.T. noch dahingehend ergänzt, dass auch solche „Personen“ in Deutschland parteifähig seien, die nach ihrem Personalstatut zwar rechtsfähig, aber nicht parteifähig seien sowie schließlich auch solche Gruppierungen, die einem inländischen parteifähigen Verband ausreichend ähnlich sind.155 Die beiden zuletzt dargestellten Meinungen sind aus zwei Gründen problematisch: 74 Erstens bedarf es keiner „ungeschriebenen Kollisionsnorm“, wenn das Gesetz – wie hier – in § 50 Abs. 1 ZPO eindeutig ist. Zweitens beruht die Diskussion im wesentlichen auf einer durch die jüngeren Entwicklungen im deutschen Recht weitgehend überholten Begrifflichkeit: Die Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft ist von der Rechtsprechung heute anerkannt,156 auch wenn z.T. noch von einer „Teilrechtsfähigkeit“ gesprochen wird.157 Auch der Gesetzgeber spricht heute in § 14 Abs. 2 BGB von „rechtsfähigen Personengesellschaften“, so dass diesbezüglich eine Differenzierung zwischen Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit nicht mehr sinnvoll erscheint.158 Eine Lösung der Problematik muss am Charakter der Parteifähigkeit als die „prozessuale Seite der Rechtsfähigkeit“159 ansetzen. Eine Parteifähigkeit ohne Rechtsfähigkeit ist daher schwer vorstellbar und nur in Ausnahmefällen aus pragmatischen Erwägungen zuzulassen. Sinnvoll erscheint indes eine getrennte Betrachtung von Aktiv- und Passivpro- 75 zessen. Ein Aktivprozess eines aus deutscher Sicht nicht rechtsfähigen Gebildes widerspricht § 50 Abs. 1 ZPO und ist auch nicht sinnvoll, denn wer keine Rechte haben kann, hat auch nichts, was im Prozess durchzusetzen wäre. Anders mag es beim Passivprozess sein: Hier ist mit Rücksicht auf die früher geltende Fassung des § 50 Abs. 2 ZPO (seinerzeit nur passive Parteifähigkeit des nicht rechtsfähigen Vereins) eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf nicht rechtsfähige Auslandsgebilde befürwortet worden.160 Auf dieser Grundlage kann somit ausnahmsweise ein aus deutscher Sicht nicht rechtsfähiges und nach ausländischem Recht gegründetes Gebilde in Deutschland trotzdem verklagt werden.161 Damit erspart man insbesondere den Gläubigern einer Briefkasten- oder Scheinauslandsgesellschaft die Suche nach den wahren Akteuren und ermöglicht ihnen ein Urteilsrubrum, welches bei der ggf. im Ausland durchzuführenden Vollstreckung nützlich sein kann.162 Dies ist aber als pragmatische Ausnahme von dem Grundsatz der Kongruenz zwischen Rechts- und Parteifähigkeit anzusehen.
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153 Vgl. BGH 17.10.1968 – VII ZR 23/68 – BGHZ 51, 27, 28 (Rücksichtnahme auf schweizerische Regelungen zur Parteifähigkeit); BGH 3.2.1999 – VIII ZB 35/98 – NJW 1999, 1871, 1872; MünchKommZPO/ Lindacher § 50 Rn. 66 f.; Prütting/Gehrlein Einl ZPO Rn. 70; Wagner ZZP 117 (2004) 305, 363; Schack Rn. 598 m.w.N. 154 Pagenstecher ZZP 64 (1951) 249 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald S. 212. 155 Lindacher S. 70 unter Verweis auf Soergel/Lüderitz BGB (12. Aufl. 1996) Anhang zu Art. 10 EGBGB Rn. 29. 156 BGH 29.1.2001 – II ZR 331/00 – BGHZ 146, 341. 157 BGH 4.12.2008 – V ZB 74/08 – BGHZ 179, 102 Rn. 10. Der Begriff der Teilrechtsfähigkeit ist aber keine Besonderheit der BGB-Gesellschaft, denn auch die „echte“ juristische Person ist stets nur teilrechtsfähig in dem Sinne, dass ihr auf den lebenden Menschen zugeschnittene Rechte nicht zustehen können, vgl. nur MünchKommBGB/Reuter (6. Aufl. 2012) vor § 21 Rn. 15 ff. 158 So aber noch Schack Rn. 598, wenn er § 124 HGB so interpretiert, dass darin Parteifähigkeit gewährt, Rechtsfähigkeit jedoch „versagt“ bleibe. 159 Rosenberg/Schwab/Gottwald S. 212, wo aber die Parteifähigkeit ohne Rechtsfähigkeit für grundsätzlich möglich gehalten wird. 160 Zöller/Vollkommer § 50 Rn. 9a. 161 BGH 21.3.1986 – V ZR 10/85 – BGHZ 97, 269; ebenso unter Berufung auf den „Rechtsgedanken des § 50 II ZPO“ BGH 13.9.2004 – II ZR 276/02 – NJW 2004, 3706, 3707. 162 Schack Rn. 599.
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b) Kollisionsrechtliche Grundsätze zur Beurteilung der Rechtsfähigkeit aa) Sitztheorie. Da § 50 Abs. 1 ZPO zur Beurteilung der Parteifähigkeit auf die Rechtsfähigkeit verweist, muss letztere mit den Mitteln des Kollisionsrechts festgestellt werden. Die deutsche Rechtsprechung wendet mangels gesetzlicher Regelung traditionell die Sitztheorie an, nach der sich die Rechtsfähigkeit einer Personenvereinigung nach dem Recht des Staates beurteilt, in dem diese ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat.163 Dies gilt jedoch aufgrund der europarechtlichen Entwicklungen heute nur noch für Gesellschaften oder andere Personenvereinigungen, die nicht nach dem Recht eines EU- oder EWR-Staates wirksam gegründet wurden. Sind diese nach dem Recht eines solchen Drittstaates z.B. als Kapitalgesellschaft gegründet, haben sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz jedoch in Deutschland, so sind sie nur gemäß den Bestimmungen und unter den Voraussetzungen des deutschen Rechts rechts- und parteifähig.164 Außerdem ist zu beachten, dass die Sitztheorie wegen Art. 4 Abs. 1 EGBGB eine Gesamtverweisung darstellt, d.h. einer Rück- oder Weiterverweisung ist ggf. zu folgen.165 77 Liegt also der tatsächliche Verwaltungssitz des fraglichen Gebildes in Deutschland, so kommen nach der Sitztheorie die deutschen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zur Anwendung, die z.B. für die Entstehung einer Personengesellschaft keine Registereintragung voraussetzen. Allerdings wurde im Rahmen der Sitztheorie auch die weitergehende Auffassung vertreten, dass solche Scheinauslandsgesellschaften in Deutschland gar nicht parteifähig seien.166 Eine solche Sanktion erscheint jedoch nicht notwendig,167 da der Gläubigerschutz und andere zentrale Schutzanliegen der Sitztheorie auch durch Behandlung als inländische Gesellschaftsform ausreichend zur Geltung kommen. Man geht daher heute mit Recht davon aus, dass Scheinauslandsgesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz im Inland in der Regel als Personengesellschaften einzuordnen sind, d.h. je nach geschäftlicher Tätigkeit typischerweise als BGB-Gesellschaft oder als OHG.168 Eine Einpersonen-Kapitalgesellschaft, die nach ausländischem Recht gegründet ist, aber in Deutschland ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat, wäre in diesem Sinne als Einzelkaufmann oder sonstige natürliche Person zu betrachten; eine Klage als „Gesellschaft“ kann sie nicht erheben.169
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bb) Gründungstheorie innerhalb EWR. Die Sitztheorie gilt aber nicht für Gesellschaften und sonstige Personenvereinigungen, die nach dem Recht eines EUoder EWR-Staat wirksam gegründet sind. Diese kommen vielmehr in den Genuss der europarechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit. Für sie gilt daher die Gründungstheorie, d.h. sie sind nach den Vorschriften des Gründungsrechts rechtsfähig, ohne dass es auf den Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes ankäme.170
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cc) Bilaterale völkerrechtliche Verträge. Schließlich sind auch bilaterale völkerrechtliche Verträge zu berücksichtigen, und zwar insbesondere der Deutsch-Ameri-
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163 BGH 27.10.2008 – II ZR 158/06 – BGHZ 178, 192 Rn. 19 ff. m.w.N. 164 BGH 1.7.2002 – II ZR 380/00 – BGHZ 151, 204. 165 BGH 13.9.2004 – II ZR 276/02 – NJW 2004, 3706, 3707. 166 Staudinger/Großfeld Internationales Gesellschaftsrecht (1998) Rn. 427. 167 Von „Übermaß“ spricht mit Recht Lindacher S. 71. 168 BGH 1.7.2002 – II ZR 380/00 – BGHZ 151, 204, 207. 169 Lindacher S. 71. 170 BGH 19.9.2005 – II ZR 372/03 – BGHZ 164, 148, 151 ff.; vgl. EuGH 30.9.2003 – C-167/01 – Slg. 2003 I-10155 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art.
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kanische Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag von 1954.171 Aufgrund dieses Vertrags gilt auch für in den USA gegründete Gesellschaften die Gründungstheorie, d.h. der tatsächliche Verwaltungssitz ist irrelevant. In der Literatur wird teilweise gefordert, dass die Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer solchen Gesellschaft einen „genuine link“ mit den USA voraussetze.172 Diese Ansicht findet im Wortlaut des Abkommens aber keine Stütze und ist auch sachlich nicht berechtigt: Die alltägliche Nutzung englischer „Briefkasten“-Limited-Gesellschaften und anderer Gesellschaftsformen aus dem EWRRaum in Deutschland zeigt, dass der inländische Rechtsverkehr mit diesen Phänomenen vernünftig umgehen kann. Daher spricht nichts dagegen, in Ansehung des o.g. deutschamerikanischen Vertrags auch eine in Delaware gegründete „Briefkasten“-Incorporated als rechtsfähiges Gebilde zu akzeptieren. Eine Ausdehnung der den US-Gesellschaften gewährten Anerkennung auf Gesellschaften aus anderen Nicht-EU/EWR-Staaten im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips nach GATT hat der BGH allerdings abgelehnt (s. oben Rn. 34). dd) Ausblick. Rechtspolitisch ist zu konstatieren, dass die Sitztheorie heute über- 80 holt ist. Sie war immer schon gewichtigen Einwänden ausgesetzt.173 Sie kann heute aber auch ihren einst verfolgten Ordnungszweck kaum noch erreichen, weil der Rechtsverkehr in Deutschland sich durch die dargestellten Entwicklungen ohnehin mit vielfältigen Gesellschaftsformen aus dem EU/EWR-Bereich sowie aus den USA auseinandersetzen muss. Auch der beabsichtigte Gläubigerschutz erscheint kaum noch glaubwürdig, wenn selbst eine deutsche GmbH bei entsprechender Firmierung mit einem Stammkapital von einem Euro auskommt.174 All dies passt eher zu der auf Selbstverantwortung und Information setzenden Gründungstheorie. Diese sollte daher – wie 2008 im Bundesjustizministerium vorgeschlagen175 – vom Gesetzgeber auch für Nicht-EU/EWR-Gesellschaften eingeführt werden. Zwingende Regelungsinteressen des Forumsstaates können auch unter Geltung der Gründungstheorie berücksichtigt werden, z.B. über den Begriff der Eingriffsnormen, über den ordre public oder über im Einzelfall auszubildende Sonderanknüpfungen.176 VI. Prozessfähigkeit und gesetzliche Vertretung 1. Natürliche Personen. So wie die Rechtsfähigkeit sich verfahrensrechtlich in der 81 Parteifähigkeit widerspiegelt, so findet auch die materiell-rechtliche Geschäftsfähigkeit ihr verfahrensrechtliches Pendant in der Prozessfähigkeit.177 Zur Prozessfähigkeit von Ausländern werden im wesentlichen zwei Meinungen vertreten: Die wohl überwiegende Ansicht interpretiert den ersten Halbsatz des § 55 ZPO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm, d.h. die Prozessfähigkeit werde nach dem Prozessrecht des „Heimatstaates“ der jeweiligen Person bestimmt.178 Hinzu komme dann noch die in § 55 ZPO, zweiter Halbsatz, geregelte Möglichkeit, dass schon nach der lex fori – d.h. vor deutschen Ge-
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171 BGBl. 1956 II 487. 172 MünchKommBGB/Kindler IntGesR Rn. 342; dagegen Damann RabelsZ 2004, 607, 644. 173 Dazu insbesondere Behrens RabelsZ 52 (1988) 498 ff. 174 § 5a Abs. 1 GmbHG, vgl. nur Michalski/Miras GmbHG § 5a Rn. 17. 175 Vgl. Wagner/Timm IPRax 2008, 81. 176 Behrens Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung im internationalen und europäischen Recht (2. Aufl. 1997) Rn. IPR 22 ff. 177 Rosenberg/Schwab/Gottwald S. 219. 178 Schack Rn. 603 m.w.N.
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richten nach deutschem Recht – Prozessfähigkeit besteht.179 Im Ergebnis geht diese Ansicht also davon aus, dass vor deutschen Gerichten prozessfähig ist, wer entweder nach dem Prozessrecht des Heimatstaates oder nach deutschem Prozessrecht prozessfähig ist.180 Ebenso wie bei der Parteifähigkeit ist aber auch bei der Prozessfähigkeit wieder die 82 Betrachtung über den Weg des Kollisionsrechts möglich. Dafür spricht immerhin § 52 ZPO, der die Prozessfähigkeit an die materiell-rechtliche Fähigkeit, sich vertraglich zu verpflichten, bindet. Wählt man diesen Weg, so wäre über den Weg des Kollisionsrechts (d.h. bei natürlichen Personen über Art. 7 EGBGB) die Geschäftsfähigkeit zu ermitteln und aus dieser dann auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Prozessfähigkeit zu schließen.181 Zusätzlich ist jedoch auch nach dieser Ansicht § 55 ZPO zu beachten, so dass schon eine nach deutschem Recht bestehende Prozessfähigkeit ausreicht.182 Die zuletzt dargestellte Meinung ist vorzuziehen, da die Prozessfähigkeit mög83 lichst eng an die Geschäftsfähigkeit zu binden ist. Dies verlangt auch der Wortlaut des § 52 ZPO, der nicht auf Deutsche beschränkt ist. Die Vorschrift des § 55 ZPO erweitert insoweit nur die Prozessfähigkeit mit Rücksicht auf die in Deutschland geltenden Regeln. Unabhängig von dem dargestellten Meinungsstreit muss man davon ausgehen, dass 84 sich eine in Deutschland ausgesprochene Beschränkung der Geschäftsfähigkeit, d.h. die Bestellung eines Betreuers durch ein deutsches Gericht, stets durchsetzt.183 Dies ergibt sich aus Art. 24 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. In diesem Fall ist der Betreute nicht prozessfähig, soweit der Umfang der Betreuung betroffen ist. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht: Eine im Ausland ausgesprochene Betreuung – oder eine vergleichbare Beschränkung der Geschäfts- und Prozessfähigkeit – schadet der Prozessfähigkeit im Inland wegen § 55 ZPO nicht, wenn die fragliche Person nach deutschem Recht prozessfähig wäre.184 2. Gesellschaften u.a. Bei Gesellschaften und sonstigen Personenvereinigungen oder verselbständigten Vermögensmassen will der Begriff der Prozessfähigkeit nicht recht passen. Vielmehr ist hier nach dem gesetzlichen Vertreter des jeweiligen Gebildes zu fragen. Dafür gelten die bisher ungeschriebenen Kollisionsregeln des internationalen Gesellschaftsrecht (s. oben Rn. 76 ff.). Mithin gilt also für die Vertretung solcher Gesellschaften, die nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates gegründet wurden, aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dieses Gründungsrecht. Für Gesellschaften, die nach dem Recht eines sonstigen Staates gegründet wurden, gilt nach der insoweit vom Bundesgerichtshof weiter vertretenen Sitztheorie das Recht am Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes. 86 Bei einer nach ausländischem (Drittstaaten-)Recht gegründeten Gesellschaft mit tatsächlichem Verwaltungssitz im Inland kann dies dazu führen, dass z.B. ein nach dortigem Recht bestellter Fremdgeschäftsführer (director o.ä.) aus deutscher Sicht nicht gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft ist, weil diese Gesellschaft ggf. als OHG oder BGBGesellschaft zu betrachten ist (s. oben Rn. 77) und somit nur von ihren Gesellschaftern gesetzlich vertreten wird. Allerdings mag man dann diese Bestellung eines externen Ge85
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179 180 181 Rn. 1. 182 183 184
Prütting/Gehrlein § 55 Rn. 1; Lindacher S. 72 m.w.N. Lindacher S. 72. Vgl. BGH 7.12.1955 – IV ZR 177/55 – JZ 1956, 535; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 55 ZPO Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann (vorige Fn.). Prütting/Gehrlein § 55 Rn. 1. Ebd.
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schäftsführers als rechtsgeschäftliche Erteilung einer der jeweiligen Stellung entsprechenden Vertretungsmacht einordnen.185 VII. Prozessführungsbefugnis Als Prozessführungsbefugnis bezeichnet man die Möglichkeit, ein Recht im eigenen 87 Namen geltend zu machen.186 Dies ist im Grundsatz unproblematisch, soweit es um Rechte geht, die materiell-rechtlich dem Kläger zugewiesen sind. Die Prozessführungsbefugnis ist daher nur dann problematisch, wenn entweder dem Rechtsträger diese Befugnis entzogen ist – wie etwa im Insolvenzverfahren dem Schuldner – oder wenn umgekehrt jemand ein Recht vor Gericht geltend machen möchte, das ihm materiellrechtlich nicht zugewiesen ist. 1. Parteien kraft Amtes und gesetzliche Prozessstandschaft. Insbesondere der 88 Insolvenzverwalter (aber auch Nachlassverwalter und Testamentsvollstrecker) ist kraft seines Amtes zur Geltendmachung fremder Rechte befugt und hat insoweit auch Prozessführungsbefugnis. Diese Wirkung kann sich auch aus einem im Ausland angeordneten Insolvenzverfahren ergeben, soweit dessen Wirkungen in Deutschland anerkannt werden. Für Insolvenzverfahren in EU-Staaten (mit Ausnahme von Dänemark) ergibt sich letzteres aus Art. 17 Abs. 1 EuInsVO für die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie aus Art. 25 Abs. 1 EuInsVO für sonstige Entscheidungen bei Durchführung oder Beendigung eines Insolvenzverfahrens. Für Insolvenzverfahren aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten regelt das deutsche Insolvenzrecht die Anerkennung der Wirkungen der Eröffnung eines solchen Verfahrens (§ 343 Abs. 1 InsO) und sonstiger Entscheidungen zur Durchführung oder Beendigung des Insolvenzverfahrens einschließlich Sicherungsmaßnahmen (§ 343 Abs. 2 InsO). Alle diese Vorschriften stimmen darüber ein, dass die Frage der Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens ohne besonderes Verfahren inzident zu prüfen sind, wenn es z.B. um die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters (oder um den Mangel derselben beim Gemeinschuldner) geht. Sowohl § 343 InsO als auch Art. 26 EuInsVO enthalten auch den Vorbehalt des inländischen ordre public als Grenze der Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren. Sie unterscheiden sich allerdings darin, dass bei Insolvenzverfahren in Drittstaaten gemäß § 343 Abs. 1 InsO die Anerkennung auch die Zuständigkeit der dortigen Gerichte nach dem Spiegelbildprinzip voraussetzt. Im Bereich der EuInsVO kann dagegen die Zuständigkeit des im EU-Ausland belegenen Gerichts nicht überprüft werden.187 Bei der Behandlung sonstiger Fälle gesetzlicher Prozessstandschaft in Sachver- 89 halten mit Auslandsberührung ist danach zu unterscheiden, ob die jeweilige Befugnis sich aus dem materiellen Recht oder aus dem Prozessrecht ergibt. Handelt es sich um eine prozessrechtliche Befugnis, so gelten im Grundsatz die deutschen Vorschriften als lex fori, es sei denn, es gibt eine ggf. anzuerkennende ausländische Entscheidung mit entsprechenden Wirkungen. Beruht die geltend gemachte Prozessstandschaft jedoch auf einer auch materiell-rechtlich zu erklärenden Befugnis, so ist für das Bestehen oder Nichtbestehen derselben die kollisionsrechtlich zu ermittelnde lex causae heranzuziehen.188
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Lindacher S. 73. Rosenberg/Schwab/Gottwald S. 227. EuGH 2.5.2006 – C-341/04 – Slg. 2006 I-3813 Tz. 42 – Eurofood. Ausführlich dazu Schack Rn. 621 ff.
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Bei einem Trust im Sinne des angloamerikanischen Rechts ist der Trustee im Außenverhältnis der eigentliche Rechtsträger. Auch wenn er für den Trust handelt, führt er entsprechende Prozesse im eigenen Namen und aus eigenem Recht; eine Prozessstandschaft ist nicht erforderlich.189
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2. Gewillkürte Prozessstandschaft. Nach einer gut begründeten Mindermeinung im deutschen Schrifttum ist die Konzeption der gewillkürten Prozessstandschaft als überflüssig abzulehnen, weil die Vollrechtsübertragung oder die offene Bevollmächtigung als dogmatisch einfachere und damit vorzugswürdige Alternativen zur Verfügung stehen.190 Die in Deutschland herrschende Auffassung lässt die gewillkürte Prozessstandschaft jedoch unter bestimmten Voraussetzungen zu.191 Sowohl Zulässigkeit als auch Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft sind jedenfalls Fragen des Verfahrensrechts und unterliegen als solche der lex fori, d.h. vor deutschen Gerichten dem deutschen Recht.192
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3. Inkassozession. Bei der Inkassozession stellt sich regelmäßig das Problem der Prozessführungsbefugnis nicht, da der Zessionar materiell-rechtlich Inhaber der Forderung wird und somit ein eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht. Für materiellrechtliche Fragen der Zession gilt das gemäß Art. 14 Rom I-VO anzuwendende Recht. Beschränkungen der Geltendmachung zedierter Rechte und schon der Zession selbst 93 können sich allerdings aus dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) ergeben. Dieses unterwirft die Erbringung außergerichtlicher „Rechtsdienstleistungen“ einer Genehmigungspflicht. Eine solche Rechtsdienstleistung liegt gemäß § 2 Abs. 2 RDG insbesondere bei „Inkassodienstleistungen“ vor, welche wiederum dort definiert sind als „Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird.“ Die einschlägige Rechtsprechung und Literatur bejaht eine Rechtsdienstleistung in diesem Sinne bei Inkassozessionen, die zum Zwecke der Einziehung vorgenommen werden und bei denen das wirtschaftliche Risiko im wesentlichen beim Zedenten verbleibt.193 Bei einem Forderungskauf, mit dem der Zessionar selbst das Durchsetzungsrisiko übernimmt, ist dagegen keine solche genehmigungspflichtige Rechtsdienstleistung gegeben.194 Ein Verstoß gegen das RDG führt nach der Rechtsprechung schon zur Unwirksam94 keit der Zession gemäß § 134 BGB.195 Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung muss das RDG wegen seines streng regulierenden Zwecks – nämlich den Markt für Rechtsdienstleistungen in Deutschland zu ordnen – jedenfalls insoweit als international zwingende Norm angesehen werden (d.h. als Eingriffsnorm i.S.v. Art. 9 Rom I-VO) als es um
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189 Wilske/Meyer ZIP 2012, 459, 462. 190 Koch JZ 1984, 809, 815. 191 Nämlich bei Zustimmung durch den Rechtsinhaber sowie einem eigenem Interesse des Prozesstandschafters an der Rechtsverfolgung und nicht entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen des Beklagten, vgl. etwa BGH 3.12.1987 – VII ZR 374/86 – BGHZ 102, 293, 296; Zöller/Vollkommer vor § 50 ZPO Rn. 42 ff. 192 Schack Rn. 627. 193 Krenzler/Offermann-Burckart, RDG (2010), § 2 Rn. 83 ff. mit Verweis auf die Motive des Gesetzgebers in BTDrucks. 16/3655, 48 f. 194 Krenzler/Offermann-Burckart, RDG (2010), § 2 Rn. 94 ff.; vgl. im Kartellrecht den zulässigen Forderungsankauf gegen Erfolgsbeteiligung, OLG Düsseldorf 14.5.2008 – VI U (Kart) 14/07 – BeckRS 2008, 10947; BGH 7.4.2009 – KZR 42/08 – GRUR-RR 2009, 319; zu diesen Fällen u.a. Weitbrecht NJW 2012, 881, 885. 195 Vgl. (noch zum RBerG) BGH 12.4.2011 – II ZR 197/09 – NJW 2011, 2581 Tz. 14.
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in Deutschland zu erbringende oder sich hier auswirkende Rechtsdienstleistungen geht.196 Die im RDG enthaltenen Verbote sind daher von deutschen Gerichten stets zu beachten, ohne dass es auf das Statut der Zession oder Hauptforderung ankäme. Allerdings bedingt dieser zwingende und die Privatautonomie stark beschränkende 95 Zweck des RDG zugleich eine restriktive Auslegung der darin enthaltenen Vorschriften. Die o.g. Rechtsprechung ist daher nur mit Einschränkungen akzeptabel. Gründen z.B. mehrere Personen eine Gesellschaft und bringen sie in diese Gesellschaft ihre Forderungen – z.B. gegen ein und denselben Schuldner – als Gesellschaftsvermögen ein, so verbietet das RDG schon deswegen nicht die Geltendmachung dieser Forderungen durch die Gesellschaft, weil die Durchsetzung eigener Forderungen keine Besorgung „fremder“, sondern eben eigener Rechtsangelegenheiten ist.197 Die Annahme, dass es sich in einem solchen Fall um „wirtschaftlich fremde“ Forderungen handelt, ist nicht überzeugend: Wirtschaftlich kommt jede Forderungsdurchsetzung einer Gesellschaft ihren Gesellschaftern zu Gute, sei es durch eine spätere Gewinnausschüttung oder nach Liquidation der Gesellschaft; trotzdem trennt die Rechtsordnung aus guten Gründen bei der Zuordnung von Forderungen zwischen den Gesellschaftern einerseits und der Gesellschaft – letztere als juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft – andererseits. Es ist auch kein sachlicher Grund erkennbar, warum eine gesammelte Durchsetzung von Ansprüchen über das Vehikel einer dazu gegründeten (Zweck-)Gesellschaft nicht wünschenswert wäre; sie ist in vielerlei Hinsicht effizienter und kostengünstiger als eine Vielzahl von Einzelprozessen. Letztere Erwägung ist vor allem in Sachverhalten mit Berührung zum EU- 96 Ausland zu beachten. Es gilt dann die Dienstleistungsfreiheit der Art. 56 ff. AEUV. Eine im EU-Ausland legale Tätigkeit – z.B. das Sammeln von Einzelansprüchen durch Abtretung mit dem Ziel der gebündelten Geltendmachung – kann im Inland somit nur gemäß Art. 62 AEUV i.V.m. Art. 52 Abs. 1 AEUV oder durch sonstige zwingende Gründe des Allgemeininteresses und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränkt werden.198 Der BGH hat diesbezüglich zum RBerG a.F. und zur grenzüberschreitenden Schuldnerberatung entschieden, dass ein ausreichendes Allgemeininteresse daran bestehe, nur ausreichend qualifizierte Personen zur Schuldnerberatung zuzulassen.199 Der Schutz hochverschuldeter Individuen vor schlechter Beratung ist aber nicht vergleichbar mit einem Fall, in dem sich etwa eine Gruppe von Gläubigern aufgrund eines rationalen Kalküls und zur effizienteren Durchsetzung z.B. ihrer gegen einen gemeinsamen Schuldner gerichteten zahlreichen Zahlungsansprüche einer Zweckgesellschaft bedient – hier sind kaum Allgemeininteressen ersichtlich, die einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen könnten. Verbraucherzentralen und andere mit öffentlichen Mitteln geförderte Verbände dür- 97 fen allerdings Einziehungsklagen für eine Mehrzahl von Verbrauchern gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 RDG und § 79 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 ZPO erheben, und zwar sowohl in Form der gewillkürten Prozessstandschaft als auch in Form der Inkasso-
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196 Vgl. zur Anwendung des RBerG a.F. in grenzüberschreitenden Fällen BGH 5.10.2006 – I ZR 7/04 – NJW 2007, 596. 197 Koch NJW 2006, 1469, 1471; vgl. auch Mann NJW 2010, 2391. 198 Vgl. nur Schroeder Grundkurs Europarecht (2. Aufl. 2011) § 14 Rn. 160 f.; EuGH 30.11.1995 – C-55/94 – Slg. 1995 I-4165 Tz. 37 = NJW 1996, 579, 581 – Gebhard. 199 BGH 5.10.2006 – I ZR 7/04 – NJW 2007, 596, 598 unter Berufung auf EuGH 25.7.1991 – C-76/90 – NJW 1991, 2693 – Säger ./. Dennemeyer & Co., wobei letztere Entscheidung zwar im Prinzip schutzwürdige Allgemeininteressen zur Regulierung des Marktes für Rechtsdienstleistungen anerkennt, aber zugleich – und im Ergebnis gerade gegen das RBerG a.F. – darauf hinweist, dass derartige Anforderungen nicht außer Verhältnis zum Schutzzweck stehen dürfen (EuGH ebd. Tz. 20).
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zession.200 Forderungen von Unternehmern können über diesen Weg jedoch nicht gebündelt werden.201 Außerdem beschränkt die Vorschrift die Einziehungsklage auf den „Aufgabenbereich“ der Verbraucherzentrale, was in Fällen mit Auslandsberührung problematisch sein kann. Dem Wortlaut nach ist die Vorschrift nicht auf inländische Verbraucherverbände beschränkt. Das unter Geltung von Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG a.F. noch strittige einschränkende Merkmal, dass die Rechtsverfolgung „im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich“ sein musste,202 ist mit Schaffung des RDG aufgegeben worden und spielt daher heute keine Rolle mehr.203 4. Verbands- und Gruppenklagebefugnisse 98
a) Verband als Zessionar oder Prozessstandschafter. Soweit ein Verband als Zessionar von Einzelansprüchen auftritt, ist seine Prozessführungsbefugnis unproblematisch und es sind allenfalls die oben dargestellten Probleme des deutschen RDG zu berücksichtigen. Dasselbe gilt auch für andere im deutschen Recht anerkannte Formen der mandatierten Repräsentation individueller Ansprüche, insbesondere für die gewillkürten Prozessstandschaft, deren Zulässigkeit sich nach lex fori richtet.204
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b) Gruppenklagebefugnisse nach ausländischem Verfahrensrecht. Daraus folgt zugleich, dass vor deutschen Gerichten eine nach ausländischem Verfahrensrecht bestehende Repräsentationsbefugnis individueller Ansprüche – etwa eine class action nach US-amerikanischem Recht – nicht zulässig ist.205 Dies würde gegen den lex fori-Grundsatz verstoßen. Ein derartiger Import fremden Verfahrensrechts ist auch sachlich nicht angezeigt: Die Frage nach der angemessenen Bündelung individueller Ansprüche und damit nach den wünschenswerten Instrumenten kollektiven Rechtsschutzes ist eine sowohl akademisch wie auch rechtspolitisch umstrittene Frage und muss daher durch den jeweiligen nationalen Gesetzgeber beantwortet werden. Davon unberührt ist der Vorrang des EU-Rechts, falls der EU-Gesetzgeber in Zukunft einen einheitlichen Rechtsakt zu Gruppenklagen erlassen sollte (s. oben Rn. 28).
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c) Originäre Interventionskompetenzen des Verbands. Schwieriger ist jedoch die Beurteilung eigenständiger Interventionskompetenzen von Verbänden oder anderen Personen oder Institutionen, d.h. solcher Befugnisse, die mit der lauterkeitsrechtlichen Verbandsklage des § 8 Abs. 3 oder den Verbandsklagen gemäß UKlaG vergleichbar sind. Hier findet man international sehr unterschiedliche Varianten, bis hin zur lauterkeitsrechtlichen Popularklage in Australien, die von „any other person“ erhoben werden kann (s. oben Rn. 21). Die verfahrensrechtliche Behandlung derartiger Befugnisse hängt von ihrer Qualifikation ab: Man kann diese Befugnisse entweder prozessual qualifizieren, so dass sie im Grundsatz der lex fori zu unterwerfen sind. Man kann diese Befugnisse aber auch als materiell-rechtliche Ansprüche konstruieren, so dass ihre Geltendmachung keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit einer Klage wäre.
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200 Zöller/Vollkommer § 79 ZPO Rn. 4; vgl. zu dieser Form der „Sammelklage“ Stadler FS Schumann (2001) 474 ff. 201 Musielak/Weth § 79 ZPO Rn. 13. 202 Dazu BGH 14.11.2006 – XI ZR 294/05 – BGHZ 170, 18. 203 Dreyer/Geißler, in: Dreyer/Lamm/Müller (Hrsg.), RDG (2009), § 8 RDG Rn. 34. 204 Schack Rn. 626 ff. 205 Schack Rn. 625; Geimer Rn. 341a; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schütze § 11 Rn. 30.
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aa) Materiell-rechtliche Lösung. Folgte man letzterer Auffassung, so käme eine 101 rein materiell-rechtliche Lösung in Betracht: In den Verbandsklagebefugnissen des UWG und des UKlaG werden im Anschluss an den Gesetzeswortlaut – zumindest in der auf Inlandsfälle bezogenen Diskussion – überwiegend materiell-rechtliche Ansprüche gesehen.206 Nähme man diese Ansicht ernst, so müsste man daraus im Hinblick auf Sachverhalte mit Auslandsberührung folgende Konsequenzen ziehen: Das anwendbare Recht ist nach dem Kollisionsrecht zu bestimmen, insbesondere gilt wegen Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO für lauterkeitsrechtliche Ansprüche das Marktortrecht. Dieses wiederum entscheidet dann über das Bestehen oder Nicht-Bestehen der als materiell-rechtliche Ansprüche gedachten Verbands- oder Popularklagebefugnisse. Man käme dann zu dem intuitiv zumindestens überraschenden Ergebnis, dass vor deutschen Gerichten eine lauterkeitsrechtliche Popularklage möglich wäre, soweit es um den Wettbewerb auf dem australischen Markt geht. Diese im Sinne der herrschenden materiell-rechtlichen Auffassung naheliegende Konsequenz, nämlich das Bestehen von Popular- oder Verbandsklagebefugnissen ausschließlich der lex causae zu unterwerfen wird allerdings in der Literatur nur sehr vereinzelt gezogen.207 Die Rechtsprechung hat im Sinne dieser materiellrechtlichen Theorie immerhin festgestellt, dass bei deutschem Recht als lex causae auch die deutschen Verbandsklagebefugnisse gegeben sind.208 Zu einer Stellungnahme hinsichtlich der umgekehrten Konsequenz, dass nämlich bei fremder lex causae auch die fremden Verbands- oder Popularklagebefugnisse importiert würden, gab es bisher keinen Anlass. bb) Doppelnatur der Klagebefugnis. Ein zweiter Lösungsvorschlag überträgt die 102 von der deutschen Rechtsprechung im Zusammenhang mit Inlandsfällen entwickelte Lehre von der Doppelnatur der Verbandsklagebefugnis – nämlich zugleich als Zulässigkeits- und Begründetheitsfrage – auf Fälle mit Auslandsberührung: Danach soll eine Verbandsklage vor deutschen Gerichten nur dann möglich sein, wenn sowohl die lex fori – also das deutsche Recht – und kumulativ dazu auch die ggf. fremde lex causae eine solche Befugnis vorsehen.209 Auch der BGH schien zunächst dieser Lesart zuzuneigen,210 hat die Frage später aber ausdrücklich unbeantwortet gelassen.211 cc) Prozessuale Einordnung. Drittens schließlich kommt eine prozessuale Quali- 103 fikation von Popular- oder Verbandsklagen in Betracht: Danach hängt die Möglichkeit der Geltendmachung derartiger Befugnisse nur von der lex fori ab und es ist somit irrelevant, ob die maßgebliche lex causae eine entsprechende Befugnis enthält.212 Diese Lesart ist sowohl aus grundsätzlich-dogmatischen Erwägungen wie auch in der Sache vorzugswürdig. In dogmatischer Hinsicht ist zunächst ein deutlicher Unterschied zu machen zwischen der Geltendmachung subjektiver Individualrechte, die der lex causae
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206 Greger NJW 2000, 2457, 2462; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.8 und 3.1. 207 Wilde, in: Gloy (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbsrechts (1986) 58; Pfeiffer S. 726 ff.; wohl auch AnwK-BGB/Wagner Art. 40 EGBGB Rn. 71. 208 BGH 9.7.2009 – Xa ZR 19/08 – BGHZ 182, 24 Rn. 16. 209 Fezer/Hausmann/Obergfell Einleitung I Rn. 526; Staudinger/Fezer/Koos Internationales Wirtschaftsrecht Rn. 772; Ahrens WRP 1994, 649, 653 ff.; Lindacher S. 79; etwas abweichend Koch JZ 1991, 1039, 1041 (formelle Fragen unterliegen der lex fori, Umfang der Befugnis nach lex causae). 210 So zumindest implizit BGH 11.3.1982 – I ZR 39/78 – GRUR 1982, 495, 497. 211 BGH 15.11.1990 – I ZR 22/89 – BGHZ 113, 11, 16; BGH 26.11.1997 – I ZR 148/95 – GRUR 1998, 419, 420. 212 LG München I VuR 1993, 62; Schack Rn. 625; ders. BerDGesVR 32 (1992) 315, 337; Geimer Rn. 341a; Nagel/Gottwald § 5 Rn. 32; Rott/Ropp S. 13 f.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schütze § 11 Rn. 30; Halfmeier S. 282 f.; ähnlich aus Sicht des französischen Rechts Kessedjian Riv. dir. int. priv. proc. 33 (1997) 281, 291.
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unterliegen sollten, und andererseits zusätzlicher Kontrollbefugnisse wie Popular- und Verbandsklagen, die sich gerade nicht als disponible und individuell zugewiesene subjektive Rechte erklären lassen. Bei ihnen handelt es sich vielmehr um kompensatorische Befugnisse, mit denen Durchsetzungsdefizite der objektiven Rechtsordnung korrigiert werden sollen.213 Inwieweit letztere gesellschaftlich notwendig und erwünscht sind, entscheidet aber jede Rechtsordnung für sich. Deswegen ist die rein materiell-rechtliche Betrachtung und die mit ihr verbundene ausschließliche Anknüpfung an die lex causae abzulehnen. 104
dd) Ergebnis. Zugleich sollte aber die lex fori auch das einzige Kriterium der Zulassung von Popular- oder Verbandsklagen sein, eine Kumulation ihrer Voraussetzungen mit denen der lex causae ist ebenfalls nicht sinnvoll: Inwieweit eine Kontrollbefugnis wie die Verbandsklage auch Verhalten auf ausländischen Märkten umfassen soll, ist ebenfalls eine wertende Entscheidung, die der lex fori überlassen bleiben sollte: Ob sich z.B. die lauterkeitsrechtliche Verbandsklage des § 8 Abs. 3 als Kontrollkompetenz auch auf das Verhalten deutscher Unternehmen auf ausländischen Märkten beziehen sollte, hängt von sachlichen Erwägungen ab, die der Gesetzgeber und ggf. die Rechtsprechung anzustellen haben. Die Beantwortung dieser Frage kann daher nicht vom Inhalt der ausländischen lex causae abhängig sein.214 Im Ergebnis hängt also die Zulässigkeit eigenständiger Interventionskompetenzen durch Popular- oder Verbandsklagen nur von den Regeln der lex fori ab. Daraus ergibt sich vor deutschen Gerichten in Fällen mit Auslandsberührung das 105 folgende Bild: Ein ausländischer Beklagter wirft keine Probleme der Prozessführungsbefugnis auf, sondern ggf. solche der Zuständigkeit (dazu unten Rn. 129 ff.). Ausländische Kläger – mag es sich um Einzelpersonen, Institutionen oder Verbände handeln – können dann eine Verbandsklage in Deutschland erheben, wenn sie die im deutschen Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen.215 Es gelten insoweit also die Anforderungen der §§ 8 Abs. 3 UWG, 3 ff. UKlaG. Über den in §§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, 4 UKlaG enthaltenen Verweis auf das bei der EU-Kommission geführte Verzeichnis qualifizierter Einrichtungen ist damit auch die Einhaltung der Richtlinie 98/27/EG sichergestellt.216 Am umstrittensten ist hinsichtlich der Verbandsklagebefugnis die Frage nach der 106 Zulässigkeit der Kontrolle von Verhalten im Ausland durch eine Verbandsklage vor deutschen Gerichten. In dieser Frage ist für solche Sachverhalte, die den Markt in der EU betreffen, zunächst die vom BGH zum AGB-Recht getroffene Air Baltic-Entscheidung217 zu berücksichtigen. Dort ging es allerdings nicht um ein nur im Ausland stattfindendes Marktverhalten, sondern um ein grenzüberschreitendes Verhalten, das auch im Inland Wirkungen zeitigte – nämlich durch die Verwendung der fraglichen AGB gegenüber deutschen Kunden der lettischen Fluggesellschaft. Der BGH kam daher zur Geltung deutschen Sachrechts gemäß Art. 4 Rom II-VO, wobei er aber diesem nur die Verbands-
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213 Ausführlich dazu Halfmeier S. 243 ff. 214 Im Ergebnis ebenso Münchener Kommentar/Mankowski IntWettbR Rn. 520 ff. 215 Schack Rn. 625; weitergehend Fezer/Hausmann/Obergfell Einleitung I Rn. 525 im Anschluss an Lindacher FS Lüke 377, 385 und 387: Verbandsklage sei auch zulässig, wenn der Verband nach seinem Heimatrecht klagebefugt ist und eine dem deutschen Recht vergleichbare Gewähr für Seriösität und Sachkunde bietet. Dieses sachlich einleuchtende Ergebnis ist aber ggf. auch über die entsprechende Interpretation der einschlägigen Normen des deutschen Rechts zu erzielen. 216 Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 über Unterlassungsklagen zum Schutze der Verbraucherinteressen, ABl. EG 1998 L 166, 51; zu ihrer Umsetzung in den Mitgliedstaaten vgl. Rott/Ropp S. 3 ff. 217 BGH 9.7.2009 – Xa ZR 19/08 – BGHZ 182, 24 = NJW 2009, 3371 m. Anm. Staudinger/Czaplinski.
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klagebefugnis des § 4a UKlaG als solche entnahm. Die Gültigkeit der AGB und damit die materiell-rechtliche Beurteilung des inkriminierten Verhaltens knüpfte der BGH dagegen gesondert an das hypothetische Vertragsstatut an und gelangte so zur Prüfung des einschlägigen lettischen Verbraucherschutzrechts.218 Somit ist die Überprüfung von Marktverhalten anhand ausländischer Rechtsnormen durch eine in Deutschland erhobene Verbandsklage im Grundsatz auch nach der Rechtsprechung möglich. Für das Lauterkeitsrecht ergibt sich daraus folgendes: Für den EU-Markt betref- 107 fende Sachverhalte kann eine Verbandsklage in Deutschland jedenfalls dann auf § 4a UKlaG gestützt werden, wenn auch der deutsche Markt betroffen ist. Diese Vorschrift bezieht sich auf innergemeinschaftliche Verstöße gegen „Gesetze zum Schutze der Verbraucherinteressen“, wobei letztere im Sinne der VO (EG) Nr. 2006/2004 zu verstehen sind. Damit sind auch die nationalen Umsetzungsvorschriften der UGPRL umfasst und mithin der größte Teil des Lauterkeitsrechts. Die Vorschrift des § 8 Abs. 5 Satz 2 UWG lässt Klagen aufgrund von § 4a UKlaG ausdrücklich auch für den Bereich des Lauterkeitsrechts zu. Für Sachverhalte, die (ausnahmsweise) weder den deutschen noch den EU-Markt 108 betreffen, ist die Frage einer Verbandsklagebefugnis jedoch weiterhin offen. Zum alten UWG wurde z.T. die Ansicht vertreten, dass eine Verbandsklage in der Sache nur auf deutsches Recht als lex causae gestützt werden könne.219 Für eine solche enge Lesart spricht immerhin auch heute noch der Wortlaut des § 8 Abs. 1, der sich explizit auf Verstöße gegen das deutsche UWG bezieht. Dieses ist aber wegen Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO in der Regel nicht anwendbar, wenn der Wettbewerb auf einem Auslandsmarkt in Rede steht. Trotzdem sollte § 8 Abs. 1 so gelesen werden, dass auch Verstöße gegen eine ausländische lex causae mit Hilfe der Verbandsklagebefugnis bekämpft werden können.220 Dafür spricht schon der völkerrechtliche Grundsatz der comitas, der schutzwürdige Interessen auf Auslandsmärkten berücksichtigt.221 Außerdem können auch auf Auslandsmärkten durchaus deutsche Verbraucher oder andere Marktteilnehmer betroffen sein.222 Eine auf den nationalen Markt beschränkte Kontrollbefugnis erscheint angesichts der zunehmenden Globalisierung der Ökonomie kaum noch vertretbar und kann dem Gesetzgeber daher auch nicht ohne weiteres unterstellt werden.223 Soweit also die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist – etwa wegen des Sitzes des Beklagten im Inland – sollte auch die Kontrolle von Verhalten auf ausländischen Märkten nicht ausgeschlossen sein. VIII. Postulationsfähigkeit Unter Postulationsfähigkeit versteht das deutsche Prozessrecht die Fähigkeit, wirk- 109 sam Prozesshandlungen vornehmen zu können.224 Vor dem Amtsgericht ist die Partei selbst postulationsfähig (§ 79 Abs. 1 ZPO); vor dem Landgericht, dem Oberlandesgericht und dem Bundesgerichtshof besteht jedoch Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO). Dieser ist für den BGH dahingehend qualifiziert, dass nur beim BGH zugelassene Anwälte in Be-
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218 BGH ebd. bei Tz. 25 ff., 41 ff.; zustimmend Stadler VuR 2010, 83; eine solche Sonderanknüpfung ablehnend jedoch Baetge ZEuP 19 (2011) 930 ff.; Mankowski IPRax 1991, 305, 307. 219 LG Aachen VuR 1994, 37, 38; OLG Köln VuR 1995, 289. 220 Fezer/Hausmann/Obergfell Einleitung I Rn. 527. 221 Lindacher FS Lüke 377, 381. 222 Dies zeigt z.B. der Fall BGHZ 113, 11 (deutscher Wolldeckenproduzent mit Vertrieb auf Gran Canaria). 223 In diesem Sinne bereits Koch JZ 1991, 1039, 1041; Lindacher FS Lüke 377, 390; Reich RabelsZ 56 (1992) 444, 471. 224 Rosenberg/Schwab/Gottwald S. 224.
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tracht kommen.225 Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, d.h. im Lauterkeitsrecht insbesondere bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, besteht für den Antrag wegen §§ 78 Abs. 3, 920 Abs. 3, 936 ZPO allerdings kein Anwaltszwang. Kommt es jedoch daraufhin zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, so besteht für diese Anwaltszwang. Für ausländische Anwälte aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie 110 den anderen Mitgliedstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Island, Liechtenstein und Norwegen) sowie aus der Schweiz gilt das EuRAG.226 Gemäß § 2 EuRAG kann sich ein Rechtsanwalt aus einem dieser Staaten in Deutschland niederlassen, Mitglied der Rechtsanwaltskammer werden und in den Deutschland den Rechtsanwaltsberuf ausüben, allerdings unter der Berufsbezeichnung seines Herkunftsstaates. Eine Prüfung oder ein sonstiger weiterer Qualifikationsnachweis ist nicht erforderlich.227 Ein solcher in Deutschland niedergelassener „europäischer Rechtsanwalt“ ist einem deutschen Rechtsanwalt u.a. im Hinblick auf § 78 ZPO gleichgestellt. Ein aus den genannten Staaten stammender „europäischer Rechtsanwalt“ im Sinne 111 von § 1 EuRAG, der nicht in Deutschland niedergelassen ist, darf zwar wegen der Dienstleistungsfreiheit auch in Deutschland seine Dienste vorübergehend anbieten und ausüben („dienstleistender europäischer Rechtsanwalt“, § 25 EuRAG). Er ist dann aber kein Rechtsanwalt im Sinne von § 78 ZPO und muss sich daher in Verfahren mit Anwaltszwang eines deutschen Kollegen als „Einvernehmensanwalt“ bedienen (§ 28 EuRAG). Der Einvernehmensanwalt hat den „dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt“ insbesondere im Hinblick auf das Verfahrensrecht zu informieren, muss aber nicht zwingend auch in einer mündlichen Verhandlung präsent sein.228 Das Einvernehmen ist nur bei der ersten Prozesshandlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen (§ 29 Abs. 1 EuRAG). Ausländischen Anwälten aus anderen Staaten, d.h. weder aus der EU noch aus 112 dem EWR oder der Schweiz, stehen diese Möglichkeiten nicht offen. Für sie kommt allenfalls eine Niederlassung in Deutschland gemäß § 206 Abs. 1 BRAO (für WTO-Staaten) oder § 206 Abs. 2 BRAO (für sonstige Staaten) in Betracht; beide Möglichkeiten schließen jedoch eine Beratung im deutschen Recht aus und beschränken die zulässige Beratungstätigkeit auf das Recht des Herkunftsstaates und – im Falle des § 206 Abs. 1 BRAO – das Völkerrecht. Beratungsleistungen im deutschen Recht sind ausgeschlossen. Auch ein Auftreten vor deutschen Gerichten ist diesen ausländischen Rechtsanwälten nicht gestattet.229 IX. Gerichtsbarkeit und Immunität 113
Mit dem Begriff der Gerichtsbarkeit wird die Frage nach den völkerrechtlichen Grenzen der staatlichen Gerichtsgewalt bezeichnet.230 Der Begriff der Immunität bezeichnet
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225 Zur (problematischen) Verfassungsmäßigkeit dieses qualifizierten Anwaltszwangs BVerfG 27.2.2008 – 1 BvR 1295/07 – NJW 2008, 1293, 1294. 226 Gesetz zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Berufsrechts der Rechtsanwälte, BGBl. I 2000, 182 sowie 2003, 2074. 227 Allerdings kann gemäß §§ 16 ff. EuRAG eine Eignungsprüfung abgelegt werden, um den Status des deutschen Rechtsanwalts zu erlangen; letzteres ist auch möglich nach dreijähriger Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland, §§ 11 f. EuRAG. 228 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO (8. Aufl. 2012), § 28 EuRAG Rn. 3 ff.; Kleine-Cosack BRAO (6. Aufl. 2009) Anhang III 1 Rn. 46. 229 Feuerich ebd. § 206 BRAO Rn. 6. 230 Schack Rn. 155 ff. m.w.N; Lindacher WRP 1999, 54 ff.
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eine Ausnahme von dieser Gerichtsbarkeit in dem Sinne, als dass gegen eine Immunität genießende Person kein gerichtliches Verfahren durchgeführt werden kann, und zwar schon kein Erkenntnisverfahren (zur Immunität im Vollstreckungsverfahren siehe unten Rn. 125). Die in Deutschland geltenden Regeln sind teilweise in §§ 18–21 GVG gesetzlich geregelt, z.T. ergeben sie sich aber auch aus völkerrechtlichen Verträgen oder aus dem Völkergewohnheitsrecht, welches gemäß Art. 25 GG zu beachten ist. 1. Immunität natürlicher Personen. Die Immunität natürlicher Personen ist vor al- 114 lem in §§ 18–21 GVG geregelt, wobei § 20 Abs. 2 GVG in weitgehend deklaratorischer Weise hier auch auf das Völkergewohnheitsrecht, völkerrechtliche Verträge oder sonstige Rechtsvorschriften verweist. Die Verwendung des – wegen seiner räumlich-geographischen Konnotationen gelegentlich zu Missverständnissen einladenden231 – Begriffs der „Exterritorialität“ in §§ 18 ff. GVG macht gegenüber dem hier und im übrigen Schrifttum bevorzugten Begriff der Immunität keinen sachlichen Unterschied.232 Nach § 18 GVG genießen Diplomaten einschließlich ihrer Familienmitglieder und 115 privaten Hausangestellten weitgehend unbeschränkte Immunität nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen von 1961.233 Für Zwecke des Lauterkeitsrechts ist aber darauf hinzuweisen, dass dieses Übereinkommen in seinem Art. 31 immerhin solche Klagen erlaubt, die gegen den Diplomaten nicht wegen seiner dienstlichen Funktion erhoben werden, sondern in seiner Eigenschaft als Gewerbetreibender oder Freiberufler. Für das nicht-diplomatische Personal der Botschaft gilt gemäß Art. 37 Abs. 2 dieses Übereinkommens vor Zivilgerichten ohnehin nur eine Immunität in Bezug auf die dienstliche Tätigkeit. Dasselbe gilt gemäß § 19 GVG i.V.m. dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen von 1963234 auch für Konsuln und sonstige Mitglieder der konsularischen Vertretungen. Bei diesen Personen ist daher im Einzelfall eine Abgrenzung zwischen der durch Immunität geschützten dienstlichen Tätigkeit und der nicht geschützten sonstigen geschäftlichen oder privaten Tätigkeit zu treffen. Die Rechtsprechung rechnet z.B. die Tätigkeit für ein staatliches Exportunternehmen des Entsendestaats zu den dienstlichen Tätigkeiten eines Konsuls,235 nicht aber die Heimfahrt nach dem Besuch von Gaststätten.236 Weiterhin verbietet § 20 Abs. 1 GVG die Ausübung deutscher Gerichtsgewalt gegen Repräsentanten anderer Staaten, die auf amtliche Einladung die Bundesrepublik Deutschland besuchen, und ihre Begleitung; dies gilt allerdings nur für die Dauer des entsprechenden Aufenthalts.237 Die Regeln der §§ 18 ff. GVG zur Immunität natürlicher Personen sind aber nicht ab- 116 schließend und werden durch die wegen Art. 25 GG geltenden allgemeinen Regeln des Völkergewohnheitsrechts ergänzt.238 Danach unterliegen natürliche Personen auch dann nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn sich der gegen sie geltend gemachte An-
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231 Vgl. Schack Rn. 164 ff. 232 Zöller/Lückemann Rn. 2 vor §§ 18–20 GVG. 233 BGBl. 1964 II, 957; Einzelheiten bei Schack Rn. 161 ff. 234 BGBl. 1969 II, 1585. 235 LG Hamburg 10.4.1986 – 2 O 189/85 – NJW 1986, 3034. 236 OLG Hamburg 30.6.1988 – 1 Ss 83/88 – NJW 1988, 2191; Teilnahme am Straßenverkehr ohnehin nur „ausnahmsweise“ im Zusammenhang mit konsularischen Aufgaben, so BayObLG 5.11.1991 – 1 Ob OWi 345/91 – NJW 1992, 641, 642; ähnlich OLG Karlsruhe 16.7.2004 – 2 Ss 42/04 – NJW 2004, 3273. 237 Vgl. aus dem Strafrecht OLG Düsseldorf 20.3.1986 – 1 Ws 1102/85 – NJW 1986, 2204. 238 BGH 26.9.1978 – VI ZR 267/76 – NJW 1979, 1101.
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spruch auf eine Handlung bezieht, die sie in Ausübung der Souveränität eines fremden Staates vorgenommen haben.239 2. Immunität juristischer Personen 117
a) Ausländische Staaten. Die Immunität ausländischer Staaten im Sinne des mittelalterlichen Grundsatzes par in parem non habet imperium ist in letzter Zeit im Bereich des allgemeinen Deliktsrechts und der Haftung für Kriegsverbrechen Gegenstand intensiver Diskussionen gewesen, die ihren vorläufigen Abschluss in einer Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs fanden. 240 Völkerrechtliche Vereinbarungen zu diesem Thema gibt es in Form der bisher weder in Kraft getretenen noch von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten UN-Konvention über Staatenimmunität von 2004241 sowie des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität von 1972.242 Soweit diese Übereinkommen nicht einschlägig sind, gilt jedoch Völkergewohnheitsrecht, welches wegen Art. 25 GG dem einfachen Bundesrecht und damit auch dem Verfahrensrecht vorgeht.
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aa) Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität. Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität von 1972 gilt heute für Belgien, Deutschland, Großbritannien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweiz und Zypern. Es gilt im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander und geht dabei so vor, dass es zunächst bestimmte Fallgruppen benennt (Art. 1–13 des Übereinkommens), in denen der Immunitätsgrundsatz nicht gilt. Zu diesen Fallgruppen gehört auch Art. 7 des Übereinkommens, der die Staatenimmunität dann verneint, wenn der ausländische Staat im Gerichtsstaat über ein Büro, eine Agentur oder in ähnlicher Weise „wie eine Privatperson eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt“ und sich das Verfahren auf diese Tätigkeit bezieht. Soweit ein Verfahren aber nicht unter diese Fallgruppen fällt, kann ein Vertragsstaat stets Immunität vor den Gerichten der anderen Vertragsstaaten beanspruchen (Art. 15 des Übereinkommens). Allerdings wird diese im Ansatz recht moderne Struktur des Übereinkommens dadurch konterkariert, dass Art. 24 des Übereinkommens jedem Mitgliedstaat als „régime facultatif“ die Möglichkeit lässt, unabhängig von Art. 1– 13 auf Verfahren gegen andere Mitgliedstaaten dieselben Regeln anzuwenden, wie er sie auf Verfahren gegen Nichtvertragsstaaten anwendet, solange es nicht um die Ausübung von Hoheitsrechten des ausländischen Staates (acta iure imperii) geht. Die Bundesrepublik Deutschland hat – ebenso wie zahlreiche andere Vertragsstaaten – eine solche Erklärung abgegeben.243 Das führt aus deutscher Sicht dazu, dass auch im Verhältnis zu den Vertragsstaaten nicht die im Übereinkommen vorgesehenen besonderen Ausnahmen
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239 BGH ebd.: Immunität eines ehemaligen Scotland Yard-Mitarbeiters wegen eines auf Anforderung des Bundeskriminalamts erstellten kritischen Berichts über eine möglicherweise kriminelle religiöse Gemeinschaft. 240 IGH 3.2.2012 – Deutschland ./. Italien – http://www.icj-cij.org/docket/files/143/16883.pdf. Vor dieser Entscheidung war umstritten, ob sich ein ausländischer Staat auch dann auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität berufen kann, wenn der im Verfahren gemachte Vorwurf darin liegt, dass der Staat selber gegen zwingendes Völkerrecht (ius cogens) verstoßen habe, etwa durch Folter oder schwere Kriegsverbrechen. Der Internationale Gerichtshof hat diese Frage nun im Sinne Deutschlands entschieden und hat auch schwerste Kriegsverbrechen als zum Anwendungsbereich der Staatenimmunität gehörende acta iure imperii eingeordnet; vgl. Hess IPRax 2012, 201 ff. 241 United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property of 2 December 2004, GA Resolution 59/38, siehe dazu Stewart Am. J. Int. L. 99 (2005) 194. 242 In Deutschland 1990 ratifiziert, s. BGBl. 1990 II 34, 1400. 243 BGBl. 1990 II, 1400 ff.
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von der Staatenimmunität gelten, sondern die von der Rechtsprechung entwickelte Unterscheidung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis. Zumindest insoweit besteht also kein Unterschied in der Behandlung von Vertragsstaaten und Nicht-Vertragsstaaten vor deutschen Gerichten. bb) Völkergewohnheitsrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat die insoweit ein- 119 schlägigen allgemeinen Regeln des Völkerrechts dahingehend formuliert, dass sich nach neuerer Völkerrechtslehre die Immunität ausländischer Staaten auf acta iure imperii beschränke, während für geschäftsmäßige Handlungen (acta iure gestionis) keine Immunität bestehe.244 Bei der Abgrenzung zwischen diesen beiden Arten staatlichen Handelns spielt der Zweck des staatlichen Handelns jedoch keine Rolle, da letztendlich fast jede staatliche Betätigung hoheitlichen Zwecken diene. Vielmehr kommt es darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung seiner Hoheitsgewalt tätig geworden ist (acta iure imperii) oder „wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist“ (acta iure gestionis).245 Dies entspricht auch der heute international herrschenden Ansicht.246 Für das Lauterkeitsrecht bedeutet dies, dass keine Staatenimmunität vorliegt, wenn 120 der ausländische Staat sich selbst auf dem privatrechtlichen Markt für Güter oder Dienstleistungen betätigt, oder wenn er – z.B. in Form von Anzeigen oder sonstiger Werbung – in einer Form auf diesen Markt einwirkt, die ihrer Natur nach auch jedem Privatunternehmen möglich wäre. In Zweifelsfällen, und soweit das Völkerrecht dazu keine einheitlichen Kriterien bereitstellt, will die herrschende Auffassung die Abgrenzung zwischen acta iure gestionis und acta iure imperii nach der lex fori vornehmen.247 In der Regel werden acta iure gestionis und damit keine Immunität auch dann vorliegen, wenn ein ausländischer Staat den Wettbewerb „seiner“ heimischen Unternehmen fördert und darüber – wenn auch indirekt – in das Marktgeschehen eingreift.248 Ein Verzicht des ausländischen Staates auf die ihm zustehende Immunität ist mög- 121 lich und wirksam. Allerdings bedeutet ein Verzicht auf Immunität für das Erkenntnisverfahren nicht zugleich den Verzicht auf Immunität im Vollstreckungsverfahren.249 b) Staatsunternehmen. In der Literatur ist die Auffassung vorherrschend, dass 122 auch juristisch selbständige ausländische Staatsunternehmen – also Unternehmen, die vollständig oder überwiegend unter der Kontrolle des ausländischen Staates stehen – an der Immunität des ausländischen Staates teilnehmen können, soweit sie von staatlicher Hoheitsgewalt Gebrauch machen und ihre Tätigkeit daher als acta iure imperii zu beschreiben ist.250 Die deutsche Rechtsprechung ist dazu bisher uneinheitlich.251
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244 BVerfG 30.4.1963 – 2 BvM 1/62 – BVerfGE 16, 27, 61. 245 BVerfG ebd. 246 Vgl. zuletzt etwa die Verneinung von Staatenimmunität der Volksrepublik China wegen geschäftlichen Aktivitäten durch ein US-amerikanisches Bundesgericht: Cybersitter v. China, U.S. District Court (C.D.Cal.) 1.8.2011, GRUR Int. 2011, 1110. 247 BVerfG ebd. S. 62; BGH 26.9.1978 – VI ZR 267/76 – NJW 1979, 1101; zustimmend Lindacher S. 37; Kronke IPRax 1991, 142; a.A. Gramlich RabelsZ 1981, 586 (Recht des Herkunftsstaats). 248 Lindacher S. 37 f. mit Verweis auf Handelsförderung durch ein Generalkonsulat als acta iure gestionis, so LG Hamburg 26.3.1981 – 18 T 13/81 – RIW 1981, 712 sowie die Aktivitäten eines staatlichen Fremdenverkehrsbüros, OLG Frankfurt/Main 30.6.1977 – 6 U 184/74 – RIW 1977, 720. 249 Nagel/Gottwald S. 43 f. 250 Hausmann IPRax 1982, 51, 54 f.; Fischer/v. Hoffmann BerDtGesVöR 25 (1984) 44, 48; v. Schönfeld NJW 1986, 2980, 2987; Schack Rn. 181 ff. 251 Ausdrücklich offen gelassen wird die Frage in BVerfG 12.4.1983 – 2 BvR 678/81 – BVerfGE 64, 1, 23; gegen eine Immunität rechtlich selbständiger Unternehmen in einem Warenzeichenstreit BGH 7.6.1955 – I ZR 64/53 – BGHZ 18, 1, 9 f.; ebenso in einer Arrestsache OLG Frankfurt 21.10.1980 – 5 W 24/80 – RIW 1980,
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Gegen die herrschende Auffassung zur Immunität von „Staatsunternehmen“ spricht allerdings, dass die par in parem-Situation, welche der traditionellen Lehre von der Staatenimmunität zugrunde liegt, gegenüber privatrechtlich organisierten Gesellschaften gar nicht gegeben ist. Dies wird deutlich, wenn es etwa um eine ausländische Kapitalgesellschaft geht, deren Aktien sich ganz oder teilweise in den Händen eines ausländischen Staates befinden. In derartigen Fällen wäre es nach der herrschenden Auffassung unklar, welcher Aktienanteil beim Staat liegen muss, um die Ausdehnung der Staatenimmunität auf dieses Unternehmen zu begründen, und wie mit Veränderungen in der Aktionärsstruktur umzugehen wäre. Auch angesichts dieser Unsicherheiten sollte man den Begriff der Staatenimmunität auf ausländische Staaten, Gebietskörperschaften oder sonstige ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts beschränken.252 Entscheidend sind demnach nicht die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse eines 124 Unternehmens, sondern – und insoweit ist der herrschenden Auffassung Recht zu geben – der Charakter der Tätigkeit, um die es geht. Handelt es sich um eine geschäftliche Tätigkeit, die jedes Unternehmen vornehmen könnte, so besteht keine Immunität vor deutschen Gerichten, ohne dass es darauf ankäme, ob das beklagte Unternehmen als „Staatsunternehmen“ zu qualifizieren wäre oder nicht. Solche acta iure gestionis darf man etwa bei Rundfunksendungen eines staatlichen Senders253 ebenso annehmen wie bei Werbefilmen der spanischen Fremdenverkehrsämter.254 Geht es dagegen um die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt – auch etwa im Sinne einer Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben durch den ausländischen Staat – so unterliegt diese hoheitliche Tätigkeit nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, und zwar auch dann nicht, wenn sie von einem in privatrechtlichen Formen organisierten und ggf. von Privaten kontrollierten Unternehmen durchgeführt wird.255 3. Immunität im Vollstreckungsverfahren. Im Vollstreckungsverfahren ist bei der Frage nach der Immunität auf die Zweckbestimmung des Vermögensgegenstands abzustellen, gegen den die Vollstreckungsmaßnahme gerichtet ist. Dient der Gegenstand im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staats, so ist die Zwangsvollstreckung ohne Zustimmung jenes Staates unzulässig.256 Die Rechtsprechung hat etwa ein Botschaftskonto257 sowie Mietforderungen, die für den Erhalt einer kulturellen Einrichtung des ausländischen Staates verwendet werden,258 als immun angesehen, nicht aber das Konto einer staatlichen Ölhandelsgesellschaft.259 126 Eine Vollstreckung in öffentlich-rechtliche Forderungen eines ausländischen Staates gegenüber Drittschuldnern in Deutschland scheitert nach Ansicht des BGH schon daran, dass derartige Forderungen nicht in Deutschland belegen seien, ohne dass es auf die Frage der Immunität ankäme.260 125
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874; anders aber OLG Frankfurt 4.5.1982 – 5 U 202/81 – RIW 1982, 439 (auf hoheitliche oder nichthoheitliche Betätigung abstellend). 252 In diesem Sinne wohl auch Lindacher S. 39. 253 Hohloch ZUM 1986, 165, 172. 254 OLG Frankfurt 30.6.1977 – 6 U 184/74 – RIW 1977, 720. 255 Für Immunität der von einem ausländischen Staat Beliehenen Lindacher WRP 1999, 54, 55; Habscheid BerDGesVR 8 (1968) 171; gegen eine Immunität von Beliehenen jedoch Damian Staatenimmunität und Gerichtszwang (1985) S. 32. 256 BVerfG 12.10.2011 – 2 BvR 2984/09 u.a. – NJW 2012, 293, 295. 257 BVerfG 13.12.1977 – 2 BvM 1/76 – BVerfGE 46, 342 = NJW 1978, 485; vgl. auch EGMR 10.11.2009 – 30190/06 – EuGRZ 2011, 374. 258 BGH 1.10.2009 – VII ZB 37/08 – NJW 2010, 769, 770. 259 BVerfG 12.4.1983 – 2 BvR 678/81 u.a. – BVerfGE 64, 1 = NJW 1983, 2766, 2768. 260 BGH 25.11.2010 – VII ZB 120/09 – JZ 2011, 858.
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X. Rechtsweg Gemäß § 13 GVG ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nur in Zivil- und 127 Strafsachen eröffnet; letztere bleiben hier unberücksichtigt. Der Begriff der Zivilsachen im Sinne dieser Vorschrift wird im Wesentlichen negativ abgegrenzt zu den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, für die gemäß § 40 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Während in der Wissenschaft zu dieser Abgrenzung zahlreiche Theorien entwickelt worden sind,261 stellt die Rechtsprechung für eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit darauf ab, ob die Parteien zueinander „in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt.“262 Der zumindest teilweise tautologische Charakter dieser Erläuterung – eine öffentlichrechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn es um öffentliches Recht geht – wird in der Praxis durch eine reichhaltige Kasuistik ergänzt und entschärft.263 Für das Lauterkeitsrecht sind u.a. Warentests und andere marktbezogene Warnungen oder sonstige Äußerungen relevant, die jedenfalls dann dem Verwaltungsrechtsweg zugeordnet sind, wenn sie von einer Behörde vorgenommen werden.264 Bei internationalen Sachverhalten kann die Frage des Rechtswegs mit derjenigen 128 nach den Grenzen der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit zusammenfallen: Ist die Ausübung ausländischer Hoheitsgewalt Gegenstand der Klage, so ist nicht nur der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten versperrt, sondern generell die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben.265 Umgekehrt kann nach den oben zur Immunität dargelegten Grundsätzen (Rn. 113 ff.) ein ausländischer Staat nur dann verklagt werden, wenn es um geschäftliches Handeln (acta iure gestionis) geht; dann handelt es sich aber regelmäßig auch um eine Zivilsache, so dass auch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist. XI. Internationale Zuständigkeit nach EuGVO Die EG-Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Aner- 129 kennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO)266 regelt in ihrem ersten Teil Fragen der Zuständigkeit, und zwar sowohl der internationalen Zuständigkeit wie auch teilweise solche der örtlichen Zuständigkeit (zu letzterer s. unten Rn. 235). Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts geht die EuGVO in ihrem Anwendungsbereich jeglichem mitgliedstaatlichen Recht vor.267 Daher sind im Anwendungsbereich der EuGVO auch die §§ 13 und 14 UWG nur insoweit anwendbar, als sie von der EuGVO nicht bereits geregelte Materien betreffen. Zum Verhältnis der EuGVO zum früheren EuGVÜ s. oben Rn. 35.
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261 Überblick bei Bull/Mehde Allgemeines Verwaltungsrecht (8. Aufl. 2009) Rn. 34 ff. 262 GmS OGB 29.10.1987 – GmS-OGB 1/86 – BGHZ 102, 280 = NJW 1988, 2295, 2296. 263 Beispiele insbes. bei Musielak/Wittschier ZPO § 13 GVG Rn. 23 ff.; Sodan/Ziekow VwGO (3. Aufl. 2010) § 40 Rn. 421 ff. 264 BVerwG 7.12.1995 – 3 C 23/94 – NJW 1996, 3161. Zum Rechtsweg bei Wettbewerbshandlungen durch die öffentliche Hand s. unten Einleitung F Rn. 22 ff. und 74 ff. 265 Vgl. die Konstellation in BGH 26.9.1978 – VI ZR 267/76 – NJW 1979, 1101. 266 ABl. EG 2001 L 12, 1. 267 Grundlegend zum Anwendungsvorrang des Europarechts EuGH 15.7.1964 – 6/64 – Slg. 1964, 1253 – Costa ./. ENEL; Erläuterungen dazu aus heutiger Sicht bei Schroeder Grundkurs Europarecht (2. Aufl. 2011) S. 71 ff.
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1. Anwendungsbereich der EuGVO a) Zeitlicher Anwendungsbereich der EuGVO im Zuständigkeitsrecht. Gemäß Art. 66 EuGVO ist die Verordnung auf solche Klagen anzuwenden, die nach ihrem Inkrafttreten, d.h. also – für die zu diesem Zeitpunkt zur EG/EU gehörenden Staaten – nach dem 1. März 2002 (Art. 76) erhoben wurden. Der Zeitpunkt der „Erhebung“ der Klage ist wegen der hier gebotenen europarechtlich-einheitlichen Auslegung nicht nach nationalem Prozessrecht zu bestimmen, sondern nach der Verordnung selbst, d.h. sinnvollerweise analog dem Begriff der „Anrufung“ eines Gerichts in Art. 30 EuGVO.268 Mit Bezug auf die nach Schaffung der EuGVO der EU neu beigetretenen Mitgliedstaaten gelten die folgenden Stichtage: Die Tschechische Republik, die Slowakischen Republik, Polen, Slowenien, Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Zypern, Malta sind zum 1. Mai 2004 beigetreten; Rumänien und Bulgarien zum 1. Januar 2007.269 Für vor diesen Stichtagen erhobene Klagen gelten für die Zuständigkeit der Gerichte 131 ggf. innerhalb ihres räumlichen Anwendungsbereichs das EuGVÜ,270 das LugÜ oder sonstige anwendbare völkerrechtliche Verträge und ersatzweise das autonome deutsche Recht der internationalen Zuständigkeit (dazu unten Rn. 213 ff.). Zur zeitlichen Anwendbarkeit der EuGVO im Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht s. unten Rn. 130.
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b) Sachlicher Anwendungsbereich der EuGVO. Die EuGVO gilt ausweislich ihres Titels und Art. 1 Abs. 1 EuGVO nur für Streitigkeiten in Zivil- und Handelssachen. In dieser Begrifflichkeit spielt allerdings der Begriff der Handelssache als Unterkategorie der Zivilsachen nur eine deklaratorische Rolle; dies zeigt schon Art. 81 AEUV, der nur von Zivilsachen spricht. Entscheidend ist daher auch hier die Abgrenzung zwischen den ausgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten einerseits (beispielhaft in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 EuGVO als „Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten“ beschrieben) und andererseits den der EuGVO unterfallenden Zivilsachen. Bei letzteren sind außerdem die Ausnahmebereiche des Art. 1 Abs. 2 EuGVO zu beachten, für welche die EuGVO nicht gilt: Neben erb- und familienrechtlichen Streitigkeiten sind dies vor allem Insolvenzverfahren, Fragen der sozialen Sicherheit und die Schiedsgerichtsbarkeit. Bei letzterer ist aber zu beachten, dass die EuGVO zwar nicht das Schiedsverfahren als solches regelt, dass aber vor staatlichen Gerichten erhobene Klagen, die sich auf ein Schiedsverfahren beziehen oder in denen die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit zum Streitgegenstand gehört, durchaus den Bestimmungen der EuGVO unterworfen sind.271 Der Begriff der Zivilsachen im Sinne des Art. 1 EuGVO ist europarechtlich auto133 nom zu bestimmen und wird vom EuGH negativ abgegrenzt zu öffentlich-rechtlichen 132
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268 OLG Frankfurt/M. 25.11.2004 – 16 U 26/04 – OLGReport Frankfurt 2005, 507; Kropholler/v. Hein Art. 66 EuGVO Rn. 2; Magnus/Mankowski Art. 66 Rn. 6; die Frage ist allerdings umstritten. Die Gegenansicht will den Zeitpunkt der Klagerhebung nach dem Prozessrecht der lex fori bestimmen, z.B. in Deutschland nach § 253 Abs. 1 ZPO, dafür OLG Düsseldorf 7.3.2003 – 23 U 199/02; Rauscher/Staudinger Art. 66 Brüssel I-VO Rn. 2; die Frage konnte offen gelassen werden in BGH 30.3.2006 – VIII ZR 249/04 – BGHZ 167, 83; sie ist derzeit durch den Zeitablauf nur noch selten relevant, mag aber bei neuen EUBeitritten wieder aktuell werden. 269 Ausführlich dazu Rauscher/Staudinger Art. 66 Brüssel I-VO Rn. 16 f.; Kropholler/von Hein Art. 66 EuGVO Rn. 1 m.w.N. 270 So etwa in BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 Tz. 20 = GRUR 2006, 513 – Arzneimittelwerbung. 271 EuGH 10.2.2009 – C-185/07 – Slg. 2009-I, 686 – West Tankers = IPRax 2009, 336 m. Anm. Illmer S. 312 ff.; dazu auch Pfeiffer LMK 2009, 276971; Steinbrück ZEuP 2010, 168.
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Streitigkeiten, die sich durch die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse auszeichnen.272 Die Abgrenzung erfolgt also auch hier zwischen der EuGVO nicht unterliegenden acta iure imperii einerseits und den zum Zivilrecht gerechneten acta iure gestionis andererseits.273 Wirft eine in diesem Sinne zivilrechtliche Streitigkeit nur öffentlich-rechtliche Vorfragen auf, die vom Gericht inzident zu klären sind, so schadet dies der Einordnung als Zivilsache nicht. Für das Lauterkeitsrecht bedeutsam ist die Feststellung des EuGH, dass eine privat- 134 rechtlich ausgestaltete Verbandsklagebefugnis auch dann Zivilsache im Sinne des EuGVÜ (und damit heute der EuGVO) ist, wenn sie letztlich öffentlichen Aufgaben dient.274 Der EuGH verweist hier mit Recht darauf, dass ein privatrechtlich verfasster Verband keine Behörde ist und dass vor allem die Befugnis zur privatrechtlichen Unterlassungsklage gerade keine Ausübung hoheitlicher Befugnisse darstellt.275 Dieselben Erwägungen können auch für andere möglicherweise (auch) im öffentlichen Interesse erhobene Klagen Privater angestellt werden. So ist z.B. auch die Gewinnabschöpfungsklage des § 10 UWG Zivilsache im Sinne der EuGVO, weil mit ihr gerade nicht von hoheitlichen Sonderrechten Gebrauch gemacht wird.276 Ob der abgeschöpfte Gewinn letztlich dem Kläger oder dem Fiskus zu Gute kommt, ist insoweit irrelevant. Auch Klagen, mit denen ggf. ein Strafschadensersatz nach ausländischem Recht geltend gemacht wird, sind Zivilsachen, wenn und soweit der private Kläger nicht von hoheitlichen Befugnissen Gebrauch macht.277 Der EuGH sieht auch die Festsetzung eines Ordnungsgelds nach deutschem Verfah- 135 rensrecht zur Durchsetzung einer Unterlassungsverfügung als Zivilsache im Sinne der EuGVO an.278 Der Gerichtshof begründet dies damit, dass das Ordnungsgeld zwar einen Strafcharakter habe, dass aber auch dieser letztlich in dem zugrunde liegenden privatrechtlichen Rechtsverhältnis (in diesem Falle ein patentrechtlicher Streit unter Konkurrenten) wurzelt und das Ordnungsgeld nur eine Form der Realisierung subjektiver privater Rechte darstellt.279 c) Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich der EuGVO aa) Grundsätze. Die EuGVO gilt nur für Rechtsstreitigkeiten mit Auslandsbezug. 136 Auf einen Fall, der von vorneherein keine Fragen hinsichtlich der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit aufwerfen kann, ist sie nicht anwendbar.280 In einem solchen „reinen Inlandsfall“ gelten dann die Vorschriften des nationalen Prozessrechts, d.h. in Deutschland jene der ZPO sowie ggf. §§ 13 und 14 UWG. Allerdings muss der die Anwendung der EuGVO auslösende Auslandsbezug nicht notwendig zu einem anderen EU-Mit-
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272 EuGH 14.10.1976 – 29/6 – Slg. 1976, 1541 = NJW 1977, 488, 489 – Eurocontrol;. 273 EuGH 15.2.2007 – C-292/05 – Slg. 2007-I, 1540 – Lechouritou ./. Deutschland = IPRax 2008, 250 m. Anm. Geimer S. 225; vgl. zu dieser Unterscheidung im Recht der Staatenimmunität oben Rn. 119. 274 EuGH 1.10.2002 – C-167/00 – Slg. 2002 I-8111 – VKI ./. Henkel = IPRax 2003, 341, 342 f. m. Anm. Michailidou IPRax 2003, 223. 275 EuGH ebd. Tz. 30. 276 Ebenso Alexander S. 498; Stadler JZ 2009, 121, 125. 277 Vgl. BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096, 3102. 278 EuGH 18.10.2011 – C-406/09 – Realchemie – NJW 2011, 3568 m. Anm. Giebel. 279 EuGH ebd. Tz. 41 f. 280 EuGH 17.11.2011 – C-327/10 – NJW 2012, 1199, 1200 – Lindner.
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gliedstaat bestehen.281 Auch die aus Sicht des Gerichtsstaats fremde Staatsangehörigkeit einer Partei kann den notwendigen Auslandsbezug begründen.282 Von wenigen Ausnahmen abgesehen – nämlich insbesondere in den Fällen der aus137 schließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 EuGVO und ggf. bei einer Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 23 EuGVO – setzen die Zuständigkeitsvorschriften der EuGVO aber darüber hinaus voraus, dass der Beklagte seinen Wohnsitz oder Sitz (vgl. Art. 59 und 60 EuGVO) in einem EU-Mitgliedstaat hat. Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 EuGVO. Im Umkehrschluss daraus und aus Art. 4 Abs. 1 EuGVO folgt, dass die EuGVO – von den genannten Ausnahmen abgesehen – nicht zur Anwendung kommt, wenn der Beklagte seinen Sitz außerhalb der EU hat (zum genauen räumlichen Anwendungsbereich sogleich bei Rn. 138 f.). Auch dann gilt das nationale Zuständigkeitsrecht. Bei unbekanntem Wohnsitz des Beklagten kommt die EuGVO nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH jedenfalls dann zur Anwendung, wenn entweder der letzte bekannte Wohnsitz des Beklagten in einem Mitgliedstaat lag283 oder der unbekannt verzogene Beklagte mutmaßlich Unionsbürger ist und auch keine beweiskräftigen Indizien vorliegen, wonach dieser einen Wohnsitz außerhalb des Unionsgebiets hätte.284 bb) Einzelne Territorien. Das Unionsgebiet in diesem Sinne und damit der räumliche Anwendungsbereich der EuGVO ergibt sich wegen ihres Charakters als EU-Sekundärrecht aus den dazu geltenden allgemeinen Bestimmungen in EUV und AEUV. Insbesondere gelten die detaillierten Regeln über die Staatsgebiete der Mitgliedstaaten gemäß Art. 52 Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 355 AEUV. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die EuGVO nicht nur in den europäischen Territorien der EU-Mitgliedstaaten gilt, sondern auch in den französischen Gebieten Guadeloupe, Französisch-Guayana, Martinique, Réunion, Saint-Barthélemy, Saint-Martin sowie in den zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln sowie auf Madeira und den Azoren als Teile Portugals (Art. 355 Abs. 1 AEUV). Auch für Gibraltar gilt wegen Art. 355 Abs. 3 AEUV jedenfalls im Grundsatz das Primär- und Sekundärrecht der EU und damit auch die EuGVO.285 Das EU-Sekundärrecht und damit auch die EuGVO gilt jedoch nicht in den über139 seeischen „Ländern und Hoheitsgebieten“ gemäß Anhang II des AEUV, die dem Assoziierungssystem gemäß Art. 198 ff. AEUV unterliegen.286 Die EuGVO gilt auch nicht für die europäischen „Mikrostaaten“ Andorra, Monaco, San Marino und Vatikan, auch wenn deren Angelegenheiten z.T. von EU-Staaten wahrgenommen werden.287 Die EuGVO gilt ebenfalls nicht in den britischen Hoheitszonen auf Zypern (Art. 355 Abs. 5 lit. a AEUV) und auch nicht im türkisch besetzten Nordteil Zyperns.288 Die Kanalinseln Guernsey, Jersey, Alderney und Sark sowie die in der irischen See belegene Isle of Man gehören nicht zum Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, sondern haben
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281 EuGH 1.3.2005 – C-281/02 – Slg. 2005 I-1445, Tz. 26 – Owusu ./. Jackson. 282 EuGH 17.11.2011 – C-327/10 – NJW 2012, 1199, 1200 – Lindner. 283 Ebd. 284 EuGH 15.3.2012 – C-292/10 – BeckRS 2012, 80592 Tz. 42 – de Visser. 285 Calliess/Ruffert/Schmalenbach EUV/AEUV (4. Aufl. 2011) Art. 355 AEUV Rn. 9 auch zu den hier irrelevanten Ausnahmen im Zoll- und Steuerrecht. 286 Grönland, Neukaledonien und Nebengebiete, Franz.-Polynesien, Franz. Süd- und Antarktisgebiete, Wallis und Futuna, Mayotte, St. Pierre und Miquelon, Aruba, Niederländische Antillen (Bonaire, Curacao, Saba, Sint Eustatius, Sint Maarten), Anguilla, Kaimaninseln, Falklandinseln, Südgeorgien und südl. Sandwichinseln, Montserrat, Pitcairn, St. Helena und Nebengebiete, Brit. Territorium im Indischen Ozean, Turks- und Caicosinseln, Brit. Jungferninseln, Bermuda. 287 Kropholler/v. Hein Einl. EuGVO Rn. 53 m.w.N. 288 Ebd. Rn. 45 m.w.N. zu Zypern.
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einen besonderen Status unter der britischen Krone. Gemäß Art. 355 Abs. 5 lit. c AEUV findet das EU-Recht daher auf dort nur beschränkte Anwendung, etwa im Bereich der Warenverkehrsfreiheit.289 Die EuGVO gilt für diese Inseln aber nicht.290 cc) Dänemark-Frage. Das Königreich Dänemark hat einen Sonderstatus, der auf 140 die Privilegien zurückgeht, die Dänemark, Großbritannien und Irland im Anhang zum Amsterdamer Vertrag gewährt wurden.291 Danach sind diese Staaten nicht automatisch an den Maßnahmen der EU zur Bildung des „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ beteiligt. Dies gilt für die heutigen Kompetenznormen der Art. 67 ff. AEUV und damit auch für die hier einschlägige justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen gemäß Art. 81 AEUV. Allerdings nehmen Großbritannien und Irland bezüglich der EuGVO – ebenso wie bei zahlreichen anderen Maßnahmen der justiziellen Zusammenarbeit – gemäß einem in dem einschlägigen Protokoll gewährten „Eintrittsrecht“ freiwillig an der Anwendung dieser Normen teil, so dass für Großbritannien und Irland aus Sicht des Rechtsanwenders keine Besonderheiten gelten. Dänemark jedoch hat sich diesen Weg des freiwilligen opt-in in einzelne Rechtsakte nicht offengehalten. Stattdessen wurde zwischen der EU und dem Königreich Dänemark im Hinblick auf die EuGVO (ebenso zur EuZVO) ein besonderer völkerrechtlicher Vertrag abgeschlossen, der dazu führt, dass die EuGVO mit Wirkung vom 1. Juli 2007 auch in und für Dänemark gilt (s. oben Rn. 26). Für die Faröer-Inseln und Grönland gilt das EuGVO aber nicht, und zwar weder als 141 EU-Sekundärrecht – wegen Art. 355 Abs. 5 lit. a AEUV sowie Art. 355 Abs. 2 AEUV – noch kraft des zwischen der EU und Dänemark abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrags, der diesbezüglich nur auf das allgemeine EU-Recht in Form der genannten Vorschriften verweist. 2. Allgemeiner Gerichtsstand (Art. 2 EuGVO). Die Vorschrift des Art. 2 EuGVO ent- 142 spricht dem tradierten Grundsatz des actor sequitur forum rei, der allerdings bei näherer Betrachtung keineswegs so selbstverständlich ist, wie es gelegentlich dargestellt wird.292 Der EuGH weist diesem Grundsatz aber einen recht hohen Rang im Verhältnis zu den besonderen Gerichtsständen der Art. 5 und 6 EuGVO zu: Diese besonderen Regeln gewähren ja zusätzliche Gerichtsstände, die zu einer potentiellen Erweiterung der Gerichtspflichtigkeit einer Person auch außerhalb ihres (durch den Sitz definierten) Heimatstaates führen. Daher sollen Art. 5 und 6 EuGVO nach Ansicht des Gerichtshofs restriktiv ausgelegt werden.293 Es ist aber unklar, welche Konsequenzen aus diesem Programmsatz zu ziehen sind, der zwar vom EuGH regelmäßig wiederholt wird, aber dann in der Regel doch ohne erkennbaren Einfluss auf die nach sachbezogenen Kriterien getroffene Auslegungsfrage bleibt.294
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289 Calliess/Ruffert/Schmalenbach EUV/AEUV (4. Aufl. 2011) Art. 355 AEUV Rn. 14. 290 Kropholler/v. Hein Einl. EuGVO Rn. 52. 291 Nunmehr auch unter Geltung des Lissabonner Vertrags bestätigt in Protokoll Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (ABl. EU 2008 C 115/295) und Protokoll Nr. 22 über die Position Dänemarks (ABl. EU 2008 C 115/ 299). 292 Kritisch diesbezüglich etwa Buchner S. 94 ff. 293 EuGH 16.7.2009 – C-189/08 – Slg. 2009, I-6917 Tz. 22 – Zuid-Chemie = NJW 2009, 3501, 3502 m.w.N.; ebenso bereits zum EuGVÜ EuGH 27.9.1988 – 189/87 – Slg. 1988, 5565 Tz. 19 – Kalfelis = NJW 1988, 3088. 294 Vgl. etwa den Martinez-Fall EuGH 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/09 – GRUR 2012, 300, in dem der EuGH im Bereich des Persönlichkeitsrechts eine auf Art. 5 Nr. 3 EuGVO gestützte erhebliche Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten außerhalb seines Heimatstaats geschaffen hat, die aber sachlich berechtigt ist und auch als Entscheidung mit „rechtspolitischem Augenmaß“ (Hess JZ 2012, 189, 191) gewürdigt wird.
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Die nähere Bestimmung des Wohnsitzes im Sinne von Art. 2 EuGVO ergibt sich aus Art. 59 und 60 EuGVO. Für natürliche Personen sieht Art. 59 EuGVO vor, dass der Wohnsitz nach der lex fori bestimmt wird, d.h. nach den prozessrechtlichen und materiellrechtlichen Vorschriften des Forumsstaates unter Ausschluss derjenigen des Kollisionsrechts.295 Ein deutsches Gericht wendet mithin §§ 7 ff. BGB an. Ob ein Wohnsitz in einem anderen Staat besteht, ist von den dortigen Gerichten wiederum nach dortigem Sachrecht zu beurteilen.296 Dagegen wird der Wohnsitz von Gesellschaften und juristischen Personen in 144 Art. 60 EuGVO von der Verordnung selbst in europarechtlich-autonomer Weise bestimmt: Sowohl der satzungsmäßige Sitz als auch die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung (Art. 60 Abs. 1 lit. a–c) begründen einen Wohnsitz der Gesellschaft oder juristischen Person. Für den Kläger kann sich daher ein Wahlrecht zwischen satzungsmäßigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung des Beklagten ergeben, soweit diese nicht identisch sind.297 Die nähere Auslegung der in Art. 60 Abs. 1 lit. a–c genannten Begriffe ist europarechtlich-autonom vorzunehmen und man kann für ihre Auslegung auf die zu Art. 54 AEUV (ehemals Art. 48 EGV) entwickelten Maßstäbe zurückgreifen.298 Dabei ergibt sich der satzungsmäßige Sitz aus dem Gesellschaftsvertrag oder einem sonstigen Gründungsdokument. Die Hauptverwaltung liegt dort, wo die Willensbildung und eigentliche unternehmerische Leitung der Gesellschaft oder juristischen Person erfolgt, also regelmäßig am faktischen Sitz des Leitungsorgans.299 Der Begriff der Hauptniederlassung bezeichnet den tatsächlichen Geschäftsschwerpunkt, an dem sich die wichtigsten Personal- und Sachmittel des Unternehmens konzentrieren.300 Die in Art. 60 Abs. 1 EuGVO vorgeschriebene alternative Bestimmung des Wohnsit145 zes durch satzungsmäßigen Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung führt dazu, dass die Zuständigkeitsregeln der EuGVO auch auf eine Klage gegen eine Scheinauslandsgesellschaft anzuwenden sind, wenn diese zwar ihren Satzungssitz in einem Nicht-EU-Mitgliedstaat hat, sich aber ihre faktische Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung innerhalb der EU befindet.301 Art. 2 EuGVO regelt nur die internationale Zuständigkeit („vor den Gerichten dieses 146 Mitgliedsstaats“); die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus nationalem Prozessrecht.302 In Wettbewerbssachen gilt mithin § 14 UWG für die örtliche Zuständigkeit. §§ 12 ff. ZPO gelten nur ersatzweise, falls § 14 UWG nicht anwendbar sein sollte.303 147
3. Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 EuGVO). Für vertragliche Streitigkeiten sieht Art. 5 Nr. 1 EuGVO einen besonderen Gerichtsstand am Erfüllungsort vor. Damit wird auf die vertragliche Bindung zwischen den Parteien Rücksicht genommen und es wird ein von etwaigen Wohnsitzwechseln unabhängiger und dadurch bei Vertragsschluss berechenbarer Gerichtsstand geschaffen.304
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295 296 297 298 299 300 301 302 303 304
Prütting/Gehrlein/Schinkels Art. 59 EuGVO Rn. 2. MünchKommUWG/Mankowski Int WettbR Rn. 410. Ebd.; Saenger/Dörner ZPO (4. Aufl. 2011) Art. 60 EuGVO Rn. 7. MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 411 m.w.N. BAG 23.1.2008 – 5 AZR 60/07 – NJW 2008, 2797, 2798 m.w.N. Saenger/Dörner ZPO (4. Aufl. 2011) Art. 60 EuGVO Rn. 6; Kropholler/v. Hein Art. 60 EuGVO Rn. 2. Thole IPRax 2007, 519, 522 in krit. Anm. zu OLG Köln 31.1.2006 – 22 U 109/05 – IPRax 2007, 530. Prütting/Gehrlein/Pfeiffer Art. 2 EuGVO Rn. 4. MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 412. Schack Rn. 286.
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a) Anwendungsbereich. Die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO setzt nach dem 148 Wortlaut der Vorschrift voraus, dass „ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden.“ Dies umfasst sämtliche vertragliche Ansprüche zwischen den Parteien, auch wenn sie durch Rechtsnachfolge in diese Stellung gelangt sind;305 nicht aber Ansprüche Dritter, die nicht Vertragspartei sind.306 Auch Streitigkeiten über das Zustandekommen eines Vertrages307 sowie um auf einen Vertrag gestützte Schadensersatz- und andere Sekundäransprüche fallen unter diese Vorschrift.308 Der Begriff des Vertrags ist autonom zu definieren und umfasst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs jede freiwillig gegenüber einem anderen eingegangene Verpflichtung.309 Damit wird der Begriff aus Sicht des Gerichtshofs „nicht eng ausgelegt“ und umfasst auch einseitige Verpflichtungen wie eine Gewinnzusage.310 Aus dieser Rechtsprechung muss man folgern, dass auch eine nach Abmahnung ab- 149 gegebene Unterlassungserklärung ein Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVO ist. Die hier geregelte Erfüllungsortzuständigkeit ist daher gegeben, wenn ein Anspruch aufgrund einer solchen Erklärung geltend gemacht wird, d.h. insbesondere ein Anspruch auf die versprochene Unterlassung oder auf Zahlung der versprochenen Vertragsstrafe. Da es sich hier um eine europarechtlich-autonom vorzunehmende Norminterpretation handelt, kann die entsprechende Diskussion in der deutschen Dogmatik allenfalls im Sinne von persuasive authority herangezogen werden. Auch sie geht aber ganz überwiegend vom vertraglichen Charakter der aus der Unterwerfungserklärung folgenden Ansprüche aus.311 Die mit guten Gründen vertretene Mindermeinung, wonach die Unterlassungserklärung nur feststellenden Charakter im Hinblick auf den deliktsrechtlichen Unterlassungsanspruch habe,312 ist jedenfalls mit der dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kaum vereinbar und daher für die Auslegung der EuGVO nur von theoretischem Interesse. Ihr ist allerdings zuzugeben, dass eine Einordnung der Unterwerfungserklärung als Vertrag eher zu neuen Unsicherheiten hinsichtlich des Gerichtsstands – nämlich im Hinblick auf die sogleich zu erörternde Lokalisierung des Erfüllungsorts der Unterlassungsverpflichtung – führt, denen man mit einem fortdauernden Bezug auf den deliktsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus dem Wege gehen könnte. Angesichts der dargestellten Rechtsprechung ist der Praxis daher nur zu raten, derartige Unsicherheiten durch eine Gerichtsstandsvereinbarung in der Unterlassungserklärung von vorneherein zu beseitigen.313 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine räumlich unbegrenzte vertragliche Unterlassungsverpflichtung gerade keinen Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVO begründen kann (dazu unten Rn. 155), so dass auch diese Unwägbarkeit für eine Gerichtsstandsvereinbarung spricht. Stehen vertragliche und deliktsrechtliche Ansprüche in Anspruchskonkurrenz, so 150 ist bisher ungeklärt, ob im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVO nur die vertraglichen
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305 BGH 22.4.2009 – VIII ZR 156/07 – NJW 2009, 2606, 2607 m.w.N. 306 EuGH 17.6.1992 – C-26/91 – Slg. 1992, I-3967 – Handte = JZ 1995, 90 m. Anm. Peifer; EuGH 27.10.1998 – C-51/97 – Slg. 1998, I-6511 Tz. 17 ff. – Réunion européenne = IPRax 2000, 210 m. Anm. Koch S. 186. 307 EuGH 4.3.1982 – 38/81 – Slg. 1982, 825 – Effer ./. Kantner = IPRax 1983, 31 m. Anm. Gottwald S. 13. 308 EuGH 8.3.1988 – 9/87 – Slg. 1988, 1539 Tz. 13 – Arcado ./. Haviland = NJW 1989, 1424. 309 EuGH 17.9.2002 – C-334/00 – Slg. 2002, I-7357 Tz. 23 m.w.N. – Tacconi = NJW 2002, 3159. 310 EuGH 20.1.2005 – C-27/02 – Slg. 2005, I-499 Tz. 48 ff. – Engler = NJW 2005, 811 = IPRax 2005, 239 m. Anm. Lorenz/Unberath S. 219 = JZ 2005, 782 m. Anm. Mörsdorf-Schulte S. 770. 311 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 293 – Kurze Verjährungsfrist = GRUR 1995, 678; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.113; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 49; Dornis/Förster GRUR 2006, 195 m.w.N. 312 Lindacher S. 33 m.w.N; ders. FS Canaris Bd. I (2007), S. 1393 ff. 313 Lindacher S. 34.
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Ansprüche geltend gemacht werden können oder ob dieser Gerichtsstand auch für etwaige auf dem gleichen Sachverhalt beruhenden deliktsrechtlichen Ansprüche eröffnet ist.314 Der Europäische Gerichtshof hat sich dazu bisher nicht geäußert, hat aber umgekehrt den Deliktsgerichtstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO gerade nicht für in Anspruchskonkurrenz stehende vertragsrechtliche Ansprüche geöffnet.315 Daraus könnte man folgern, dass diese Trennung auch für den Vertragsgerichtsstand gilt, so dass in diesem keine deliktsrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden könnten. Allerdings ist ein solcher Schluss aus der EuGH-Rechtsprechung nicht zwingend: Es erscheint auch möglich – und im Interesse der Verfahrenseffizienz durchaus sinnvoll –, eine Asymmetrie zwischen Art. 5 Nr. 1 und Art. 5 Nr. 3 EuGVO in dem Sinne anzunehmen, dass nur ersterer eine „Anziehungskraft“ entwickelt, aufgrund derer in ihm auch deliktsrechtliche Ansprüche verhandelt werden können, so dass Art. 5 Nr. 1 EuGVO zu einem in diesem Sinne „dominierenden Gerichtsstand“ würde.316 Für das Lauterkeitsrecht wird sich diese Frage in der Praxis selten stellen, da jedenfalls nach der herrschenden deutschen Ansicht ein durch eine Unterwerfungserklärung entstandener vertragsrechtlicher Unterlassungsanspruch den deliktsrechtlichen Unterlassungsanspruch ja nicht ergänzt, sondern komplett ersetzt, so dass im Regelfall gar keine Anspruchskonkurrenz vorliegt. b) Bestimmung des Erfüllungsortes 151
aa) Vereinbarung. Der den Gerichtsstand begründende Erfüllungsort einer vertraglichen Verpflichtung richtet sich primär nach den Vereinbarungen der Parteien. Für eine „echte“ Erfüllungsortsvereinbarung, d.h. eine solche, die den Ort festlegt, an dem die materiell-rechtlichen Verpflichtungen der Parteien zu erfüllen sind, enthält die EuGVO keine Form- oder sonstige Vorschriften.317 Es gilt mithin das per Kollisionsrecht zu ermittelnde, in der Sache anwendbare Recht. Anders behandelt die Rechtsprechung aber eine Erfüllungsvereinbarung, die nur zum Zwecke der Schaffung eines Gerichtsstands getroffen wird: Eine solche „unechte“ Erfüllungsortvereinbarung, die gar nicht die tatsächliche Vertragsdurchführung regeln soll, wird den Formvorschriften für Gerichtsstandsvereinbarungen (Art. 23 EuGVO, dazu unten Rn. 203) unterworfen, um diese nicht wirkungslos werden zu lassen.318 Für die Praxis – etwa bei der Formulierung einer Unterwerfungserklärung – ist es daher ratsam, gleich zum Instrument der Gerichtsstandsvereinbarung zu greifen. Dafür spricht auch die erhöhte Rechtssicherheit durch die – jedenfalls gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 EuGVO mangels anderweitiger Vereinbarung geltende – Ausschließlichkeit des gemäß Art. 23 EuGVO begründeten Gerichtsstands. Im Unterschied dazu begründet eine wirksame Erfüllungsortvereinbarung ja nur einen zusätzlichen Gerichtsstand gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVO, der eine Klage am Sitz des Beklagten (Art. 2 EuGVO) oder an sonstigen im Einzelfall gegebenen Gerichtsständen nicht ausschließt.
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314 Für eine Erweiterung sowohl von Art. 5 Nr. 1 als auch Art. 5 Nr. 3 EuGVO auf in Anspruchskonkurrenz stehende vertrags- und deliktsrechtliche Ansprüche etwa Geimer IPRax 1986, 81; Mansel IPRax 1989, 85, Wolf IPRax 1999, 87; skeptischer dagegen Schack Rn. 396. 315 EuGH 27.9.1988 – 189/87 – Slg. 1988, 5565 Tz. 21 = NJW 1988, 3088 – Kalfelis; s. dazu unten Rn. 168. 316 Schack Rn. 397; Kropholler/v. Hein Art. 5 EuGVO Rn. 79. 317 BGH 22.4.2009 – VIII ZR 156/07 – NJW 2009, 2606, 2608 (Erfüllungsortvereinbarung mit zuständigkeitsbegründender Wirkung möglich, wenn „dieser Ort einen Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit aufweist“). 318 Ebd.; Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 36.
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bb) Verordnungsautonome Bestimmung. Wurde der Erfüllungsort einer vertrag- 152 lichen Verpflichtung nicht von den Parteien vereinbart, so ist zwischen verschiedenen Vertragstypen zu unterscheiden. Für Kaufverträge über bewegliche Sachen und Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen löst Art. 5 Nr. 1b) das Dauerproblem der Bestimmung des Erfüllungsortes durch eine eigene und damit einheitliche Definition des Erfüllungsortes, nämlich für Kaufverträge am Lieferort und für Dienstleistungsverträge am Ort der Erbringung der Dienstleistung. Bei diesen Verträgen wird auch nicht mehr zwischen den einzelnen Verpflichtungen der Vertragsparteien unterschieden, sondern es gilt der in Art. 5 Nr. 1b) EuGVO genannte Ort als konzentrierter Erfüllungsort für sämtliche vertragliche Verpflichtungen beider Parteien.319 Ein „Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b), 2. Spiegelstrich, liegt in Anlehnung an den Begriff der Dienstleistung in Art. 57 AEUV immer dann vor, wenn Leistungen „in der Regel gegen Entgelt“ erbracht werden, d.h. insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeiten wie z.B. jene eines Rechtsanwalts.320 Allerdings muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Leistung in einer Tätigkeit bestehen, so dass etwa ein Lizenzvertrag, der die Einräumung von Nutzungsrechten gegen Entgelt regelt, kein Dienstleistungsvertrag im Sinne dieser Vorschrift ist.321 Daraus muss man schließen, dass auch z.B. eine lauterkeitsrechtliche Unterwerfungserklärung kein Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1b) EuGVO ist, weil die darin statuierte Unterlassungsverpflichtung weder gegen Entgelt erbracht wird noch in einer Tätigkeit besteht. cc) Bestimmung nach lex causae. Für alle anderen Verträge – die weder Kaufver- 153 trag über bewegliche Sachen noch Dienstleistungsvertrag im dargestellten Sinne sind – verweist Art. 5 Nr. 1c) EuGVO auf Buchst. a) in derselben Ziffer, d.h. auf den Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung. Dies hat vor allem zwei Konsequenzen: Erstens gibt es bei solchen „sonstigen Verträgen“ im Hinblick auf Art. 5 Nr. 1 EuGVO keinen einheitlichen „konzentrierten“ Erfüllungsort, sondern dieser ist getrennt für die jeweils mit der Klage geltend gemachte vertragliche Verpflichtung zu beurteilen (dazu sogleich Rn. 154). Zweitens enthält die Vorschrift für solche sonstige Verträge auch keine einheitliche Definition des Erfüllungsortes, so dass die Frage entsteht, nach welchem Recht dieser bestimmt werden soll (dazu unten Rn. 156). Wenn in Art. 5 Nr. 1a) vom „Ort, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu 154 erfüllen wäre“ die Rede ist, so ist damit diejenige Verpflichtung gemeint, auf deren Verletzung die erhobene Klage gestützt wird.322 Somit ist bei der klageweisen Geltendmachung eines vertraglichen Primäranspruchs – vom Europäischen Gerichtshof auch „selbständige vertragliche Verpflichtung“323 genannt – der Erfüllungsort dieser Verpflichtung maßgeblich. Wird dagegen ein Sekundäranspruch wegen Pflichtverletzung geltend gemacht – „eine Verpflichtung, die an die Stelle der nichterfüllten vertraglichen Verpflichtung getreten ist“324 – so ist Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVO der Ort, an
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319 BGH 2.3.2006 – IX ZR 15/05 – NJW 2006, 1806, 1807; ebenso Schack Rn. 306 m.w.N. 320 BGH ebd. 321 EuGH 23.4.2009 – C-533/07 – Slg. 2009 I-3369 – GRUR 2009, 753, 756 – Falco Privatstiftung. Der EuGH lehnt hier eine strikte Bindung der Auslegung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO an den Dienstleistungsbegriff des AEUV (seinerzeit EG-Vertrag) ausdrücklich ab, ebd. Tz. 35 ff. 322 EuGH 6.10.1976 – 14/76 – Slg. 1976, 1497 – NJW 1977, 490, 491 – de Bloos. 323 Ebd. 324 Ebd.
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dem die verletzte Vertragspflicht zu erfüllen gewesen wäre und nicht etwa der Ort, an dem z.B. der Schadensersatz zu zahlen wäre.325 Für räumlich unbeschränkte, d.h. „weltweit“ geltende vertragliche Unterlas155 sungspflichten lehnt der Europäische Gerichtshof die Anwendung von Art. 5 Nr. 1 EuGVO mangels konkretisierbarem Erfüllungsort allerdings ganz ab.326 Dieses zumindest in der Begründung umstrittene327 Urteil führt dazu, dass bei Verstößen gegen solche vertraglich begründeten weltweiten Unterlassungspflichten – wie man sie etwa in einer lauterkeitsrechtlichen Unterwerfungserklärung finden mag – kein besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts zur Verfügung steht, sondern nur die Klage am Sitz des Schuldners gemäß Art. 2 EuGVO in Betracht kommt. Auch dies spricht wieder für eine Gerichtsstandsvereinbarung in derartigen Vereinbarungen. In allen übrigen Fällen des Art. 5 Nr. 1a) EuGVO, d.h. wenn Art. 5 Nr. 1b) EuGVO kei156 ne Anwendung findet, ist der Erfüllungsort nach der vom Europäischen Gerichtshof bereits 1976 entwickelten „Tessili-Regel“ gemäß dem auf den Vertrag anwendbaren Recht, d.h. nach der vertragsrechtlichen lex causae zu bestimmen.328 Gilt als lex causae etwa deutsches Recht, so ist der Erfüllungsort einer Verpflichtung somit gemäß § 269 BGB zu bestimmen, d.h. er liegt im Zweifel gemäß § 269 Abs. 1 BGB am Sitz des Schuldners zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Trotz Kritik in der Literatur, die eine autonome Bestimmung des Erfüllungsorts fordert,329 hat der Europäische Gerichtshof an der Tessili-Regel festgehalten, und zwar selbst dann, wenn sie de facto zu einem Klägergerichtsstand führen sollte.330 Auch die Einführung der EuGVO, und damit einer verordnungsautonomen Bestimmung des Erfüllungsorts zumindest für Kauf- und Dienstleistungsverträge in Art. 5 Nr. 1b) EuGVO, hat den Europäischen Gerichtshof nicht zur Aufgabe der TessiliRegel für alle übrigen Verträge (Art. 5 Nr. 1a EuGVO) bewegen können.331 Die an sich berechtigte Kritik der Literatur an der Tessili-Regel, die nicht zu einer echten Prozessrechtsharmonisierung führen könne,332 hat aber heute schon deshalb etwas an Schärfe verloren, weil seit Inkrafttreten der Rom I-Verordnung immerhin EU-weit (mit Ausnahme von Dänemark) einheitliche Kollisionsregeln zur Bestimmung der vertragsrechtlichen lex causae gelten. Insbesondere gilt mangels einer Rechtswahl Art. 4 Rom IVerordnung mit seinem Grundsatz der Geltung des Rechts am Sitz der die charakteristische Leitung erbringenden Vertragspartei. Bei einem lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsvertrag – soweit dieser angesichts der oben (Rn. 155) dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs überhaupt einen Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVO begründen kann – liegt die charakteristische Leistung bei derjenigen Partei, welche die Unterlassung eines bestimmten Verhaltens verspricht.333 Für Lizenzverträge, die ebenfalls nicht unter den Dienstleistungsbegriff des Art. 5 Nr. 1b) EuGVO fallen (s. oben Rn. 152), liegt die charakteristische Leistung in der Regel beim Lizenzgeber.334 Anders soll
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325 Schack Rn. 296. 326 EuGH 19.2.2002 – C-256/00 – Slg. 2002 I-1699 – NJW 2002, 1407 – Besix. 327 Kritisch etwa Schack Rn. 309 m.w.N.; Hess IPRax 2002, 376. 328 EuGH 6.10.1976 – 12/76 – Slg. 1976, 1473 – NJW 1977, 491 – Tessili. 329 Insbesondere Schack Rn. 303 ff. m.w.N. 330 EuGH 29.6.1994 – C-288/92 – Slg. 1994 I-2913 – NJW 1995, 183 – Custom Made Commercial. 331 EuGH 23.4.2009 – C-533/07 – Slg. 2009 I-3369 – GRUR 2009, 753, 756 – Falco Privatstiftung. 332 Schack Rn. 301. 333 Vgl. MünchKommBGB/Martiny Art. 4 Rom I-VO Rn. 197 zum abstrakten Schuldversprechen, allerdings passt die Verwendung dieser dem deutschen Recht entlehnten Begriffe (kausales und abstraktes Schuldversprechen) nicht zu der bei Art. 4 Rom I-VO notwendigen europarechtlich-autonomen Auslegung. 334 MünchKommBGB/Martiny ebd. Rn. 222 m.w.N.; Calliess/Gebauer Rome Regulations, Rome I Art. 4 Rn. 63.
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es dagegen nach herrschender Ansicht beim Verlagsvertrag sein; hier sei der Verleger derjenige, der die charakteristische Leistung erbringt.335 4. Besonderer Gerichtsstand des Tatorts (Art. 5 Nr. 3 EuGVO). Im internationalen 157 Wettbewerbsverfahrensrecht spielt unter den besonderen Gerichtsständen der EuGVO der Tatortgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO die Hauptrolle. Die EuGVO folgt mit dieser Vorschrift einem weit verbreiteten Prinzip, wonach bei deliktsrechtlichen Ansprüchen auch die Gerichte am Tatort des Delikts zuständig sind. Dafür sprechen schon pragmatische Erwägungen, nämlich insbesondere die Beweisnähe des Tatortgerichts.336 Hinzu kommt aber die Gerechtigkeitserwägung, dass in Deliktsfällen eine Ausnahme vom zu Gunsten des Beklagten bestehenden Grundsatz des actor sequitur forum rei (dazu oben Rn. 142) gerechtfertigt ist: Wenn der Beklagte im (aus seiner Sicht) Ausland eine unerlaubte Handlung begeht und dadurch jemanden schädigt, so wäre es unfair, diesen Geschädigten nun auch noch zu zwingen, sich an den Sitz des Beklagten begeben, um dort zu klagen. Stattdessen wird ihm die zusätzliche Möglichkeit eröffnet, nach seiner Wahl auch am Tatort – dessen Lokalisierung sich aus der dem Beklagten zuzurechnenden unerlaubten Handlung ergibt – Klage zu erheben. Die Vorschrift des Art. 5 Nr. 3 EuGVO regelt – anders als Art. 5 Nr. 1 – aufgrund ihres 158 Wortlauts („Gericht des Ortes“) nicht nur die internationale, sondern zugleich auch die örtliche Zuständigkeit und verdrängt auch insoweit das nationale Zuständigkeitsrecht. a) Anwendungsbereich aa) Unerlaubte Handlung. Der Tatortgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO ist nach 159 dem Wortlaut dieser Vorschrift eröffnet für Ansprüche aus „unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“. Die letztere Variante (in der französischen Fassung der Verordnung: „en matière délictuelle ou quasi-délictuelle“) stammt aus der im französischen Recht gängigen Unterscheidung zwischen délits und quasi-délits, wobei ein délit regelmäßig Vorsatz voraussetzt, während die fahrlässige Schadenszufügung als quasi-délit bezeichnet wird.337 Der deutsche Sprachgebrauch ist anders und versteht unter dem Begriff des Delikts oder der „unerlaubten Handlung“ sowohl vorsätzliches wie auch fahrlässiges Verhalten. Auf diese oder eine andere mitgliedstaatliche Terminologie kommt es jedoch bei der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVO allenfalls als Auslegungshilfe an, denn die Vorschrift ist zunächst europarechtlich-autonom zu interpretieren. Sie betrifft nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sämtliche Klagen, „mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 anknüpfen.“338 Somit sind von dieser Vorschrift vorsätzliche und fahrlässige Schadenszufügungen außerhalb einer Vertragsbeziehung – also auch Schädigungen im vorvertraglichen Bereich unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss339 – ebenso umfasst wie Ansprüche aus Gefährdungshaftung sowie verschuldensunabhängige Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche.340 Insbesondere außervertrag-
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335 MünchKommBGB/Martiny ebd. Rn. 209 m.w.N.; Calliess/Gebauer ebd. Rn. 64. 336 EuGH 16.7.2009 – C-189/08 – Slg. 2009 I-6919 Tz. 24 = NJW 2009, 3501, 3502 – Zuid-Chemie. 337 Vgl. Ferid/Sonnenberger Das Französische Zivilrecht (2. Aufl. 1986) Rn. 203. 338 EuGH 1.10.2002 – C-167/00 – Slg. 2002, I-8111 – VKI ./. Henkel = NJW 2002, 3617, 3618 m.w.N. 339 EuGH 17.9.2002 – C-334/00 – Slg. 2002, I-7357 = NJW 2002, 3159 – Tacconi = IPRax 2003, 143 m. Anm. Mankowski S. 127. 340 Kropholler/von Hein Art. 5 EUGVO Rn. 74 m.w.N.
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liche Ansprüche, die auf Normen des Lauterkeitsrechts gestützt werden, fallen daher typischerweise unter Art. 5 Nr. 3 EuGVO.341 160
bb) Ausnahme: Ausschließlicher Gerichtsstand des Art. 22 Nr. 4. Für markenund kennzeichenrechtliche Ansprüche und andere Ansprüche, die sich auf Rechte des geistigen Eigentums stützen, ist allerdings die Vorschrift des Art. 22 Nr. 4 EuGVO zu beachten. Diese begründet einen ausschließlichen und damit den Art. 5 Nr. 3 EuGVO verdrängenden Gerichtsstand in dem Mitgliedstaat, in welchem das jeweiligen Recht registriert ist, und zwar für „Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterlegung oder Registrierung bedürfen.“ Damit sind also vornehmlich Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren gegen die Eintragung derartiger Rechte gemeint, soweit man diese überhaupt dem Privatrecht zuordnen kann.342 Dagegen fällt ein Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruch wegen einer behaupteten Verletzung eines derartigen Rechts nicht unter Art. 22 Nr. 4 EuGVO; er kann ebenso wie andere deliktsrechtliche Ansprüche im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO erhoben werden.343 Der Europäische Gerichtshof hat jedoch hinsichtlich einer behaupteten Patentverletzung entschieden, dass sich der ausschließliche Gerichtsstand des (heutigen) Art. 22 Nr. 4 EuGVO dann durchsetzt, wenn der Beklagte im Verletzungsprozess die Nichtigkeit des angeblich verletzten Rechts geltend macht; in einem solchen Fall entfällt die Zuständigkeit des Gerichts am Tatort.344 Aufgrund des Zweckes dieser Rechtsprechung, nämlich die Entscheidung über die Gültigkeit des fraglichen Rechts bei den Gerichten des Registrierungsstaates zu konzentrieren, gilt dies unabhängig von der prozessualen Einkleidung dieser Frage, d.h. auch bei einer Widerklage, die sich auf die Gültigkeit eines der in Art. 22 Nr. 4 EuGVO genannten Rechte bezieht.345 In der Praxis bleibt damit der Tatortgerichtsstand für Verletzungsklagen hinsichtlich eingetragener Rechte nur noch für die Fälle uneingeschränkt zugänglich, in denen die Gültigkeit des angeblich verletzten Rechts nicht im Streit steht.346
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cc) Sonstige Ausgleichsschuldverhältnisse. Es ist umstritten, ob im Tatortgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO auch bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden können.347 Dagegen wird im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift angeführt, dass es sich dabei nicht um „deliktische oder quasi-deliktische“ Ansprüche
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341 BGH 11.2.1988 – I ZR 201/86 – GRUR 1988, 483, 485 – AGIAV; BGH 28.11.2002 – III ZR 102/02 – BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426, 425 m.w.N. – Gewinnzusage; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513, 514 f. – Arzneimittelwerbung; OLG München 6.12.2007 – 29 U 2713/07 – IPRax 2009, 256 – Salzburger Nachrichten m. Anm. Heinze IPRax 2009, 231; Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 74 m.w.N. aus der ausländischen Rechtsprechung. 342 Kropholler/von Hein Art. 22 EuGVO Rn. 47. 343 EuGH 19.4.2012 – C-523/10 – GRUR 2012, 654 – Wintersteiger; BGH 13.10.2004 – I ZR 163/02 – GRUR 2005, 431, 432 – Hotel Maritime; Staudinger/Fezer/Koos Internationales Wirtschaftsrecht Rn. 1134. 344 EuGH 13.7.2006 – C-4/03 – Slg. 2006, I-6523 = GRUR 2007, 49, 50 – GAT; Kritik an dieser Entscheidung u.a. bei Adolphsen IPRax 2007, 15; Heinze/Roffael GRUR Int. 2006, 787; Kropholler/von Hein Art. 22 EuGVO Rn. 50 m.w.N. 345 BGH 28.6.2007 – I ZR 49/04 – BGHZ 173, 57 = GRUR 2007, 884, 886 – Cambridge Institute. 346 So das Beispiel bei EuGH 13.7.2006 – C-4/03 – Slg. 2006, I-6523 = GRUR 2007, 49 – GAT. 347 Gegen eine Einbeziehung bereicherungsrechtlicher Ansprüche etwa Zöller/Geimer Art. 5 EuGVVO Rn. 22; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 384 (die jedoch de lege ferenda eine Einbeziehung fordern, ebd. Rn. 388); für eine Einbeziehung schon de lege lata der italienische Kassationshof: Cass. 22.6.1990, krit. referiert durch Lorenz IPRax 1993, 44.
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handele.348 Das trifft zwar aus Sicht der deutschen und österreichischen Dogmatik zu, kann aber aufgrund der hier gebotenen autonom-europarechtlichen Auslegung nicht entscheidend sein. Auch der Hinweis des Europäischen Gerichtshofs, dass der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO nicht für nicht-deliktische Ansprüche eröffnet sei,349 kann nicht zur Begründung des Ausschlusses von im deutschen Sinne bereicherungsrechtlichen Ansprüchen herangezogen werden,350 weil ja gerade zu prüfen ist, was „deliktsrechtlich“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO bedeutet. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof ist für die Anwendung des Art. 5 Nr. 3 EuGVO entscheidend, dass eine „Schadenshaftung“ geltend gemacht wird und dass diese nicht an einen Vertrag anknüpft. Das letztere Kriterium legt zunächst eine Differenzierung innerhalb der möglichen bereicherungsrechtlichen Ansprüche nahe: Soweit es um die Rückabwicklung nichtiger oder anderweitig fehlgeschlagener Verträge geht, kann Art. 5 Nr. 3 EuGVO nach dieser Definition tatsächlich nicht zur Anwendung kommen, es gilt möglicherweise Art. 5 Nr. 1 EuGVO.351 Soweit es aber um eine Eingriffskondiktion geht – also um einen rechtswidrigen Eingriff in dem Anspruchsteller ausschließlich zugewiesene Rechtspositionen – ist die Grenze zu einer Schadenshaftung keineswegs eindeutig und mag von Rechtsordnung zu Rechtsordnung unterschiedlich gezogen werden. Man denke hier etwa an die unbefugte Nutzung der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, die vom Bundesgerichtshof sowohl deliktsrechtlich wie auch bereicherungsrechtlich eingeordnet wird.352 In solchen Fällen des Überlappens von Schadensersatz und Eingriffskondiktion kann man durchaus von einer „Schadenshaftung“ im europarechtlichen Sinne sprechen und so zur Anwendung von Art. 5 Nr. 3 EuGVO kommen.353 Dafür spricht auch, dass der „Schadensersatz“ jedenfalls im deutschen Lauterkeits- 162 recht und im Recht des im gewerblichen Rechtsschutzes zumindest auch unter Verwendung bereicherungsrechtlicher Elemente berechnet wird, und zwar in Form der Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr oder der Herausgabe des vom Verletzer erzielten Gewinns bei Zulassung der „dreifachen Schadensberechnung“. Auch ein derartiges Verlangen nach „Schadensersatz“ wird vom Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO nach ganz überwiegender und berechtigter Auffassung mit umfasst.354 Dann sollte es aber keine Rolle spielen, ob etwa das Verlangen nach Gewinnherausgabe auf Deliktsrecht oder auf Bereicherungsrecht im deutschen Sinne gestützt wird. Auch ein Anspruch eines Verbands auf Gewinnabschöpfung etwa im Sinne des deutschen § 10 UWG ist in diesem
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348 Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 75 unter Verweis u.a. auf die österreichische Rechtsprechung; ähnlich Rauscher/Leible Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 81, der sich darauf bezieht, dass das Bereicherungsrecht keinen Schaden ausgleichen, sondern „unberechtigte Vermögensverschiebungen“ rückgängig machen soll – dies scheint aber bei der Eingriffskondiktion eher fiktiv, da sie keine „Verschiebung“ von Vermögen voraussetzt. 349 EuGH 27.9.1988 – 189/87 – Slg. 1988, 5565 Rn. 21 = NJW 1988, 3088, 3089 – Kalfelis (in Bezug auf den Ausschluss vertragsrechtlicher Ansprüche). 350 So aber Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 384. 351 So Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 75; Spickhoff IPRax 2009, 128, 132. 352 Vgl. nur BGH 26.10.2006 – I ZR 182/04 – BGHZ 169, 340 = GRUR 2007, 139, 140 m.w.N.; MünchKommBGB/Schwab § 812 BGB Rn. 272 m.w.N. 353 In diesem Sinne auch G.E. Schmidt NIPR 2004, 296, 297; Magnus/Mankowski Art. 5 Brussels I Regulation Rn. 197 m.w.N. 354 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 385 f.; Staudinger/Fezer/Koos Internat WirtschaftsR Rn. 755; MünchKommZPO/Gottwald Art. 5 EuGVO Rn. 56; anders allerdings Kubis S. 108 f.
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Sinne als Anspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVO zu qualifizieren.355 Auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag – z.B. der Ersatz von Ab163 mahnkosten, soweit man diesen über die kodifizierten Fälle hinaus weiterhin auf die auftragslose Geschäftsführung stützen möchte356 – können entgegen der bisher überwiegenden Meinung durchaus unter Art. 5 Nr. 3 EuGVO fallen.357 Auch hier sind nämlich beide Elemente der europarechtlich-autonomen Definition des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift erfüllt: Schon begrifflich setzt der Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag das Fehlen eines Vertrages voraus. Es kann aber auch eine Schadenshaftung im europarechtlichen Sinne vorliegen: Schon nach deutschem Recht soll der Aufwendungsbegriff des § 670 BGB, auf den § 683 BGB verweist, jedenfalls nach der Rechtsprechung auch den Ersatz von Schäden des Beauftragten umfassen.358 Hinzu kommt, dass die Konstruktion des Anspruchs auf Ersatz von Abmahnkosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag keineswegs unumstritten ist und auch andere dogmatische Herangehensweisen möglich sind, z.B. ein Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung, soweit man ein vorher bereits bestehendes Schuldverhältnis annehmen kann.359 Auch das spricht dafür, jedenfalls solche Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in die Tatortzuständigkeit des Art. 5 Nr. 3 EuGVO einzubeziehen, die sachlich einem Schadensersatzanspruch gleichkommen.360 164
dd) Vorbeugende Unterlassungsklage. Eine vorbeugende Unterlassungsklage kann im Tatortgerichtsstand erhoben werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof bereits zum EuGVÜ festgestellt,361 so dass der heutige Wortlaut des Art. 5 Nr. 3 EuGVO („Ort, an dem das schädigende Ereignis ... einzutreten droht“) nur klarstellenden Charakter hat.362 Die Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVO setzt allerdings voraus, dass es konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Schadenseintritt im Forumsstaat gibt; die ganz unbestimmte Möglichkeit eines Schadenseintritts reicht nicht aus.363 Solche An-
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355 Staudinger/Fezer/Koos Int WirtschaftsR Rn. 757; zweifelnd dagegen Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 387. 356 Vgl. zur deutschen Rechtslage Jauernig/Mansel BGB § 677 Rn. 3 m.w.N. 357 Gegen die Einbeziehung von GoA-Ansprüchen in Art. 5 Nr. 3 EuGVO insbesondere OLG Köln 13.5.2009 – 6 U 217/08 – IPRax 2011, 174 m. Anm. Dutta S. 134. 358 BGH 5.12.1983 – II ZR 252/82 – BGHZ 89, 153 = NJW 1984, 789, 790 m.w.N. („Einmütigkeit“ trotz „unterschiedlicher dogmatischer Begründung“); speziell zur GoA BGH 4.5.1993 – VI ZR 283/92 – NJW 1993, 2234, 2235; allerdings unterscheidet der BGH dennoch begrifflich zwischen Aufwendungsersatz und Schadensersatz: BGH 10.10.1984 – IVa ZR 167/82 – BGHZ 92, 270 = NJW 1985, 492; die Literatur hält diese Begrifflichkeit z.T. für „gekünstelt“ und schlägt einen „echten Schadensersatzanspruch“ vor, so Jauernig/Mansel § 670 Rn. 9 m.w.N. Diese Diskussion zeigt jedenfalls, dass die Abgrenzung von Aufwendungsersatz und Schadensersatz je nach dogmatischem Ausgangspunkt unterschiedlich ausfallen kann. 359 Vgl. meinen Vorschlag zum Aufwendungsersatz bei der Verbandsklage: Halfmeier in: Brönneke (Hrsg.) Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozessrecht (2001) 137, 153 ff.; dieser Vorschlag stützt sich noch auf die bei näherer Betrachtung wohl kaum haltbare Annahme eines eigenen „Anspruchs“ des Verbandsklägers (dazu oben Rn. 101), zeigt aber immerhin, dass eine Konstruktion der Abmahnkosten als Schadensersatz nicht per se ausgeschlossen ist; vgl. S. Gottwald JR 1998, 95, 98. 360 So auch Magnus/Mankowski Art. 5 Brussels I Regulation Rn. 197. 361 EuGH 1.10.2002 – C-167/00 – Slg. 2002, I-8111, 8142 – VKI ./. Henkel (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ gilt auch für eine „Klage zur Verhinderung des Eintritts eines Schadens“); EuGH 5.2.2004 – C-18/02 – Slg. 2004, I-1417, 1452 – DFDS Torline. 362 Zöller/Geimer Art. 5 EuGVVO Rn. 25 m.w.N. 363 Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 76, Rauscher/Leible Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 84, beide mit Bezug auf die französische Rechtsprechung.
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haltspunkte liegen jedoch bei einer bereits erfolgten Schädigung und einem dann auf Wiederholungsgefahr gestütztem Unterlassungsanspruch regelmäßig vor.364 ee) Auskunft und Rechnungslegung. Ebenfalls unter den Tatortgerichtsstand fal- 165 len Ansprüche auf Auskunft und/oder Rechnungslegung, soweit diese im Zusammenhang mit behaupteten außervertraglichen Schadenszufügungen stehen.365 Dasselbe gilt für Regressansprüche – etwa unter Gesamtschuldnern – die im Zusammenhang mit einem außervertraglich begründeten Schadensersatzanspruch entstehen.366 ff) Feststellungsklage. Der Tatortgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO gilt aber 166 nicht nur für deliktsrechtlich (im dargestellten Sinne) begründete Leistungsklagen, sondern auch für Feststellungsklagen. Er umfasst damit sowohl die positive Feststellungsklage – etwa auf Feststellung einer Verpflichtung zum Schadensersatz – wie auch die vom angeblichen Schädiger angestrengte negative Feststellungsklage. Letzteres war in der deutschen Rechtsprechung und Literatur lange umstritten,367 wurde aber vom EuGH inzwischen dahingehend geklärt, dass Art. 5 Nr. 3 EuGVO auch eine Zuständigkeit für negative Feststellungsklagen begründet.368 Der Entscheidung des EuGH ist zuzustimmen, weil die für den Tatortgerichtsstand sprechenden Erwägungen – etwa die Sach- und Beweisnähe des Gerichts – auch bei vertauschten Parteirollen zum Tragen kommen.369 Soweit gegen eine Anwendung von Art. 5 Nr. 3 EuGVO auf negative Feststellungsklagen die dadurch entstehende Gefahr weiterer Möglichkeiten für verzögernde „Torpedoklagen“ ins Felde geführt wurde,370 ist die Lösung dieser Problematik eher mit Hilfe der ab 2015 in Kraft tretenden Reform der EuGVO und den dort überarbeiteten Regeln zu lis pendens zu suchen. Unabhängig davon ist allerdings auch bei negativen Feststellungsklagen die oben (Rn. 160) erörterte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof zum Anwendungsbereich des Art. 22 Nr. 4 EuGVO zu beachten, d.h. der Tatortgerichtsstand ist nicht gegeben, wenn die negative Feststellungsklage auf die Ungültigkeit eines der in Art. 22 Nr. 4 EuGVO genannten Rechte gestützt wird.371 gg) Verhältnis zu vertraglichen Ansprüchen. Wird eine auf lauterkeits- und kenn- 167 zeichenrechtliche Ansprüche gestützte Klage zulässigerweise im Gerichtsstand des Tatorts (heute Art. 5 Nr. 3 EuGVO) erhoben, und behauptet der Beklagte, dass ihm das gerügte Verhalten aufgrund vertraglicher Vereinbarung gestattet sei, so ändert dies nichts an der Zuständigkeit des Gerichts am Tatort; dieses hat dann den Einwand der vertraglichen Gestattung zu prüfen.372 Stehen jedoch deliktsrechtliche und vertragliche Ansprüche miteinander in An- 168 spruchskonkurrenz, so können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
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364 Rauscher/Leible ebd. unter Verweis auf EuGH 5.2.2004 – C-18/02 – Slg. 2004, I-1417 Tz. 37 – DFDS Torline (Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 3 besteht auch dann fort, wenn die schädigende Handlung zwischenzeitlich ausgesetzt wurde). 365 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 383 m.w.N. 366 OLG Celle 22.3.1990 – 5 U 129/88 – VersR 1991, 234. 367 Gegen die Einbeziehung negativer Feststellungsklagen noch OLG Dresden 28.7.2009 – 14 U 1008/08 – Juris Tz. 24; Thomas/Putzo/Hüßtege Art. 5 EuGVVO Rn. 17; dafür jedoch u.a. Domej IPRax 2008, 550, 555 m.w.N. 368 EuGH 25.10.2012 – C-133/11 – GRUR 2013, 98 – Folien Fischer; zustimmend und mögliche Folgen aufzeigend R.Magnus LMK 2013, 341419. 369 So mit Recht Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 78. 370 So noch GA Jääskinen, Schlussanträge v. 19.4.2012, Rs. C-133/11 – Folien Fischer – Tz. 70. 371 Vgl. die Fallgestaltung in EuGH 13.7.2006 – C-4/03 – Slg. 2006, I-6523 = GRUR 2007, 49 – GAT. 372 BGH 11.2.1988 – I ZR 201/86 – GRUR 1988, 483, 485.
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hofs im Tatortgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 nur die deliktsrechtlichen, nicht aber die vertragsrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden.373 Für etwaige vertragliche Ansprüche aufgrund desselben Sachverhalts steht nach dieser Rechtsprechung dann nur der allgemeine Gerichtsstand des Art. 2 EuGVO oder der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVO zur Verfügung. Eine auf deliktsrechtliche Ansprüche beschränkte Klage ist aber im Tatortgerichtsstand auch in Fällen der Konkurrenz mit vertragsrechtlichen Ansprüchen stets möglich.374 Diese Beschränkung des Tatortgerichtsstands auf die Prüfung außervertraglicher Ansprüche ist in der Literatur mit guten Gründen kritisiert worden;375 sie passt auch nicht zur Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 32 ZPO (dazu unten Rn. 226). Die Diskussion darüber erscheint aber angesichts der eindeutigen Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs wie auch des Bundesgerichtshofs jedenfalls de lege lata abgeschlossen. b) Ubiquitätsregel (Handlungs- oder Erfolgsort). Die Vorschrift des Art. 5 Nr. 3 EuGVO begründet eine Zuständigkeit am Tatort, der definiert ist als derjenige Ort, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.“ Der Europäische Gerichtshof hat diesen Tatortbegriff bereits unter Geltung des EuGVÜ dahingehend interpretiert, dass er sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens wie auch den Ort des Eintritts einer physischen Schädigung umfasst.376 Dem Geschädigten steht bei Distanzdelikten, bei denen die Handlung des Täters und der Ort der Schädigung auseinanderfallen, also ein Wahlrecht zwischen dem Gericht am Handlungsort oder dem Gericht am Erfolgsort zu. Je nach Fallgestaltung – etwa bei Streudelikten, die zu Schädigungen an mehreren Orten führen – können sogar zahlreiche solche Orte in Betracht kommen. Diese umfassende Interpretation des Tatortbegriffs wird auch als Ubiquitätsprinzip bezeichnet,377 da sie jeden Ort einer Schädigung als zuständigkeitsbegründend anerkennt. Für das Wettbewerbsverfahrensrecht wird allerdings in der Literatur die Auffassung 170 vertreten, dass aufgrund der marktordnenden Funktion des Lauterkeitsrechts die Ubiquitätsregel in diesem besonderen Bereich nicht gelten könne, sondern dass hier der Tatort im wesentlichen als Marktort bestimmt werden müsse.378 Dies wird teilweise auch damit begründet, dass insoweit ein Gleichlauf mit dem Kollisionsrecht anzustreben sei, welches ja in Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO im Grundsatz das Markortrecht zur Anwendung beruft und nur bei rein bilateralen Wettbewerbsverstößen im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO davon eine Ausnahme macht.379 Ein solcher Gleichlauf hätte immerhin den Vorteil, dass jedenfalls am Tatortgerichtsstand in der Regel auch das Sachrecht des Forumstaates zur Anwendung käme und so die Kosten und Unsicherheiten der Ermittlung ausländischen Rechts minimiert würden. Die Gegenansicht betont dagegen, dass es auch genuin verfahrensrechtliche Wertungen und Interessen geben kann, die nicht notwendig mit jenen des
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373 EuGH 27.9.1988 – 189/87 – Slg. 1988, 5565 Tz. 19 – Kalfelis = NJW 1988, 3088 m. Anm. Geimer; BGH 7.12.2004 – XI ZR 266/03 – NJW-RR 2005, 581, 583 m.w.N. = IPRax 2006, 40 m. Anm. Looschelders S. 14. 374 BGH 27.5.2008 – VI ZR 69/07 – BGHZ 176, 342 Tz. 13 = IPRax 2009, 150 m. Anm. Spickhoff S. 128. 375 Geimer NJW 1988, 3088, 3090 (aus dem Gesichtspunkt der „bonne administration de justice wenig überzeugend“); ebenfalls kritisch Gottwald IPRax 1989, 272, 273; dem EuGH zustimmend jedoch Looschelders IPRax 2006, 14, 15 (im Interesse der Rechtssicherheit für den Beklagten und der engen Beschränkung der besonderen Gerichtsstände der EuGVO müsse die Prozessökonomie zurücktreten). 376 EuGH 30.11.1976 – 21/76 – Slg. 1976, 1735 – NJW 1977, 493, 494 – Bier ./. Mines de Potasse d’Alsace. 377 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 419. 378 Staudinger/Fezer/Koos Int WirtschaftsR Rn. 804. 379 Für einen Gleichlauf insbes. MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 419 ff.; Harte/Henning/ Glöckner Einl D Rn. 40; Staudinger/Fezer/Koos Int WirtschaftsR Rn. 804; Stein/Jonas/Wagner Art. 5 EuGVVO Rn. 179.
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Kollisionsrechts übereinstimmen müssen und will daher zumindestens im Ausgangspunkt auch im Wettbewerbsverfahrensrecht an der Ubiquitätsregel festhalten.380 Die letztere Meinung verdient den Vorzug, d.h. auch im Bereich des Lauterkeits- 171 rechts gilt im Grundsatz die vom Europäischen Gerichtshof postulierte Ubiquitätsregel zur Bestimmung des Tatorts im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO. Dafür spricht zunächst, dass eine nach Deliktstypen getrennte Auffächerung oder Ausdifferenzierung der Zuständigkeitsregeln bezüglich des Tatortgerichtsstands eine Reihe von neuen Qualifikationsproblemen schaffen würde: Schon jetzt muss ja eine europarechtlich-autonome Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs vorgenommen werden, um diesen als deliktsrechtlich im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO einzuordnen und so zum Tatortgerichtsstand zu kommen. Bereits das bereitet mangels europaweit einheitlicher Begrifflichkeiten einige Schwierigkeiten (s. oben Rn. 161 ff.). Wollte man nun innerhalb von Art. 5 Nr. 3 EuGVO noch einen Sondertatbestand der lauterkeitsrechtlichen Ansprüche schaffen, so müsste man diesen erneut europarechtlich-autonom qualifizieren und von anderen, z.B. einfach-bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen abgrenzen. Statt eine solche zusätzliche Komplexitätsstufe zu schaffen, sollte man eher versuchen, innerhalb der im Grundsatz geltenden Ubiquitätsregel die Besonderheiten des jeweiligen Falles – und damit auch des Lauterkeitsrechts – angemessen zu berücksichtigen, d.h. im wesentlichen durch eine situations- und normenadäquaten Bestimmung von Handlungs- und Erfolgsort (dazu unten Rn. 174 ff.). Auch ein Gleichlauf mit dem Kollisionsrecht ist weder vom europäischen Verord- 172 nungsgeber vorgesehen, noch ist er der Sache nach nötig. Hätte der Verordnungsgeber einen Gleichlauf gewollt, so hätte er dies im Zuge der europarechtlichen Harmonisierung des Kollisionsrechts tun können; dies ist aber unterblieben. Schon das in Art. 2 EuGVO kodifizierte Grundprinzip des actor sequitur forum rei macht einen solchen Gleichlauf unmöglich. Auch Art. 5 Nr. 1 EuGVO führt nicht zu einem notwendigen Gleichlauf zwischen Zuständigkeits- und Kollisionsrecht, da der Erfüllungsort ja nicht notwendig in demjenigen Staat liegen muss, dessen Recht entweder zwischen den Parteien vereinbart oder gemäß Art. 4 Rom I-VO anzuwenden ist. Schon deshalb ist aus systematischen Gründen nicht einzusehen, warum gerade bei Art. 5 Nr. 3 EuGVO ein Gleichlauf mit dem Kollisionsrecht anzustreben wäre. Auch der Sache nach ist diejenige Auffassung zu unterstützen, die auf die eigenständigen verfahrensrechtlichen Wertungen und Interessen verweist, die nicht unbedingt mit denen des Kollisionsrechts übereinstimmen müssen. So kann z.B. die Beweisnähe des Tatortgerichtsstands auch dann gegeben sein, wenn sich die lokal vorgenommene und ggf. beweisbedürftige Handlung auf fernen Märkten auswirkt. Insgesamt ist daher auch im Bereich des internationalen Wettbewerbsrechts an der grundsätzlichen Geltung der Ubiquitätsregel bei der Konkretisierung des Art. 5 Nr. 3 EuGVO festzuhalten.381 Es kommt also sowohl eine Zuständigkeit am Handlungs- als auch am Erfolgsort in Betracht. Allerdings steht außer Frage, dass die Besonderheiten des Lauterkeitsrechts bei der 173 Bestimmung von Handlungs- und Erfolgsort angemessen zu berücksichtigen sind. Eine solche Vorgehensweise im Rahmen der Ubiquitätsregel mag dann im Ergebnis – insbesondere soweit man den Erfolgsort in vielen Fällen als den Marktort versteht, dazu unten Rn. 181 – zu teilweise ähnlichen Ergebnissen wie im Kollisionsrecht führen. Sie ist aber
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380 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 394; Lindacher S. 53; Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 84a. 381 So auch BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 – GRUR 2006, 513 Tz. 21 – Arzneimittelwerbung; ebenso die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur, vgl. Lindacher S. 53 f.; Fezer/Hausmann/Obergfell Einleitung I Rn. 412; Heinze IPRax 2009, 231, 233 m.w.N.
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trotzdem kein Gleichlauf mit diesem, weil sie sich auf eigenständige zuständigkeitsrechtliche Kriterien stützt, die mit denen des Kollisionsrechts übereinstimmen können, aber nicht müssen. c) Bestimmung des Handlungsortes. Der Handlungsort im Sinne der Ubiquitätsregel wird vom Europäischen Gerichtshof als der „Ort des ursächlichen Geschehens“ und als „der Ort, an dem das schädigende Ereignis seinen Ausgang nahm“ bezeichnet.382 Dies kann bereits die Entscheidung oder Anordnung einer bestimmten geschäftlichen Handlung durch das handelnde Unternehmen sein. Der Ort der für die Verletzung ursächlichen unternehmerischen Entscheidung wird bei beklagten Unternehmen aber häufig mit dem faktischen Sitz der Unternehmensleitung zusammenfallen, so dass sich insoweit aus Art. 5 Nr. 3 EuGVO kein abweichender Gerichtsstand neben dem ohnehin gegebenen allgemeinen Gerichtsstand gemäß Art. 2 EuGVO ergäbe.383 Allerdings liegt es bei Werbemaßnahmen und anderen über den Markt vermittelten 175 geschäftlichen Handlungen nahe, den Handlungsort dort zu sehen, wo die letzte dem Beklagten zurechenbare Handlung in der Kausalkette gesetzt wurde; dies muss nicht in jedem Fall mit dem Sitz der Unternehmensleitung übereinstimmen: So wird mit Recht bei der Versendung von Briefpost der Absendeort der Briefsendung als Handlungsort angenommen, bei e-mail-Werbung der Ort des e-mail-Versands oder bei Telefonwerbung den Ort, von dem aus die Telefonwerbung vorgenommen wird.384 Wird in einem Pressemedium geworden, so wird auch der Erscheinungsort dieser Zeitung oder Zeitschrift als Handlungsort anzusehen sein, bei Rundfunk- oder Fernsehsendungen der Sendeort.385 Bei Veröffentlichungen im Internet liegen Handlungsorte auch an dem Ort, an dem das fragliche Material in das Internet eingespeist wurde;386 Letzteres wird häufig der Ort sein, an dem die fragliche Webseite verwaltet wird; d.h. bei einer Anzeige, die von einem ausländischen Unternehmen auf der Webseite eines in Deutschland erscheinenden Nachrichtenmagazins erscheint, liegt insoweit der Handlungsort in Deutschland. Dem mag man entgegenhalten, dass in diesen Fällen nicht auf die Handlung des beklagten Unternehmens abgestellt wird, sondern auf diejenige des mit der Werbemaßnahme beauftragten Mediums.387 Das ist aber unschädlich, da der Täter, der sich z.B. persönlich in das benachbarte Ausland begibt und von dort Briefsendungen verschickt oder Inhalte in das Internet einspeist, nicht anders behandelt werden sollte als ein Täter, der diesen Versand von einem beauftragten Unternehmen durchführen lässt. 176 Während die deutsche Rechtsprechung bei der Bestimmung des Handlungsorts in Bezug auf § 32 ZPO auch eine wechselseitige Zurechnung des Handlungsortes unter arbeitsteilig handelnden Tätern für möglich hält,388 lehnt der EuGH eine solche wechselseitige Zurechnung im Rahmen des Art. 5 Nr. 3 EuGVO ab.389 Darin drückt sich der
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382 EuGH 7.3.1995 – C-68/93 – Slg. 1995, I-415 Tz. 24 = NJW 1995, 1881, 1882 – Shevill; vgl. die Abwandlungen in der Literatur: „Ort des für die Interessenverletzung ursächlichen Geschehens“, so Lindacher S. 58; „Ort des schadensbegründenden Geschehens“, so Rauscher/Leible Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 87 m.w.N. 383 Für ein solches Verständnis des Handlungsortes Heinze IPRax 2009, 231, 237. 384 Lindacher S. 58 m.w.N.; a.A. OLG Koblenz 25.6.2007 – 12 U 1717/05 – IPRax 2009, 151 m. Anm. Spickhoff S. 128: Bei Willenserklärungen über Telekommunikation liege der Handlungsort auch dort, wo die Erklärung empfangen werde; dagegen mit Recht Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 83a m.w.N. 385 Lindacher S. 58. 386 Rauscher/Leible Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 88e; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 416. 387 Puhr S. 187. 388 OLG Düsseldorf 20.12.2007 – I-6 U 225/06 – IPRax 2009, 158, 160. 389 EuGH 16.5.2013 – C-228/11 – NJW 2013, 2099 – Melzer; dazu zustimmende Anmerkung Müller NJW 2013, 2101.
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Wunsch des EuGH aus, die Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 3 EuGVO nicht uferlos auszuweiten. Andererseits ergibt sich eine solche Ausweitung im Falle des arbeitsteiligen Handelns der Täter ja aus deren eigenem Tatplan, so dass insoweit wohl nur eine beschränkte Schutzwürdigkeit der arbeitsteilig handelnden Deliktstäter vorliegt.390 In der Literatur wird daher mit guten Gründen und in Fortentwicklung der jüngsten EuGH-Rechtsprechung erwogen, zumindest eine Tatortzuständigkeit am „Ort der Haupttat“ für alle Mittäter und Gehilfen zuzulassen, wenn ein solcher Haupttatort feststellbar ist.391 Bloße Vorbereitungshandlungen bleiben bei der Bestimmung des Handlungsorts 177 außer Betracht.392 Die bloße Konzeption einer Werbemaßnahme oder ihre Vorbereitung durch Agenturen oder eigene Mitarbeiter begründet daher noch keinen Handlungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVO. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass man für eine unerlaubte Hand- 178 lung auch nur einen Handlungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVO annehmen könne, so dass bei mehreren kausalen Handlungen ausschließlich auf den „maßgeblichen Tatbeitrag“ abgestellt werden müsste.393 Nach dieser Auffassung sollen mehrere Handlungsorte nur in solchen Fällen möglich sein, in denen der Tatbestand der in Rede stehenden unerlaubten Handlung aus mehreren gleichgewichtigen Tathandlungen besteht.394 Der Europäische Gerichtshof musste sich mit dieser Problematik bisher noch nicht befassen; es ist aber jedenfalls logisch nicht ausgeschlossen, dass es nicht auch mehrere gleichberechtigt nebeneinander bestehende Handlungsorte geben kann.395 d) Bestimmung des Erfolgsortes. Erfolgsort im Sinne der oben (Rn. 169) dargestell- 179 ten Ubiquitätsregel ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes derjenige Ort, an dem der „Schaden eingetreten ist“,396 wo sich also sich der „Schadenserfolg verwirklicht“ und „das auslösende Ereignis seine schädigende Wirkung entfaltet.“397 aa) Kein Klägergerichtsstand. Auch die Ubiquitätsregel und die genannten Defini- 180 tionsversuche begründen jedoch keine money damage was suffered in my pocket rule, d.h. ein Schadensort liegt nicht bereits deshalb am Sitz des Geschädigten, weil dieser durch das Ereignis in seinem Vermögen geschädigt wird.398 Dies würde aus Art. 5 Nr. 3 EuGVO einen reinen Klägergerichtsstand machen, was weder intendiert war noch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Begrenzung der besonderen Zuständigkeiten in der EuGVO entspräche (dazu oben Rn. 142). Daher ist der Erfolgsort im Sinne
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390 Für die wechselseitige Zurechnung des Handlungsorts daher vor der EuGH-Entscheidung u.a. v. Hein EuZW 2011, 369, 370 mit Bezug auf das Kapitalanlagerecht. 391 M. Weller LMK 2013, 348154 m.w.N. 392 Lindacher S. 58; Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 83a; Schack Rn. 340; a.A. jedoch für die Konzeption und technische Herstellung von Werbematerial Puhr S. 187 f. 393 Rauscher/Leible Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 88; für eine Konzentration auf einen Handlungsort auch bei „gestreckten Geschehensabläufen“ ebenfalls Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 83a am Ende. 394 Ebd. 395 Vgl. Schack Rn. 343, der zumindest bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen einen Handlungsort an jedem Ort der bestimmungsgemäßen Verbreitung des fraglichen Mediums sieht; vgl. aber EuGH 7.3.1995 – C-68/93 – Slg. 1995, I-415 Tz. 24 = NJW 1995, 1881, 1882 – Shevill (Handlungsort aber wohl nur am Sitz des Herausgebers) einerseits; EuGH 25.10.2011 – C/509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 300 – Martinez und eDate (keine explizite Differenzierung mehr zwischen Handlungs- und Erfolgsorten) andererseits. 396 EuGH 30.11.1976 – 21/76 – Slg. 1976, 1735 – NJW 1977, 493, 494 – Bier ./. Mines de Potasse d’Alsace. 397 EuGH 16.7.2009 – C-189/08 – Slg. 2009, I-6919 – NJW 2009, 3501, 3502 – Zuid-Chemie. 398 Zöller/Geimer Art. 5 EuGVVO Rn. 27 m.w.N; vgl. EuGH 10.6.2004 – C-168/02 – Slg. 2004, I-6009 = NJW 2004, 2441 Tz. 21: Bei reinen Vermögensschäden liegt der Schadensort nicht automatisch am Wohnsitz des Klägers.
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der Ubiquitätsregel als derjenige Ort zu verstehen, an dem das jeweils geschützte Rechtsgut verletzt ist, d.h. man könnte statt Erfolgsort auch vom Verletzungsort sprechen oder vom Ort des Primärschadens.399 Diese Betrachtung führt bei der Verletzung von körperlichen Sachen oder bei Körper- und Gesundheitsschäden zu einem Tatortgerichtsstand am Ort der primären Verletzung (z.B. am Unfallort), unabhängig davon, wo physische Folgeschäden oder resultierende Vermögensschäden sich realisieren. Ein bloß mittelbar erlittener Vermögensschaden begründet daher keinen Erfolgsort.400 Bei den für die vorliegende Betrachtung wichtigeren „reinen“ Vermögensschäden ist die Betrachtung mangels einer räumlich lokalisierbaren physischen Verletzung schwieriger. Auch für diese gilt aber, dass nicht jeder Vermögensschaden automatisch zu einem Tatort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO am Ort dieses Vermögens führt, sondern dass auch hier der Erfolgs- oder Verletzungsort unter Bezug auf das zu schützende Rechtsgut bestimmt werden muss. Bei vorbeugenden Unterlassungsklagen liegt der Erfolgsort dort, wo aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Möglichkeit besteht, dass der abzuwendende Schaden dort eintreten könnte.401 bb) Erfolgsort als Marktort. Der Erfolgsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO ist demnach der Ort, an dem das im jeweiligen Fall zu schützende Rechtsgut verletzt wird. Für lauterkeitsrechtliche Verstöße bedeutet dies, dass sich der Erfolgsort zumindest im Grundsatz am Marktort befindet, weil das Lauterkeitsrecht zwar auch den Schutz der Vermögensinteressen der Mitbewerber bezweckt, dies aber im Wesentlichen nur vermittelt durch seine marktordnende Funktion geschieht. Daher ist es berechtigt, die Erfolgsortzuständigkeit in Wettbewerbssachen primär als „Marktortzuständigkeit“ zu begreifen.402 Ein Erfolgsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO liegt somit überall dort, wo der Wettbewerb um die im konkreten Fall relevanten Marktteilnehmer stattfindet. Dies sind im Normalfall die potentiellen Kunden der im Streit befindlichen Konkurrenten, d.h. der Marktort liegt im Regelfall am Sitz der Kunden.403 Wird allerdings Werbe- und Absatzmarkt getrennt, so liegt der zuständigkeitsbegründende Marktort am Ort der Durchführung der Werbemaßnahme.404 Bei transnationalem Wettbewerb oder einer Einwirkung auf mehrere nationale Märkte liegen demnach auch stets mehrere Erfolgsorte vor, zwischen denen der Kläger die Wahl hat. Strittig ist allerdings, ob die Gerichte an den verschiedenen Marktorten auch über Unterlassungsanträge oder Schadensersatzforderungen befinden können, die über den Markt des jeweiligen Forumsstaates hinausgehen, oder ob es insoweit Beschränkungen der Kognitionsbefugnis gibt (dazu unten Rn. 187 ff.). Eine Ausnahme von der Erfolgsortzuständigkeit wird in Teilen der Literatur bei nicht 182 intendierten und auch vom Umfang her zu vernachlässigenden „spill over“-Effekten gemacht, d.h. ein solches leichtes „Überschwappen“ auf einen anderen Markt soll keinen Erfolgsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO begründen.405 In ähnlichem Sinne wird 181
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399 Stein/Jonas/Wagner Art. 5 EuGVVO Rn. 158. 400 EuGH 11.1.1990 – C-220/88 – Slg. 1990 I-49 = NJW 1991, 631: Vermögensschaden der französischen Muttergesellschaft resultierend aus einer Schadenszufügung gegen die deutsche Tochtergesellschaft führt nicht zum Erfolgsort in Frankreich; EuGH 19.9.1995 – C-364/93 – Slg. 1995 I-2719 Tz. 21 = IPRax 1997, 331 m. Anm. Hohloch S. 312: Beschlagnahme von Wertpapieren in England, die zu einem Vermögensschaden in Italien führt, begründet nur in England einen Erfolgsort. 401 Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 76. 402 Lindacher S. 53; in der Sache ebenso Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 395. 403 Lindacher S. 56. 404 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 398. 405 Lindacher S. 57.
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auch behauptet, dass vor allem bei grenzüberschreitender Werbung im Internet ein Erfolgsort im Inland nur dann gegeben sei, wenn sich die inkriminierte Werbemaßnahme im Inland auch bestimmungsgemäß auswirken soll.406 Damit soll der technischen Ubiquität des Internets Rechnung getragen werden und der werbende Unternehmer vor einer möglicherweise ungewollten weltweiten Gerichtspflichtigkeit geschützt werden.407 Allerdings bestehen an der Berechtigung einer solchen Beschränkung des Erfolgsortbegriffs in Art. 5 Nr. 3 EuGVO erhebliche Zweifel. Diese Vorschrift setzt gerade nicht voraus, dass der Deliktstäter einen Schaden in einem bestimmten Staat intendiert hat, sondern verlangt nur, dass ein Schaden im Forumstaat eingetreten ist (oder noch einzutreten droht). Auch im berühmten Rheinverschmutzungsfall des Europäischen Gerichtshofs war die Verschmutzung der Gewässer in den Niederlanden nicht notwendigerweise durch die französische Beklagte intendiert; darauf kam es aber bei der Beurteilung der Zuständigkeit auch gar nicht an.408 Entscheidend ist also nicht die Intention des Beklagten – diese mag im materiellen Recht hinsichtlich der Frage eines ggf. notwendigen Verschuldens eine Rolle spielen – sondern auf die faktische Auswirkung und Schadenszufügung durch die inkriminierte Handlung. Liegt eine solche Schadenswirkung in nicht völlig unerheblicher Weise im Forumstaat vor, so befindet sich dort auch ein Erfolgsort und mithin eine internationale Zuständigkeit der dortigen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVO.409 Allerdings wird für das in Art. 5 Nr. 3 EuGVO hineinzulesende Merkmal der „be- 183 stimmungsgemäßen Auswirkung“ argumentiert, dass eine im Lauterkeitsrecht vorausgesetzte Wettbewerbsbeziehung gar nicht vorliege, wenn der Beklagte seinen Wettbewerb nicht auf den betreffenden Markt ausrichte und „am dortigen Warenabsatz nicht teilnimmt“.410 Daraus folgt aber noch nicht, dass ein Merkmal der „bestimmungsgemäßen“ Auswirkung notwendig ist: Inwieweit es z.B. für einen Unterlassungsanspruch auf die Intentionen des Beklagten ankommt oder ob faktische Auswirkungen ausreichen, ist eher eine Frage der Begründetheit der Klage und sollte nicht in die Zuständigkeitsprüfung verlagert werden. Folgt man allerdings der herrschenden Auffassung, die in den Art. 5 Nr. 3 EuGVO ein 184 Merkmal der „bestimmungsgemäßen“ Auswirkung hineinlesen möchte, so kann der Werbende durch sogenannte „disclaimer“ die Annahme eines Erfolgsortes in bestimmten Staaten verhindern: Er teilt dann mit, dass sich diese Webseite nicht an bestimmte Märkte richte und/oder, dass er keine Kunden aus diesen Märkten annehmen werde. Allerdings muss er sich dann auch entsprechend dieser Ankündigung verhalten, um die
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406 OLG München 6.12.2007 – 29 U 2713/07 – IPRax 2009, 256, 257 (keine „bestimmungsgemäße Auswirkung“ der Salzburger Nachrichten in Deutschland bei Verkauf weniger Exemplare in Deutschland, auch Webseite wirke sich nicht „bestimmungsgemäß“ auf Deutschland aus); für ein solches Merkmal auch Lindacher S. 60 f.; Fezer/Hausmann/Obergfell Einleitung I Rn. 407; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513, 514 – Arzneimittelwerbung im Internet. Bei der Aussage im Arzneimittel-Urteil handelt es sich aber eher um ein obiter dictum, da im konkreten Fall ja ohnehin eine Auswirkung der Werbung in Deutschland beabsichtigt war, d.h. der BGH hätte die Frage auch explizit offen lassen können, so noch in BGH 13.10.2004 – I ZR 163/02 – GRUR 2005, 431, 432 – Hotel Maritime. 407 Fezer/Hausmann/Obergfell Einleitung I Rn. 407. 408 EuGH – 30.11.1976 – 21/76 – Slg. 1976, 1735 – NJW 1977, 493, 494 – Bier ./. Mines de Potasse d’Alsace. 409 Gegen ein subjektives Kriterium auch Staudinger/Fezer/Koos IntWirtschaftsR Rn. 805; vgl. auch zum Kennzeichenrecht die Kritik an einem erfundenen zuständigkeitsrechtlichen Merkmal des „hinreichenden Inlandsbezugs“ bei Bettinger/Thum GRUR Int. 1999, 659, 669. Im Kennzeichenrecht verwendet der BGH inzwischen die Formulierung, dass ein „commercial effect“ im Inland notwendig sei, um die Zuständigkeit zu begründen, so BGH 8.3.2012 – I ZR 75/10 – GRUR Int. 2012, 570; dazu Peifer IPRax 2013, 228. 410 Heinze IPRax 2009, 231, 235.
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Erfolgsortzuständigkeit in den „ausgeschlossenen“ Märkten zu verhindern.411 Gerade die letztere Einschränkung zeigt jedoch erneut, dass es bei der Prüfung der Erfolgsortzuständigkeit nicht auf die – sei es wahren oder vorgeschobenen – Intentionen des Beklagten ankommen kann, sondern nur auf die faktischen Auswirkungen auf den Markt im Forumstaat. In Betracht kommt auch eine Bestimmung des Marktorts anhand der vom EuGH 185 entwickelten Kriterien zum „Ausrichten“ in Art. 15 Abs. 1 (c) EuGVO.412 Zwar gelten diese Regeln unmittelbar nur für Ansprüche aus Verbraucherverträgen, aber ihre dem Lauterkeitsrecht vergleichbare Funktion der Bestimmung des jeweils betroffenen Marktes legt eine einheitliche Anwendung nahe.413 Allerdings ist angesichts der Unsicherheit auch über dieses Merkmal fraglich, ob damit für die Bestimmung des Marktortes im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO viel gewonnen ist; dies wird wohl nur der Fall sein, wenn es dem EuGH in Zukunft gelingt, hier zu verlässlicheren Abgrenzungen zu kommen. 186
cc) Ausnahme: Bilaterale Wettbewerbshandlungen. Die Lokalisierung des Erfolgsorts am Marktort ist allerdings nicht angemessen, wenn das wettbewerbswidrige Verhalten gar nicht über den Markt vermittelt ist, sondern sich unmittelbar und ausschließlich gegen einen bestimmten Konkurrenten richtet. Diese Fälle werden teilweise als „bilaterale“ Wettbewerbshandlungen bezeichnet.414 Es kann sich dabei nur um solche Verhaltensweisen handeln, die ohne den Umweg über einen Marktmechanismus auskommen, d.h. insbesondere Sabotageakte, Industriespionage und ähnliche „versteckte“ Tätigkeiten.415 In diesen Fällen mag man den Erfolgsort in der Regel am Sitz des geschädigten Unternehmens annehmen.416 Sind derartige Schäden jedoch physisch lokalisierbar – was insbesondere bei Sabotageakten oder der Entwendung von Akten gegeben sein kann – so liegt der Erfolgsort im Sinne des primären Verletzungsorts (dazu oben Rn. 180) nicht notwendig am Unternehmenssitz, sondern am Ort der physischen Beeinträchtigung. Verunglimpfungen des Konkurrenten oder ähnliche lauterkeitsrechtliche Äußerungsdelikte wirken nicht per se, sondern durch ihre Kundgabe und damit über den Markt. Sie sind daher keine „bilateralen“ Wettbewerbshandlungen im Sinne dieser Ausnahme, sondern bei ihnen liegt der Erfolgsort wie bei sonstigen wettbewerbsrechtlichen Verstößen am Marktort.417 Insgesamt bietet sich hier, d.h. bei der Beurteilung und Eingrenzung dieser Ausnahmegruppe von „bilateralen“ Wettbewerbsverstößen, ein weitgehender Gleichlauf mit dem Kollisionsrecht an. Ein solcher Gleichlauf ist hier zweckmäßig (nicht aber generell, s. dazu oben Rn. 169 ff.), weil das Zuständigkeitsrecht dabei die gleichen Kriterien anlegt wie das Kollisionsrecht, welches in Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO ausnahmsweise vom Marktortprinzip abrückt. Insoweit kann daher auf die Ausführungen zu Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO verwiesen werden (oben Einleitung D Rn. 229 ff.).
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411 BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513 – Arzneimittelwerbung im Internet; Lindacher S. 61. 412 Zum „Ausrichten“ insbes. EuGH 7.12.2010 – C-585/08 und C-144/09 – Pammer und Hotel Alpenhof = IPRax 2012, 160 m. Anm. Mankowski S. 144. 413 So Mankowski (vorige Fn.) S. 156. 414 Lindacher S. 19. 415 Ebd. 416 Ebd. S. 20. 417 Sack WRP 2008, 845, 851; a.A. Lindacher S. 19 f. („Geschäftsehrverletzung“ sei auch ohne Rücksicht auf „Marktergebnisrelevanz“ geschützt).
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e) Beschränkung der Kognitionsbefugnis des Gerichts am Erfolgsort? aa) Shevill-Entscheidung des EuGH. Der Europäische Gerichtshof hat 1995 im Fal- 187 le einer angeblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung, die in einer grenzüberschreitend vertriebenen Zeitung enthalten war, die Kognitionsbefugnis der Gerichte am Erfolgsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 beschränkt. Gemäß der Shevill-Entscheidung sollten nur die Gerichte im Mitgliedstaat des Handlungsortes – hier verstanden als Sitz des Herausgebers der betreffenden Zeitung – eine unbeschränkte Kognitionsbefugnis haben, d.h. über sämtlichen Schadensersatz und ein räumlich unbeschränktes Unterlassungsbegehren entscheiden können. Dagegen dürfen nach dieser Rechtsprechung die Gerichte in den Mitgliedstaaten der davon abweichenden Erfolgsorte – verstanden als die Orte der Verbreitung der Zeitung – nur über den in dem jeweiligen Mitgliedstaat entstandenen Schaden befinden und auch nur zur Unterlassung in diesem Mitgliedstaat verurteilen.418 Dieses – auch als Schaffung einer Mosaiktheorie bezeichnete – Urteil geht auf eine entsprechende Tradition im französischen Verfahrensrecht zurück.419 Es ist in der Literatur teils zustimmend, teils ablehnend aufgenommen worden.420 Es ist auch bisher ungeklärt, ob die mit der Shevill-Entscheidung verbundenen Beschränkungen der Kognitionsbefugnis am Erfolgsort auch für lauterkeitsrechtliche Delikte gelten sollen.421 bb) Martinez-Entscheidung des EuGH. Diese Frage kann aber nicht beantwortet 188 werden, ohne auch die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu berücksichtigen, welche die Grundsätze des Shevill-Urteils jedenfalls für Internet-Delikte abändert: Für Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet hat der Europäische Gerichtshof im Martinez-Urteil nunmehr entschieden, dass es zwei Tatortgerichtsstände mit unbeschränkter Kognitionsbefugnis gibt: Einerseits, wie gehabt, den Sitz des veröffentlichenden Mediums, andererseits – und dies ist eine gravierende Veränderung gegenüber Shevill – haben aber auch die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats eine unbeschränkte Kognitionsbefugnis, in welchem der Verletzte den „Mittelpunkt seiner Interessen“ hat.422 Nur an allen anderen Abruforten besteht auch nach dieser Entscheidung weiterhin eine beschränkte Kognitionsbefugnis der dortigen Gerichte auf den im Forumstaat eingetretenen Schaden bzw. auf ein entsprechend territorial beschränktes Unterlassungsgebot.423 Die Martinez-Entscheidung lässt sich nun auf verschiedene Weise deuten. Einerseits 189 kann man sie als klare Differenzierung zwischen Print- und Online-Angeboten verstehen, d.h. die Shevill-Regeln würden für die Printmedien fortbestehen, für Online-Medien dagegen gelten die Martinez-Grundsätze. Das würde etwa bedeuten, dass z.B. ein und derselbe Medieninhalt zuständigkeitsrechtlich unterschiedlich beurteilt würde, je nachdem, ob er sich in der Print-Ausgabe einer Zeitung oder in ihrer online-Ausgabe befindet.
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418 EuGH 7.3.1995 – C-68/93 – Slg. 1995 I-415 – NJW 1995, 1881 – Shevill. 419 Die allerdings auch dort schon umstritten war, s. Cour d’appel de Paris 19.3.1984, Rev. crit. droit int. privé 74 (1985) 141 m. krit. Anm. Gaudemet-Tallon sowie die Nachweise bei Audit Droit International Privé (5. Aufl. 2008) Rn. 345. 420 Zustimmend etwa Stein/Jonas/Wagner Art. 5 EuGVVO Rn. 170 m.w.N.; krit. jedoch Kreuzer/Klötgen IPRax 1997, 90; Coester-Waltjen FS Schütze (1999) 175; Stein/Jonas/Roth § 32 ZPO Rn. 4. 421 Für eine Anwendung der Mosaiktheorie auch im Lauterkeitsrecht etwa Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 411; Rauscher/Leible Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 92; Puhr S. 177 ff.; Lindacher S. 59; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 429. Der EuGH wendet die Mosaiktheorie unter Verweis auf die Territorialität des Urheberrechts auch bei urheberrechtlich relevanten Verstößen an: EuGH 3.10. 2013 – C-170/12 – Pinckney. 422 EuGH 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 300, 302 – eDate und Martinez = JZ 2012, 199 m. Anm. Hess S. 189 = NJW 2012, 137 m. Anm. Brand S. 127. 423 EuGH ebd.
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Schon das ist intuitiv kaum einleuchtend. Hinzu kommt, dass eine solche Differenzierung bedeuten würde, dass ein Verletzter wesentlich besser gestellt ist, wenn er durch eine Internetveröffentlichung geschädigt ist – dann steht ihm nämlich der unbeschränkte Tatortgerichtsstand an seinem „Interessenmittelpunkt“, d.h. regelmäßig an seinem Heimatort zur Verfügung – als wenn er durch ein Printmedium geschädigt wird. Dies mag man mit der potentiell größeren Breitenwirkung des Internets begründen.424 Im konkreten Falle kann aber eine Veröffentlichung in einem auflagenstärken Printmedium aus Sicht des Verletzten durchaus als belastender empfunden werden als eine Mitteilung auf einer möglicherweise obskuren und wenig frequentierten Webseite. Aus diesen Gründen ist daher eine kategoriale Unterscheidung zwischen Print- und Online-Medien im Zuständigkeitsrecht abzulehnen. Dies bedeutet wiederum, dass die Martinez-Entscheidung sinnvollerweise nur als teilweises overruling der Shevill-Entscheidung verstanden werden kann.425 Es sollten heute jedenfalls im Bereich des Persönlichkeitsrechts wohl nur noch die im Martinez-Urteil geschaffenen neuen Regeln angewandt werden. 190
cc) Konsequenzen für das Lauterkeitsrecht. Für das Lauterkeitsrecht bedeutet dies nun folgendes: Am Handlungsort (dazu oben Rn. 174) besteht ohnehin keinerlei Beschränkung der Kognitionsbefugnis, d.h. hier kann über den weltweit eingetretenen Schaden sowie über einen unbeschränkt geltenden Unterlassungsantrag befunden werden. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob man Shevill und/oder Martinez für lauterkeitsrechtlich relevant hält, weil auch diese Urteile in Bezug auf den Handlungsort keine Einschränkungen enthalten. Die Frage ist demnach, ob an den einzelnen Erfolgsorten – d.h. in der Regel auf den betroffenen nationalen Märkten – eine Einschränkung der Kognitionsbefugnis im Sinne von Shevill und/oder Martinez bestehen sollte. Dafür gibt es im wesentlichen zwei Argumente: Erstens kann man die zur Begründung der ShevillEntscheidung vorgetragenen Argumente theoretisch auch auf das Lauterkeitsrecht übertragen, dass nämlich bei Streudelikten die Möglichkeiten des forum shopping verringert werden sollten und das jeweils das sachnächste Gericht über den im Forumstaat eingetretenen Schaden entscheiden sollte. 426 Dagegen ist aber einzuwenden, dass der Gesichtspunkt der Sachnähe von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen kann und dass dieser ja auch bei der umfassenden Kognitionsbefugnis am Handlungsort eher in den Hintergrund rückt. Hinsichtlich des möglichen forum shopping bei lauterkeitsrechtlichen Fällen wird mit Recht darauf hingewiesen, dass jedenfalls die materiell-rechtlichen Konsequenzen unterschiedlicher Gerichtsstände innerhalb der EU angesichts der weitgehenden materiell-rechtlichen (UGPRL) und kollisionsrechtlichen (Art. 6 Rom II-VO) Harmonisierung eher gering sein werden.427 Das zweite Argument ist historischer Art: Anscheinend ist der Normgeber des Art. 6 Rom II-VO selbst von der Geltung des Mosaikprinzips im Internationalen Wettbewerbsverfahrensrecht ausgegangen und wollte – jedenfalls für das Kartellrecht – dieses durch die Sonderregel des Art. 6 Abs. 3b) Rom II-VO kollisionsrechtlich ergänzen.428 Allerdings sind bloße rechtsdogmatische Vermutungen
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424 EuGH ebd. 425 In diesem Sinne wohl auch Musielak/Stadler Art. 5 EuGVVO Rn. 25: EuGH „distanziert sich“ damit von seiner „missglückten Mosaiktheorie“; gegen eine Differenzierung zwischen offline- und online-Medien auch Brand NJW 2012, 127, 129; W.-H. Roth IPRax 2013, 215, 221; v. Hinden ZEuP 2012, 940, 950. 426 Berger GRUR Int. 2005, 465, 468 f.; Glöckner WRP 2005, 795, 799f.; Puhr S. 172 ff.; MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 429 (Mosaikprinzip sei „zu einem strukturellen Element des Erfolgsortsgerichtsstands“ erhoben werden); Lindacher S. 59. 427 Mit Recht hält daher Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 85 die Verhinderung von forum shopping im Lauterkeitsrecht für „rechtspolitisch wenig zwingend“. 428 Mankowski RIW 2008, 177, 188.
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bei der Vorbereitung von Gesetzen nicht bindend, zumal dann nicht, wenn es um eine von dem betreffenden Gesetz gar nicht geregelte Materie – nämlich hier das Verfahrensrecht – geht. Hinzu kommt schließlich, dass der europäische Normgeber jederzeit die Mosaiktheorie in Art. 5 EuGVO hätte verankern können, wenn er sie denn für allgemeingültig hielte. Daher gibt es keine zwingenden historischen oder systematischen Argumente für eine Erstreckung der Shevill/Martinez-Rechtsprechung auf lauterkeitsrechtliche Fälle. Auch der Sache nach ist eine solche Übertragung der Mosaiktheorie auf das Lau- 191 terkeitsrecht abzulehnen. Ein bedeutender Unterschied zwischen dem Schutz der Persönlichkeit und dem Schutz des lauteren Wettbewerbs besteht in der Marktortbezogenheit des Lauterkeitsrechts. Anders als bei Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts – wo es tendenziell unbeschränkt viele Erfolgsorte gibt, weil das geschützte Rechtsgut eher diffus und schwer zu fassen ist429 – besteht bei lauterkeitsrechtlichen Delikten, die über eine Medienöffentlichkeit begangen werden, ein Erfolgsort im Grundsatz immer nur am Ort der betroffenen Märkte, so dass hier kein weiteres Bedürfnis nach einer Eingrenzung der richterlichen Kompetenz an diesen Marktorten besteht. Ein weiterer Gegensatz besteht in der weitgehenden Harmonisierung des Lauterkeitsrechts innerhalb der EU, die abweichende Entscheidungen abhängig vom Ort des angerufenen Gerichts kaum befürchten lässt. Dies ist im Bereich des Persönlichkeitsschutzes ganz anders: Dort gibt es weder eine kollisionsrechtliche Harmonisierung – wegen Art. 1 Abs. 2g) Rom II-VO – noch eine nennenswerte sachrechtliche Harmonisierung.430 Auch die vom Europäischen Gerichtshof im Martinez-Urteil vorgenommene Differenzierung zwischen einem zuständigkeitsrechtlich privilegierten Haupt-Erfolgsort am (im Normalfall) Wohnsitz des Verletzten und zuständigkeitsrechtlich weniger relevanten – und daher in der Kognitionsbefugnis beschränkten – Neben-Erfolgsorten in sonstigen Verbreitungsstaaten ist für das Persönlichkeitsrecht in gewisser Weise nachvollziehbar, weil die Persönlichkeit eben doch in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld mehr Schutz verdient als in fernen Ländern, in denen der Verletzte kaum bekannt sein mag. Für das Lauterkeitsrecht passt eine solche Differenzierung aber nicht, weil dieses nicht primär das soziale Ansehen des geschädigten Unternehmens im Blick hat, sondern eine marktordnende Funktion unabhängig von der Herkunft der Konkurrenten erfüllen soll. Somit besteht bei lauterkeitsrechtlichen Delikten für die Gerichte in den Mitgliedstaaten, auf deren Markt sich das inkriminierte Verhalten auswirkt, auch keinerlei Beschränkung ihrer Kognitionsbefugnis, auch nicht im Sinne einer Mosaiktheorie. Soweit die möglicherweise herrschende Auffassung in der Literatur dies anders sieht 192 und die Mosaiktheorie entgegen der hier vertretenen Meinung auch im Lauterkeitsrecht anwenden möchte, müsste sie sich aber nicht nur mit Shevill, sondern nun auch mit Martinez auseinandersetzen. Dann wäre insbesondere zu fragen, wie der „Mittelpunkt der Interessen“ des Verletzten im Sinne von Martinez zu bestimmen wäre. Anders als im Persönlichkeitsrecht kommt im Lauterkeitsrecht dafür aufgrund seiner marktbezogenen Funktion gerade nicht der Sitz des Verletzten in Betracht. Man könnte in entsprechender Anwendung der Martinez-Regeln im Bereich des Lauterkeitsrechts allenfalls an einen Hauptmarkt denken, auf dem der Schwerpunkt der Verletzung liegt und vor dessen Gerichten dann keine Beschränkung der Kognitionsbefugnis bestünde, und an Nebenmärk-
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429 Vgl. dazu grundsätzlich von Hinden Persönlichkeitsverletzungen im Internet (1999). 430 Der Rechtsprechung des EMRK zum Konflikt zwischen Pressefreiheit und Achtung des Privatlebens wohnt zwar ein enormes europaweites Harmonisierungspotential inne, dieses ist aber bisher erst punktuell realisiert worden; zum Vorschlag sekundärrechtlicher Harmonisierung vgl. den Entwurf einer „Datenschutz-Grundverordnung“ der EU vom 25.1.2012, KOM (2012) 11 endg.
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te, vor deren Gerichten nur der im Forumstaat eingetretene Schaden bzw. ein entsprechend beschränkter Unterlassungsantrag behandelt werden dürfte. Allerdings wird eine derartige Unterscheidung nicht in jedem Fall sinnvoll möglich sein. Auch diese Problematik zeigt erneut, dass sich die Shevill/Martinez-Rechtsprechung nicht für eine Anwendung auf das Lauterkeitsrecht eignet. 193
f) Besonderheiten bei Verbandsklagen? Verbandsklagen gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten fallen regelmäßig unter Art. 5 Nr. 3 EuGVO, da mit ihnen eine privatrechtlich ausgestaltete Kontrollbefugnis geltend gemacht wird, die sich nicht auf einen Vertrag stützt.431 In der Literatur wird allerdings erwogen, die Begriffe des Handlungsund Erfolgsortes bei Verbandsklagen anders zu interpretieren als bei Klagen eines individuell betroffenen Konkurrenten.432 Dabei ist die Definition des Erfolgsortes als Marktort weitgehend unproblematisch, denn es ist unbestritten, dass die inländischen Gerichte zuständig sind, wenn sich das mit der Verbandsklage gerügte Verhalten (auch) auf den inländischen Markt auswirkt.433 Andere Erfolgsorte als den Marktort wird es bei Verbandsklagen kaum geben, da die insoweit einschlägigen bilateralen Wettbewerbsverstöße (dazu oben Rn. 186) sich nur gegen Konkurrenten richten können und nicht gegen klagebefugte Verbände oder andere Einrichtungen. Der Verband selber ist ja gerade nicht in seinen individuellen Interessen betroffen.434 Hinsichtlich der Zuständigkeit am Handlungsort wird jedoch die Auffassung vertre194 ten, dass diese für eine Verbandsklage dann nicht gegeben sei, wenn sich die im Inland vorgenommene Handlung nur auf solche Märkte auswirkt, die außerhalb der EU liegen und die daher nicht vom Schutzauftrag der RL 98/27/EG umfasst seien.435 Soweit es um einen Beklagten mit einem Sitz in einem Drittstaat geht, gilt insoweit die EuGVO nicht, so dass auf die Ausführungen zu § 14 Abs. 2 UWG zu verweisen ist (unten Rn. 220). Geht es um Beklagte mit Sitz in der EU, so ist die EuGVO anwendbar und eine entsprechende Einschränkung ist weder im Wortlaut der Verordnung angelegt noch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ersichtlich.436 Auch die RL 98/27/EG macht zur Zuständigkeit der Gerichte keine Aussage,437 sondern soll nur ein Mindestniveau an Verbandsklagebefugnissen innerhalb der EU insbesondere im Hinblick auf grenzüberschreitende Verstöße sichern. Die Frage, ob sich eine vom nationalen Gesetzgeber geschaffene Kontrollbefugnis 195 nur auf solches Verhalten bezieht, das Auswirkungen auf dem inländischen Markt hat, ist insgesamt nicht als Frage der Zuständigkeit zu verstehen, sondern als Frage nach dem Umfang der geltend gemachten Befugnisse. Diese wiederum sind nach der hier vertretenen Ansicht prozessrechtlicher Natur, so dass es sich um eine von der Zuständigkeit zu trennende Frage der Prozessführungsbefugnis handelt (s. oben Rn. 100 ff.). Folgt man dagegen der in der lauterkeitsrechtlichen Literatur bisher vorherrschenden materiellrechtlichen Lehre vom eigenen Anspruch des Verbands, so handelt es sich um eine ma-
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431 EuGH 1.10.2002 – C-167/00 – Slg. 2002 I-8111 = NJW 2002, 3617 – VKI ./. Henkel; BGH 9.7.2009 – Xa ZR 19/08 – BGHZ 182, 24 Tz. 10 ff. = NJW 2009, 3371. 432 Lindacher S. 55 und ders. FS Nakamura (1996) 321, 329. 433 Lindacher S. 55. 434 Kohler S. 127 f. 435 Lindacher S. 55. 436 Im Gegenteil: Der EuGH stellt im zur Verbandsklage ergangenen Urteil VKI ./. Henkel die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 3 audrücklich im Sinne des Mines de Potasse d’Alsace-Urteils fest, d.h. er geht zumindest stillschweigend von der Maßgeblichkeit von Handlungs- und Erfolgsort aus, s. EuGH 1.10.2002 – C-167/00 – Slg. 2002 I-8111 = NJW 2002, 3617 – VKI ./. Henkel. 437 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 und Art. 2 Abs. 2 der Rl. 98/27.
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teriell-rechtliche Frage nach dem Inhalt dieses Anspruchs, nämlich ob dieser sich auch auf im Ausland wirkendes Verhalten beziehen soll und welches Recht dann ggf. anzuwenden wäre (s. oben Rn. 101). Auch dies sind aber keine Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit. Daher gibt es hinsichtlich der Tatortzuständigkeit des Art. 5 Nr. 3 EuGVO für Verbandsklagen keine Besonderheiten. Insbesondere besteht auch eine Zuständigkeit am Ort der deliktischen Handlung, ohne dass damit die beschriebenen Fragen nach Inhalt und Grenzen der geltend gemachten Verbandsklagebefugnis präjudiziert wären. 5. Gerichtsstand der Niederlassung (Art. 5 Nr. 5 EuGVO). Der in Art. 5 Nr. 5 EuG- 196 VO geregelte Gerichtsstand der Niederlassung ist ein weiterer besonderer Gerichtsstand, der nach Wahl des Klägers zusätzlich zum allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 EuGVO eröffnet ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die EuGVO überhaupt anwendbar ist, d.h. es muss sich nicht nur die Niederlassung, sondern auch der Sitz ihres Inhabers – also des Beklagten, denn der Niederlassungsgerichtsstand gilt nicht für Aktivprozesse der Niederlassung bzw. ihres Inhabers438 – innerhalb der EU befinden. Andernfalls gilt das autonome Zivilverfahrensrecht, d.h. in Wettbewerbssachen § 14 UWG; nur soweit dieser nicht einschlägig ist, kommt § 21 ZPO zur Anwendung. Im Rahmen des Art. 5 Nr. 5 EuGVO sind die in der Vorschrift verwendeten Begriffe 197 der „Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung“ europarechtlich-autonom auszulegen;439 sie ist daher nicht mit den entsprechenden Begriffen in § 14 UWG und § 21 ZPO identisch. Allerdings kommt eine Parallele zu den ebenfalls europarechtlich-autonom zu verstehenden Begriffen der Niederlassung in Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO und Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Rom II-VO in Betracht.440 Auch nach einem solchen europarechtlichen Verständnis ist eine Niederlassung aber eine unselbständige Unternehmenseinheit, d.h. eine „Außenstelle eines Stammhauses.“441 Eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft ist daher keine Niederlassung im Sinne dieser Vorschrift. 442 Allerdings kommt Art. 5 Nr. 5 EuGVO zum Schutze der auf einen Rechtsschein vertrauenden Personen trotzdem zur Anwendung, wenn die konzernrechtliche Struktur nach außen nicht deutlich wird und die eine Konzerngesellschaft so auftritt, als handele sie als Außenstelle einer anderen Konzerngesellschaft.443 Bei Wettbewerbsverstößen durch die betreffende Niederlassung wird häufig zu- 198 gleich am Ort der Niederlassung auch ein Handlungs- oder Erfolgsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO vorliegen, so dass Art. 5 Nr. 5 EuGVO in derartigen Fällen zwar auch einschlägig ist, aber keinen zusätzlichen Gerichtsstand schafft. Allerdings kann Art. 5 Nr. 5 EuGVO eigenständige Bedeutung in solchen Fällen erlangen, in denen die wettbewerbswidrige Handlung zwar dem Betrieb der Niederlassung zugerechnet werden kann, jedoch Handlungs- und Erfolgsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO auf einem anderen Markt außerhalb des Staates der Niederlassung liegen.444
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438 Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 101 m.w.N. 439 EuGH 22.11.1978 – 33/78 – Slg. 1978, 2183 Tz. 8 – Somafer. 440 Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 102. 441 EuGH 22.11.1978 – 33/78 – Slg. 1978, 2183 Tz. 12 – Somafer. 442 Rauscher/Leible Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 107 m.w.N.; a.A. jedoch Magnus/Mankowski Art. 5 Brussels I Regulation Rn. 281. 443 EuGH 9.12.1987 – 218/86 – Slg. 1987, 4905 Tz. 16 – Schotte = IPRax 1989, 96 m. Anm. Kronke S. 81; zustimmend und jeweils m.w.N. Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 108; Fezer/Hausmann/Obergfell Rn. 422. 444 Kropholler/von Hein Art. 5 EuGVO Rn. 111; vgl. Pulkowski IPRax 2004, 543.
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6. Gerichtsstand der Konnexität in Mehrpersonenverhältnissen (Art. 6 Nr. 1 EuGVO). Neben Art. 5 EuGVO bietet auch Art. 6 EuGVO zusätzliche besondere Gerichtsstände, die nach Wahl des Klägers anstelle des allgemeinen Gerichtsstands des Art. 2 EuGVO genutzt werden können. Allen Varianten des Art. 6 EuGVO ist gemeinsam, dass sie bestimmte Fälle der Konnexität beschreiben, die eine einheitliche Behandlung vor einem Gericht rechtfertigt. Die Regelung des Art. 6 EuGVO ist abschließend, d.h. es gibt über die in dieser Vorschrift geregelten Fälle hinaus im Anwendungsbereich der EuGVO keine sonstige Möglichkeit, einen Gerichtsstand kraft Sachzusammenhangs zu begründen.445 Von den in Art. 6 EuGVO geregelten vier Alternativen soll hier nur Art. 6 Nr. 1 EuGVO 200 in den Blick genommen werden, da dieser in lauterkeitsrechtlichen Fällen mit einer Mehrzahl von Parteien eine Rolle spielen kann. Diese Vorschrift setzt voraus, dass einer der Beklagten an seinem Wohnsitz verklagt wird – diese Klage wird auch als „Ankerklage“446 bezeichnet – und erlaubt dann, an demselben Gerichtsstand auch andere Beklagte zu verklagen, sofern zwischen den Klagen eine ausreichend „enge Beziehung“ besteht. Ob Art. 6 Nr. 1 EuGVO auch gegenüber Beklagten aus Drittstaaten Wirkung entfaltet, ist bisher noch ungeklärt, sollte aber im Interesse der Prozessökonomie bejaht werden, zumal kein Grund für eine Privilegierung dieser Beklagten gegenüber EU-Beklagten ersichtlich ist.447 Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Anforderungen an die 201 für die Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVO notwendige Konnexität ist allerdings bisher noch nicht recht aussagekräftig.448 Zeitweise hatte der Gerichtshof geurteilt, dass mehrere angebliche Patentverletzungen durch Schwestergesellschaften nicht in diesem Sinne ausreichend eng verbunden seien, da die jeweilige Patentverletzung nach unterschiedlichen nationalen Patentrechten zu beurteilen sei.449 In jüngerer Zeit sieht der Gerichtshof nun aber in unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen für die jeweiligen Klagen kein Hindernis mehr und bejaht bei ausreichend enger Verbindung des Sachverhalts den Konnexitätsgerichtsstand des Art. 6 Nr. 1 EuGVO.450 Dieser sei etwa auch dann gegeben, wenn mehrere Verlage aus verschiedenen Mitgliedsstaaten wegen Urheberrechtsverletzungen bezüglich derselben Fotografien in Anspruch genommen werden, auch wenn sich die jeweiligen Ansprüche aus unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Urheberrechtsnormen ergeben.451 Auch im Kartellrecht kann Art. 6 Nr. 1 EuGVO zur Anwendung kommen, wenn Schadensersatzansprüche gegen mehrere Kartellteilnehmer geltend gemacht werden.452 Im Lauterkeitsrecht ist Art. 6 Nr. 1 EuGVO anwendbar, wenn sich die Klage gegen Wettbewerbsverstöße richtet, die von mehreren Mitbewerbern als Mit- oder Nebentäter begangen wurden.453
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445 Kropholler/von Hein Art. 6 EuGVO Rn. 1; vgl. auch EuGH 24.6.1981 – 150/80 – Slg. 1981, 1671 Tz. 19 f. = RIW 1981, 709 – Elefanten Schuh; EuGH 11.10.2007 – C-98/06 – Slg. 2007 I-8319 = NJW 2007, 3702 – Freeport. 446 Musielak/Stadler Art. 6 EuGVVO Fn. 14. 447 Ausführlich Kropholler/von Hein Art. 6 EuGVO Rn. 7; Rauscher/Leible Art. 6 Brüssel I-VO Rn. 7. 448 Musielak/Stadler ebd. Rn. 2 bemängelt mit Recht das Fehlen „genauerer Leitlinien“; kritische Betrachtung auch bei Althammer IPRax 2008, 228, 230. 449 EuGH 13.7.2006 – C-539/03 – Slg. 2006 I-6535 Tz. 35 = – Roche Nederland. 450 EuGH 11.10.2007 – C-98/06 – Slg. 2007 I-8319 = NJW 2007, 3702 – Freeport. 451 EuGH 1.12.2011 – C-145/10 – GRUR 2012, 166, 168 – Painer. 452 Vgl. das laufende Verfahren zum Bleichmittelkartell LG Dortmund 13 O 23/09; für die Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVO in derartigen Fällen Mankowski RIW 2008, 177, 191; Hess IPRax 2010, 116, 118; ausführliche und differenzierte Betrachtung bei Basedow/Heinze in: FS Möschel (2011) 63 ff. 453 MünchKommUWG/Mankowski Int WettbewR Rn. 442; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 427.
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Im Hinblick auf de lege ferenda mögliche oder bereits nach ausländischem Recht zu- 202 lässige Sammelklagen kann Art. 6 Nr. 1 EuGVO ebenfalls eine Rolle spielen. So stützt das Berufungsgericht in Amsterdam sich auf diese Vorschrift, um eine Zuständigkeit auch gegenüber abwesenden Personen zu begründen, die von der Wirkung eines gerichtlich genehmigten Vergleich nach dem niederländischen WCAM-Verfahren (Wet Collectieve Afwikkeling Massaschade) betroffen sind.454 7. Gerichtsstandsvereinbarungen (Art. 23 EuGVO). Gerichtsstandsvereinbarun- 203 gen spielen im Lauterkeitsrecht zumindest insoweit eine Rolle, als sie Teil von Unterwerfungserklärungen oder sonstigen vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich der Duldung oder des Verbots eines Verhaltens sind. Die Regelung des Art. 23 EuGVO zu Gerichtsstandsvereinbarungen findet nach ihrem Wortlaut jedenfalls immer dann Anwendung, wenn bei Sachverhalten mit Auslandsberührung mindestens eine der Parteien ihren Sitz in der EU hat und die Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts vereinbart wird. Darüber hinaus ist der genaue Anwendungsbereich dieser Vorschrift aber sehr umstritten.455 So wird z.B. in der Literatur die Auffassung vertreten, dass Art. 23 EuGVO über seinen Wortlaut hinaus auch dann anzuwenden sei, wenn mindestens eine der Parteien ihren Sitz in der EU hat, aber die Zuständigkeit eines Gerichts in einem Nicht-EU-Staat vereinbart wird; nur so könne die Abwahl der mitgliedstaatlichen Gerichte nach den Maßstäben des Art. 23 EuGVO einheitlich kontrolliert werden.456 Es ist zu hoffen, dass in Zukunft einheitliche europäische Regeln für alle internationalen Zuständigkeitsvereinbarungen geschaffen werden.457 Dies kann entweder durch die geplante Neufassung der EuGVO geschehen oder auch durch das Inkrafttreten des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen (oben Rn. 40). In der gegenwärtigen Lage ist der Praxis jedenfalls zu raten, angesichts der bestehenden Unsicherheiten für jede Gerichtsstandsvereinbarung auch die Anforderungen des Art. 23 EuGVO zu beachten. Diese Anforderungen bestehen insbesondere in der Einigung über die Vereinbarung 204 und in der Beachtung bestimmter Formerfordernisse. Die Einigung über die Gerichtsstandsvereinbarung ist getrennt vom Bestehen des Hauptvertrags zu beurteilen458 und europarechtlich-autonom zu prüfen, d.h. ohne Rücksicht auf ein nationales Vertragsrecht.459 Der notwendige Konsens der Parteien ist hier „ein europäisches Konzept“.460 Auch das im Begriff des Konsenses enthaltene Erfordernis der freien Willensbildung ist nach europarechtlichen Maßstäben zu überprüfen.461 Nur für komplexere Fragen, welche die Wirksamkeit der Einigung betreffen – etwa Geschäftsfähigkeit, Vertretungsmacht oder Willensmängel – darf und muss mangels europarechtlicher Regelung auf das nach
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454 Gerechtshof Amsterdam 29.5.2009 – 106.010.887 – NIPR 2010, 71 – Shell; Gerechtshof Amsterdam 12.11.2010 – 200.070.039/01 – NIPR 2011, 85 – Converium; dazu Halfmeier NIPR 2012, 176 sowie ausführlich zum WCAM Mom Kollektiver Rechtsschutz in den Niederlanden (2011) S. 311 ff. 455 Ausführliche Darstellungen etwa bei Kropholler/von Hein Art. 23 EuGVO Rn. 1 ff.; Rauscher/ Mankowski Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 2 ff. 456 Rauscher/Mankowski ebd. Rn. 3b; Musielak/Stadler Art. 23 EuGVVO Rn. 2 m.w.N.; a.A. aber die Rechtsprechung zur Vorläufervorschrift des Art. 17 EuGVÜ, die in diesen Fällen das autonome Recht zu Gerichtsstandsvereinbarungen (§ 38 ZPO) zur Anwendung brachte, vgl. BGH 20.1.1986 – II ZR 56/85 – NJW 1986, 1438, 1439 m. krit. Anm. Geimer; BGH 24.11.1988 – III ZR 150/87 – NJW 1989, 1431, 1432. 457 Kropholler/von Hein Art. 23 EuGVO Rn. 10. 458 EuGH 3.7.1997 – C-269/95 – Slg. 1997 I-3767 Tz. 28 – Benincasa = JZ 1998, 896 m. Anm. Mankowski. 459 EuGH 9.12.2003 – C-116/02 – Slg. 2003 I-14693 Tz. 51 = IPRax 2004, 243 – Gasser; BGH 15.2.2007 – I ZR 40/04 – BGHZ 171, 141 = NJW 2007, 2036, 2038 m.w.N. 460 Rauscher/Mankowski Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 39 unter Verweis auf britische Rspr. 461 Leible/Röder RIW 2007, 481, 483 ff.
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dem Kollisionsrecht des Forumstaates (d.h. in der Regel die Rom I-VO) zu ermittelnde Vertragsstatut zurückgegriffen werden.462 Die notwendige Form der Gerichtsstandsvereinbarung ist in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 205 EuGVO geregelt. Für lauterkeitsrechtliche Unterwerfungsvereinbarungen wird in der Regel die Schriftform gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 a) EuGVO empfehlenswert sein, da entsprechende Gepflogenheiten (lit. b desselben Satzes der Vorschrift) oder gar Handelsbräuche (lit. c) kaum bestehen. Auch hier handelt es sich um einen europarechtlichautonomen Begriff der Schriftlichkeit; § 126 BGB gilt daher nicht. Die Willenserklärungen beider Parteien müssen nicht in ein und derselben Urkunde enthalten sein, sondern es genügt ein Briefwechsel.463 Dieser kann wegen Art. 23 Abs. 2 EuGVO auch per Telefax oder per e-mail formwirksam stattfinden.464 Ebenso wie sämtliche andere Verträge, die auf rechtliche Durchsetzung abzielen, 206 sind auch Gerichtsstandsvereinbarungen nicht schrankenlos möglich. Sie unterliegen vielmehr einer Missbrauchskontrolle insbesondere im Hinblick darauf, dass mit ihnen international zwingende Normen im Sinne von Art. 9 Rom I-VO und Art. 16 Rom II-VO nicht ihrer Wirkung beraubt werden dürfen.465 8. Zuständigkeit kraft rügeloser Einlassung (Art. 24 EuGVO). Eine Prüfung der internationalen Zuständigkeit von Amts wegen sieht die EuGVO nur in zwei Ausnahmefällen vor: erstens zum Schutze der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 EuGVO, d.h. das angerufene Gericht muss gemäß Art. 25 EuGVO überprüfen, ob nicht eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats gegeben ist. Außerdem muß das Gericht gemäß Art. 26 Abs. 1 EuGVO seine internationale Zuständigkeit von Amts wegen prüfen, wenn sich der Beklagte überhaupt nicht auf das Verfahren einlässt, d.h. in der Regel vor Erlass einer Säumnisentscheidung. Im übrigen ist es Sache des Beklagten, das Fehlen der internationalen Zuständigkeit zu rügen, um zu vermeiden, dass das angerufene Gericht kraft rügeloser Einlassung gemäß Art. 24 EuGVO international zuständig wird. Auch die örtliche Zuständigkeit kann über diesen Weg begründet werden, soweit die Klage in einem Gerichtsstand erhoben wird, bei dem die EuGVO nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit regelt.466 208 Eine Einlassung auf das Verfahren liegt jedoch nicht bereits in der bloßen Anzeige der Verteidigungsbereitschaft gemäß § 276 Abs. 1 ZPO.467 Erhebt der Beklagte jedoch Einwände gegen die Klage, so liegt eine Einlassung gemäß Art. 24 EuGVO vor, und zwar auch bei bloßer Bezugnahme auf eine angebliche Unzulässigkeit der Klage ohne Ausführungen zur Begründetheit.468 Eine hilfsweise Einlassung ist aber für den Beklagten unschädlich, solange er die internationale Zuständigkeit entweder ausdrücklich rügt oder zumindest aus seinem Vortrag erkennbar ist, dass er auch das Fehlen der internationalen Zuständigkeit geltend machen will. Insoweit ist in der Rüge der örtlichen Zuständigkeit im Zweifel auch die Rüge der internationalen Zuständigkeit enthalten.469 207
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462 Rauscher/Mankowski Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 41 m.w.N. 463 BGH 9.3.1994 – VIII ZR 185/92 – NJW 1994, 2699, 2700; Kropholler/von Hein Art. 23 EuGVO; Musielak/Stadler Art. 23 EuGVVO Rn. 7 m.w.N. 464 Rauscher/Mankowski Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 38 m.w.N. 465 Vgl. zum autonomen deutschen Recht OLG München 17.5.2006 – 7 U 1781/06 – IPRax 2007, 322 m. Anm. Rühl S. 294; ausführlich aus europarechtlicher Sicht Leible/Röder RIW 2007, 481 ff. 466 Kropholler/von Hein Art. 24 EuGVO Rn. 6 mw.N. 467 LG Frankfurt 15.5.1990 – 3/11 O 158/89 – EuZW 1990, 581 m. Anm. Mittelstädt. 468 Zöller/Geimer Art. 24 EuGVVO Rn. 5 m.w.N. 469 BGH 1.6.2005 – VIII ZR 256/04 – IPRax 2006, 594 m. Anm. Leible/Sommer S. 568.
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Der genaue Zeitpunkt, bis zu dem der Beklagte die Rüge der Unzuständigkeit des 209 Gerichts erhoben haben muss, ergibt sich aus dem Verfahrensrecht des Forumstaats; die Rüge muss aber spätestens mit der Stellungnahme erhoben werden, die nach der lex fori als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist.470 Für Deutschland bedeutet dies, dass die Rüge bereits in der Klageerwiderung gemäß § 277 ZPO enthalten sein muss, sofern der Beklagte eine solche einreicht.471 Äußert sich der Beklagte aber zunächst gar nicht, so kann er auch noch bei einer späteren ersten Äußerung wirksam die Rüge der Unzuständigkeit des Gerichts erheben; die Anwendung der Verspätungsvorschriften kommt insoweit nicht in Betracht.472 Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist Art. 24 EuGVO nicht anwend- 210 bar, so dass das angerufene Gericht selbst bei rügeloser Einlassung des Antragsgegners nicht von den Beschränkungen des Art. 31 EuGVO befreit ist.473 XII. Internationale Zuständigkeit nach LugÜ 1. Anwendungsbereich. Im Verhältnis zu Norwegen, Island und der Schweiz fin- 211 det das Lugano-Übereinkommen heute in seiner Fassung von 2007 Anwendung (s. oben Rn. 37), da diese Staaten das LugÜ 2007 inzwischen alle ratifiziert haben.474 Das LugÜ in seiner älteren Fassung von 1988 hat daher nur noch für Altfälle Bedeutung. 2. Weitgehende Identität mit der EuGVO. Mit dem LugÜ 2007 wurde das LugÜ im 212 Wesentlichen an die Veränderungen angepasst, die mit dem Wechsel vom EuGVÜ zur EuGVO verbunden waren; daher ist das LugÜ 2007 heute weitgehend mit der EuGVO identisch.475 Es gelten daher sinngemäß die vorstehenden Ausführungen zu den Zuständigkeitsnormen der EuGVO. Die verbleibenden Abweichungen im Zuständigkeitsrecht betreffen das Lauterkeitsrecht nicht. Interessant ist insoweit allenfalls, dass in Art. 22 Nr. 4 LugÜ 2007 die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof zu Art. 22 Nr. 4 EuGVO kodifiziert wurde, nach der sich dieser ausschließliche Gerichtsstand auch dann durchsetzt, wenn die Ungültigkeit eines Patents oder anderen Schutzrechts im Wege der Einrede gegenüber einer Verletzungsklage geltend gemacht wird (s. oben Rn. 160). XIII. Autonomes deutsches Recht der internationale Zuständigkeit 1. Anwendungsbereich und Grundsatz der Doppelfunktionalität. Soweit weder 213 EuGVO noch das LugÜ anwendbar sind, gelten für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte die Regeln des autonomen deutschen Rechts. Dies ist – vorbehaltlich einer entsprechenden Änderung der EuGVO – derzeit vor allem dann der Fall, wenn der Beklagte seinen Sitz weder innerhalb der EU noch in Island, Norwegen oder der Schweiz hat.
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470 EuGH 24.6.1981 – 150/80 – Slg. 1981, 1671 Tz. 16 = NJW 1982, 507 – Elefanten Schuh. 471 OLG Hamm 2.10.1998 – 29 U 212/97 – RIW 1999, 540; OLG Frankfurt/M. 9.9.1999 – 4 U 13/99 – IPRax 2000, 525 m. Anm. Kulms S. 488. 472 Vgl. zu § 39 ZPO BGH 21.11.1996 – IX ZR 264/95 – BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397, 399. 473 EuGH 27.4.1999 – C-99/96 – Slg. 1999 I-2277 Tz. 52 – Mietz = EuZW 1999, 727, 730; Kropholler/ von Hein Art. 24 EuGVO Rn. 7. 474 Ausführlich zur Historie des LugÜ Kropholler/von Hein Einl EuGVO Rn. 82 ff. Für Norwegen gilt das LuGÜ 2007 schon seit dem 1.1.2010, für die Schweiz seit 1.1.2011 und für Island seit 1.5.2011. 475 Zu den Abweichungen im Detail Kropholler/von Hein Einl EuGVO Rn. 94 ff.; hilfreich auch die optische Darstellung der Abweichungen im Text des LugÜ 2007 bei Rauscher/Staudinger Einl LugÜbk 2007 nach Rn. 30.
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Im deutschen Zivilverfahrensrecht gibt es allerdings kaum Vorschriften, die explizit die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte regeln. Es gilt stattdessen der Grundsatz der Doppelfunktionalität, d.h. die Normen über die örtliche Zuständigkeit werden zugleich zur Beurteilung der internationalen Zuständigkeit herangezogen.476 Dies gilt insbesondere für lauterkeitsrechtliche Ansprüche, da § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG schon von seinem Wortlaut her deutlich macht, dass er auch die internationale Zuständigkeit mit regeln möchte. Daher kann unter Berücksichtigung der folgenden Ergänzungen hier im wesentlichen auf die Kommentierung zu § 14 verwiesen werden.
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2. Allgemeiner Gerichtsstand. Auch das deutsche Recht folgt mit den Regeln zum allgemeinen Gerichtsstand in §§ 12 ff. ZPO dem Grundsatz actor sequitur forum rei. In diesem Gerichtsstand können Klagen jedweder Art erhoben werden, soweit nicht ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß §§ 24, 29a, 32a oder 32b ZPO eingreift, die aber im Lauterkeitsrecht regelmäßig nicht relevant sein werden. Stattdessen gilt im Lauterkeitsrecht die gegenüber §§ 12 ff. ZPO als lex specialis vorrangige Regel des § 14 UWG.
3. Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes. Ebenso wie das europäische Recht in Art. 5 Nr. 1 EuGVO (dazu oben Rn. 147 ff.) kennt auch das autonome deutsche Zuständigkeitsrecht in § 29 ZPO einen Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen. Dieser Gerichtsstand kann in lauterkeitsrechtlichen Fällen insbesondere dann relevant werden, wenn sich die Klage auf einen Unterwerfungsvertrag stützt und aus diesem Vertrag die Zahlung einer Vertragsstrafe verlangt wird. Die Anwendung des § 29 ZPO auf derartige Klagen wegen „unterwerfungskonträrem Verhalten“477 hängt davon ab, ob man den als lex specialis im Grundsatz vorrangigen § 14 UWG auch auf derartige „vertragsrechtliche“ Ansprüche anwenden möchte. Die wohl herrschende Auffassung lehnt dies ab und grenzt vertraglich begründete Ansprüche aus dem Anwendungsbereich des § 14 UWG aus.478 Folgt man dieser Ansicht, so kommt für derartige Klagen – ggf. in Ermangelung einer Gerichtsstandsvereinbarung – neben dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten auch der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO in Betracht. Hinter dieser Problematik steht die Streitfrage, ob man die lauterkeitsrechtliche Un217 terwerfungserklärung als kausales (deklaratorisches) oder abstraktes (konstitutives) Schuldanerkenntnis einordnet.479 Ist sie kausaler Natur, so bestätigt sie nur den bestehenden deliktsrechtlichen Unterlassungsanspruch und belässt es damit bei den entsprechenden Zuständigkeiten aus § 14 UWG, d.h. es kann am Begehungsort der Wettbewerbshandlung sowohl der durch die erneute Zuwiderhandlung begründete deliktsrechtliche Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden wie auch die Vertragsstrafe als dessen Nebenfolge.480 Wertet man dagegen die Unterwerfungserklärung mit der wohl herrschenden Meinung als abstraktes Schuldanerkenntnis, so ist zwar für einen durch
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476 Unbestritten seit BGH 14.6.1965 – GSZ 1/65 – BGHZ 44, 46 = NJW 1965, 1665 = JZ 1966, 237 m. Anm. Neuhaus; vgl. Schack Rn. 266 m.w.N. 477 So die treffende Bezeichnung bei Lindacher S. 63 ff. 478 OLG Rostock 7.12.2004 – 2 UH 4/04 – GRUR-RR 2005, 176; Teplitzky Kapitel 45 Rn. 5; Köhler/ Bornkamm § 14 Rn. 4 m.w.N.; ebenso zur vergleichbaren Problematik des § 6 UKlaG Rieble JZ 2009, 716, 721; a.A. jedoch Fezer/Büscher § 14 Rn. 7 sowie zu § 6 UKlaG Stillner VuR 2011, 160; Ulmer/Brandner/ Hensen/Witt AGB-Recht (11. Aufl. 2010) § 6 UKlaG Rn. 1; MünchKommZPO/Micklitz § 6 UKlaG Rn. 4. 479 Dazu Lindacher FS Kerameus (2009) 709, 711. 480 Lindacher S. 63 f., der den Anspruch auf die Vertragsstrafe als accessorium wertet und sich auf die „kompetenzrechtliche Regel accesorium sequitur principale“ beruft.
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die Zuwiderhandlung neu auflebenden deliktsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Tatortgerichtsstand gegeben, nicht aber für den bei dieser Sicht allein vertragsrechtlich begründeten Anspruch auf die Vertragsstrafe. Für letzteren käme dann – neben dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten – als zusätzlicher Gerichtsstand nur derjenige des Erfüllungsorts gemäß § 29 ZPO in Betracht. Im Ergebnis ist dieser herrschenden Meinung zu folgen, die den Anspruch auf Zah- 218 lung einer Vertragsstrafe als genuin vertragsrechtlich behandelt und ihn daher aus dem Anwendungsbereich des § 14 UWG ausgrenzt. Dafür spricht vor allem der Wortlaut des § 14 UWG, der von Klagen „auf Grund dieses Gesetzes“ spricht. Da das UWG aber keine Strafzahlungen an den Verletzten vorsieht, sind solche Zahlungsverpflichtungen, die qua Unterwerfungserklärung begründet werden, auch nicht „auf Grund“ des UWG begründet, sondern können ihren Grund nur im Vertragsrecht finden, welches wiederum zur Anwendung von § 29 ZPO führt. Die Bestimmung des Erfüllungsortes der jeweils eingeklagten Verpflichtung im 219 Sinne von § 29 ZPO ist nach dem durch das Kollisionsrecht – also gemäß Art. 3 ff. Rom IVO – zu ermittelnden Vertragsstatut vorzunehmen.481 Ist dies deutsches Sachrecht, so gilt für die Zahlung einer Vertragsstrafe im Zweifel § 269 ZPO, d.h. die Zahlungsverpflichtung ist am Sitz des Schuldners zu erfüllen.482 Somit ist § 29 ZPO für einen Kläger, der die vom Gegner unterzeichnete Unterwerfungserklärung nicht mit einer Gerichtsstandsvereinbarung versehen hat, weitgehend nutzlos. 4. Besonderer Gerichtsstand bei deliktsrechtlichen Ansprüchen. Für die im 220 Normalfall deliktsrechtlich einzuordnenden Ansprüche wegen Wettbewerbsverstößen gilt im Sinne der Doppelfunktionalität auch für die internationale Zuständigkeit die Vorschrift des § 14 UWG. Der Sache nach ist allerdings bei der Auslegung des § 14 UWG kein Unterschied gegenüber der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVO oder des § 32 ZPO zu machen. Der Begriff des Begehungsortes in § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG ist daher entsprechend der zu Art. 5 Nr. 3 EuGVO entwickelten Konkretisierung als Handlungs- oder Erfolgsort zu verstehen, wobei der Erfolgsort in der Regel dem Marktort entspricht, sofern kein rein bilateraler Wettbewerbsverstoß vorliegt (s. oben Rn. 181). Die Anwendung des § 14 UWG als Norm der internationalen Zuständigkeit setzt auch nicht voraus, dass auf den geltend gemachten Anspruch in der Sache deutsches Lauterkeitsrecht Anwendung finden müsste; vielmehr ist die Norm immer dann heranzuziehen, wenn der geltend gemachte Anspruch aus deutscher Sicht als lauterkeitsrechtlicher Anspruch zu qualifizieren ist.483 Stützt der Kläger sich jedoch neben den Normen des UWG auch auf Anspruchs- 221 grundlagen des bürgerlichen Rechts – etwa §§ 823 Abs. 2 oder 826 BGB – so können diese bürgerlich-rechtlichen Ansprüche in den durch die allgemeinen Zuständigkeitsregeln der §§ 12 ff. ZPO begründeten Gerichtsständen geltend gemacht werden, nicht aber die auf das UWG gestützten Ansprüche.484 Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 14 UWG kommt für deliktsrechtliche An- 222 sprüche vor allem der besondere Gerichtsstand des Tatorts gemäß § 32 ZPO in Betracht. Auch hier sollte man schon aus Gerechtigkeitsgründen zu einer weitgehenden
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481 Stein/Jonas/Roth § 29 ZPO Rn. 25. 482 OLG Rostock 7.12.2004 – 2 UH 4/04 – GRUR-RR 2005, 176. 483 MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 449. 484 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 465; a.A. noch BGH 30.11.1954 – I ZR 143/52 – BGHZ 15, 338 = NJW 1955, 382, 384 unter der (heute von der h.M. aufgegebenen) Annahme, dass das UWG ein Schutzgesetz gemäß § 823 Abs. 2 BGB sei; vgl. aber heute noch Zöller/Vollkommer § 32 Rn. 10: Gericht am Tatort gemäß § 32 ZPO könne auch nach UWG prüfen sowie umgekehrt.
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Annäherung an die Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVO kommen. Allerdings sind in Rechtsprechung und Literatur gewisse Abweichungen im Verhältnis zu Art. 5 Nr. 3 EuGVO zu verzeichnen, die hier dargestellt werden sollen. a) Besonderer Bezug zum Inland nötig? 223
aa) Rechtsprechung. Erstens verlangt der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet – die möglicherweise auch auf andere Internetdelikte zu übertragen ist – für eine Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß § 32 ZPO nicht nur eine gewisse Auswirkung im Inland durch Abrufbarkeit der betreffenden Webseite, sondern zusätzlich auch noch einen „deutlichen Bezug zum Inland“.485 Dieser soll etwa dann fehlen, wenn sich ein in Deutschland wohnhafter Kläger russischer Abstammung gegen eine angeblich das Persönlichkeitsrecht verletzende Internetveröffentlichung wehrt, die in russischer Sprache von einem in den USA ansässigen Beklagten publiziert wurde.486
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bb) Kritik. Diese Rechtsprechung ist abzulehnen, da sie mit dem Grundgedanken des § 32 ZPO nicht vereinbar ist, der – neben den pragmatischen Erwägungen der Sachund Beweisnähe – jedenfalls auch dazu dient, dem Geschädigten am Ort der Rechtsgutsverletzung angemessenen Rechtsschutz zu gewähren. Es liegt auf der Hand, dass eine Veröffentlichung in russischer Sprache für einen in Deutschland lebenden Russen in seinem sozialen Umfeld erhebliche Auswirkungen haben kann, so dass in diesem Fall mit Blick auf die behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung durchaus ein Erfolgsort in Deutschland gegeben war. Es wäre daher eher sinnvoll, diese Rechtsprechung mit der Martinez-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (dazu oben Rn. 188)487 dahingehend zu synchronisieren, dass ein zuständigkeitsbegründender Erfolgsort überall dort besteht, wo durch Abruf der Webseite eine Verletzung eintritt und anzuerkennen, dass dies am Wohnsitz des Verletzten als „Mittelpunkt seiner Interessen“ in der Regel der Fall ist.488 Die bei Zugrundelegung der bisherigen BGH-Rechtsprechung bestehende Alternative für einen in Deutschland lebenden Verletzten, sich nämlich zur Durchsetzung seiner Rechte vor z.B. die russischen oder US-amerikanischen Gerichte zu begeben, ist unter dem Gesichtspunkt des Zugangs zum Recht für den durch eine unerlaubte Handlung Geschädigten nicht zufriedenstellend.489
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b) Anwendung der Mosaiktheorie bei § 32 ZPO? Des Weiteren ist im Vergleich zu Art. 5 Nr. 3 EuGVO ungeklärt, ob und inwieweit die Mosaiktheorie im Sinne der Shevill und Martinez-Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes auch im autonomen
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485 BGH 2.3.2010 – VI ZR 23/09 – BGHZ 184, 313 = GRUR 2010, 461 – New York Times (wo allerdings der BGH im Ergebnis eine Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine angeblich ehrverletzende Berichterstattung über den in Deutschland wohnhaften Kläger in der Online-Ausgabe der New York Times bejaht, ebd. S. 463 f.). 486 BGH 29.3.2011 – VI ZR 111/10 – GRUR 2011, 558 – womanineurope.com. 487 EuGH 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10 – GRUR 2012, 300, 302 – eDate und Martinez. 488 Für eine solche Angleichung der deutschen Rechtsprechung an Martinez auch Hess JZ 2012, 189, 193; Brand NJW 2012, 127, 130. 489 Abwegig daher das für die BGH-Rechtsprechung und gegen eine Übernahme der Martinez-Regeln vorgebrachte Argument, dass „ein einseitiges Aufschwingen deutscher Gerichte zum Weltpolizisten für die Durchsetzung der Persönlichkeitsrechte der deutschen Wohnbevölkerung“ zu weit gehe (Heinze EuZW 2011, 947, 950). Diese Auffassung verkennt, dass es schlicht keinen ansonsten ansprechbaren „Weltpolizisten“ gibt und muss sich fragen lassen, ob nicht gerade der Rechtsschutz für die „deutsche Wohnbevölkerung“ die ureigenste Aufgabe der deutschen Gerichte ist.
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deutschen Zuständigkeitsrecht des § 32 ZPO (oder des § 14 UWG) eine Rolle spielen sollte. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies für lauterkeitsrechtliche Ansprüche schon deswegen zu verneinen, weil die Mosaiktheorie ohnehin nicht auf das Lauterkeitsrecht zu übertragen ist (s. oben Rn. 187 ff.). Somit gibt es auch im Anwendungsbereich des autonomen deutschen Zivilprozessrechts für lauterkeitsrechtliche Ansprüche keine Beschränkung der Kognitionsbefugnis eines international zuständigen Gerichts. Selbst wenn man aber für Art. 5 Nr. 3 EuGVO die Geltung der Mosaiktheorie auch im Lauterkeitsrecht bejahen sollte, so ist diese doch nicht auf das deutsche Verfahrensrecht übertragbar: Dagegen spricht schon, dass eine entsprechende Beschränkung der Kognitionsbefugnis auch im Bereich der örtlichen Zuständigkeit nicht stattfindet, d.h. das am Erfolgsort Hamburg gemäß § 32 ZPO angerufene Gericht ist keineswegs darauf beschränkt, eine Unterlassung etwa nur für das Hamburgische Stadtgebiet anzuordnen und kann auch den Schaden in Ahrensburg mit in seine Entscheidung einbeziehen. Hinzu kommt, dass die Mosaiktheorie aus der französischen Rechtsprechung entstammt und daher nicht ohne weiteres auf die historisch von unbeschränkter Kognitionsbefugnis ausgehende Norm des § 32 ZPO übertragen werden kann. Daher gibt es keinen Grund dafür, die durch die Martinez-Entscheidung ohnehin schwer angeschlagene Mosaiktheorie auch noch auf das deutsche Recht zu übertragen.490 c) Anspruchskonkurrenz bei § 32 ZPO. Stehen deliktsrechtliche und vertragsrecht- 226 liche Ansprüche in Anspruchskonkurrenz, so gilt die örtliche Zuständigkeit des § 32 ZPO nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sowohl für die deliktsrechtlichen wie auch die auf demselben Sachverhalt beruhenden vertragsrechtlichen Ansprüche. Das soll nach Ansicht des BGH aber nicht für die internationale Zuständigkeit gelten, diesbezüglich gelte § 32 ZPO nur für deliktsrechtliche Ansprüche.491 Insoweit besteht also kein Unterschied zur Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 3 EuGVO (s. oben Rn. 168).492 5. Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO). Soweit es um Ansprüche geht, die 227 nicht aus dem UWG hergeleitet werden und damit auch nicht der Norm zur ausschließlichen Zuständigkeit gemäß § 14 UWG unterfallen, kommt auch eine Klage am Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) in Betracht. Diese Norm setzt – wenn man einmal von der in Wettbewerbssachen kaum relevanten Alternative der Belegenheit des in Anspruch genommenen Gegenstands absieht – ihrem Wortlaut nach nur voraus, dass sich Vermögen des Beklagten im Bezirk des angerufenen Gerichts befindet, ohne dass es auf den Wert dieses Vermögens oder auf einen Zusammenhang des Vermögens mit der erhobenen Klage ankäme. Vermögen des Beklagten, das wegen Immunität nicht der Vollstreckung unterliegt, kann einen Gerichtsstand gemäß § 23 ZPO jedoch nicht begründen.493 Es handelt sich bei § 23 ZPO um einen oft als „exorbitant“ bezeichneten Gerichts- 228 stand.494 Gegenüber Beklagten mit Sitz innerhalb des EWR kann er wegen des Vorrangs von EuGVO und LugÜ nicht angewandt werden; er ist gemäß Art. 3 Abs. 2 EuGVO/LugÜ
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490 So im Ergebnis auch Stein/Jonas/Roth § 32 Rn. 4; Geimer Rn. 867 und 1524; für eine derartige Übertragung jedoch die – jedenfalls vor der Martinez-Entscheidung – noch überwiegende Meinung, s. etwa MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 429 (Mosaiktheorie als „strukturelles Element des Erfolgsortgerichtsstands“); Lindacher S. 59; ähnlich für Persönlichkeitsverletzungen AnwKommBGB/Wagner Art. 40 EGBGB Rn. 45; PWW/Schaub Art. 40 EGBGB Rn. 11. 491 BGH 10.12.2002 – X ARZ 208/02 – BGHZ 153, 173 = NJW 2003, 828, 830. 492 EuGH 27.9.1988 – 189/87 – Slg. 1988, 5565 Tz. 19 – Kalfelis = NJW 1988, 3088. 493 OLG Frankfurt/M. 1.10.1998 – 1 U 163/96 – IPRax 1999, 247 m. Anm. Hau S. 232. 494 Vgl. Junker S. 242 f.
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i.V.m. Anhang I (Liste der „exorbitanten“ Gerichtsstände der Mitgliedstaaten) auch ausdrücklich ausgeschlossen. Gegenüber Beklagten aus Drittstaaten ist er aber anwendbar. Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Verwendungsmöglichkeiten des § 23 ZPO 229 stark eingeschränkt, indem er zusätzlich zum Wortlaut der Vorschrift auch noch fordert, dass der Rechtsstreit einen „hinreichenden Inlandsbezug“ aufweist.495 Dieser kann etwa durch den Sitz des Klägers im Inland begründet werden.496 Diese Einschränkung des Vermögensgerichtsstands ist in der Literatur mit Recht kriti230 siert worden.497 Sie stützt sich auf angebliche völkerrechtliche Verpflichtungen zur Rücksichtnahme, die tatsächlich nicht bestehen und von anderen Staaten auch nicht praktiziert werden, wenn man etwa an die tag jurisdiction oder die dem Vermögensgerichtsstand durchaus vergleichbare doing business jurisdiction in vielen US-Bundesstaaten denkt.498 231
6. Gerichtsstandsvereinbarungen (§ 38 ZPO). Solange das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (dazu oben Rn. 40) noch nicht in Kraft ist und soweit nicht Art. 23 EuGVO zur Anwendung kommt (dazu oben Rn. 203), gilt für Gerichtsstandsvereinbarungen das autonome deutsche Verfahrensrecht in Form des § 38 ZPO. Eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung, welche die Durchsetzung international zwingenden Rechts unmöglich macht, wird von der Rechtsprechung für unwirksam gehalten.499 Unter Kaufleuten und den anderen gemäß § 38 Abs. 1 ZPO prorogationsbefugten 232 Personen ist eine Schriftform für die Gerichtsstandsvereinbarung nicht notwendig, denn § 38 Abs. 2 ZPO kommt unter diesen Personen nicht zur Anwendung. Das gilt nach umstrittener, allerdings wohl heute überwiegender Meinung auch für Fälle mit Auslandsberührung, weil § 38 Abs. 2 nach seinem Normzweck nur auf die Fälle passt, in denen nicht bereits § 38 Abs. 1 anwendbar ist.500 In der Praxis ist eine Schriftform allerdings empfehlenswert, um angesichts des umstrittenen Verhältnisses zwischen § 38 Abs. 1 und 2 ZPO sowie angesichts des ebenfalls nicht ganz eindeutigen Anwendungsbereichs des Art. 23 EuGVO (dazu oben Rn. 203) für Klarheit und Rechtssicherheit zu sorgen. Wer Kaufmann i.S.v. § 38 Abs. 1 ZPO ist, bestimmt sich nach der lex fori, d.h. vor 233 deutschen Gerichten nach §§ 1 ff. HGB.501 Eine erweiternde Anwendung auf Freiberufler scheidet angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift aus.502 Diese fallen daher nur dann unter § 38 Abs. 1 ZPO, wenn sie ihr Unternehmen z.B. als juristische Person und damit als Formkaufmann organisiert haben. 234
7. Zuständigkeit durch rügelose Einlassung (§ 39 ZPO). Die Vorschrift des § 39 ZPO gilt auch für die internationale Zuständigkeit.503 Im Gegensatz zur Vorschrift des Art. 24
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495 BGH 2.7.1991 – XI ZR 206/90 – BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092. 496 Ebd. BGHZ 115, 90, 99; BGH 13.12.2012 – III ZR 282/11 – NJW 2013, 386. 497 Schack Rn. 373 m.w.N.; Junker S. 244 f. 498 Dazu ausführlich Halfmeier RabelsZ 68 (2004) 653 ff. 499 BGH 5.9.2012 – VII ZR 25/12 – BB 2012, 3103 (Handelsvertreterrecht). 500 OLG Saarbrücken 13.10.1999 – 1 U 190/99 – NJW 2000, 670, 671; OLG München OLGR 2001, 27; Mark/Gärtner MDR 2009, 837, 840 f.; Prütting/Gehrlein/Lange § 38 Rn. 9 m.w.N.; Stein/Jonas/Bork § 38 Rn. 19; Musielak/Heinrich § 38 Rn. 13; a.A. seinerzeit OLG Nürnberg 28.11.1984 – 9 U 3061/84 – NJW 1985, 1296, wonach § 38 Abs. 2 ZPO in Fällen mit Auslandsberührung gegenüber § 38 Abs. 1 ZPO lex specialis sei; im Ergebnis ähnlich ist die Auffassung, wonach im internationalen Verkehr § 38 Abs. 2 ZPO analog angewandt werden sollte, so Zöller/Vollkommer § 38 Rn. 25 m.w.N. 501 Prütting/Gehrlein/Lange § 38 Rn. 5 m.w.N. 502 HansOLG Hamburg 18.1.2008 – 13 AR 37/07 – OLGR 2008, 340; a.A. jedoch Zöller/Vollkommer § 38 Rn. 18. 503 BGH 13.7.1987 – II ZR 280/86 – BGHZ 101, 296 = NJW 1987, 3181, 3182.
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EuGVO, die vom EuGH so ausgelegt wird, dass die Rüge der internationalen Zuständigkeit im ersten Verteidigungsvorbingen des Beklagten enthalten sein muss (s. oben Rn. 209), lässt der BGH es angesichts des Wortlauts von § 39 ZPO ausreichen, dass diese Rüge in der ersten mündlichen Verhandlung geltend gemacht wird.504 Die Rüge der örtlichen Zuständigkeit enthält im Zweifel auch die Rüge der internationalen Zuständigkeit.505 XIV. Örtliche Zuständigkeit Die Normen der EuGVO (und des LugÜ) regeln teilweise auch die örtliche Zustän- 235 digkeit. Dies gilt insbesondere für Art. 5 Nr. 1 und 3 EuGVO („Gericht des Ortes“). In diesen Fällen ergibt sich daher auch die örtliche Zuständigkeit aus der EuGVO, auf das nationale Recht kommt es nicht an.506 Soweit dagegen die EuGVO nur die internationale Zuständigkeit regelt – etwa bei Art. 2 EuGVO – gelten für die örtliche Zuständigkeit die nationalen Regeln, d.h. in Deutschland §§ 12 ff. ZPO. XV. Vortrag zur Zuständigkeit und doppelrelevante Tatsachen Die EuGVO regelt nicht die Frage, was ein Kläger vortragen muss, um einen Gerichts- 236 stand nach den Vorschriften der EuGVO zu begründen. Diese Frage ist daher nach der lex fori zu beurteilen, d.h. vor deutschen Gerichten nach deutschem Verfahrensrecht.507 Der Europäische Gerichtshof hat allerdings implizit deutlich gemacht, dass die Tatortzuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVO nicht voraussetzt, dass auch tatsächlich ein (nach dem anwendbaren Lauterkeitsrecht zu beurteilender) Wettbewerbsverstoß begangen wurde.508 Diese Auffassung passt aber problemlos zu der im deutschen Prozessrecht vorherr- 237 schenden Lehre von den „doppelrelevanten Tatsachen.“ Diese Lehre betrifft Tatsachen, die in dem Sinne doppelrelevant sind, dass sie sowohl für die Zulässigkeit (hier: internationale Zuständigkeit) als auch für die Begründetheit der Klage entscheidend sind. Solche Tatsachen müssen nicht vom Kläger bewiesen werden, um die internationale Zuständigkeit zu begründen, sondern dafür reicht der schlüssige Vortrag derartiger Tatsachen aus.509 Bei unerlaubten Handlungen ist aber nur die Frage nach dem Vorliegen einer unerlaubten Handlung in dem genannten Sinne doppelrelevant, nicht dagegen der Tatort als solcher. Ist daher nur letzterer streitig, so ist darüber ggf. schon zur Prüfung der Zuständigkeit von Amts wegen Beweis zu erheben.510 XVI. Lis pendens 1. EuGVO/LugÜ. Die EuGVO regelt das Problem der Anhängigkeit paralleler Kla- 238 gen in Art. 27 ff. EuGVO. Diese Vorschriften sind immer dann anwendbar, wenn es um
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504 BGH 21.11.1996 – IX ZR 264/95 – BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397, 398. 505 BGH 1.6.2005 – VIII ZR 256/04 – NJW-RR 2005, 1518, 1519. 506 Kropholler/von Hein vor Art. 2 EuGVO Rn. 3. 507 BGH 29.11.2011 – XI ZR 172/11 – ZIP 2012, 444 Tz. 12 m.w.N. 508 EuGH 5.2.2004 – C-18/02 – Slg. 2004 I-1417 Tz. 27 und 32 = IPRax 2006, 161 m. Anm. Franzen S. 127 – DFDS Torline. 509 BGH 2.3.2010 – VI ZR 23/09 – BGHZ 184, 313 – GRUR 2010, 461, 462 – New York Times; BGH 13.10.2004 – I ZR 163/02 – GRUR 2005, 431, 43 – Hotel Maritime; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 31 Rn. 28; ausführlich Ost Doppelrelevante Tatsachen im internationalen Zivilverfahrensrecht (2002); kritisch zur Lehre von den doppelrelevanten Tatsachen mit Bezug auf das Lauterkeitsrecht jedoch MünchKommUWG/Mankowski IntWettbR Rn. 417. 510 Prütting/Gehrlein/Wern § 32 Rn. 15 m.w.N.
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Parallelverfahren in zwei Mitgliedstaaten der EU (sowie im Anwendungsbereich des LugÜ) geht, ohne dass es auf die Herkunft der betroffenen Prozessparteien oder auf die von den jeweiligen nationalen Gerichten angewandten Zuständigkeitsvorschriften ankäme.511 Im Gegensatz zur Regelung im deutschen Verfahrensrecht (dazu unten Rn. 243) ist allerdings die in einer bereits anderswo anhängigen Sache erhobene Klage nicht von vorneherein unzulässig, sondern das zweite Gericht setzt sein Verfahren zunächst nur aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts von diesem geklärt ist und weist die zweite Klage erst dann gemäß Art. 28 Abs. 2 EuGVO wegen Unzuständigkeit zurück, wenn das Erstgericht seine Zuständigkeit festgestellt hat. a) Art. 27 EuGVO 239
aa) Kernpunktheorie. Voraussetzung dafür ist gemäß Art. 27 Abs. 1 EuGVO, dass die jeweiligen Prozessparteien identisch sind und dass beide Klagen „wegen desselben Anspruchs“ erhoben werden. Der Europäische Gerichtshof hat dieses Merkmal europarechtlich-autonom dahingehend ausgelegt, dass es immer dann vorliegt, wenn der Kernpunkt der beiden Prozesse derselbe ist.512 Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs haben auch die Leistungsklage einerseits und die negative Feststellungsklage anderseits einen solchen identischen Kernpunkt, wenn sie sich auf einen und denselben Sachverhalt beziehen.513 Mag das nationale Verfahrensrecht auch abweichende Regeln enthalten, so tritt es im Anwendungsbereich der Art. 27 ff. EuGVO jedoch aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts zurück. 514 Für das Lauterkeitsrecht bedeutet dies, dass etwa eine auf Unterlassung oder Schadensersatz gerichtete Klage gemäß Art. 27 Abs. 1 EuGVO auszusetzen und später ggf. gemäß Art. 27 Abs. 2 EuGVO als unzulässig abzuweisen ist, wenn vorher in einem anderen Mitgliedstaat bereits eine negative Feststellungsklage zwischen denselben Parteien anhängig gemacht wurde, mit der die Feststellung der Rechtmäßigkeit des betreffenden Verhaltens begehrt wird.515 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die zu beurteilenden Parallelklagen sich auf denselben Kernpunkt auch in dem Sinne beziehen müssen, dass ein und derselbe nationale Markt in Rede steht, d.h. die auf den Markt im Staat A bezogene negative Feststellungsklage sperrt z.B. nicht eine auf den Markt in Staat B bezogene Leistungsklage.516 Außerdem geht die herrschende Auffassung davon aus, dass Art. 27 ff. EuGVO und die Kernpunktheorie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht oder allenfalls eingeschränkt zur Anwendung kommen (s. dazu unten Rn. 270). Die vom Europäischen Gerichtshof entwickelte Kernpunkttheorie und insbesondere 240 die aus ihre folgende Sperrwirkung der negativen Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage wird oft dahingehend kritisiert, dass sie sog. Torpedoklagen in dem Sinne ermögliche, dass ein potentieller Beklagter eine negative Feststellungsklage in einem Staat mit langsamer Justiz erhebt, um so die zu erwartende Unterlassungs- oder Scha-
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511 EuGH 9.12.2003 – C-116/02 – Slg. 2003 I-14693 Tz. 41 – Gasser = IPRax 2004, 243 m. Anm. Grothe S. 210; EuGH 27.6.1991 – C-351/89 – Slg. 1991 I-3317 Tz. 13 – Gasser = NJW 1992, 3221. 512 EuGH 8.12.1987 – 144/86 – Slg. 1987, 4861 Tz. 16 – Gubisch ./. Palumbo = NJW 1989, 665, 666 (identischer „Kernpunkt“ bei Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrags einerseits und Erfüllungsklage aus diesem Vertrag andererseits). 513 EuGH 6.12.1994 – C-406/92 – Slg. 1994 I-5439 – Tatry = IPRax 1996, 108 m. Anm. Schack S. 80. 514 Vgl. Bereits unter Geltung des EuGVÜ BGH 11.12.1996 – VIII ZR 154/95 – BGHZ 134, 201 = NJW 1997, 870, 872. 515 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 440. 516 Lindacher GRUR Int. 2008, 453, 456 f.
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densersatzklage für längere Zeit zu verhindern.517 Trotz dieser Kritik ist der Europäische Gerichtshof auch bei sehr langer Verfahrensdauer vor dem zuerst angerufenen Gericht nicht von der dargestellten Auffassung zu Art. 27 ff. abgewichen.518 Sie gilt auch dann, wenn die Parteien über die Gültigkeit einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung streiten, d.h. auch dann ist es Sache des zuerst angerufenen Gerichts, über die Gültigkeit dieser Abrede und daraus folgende Konsequenzen hinsichtlich seiner Zuständigkeit zu befinden.519 Diese Rechtsprechung zur bisherigen Fassung der EuGVO ist konsistent und verdient Zustimmung. Der Europäische Gerichtshof gründet sie mit Recht auf die prinzipielle Gleichwertigkeit der Gerichte aller Mitgliedstaaten und das gegenseitige Vertrauen in die Justiz der jeweils anderen Mitgliedstaaten, welches dem europäischen Einigungsprozess inhärent ist.520 Damit soll nicht geleugnet werden, dass es faktische Missstände in den Justizsystemen zahlreicher Mitgliedstaaten gibt – auch in Deutschland, wo etwa viele Tausend Prospekthaftungsklagen von Aktionären nach über zehn Jahren immer noch nicht rechtskräftig entschieden sind.521 Derartige Probleme sind zunächst durch die Mitgliedsstaaten selbst zu lösen. Sie werden ab 2015 durch die Neufassung der Regeln zu lis pendens in der dann gelten EuGVO 2015 (EU-VO Nr. 1215/2012) etwas entschärft. Bei extrem langer Verfahrensdauer kommt außerdem eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK sowie Art. 47 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und damit der Weg zum EGMR in Betracht.522 bb) Maßgeblicher Zeitpunkt. Die zeitliche Reihenfolge der Klagen wird für die 241 Zwecke der Art. 27 ff. EuGVO in Art. 30 EuGVO europarechtlich-autonom geregelt. Danach kommt es im Normalfall der Einreichung einer Klage bei Gericht (Art. 30 Nr. 1 EuGVO) auf den Zeitpunkt der Einreichung des entsprechenden Schriftstücks bei Gericht an und nicht – wie etwa im deutschen Recht beim Begriff der Rechtshängigkeit gemäß §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO – auf die Zustellung an den Beklagten. Wird dagegen nach dem Verfahrensrecht eines ausländischen Forumstaates die Klage zunächst dem Beklagten zugestellt und dann erst bei Gericht eingereicht, so gilt gemäß Art. 30 Nr. 2 EuGVO derjenige Zeitpunkt, an dem das Schriftstück an die für die Zustellung verantwortliche Stelle gelangt ist. b) Art. 28 EuGVO. Liegen die Voraussetzungen des Art. 27 EuGVO nicht vor, weil etwa 242 die Prozessparteien nicht identisch sind oder weil es sich nicht um denselben Anspruch im oben dargestellten Sinne handelt, so kommt die Anwendung des Art. 28 EuGVO in Betracht, wenn die fraglichen Prozesse in einem weiter zu verstehenden Sinne miteinander „im Zusammenhang stehen“. Dies ist gemäß Art. 28 Abs. 3 EuGVO schon dann gegeben, wenn zwischen ihnen eine enge Beziehung besteht, aufgrund derer eine gemeinsame Entscheidung geboten erscheint und divergierende Urteile vermieden werden sollen. Die Vorschrift eröffnet damit ein recht weites Ermessen für das später angerufene Gericht, das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen. Dies ist z.B. möglich bei Schadensersatzklagen verschiedener Geschädigter aufgrund eines einheitlichen Schädigungsvorgangs, um etwa das Ergebnis im Erstverfahren für das Zweitverfahren auszuwerten.523
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517 S. etwa Magnus/Mankowski/Fentiman Introduction Art. 27–30 Rn. 15 ff. 518 EuGH 9.12.2003 – C-116/02 – Slg. 2003 I-14693 Tz. 73 – Gasser = IPRax 2004, 243 m. Anm. Grothe S. 210. 519 EuGH (vorige Fn.) Tz. 41 ff. – Gasser; EuGH 10.2.2009 – C-185/07 – Slg. 2009 I-686 Tz. 27 – West Tankers = NJW 2009, 1655, 1656 = IPRax 2009, 336 m. Anm. Illmer S. 312. 520 EuGH 9.12.2003 – C-116/02 – Slg. 2003 I-14693 Tz. 72 – Gasser. 521 Vgl. OLG Frankfurt/M. 16.5.2012 – 23 Kap 1/06 – BeckRS 2012, 10607. 522 Darauf verweist mit Recht Kropholler/von Hein Art. 27 EuGVO Rn. 21. 523 EuGH 6.12.1994 – C-406/92 – Slg. 1994 I-5439 – Tatry = IPRax 1996, 108 m. Anm. Schack S. 80; Wolf EuZW 1995, 365.
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2. Autonomes deutsches Recht. Nach deutschem Zivilverfahrensrecht (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) ist eine Klage unzulässig, wenn „die Streitsache“ – d.h. also identischer Streitgegenstand und identische Parteien – bereits anderweitig rechtshängig ist. Eine vor einem ausländischen Gericht erhobene Klage entfaltet diese Sperrwirkung jedoch nur dann, wenn aus deutscher Sicht mit einer Anerkennung der in dem betreffenden ausländischen Verfahren zu treffenden Entscheidung zu rechnen ist, d.h. es kommt auf eine positive „Anerkennungsprognose“ an.524 Der Zeitpunkt der im Ausland eingetretenen Rechtshängigkeit bestimmt sich in einem solchen Fall nach der dortigen lex fori.525 Die Regelung des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO kommt aus Sicht eines deutschen Gerichts 244 aber nur dann zur Anwendung, wenn das fragliche Parallelverfahren außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVO und des LuGÜ stattfindet, ansonsten gelten Art. 27 ff. EuGVO.526 Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Regelungen besteht darin, dass der Bundesgerichtshof – insoweit also anders als die oben bei Rn. 239 dargestellte Auffassung des Europäischen Gerichtshofs – den Streitgegenstand einer Leistungsklage nicht für identisch mit jenem einer auf demselben Sachverhalt beruhenden und bereits rechtshängigen negativen Feststellungsklage hält.527 Die Möglichkeit von „Torpedo“Klagen in Form negativer Feststellungsklagen vor einem als langsam bekannten Gericht beschränkt sich daher im wesentlichen auf den von EuGVO und LuGÜ abgedeckten europäischen Justizraum. XVII. Antisuit injunctions 245
Eine antisuit injunction ist eine aus dem Rechtskreis des Common Law stammende Unterlassungsverfügung, mit der dem Verfügungsbeklagten die Prozessführung vor einem fremden Gericht untersagt wird, sei es, weil einer solchen Prozessführung die Rechtshängigkeit eines bereits anhängigen Verfahren entgegensteht, weil die verbotene Prozessführung angeblich gegen eine Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung verstößt oder weil die Klageerhebung aus anderen Gründen „missbräuchlich“ sei.528 Eine solche antisuit injunction ist mit dem System der EuGVO – welches nämlich die Prüfung der Wirksamkeit einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung dem zuerst angerufenen Gericht überlässt – nicht vereinbar und darf daher jedenfalls nicht zur Verhinderung der Prozessführung innerhalb der EU erlassen werden.529 Das deutsche Recht erlaubt eine derartige Vorgehensweise nur dann, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Unterlassung der Prozessführung im Ausland vorliegt, was selten der Fall sein wird. Insbesondere ergibt sich ein solcher wohl nicht aus der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands, weil damit die formalen und ggf. auch inhaltlichen Anforderungen an die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung leerlaufen könnten.530 Allenfalls könnte man ein Prozessführungsverbot in Extremfällen auf § 826 BGB oder § 4 Nr. 10
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524 BGH 10.10.1985 – I ZR 1/83 – NJW 1986, 2195. 525 BGH 12.2.1992 – XII ZR 25/91 – NJW-RR 1992, 642, 643. 526 Vgl. EuGH 9.12.2003 – C-116/02 – Slg. 2003 I-14693 Tz. 41 – Gasser = IPRax 2004, 243 m. Anm. Grothe S. 210. 527 BGH 7.7.1994 – I ZR 30/92 – GRUR 1994, 846, 848 – Parallelverfahren II; vgl. dagegen EuGH 6.12.1994 – C-406/92 – Slg. 1994 I-5439 – Tatry = IPRax 1996, 108 m. Anm. Schack S. 80. 528 Vgl. dazu Schack Rn. 860 m.w.N. 529 EuGH 10.2.2009 – C-185/07 – Slg. 2009 I-686 – West Tankers = NJW 2009, 1655 = IPRax 2009, 336 m. Anm. Illmer S. 312; EuGH 27.4.2004 – C-159/02 – Slg. 2004 I-3565 – Turner = IPRax 2004, 425 m. Anm. Rauscher S. 405; zur Fortsetzung des West Tankers-Falles vgl. Illmer IPRax 2012, 264 ff. 530 Schack Rn. 861 ff. m.w.N. auch zu abweichenden Auffassungen in der Literatur.
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UWG stützen, etwa bei einer manipulativen Erschleichung einer ausländischen Zuständigkeit.531 XVIII. Zustellungen 1. Zustellung nach EuZVO. Ist eine Zustellung ins EU-Ausland zu bewirken, so gilt 246 dafür die EuZVO (s. oben Rn. 25). Diese Verordnung gilt auch in und mit Bezug auf Dänemark, da das Königreich Dänemark mit der EU einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat (zur Sonderrolle Dänemarks oben Rn. 26). Der Anwendungsbereich der EuZVO ergibt sich aus Art. 1 EuZVO, d.h. er ist dann eröffnet, wenn „ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem in einen anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist.“ Daraus folgt, dass die EuZVO nicht anwendbar ist, wenn an eine im Ausland ansässige Partei ein Schriftstück im Inland zugestellt werden soll, etwa an einen bereits benannten inländischen Prozessbevollmächtigten. Die EuZVO regelt insbesondere nicht ausdrücklich die Frage, wann eine Zustellung an eine ausländische Partei im Inland zulässig sein kann; insoweit ist insbesondere die Zulässigkeit der in manchen EU-Mitgliedstaaten früher üblichen remise au parquet (Zustellung an eine ausländische Partei durch Übergabe des Schriftstücks an die im Inland befindliche Staatsanwaltschaft) umstritten.532 Will ein deutsches Gericht ein Schriftstück in das EU-Ausland zustellen lassen, so muss es dies aber unter Anwendung der EuZVO tun; ein Rückgriff auf § 184 ZPO (Anordnung der Benennung eines inländischen Prozessbevollmächtigten) ist nicht gestattet.533 a) Zustellung auf Betreiben des Gerichts. Das Zustellungsverfahren der EuZVO 247 findet zwischen den in Art. 2 EuZVO genannten Übermittlungs- und Empfangsstellen statt. In Deutschland ist die Übermittlungsstelle in diesem Sinne das die jeweilige Zustellung betreibende Gericht; die Empfangsstelle für eingehende Schriftstücke ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Schriftstück zugestellt werden soll (§ 1069 Abs. 1 und 2 ZPO). Darüber hinaus ist aber gemäß Art. 14 EuZVO für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke auch der Versand durch die Post als Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg in alle EU-Mitgliedstaaten zulässig; das die Zustellung betreibende Gericht hat insoweit die freie Wahl unter den in der EuZVO geregelten Zustellungsformen.534 Strittig ist allerdings, was als „gleichwertiger Beleg“ im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist. Nach richtiger Ansicht besteht die Gleichwertigkeit dieses Belegs mit dem Rückschein darin, dass der tatsächliche Empfang der Sendung bestätigt wird; der bloße Vermerk über die Niederlegung des Schriftstücks auf der Post mit der Möglichkeit zur Abholung reicht daher nicht aus.535
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531 RGZ 157, 136, 140; die Entscheidung wird allerdings von Schack Rn. 862 als „singulär“ bezeichnet; er schlägt statt dessen vor, auch in derartigen Extremfällen es bei der Nichtanerkennung der Entscheidung gemäß § 328 ZPO bewenden zu lassen und auf die Annahme eines Unterlassungsanspruchs gegen die Prozessführung zu verzichten. 532 Vgl. Musielak/Stadler Art. 1 EuZVO m.w.N.; zur Realität der remise au parquet auch Kondring RIW 2007, 330 ff. Beim EuGH ist ein einschlägiges Vorabentscheidungsverfahren eines polnischen Gerichts anhängig unter C-325/11. 533 BGH 2.2.2011 – VIII ZR 190/10 – BGHZ 188, 164 = NJW 2011, 1885, 1886 m. Anm. Sujecki. 534 EuGH 9.2.2006 – C-473/04 – Slg. 2006 I-1428 – NJW 2006, 975, 976 – Plumex. 535 OLG Stuttgart 31.3.2010 – 5 W 62/09 – NJOZ 2010, 2518, 2520; a.A. LG Trier 17.10.2002 – 7 HKO 140/01 – NJW-RR 2003, 287; Zöller/Geimer Art. 14 EuZVO Rn. 3.
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b) Zustellung im Parteibetrieb. Für Zustellungen im Parteibetrieb, etwa bei einer einstweiligen Verfügung oder bei der Zustellung eines Vollstreckungstitels, gilt jedoch die vereinfachte Möglichkeit der Einschreibesendung gemäß Art. 14 EuZVO nicht.536 Statt dessen gilt Art. 15 EuZVO, der die unmittelbare Zustellung durch die zuständige Person oder Stelle im Empfangsmitgliedstaat vorsieht, d.h. die Zustellung im Parteibetrieb in das EU-Ausland setzt voraus, dass eine solche Zustellung auch nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zulässig ist.537 Die die Zustellung betreibende Partei hat sich daher direkt an die zuständige Person oder Stelle im Empfangsmitgliedstaat zu wenden. Beim Auffinden dieser Stellen – und auch zu vielen anderen Zwecken im Rahmen der europäischen justiziellen Zusammenarbeit – kann der „Europäische Gerichtsatlas für Zivilsachen“ helfen.538
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c) Sprachenproblematik bei Zustellungen. Die Sprachenproblematik bei Zustellungen im europäischen Justizraum regelt Art. 8 EuZVO. Danach kann der Empfänger des Schriftstücks die Annahme verweigern, wenn das Schriftstück nicht in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats abgefasst ist oder in „einer Sprache, die der Empfänger versteht“ (Art. 8 Abs. 1 EuZVO). Dieses letztere Merkmal ist bisher in der Rechtsprechung unzureichend geklärt und in der Literatur umstritten.539 Für die Praxis ist daher die Verwendung der Amtssprache des Empfangsstaates zu empfehlen. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss bei umfangreicheren Schriftstücken jedoch nur das Hauptdokument – wie etwa eine Klageschrift – in eine der gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO vorgesehenen Sprachen übersetzt werden, nicht dagegen die Anlagen.540
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2. Zustellung nach HZÜ. Soll eine Zustellung außerhalb der EU stattfinden, so sind gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 ZPO die bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen zu beachten. Dies sind – neben bilateralen Übereinkommen – im wesentlichen das Haager Zustellungseinkommen von 1965 (HZÜ) und ersatzweise noch das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess von 1954 (HZPÜ, s. oben Rn. 38). Auch diese Übereinkommen regeln jedoch nicht die Frage, „ob“ eine Zustellung ins Ausland zu erfolgen hat, sondern nur das „wie“ einer solchen Zustellung. Die erste Frage – ob also auch eine im Inland stattfindende Zustellungsform möglich ist – bleibt dagegen dem Verfahrensrecht des Forumstaates überlassen.541 Das HZÜ gilt heute im Verhältnis zu den folgenden Staaten, wobei EU-Staaten nicht berücksichtigt sind, da insoweit die EuZVO Vorrang hat (s. oben Rn. 246): Ägypten, Albanien, Antigua und Barbuda, Argentinien, Australien, Bahamas, Barbados, Belize, Bosnien-Herzegowina, Botswana, VR China, Island, Indien, Israel, Japan, Kanada, Kroatien, Kuwait, Malawi, Marokko, FYR Mazedonien, Mexiko, Monaco, Montenegro, Norwegen, Pakistan, Russland, San Marino, Schweiz, Serbien, Seychellen, Sri Lanka, St. Vincent und Grenadinen, Südkorea, Türkei, Ukraine, USA,
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536 MünchKommZPO/Rauscher § 1068 Rn. 9; Zöller/Geimer Art. 14 EuZVO Rn. 4; a.A. noch zur alten EuZVO Hess NJW 2004, 3301, 3302. 537 Rauscher/Heiderhoff Art. 15 EuZVO Rn. 1. 538 http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/index_de.htm. 539 Vgl. zur Wirkung der Vereinbarung einer bestimmten Sprache inter partes EuGH 8.5.2008 – C-14/07 – Slg. 2008 I-3401 = NJW 2008, 1721, 1726; zur zulässigen Verwendung derjenigen Sprache, in der der Empfänger bereits geschäftliche Korrespondenz geführt hat LG Bonn 30.11.2010 – 10 O 502/09; weitere Nachweise bei Prütting/Gehrlein/Halfmeier Art. 8 EuZVO Rn. 6. 540 EuGH 8.5.2008 – C-14/07 – Slg. 2008 I-3401 = NJW 2008, 1721, 1725. 541 Schack Rn. 679; a.A. Stürner JZ 1992, 328 (Beschränkung des Forumstaats auf angemessene Tatbestände der Inlandszustellung mit Wirkung gegen Ausländer).
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Venezuela, Weißrussland.542 Im Verhältnis zu Armenien, dem Heiligen Stuhl, Kirgisistan, Libanon, Moldawien, Surinam und Usbekistan gilt für Zustellungen noch das HZPÜ.543 Sowohl HZÜ als auch HZPÜ sehen vor allem eine Zustellung auf dem Rechtshilfeweg 251 vor. Die Zustellung per Post durch Einschreiben mit Rückschein hat die Bundesrepublik Deutschland für ihr Territorium im Wege eines Vorbehalts zum HZÜ nicht zugelassen, d.h. sie ist nach Deutschland nicht zulässig. Ob die postalische Zulassung von Deutschland aus in einen anderen HZÜ-Staat zulässig ist, hängt zunächst davon ab, ob dieser Staat auch einen entsprechenden Vorbehalt erklärt hat; dann findet sie nicht statt.544 Hat der andere Staat diesen Vorbehalt nicht erklärt, so hängt die Möglichkeit der postalischen Zustellung von der Interpretation des deutschen Vorbehalts ab: Sieht man ihn als generelles Verbot dieser Zustellungsform, so ist sie nicht möglich, liest man ihn dagegen nur als einseitige Verhinderung der Postzustellung nach Deutschland, so mag man eine Zustellung in den betreffenden „vorbehaltslosen“ HZÜ-Staat für zulässig halten.545 XIX. Beweisaufnahme 1. Beweisaufnahme und Souveränität. In Prozessen mit Auslandsberührung findet 252 die Beweisaufnahme im Grundsatz nach dem Verfahrensrecht des Forumstaates statt. Allerdings sind Regeln der Beweislast nach deutschem Verständnis solche des materiellen Rechts und unterliegen daher der über das Kollisionsrecht zu bestimmenden lex causae.546 Diese Unterscheidung entspricht auch der heute geltenden Regelung in Art. 18 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 22 Abs. 2 Rom II-VO. Soll die Beweisaufnahme allerdings grenzüberschreitend stattfinden, so kommen 253 ggf. weitere Rechtsquellen zur Anwendung, nämlich im EU-Raum – mit Ausnahme von Dänemark – die EuBVO (dazu §§ 1072 ff. ZPO) sowie darüber hinaus das HBÜ (s. Rn. 39). Im Verhältnis dieser Rechtsquellen ist die EuBVO vorrangig, d.h. soweit sie zur Anwendung kommt, darf nicht auf das HBÜ zurückgegriffen werden, auch nicht auf Wunsch der Parteien.547 Das Recht der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme ist traditionell sehr stark von 254 einem Denken in Kategorien der staatlichen Souveränität geprägt und soll nach herrschender Auffassung stets nur insoweit zulässig sein, als der „Anspruch des betroffenen Staates auf Achtung seiner Gebietshoheit“548 nicht beeinträchtigt wird. Dem ist prinzipiell zuzustimmen, allerdings ist für jede geplante Maßnahme der Beweisaufnahme genau zu prüfen, ob sie wirklich eine solche Verletzung der territorial verstandenen Souveränität des betroffenen fremden Staates beinhaltet. Insbesondere ist ein formloser und ohne Ausübung hoheitlichen Zwangs möglicher Beweismittelimport regelmäßig zulässig, weil er keinen Übergriff auf fremde Souveränität darstellt. Daher darf ein im Ausland befindlicher Zeuge auf freiwilliger Basis durch das deutsche Gericht schriftlich befragt werden (§ 377 Abs. 3 ZPO) oder ohne Zwangsandrohung zum freiwilligen Erscheinen vor Gericht veranlasst werden, ohne dass EuBVO oder HBÜ angewandt werden müssten.549
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542 Aktueller Stand abrufbar unter www.hcch.net. 543 Ebd. 544 Zu den jeweils erklärten Vorbehalten siehe ebenfalls www.hcch.net. 545 Schack Rn. 682 m.w.N. zum Verhältnis zu den USA; ausführlich Lindacher S. 118 f. m.w.N. 546 BGH 8.11.1951 – IV ZR 10/51 – BGHZ 3, 342, 346 = NJW 1952, 142; Coester-Waltjen Rn. 371; Schack Rn. 752. 547 Knöfel EuZW 2008, 267, 269. 548 Lindacher S. 124 m.w.N. 549 Schack Rn. 796 und 803 m.w.N.; Rauscher/von Hein Art. 1 EuBVO Rn. 21; a.A. noch das obiter dictum in BGH 10.5.1984 – III ZR 29/83 – NJW 1984, 2039; Musielak/Stadler § 363 ZPO Rn. 10; auch § 62 ZRHO will
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Auch die freiwillige Videoübertragung einer Zeugenaussage aus dem Ausland ist möglich, ohne dass etwa die EuBVO dem entgegenstünde.550 Ebenso kann auch ein Sachverständiger auf ausländischem Territorium ohne Verletzung von Souveränitätsrechten und damit ohne Rückgriff auf EuBVO oder HBÜ tätig werden, solange er keinen Zwang androht oder anwendet.551 Auch die Einsichtnahme in das Internet durch das erkennende Gericht als Form des Augenscheinsbeweises ist stets zulässig, ohne dass es auf die Herkunft der einzusehenden Webseiten ankäme.552 Diese teilweise umstrittenen Fallgruppen haben einen gemeinsamen Kern, nämlich 255 das Verständnis von Souveränität: Die restriktivere Ansicht, die ein solches Vorgehen nur im Wege der Rechtshilfe erlauben will, versteht jede richterliche Tätigkeit, die sich in irgendeiner Weise in dem fremden Staat manifestiert – also etwa die freiwillige schriftliche Zeugenaussage – als Eingriff in die dortige Souveränität.553 Dies ist jedoch zu weitgehend, denn der Begriff der Souveränität ist untrennbar mit der Idee des staatlichen Gewaltmonopols verbunden. Die Souveränität des fremden Staates ist daher nur dann betroffen, wenn auf seinem Gebiet hoheitliche Gewalt angewendet oder angedroht wird, nicht aber bei gänzlich freiwilliger transnationaler Kooperation, die nicht unnötig behindert werden sollte. 256
2. Beweisaufnahme nach EuBVO. Die EuBVO ist gemäß ihrem Art. 1 immer dann anzuwenden, wenn eine Beweisaufnahme im Ausland durchgeführt werden soll. Für die oben dargestellten formlosen Maßnahmen des „Beweismittelimports“ in das Inland gilt sie dagegen nicht. Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Kategorien muss aber durch europarechtlich-autonome Interpretation der Vorschriften der EuGVO erfolgen, da diese sonst uneinheitlich angewandt und dadurch ihrer Wirksamkeit beraubt werden könnte.554 Für die Beweisaufnahme durch ein Schiedsgericht gilt die EuBVO nicht, da dieses kein „Gericht eines Mitgliedstaates“ i.S.v. Art. 1 EuBVO ist.555 Das Schiedsgericht kann jedoch, wenn es eine Beweisaufnahme im Ausland vornehmen möchte, ein staatliches Gericht gemäß § 1050 ZPO um Unterstützung bitten.556 Der Begriff der Beweisaufnahme in Art. 1 EuBVO ist weit auszulegen und umfasst 257 „möglichst viele Maßnahmen der justiziellen Informationsbeschaffung.“557 Daher gilt die
_____ dem deutschen Gericht die unmittelbare schriftliche Befragung des im Ausland befindlichen Zeugen verbieten, weil der „ausländische Staat darin einen unzulässigen Eingriff in seine Hoheitsrechte erblicken kann“; es kommt jedoch insoweit nicht auf die Ansicht des ausländischen Staates an, sondern darauf, ob tatsächlich seine Souveränität verletzt wird. Beim EuGH ist betreffend der Ladung ausländischer Zeugen nach den Vorschriften der lex fori eine Vorlage des niederländische Hoge Raad anhängig unter C-170/11. 550 So das britische House of Lords RIW 2006, 301 m. zustimmender Anm. Knöfel; a.A. jedoch Rauscher/von Hein Art. 1 EuBVO Rn. 22; Musielak/Stadler § 128a ZPO Rn. 8. 551 Schack Rn. 790; Stein/Jonas/Berger § 363 ZPO Rn. 17; a.A. Lindacher S. 126; MünchKommZPO/ Rauscher § 1072 Rn. 10; auch § 61 Abs. 5 ZRHO verlangt die Einholung deiner Genehmigung des ausländischen Staates für die dortige Tätigkeit eines von einem deutschen Gericht bestellten Sachverständigen. Beim EuGH ist ein auf vergleichbare Fragen bezogenes Verfahren auf Vorlage des belgischen Kassationshofes anhängig unter Rs. C-332/11. 552 Musielak/Stadler § 363 ZPO Rn. 9; Stein/Jonas/Berger § 363 ZPO Rn. 16. 553 So etwa Lindacher S. 126 zur Tätigkeit eines Sachverständigen im Ausland: Dieser sei „verlängerter Arm“ des ihn bestellenden Gerichts und kein Tourist. 554 In diesem Sinne zu Art. 17 EuBVO, der die unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht regelt, Rauscher/von Hein Art. 1 EuBVO Rn. 19. 555 MünchKommmZPO/Rauscher Rn. 3 vor §§ 1072–1075 ZPO; a.A. Knöfel RIW 2007, 832, 836 ff. 556 Prütting/Gehrlein ZPO § 1051 Rn. 2. 557 GA Kokott in EuGH 18.7.2007 – C-175/06 – Slg. 2007 I-7929 Tz. 43.
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EuBVO im Grundsatz auch für auch Beweissicherungsmaßnahmen.558 Zum Verhältnis zwischen EuBVO und Art. 31 EuGVO bei Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes s. unten Rn. 267. Die EuBVO enthält im wesentlichen zwei Formen der Beweisaufnahme im Ausland: 258 Erstens wird in Art. 2 ff. EuBVO ein unmittelbarer Geschäftsverkehr zwischen den mitgliedstaatlichen Gerichten zugelassen, mit dem das „ersuchende Gericht“ unmittelbar ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats – das „ersuchte Gericht“ – um die Durchführung einer Beweisaufnahme bitten kann. Dänemark nimmt allerdings an der EuBVO nicht teil.559 Die Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht findet nach dortigem Prozessrecht statt (Art. 10 Abs. 2 EuBVO). Das ersuchende Gericht kann allerdings die Beweisaufnahme in einer „besonderen Form“ beantragen, die wiederum dem Verfahrensrecht am Sitz des ersuchenden Gerichtes entsprechen muss. Das ersuchte Gericht muss diesem Wunsch entsprechen, es sei denn, dass die beantragte Form mit der lex fori des ersuchten Gerichts „unvereinbar ist“ (Art. 10 Abs. 3 EuBVO). Dabei handelt es sich um einen eng auszulegenden speziellen ordre public-Vorbehalt.560 Das ersuchte Gericht darf für die Erledigung des Ersuchens nur die in Art. 18 Abs. 2 EuBVO spezifizierten Kosten verlangen, d.h. Aufwendungen für Sachverständige und Dolmetscher sowie diejenigen Kosten, die durch Einhaltung einer vom ersuchenden Gericht gewünschten besonderen Form der Beweisaufnahme entstanden sind sowie schließlich die Kosten eine Videokonferenz oder sonstiger Nutzung von Kommunikationstechnologien. Sonstige Gebühren oder Auslagen können jedoch gemäß Art. 18 Abs. 1 EuBVO nicht verlangt werden. Daher muss auch eine von dem ersuchten Gericht ausgezahlte Zeugenentschädigung nicht vom ersuchenden Gericht erstattet werden und es dürfen auch keine entsprechenden Vorschüsse verlangt werden.561 Neben der Kooperation zwischen ersuchenden und ersuchtem Gericht enthält die 259 EuBVO auch die Möglichkeit einer unmittelbaren Beweisaufnahme durch das Prozessgericht in dem anderen Mitgliedstaat ohne Beteiligung der dortigen Gerichte (Art. 17 EuBVO). Dies ist allerdings nur in solchen Fällen zulässig, in denen die vorzunehmende Beweisaufnahme „auf freiwilliger Grundlage und ohne Zwang“ stattfindet (Art.17 Abs. 2 EuBVO). Außerdem ist eine Genehmigung der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedsstaates bzw. der gemäß Art. 3 EuBVO von jedem Mitgliedstaat zu errichtenden „Zentralstelle“ notwendig, die allerdings nur aus besonderen Gründen – insbesondere Verstoß gegen den dortigen ordre public – versagt werden darf (Art. 17 Abs. 5 EuBVO).562 Die EuBVO ist in ihrem Anwendungsbereich abschließend, d.h. es dürfen keine Be- 260 weisaufnahmen i.S.v. Art. 1 EuBVO mit Instrumenten vorgenommen werden, die in der EuBVO nicht vorgesehen sind, wohl auch nicht die Beweisaufnahme durch einen Bundeskonsul (§ 363 Abs. 2 ZPO) in dem betreffenden Mitgliedstaats.563
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558 MünchKommZPO/Rauscher Rn. 3 vor §§ 1072–1075 ZPO; Heinze IPRax 2008, 480. 559 Erwägungsgrund 22 der EuBVO, vgl. Prütting/Gehrlein/Halfmeier Art. 1 EuBVO Rn. 5. 560 MünchKommZPO/Rauscher § 1074 Rn. 34 f. mit Beispielen aus Sicht des deutschen Rechts, dazu auch Rauscher/von Hein Art. 10 EuBVO Rn. 20 ff. m.w.N. 561 EuGH 17.2.2011 – C-283/09 – NJW 2011, 2493, 2496. 562 Zu den Versagungsgründen Prütting/Gehrlein/Halfmeier Art. 17 EuBVO m.w.N.; insgesamt kritisch zum Erfordernis einer Genehmigung bei rein freiwillig durchgeführten Maßnahmen Knöfel EuZW 2008, 267, 269. 563 Rauscher/von Hein Art. 21 EuBVO Rn. 1; Stein/Jonas/Berger § 363 ZPO Rn. 66; Lindacher S. 128; a.A. Musielak/Stadler § 363 ZPO Rn. 5 (Einschaltung eines Konsuls weiterhin zulässig); Jastrow IPRax 2004, 11, 12.
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3. Beweisaufnahme nach HBÜ. Ist die EuBVO räumlich nicht anwendbar, so kommt eine Anwendung des Haager Übereinkommens von 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen (HBÜ)564 in Betracht. Auch hier ist aber zu beachten, dass das HBÜ nur das „wie“ einer Durchführung einer Beweisaufnahme im Ausland regelt, nicht dagegen „ob“ eine solche notwendig ist, so dass eine nah der lex fori gegebene Möglichkeit des „Beweismittelimports“ (dazu oben Rn. 252) durch das HBÜ nicht ausgeschlossen wird.565 Im Gegensatz zur EuBVO erlaubt das HBÜ jedoch keinen unmittelbaren Geschäftsverkehr zwischen den Gerichten, sondern die Korrespondenz findet über die von den Vertragsstaaten benannten „Zentralen Behörden“ (Art. 2 HBÜ) statt und ist daher tendenziell schwerfällig. Ebenso wie bei der EuBVO findet die Beweisaufnahme im Grundsatz nach der lex fori der ersuchten Behörde statt, aber die ersuchende Behörde kann eine besondere Form der Beweisaufnahme verlangen und diesem Verlangen ist auch zu entsprechen, soweit dies nicht mit dem Recht des ersuchten Staates unvereinbar ist (Art. 9 HBÜ).
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4. Sonstiger Rechtshilfeverkehr. Falls weder EuBVO noch HBÜ anwendbar sind, gilt § 363 ZPO, d.h. es ist der Weg über den Bundeskonsul zu gehen oder der betreffende Staat muss um Rechtshilfe ersucht werden.566 XX. Gerichtssprache
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Die Gerichtssprache vor deutschen Gerichten ist gemäß § 184 Satz 1 GVG deutsch (die Sonderregelung zu Gunsten der sorbischen Bevölkerung in § 184 Satz 2 GVG kann hier außer Betracht bleiben). Dahinter steht die Vorstellung, dass im Geltungsbereich des Grundgesetzes die deutsche Sprache das einzige offizielle Verständigungsmittel ist.567 Die Vorschrift des § 184 GVG bezieht sich nicht nur auf die mündliche Verhandlung, sondern auf den gesamten Schriftverkehr mit dem Gericht.568 Daher ist der Sachvortrag in deutscher Sprache zu halten; dies gilt auch für die notwendige schriftsätzliche Darstellung einer wissenschaftlichen Studie, welche eine Partei zur Stützung ihres Sachvortrags verwenden möchte.569 Dagegen können Beweismittel, insbesondere Urkunden, durchaus in fremder Sprache vorgelegt werden; es liegt dann im Ermessen des Gerichts, ob es gemäß § 142 Abs. 3 ZPO die Beibringung einer Übersetzung verlangt, von Amts wegen eine Übersetzung anfertigen lässt oder bei unstreitigem Inhalt der Urkunde ganz auf eine Übersetzung verzichtet.570 Zur Sprachenfrage bei Zustellung ins Ausland s. oben Rn. 249.
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564 BGBl. 1977 II 1742, 1979 II 780. Vertragsstaaten des HBÜ sind (außerhalb der EU) Albanien, Argentinien, Australien, Barbados, Bosnien-Herzegowina, VR China, Indien, Island, Israel, Kolumbien, Kroatien, Kuwait, Liechtenstein, Mexiko, FYR Mazedonien, Monaco, Montenegro, Norwegen, Russland, Schweiz, Serbien, Seychellen, Singapur, Sri Lanka, Südafrika, Südkorea, Türkei, Ukraine, USA, Venezuela und Weißrussland; Aktualisierung möglich über www.hcch.net. Das HBÜ verdrängt insoweit das HZPÜ, welches allerdings im Verhältnis zu Armenien, dem Heiligen Stuhl, Japan, Kirgisistan, Libanon, Marokko, Moldawien, Surinam und Usbekistan noch anwendbar bleibt. 565 Ausführlich dazu, auch im Hinblick auf den dadurch z.T. entstandenen „Justizkonflikt“ mit den USA, Schack Rn. 808 und 817 ff. 566 S. etwa Musielak/Stadler § 363 ZPO Rn. 5 ff. 567 Prütting/Gehrlein/Neff § 184 GVG Rn. 1. 568 BGH 14.7.1981 – 1 StR 815/80 – BGHSt 30,182 = NJW 1982, 532, 533. 569 OLG Hamburg 12.7.2007 – 3 U 39/07 – GRUR-RR 2008, 100, 102. 570 BVerfG 10.4.1997 – 1 BvR 79/97 – NJW 1997, 2040, 2041; BVerwG 9.2.1996 – 9 B 418/95 – NJW 1996, 1553; OLG Brandenburg 30.9.2004 – 9 UF 186/04 – FamRZ 2005, 1842; vgl. Armbrüster NJW 2011, 812, 813 ff.
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Der Gesetzentwurf571 zur fakultativen Einführung englischsprachiger Verfahren 264 vor „Kammern für internationale Handelssachen“ ist bisher nicht erfolgreich gewesen; er begegnet auch erheblichen Bedenken hinsichtlich der gemäß Art. 47 Abs. 2 EU-Grundrechtscharta sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK geforderten Öffentlichkeit des Verfahrens.572 XXI. Einstweiliger Rechtsschutz 1. Zuständigkeit a) EuGVO. Die EuGVO verzichtet bisher auf eigene Zuständigkeitsregeln für Verfah- 265 ren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern erlaubt in Art. 31 EuGVO den Gerichten der Mitgliedstaaten, ihre eigenen Zuständigkeitsregeln anzuwenden, soweit es um „einstweilige Maßnahmen“ geht. Damit soll Anspruchsinhabern bei der Sicherung ihrer Rechte geholfen werden und es soll verhindert werden, dass sich aufgrund der in internationalen Verfahren oft unvermeidbaren Verzögerungen Schäden ergeben.573 Dieser Schutz wird noch dadurch verstärkt, dass Art. 31 EuGVO nicht nur die Anwendung nationaler Zuständigkeitsvorschriften erlaubt, sondern kumulativ auch noch die Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften der EuGVO ermöglicht, d.h. die internationale Zuständigkeit eines Gerichts für eine einstweilige Maßnahme i.S.v. Art. 31 EuGVO ist gegeben, wenn sie sich entweder aus dem nationalen Recht oder aus Art. 2 ff. EuGVO ergibt.574 Letzteres kann aufgrund des Anwendungsbereichs der EuGVO allerdings nur dann der Fall sein, wenn sich der Wohnsitz des Antragsgegners innerhalb der EU befindet.575 aa) Begriff der einstweiligen Maßnahme. Dieser große Freiraum für die Anwen- 266 dung nationaler Vorschriften gemäß Art. 31 EuGVO wird allerdings durch die Interpretation seines Anwendungsbereichs durch den Europäischen Gerichtshof wieder beschränkt: Eine „einstweilige Maßnahme“ i.S.v. Art. 31 EuGVO ist danach eine solche, mit der eine Sach- oder Rechtslage „erhalten“ werden soll, „um Rechte zu sichern, deren Anerkennung im Übrigen bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht beantragt wird.“576 Daher sei etwa eine vorweggenommene Zeugenvernehmung, die in einem besonderen Verfahren des niederländischen Rechts stattfindet und mit der – ohne dass es dafür besondere Voraussetzungen gäbe – die Erfolgschancen einer künftigen Hauptsacheklage eingeschätzt werden sollen, keine einstweilige Maßnahme i.S.v. Art. 31 EuGVO, so dass sie nur unter den Zuständigkeitsvoraussetzungen der Art. 2 ff. EuGVO zulässig sei.577 Außerdem setze der Begriff der einstweiligen Maßnahme i.S.v. Art. 31 EuGVO eine „reale Verknüpfung“ zwischen dem Gegenstand der beantragten Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des nationalen Gerichts voraus, die etwa darin bestehen
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571 BR-Drs. 17/2163 v. 16.6.2010 mit zurückhaltender Stellungnahme der Bundesregierung S. 15 (Gesetzentwurf sei im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK „noch vertretbar“). 572 Überzeugende Darlegung dieser Bedenken u.a. im Hinblick auf das Demokratieprinzip bei Flessner NJOZ 2011, 1913 ff.; a.A. Armbrüster ZRP 2011, 102, 104; Ewer NJW 2010, 1323; für englischsprachige Verfahren vor deutschen Gerichten auch Calliess/Hoffmann AnwBl 2009, 52; Salger AnwBl 2012, 40, 43. 573 EuGH 28.4.2005 – C-104/03 – Slg. 2005 I-3497 Tz. 12 – St. Paul Dairy = JZ 2005, 1166 m. krit. Anm. Mankowski S. 1144 = IPRax 2007, 208 m. Anm. Hess/Zhou S. 183. 574 EuGH 17.11.1998 – C-391/95 – Slg. 1998 I-7091 Tz. 19 – van Uden = IPRax 1999, 240 m. Anm. Hess/ Vollkommer S. 220. 575 Fezer/Hoffmann/Obergfell Einl I Rn. 472. 576 EuGH 26.3.1992 – C-261/90 – Slg. 1992 I-2149 Tz. 34 – Reichert. 577 EuGH 28.4.2005 – C-104/03 – Slg. 2005 I-3497 Tz. 14 ff. – St. Paul Dairy.
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kann, dass es um den vorläufigen Zugriff auf im Gerichtsbezirk belegene Vermögensgegenstände geht.578 267
bb) Insbesondere: Beweissicherungsverfahren. Aus der dargestellten Rechtsprechung des EuGH ergibt sich nicht eindeutig, ob auch ein Beweissicherungsverfahren wie das in Deutschland gemäß §§ 485 ff. ZPO vorgesehene selbständige Beweisverfahren als „einstweilige Maßnahme“ i.S.v. Art. 31 EuGVO gilt und damit auch im Anwendungsbereich der EuGVO gemäß den nationalen Zuständigkeitsregeln (in Deutschland etwa § 486 Abs. 3 ZPO) durchgeführt werden kann. Die Frage ist im deutschen Schrifttum „lebhaft umstritten“.579 Nimmt man diesbezüglich die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Maßstab, so gibt es zweifellos Parallelen zwischen dem deutschen selbständigen Beweisverfahren und dem in der Entscheidung St. Paul Dairy behandelten niederländischen Verfahren zur vorweggenommenen Zeugenvernehmung, die für eine Ausgrenzung des selbständigen Beweisverfahrens aus dem Anwendungsbereich des Art. 31 EuGVO sprechen.580 Andererseits besteht ein Unterschied darin, dass das deutsche selbständige Beweisverfahren eben nicht wie das in St. Paul Dairy behandelte niederländische Verfahren „von keiner besonderen Voraussetzung abhängig ist.“581 Das selbständige Beweisverfahren hat durchaus den vom Europäischen Gerichtshof hervorgehobenen sichernden Charakter: Es ist – die einvernehmlichen Fälle einmal ausgenommen – nur statthaft, wenn „zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird“ (§ 485 Abs. 1 ZPO). Über die Vorschrift des § 386 Abs. 3 ZPO ist außerdem der territoriale Bezug bzw. die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „reale Verknüpfung“ zwischen Gericht und einstweiliger Maßnahme gegeben. Die Durchführung des Beweissicherungsverfahrens unterliegt ohnehin den Regeln der EuBVO (s. oben Rn. 257).
b) Autonomes Verfahrensrecht. Soweit weder EuGVO noch LugÜ zur Anwendung kommen, sind auch im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes die Normen zur örtlichen Zuständigkeit doppelfunktional in dem Sinne, dass sie zugleich die internationale Zuständigkeit regeln.582 In Wettbewerbssachen ist daher wie in anderen Sachen für einen Antrag auf einstweilige Verfügung gemäß § 937 Abs. 1 ZPO das Gericht der Hauptsache international zuständig, so dass insoweit auf die Kommentierung zu § 14 UWG verwiesen werden kann (s. dort). Soweit ein Anspruch nicht auf das UWG, sondern auf bürgerlichrechtliche Normen gestützt wird (s. oben Rn. 221), greift die ausschließliche Zuständigkeit des § 14 UWG jedoch nicht ein, und es kommen insoweit sämtliche andere Gerichtsstände der ZPO in Betracht – auch z.B. der Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO (dazu oben Rn. 227). Die internationale Zuständigkeit für einen Antrag auf einstweilige Verfügung kann 269 außerdem gemäß § 942 Abs. 1 ZPO begründet werden. Die Vorschrift schafft eine örtli-
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578 EuGH 17.11.1998 – C-391/95 – Slg. 1998 I-7091 Tz. 40 und 47 – van Uden = IPRax 1999, 240 m. Anm. Hess/Vollkommer S. 220; EuGH 27.4.1999 – C-99/96 – Slg. 1999 I-2277 Tz. 42 – Mietz = IPRax 2000, 411 m. Anm. Hess S. 370. 579 So die Feststellung bei Kropholler/von Hein Art. 31 EuGVO Rn. 5 m.w.N.; für den Einbezug von Beweissicherungsverfahren in Art. 31 EuGVO etwa Mankowski JZ 2005, 1144, 1149; Knöfel EuZW 2008, 268; Heinze IPRax 2008, 484; gegen eine entsprechende Privilegierung derartiger Verfahren jedoch Rauscher/Leible Art. 31 Brüssel I-VO Rn. 13a; Hess/Zhou IPRax 2007, 189; Musielak/Stadler Art. 31 EuGVVO Rn. 2; vgl. auch Ahrens FS Loschelder (2010) 1. 580 In diesem Sinne Kropholler/von Hein Art. 31 EuGVO Rn. 5. 581 So EuGH 28.4.2005 – C-104/03 – Slg. 2005 I-3497 Tz. 16 – St. Paul Dairy. 582 Schack Rn. 474 ff.
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che – und damit wegen der Doppelfunktionalität auch internationale – Zuständigkeit an dem Ort, wo sich der „Streitgegenstand befindet.“ Für auf Vornahme oder Unterlassung einer Handlung gerichtete Verfügungen ist dies der Ort, an dem der Antragsgegner die betreffende Handlung vornehmen oder unterlassen soll.583 Allerdings darf auf § 942 ZPO ausweislich seines Wortlauts nur „in dringenden Fällen“ zurückgegriffen werden. Damit ist vom Anordnungsgrund – der ggf. wegen § 12 Abs. 2 UWG entbehrlich ist – zu unterscheidendes und zusätzliches Dringlichkeitsmerkmal gemeint. Es ist nur gegeben, wenn die Anrufung des Hauptsachegerichts mit erheblichen Verzögerungen verbunden wäre und dadurch der Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes gefährdet wäre.584 Im internationalen Kontext heißt dies, dass nur die Tatsache eines Hauptsachegerichtsstands im Ausland für sich genommen noch nicht die für § 942 ZPO nötige Dringlichkeit begründet.585 Es müssen weitere Tatsachen hinzukommen – und glaubhaft gemacht werden586 – welche die Rechtsverfolgung am ausländischen Hauptsachegerichtsstand als unzumutbare Verzögerung erscheinen lassen.587 Die Befürchtung, dass der Anspruchsgegner am ausländischen Hauptsachegericht mit bekannt langsamer Verfahrensführung eine „Torpedoklage“ erhebt, soll nach einer in der Literatur geäußerten Ansicht für die Anwendung des § 942 ZPO ebenfalls nicht ausreichen.588 2. Parallelverfahren. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommen die 270 Art. 27 ff. EuGVO und damit auch die vom Europäischen Gerichtshof entwickelte Kernpunktheorie (dazu oben Rn. 239) jedenfalls insoweit nicht zur Anwendung, als das Hauptsacheverfahren einerseits und einstweilige Maßnahmen gemäß Art. 31 EuGVO andererseits nicht als „derselbe Anspruch“ im Sinne von Art. 27 Abs. 1 EuGVO gelten können.589 Daher ist es sowohl möglich, bei bereits anhängiger Hauptsache noch bei einem anderen Gericht einstweilige Maßnahmen gemäß Art. 31 EuGVO zu beantragen wie auch umgekehrt trotz eines bereits laufenden einstweiligen Verfahrens die Hauptsache noch anderweitig anhängig zu machen.590 Problematisch ist allerdings der Fall, dass in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz zu ein und demselben Sachverhalt und mit sich gegenseitig ausschließendem Antragsinhalt gestellt werden; in einem solchen Fall kann Art. 27 zumindest analog zur Anwendung kommen.591
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583 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl. I Rn. 485; Musielak/Huber § 942 Rn. 2. 584 Musielak/Huber ebd. 585 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 485; Eilers S. 12. 586 Zöller/Vollkommer § 924 Rn. 1. 587 Schack Rn. 476 nennt etwa den „Stillstand der Rechtspflege infolge Bürgerkriegs“, aber auch weniger einschneidende Hindernisse dürften für die Anwendung von § 942 ZPO ausreichen; vgl. für Inlandsfälle Kunath WRP 1991, 65. 588 Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 485 unter Verweis auf LG Düsseldorf 8.7.1999 – 4 O 187/99 – GRUR 2000, 692, 697 – NMR Kontrastmittel; LG Düsseldorf 24.9.2001 – 4a O 162/01 – GRUR Int. 2002, 157, 162 – HIV-Immunoassay (die Entscheidungen betreffen allerdings nicht § 942 ZPO, sondern den Verfügungsgrund gemäß § 940 ZPO in Patentsachen). 589 HansOLG Hamburg 28.2.1997 – 1 U 167/95 – OLGR Hamburg 1997, 149 = EwiR 1997, 791 Anm. Mankowski. 590 EuGH 17.11.1998 – C-391/95 – Slg. 1998 I-7091 Tz. 29 – van Uden = IPRax 1999, 240 m. Anm. Hess/ Vollkommer S. 221; LG Hamburg 22.4.2002 – 315 O 64/02 – GRUR Int. 2002, 1025, 1027; Fezer/Hausmann/ Obergfell Einl I Rn. 487; Kropholler/von Hein Art. 27 EuGVO Rn. 14. 591 In diesem Sinne MünchKommZPO/Gottwald Art. 27 EuGVO Rn. 12 unter Verweis auf Eilers Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (1991) 220 f.; a.A. wohl MünchKommUWG/Mankowski Internat WettbewR Rn. 518; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 441; Kropholler/von Hein Art. 27 EuGVO Rn. 14; Wolf EWS 2000, 11, 14 ff.
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3. Rechtsanwendung 271
a) Europarecht. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gibt es auch bei Zweifeln an der Auslegung europarechtlicher Vorschriften abweichend von Art. 267 Abs. 3 AEUV keine Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH, um diese Verfahren nicht unnötig zu verzögern.592 Dies gilt auch dann, wenn es im einstweiligen Verfahren keine weitere Instanz gibt. Die unterlegene Partei kann in einem derartigen Fall das Verfahren zur Hauptsache betreiben, in dessen Verlauf dann das Gericht die europarechtliche Auslegungsfrage dem EuGH vorlegen kann – oder im Falle von Art. 267 Abs. 3 AEUV sogar muss. In der Literatur wird vorgeschlagen, dass ein Richter, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf erhebliche Auslegungsprobleme im Europarecht stößt und sich trotzdem für den Erlass z.B. einer einstweiligen Verfügung entscheidet, diese Verfügung oder ihren Vollzug von der Leistung einer angemessenen Sicherheit abhängig macht, um so den Antragsteller zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens zu motivieren.593
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b) Ermittlung ausländischen Rechts. Grundsätzlich gilt die von § 293 ZPO vorausgesetzte Pflicht des Gerichts zur kollisionsrechtlichen Bestimmung des anwendbaren Rechts und zur Ermittlung des Inhalts des anwendbaren Rechts in sämtlichen Verfahrensarten der ZPO.594 Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist aufgrund der Eilbedürftigkeit jedoch eine Abwägung zu treffen zwischen der mit der Ermittlung des ggf. anwendbaren fremden Rechts verbundenen Verzögerung einerseits und dem Interesse an einer richtigen – d.h. auf das kollisionsrechtlich zu ermittelnde richtige anwendbare Recht gestützten – Entscheidung andererseits.595 Das Gericht hat auch die Möglichkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 921 Satz 1 ZPO zu prüfen.596 In der Rechtsprechung wird diesbezüglich die Auffassung vertreten, dass das Gericht sich bei der Ermittlung fremden Rechts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf präsente Erkenntnisquellen beschränken könne und es im übrigen Sache des Antragstellers sei, den Inhalt des anwendbaren Rechts vorzutragen.597 Ein vollständiger „Rückzug“ des Gerichts aus der ihm obliegenden Pflicht zur Ermittlung des anwendbaren Rechts wäre aber auch im Eilverfahren mit § 293 ZPO kaum vereinbar.598 XXII. Vollstreckungsverfahren
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1. Erzwingung von Handlungen oder Unterlassungen im Ausland durch Inlandszwang. Das Völkergewohnheitsrecht geht von der territorialen Souveränität der Staaten aus und verbietet daher hoheitliches Handeln des einen Staates auf dem Gebiet eines anderen Staates. Dies gilt jedenfalls insoweit, als derartiges Handeln nicht durch
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592 EuGH 24.5.1977 – 107/76 – Slg. 1977, 957 – NJW 1977, 1585 – Hoffman-LaRoche; EuGH 27.10.1982 – 35/82 – Slg. 1982, 3723 – NJW 1983, 2751 – Morson; OLG Frankfurt/M. 31.5.2001 – 6 U 240/00 – GRUR Int. 2001, 771, 774 – Internet-Apotheke. 593 Lindacher S. 9. 594 Zöller/Geimer § 293 Rn. 11; Schack Rn. 704. 595 MünchKommZPO/Prütting § 293 Rn. 56. 596 Schack Rn. 704. 597 OLG Frankfurt/M. 7.11.1968 – 6 U 78/68 – GRUR 1970, 35, 36 – Rochas; OLG Koblenz 28.1.1993 – 5 U 1633/92 – RIW 1993, 939; KG 16.10.2006 – 10 U 286/05 – NJW 2007, 705, 706; OLG Köln 19.1.2007 – 6 U 163/06 – ZUM 2007, 401, 402. 598 In diesem Sinne auch Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 514 ff.: „Eingeschränkte“ Ermittlungspflicht.
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Zustimmung des betroffenen Staates oder durch eine besondere Norm des Völkerrechts im Einzelfall erlaubt ist. Aus diesen Grundsätzen folgt aber keineswegs, dass ein Zwang im Inland nicht auch zur mittelbaren Erzwingung, Sanktionierung oder Verhinderung eines Verhaltens im Ausland eingesetzt werden könnte. Diese Möglichkeit – also etwa die Festsetzung eines Ordnungsgelds wegen eines Verstoßes gegen ein auf Verhalten im Ausland oder gar weltweites Unterlassen gerichtetes Unterlassungsurteil – wird daher von der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung mit Recht anerkannt.599 Eine Minderheitsmeinung sieht dagegen auch bei im Inland ausgeübtem Vollstre- 274 ckungszwang mit nur mittelbarer exterritorialer Wirkung die Souveränität des fremden Staates betroffen und möchte daher stets eine Interessenabwägung dahingehend vornehmen, dass ein Inlandszwang zur Sanktionierung von Handlungen im Ausland nur dann in Betracht kommen könne, wenn eine Vollstreckung am ausländischen Handlungsort nicht möglich sei.600 Eine derartige Einschränkung prozessualer Handlungsmöglichkeiten im Inland ist aber nicht überzeugend. Sie verkennt den Unterschied zwischen bloß faktischen Interessen des ausländischen Staates, die in vielerlei Konstellationen tangiert sein mögen, und der damit nicht identischen, völkerrechtlich geschützten und notwendig territorial verstandenen Souveränität. Zwar mag es einem fremden Staat unter Umständen nicht gleichgültig sein, wenn gegen ein dort ansässiges und/oder agierendes Unternehmen in Deutschland Vollstreckungszwang ausgeübt wird. Daraus folgt aber noch nicht, dass derartige politische oder wirtschaftliche Interessen auch völkerrechtlichen Schutz im Sinne der Souveränitätsgarantie genießen. Diese ist erst dann tangiert, wenn auf dem fremden Hoheitsgebiet Zwang ausgeübt wird oder wenn sich die Vollstreckung gegen der fremden Hoheitsgewalt dienende Gegenstände richtet (zur Immunität im Vollstreckungsverfahren oben Rn. 127). Die Bestätigung eines durch Beschluss deutscher Gerichte festgesetzten Ordnungs- 275 gelds als Europäischer Vollstreckungstitel ist theoretisch möglich: Es handelt sich dabei nach Ansicht des EuGH um Zivil- und Handelssachen im Sinne der EuGVO – der Begriff in Art. 2 EuVTVO ist inhaltlich identisch – weil das Ordnungsgeld der Durchsetzung zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche dient, auch wenn es wie im deutschen System an die Staatskasse zu zahlen ist.601 Allerdings ist eine entsprechende Bestätigung gemäß Art. 6 EuVTVO nur dann möglich, wenn auch die verfahrensrechtlichen Mindestvorschriften der Art. 12 EuVTVO beachtet wurden.602 2. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen a) Verfahren. Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen findet in Deutsch- 276 land stets automatisch statt, ohne dass es dafür eines besonderen Verfahrens bedürfte. Dies ergibt sich ausdrücklich aus Art. 33 Abs. 1 EuGVO, aber auch implizit aus § 328 ZPO. Etwaige Hindernisse für eine Anerkennung werden daher nicht in einem besonderen Anerkennungsverfahren geprüft, sondern inzident in demjenigen Verfahren, in dem es auf die Anerkennung der Wirkungen der ausländischen Entscheidung ankommt.
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599 BGH 13.8.2009 – I ZB 43/08 – NJW-RR 2010, 279 m. Anm. Eichel IPRax 2013, 146; BGH 23.10.1970 – I ZR 86/69 – GRUR 1971, 153, 155 – Tampax m. Anm. Droste; OLG München GRUR 2007, 419, 422 – Lateinlehrbuch = IPRax 2007, 531 m. Anm. Rosenkranz S. 524; Remien S. 299 ff.; Schack Rn. 1083; Lindacher S. 12 m.w.N. 600 Baur/Stürner/Bruns Zwangsvollstreckungsrecht (13. Aufl. 2006) Rn. 57.14. 601 EuGH 18.10.2011 – C-406/09 – NJW 2011, 3568 – Realchemie = EuZW 2012, 157, 158 m. Anm. Sujecki; ebenso bereits BGH 25.3.2010 – I ZB 116/08 – NJW 2010, 1883, 1884. 602 BGH 25.3.2010 – I ZB 116/08 – NJW 2010, 1883, 1885 f. = IPRax 2012, 72 m. Anm. Bittmann S. 62.
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Einen solchen Automatismus gibt es jedoch für die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen bisher – zur Reform der EuGVO s. oben Rn. 27 – nicht: Soweit es um Entscheidungen aus den EU-Mitgliedstaaten oder LugÜ-Staaten geht, sehen Art. 38 ff. EuGVO/LugÜ ein Antragsverfahren vor, welches der Titelgläubiger im Vollstreckungsstaat einleiten muss. Voraussetzung dieser Vorschriften ist jedoch, dass die EuGVO bei Erlass der zu vollstreckenden Entscheidung bereits im Herkunfts- und im Vollstreckungsstaat in Kraft war.603 Für Entscheidungen aus sonstigen Staaten bedarf es zwecks Vollstreckung in Deutschland der Exequaturklage gemäß § 722 ZPO. Die Erleichterung im Verfahren der Art. 38 ff. EuGVO/LugÜ im Verhältnis zu § 722 ZPO besteht vor allem darin, dass die Exequaturklage ein förmliches Erkenntnisverfahren einleitet – allerdings mit dem Streitgegenstand der Verleihung der Vollstreckbarkeit im Inland604 – an dessen Ende ein Urteil steht. Dagegen ermöglichen Art. 38 ff. EuGVO/LugÜ ein einseitiges Antragsverfahren, in dem der Gläubiger bei Erfüllung bestimmter Formalia unverzüglich die Vollstreckbarerklärung erhält, ohne dass der Schuldner angehört würde oder eine inhaltliche Prüfung von Anerkennungshindernissen stattfände (Art. 41 EuGVO). Etwaige Einwände des Schuldners werden dann erst in einem nachgeschalteten Überprüfungsverfahren gemäß Art. 43 ff. EuGVO gehört.
b) Anerkennungshindernisse, insbesondere ordre public. Sowohl Art. 34 f. EuGVO als auch § 328 ZPO enthalten eine Reihe von möglichen Hindernissen, die einer Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils entgegenstehen können. Von diesen zahlreichen möglichen Gründen soll hier nur der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des Forumstaats (orde public) thematisiert werden, da dieser aufgrund der weltweit unterschiedlichen Wettbewerbsrechte eine besondere Rolle spielen kann. Zwar verwenden Art. 34 Nr. 1 EuGVO („öffentliche Ordnung“) und § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO („mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ... insbesondere mit den Grundrechten unvereinbar“) nicht denselben Wortlaut, sie meinen aber inhaltlich dasselbe.605 Es geht um die Grenze dessen, was aus Sicht der inländischen Rechtsordnung im Rahmen der Akzeptanz ausländischer Entscheidungen noch erträglich ist. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public kann sich entweder aus der Art und Weise, in der die Entscheidung zustandegekommen ist ergeben – man spricht dann vom verfahrensrechtlichen ordre public – oder aus dem Inhalt der Entscheidung.606 Der verfahrensrechtliche ordre public ist nicht schon deswegen verletzt, weil das 279 ausländische Verfahren anders ausgestaltet ist als ein hypothetisches deutsches Verfahren ähnlicher Sache.607 Vielmehr ist die Grenze des ordre public erst dann überschritten, wenn das in Rede stehende ausländische Verfahren nicht mehr als geordnetes rechtsstaatliches Verfahren angesehen werden kann.608 Dies ist etwa bei Sammelverfahren im Bereich des Verbraucherschutz- oder Kartellrechts nicht schon deswegen der Fall, weil diese z.B. in einem opt-out-Verfahren durchgeführt werden, wie es etwa das US-amerika-
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603 EuGH 21.6.2012 – C-514/10 – Wolf Naturprodukte. 604 Vgl. nur Prütting/Gehrlein/Kroppenberg § 722 Rn. 8 m.w.N. 605 Prütting/Gehrlein/Schinkels Art. 34 EuGVO Rn. 3. 606 Vgl. die Unterscheidung dieser Kategorien bei Schack Rn. 953 ff., dort auch zur mit Recht aufgegebenen Kategorie eines „kollisionsrechtlichen ordre public“. 607 BGH 18.10.1967 – VIII ZR 145/66 – BGHZ 48, 327, 331 = NJW 1968, 354, 355. 608 BGH (vorige Fn.); OLG Frankfurt/M. 31.1.2002 – 12 W 229/01 – IPRax 2002, 523, 524. In der Literatur wird dies – mit naturrechtlichen Anklängen – auch dahingehend formuliert, dass ein ordre public-Verstoß erst dann vorliege, „wenn das ausländische Erstverfahren gegen grundlegende Forderungen prozessualer Gerechtigkeit verstößt, von denen wir einfach nicht abgehen können, ohne dass unser Rechtsgefühl auf das Tiefste verletzt würde“, so Zöller/Geimer § 328 Rn. 216.
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nische und das niederländische Recht ermöglichen. Vielmehr kommt es bei der Anerkennung der Ergebnisse solcher Sammelprozesse darauf an, ob die jeweiligen Verfahren den im deutschen Verfassungsrecht und in der Rechtsprechung zur Europäischen Menschenrechtskonvention entwickelten rechtsstaatlichen Anforderungen an Massenverfahren genügen.609 Der materiell-rechtliche ordre public ist verletzt, wenn das Ergebnis der Urteilsan- 280 erkennung im konkreten Fall „nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint“.610 Die meisten Beispiele für ein in diesem Sinne inakzeptables Ergebnis entstammen dem hier nicht weiter zu erörternden Familienrecht, in dem sich unterschiedliche kulturelle Vorstellungen besonders stark widerspiegeln. Im Wirtschaftsrecht, wo es regelmäßig „nur“ um Geld geht, sind fremde Rechtsnormen und ihrer Ergebnisse nur selten „untragbar“. Allerdings hat der BGH entschieden, dass ein US-amerikanisches Urteil gegen den deutschen ordre public verstößt, soweit es einem Geschädigten neben der Kompensation seines Schadens auch noch exemplary and punitive damages zuspricht, d.h. Strafschadensersatz, welcher jedenfalls auch der Abschreckung potentieller Täter dient.611 Allerdings weist der BGH darauf hin, dass es hier durchaus auf die Funktion solcher Zahlungen ankommen kann, d.h. soweit sie eine Genugtuungsfunktion haben, können sie auch aus deutscher Sicht noch als Schadensersatz bezeichnet werden, und sie können – was im konkreten Fall allerdings nicht ersichtlich war – auch dazu dienen, den Geschädigten von den Kosten der Rechtsverfolgung freizustellen, die er ansonsten im US-amerikanischen System ja selbst zu tragen hätte.612 Ob diese Rechtsprechung sich heute noch aufrechterhalten lässt, ist aber fraglich,613 denn auch das deutsche Zivilrecht enthält heute an mehreren Stellen pönale Elemente, die mit einer Kompensation von Schäden nichts zu tun haben: Dies gilt insbesondere für die Geldentschädigung bei schwerwiegenden Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die nach der Rechtsprechung des BGH dem „aus dem Persönlichkeitsrecht heraus gebotenen Präventionszweck“ verfolgt und einen „echten Hemmungseffekt“ gegenüber potentiellen Verletzern erreichen soll,614 was sie damit kaum noch von exemplary and punitive damages im US-amerikanischen Recht unterscheidet. Auch die Gewinnabschöpfung in § 10 UWG dient nicht der Kompensation eines Schadens, sondern zumindest auch der Generalprävention. Daher ist entgegen der bisherigen BGH-Rechtsprechung davon auszugehen, dass ein auf Strafschadensersatz lautendes Urteil nicht schon per se den deutschen orde public verletzt; dies ist nur dann der Fall, wenn der Strafschadensersatz in exorbitanter und unangemessener Höhe zuerkannt wird.615 c) Vollstreckung einstweiliger Maßnahmen ausländischer Gerichte. Innerhalb 281 des Systems von EuGVO und LugÜ gilt, dass einstweilige Maßnahmen des in der Haupt-
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609 Vgl. dazu etwa Hess JZ 2000, 373; MünchKommZPO/Gottwald § 328 Rn. 160; Stadler JZ 2009, 121; Hess IPRax 2010, 116; Halfmeier/Wimalasena JZ 2012, 649. 610 BGH 21.4.1998 – XI ZR 377/97 – BGHZ 138, 331, 334 = NJW 1998, 2358 m.w.N. 611 BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096, 3102; zustimmend u.a. Schack Rn. 960 (die Sache sei aber „heillos umstritten“); Stürner FS Schlosser (2005) S. 967, 979; Prütting/ Gehrlein/Völzmann-Stickelbrock § 328 Rn. 27; Zöller/Geimer § 328 Rn. 250; gänzlich gegen Anerkennungsfähigkeit von punitive damages noch Gloy/Loschelder/Erdmann/Schütze § 11 Rn. 43 u. 48. 612 BGH (vorige Fn.) NJW 1992, 3096, 3103. 613 Für großzügigere Maßstäbe bei der Anerkennung bereits Rosengarten NJW 1996, 1935; Zekoll/Rahlf JZ 1999, 384, 388 ff. 614 BGH 15.11.1994 – VI ZR 56/94 – BGHZ 128, 1 = NJW 1995, 861, 865. 615 So auch der französische Kassationshof: Cass. 1.12.2010 – 1ère chambre civil – D. 2011, 423 m. Anm. Licari; in diesem Sinne mit Blick auf verschiedene kontinentaleuropäische Rechtsordnungen auch Nagy NIPR 2012, 4, 11.
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sache zuständigen Gerichts auch in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckt werden können.616 Dagegen kommen sonstige Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, die in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund autonomer Zuständigkeit und Art. 31 EuGVO erlassen werden, für eine Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat regelmäßig nicht in Betracht, zumal sie sich nach den Vorgaben des EuGH (dazu oben Rn. 266) ohnehin auf im Gerichtsbezirk belegene Vermögensgegenstände beziehen müssen.617 282 Einstweilige Maßnahmen von Gerichten aus Drittstaaten können in Deutschland regelmäßig nicht über eine Exequaturklage vollstreckt werden, weil sie in der Hauptsache nicht der Rechtskraft fähig sind.618 Sollte eine solche Maßnahme nach dem Recht des Erststaates jedoch geeignet sein, die Sache endgültig zu erledigen, kommt ausnahmsweise doch eine Vollstreckbarkeit in Deutschland in Betracht.619 Die Zwangsvollstreckung, etwa durch Festsetzung eines Ordnungsgelds, findet aber in jedem Fall durch das deutsche Gericht und nach deutschem Verfahrensrecht statt.620 XXIII. Kostenrisiken Im Verfahren vor deutschen Gerichten – auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – gilt gemäß § 91 ZPO das loser pays-Prinzip, welches zu erheblichen Kostenrisiken führt. Zur Minimierung dieser Risiken kommt entweder ein Antrag auf Prozesskostenhilfe (insbesondere für Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten, dazu oben Rn. 49) oder eine Verlagerung des Risikos auf Dritte in Betracht. Letzteres ist in Form der Prozessfinanzierung in Deutschland seit einigen Jahren praktisch möglich und auch rechtlich zulässig,621 soweit es nicht die beteiligten Anwälte selber sind, die wirtschaftlich hinter der Prozessfinanzierungsgesellschaft stehen.622 284 Will ein Rechtsanwalt einen Teil des Risikos übernehmen, insbesondere durch Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Anwaltsvergütung (etwa in Form einer quota litis oder in anderen Varianten), so war er daran lange Zeit durch das geltende deutsche Berufsrecht gehindert. Nachdem das Bundesverfassungsgericht jedoch ein ausnahmsloses Verbot von Erfolgshonoraren für verfassungswidrig erklärt hat,623 erlaubt heute die Vorschrift des § 4a Abs. 1 RVG die Vereinbarung von Erfolgshonoraren, wenn der Mandant „aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde.“ Zur Interpretation dieser Bestimmung gibt es bisher allerdings kaum Material.624 Da sich die Vorschrift aber an die einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anlehnt, ist ein Erfolgshonorar zumindest dann zulässig, wenn der Sachverhalt mit dem dort entschiedenen Fall vergleichbar ist, d.h. wenn eine Situation vorliegt, in der insbesondere ein Ausländer ohne Anspruch auf Prozesskostenhilfe bei der in § 4a RVG ver283
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616 Kropholler/von Hein Art. 31 EuGVO Rn. 21 ff.; Fezer/Hausmann/Obergfell Einl I Rn. 492; vgl. EuGH 27.4.1999 – C-99/96 – Slg. 1999 I-2277 – Mietz = EuZW 1999, 727, 729 f. 617 Kropholler/von Hein Art. 31 EuGVO Rn. 24 m.w.N. 618 Prütting/Gehrlein/Kroppenberg § 722 Rn. 4. 619 Zöller/Geimer § 722 Rn. 13. 620 Lindacher S. 162; Schack Rn. 1083. 621 Zur Zulässigkeit bereits Dethloff NJW 2000, 2225, 2227 ff.; Frechen/Kochheim NJW 2004, 1213, 1215; Überblick über die Praxis z.B. bei Lenz AnwBl 2007, 483 ff. 622 Dazu OLG München 10.5.2012 – 23 U 4635/11 – BeckRS 2012, 10669. 623 BVerfG 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04 – BVerfGE 117, 63 – NJW 2007, 979 = JZ 2007, 680 m. Anm. Zuck S. 684; für eine weitgehende Liberalisierung seinerzeit Grunewald AnwBl 2007, 469, 472. 624 Vgl. LG Berlin 2.12.2010 – 10 O 238/10 – AnwBl 2011, 150: Erfolgshonorar jedenfalls dann unzulässig, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre; dazu krit. Mayer/Kroiß/Teubel RVG (5. Aufl. 2012) § 4a Rn. 33a.
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langten „verständigen Betrachtung“ von der Verfolgung seiner Rechte in Deutschland abgehalten würde, wenn er nicht die Möglichkeit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit seinem deutschen Anwalt hätte. Die in § 4a RVG in Bezug genommen „wirtschaftlichen Verhältnisse“ des Mandanten dürfen dabei aber nicht mit Armut im Sinne der PKH-Vorschriften gleichgesetzt werden, sondern auch ein wirtschaftlich stärker Mandant kann „bei verständiger Betrachtung“ – d.h. etwa aufgrund einer rationalen Kalkulation des Erwartungswerts der Klage – die hohen Kostenrisiken eines Prozesses in Deutschland scheuen, so dass ein Erfolgshonorar gemäß § 4a RVG zulässig sein kann, um diesen Erwartungswert für den Mandanten zu erhöhen. So soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers ein Erfolgshonorar z.B. zulässig sein, wenn „ein mittelständisches Unternehmen“ einen „großen Bauprozess“ führen möchte.625 Für einen komplexen lauterkeits- oder kennzeichenrechtlichen Streitfall kann nichts anderes gelten. In der Literatur wird allerdings erwogen, dass die Vereinbarung eines Erfolgshonorars gegenüber der Prozessfinanzierung das subsidiäre Mittel ist, so dass zunächst an einen Prozessfinanzierer herangetreten werden müsste.626 Bei Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Mandanten sind die 285 Formvorschriften des § 3a RVG sowie die besonderen Anforderungen der § 4a Abs. 2 und 3 RVG zu beachten. Einleitung Teil F. Einl Wettbewerb der öffentlichen Hand Einl Halfmeier/Schünemann
F. Wettbewerb der öffentlichen Hand Schrifttum Achatz Grundrechtliche Freiheit im Wettbewerb (2011); Ackermann Der Rückzug des Zivilrechts von der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Handelns der öffentlichen Hand – Ende eines „zivilrechtlichen Dilettierens“ oder Ende der Freiheit der privaten Marktteilnehmer? FS Tilmann (2003) 73 ff.; Alexander Öffentliche Auftragsvergabe und unlauterer Wettbewerb, WRP 2004, 700 ff.; Badura Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand mit besonderer Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Wettbewerbs-Versicherungsunternehmen, ZHR 146 (1982) 448 ff.; Bosten Wettbewerb ohne Wettbewerbsrecht, WRP 1999, 9 ff.; Brauser-Jung Religionsgewerbe und Religionsunternehmerfreiheit – Zum Spannungsverhältnis zwischen Religion und Wirtschaft aus wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Perspektive (2002); Brohm Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand und Wettbewerb, NJW 1994, 281 ff.; Broß Überlegungen zum Wettbewerb der öffentlichen Hand, FS Piper (1996) 107 ff.; Brüning Die Wege des Rechts sind verschlungen, Wettbewerbsrelevante Tätigkeit der öffentlichen Hand und Rechtsschutz, NVwZ 2012, 671 ff.; Bullinger Öffentliches Recht und Privatrecht (1968); Doepner Unlauterer Wettbewerb durch Verletzung von Marktzutrittsregelungen? WRP 2003, 1292 ff.; Ehlers Verwaltung und Privatrechtsform (1984); Elskamp Gesetzesverstoß und Wettbewerbsrecht (2007); Emmerich Der unlautere Wettbewerb der öffentlichen Hand (1969); ders. Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen (1969); Ennuschat Kommunalrecht und Wettbewerbsrecht, WRP 1999, 405 ff.; ders. Rechtsschutz privater Wettbewerber gegen kommunale Konkurrenz, WRP 2008, 883 ff.; Franz Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge (2005); Frenz Kommunalwirtschaft außerhalb des Wettbewerbsrechts? WRP 2002, 1367 ff.; Gaa Anwendung privaten Wettbewerbsrechts bei schlicht hoheitlichem Handeln? WRP 1997, 837 ff.; v. Gamm Verfassungs- und wettbewerbsrechtliche Grenzen des Wettbewerbs der öffentlichen Hand, WRP 1984, 303 ff.; Gröning Kommunalrechtliche Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand und Drittschutz auf dem ordentlichen Rechtsweg, WRP 2002, 17 ff.; Hammer Verfassungsfragen wirtschaftlicher Betätigung der Kirchen, FS Stober (2008) 265 ff.; Hauck Dabeisein ist alles … – Der Rechtsschutz privater Unternehmen gegen die Teilnahme der öffentlichen Hand am Wettbewerb WRP 2006, 323 ff.; ders. Der „Standortvorteil“ im Wettbewerbsrecht – Problematik der Chancengleichheit zwischen kommunalen und privaten Anbietern, 2008,
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BTDrucks. 16/8916, S. 14. Mayer/Kroiß/Teubel RVG (5. Aufl. 2012) § 4a Rn. 32.
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Einleitung Teil F.
665 ff.; Kluth Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme (1988); ders. Öffentlich-rechtliche Zulässigkeit gewinnorientierter staatlicher und kommunaler Tätigkeit, in Stober/Vogel (Hrsg.), Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand (2000) 23 ff.; Köhler Wettbewerbsverstoß durch rechtswidrigen Marktzutritt? GRUR 2001, 777 ff.; ders. Zur wettbewerbsrechtlichen Sanktionierung öffentlich-rechtlicher Normen, FS Schmitt-Glaeser (2003) 499 ff.; Mann Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft (2002); Mees Überlegungen zu Folgen der Privatisierung für das Wettbewerbsrecht, WRP 2000, 963 ff.; Mestmäcker Die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln im Wettbewerbsrecht, NJW 1969, 1 ff.; Möstl Konkurrenzschutz gegen die öffentliche Hand, WiVerW 2011/4 („Konkurrenzschutz im Wettbewerb“, Themenheft zum Gewerbearchiv), 231 ff.; Pielow Grundstrukturen öffentlicher Versorgung (2001); Piper Zum Wettbewerb der öffentlichen Hand, GRUR 1986, 574 ff.; Pinger Der Rechtsweg bei Wettbewerbsverstößen der öffentlichen Hand, GRUR 1973, 456 ff.; Poppen Der Wettbewerb der öffentlichen Hand (2007); Püttner Unlauterer Wettbewerb der öffentlichen Hand, GRUR 1964, 359 ff.; Rittner/Dreher Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. (2007); Rüffler Die Anwendbarkeit des UWG auf juristische Personen des öffentlichen Rechts (1992); Schachtschneider Staatsunternehmen und Privatrecht (1986); Schmittat Rechtsschutz gegen staatliche Wirtschaftskonkurrenz, ZHR 148 (1984) 428 ff.; Schink Wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen, NVwZ 2002, 129 ff.; Schliesky Öffentliches Wettbewerbsrecht (1997); ders. Über Notwendigkeit und Gestaltung eines öffentlichen Wettbewerbsrechts, DVBl. 1999, 78 ff.; ders. Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. (2008); ders. Die Verdrängung der Verwaltungsgerichtsbarkeit aus dem Öffentlichen Wirtschaftsrecht, FS Stober (2008) 523 ff.; Schmidt-Leithoff Gemeindewirtschaft im Wettbewerb (2011); Scholz Wettbewerbsrechtliche Klagen gegen Hoheitsträger: Zivil- oder Verwaltungsrechtsweg? NJW 1987, 16 ff.; ders. Wettbewerbsrecht und öffentliche Hand, ZHR 132 (1969) 97 ff.; Schricker G. Wettbewerb der öffentlichen Hand im Strukturwandel (1990); Schricker H. Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, 2. Aufl. (1987); Schünemann Die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand zwischen öffentlichem und privatem Wettbewerbsrecht, WRP 2000, 1001 ff.; ders. Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit wirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand, in Stober/Vogel (Hrsg.), Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand (2000) 41 ff.; ders. Der Maßstab der guten Sitten für die wirtschaftende öffentliche Hand, WRP 2001, 466 ff.; ders. Generalklausel und Interessenabwägung im neuen UWG, WRP 2004, 817 ff.; ders. Generalklausel und Regelbeispiele, JZ 2004, 271 ff.; Stober Rein gewerbliche Betätigung der öffentlichen Hand und Verfassung, ZHR145 (1981) 565 ff.; Storr Der Staat als Unternehmer (2001); Tettinger Rechtsschutz gegen kommunale Wettbewerbsteilnahme, NJW 1998, 3473 ff.; Tilmann Privatwirtschaftliche Betätigung der Kommunen, FS Schricker (2005) 763 ff.; Ulmer Die Anwendung von Wettbewerbs- und Kartellrecht auf die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand beim Angebot von Warenoder Dienstleistungen, ZHR 146 (1982) 466 ff.; Voigt Der Wettbewerb der öffentlichen Hand und seine privatrechtliche Beurteilung (1956); Vollmar Rechtsweg und Maßstab für Klagen gegen die öffentliche Hand wegen Wettbewerbsverstößen, Diss. Heidelberg (1987); Wenzel Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, NJW 1961, 2102 ff.; Werner Die Abwehr staatlicher Wettbewerbseinflüsse (1986); Wolf D. Der Staat als Unternehmer – Belebung oder Gefahr für den Wettbewerb? in Stober/Vogel (Hrsg.), Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand (2000) 5 ff.
Einleitung Teil F. Einl Wettbewerb der öffentlichen Hand Einl Schünemann I.
II.
III.
Übersicht Erscheinungs-, Organisations- und Handlungsformen der wirtschaftenden öffentlichen Hand ____ 1 Grundsätzliche Problematik ____ 21 1. Historie und Hintergrund ____ 21 2. Zur Doppelnatur der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand ____ 28 Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand als „geschäftliche Handlung“ ____ 47 1. Ausgangspunkt ____ 47 2. Erfordernis der Außenwirkung ____ 51 3. „Geschäftliche Handlung“ im Lichte diverser Handlungsfelder nach h.M. ____ 54
Schünemann
IV.
a) Bedarfsdeckung ____ 54 b) Erwerbswirtschaftliches Handeln ____ 56 c) Sozialwirtschaftliches Handeln im Bereich der Daseinsvorsorge ____ 57 4. Kritik ____ 65 Lauterkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand ____ 79 1. Einheitlicher Lauterkeitsmaßstab ____ 79 2. Sedes materiae im geltenden Recht ____ 87 3. Spezifische Fallgruppen ____ 91
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Wettbewerb der öffentlichen Hand
a) Vertrauens- und Autoritätsmissbrauch als unsachliche Einflussnahme (§ 4 Nr. 1 und 2) ____ 91 b) Preisunterbietung als gezielte Mitbewerberbehinderung (§ 4 Nr. 10) ____ 101 Alphabetisches Stichwortverzeichnis Autoritätsmissbrauch 91 ff. Beschaffungswesen 14, 54 f., 66 ff. Bestechlichkeit 100 Daseinsvorsorge 15, 57 ff., 69 f. Doppelnatur 28 ff., 119 Doppelqualifikation s. Doppelnatur Eigenbetriebe 18 Eigengesellschaften 18 Empfehlung 95 ff. Erwerbswirtschaft 17, 56 geschäftliche Handlung 47 ff., 54 ff. Gewinnerzielungsabsicht 17, 62 Handlungsformen 19 Hoheitszeichen 98 Horizontalverhältnis 28 innerbehördliche Maßnahmen 51 ff. Kirchen 8 Marktstärke 82 ff. Marktstörung 116 Marktverhaltensregeln 106 ff. öffentliche Hand – Begriff 2 f. – Erwerbswirtschaft 17, 56
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c) Verletzung insbesondere öffentlichrechtlicher Marktverhaltensregeln (§ 4 Nr. 11) ____ 106 Weitergehende lauterkeitsrechtliche Sanktionen? ____ 113
– Lauterkeitsmaßstab 79 ff. – Sozialwirtschaft 57 öffentliches Unternehmen – Begriff 3 – Formen 18 ff. öffentliches Wettbewerbsrecht 43, 48 par condicio concurrentium 111 Preisunterbietung 101 ff., 114 Randnutzung 72 Rechtsweg 22 ff., 74 ff. Rechtswegspaltung 78 Regiebetriebe 18 Rundfunk 7, 15 ff., 20, 106 Sicherheitsgewährleistung 16 Subjektionstheorie 31 Subventionen 63, 71 Verdrängungsabsicht 103 Verwaltungsprivatrecht 41 Vorteilsannahme 100 Wahlfreiheit 20 Warnung 95 ff. Wettbewerbsabsicht 49 Zweckentfremdung öffentlicher Mittel 105, 114
I. Erscheinungs-, Organisations- und Handlungsformen der wirtschaftenden öffentlichen Hand Die öffentliche Hand hat auch in der marktwirtschaftlich verfassten, primär von Pri- 1 vatrechtssubjekten und ihrer Marktaktivitäten geprägten Wirtschaftsordnung Deutschlands (vgl. Einl. A Rn. 142) ungeachtet der massiven Privatisierungswellen der jüngeren Vergangenheit eine große wirtschaftliche Bedeutung.1 Die Ursachen dafür sind komplex: Politische Strategieentscheidungen, relative Verknappung der Haushaltsmittel und Anpassungsdefizite, aber gerade umgekehrt auch die Wahrnehmung neu entdeckter Handlungsspielräume für die öffentliche Hand, wirken hier zusammen.2 Außerdem ist die öffentliche Hand allein schon in ihrer Funktion als Nachfrager zur Deckung ihres internen Bedarfs seit jeher ein erheblicher Wirtschaftsfaktor gewesen.
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1 Rittner/Dreher § 11 Rn. 18 beziffern auch nach der Privatisierung früherer Beteiligungen an großen industriellen Konzernen wie VEBA, VIAG oder Salzgitter die anteilige Bruttowertschöpfung der öffentlichen Hand (wohl am Bruttoinlandsprodukt) in Deutschland auf fast 11%. Zu einigen ausgewählten Beteiligungsquoten s. a.a.O. Rn. 16. S.a. Schmidt-Leithoff S. 140 ff. 2 Mees WRP 2000, 963 f., 966; Kluth Zulässigkeit S. 23 ff.; Wolf S. 5 ff. Zur geschichtlichen Entwicklung s. Schmidt-Leithoff S. 70 ff.
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Unter der Sammelbezeichnung „öffentliche Hand“ werden üblicherweise zunächst Bund, Länder, Kreise und Gemeinden (Kommunen) zusammengefasst. Ebenso rechnen dazu etwa öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten, Stiftungen und Zweckverbände. Darauf aufbauend werden unter „öffentlichen Unternehmen“ in Anlehnung an § 130 GWB die mehr oder weniger am Markt selbständig agierenden Organisationsteile der öffentlichen Hand sowie die ihnen ganz oder teilweise gehörenden oder wenigstens von ihnen verwalteten oder betriebenen Unternehmen verstanden. 3 Für diesen funktionsorientierten Begriffsgebrauch des öffentlichen Unternehmens kennzeichnend ist, dass die öffentliche Hand in irgendeiner Weise als Marktteilnehmer in Erscheinung tritt.4 Notwendig wie hinreichend ist dabei ein beherrschender Einfluss der öffentlichen Hand auf das Unternehmen. Während es sich bei Unternehmen in öffentlich-rechtlicher Organisationsform deshalb eo ipso um öffentliche Unternehmen handelt, stellt sich bei Unternehmen in Privatrechtsform, speziell unter privater Mitbeteiligung (sog. gemischtwirtschaftliche Unternehmen),5 die Frage nach den Kriterien, die über die Beherrschung durch die öffentliche Hand entscheiden. Dafür haben sich allgemeine Grundsätze entwickelt,6 die ihren Niederschlag z.B. in den Maßgaben der Transparenzrichtlinie (RL 80/723/EWG, RL 2000/52/EG), in § 2 Abs. 3 FPStatG oder auch in § 53 Abs. 1 HGrG gefunden haben. Demzufolge ist eine Beherrschung durch die öffentliche Hand namentlich dann anzunehmen, wenn die öffentliche Hand die Kapital- oder die Stimmenmehrheit besitzt oder in der Lage ist, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen. Ein solcher maßgebender Einfluss wird aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten gehalten und deshalb in gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen jedenfalls angestrebt.7 Zweifelhaft sein kann aber, ob bei gewichtigen rechtlichen Privilegien der öffentlichen Hand auch ohne die vorgenannten Mehrheitsverhältnisse das Vorliegen eines öffentlichen Unternehmens bejaht werden kann.8 Namentlich in Bezug auf die „Volkswagen AG“ stellte sich diese Frage im Blick auf § 4 Abs. 1, § 2 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 VWGmbHÜG (a.F.), durch die zugunsten des Landes Niedersachsen ein Entsenderecht, ein Höchststimmrecht und eine Sperrminorität statuiert wurden. Mittlerweile sind diese Privilegien durch eine Novellierung des Gesetzes vor dem Hintergrund eines von der Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahrens allerdings bis auf die Sperrminorität Niedersachsens entfallen;9 ob dieses letzte Privileg Bestand hat, bleibt abzuwarten. Unter lauterkeitsrechtlichem Aspekt bedarf die Frage, ob Privilegien namentlich der öffentlichen Hand zur Beherrschung eines Unternehmens ausreichen, allerdings keiner Entscheidung, da die „Volkswagen AG“ als Unternehmen in Privatrechtsform so oder so
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3 Im Ergebnis wird § 130 GWB im Lauterkeitsrecht also analog angewendet und nicht etwa ein Gegenschluss gezogen, vgl. Schünemann Betätigung S. 45 f.; ders. WRP 2000, 1001, 1005 f.; s.a. Brohm 1994, 282, 287. 4 S.a. Pielow S. 20 f. 5 Näher Spannowsky ZHR 160 (1996) 563 ff.; kritisch zu der hergebrachten Klassifikation Schliesky Wettbewerbsrecht S. 22 ff. 6 Vgl. Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 24 I. 7 Vgl. Mann S. 55. 8 Zur Problematik von sog. goldenen Aktien oder der bevorzugten Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern (wegen deren grundsätzlicher Weisungsfreiheit nach § 101 Abs. 2 AktG, s. BGH 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 389) vgl. ganz allgemein Rittner/Dreher § 11 Rn. 24. 9 Zur Historie vgl. EuGH 23.10.2007 – C 112/05 – Slg. 2007, I-9020 – Kommission/Deutschland („VWGesetz“); Kilian NJW 2007, 3469 ff.; Krause NJW 2002, 2747 ff.; Sander EuZW 2005, 106 ff.
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in ihrem Handeln an den Maßstäben des UWG zu messen ist (näher Rn. 28 ff., 42 ff.). Dass der Begriff des öffentlichen Unternehmens an seinen Rändern unscharf ist,10 wirkt sich hier nicht aus. Rechtliche Relevanz gewinnt der Status eines öffentlichen Unternehmens vielmehr in Richtung auf eine zumindest teilweise Beachtlichkeit auch des öffentlichen Rechts für gemischt-wirtschaftliche privatrechtsförmige Unternehmen i.S. eines Verwaltungsprivatrechts (vgl. Rn. 39), weil die öffentliche Hand durch Rechtsformwahl sich ihren öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht soll entledigen können. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk stellt, soweit er am Markt etwa durch sein Beschaffungswesen, durch Werbung, Lizenzvergabe etc. in Erscheinung tritt,11 ein öffentliches Unternehmen dar. Medienspezifische Besonderheiten wie vor allem die Grundrechtsrelevanz seines Programmauftrags im Blick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG12 oder staatsvertragliche Einflussfaktoren ändern daran nichts, sondern betreffen die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen vornehmlich der Rundfunkfinanzierung.13 Nur wenig Beachtung im Kontext des öffentlichen Unternehmens findet gemeinhin die wirtschaftliche Betätigung der Kirchen mit dem Status öffentlich-rechtlicher Körperschaften,14 also traditionell der beiden großen christlichen Kirchen auf der Grundlage des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV. Jedenfalls in ihren Erscheinungsformen unterscheidet sich die wirtschaftliche Tätigkeit dieser Kirchen kaum von der säkularen Variante, wenn man etwa an kirchliche Verlage, Seniorenheime in kirchlicher Trägerschaft oder „Klosterbrauereien“ denkt. Auch die Motivlagen weisen deutliche Parallelen auf: Reklamieren Bund, Länder, Kreise, Gemeinden etc. bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit für sich gerne die Verfolgung von religionsindifferenten Gemeinwohlinteressen, so sehen die Kirchen ihre Wirtschaftstätigkeit in weitem Maße als karitativen und diakonischen Dienst im Kontext ihres Glaubens, teilweise auch als religiösen Wert an sich: „ora et labora“.15 Diese Übereinstimmungen legen es nahe, auch die Kirchen mit dem Status öffentlich-rechtlicher Körperschaften lauterkeitsrechtlich nicht anders als andere öffentliche Unternehmen zu behandeln. Dabei wird nicht der besondere verfassungsrechtliche Status der Kirchen nach Art. 140 GG i.V.m. Artt. 136 ff. WRV verkannt: Auch als Körperschaften des öffentlichen Rechts werden sie nicht Teil der Staatsorganisation und genießen deshalb z.B. Grundrechtsschutz.16 Doch ist dies in vorliegendem Zusammenhang ohne Belang. Irrelevant ist auch das in Art. 137 Abs. 3 WRV für alle, auch die privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften verbriefte Recht, innerkirchliche Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten. Denn erstens handelt es sich bei wirtschaftlicher, also marktgerichteter Tätigkeit schon eo ipso nicht um eine innerkirchliche, sondern gerade um eine nach außen wirkende Aktivität, und zweitens besteht selbst dieses
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10 Vgl. Rittner/Dreher § 11 Rn. 7; Storr S. 35 ff., 269 ff. 11 Ausführlich Anke Merchandising und Licensing. Die wirtschaftliche Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten (2007); Mand Erwerbswirtschaftliche Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten außerhalb des Programms (2002). 12 Wegweisend BVerfG 28.2.1961 BVerfGE 12, 205, 260 ff. 13 Vgl. BVerfG 5.2.1991 BVerfGE 83, 238, 303 ff.; BVerfG 6.10.1992 BVerfGE 87, 181, 189 ff.; BVerfG 22.2.1994 BVerfGE 90, 60, 101 ff. 14 Vgl. zu den seltenen Fällen BGH 19.6.1981 GRUR 1981, 823 – Ecclesia-Versicherungsdienst; BrauserJung sowie Hammer a.a.O. (Literaturverzeichnis); s.a. Starosta Religionsgemeinschaften und wirtschaftliche Betätigung – Eine Untersuchung aus verfassungsrechtlicher Sicht (1986). 15 S. (auch im historischen Längsschnitt) eingehend Hammer FS Stober 265, 267 ff. 16 BVerfG 4.10.1965 BVerfGE 19, 129, 132 ff.; BVerfG 21.9.1976 BVerfGE 42, 321, 323 ff.; BVerfG 25.11.1980 BVerfGE 55, 207, 230 ff.
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Selbstverwaltungsrecht nur „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.“ So streitig diese Schrankenbestimmung auch sein mag, so steht doch fest, dass z.B. das Bauordnungsrecht oder das allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht das kirchliche Selbstverwaltungsrecht einschränken.17 Selbst wenn bei wirtschaftlicher Betätigung der Kirchen ihr Selbstverwaltungsrecht überhaupt berührt sein sollte, müsste das Lauterkeitsrecht, ganz sicher ein „für alle geltendes Gesetz“ in einer Reihe mit den genannten, auf die wirtschaftliche Betätigung der Kirchen unter denselben Voraussetzungen und mit denselben Maßgaben Anwendung finden, die für die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates, der Kommunen etc. gelten. Angesichts des großen ökonomischen Staatssektors (unter Einschluss kommunaler Marktteilnehmer) sowie der großen christlichen Kirchen als Wirtschaftsfaktor wird bisweilen von einem „zweiten Markt“ gesprochen.18 Diese Bezeichnung ist indes nicht glücklich: Die rechtlichen Schwierigkeiten, die die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand aufwirft, resultieren ja hauptsächlich gerade daraus, dass die öffentliche Hand hierbei mit privaten Marktteilnehmern, also sozusagen im „ersten Markt“, als Anbieter oder Nachfrager in Konkurrenz tritt. Die Erscheinungsformen der wirtschaftenden öffentlichen Hand sind überaus vielfältig. Unter lauterkeitsrechtlichen Aspekten empfiehlt es sich, die zu beleuchtende wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand begrifflich sehr weit zu fassen, um nicht von vornherein Tätigkeiten der öffentlichen Hand mit Wettbewerbseffekten zu Lasten anderer auszugrenzen. Hierzu zählt z.B. auch die Subventionsvergabe (s. Rn. 64 f.). Annäherungsweise können drei große, sich überschneidende Handlungsfelder namhaft gemacht werden,19 wobei Staat und Kommunen im Vordergrund stehen:20 Zunächst verkörpert die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand ein großes Nachfragepotential im verwaltungsinternen Beschaffungswesen. Zu diesem fiskalischen Handeln zählt der Erwerb sächlicher Mittel wie etwa Informationstechnik, Büromaterial und Mobiliar sowie Anschaffung von Behördenfahrzeugen. Die öffentliche Hand vergibt Aufträge über die Errichtung von Verwaltungsgebäuden, über Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen oder über die Erbringung von Bewachungsleistungen. Ferner wirtschaftet die öffentliche Hand im Bereich der sog. Daseinsvorsorge.21 Sie erbringt entgeltliche Infrastrukturleistungen im öffentlichen Personen- und Güterverkehr. Sie ist in der Energie- und Wasserversorgung ebenso wie in der Abfall- und Abwasserentsorgung und ferner in der Wohnungswirtschaft tätig.22 Die öffentliche Hand bewirtschaftet Schwimmbäder, Theater, Museen und Krankenhäuser und betreibt Häfen und Flughäfen, Förderbanken und Messen, Rundfunkanstalten und Krankenkassen, die dann – ohne Einschaltung selbständiger Optiker – Brillen liefern und Rollstühle überlassen.23 Sie agiert
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17 S. dazu hier nur Maunz/Dürig/Korioth Art. 140 (GG)/137 WRV Rn. 44 ff. (Schrankenproblematik im Allgemeinen), 49. 18 Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 24 I; s.a. ders. NJW 2002, 2357 ff. 19 Schünemann WRP 2000, 1001, 1002 f.; ders. Zulässigkeit S. 41 ff.; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 24 II. 20 Vieles ist substanziell auf die Wirtschaftstätigkeit der Kirchen übertragbar, doch fehlt es an einer übergreifenden Terminologie. 21 Zu diesem von Forsthoff geprägten Begriff s. aus gegenwartsbezogener Sicht Krajewski VerwArch 2008, 174 ff. 22 Schönberger GRUR 1999, 659 ff. 23 Vgl. die Leitentscheidungen BGH 18.12.1981 BGHZ 82, 375 = GRUR 1982, 425 – BrillenSelbstabgabestellen; GmS-OGB 29.10.1987 BGHZ 102, 280.
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auf der Bühne dieser „Sozialwirtschaft“24 als Organisator von entgeltlichen Rettungsdiensten neben solchen der Privatwirtschaft, als Betreiberin eines Senioren-Cafés, veranstaltet Senioren-Ausflugsfahrten25 und unterhält Sozialstationen, deren Tätigkeit denjenigen privater Pflegeunternehmen entspricht.26 Eine besondere Variante der Daseinsvorsorge stellt die Gewährleistung der äußeren 16 und inneren Sicherheit dar. Hier hat die öffentliche Hand regelmäßig eine monopsonistische Position, indem niemand außer ihr Panzer, Waffen, Wasserwerfer oder sonstige Polizeieinsatzfahrzeuge nachfragt; dieser Markt lässt sich in seiner Abschottung noch am ehesten als „zweiter Markt“ bezeichnen (vgl. Rn. 12).27 Schließlich können öffentliche Unternehmen nicht anders als privatwirtschaftlich 17 initiierte Unternehmen primär oder jedenfalls begleitend der Gewinnerzielung dienen, wie z.B. beim Betrieb von Brauereien, Weingütern oder kommunaler Reisebüros,28 aber auch bei einem Bestattungsunternehmen oder beim Verkauf von Kfz-Nummernschildern29 und beim Titel-Merchandising beliebter Rundfunksendungen.30 Kommunale Träger, hervorgegangen aus Garten- und Friedhofsämtern, bieten gärtnerische Leistungen am Markt an;31 auch Elektroarbeiten32 und die Verwertung von Altautos33 sind im Angebot. Reparaturwerkstätten der Polizei tragen zur Kostenreduktion dadurch bei, dass sie ihre Überkapazitäten nutzen, um entgeltliche Reparaturaufträge für Privatfahrzeuge erst nur der Polizisten, dann auch deren Angehöriger und schließlich für jedermann durchzuführen. Volkshochschulen veranstalten entgeltlichen Nachhilfeunterricht für schwache Schüler,34 Vermessungsämter erbringen entgeltliche Leistungen wie private Vermessungsingenieure.35 Der Phantasie für erwerbswirtschaftliche „Geschäftsideen“ scheinen hier keine Grenzen gesetzt.36 Die Organisations- bzw. Rechtsformen, in denen sich die Wirtschaftstätigkeit der 18 öffentlichen Hand vollzieht, sind vielgestaltig:37 Neben Regie- und (kommunalen) Eigenbetrieben38 bzw. Sondervermögen (auf Landes- und Bundesebene)39 als (nur) faktisch selbständig agierende Wirtschaftseinheiten (z.B. Domänen, Schlachthöfe, Stadtwerke, früher Bundesbahn und -post) existieren – rechtlich verselbständigt – öffentlich-recht-
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24 Scholz NJW 1974, 781. Zu der kaum darstellbaren klaren Abgrenzung zur „Erwerbswirtschaft“ s. Hill BB 1997, 425 ff.; Stober BB 1989, 716 f. 25 KG 7.5.1985 WRP 1986, 207 – Gruppenfahrten für Senioren. 26 LG Hannover 4.7.1990 NJW-RR 1991, 432. 27 Vgl. Stober BB 1989, 716 f. 28 BGH 10.2.1956 GRUR 1956, 227 – Reisebüro. 29 OLG Köln 26.10.1990 GRUR 1991, 381 – Kfz-Schilder; OLG Dresden 18.4.1996 WRP 1996, 911. 30 BGH 19.11.1992 BGHZ 120, 228 = GRUR 1993, 692 – Guldenburg; s.a. Emmerich/Steiner Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (1986). 31 OLG Hamm 23.9.1997 NJW 1998, 3504 – Gelsengrün m. Anm. Tettinger = JuS 1999, 191 m. Anm. Emmerich = JZ 1999, 576 m. Anm. M. Müller; OLG Celle 9.9.2004 – 13 U 133/04 – GRUR-RR 2004, 374 f. – Grabpflegearbeiten. 32 BGH 25.4.2002 – I ZR 250/00 – GRUR 2002, 825 – Elektroarbeiten. 33 BGH 26.9.2002 – I ZR 293/99 – GRUR 2003, 164 – Altautoverwertung. 34 OLG Düsseldorf 10.10.1996 WRP 1997, 42. 35 BGH 14.1.1993 BGHZ 121,126 – Vermessungsämter. 36 Schon vor Jahren liebäugelte die öffentliche Hand etwa auch mit wirtschaftlichem Engagement im Telekommunikationsmarkt, vgl. M. Müller DVBl. 1998, 1256 ff.; ders. in Stober (Hrsg.), Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand (2000) 145 ff.; Pünder DVBl. 1997, 1353 ff. 37 Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 4 Rn. 1; Fezer/Koos § 4-S15 Rn. 1; Rittner/Dreher § 11 Rn. 19 ff. 38 Die Unterschiede liegen im unterschiedlichen Grad der verwaltungstechnischen und operativen Selbständigkeit. So verfügen Eigenbetriebe und Sondervermögen z.B. über eigenes Management. Zu den Abgrenzungsproblemen, auch im Blick auf den Unternehmensbegriff, s. Schmidt-Leithoff S. 166 ff. 39 Vgl. Rittner/Dreher § 11 Rn. 35 ff.
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lich verfasste Unternehmen (z.B. Sparkassen) sowie privatrechtlich, namentlich als GmbH oder AG organisierte Unternehmen, deren Gesellschafter entweder die öffentliche Hand allein ist (sog. Eigengesellschaften), oder an der die öffentliche Hand zumindest beteiligt ist (sog. gemischtwirtschaftliche Unternehmen, s. Rn. 3). Als Handlungsformen der wirtschaftenden öffentlichen Hand kommen prinzipiell 19 dieselben Instrumente in Betracht wie sonst auch: obrigkeitliches, schlicht-hoheitliches und privatrechtliches Handeln. Dabei kann der Gesetzgeber die öffentliche Hand auf eine bestimmte Handlungsform festlegen. Im Übrigen kommt aber der Grundsatz der Wahlfreiheit zum Tragen. Dieser auch 20 im Gemeinschaftsrecht anklingende Grundsatz40 besagt, dass die öffentliche Hand nicht darauf beschränkt ist, von ihrem Sonderrecht, dem öffentlichen Recht, Gebrauch zu machen, sondern sich auch privatrechtlicher Gestaltungsmittel bedienen darf.41 Was konkret aber als privatrechtliches oder aber öffentlich-rechtliches Handeln anzusehen ist, lässt sich nicht leicht entscheiden. Verträge etwa sind als privatrechtliche und als öffentlich-rechtliche Institute verankert. Im Bereich der Realakte (z.B. Ausstrahlung von Rundfunksendungen) ist eine Qualifizierung als schlicht-hoheitliches oder privatrechtliches Handeln erkennbar gleichermaßen schwierig.42 II. Grundsätzliche Problematik 1. Historie und Hintergrund. Im Gefolge dieser Gemengelage von öffentlichem Recht und Privatrecht stellen sich große Probleme namentlich hinsichtlich der maßgeblichen Bewertungsmaßstäbe und des prozeduralen Rechtsschutzes. Nur eine, freilich wesentliche Facette innerhalb der Gesamtproblematik ist dabei, ob und in welcher Weise sich die wirtschaftende öffentliche Hand an lauterkeitsrechtlichen Maßstäben messen lassen muss. Die einschlägige Diskussion wird teilweise immer noch verzerrt geführt, wobei die 22 Frage des Rechtswegs gleichsam nur als Stellvertreterin für die Sache selbst steht. Daraus erklärt es sich, dass die Rechtswegfrage in der Literatur nicht nur im Zusammenhang mit den §§ 12 ff. UWG oft erheblichen Raum einnimmt.43 Hintergrund ist,44 dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit (und auch die gelegentlich 23 befasste Sozialgerichtsbarkeit) in der Vergangenheit eine „extreme Zurückhaltung“ bei der Schrankenziehung wirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand im Kontext des Schutzes privater Wettbewerber gezeigt hat, 45 eine Zurückhaltung, die geradezu als „Rechtsschutzverweigerung“ apostrophiert worden ist.46 Denn die Verwaltungsgerichte haben sich durchweg auf die Prüfung von Grundrechtsverletzungen durch die wirtschaftende öffentliche Hand beschränkt, wofür die Messlatte hoch liegt.47 Spezifisch lau21
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40 Vgl. Artt. 106, 172, 335 AEUV. 41 Näher Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 32 I. 42 Vgl. die beispielsbezogene kritische Bemerkung bei Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 4 Rn. 29 a.E. 43 Vgl. Baumbach/Hefermehl § 1 Rn. 917 ff.; Brüning NVwZ 2012, 671 ff.; Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/ Plaß E 4 Rn. 4 ff.; Fezer/Koos § 4-S15 Rn. 5 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 22 ff. 44 Schmidt-Leithoff S. 313 ff.; geraffte Darstellung bei Schliesky FS Stober 523, 533 ff. 45 Schliesky FS Stober 523, 534. 46 Harms BB 1986, Beilage 17 zu Heft 32, 1, 4; Schliesky FS Stober 523, 540; Schmittat ZHR 148 (1984) 428, 437 f.; Ulmer ZHR 146 (1982) 466, 471. 47 Vgl. z.B. bei Erlangung einer Monopolstellung oder ähnlicher Marktpositionen BVerwG 19.12.1963 BVerwGE 17, 306, 314; BVerwG 30.8.1968 BVerwG 30, 191, 198; BVerwG 22.2.1972 BVerwGE 39, 329, 337.
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terkeitsrechtliche Aspekte wurden mithin ausgeblendet.48 Die Novellierung des GVG von 1991, dem zufolge nach § 17 Abs. 2 GVG das zuständige Gericht über den Rechtsstreit unter allen rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet, änderte daran kaum etwas.49 Als Reaktion darauf wurde von interessierter Seite, also von privaten Mitbewerbern, lange erfolgreich versucht, den Schutz wettbewerblicher Interessen mit Hilfe der Zivilgerichtsbarkeit herbeizuführen. Mangels ausdrücklicher Rechtswegzuweisung musste dafür das Vorliegen einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit i.S.v. § 13 GVG dargetan werden. Die dabei zu eruierende wahre „Natur“ des geltend gemachten Anspruchs50 wurde nun unter Hinweis auf die von der damaligen h.M. getragene Fallgruppe „Vorsprung durch Rechtsbruch“ innerhalb des § 1 UWG a.F. als privatrechtlich geprägt gesehen; der Rechtsbruch (und der dadurch erzielte Vorsprung) wurde dabei allein schon im Überschreiten der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsgrenzen für wirtschaftliches Handeln gesehen.51 Auf diesem Wege wurde nicht nur der Weg zu den Zivilgerichten eröffnet, sondern zugleich auch das Lauterkeitsrecht ins Spiel gebracht, dessen Heranziehung die Verwaltungsgerichte beharrlich verweigert hatten. Umgekehrt freilich scheuten sich die Zivilgerichte nicht, trotz des Vorwurfs des „Dilettierens“52 in weitem Umfang öffentliches Recht im Blick auf den möglichen Rechtsbruch zu prüfen. Dabei wurden die Zulässigkeitsgrenzen für eine wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand sehr eng gezogen.53 Später vollzog die höchstrichterliche Rechtsprechung insofern eine Wende, als nun ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften über die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand nicht mehr eo ipso zur lauterkeitsrechtlichen Unzulässigkeit nach § 1 UWG a.F. als „Vorsprung durch Rechtsbruch“ führen sollte.54 Diese Neuausrichtung fand in der Literatur Zustimmung,55 aber auch Ablehnung.56 Parallel dazu konsolidierte sich die Sichtweise, dass es für die „Natur“ des maßgeblichen Rechtsverhältnisses im Rahmen des Schutzes privater Mitbewerber allein auf das wettbewerbliche Horizontalverhältnis der wirtschaftenden öffentlichen Hand zu den Mitbewerbern ankomme.57 Das Leistungsverhältnis, an das vordem auch angeknüpft worden war,58 sollte keine Rolle mehr spielen.
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2. Zur Doppelnatur der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand. Kern- 28 punkt dieser bis heute h.M., die den Schutz von privaten Konkurrenten der öffentlichen Hand an lauterkeitsrechtlichen Maßstäben misst, ist die These von der Doppelnatur oder
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48 Vgl. BVerwG 22.2.1972 BVerwGE 39, 329, 331, 337; BVerwG 27.5.1981 BVerwGE 62, 224; BVerwG 1.3.1978 NJW 1978, 1539. Thematisch offenbar gewollte enge Fokussierung auf das Verfassungsrecht in der Beurteilung „öffentlicher Konkurrenzwirtschaft“ bei Achatz S. 92 ff. und passim. 49 S. in diesem Zusammenhang auch § 17a GVG mit der Bindung anderer Gerichte, wenn ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig eröffnet hat. 50 Vgl. für die ständige Rspr. hier nur GmS-OGB 10.4.1986 BGHZ 97, 312, 313 f.; GmS-OGB 29.10.1987 BGHZ 102, 284, 286; GmS-OGB 10.7.1989 BGHZ 108, 284, 286. 51 Vgl. OLG Düsseldorf 10.10.1996 WRP 1997, 42; OLG Hamm 23.9.1997 NJW 1998, 3504. 52 Scharf ablehnend Tettinger NJW 1998, 1373 f. 53 Schliesky FS Stober 523, 534: die Verletzung dieser Grenzen sei von den Zivilgerichten „oft vorschnell“ bejaht worden. 54 BGH 25.4.2002 – I ZR 250/00 – BGHZ 150, 343 = GRUR 2002, 825 – Elektroarbeiten; BGH 26.9.2002 – I ZR 293/99 – GRUR 2003, 164 – Altautoverwertung. 55 Fassbender DÖV 2005, 89, 100; Schliesky Wirtschaftsrecht S. 167 f.; ders. FS Stober 523, 535 ff. 56 Dreher ZIP 2002, 1648 ff.; Frenz WRP 2002, 1367 ff.; Haslinger WRP 2002, 1023 ff. 57 BGH 18.12.1981 BGHZ 82, 375, 382 ff. = GRUR 1982, 425, 427 – Brillen-Selbstabgabestellen; GmS-OGB 10.4.1986 BGHZ 97, 312, 313 ff.; BGH 14.1.1993 BGHZ 121, 126, 128 ff. – Vermessungsämter. 58 BGH 10.7.1954 BGHZ 14, 222, 227; BGH 19.12.1960 BGHZ 34, 99, 104 m.w.N. Dazu Schünemann Zulässigkeit S. 47; ders. WRP 2000, 1001, 1005.
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auch Doppelqualifikation der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand i.V.m. einer bestimmten Wahrnehmung des Charakters von Privatrecht: Unabhängig von der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Handlungsform im sog. Leistungsverhältnis, also im wettbewerblichen Vertikal- oder Austauschverhältnis, stelle sich das wirtschaftliche Verhalten der öffentlichen Hand im wettbewerblichen Horizontalverhältnis zu den Mitbewerbern wegen der rechtlichen Gleichordnung der Beteiligten privatrechtlich dar und unterstehe somit dem Rechtsregime des UWG.59 Die Kritik setzt sehr verschieden an und lässt sich nur schwer verdichten.60 Vereinzelt wird die Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts auf die öffentliche Hand a limine ausgeschlossen, weil die öffentliche Hand schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Privatrechtssubjektivität besitze und somit nur am öffentlichen Recht gemessen werden könne.61 Gleichwohl sollen namentlich bei fiskalischer Tätigkeit (scheinbar) privatrechtliche Normen Anwendung finden können, soweit es sich dabei in Wahrheit um eine Art „neutrales/allgemeines“, nicht an „autonom“ agierende Subjekte adressiertes Recht handele.62 Überwiegend wird aber geltend gemacht, schon bei schlicht-hoheitlicher Wirtschaftstätigkeit unterlaufe die These von der Doppelnatur und in ihrem Gefolge die Anwendung des Lauterkeitsrechts im Verhältnis zu Mitbewerbern die Systematik und Dogmatik des öffentlichen Rechts. Unauflösliche Interferenzen zeigten sich in Fragen des subjektivöffentlichen Rechts, der Klagebefugnis, der Bestandskraft und des Vertrauensschutzes. Keinesfalls komme Lauterkeitsrecht als Privatrecht zur Anwendung, wenn sich die öffentliche Hand wirtschaftlich im Rahmen öffentlich-rechtlicher Kompetenzausübung betätige.63 Außerdem beruhe die Argumentation ersichtlich auf der ohnehin überwundenen Subjektionstheorie und noch dazu auf ihrer methodisch falschen Anwendung. Die h.M., die im Verhältnis zwischen wirtschaftender öffentlicher Hand und deren Mitbewerbern sich deren rechtliche Gleichordnung in Umkehrung des subjektionstheoretischen Ansatzes nur privatrechtlich vorstellen könne, stehe mithin schon deshalb auf schwankendem Boden.64 Dieser Kritik an der h.M. ist zuzugeben, dass die Anwendung des Lauterkeitsrechts im Verhältnis der wirtschaftenden öffentlichen Hand zu Mitbewerbern unabhängig von einem eventuell hoheitlich organisierten Leistungsverhältnis nur unzureichend begründet ist. Schon die scharfe Trennung von Leistungsverhältnis einerseits, Gleichordnungsverhältnis andererseits ist nicht ohne weiteres eingängig, wenn man sich vor Augen hält, dass wettbewerbliche Horizontal- und Vertikalverhältnisse nicht unabhängig voneinander funktionieren, sondern interdependent verknüpft sind (näher Einl. A Rn. 46, 50 f.).
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59 BGH 22.3.1976 BGHZ 66, 229, 235 f. = GRUR 1976, 658, 659 f. – Studentenversicherung; BGH 18.12.1981 BGHZ 82, 375, 382 = GRUR 1982, 425, 427 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH 22.9.1972 GRUR 1973, 530 – Crailsheimer Stadtblatt; GmS-OGB 29.10.1987 BGHZ 102, 280; BGH 18.5.1995 BGHZ 130, 13; BGH 22.7.1999 GRUR 2000, 340, 342 – Kartenlesegerät m.w.N.; Baumbach/Hefermehl § 1 Rn. 919 f., 925 ff., 929 ff.; Emmerich Öffentliche Hand S. 16 ff.; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.11; Mestmäcker NJW 1969, 1 ff.; Piper/ Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 23; Scholz NJW 1974, 781 f.; Schönberger GRUR 1999, 656, 661 f.; G. Schricker S. 21 ff., 25; Werner S. 29. 60 Vgl. Schünemann WRP 2000, 1001, 1005. 61 Schachtschneider passim, z.B. S. 129, 233, 265 ff., 457, 461. 62 Schachtschneider S. 117. 63 Brohm NJW 1994, 281, 287; Gaa WRP 1997, 837, 839 f.; Schliesky Wettbewerbsrecht S. 296 ff.; H. Schricker S. 102 ff., 115 (m.w.N. früherer Kritiker S. 101 Fn. 61). S.a. Koppensteiner § 23 Rn. 6; Rüffler S. 80 ff. 64 Schliesky Wettbewerbsrecht S. 281 ff., 296 ff.; ders. DÖV 1994, 114, 117 f.; ders. FS Stober 523, 538.
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Wenig überzeugt auch, „ein und dieselbe Handlung, je nach der Beziehung, in der sie ihre Wirkung äußert, einmal als hoheitlich, zum anderen als privatrechtlich zu qualifizieren.“65 So bleibt ein Verwaltungsakt doch ein Hoheitsakt und nur dies, gleich aus welcher Wirkungsdimension heraus man ihn betrachtet.66 Bei Realakten verhält es sich genauso, doch ist dies weniger deutlich, weil Realakte im Privat- wie im öffentlichen Recht vorkommen.67 Der zutreffende Kern der These von der Doppelqualifikation erschließt sich erst, wenn man nicht die Handlung selbst, sondern ihre Wirkungen zum Gegenstand der rechtlichen Qualifikation macht.68 Dann erscheint es eher möglich, diese Wirkungen aus unterschiedlicher, einmal öffentlich-rechtlicher, ein andermal privatrechtlicher Wertungsperspektive heraus, je nach Betroffenem, zu beurteilen. Insofern sind die üblichen Beschreibungen der Doppelqualifizierung69 nur schief, nicht völlig falsch.70 Gleichwohl handelt es sich bei der Rechtsfigur einer Doppelnatur oder Doppelqualifikation um eine dogmatische Krücke, die über das Fehlen eines spezifisch auf die öffentliche Hand zugeschnittenen, öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsrechts hinweghelfen soll. Sie mildert, aber löst nicht die rechtlichen Probleme, die die Marktpräsenz der öffentlichen Hand als Marktteilnehmer aufwirft. Jenseits dieser grundsätzlichen Möglichkeit diverser rechtlicher Perspektiven auf ein und denselben Akt bleiben aber Zweifel, ob im Verhältnis der wirtschaftenden öffentlichen Hand zu Mitbewerbern wegen ihrer rechtlichen Gleichordnung Privatrecht und damit Lauterkeitsrecht ein geeignetes Beurteilungsraster liefert. Diese Zweifel nähren sich daraus, dass die vorausgesetzte rechtliche Gleichordnung der Beteiligten durchaus kein sicheres Kennzeichen privatrechtlich normierter Rechtsbeziehungen ist, wie bereits die Existenz des öffentlich-rechtlichen Vertrages zeigt.71 Merkwürdig erscheint auch, dass Lauterkeitsrecht als Privatrecht (!) auch dann zum Zuge kommen soll, wenn beide im Gleichordnungsverhältnis stehende wirtschaftliche Akteure öffentlich-rechtlich(!) verfasst sind und diesbezüglich – wie regelmäßig – keine spezifischen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Lösung von wettbewerblichen Interessenkonflikten existieren.72 Zu denken ist dabei etwa an die Akquise von Mitgliedern bei gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen.73 Bei dieser Problemlage sollte das Verhältnis von Privatrecht und öffentlichem Recht vor Augen stehen: Wohl besteht hier ein Dualismus zwischen beiden Rechtsgebieten in dem Sinne, dass weder ein übergreifendes „Gemeinrecht“ anzuerkennen ist74 noch ein „neutrales“ Recht, was je nach Sachzusammenhang als Privatrecht oder als öffentli-
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65 BGH 22.3.1976 BGHZ 66, 229, 237 = GRUR 1976, 658, 660 – Studentenversicherung. 66 Offenbar a.A. BGH 14.1.1993 BGHZ 121, 126 – Rechtswegprüfung II. Zu Recht kritisch dazu Schliesky DÖV 1994, 114, 118. 67 Scherer NJW 1989, 2724, 2727 f.; Schliesky Wettbewerbsrecht S. 302; H. Schricker S. 110 unter Hinweis auf Renck JuS 1978, 642. 68 Hierauf wird zutreffend, wenngleich eher beiläufig, in der Beschreibung der Lehre von der Doppelqualifikation bei Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.11 abgestellt. 69 S. exemplarisch das Zitat der Vornote. 70 Näher Schünemann FS Stober 41, 52; ders. WRP 2000, 1001, 1006. 71 Schliesky FS Stober 523, 537. 72 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.5. 73 Vgl. OLG Düsseldorf 2.2.1973 GRUR 1073, 487 f.; OLG Celle 8.2.1984 WRP 1984, 328 f.; so wohl auch GmS-OGB 10.7.1989 BGHZ 108, 284, 287 ff., wo im konkreten Fall § 86 SGB/X als „sozialversicherungsrechtliches Sonderrecht“ Anwendung finden sollte. 74 S. aber Bullinger S. 101 f.; a.A. z.B. Bettermann DVBl. 1977, 180, 183.
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ches Recht in Erscheinung treten könnte.75 Es fragt sich aber, ob Privatrecht und öffentliches Recht auf derselben Ebene als Gegensätze, also in wechselseitiger Exklusivität, einander gegenübertreten, wie es verbreiteter, aber wohl wenig reflektierter Auffassung entspricht, 76 oder ob nicht das öffentliche Recht als lex specialis gegenüber dem Privatrecht als der lex generalis zu betrachten ist. Letzteres ist zu bejahen:77 Das Privatrecht steht dem öffentlichen Recht nicht in Exklusivität gegenüber, sondern liefert dem öffentlichen Recht seine normative Basis. Die Normen des Privatrechts gelten überall dort, wo sie nicht durch öffentlich-rechtliche Spezialvorschriften verdrängt werden.78 Das Privatrecht ist in diesem Sinne also in der Tat „allgemeines“ Recht, 79 eben als lex generalis. Entgegen ebenso verbreiteten wie vereinfachenden Vorstellungen80 folgt die Derogation einer lex generalis durch die lex specialis keinem Automatismus, sondern ist immer erst das Ergebnis einer genauen Analyse der in Rede stehenden Normen.81 Eben dies ist gemeint, wenn von „Wechselwirkungen“ zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht die Rede ist. Erst aus dieser Spezialität des öffentlichen Rechts gegenüber dem Privatrecht und der dabei stattfindenden differenzierten Derogation erklärt sich übrigens auch das sog. Verwaltungsprivatrecht:82 Die privatrechtliche wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand namentlich soll durch öffentlich-rechtliche Vorschriften in unterschiedlich eingeschätztem Umfang83 so „überlagert“ werden, dass das Privatrecht im Wesentlichen nur die „technische Handlungsform“ liefert, der öffentlichen Hand jedoch nicht die das Privatrecht dominierende Privatautonomie zu Gebote steht.84 Im Ergebnis ist die h.M. also zu bestätigen: Unabhängig von der Rechtsförmigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand im Leistungsverhältnis ist im Verhältnis gegenüber privatrechtlich wie öffentlich-rechtlich verfassten Mitbewerbern mangels eines eigenen öffentlichen Wettbewerbsrechts85 das Lauterkeitsrecht des UWG, also Privatrecht (vgl. Einl. A Rn. 18; Einl. G Rn. 17) als Maßstab zulässigen Marktverhaltens der öffentlichen Hand geeignet und heranzuziehen. Demgegenüber will Schliesky das UWG als öffentliches Recht (!) anwenden.86 Damit überdehnt er sein im Ansatz berechtigtes Anliegen, den Besonderheiten der wirtschaftenden öffentlichen Hand durch ein darauf zugeschnittenes öffentliches Wettbewerbsrecht Rechnung zu tragen. Eine schlichte Verdoppelung des Lauterkeitsrechts führt indes jedenfalls materiellrechtlich nicht weiter, würde lediglich in der Frage des einzu-
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75 Vgl. aber Bettermann DVBl. 1977, 180, 182; Ehlers S. 364 Fn. 368; Püttner GRUR 1964, 359, 363; Schliesky Wettbewerbsrecht S. 294; Scholz ZHR 132 (1969) 97, 123; ders. NJW 1978, 16 f. 76 Vgl. Ehlers S. 52 ff., 74 ff. 77 Näher Schünemann FS Stober 41, 53 ff.; s.a. ders. WRP 2000, 1001, 1006 f. m.w.N. 78 Ausdrücklich ebenso Brohm NJW 1994, 281, 286. 79 Insoweit ist Schachtschneider S. 117 zuzustimmen. Die a.a.O. in diesem Zusammenhang skizzierte Vorstellung eines „neutralen“ Rechts, vornehmlich konstituiert durch das herkömmlich so bezeichnete Privatrecht, das sich je nach Kontext in (genuines) Privat- oder aber in öffentliches Recht verwandelt, wird damit nicht geteilt. Insgesamt erscheint die Kritik von G. Schricker S. 21 Fn. 49 an den Überlegungen von Schachtschneider („abwegig“) jedoch als stark überzogen. 80 Vgl. Schmalz Methodenlehre für das juristische Studium, 4. Aufl. (1998) Rn. 82. 81 Bydlinski Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. (1991) 465; Zippelius Juristische Methodenlehre, 10. Aufl. (2006) 39. 82 Stelkens Verwaltungsprivatrecht (2005); Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 17 III 1c. 83 S. BGH 2.12.2003 – XI ZR 397/02 – NJW 2004, 1031 m.w.N.; P. M. Huber JZ 2000, 877 ff. 84 Vgl. Püttner Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. (1995) 76 ff. 85 Sein Fehlen bedauert zu Recht Schliesky DVBl. 1999, 78 ff.; ders. FS Stober 523, 543 f. 86 Schliesky Wettbewerbsrecht S. 281.
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schlagenden Rechtswegs ihren Niederschlag finden und das Gewicht der Verwaltungs(oder auch der Sozial-)Gerichtsbarkeit in Wettbewerbsstreitigkeiten erhöhen. Dies jedoch rechtfertigt den dogmatisch-konstruktiven Aufwand, den dieser Ansatz erfordert, nicht. Hierbei spielen etwaige Differenzierungen zwischen „sozialwirtschaftlicher“, er- 44 werbswirtschaftlicher oder sonstiger fiskalischer Tätigkeit der öffentlichen Hand (vgl. Rn. 13 ff.) keine Rolle. Diese könnten sich allenfalls auf der Tatbestandsebene des Lauterkeitsrechts niederschlagen, namentlich, ob insoweit jeweils überhaupt eine „geschäftliche Handlung“ vorliegt. Soweit Lauterkeitsrecht auf die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand An- 45 wendung findet, kann sie auch selber wettbewerblichen Rechtsschutz zu ihren Gunsten in Anspruch nehmen.87 Ob es hierbei öffentlich-rechtlich begründbare Ausnahmen gibt,88 ist zweifelhaft.89 Eine Verdrängung des Lauterkeitsrechts durch öffentliches Recht müsste konstruktiv schon weit vorher ansetzen, nämlich ob eine Tätigkeit der öffentlichen Hand überhaupt nach Lauterkeitsrecht zu beurteilen ist. Bei der Transformation grundsätzlicher rechtlicher Überlegungen zur Wirtschaftstä- 46 tigkeit der öffentlichen Hand in die operative Ebene des Lauterkeitsrechts sind dessen Maßgaben de lege lata zur Kenntnis zu nehmen. Nach der Reform des Lauterkeitsrechts können frühere Positionen nicht einfach fortgeschrieben werden, wenn nicht der Vorwurf greifen soll, es ginge nur darum, alten Wein in neue Schläuche zu füllen. Vielmehr ist sehr genau zu prüfen, inwieweit Kontinuität in Rechtsprechung und Dogmatik mit den Strukturen des geltenden Lauterkeitsrechts vereinbar ist. III. Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand als „geschäftliche Handlung“ 1. Ausgangspunkt. Grundvoraussetzung einer lauterkeitsrechtlichen Kontrolle wirt- 47 schaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand ist, dass diesbezüglich eine „geschäftliche Handlung“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 vorliegt.90 Inwieweit diese sich begrifflich wesentlich von dem nach früherem Recht maßgeblichen Handeln „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs“ (vgl. § 1 a.F.) unterscheidet, kann im Einzelnen zweifelhaft sein,91 wirft jedoch im Kontext der öffentlichen Hand keine spezifischen Probleme auf. Insoweit kann behutsam auf die früheren Auffassungen in Judikatur und Literatur zurückgegriffen werden. Nach wie vor existieren auch keine Sonderregeln für eine entsprechende Tätig- 48 keitsqualifizierung gerade der öffentlichen Hand. Es gilt also grundsätzlich dasselbe wie für jeden anderen Marktteilnehmer auch, um die Existenz einer „geschäftliche Hand-
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87 BGH 27.2.1962 BGHZ 37, 1, 15 ff. = GRUR 1962, 470, 474 f. – AKI; BGH 25.2.1977 BGHZ 68, 132, 136 = GRUR 1977, 543, 545 – Der 7. Sinn; BGH 19.11.1992 BGHZ 120, 228, 235 = GRUR 1993, 692, 694 – Guldenburg; Fezer/Koos § 4-S15 Rn. 3; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.5; Piper GRUR 1986, 574, 575 f.; ders./Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 33. 88 S. zum Titel-Merchandising des öffentlich-rechtlichen Rundfunks BGH 19.11.1992 BGHZ 120, 228, 236 = GRUR 1993, 692, 695 – Guldenburg. 89 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 33 a.E. 90 Die „geschäftliche Handlung“ ist in jedem Fall, explizit formuliert oder nicht, Tatbestandsvoraussetzung aller Verbotstatbestände, vgl. Fezer/Fezer § 2 Rn. 14 f., § 3 Rn. 5 f.; Piper/Ohly/ Sosnitza § 2 Rn. 7; a.A. Koppensteiner § 22 Rn. 10. 91 Einerseits wurde z.B. das seinerzeit angeblich erforderliche subjektive Moment ohnehin nicht wirklich ernst genommen, sondern letztlich aus dem objektiven Handlungsgehalt abgeleitet, vgl. eingehend (und ablehnend) Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 241 ff. m.w.N. Andererseits wird nunmehr auch marktbezogenes Verhalten nach Vertragsschluss einer lauterkeitsrechtlichen Kontrolle zugänglich gemacht, vgl. Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 30 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 5 f.
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lung“ zu klären. Deshalb kann zunächst auf die Kommentierung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 verwiesen werden. An dieser Stelle ist jedoch darauf aufmerksam zu machen, dass es nach § 2 Abs. 1 49 Nr. 1 für eine „geschäftliche Handlung“ definitiv keiner Wettbewerbsabsicht (mehr) bedarf.92 Die für das frühere Recht im Zusammenhang mit der Tätigkeit der öffentlichen Hand dazu angestellten Überlegungen und die diesbezügliche umfangreiche Kasuistik93 sind mithin obsolet. Im Folgenden handelt es sich mangels eines für die öffentliche Hand hier einschlä50 gigen Sonderrechts teilweise nur um gewisse Verdeutlichungen dessen, was eine „geschäftliche Handlung“ ganz generell ausmacht. Teilweise wirft die Handhabung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bezüglich wirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand aber durchaus auch einige besondere Fragen auf. 2. Erfordernis der Außenwirkung. Wie betriebsinterne Maßnahmen94 können auch innerbehördliche Maßnahmen wie z.B. Mitteilungen oder Anweisungen an die Mitarbeiter sowie Gremienbeschlüsse in Bezug auf wirtschaftliche Tätigkeit noch keine marktrelevanten Wirkungen äußern und stellen somit auch noch keine „geschäftlichen Handlungen“ dar.95 Dabei ist aber sorgfältig zu prüfen, ob nicht doch entfernte Außenwirkungen erzeugt werden. Dies kann der Fall sein, wenn es sich um primär behördeninterne Maßnahmen handelt, die aber auch Behördenexterne adressiert.96 Ob eine Außenwirkung schon dann zu bejahen ist, wenn eine behördeninterne An52 weisung, Information etc. an die Öffentlichkeit gelangt, kann zweifelhaft sein, da es für eine geschäftliche Handlung nicht auf die dahinter stehende Absicht, sondern auf die objektive Marktwirkung ankommt. Die Frage dürfte indes zu verneinen sein.97 53 Aber auch rein behördeninternes Verhalten kann eine Erstbegehungsgefahr begründen und einen vorbeugenden Abwehranspruch nach § 8 Abs. 1 S. 2 auslösen.98 Dass in dieser Konstellation noch keine geschäftliche Handlung vorliegt, liegt gerade im Wesen des Vorbeugecharakters. 51
3. „Geschäftliche Handlung“ im Lichte diverser Handlungsfelder nach h.M. a) Bedarfsdeckung. Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand im Zusammenhang mit der Deckung verwaltungsinternen Bedarfs, insbesondere also der Abschluss von Kauf-, Werk- oder Dienstverträgen, soll nach h.M. grundsätzlich nicht als geschäftliche Handlung gelten. Denn die öffentliche Hand handele hierbei als Endabnehmer.99 Werde dabei jedoch die Bevorzugung eines bestimmten Anbieters bezweckt, 55 könne von einer geschäftlichen Handlung auszugehen sein. Dieser Zweck bedürfe aber einer besonderen Begründung. Nicht ausreichend sei, wenn die öffentliche Hand aus Gründen der Schnelligkeit und Einfachheit stets einen bestimmten Unternehmer beauf-
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92 S. § 2 Rn. 160 ff.; Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 1, 50, 52 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 23. So schon für § 1 a.F. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 245 ff. 93 S. etwa Fezer/Koos § 4-S15 Rn. 8 ff., 12 ff. 94 BGH 3.5.1974 GRUR 1974, 666, 667 f. – Reparaturversicherung, BGH 11.5.2000 – I ZR 28/98 – BGHZ 144, 255 = GRUR 2000, 1076 f. – Abgasemissionen. 95 BGH 26.5.1987 BGHZ 101, 72 = GRUR 1987, 829 f. – Krankentransporte. 96 Vgl. die gewerbliche Parallele in BGH 3.5.1974 GRUR 1974, 666, 667 f. – Reparaturversicherung. 97 OLG Koblenz 16.6.1982 WRP 1983, 225 f. – Gemeinderatsbeschluss; Fezer/Koos § 4-S15 Rn. 19. 98 OLG Koblenz a.a.O. (Vornote); Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 46. 99 BGH 26.4.1976 GRUR 1968, 95, 97 – Büchereinachlass; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.27; Piper/Ohly/ Sosnitza Einf. D Rn. 26.
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trage.100 Es komme hier sehr auf die Umstände des Einzelfalles, an, insbesondere auf das Vorliegen sachlicher Gründe und Motive für die Bevorzugung.101 b) Erwerbswirtschaftliches Handeln. Bei ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit 56 handelt die öffentliche Hand nach allgemeiner Meinung geschäftlich und muss sich in der Folge hierin an lauterkeitsrechtlichen Maßstäben messen lassen. Die Organisationsbzw. Rechtsform, in der die öffentliche Hand erwerbswirtschaftlich als Marktteilnehmer in Erscheinung tritt (vgl. Rn. 18), sei unerheblich, ebenso wie die Handlungsform, in der sie dabei tätig werde.102 c) Sozialwirtschaftliches Handeln im Bereich der Daseinsvorsorge. In dem verbleibenden Bereich wirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand zeichnet die h.M. ein unübersichtliches Bild. Klar ist nur, dass Gesetzgebungsakte keine geschäftlichen Handlungen darstellen.103 Dies sollte eigentlich gar keiner Erwähnung bedürfen, da es hier um parlamentarisches, nicht um unternehmerisches, unternehmensbezogenes Handeln104 geht. In der eigentlich zur Rede stehenden Materie geht die h.M. von dem Grundsatz aus, dass keine geschäftliche Handlung vorliege, wenn die öffentliche Hand (obrigkeitlich-) hoheitlich oder auch nur schlicht-hoheitlich handele. Denn dahinter stehe regelmäßig keine Wettbewerbsabsicht, sondern solches Handeln diene grundsätzlich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. 105 Insbesondere hoheitliche Handlungen in Erledigung gesetzlicher Pflichtaufgaben und tatbestandlich präzisierter Ermächtigungen seien keine geschäftlichen Handlungen.106 Für Verwaltungshelfer wie z.B. von der Polizei beauftragte Abschleppunternehmer (und dann wohl erst recht: sog. beliehene Unternehmer) soll dasselbe gelten.107 Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben soll im Einzelfall einem geschäftlichen Handeln der öffentlichen Hand trotz hoheitlichem Akt aber nicht entgegenstehen.108 Die diesbezügliche Kasuistik liefert diverse Hinweise bezüglich des Für und Wider. Als Indiz für eine geschäftliche Handlung trotz hoheitlicher Handlungsform in Erfüllung öffentlicher Aufgaben wurde z.B. das Interesse der öffentlichen Hand an dem wirtschaftlichen Erfolg eines von der öffentlichen Hand begünstigten Unternehmers,
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100 BGH 2.7.1987 GRUR 1988, 38 f. – Leichenaufbewahrung; BGH GRUR 1989, 430 – Krankentransportbestellung; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 26. 101 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.27. 102 BGH 18.12.1981 BGHZ 82, 375, 382 ff. = GRUR 1982, 425, 427 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH 21.7.2005 – I ZR 170/02 – GRUR 2005, 960 f. – Friedhofsruhe; BGH 26.1.2006 – I ZR 83/03 – GRUR 2006, 428 Tz. 12 – Abschleppkosten-Inkasso; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.18; Piper GRUR 1986, 574, 577; ders./Ohly/ Sosnitza Einf. D Rn. 25. 103 Fezer/Koos § 4-S15 Rn. 19; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.29; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 27. 104 Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 42. 105 BGH 26.2.1960 GRUR 1960, 384, 386 – Mampe Halb und Halb; BGH 21.9.1989 GRUR 1990, 463 f. – Firmenrufnummer; Beater Rn. 920; Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 47; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.21 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 27. 106 S. Vornote sowie BGH 18.12.1981 BGHZ 1982, 375, 395 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH 23.2.2006 – Blutdruckmessungen; BGH 26.1.2006 – I ZR 83/03 – GRUR 2006, 428 Tz. 12 – Abschleppkosten-Inkasso; KG 19.6.2001 – 5 U 10475/99 – GRUR-RR 2002, 198, 200 – Online-Öffentlichkeitsarbeit; OLG München 15.5.2003 – 29 U 1703/03 – GRUR 2004, 169, 171 – Städtisches Krematorium. 107 BGH 26.1.2006 – I ZR 83/03 – GRUR 2006, 428 Tz. 14 – Abschleppkosten-Inkasso; Beater Rn. 920; Fezer/Koos § 4-S15 Rn. 19; Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 47. 108 BGH 22.2.1990 BGHZ 110, 278, 284 = GRUR 1990, 611, 613 – Werbung im Programm; BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 554 – Elternbriefe; Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 48.
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weil die öffentliche Hand daraus selber Vorteile ziehen könnte.109 Für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung in dem vorausgesetzten Szenario soll ferner sprechen, wenn ein Hoheitsakt einem Unternehmen der öffentlichen Hand zugutekommt.110 Es soll jedoch ein Indiz gegen eine geschäftliche Handlung sein, wenn die öffentliche Hand keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt; dies spreche vielmehr dafür, dass in erster Linie öffentliche Zwecke verfolgt würden.111 Die Judikatur hat indes trotz klar fehlender Gewinnerzielungsabsicht in der hier diskutierten Tatbestandskonstellation eine seinerzeit nach § 1 UWG a.F. erforderliche Wettbewerbshandlung der öffentlichen Hand gelegentlich bejaht, so z.B. in Bezug auf eine kostenlose Überlassung von Software an Zahnarztpraxen zur Erleichterung der dortigen Abrechnungsvorgänge.112 Sie müsste dies dann auch bezüglich des geschäftlichen Handelns i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 tun. Denn die „geschäftliche Handlung“ verlangt jedenfalls insoweit allenfalls weniger, keinesfalls mehr als das früher als Anknüpfung dienende Handeln „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs“ (s. § 2 Rn. 160 ff.). Schwierigkeiten bereitet auch die lauterkeitsrechtliche Einordnung von Subventionen. Ihre Vergabe als Ausdruck wirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand drängt sich nicht auf, gehört aber in diesen Kontext, wenn man sich die naheliegende Möglichkeit negativer wettbewerblicher Wirkungen von Subventionen, namentlich zu Lasten nicht subventionierter Konkurrenten, vor Augen führt. Eben deshalb wird teilweise die Qualität der Subventionsvergabe als „geschäftliche Handlung“ bejaht: Staatliche Beihilfen könnten den Wettbewerb verfälschen, wogegen das Lauterkeitsrecht passende Zulässigkeitsmaßstäbe und effektive Sanktionen zur Verfügung stelle.113 Die Gegenmeinung verweist darauf, dass die öffentliche Hand bei der Subventionsvergabe ausschließlich ihre hoheitliche Regelungskompetenz wahrnehme. Damit sei die Annahme einer geschäftlichen Handlung unvereinbar.114
4. Kritik. Die h.M. verdient aufs Ganze gesehen keine Zustimmung. Denn weder scheinen einschlägige gesetzliche Veränderungen hinreichend rezipiert worden zu sein, noch verfolgt die h.M. konsequent das von ihr selbst propagierte und im Ansatz auch nachvollziehbare Konzept von der Doppelnatur des wirtschaftliche Handelns der öffentlichen Hand. Auch bestehen wettbewerbstheoretische Einwände. Schon was die Position zur verwaltungsinternen Bedarfsdeckung anlangt, ist der 66 Ausgangspunkt der h.M. nicht akzeptabel. Warum unternehmerische115 Endabnehmer nicht geschäftlich handeln sollten, ist schlicht unerfindlich und beruht wohl auf einer völligen gedanklichen Vernachlässigung des Nachfragewettbewerbs. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1, der ausdrücklich den „Bezug“ nennt, stellt dies nur klar. Ob es sich hierbei um einen Endabnehmer handelt oder nicht, ist gleichgültig. 65
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109 BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 554 – Elternbriefe; BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – BGHZ 177, 150 = GRUR 2008, 810 Tz. 33 – Kommunalversicherer. 110 BGH 21.9.1989 GRUR 1990, 463 f. – Firmenrufnummer; s.a. BGH 20.12.1955 BGHZ 19, 299 = GRUR 1956, 216 – Bad Ems. 111 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 29. 112 BGH 8.7.1993 BGHZ 123, 157 = GRUR 1993, 917 – Abrechnungssoftware für Zahnärzte. 113 Haslinger WRP 2004, 58, 61; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.26, 13.59; Tilmann/Schreibauer GRUR 2002, 212, 220. 114 OLG München 15.5.2003 – 29 U 1703/03 – GRUR 2004, 169, 170 – Städtisches Krematorium; Mees FS Erdmann (2002) 657, 659; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 30. 115 Zum Unternehmensbezug des „geschäftlichen Handelns“ s. Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 10. Dass die öffentliche Hand hier funktional unternehmerisch handelt (vgl. Rn. 3), sollte fraglos sein, zumal ihr der Verbraucherstatus nach § 13 BGB i.V.m. § 2 Abs. 2 schon wegen ihrer fehlenden natürlichen Persönlichkeit verschlossen ist.
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Im Übrigen ist für ein Abstellen auf „sachliche Gründe und Motive“ im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 sicher kein Raum (mehr), nachdem der rein objektive Gehalt des Begriffs der geschäftlichen Handlung jedenfalls für das UWG 2008 ganz außer Frage steht.116 Außerdem hätte die eventuelle Unsachlichkeit der Motivation eines wirtschaftlichen Akteurs allenfalls Bedeutung für die Bewertung seines Handelns als unlauter, wenn es denn dort als Kriterium überhaupt noch einen Platz beanspruchen könnte.117 Festzuhalten ist mithin, dass die öffentliche Hand im Bereich ihrer Bedarfsdeckung in jedem Fall „geschäftlich“ handelt. Die Zulässigkeit ihrer Bedarfsdeckungspraxis, die eventuell bestimmte Anbieter bevorzugt, steht hierbei überhaupt noch nicht zur Debatte, sondern ist eine Frage der Lauterkeit. Sehr unbefriedigend ist auch die Position der h.M. zur Frage einer „geschäftlichen Handlung“ der öffentlichen Hand im Kontext der Daseinsvorsorge. Einzuwenden ist zunächst, dass es auf die Wettbewerbsabsicht im Zusammenhang mit der „geschäftlichen Handlung“ nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 gar nicht mehr ankommt (vgl. schon Rn. 49) und demzufolge auch der behauptete Gegensatz zwischen ihr und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (vgl. Rn. 59 ff.) irrelevant ist für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer geschäftlichen Handlung. Vor allem aber verleugnet die h.M. ihre hier mitgetragene Prämisse von der Doppelnatur des Handelns der öffentlichen Hand (genauer: der Handlungswirkungen, s. Rn. 34). Ob die öffentliche Hand hoheitlich handelt oder in privatrechtlichen Formen, ob in Erfüllung öffentlicher Aufgaben, bedarfsdeckend oder erwerbswirtschaftlich: Dies alles ist für eine „geschäftliche Handlung“ in dem von der h.M. ja als maßgeblich proklamierten wettbewerblichen Horizontalverhältnisses, also im Verhältnis zu Mitbewerbern, vollkommen gleichgültig.118 Auch die Subventionsvergabe macht dabei keine Ausnahme. Zwar verfolgt die öffentliche Hand bei der Subventionierung regelmäßig keine eigenen wirtschaftlichen Interessen, ist indes, was für eine geschäftliche Handlung nach ausdrücklicher Maßgabe von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ausreicht, geeignet, wirtschaftliche Interessen anderer, „fremder“ Unternehmen zu fördern. Dass die Subventionsvergabe mit den wettbewerblichen Interessen nicht-subventionierter Unternehmen derart „objektiv zusammenhängt“, genügt. Eine homogene Konzeption erbringt damit folgendes Resultat, in dem sich die h.M. zwar nicht in ihrer Argumentation, wohl aber zumindest teilweise in ihren Ergebnissen durchaus wiederfindet: Unabhängig von dem Handlungsfeld der öffentlichen Hand und der von ihr praktizierten Handlungsform im Leistungsverhältnis liegt im Horizontalverhältnis wirtschaftliches Handeln der öffentlichen Hand und ihre diesbezügliche „geschäftliche Handlung“ als Basis einer privatrechtlich-lauterkeitsrechtlichen Beurteilung grundsätzlich dann vor, wenn wirtschaftlich-wettbewerbliche Interessen anderer Marktteilnehmer durch die (hoheitliche oder nicht-hoheitliche) Tätigkeit tangiert sein können. Auch Seiteneffekte wie bei der sog. Randnutzung öffentlicher Einrichtungen119 sind hierfür ausreichend.
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116 Für alle vgl. nur Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 1, 50, 52 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 23. So schon für § 1 a.F. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 245 ff. 117 Ablehnend z.B. BGH 23.6.2005 – I ZR 194/02 – BGHZ 163, 265 ff. = GRUR 2005, 778 ff. – Atemtest; BGH 11.1.2007 – I ZR 96/04 – BGHZ 171, 73, 80 = GRUR 2007, 800 Tz. 21 f. – Außendienstmitarbeiter; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 Rn. 37 ff.; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 349; jurisPK/Ullmann § 3 Rn. 27; Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 37; Steinbeck WRP 2003, 1351 ff. 118 Die h.M. mischt indes nach Belieben; exemplarisch Baumbach/Hefermehl § 1 Rn. 930: Das hoheitliche Element der Handlung im Leistungsverhältnis könne sich trotz deren Doppelnatur auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung im Horizontalverhältnis auswirken. 119 Vgl. BGH 26.2.2009 – I ZR 106/06 – GRUR 2009, 606 Tz. 14 – Buchgeschenk vom Standesamt.
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Wegen der Spezialität des öffentlichen Rechts gegenüber dem Privatrecht steht die vorgenannte Position unter dem Vorbehalt einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung nicht des sog. Leistungsverhältnisses, also des Vertikalverhältnisses, sondern des wettbewerblichen Horizontalverhältnisses. Ob öffentlich-rechtliche Normen (auch) diese Regelungsdimension aufweisen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Für Rechtsstreitigkeiten zwischen der öffentlichen Hand und Marktteilnehmern, die in ihren wirtschaftlich-wettbewerblichen Interessen von deren unternehmerischer Tätigkeit betroffen sind, ist mithin grundsätzlich, also vorbehaltlich öffentlich-rechtlicher Sonderzuweisungen, gemäß § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Ob die Beteiligten privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich verfasst sind, ist insoweit unerheblich. Dies gilt auch umgekehrt, soweit die öffentliche Hand durch Mitbewerber in ihren wirtschaftlich-wettbewerblichen Interessen tangiert wird. Schwierigkeiten kann insbesondere die Abgrenzung zum sozialgerichtlichen Rechtsweg aufweisen. Soweit es sich um eine Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, ist nach § 51 Abs. 1 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Die „Natur“ der Streitigkeit als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich spielt dabei keine Rolle.120 Soweit das Verhältnis zwischen Krankenkassen und medizinischen Leistungserbringern sozialrechtlich normiert ist, wird von einer abschließenden Regelung ausgegangen.121 Dies führt zur Zuständigkeit der Sozialgerichte.122 Allerdings soll noch Raum für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten i.S.v. § 13 GVG bleiben, sofern nämlich die geltend gemachten Ansprüche allein auf lauterkeitsrechtliche, also auch von privaten Unternehmern zu beachtende Normen gestützt werden.123 Klagen etwa einer gesetzlichen Krankenkasse wegen einer beanstandeten Werbung würden so durch die Sozialgerichte beurteilt, Klagen eines Konkurrenten gegen dieselbe Werbung aber durch die ordentlichen Gerichte. Diese Rechtswegspaltung wird als unbefriedigend empfunden.124 Sie ist aber letztlich in ihren vor allem befürchteten Auswirkungen, nämlich in divergierende Einschätzungen der Zulässigkeit durch die jeweils mit der Sache befassten Gerichte, nichts wirklich Befremdliches, sondern könnte wegen der subjektiven Grenzen der Rechtskraft auch das Ergebnis unterschiedlicher Judikate innerhalb ein und derselben Gerichtsbarkeit sein. Dass die Prozessmaximen in ordentlicher Gerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit differieren, dürfte in diesem Zusammenhang keine wesentliche Rolle spielen. IV. Lauterkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand
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1. Einheitlicher Lauterkeitsmaßstab. Es besteht mittlerweile weitgehend Einigkeit darüber, dass die wirtschaftende öffentliche Hand, soweit sie überhaupt dem Lauter-
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120 BGH 4.12.2003 – I ZB 19/03 – GRUR 2004, 444 f. – Arzneimittel-Substitution; BGH 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535 Rn. 10 – Gesamtzufriedenheit; BGH 30.1.2008 – I ZB 8/07 – GRUR 2008, 447 Rn. 13 – Treuebonus. 121 Vgl. § 69 SGB/V; BGH 23.2.2006 – I ZR 164/03 – GRUR 2006, 517 Tz. 22 – Blutdruckmessungen. 122 BGH 5.11.1998 GRUR 1999, 520 – Abrechnungsprüfung; BGH 8.9.2000 – I ZB 21/99 – GRUR 2001, 87 – Sondenernährung; BGH 15.9.1999 GRUR 2000, 251 – Arzneimittelversorgung. 123 BGH 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535 Rn. 13 – Gesamtzufriedenheit; BGH 30.1.2008 – I ZB 8/07 – GRUR 2008, 447 Rn. 14 – Treuebonus; a.A. BGH 19.12.2002 – I ZB 24/02 – GRUR 2003, 549 – Arzneimittel-Versandhandel. 124 Brüning NVwZ 2012, 671, 673 f.; Knispel NZS 2008, 129 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 23a; Schmidt-Leithoff S. 323 ff.
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keitsrecht unterliegt, mit ein und derselben rechtlichen Elle zu messen ist, die auch ansonsten angelegt wird.125 Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung liegt gerade für ein rein wettbewerbsfunktionales Verständnis des Lauterkeitsrechts126 nahe und ist auch gemeinschaftsrechtlich hinterlegt.127 Deshalb findet keine Privilegierung der öffentlichen Hand statt. Nur weil und soweit die öffentliche Hand ihre wirtschaftliche Tätigkeit in den Dienst einer (fast beliebig zu reklamierenden) öffentlichen Aufgabe stellt, kann man ihren marktbezogenen Interessen keine höhere Dignität beimessen als den wettbewerblichen Interessen privater Marktteilnehmer.128 Insbesondere verfolgt die öffentliche Hand nicht eo ipso ein höherwertiges Allgemeininteresse.129 Umgekehrt werden an die öffentliche Hand auch nicht eo ipso strengere Lauterkeitsanforderungen gestellt, etwa weil die öffentliche Hand im Wettbewerb mit (besonders) gutem Beispiel voranzugehen hätte.130 Auch bedeutet es eine schwer zu verifizierende Annahme, die öffentliche Hand verfüge über „zahlreiche inhärente Wettbewerbsvorteile“ und setze diese Vorteile auch immer ein; geschäftliche Handlungen, die bei den privaten Konkurrenten der wirtschaftenden öffentlichen Hand noch unbedenklich sein mögen, könnten bei der öffentlichen Hand deshalb schon als unlauter zu qualifizieren sein.131 Letztlich zielt diese Argumentation auf ein allgemeineres, auch für private Marktteilnehmer in Betracht kommendes Szenario: die Marktstärke eines Unternehmens bis hin zur Marktmacht (unterhalb kartellrechtlicher Relevanzschwellen). Es kommt mithin darauf an, ob man die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen in eine Abhängigkeit zur Marktstärke setzen darf. Bejaht man dies, würde auch die öffentliche Hand derart adressiert werden. Ein solcher „gespaltener Lauterkeitsmaßstab“132 wird in der Literatur vielfach befürwortet,133 in der Judikatur indes wohl überwiegend abgelehnt.134 Die besseren Gründe sprechen dabei für einen einheitlich geltenden Maßstab:135 Wettbewerbstheoretisch ist schon der dabei festzulegende „relevante Markt“ ein Problem, ebenso die dort vermutete Marktmacht zu identifizieren und zu messen. Außerdem erscheint Marktmacht keineswegs von vornherein als wettbewerbspolitisch prekär, da sie auch als Ausdruck komparativer Effizienzvorteile in der Vergan-
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125 BGH 12.2.1965 GRUR 1965, 373, 375 – Blockeis II; BGH 26.03.1998 GRUR 1999, 256 – 1000 DM UmweltBonus; BGH 9.7.2002 – KZR 30/00 – BGHZ 151, 274 f. = GRUR 2003, 77 f. – Fernwärme für Börnsen; Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 4 Rn. 20; Fuchs FS Brohm (2002) 275, 287; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 33; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.31; H. Schricker S. 135 ff. 126 Für die jetzt ganz h.M. vgl. hier nur Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 199 ff. m.w.N. 127 H. Schricker S. 143 m.w.N. 128 Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 4 Rn. 31; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 255; ders. WRP 2001, 466 f.; a.A. früher Ascher JR 1929, 89 (mit der extremen Auffassung, in Verfolgung öffentlicher Ziele sei unlauteres Handeln begrifflich ausgeschlossen); Ulmer ZHR 146 (1982) 446, 487; Voigt S. 166. 129 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 256. 130 So Burmann DB 1966, 369; v. Gamm GRUR 1959, 303; ders. WRP 1984, 303, 308. 131 Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 4 Rn. 32. 132 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 249. 133 S. z.B. Baumbach/Hefermehl Einl. Rn. 119, § 1 Rn. 845; Fezer/Fezer § 1 Rn. 35, 59; ders. BB 1976, 705 f.; Hahn WRP 1984, 589, 591 f.; Koppensteiner § 32 Rn. 60 f.; Kübler/Simitis JZ 1969, 445, 452; Sack WRP 1975, 65, 72 f.; Sambuc GRUR 1981, 796, 798 ff.; Ulmer GRUR 1977, 565, 577 ff. Die Rspr. lässt eine lauterkeitsrechtliche Bevorzugung mittelständischer Unternehmen allenfalls entfernt anklingen, vgl. z.B. BGH 27.10.1988 GRUR 1990, 371 – Preiskampf; OLG Düsseldorf 9.3.1973 GRUR 1974, 161 f. – Bettelbriefe. 134 Sehr deutlich BGH 26.2.1965 BGHZ 43, 278, 283 = BGH GRUR 1965, 489, 491 – Kleenex. 135 Zum Folgenden näher Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 245 ff. m.w.N.
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genheit gedeutet werden kann. Ein gespaltener Lauterkeitsmaßstab steht schließlich auch im Widerspruch zu einer rechtsformal zu verstehenden par condicio concurrentium. Festzuhalten ist somit, dass die Marktmacht eines Unternehmens für die lauterkeits85 rechtlichen Anforderungen gleichgültig ist. Für die wirtschaftende öffentliche Hand wie für private Marktteilnehmer gilt somit ein lauterkeitsrechtlich marktmachtindifferenter Maßstab. Auf eine wie auch immer geartete Marktmacht der öffentlichen Hand kommt es somit von Seiten des Rechts nicht an. Ein einheitlicher, insbesondere marktmachtindifferenter Lauterkeitsmaßstab schließt 86 indes nicht aus, dass die öffentliche Hand „tendenziell eher in den wettbewerbsrechtlich inkriminierten Bereich (gerät) als Durchschnittsunternehmen.“136 Denn die öffentliche Hand verfügt aufgrund ihrer Eigenart z.B. wegen ihrer besonderen, abgabenrechtlich fundierten Finanzierungsmöglichkeiten und wegen des ihr jedenfalls in Deutschland noch immer verbreitet entgegengebrachten Vertrauens137 über wettbewerbliche Instrumente, die so den privaten Marktteilnehmer entweder gar nicht oder oft nur in vergleichsweise geringerem Umfang zu Gebote stehen. 2. Sedes materiae im geltenden Recht. Vor Inkrafttreten des UWG 2004 hat sich die Diskussion um die lauterkeitsrechtliche Beurteilung der wirtschaftenden öffentlichen Hand unter der Herrschaft der sog. großen Generalklausel des § 1 UWG a.F. abgespielt. Dieser sehr weitgespannte Rahmen ließ, von der Kommentierung des UWG durch Hefermehl geprägt,138 in Rechtsprechung und Lehre eine Fallgruppenkultur in der Rolle von Ersatztatbestandsmerkmalen entstehen, deren Legalität durchaus kritisch gesehen werden konnte.139 Seit dem UWG 2004 gilt aber ein entscheidend geänderter Rechtsrahmen. Er 88 zwingt dazu, die bisherigen Beurteilungslinien mit der Systematik des geltenden Rechts in Einklang zu bringen. Dies bedeutet vor allem eine an den einzelnen Verbotstatbeständen orientierte und dadurch disziplinierte Vorgehensweise. Nur grundsätzlich, nämlich mit eben diesem Vorbehalt, können die bisherigen Diskussionsergebnisse als fortgeltend betrachtet werden140 (zu § 3 Abs. 1 und 2 als Auffangtatbestand wohl nur für Extrem- und Evidenzfälle wettbewerbswidriger geschäftlicher Handlungen s.a. Einl. G Rn. 25, 170; a.A. Peukert § 3 Rn. 494). In den Blick geraten so namentlich § 4 Nr. 1, 2, 10 und 11. Auch Fallgestaltungen im 89 überkommenen Stoff, die § 5 ins Spiel bringen, sind denkbar. Vor allem diese Normen liefern – von den genannten Extrem- und Evidenzfällen einmal abgesehen – das maßgebliche gesetzliche Raster, in dem sich ein unlauteres geschäftliches Verhalten der wirtschaftenden öffentlichen Hand abbilden lassen muss. 90 Bei den nun zu erörternden Fallgruppen ist, was in Vergessenheit geraten könnte, vorauszusetzen, dass jeweils überhaupt „geschäftliche Handlungen“ der öffentlichen Hand i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 vorliegen, weil sich sonst die Frage deren Lauterkeit nicht stellt (vgl. Rn. 47).141 Dabei ist auf das wettbewerbliche Horizontalverhältnis abzustellen (s. Rn. 70). Auch Verwaltungsakte und erst recht schlicht-hoheitliches Handeln können deshalb geschäftliche Handlungen darstellen. 87
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Schünemann WRP 2001, 466 f. Vgl. Schünemann WRP 2001, 466, 468. Baumbach/Hefermehl Einl. 160 ff., § 1 Rn. 3 ff. Dazu eingehend Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 158 ff., 164 m.w.N. aus Rspr. und Schrifttum. Vgl. BGH 21.7.2005 – I ZR 170/02 – GRUR 2005, 960 f. – Friedhofsruhe; Schmidt-Leithoff S. 334 ff. S.a. Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 37.
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3. Spezifische Fallgruppen a) Vertrauens- und Autoritätsmissbrauch als unsachliche Einflussnahme (§ 4 Nr. 1 und 2). Die öffentliche Hand genießt in der Öffentlichkeit nach wie vor Vertrauen. Dass sich dieses Vertrauen bei einem verständigen Verbraucher nur auf das hoheitliche, nicht aber auf das erwerbswirtschaftliche Handeln, etwa einer Sparkasse, beziehen soll,142 leuchtet nicht recht ein.143 Dass daneben auch eine Irreführung über die Vertrauenswürdigkeit (§ 5) vorliegen kann,144 spielt dafür keine Rolle. Soweit dieses Vertrauen begründet ist, liegt darin keine unsachliche Beeinflussung der Entscheidung der Marktteilnehmer i.S.v. § 4 Nr. 1 vor. Sogar eine diesbezügliche Vermutung für sachlich begründetes Vertrauen lässt sich jedenfalls in Deutschland durchaus rechtfertigen, wenn man vor allem gemischtwirtschaftliche Unternehmungen (zu den Organisations- bzw. Rechtsformen, s. Rn. 18 ff.) davon ausnimmt. Diese Vermutung trägt selbstverständlich nicht in jedem Einzelfall.145 Soweit die öffentliche Hand mit Schülern, Senioren und Angehörigen typischerweise mental ähnlich strukturierten Gruppen von Verbrauchern in geschäftlichen Kontakt tritt, kommt speziell der Verbotstatbestand des § 4 Nr. 2 in Betracht, der seinerseits kaum mehr als eine besondere Variante der unangemessenen, unsachlichen Einflussnahme i.S.d. § 4 Nr. 1 darstellt. Der Missbrauch des Vertrauens in die Integrität der öffentlichen Hand ist dabei noch mehr als das Ausnutzen von „Leichtgläubigkeit“, denn auch der verständige Verbraucher darf der öffentlichen Hand Vertrauen entgegenbringen, selbst wenn auch gegenüber der öffentlichen Hand nicht „blinder Gehorsam“, sondern lebenspraktische Skepsis zu walten hat.146 Der Missbrauch amtlicher Autorität liefert einen Anwendungsfall für die Ausübung von „Druck“ auf die Marktteilnehmer. Druckausübung setzt voraus, dass den adressierten Marktteilnehmern Nachteile in Aussicht gestellt werden.147 Nachteile auf einer Rechtsgrundlage scheiden hier aus. Soweit obrigkeitlich-hoheitliches Handeln in Rede steht, hat die Nichtbefolgung der Anordnung die in der Vollstreckung beschlossenen Nachteile, deren mögliches Platzgreifen Druck ausübt, ausüben soll und ausüben darf. Insoweit liegt selbstverständlich kein Autoritätsmissbrauch vor. Schlicht-hoheitliches geschäftliches Handeln der öffentlichen Hand durch Empfehlungen, Rat, Auskünfte, Warnungen und Kritik birgt mehr Potenzial für einen Missbrauch amtlicher Autorität. Doch ist auch hier zu klären, ob die öffentliche Hand Nachteile in Aussicht stellt, namentlich bei der Nichtbefolgung von Ratschlägen und Empfehlungen.148 Nicht jede falsche Auskunft oder Empfehlung und jeder falsche Rat stellen sich mithin als lauterkeitsrechtlich relevanter Autoritätsmissbrauch dar. Unter der Voraussetzung des Vorliegens einer geschäftlichen Handlung (s. Rn. 47 ff.) und einer freilich häu-
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142 So Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.41; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 36; a.A. BGH 7.3.1985 GRUR 1985, 975 f. – Sparkassenverkaufsaktion. 143 Gleichsinnig wie der Text auch BGH 7.3.1985 GRUR 1985, 975 f. – Sparkassenverkaufsaktion. 144 Vgl. BGH 19.6.1981 GRUR 1981, 823 – Ecclesia-Versicherungsdienst. 145 Vgl. BGH 20.12.1955 BGHZ 19, 299 = GRUR 1956, 216 – Bad Ems; BGH 4.4.1984 GRUR 1984, 665, 667 – Werbung in Schulen; BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 553 – Elternbriefe. 146 Vgl. Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 38. 147 BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 553 – Elternbriefe. 148 BGH 3.11.1978 GRUR 1979, 157 f. – Kindergarten-Malwettbewerb; BGH 4.4.1984 GRUR 1984, 665, 667 – Werbung in Schulen; BGH 20.10.2005 – I ZR 112/03 – GRUR 2006, 77 Tz. 20 – Schulfotoaktion; BGH 12.7.2007 – I ZR 82/05 – GRUR 2008, 183 Tz. 22 – Tony Taler; OLG Celle 21.7.2005 – 13 U 13/05 – GRUR-RR 2005, 387 – Klassensparbuch.
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fig gegebenen, subtilen Druckausübung ist von einem Missbrauch amtlicher Autorität aber dann auszugehen, wenn der Rat, die Empfehlung, die Auskunft nicht neutral, objektiv und sachgerecht erteilt werden und der Adressat dieses Verhalten der öffentlichen Hand als solcher zuordnet.149 Objektivität und Neutralität sind nicht schlechthin mit Vollständigkeit gleichzusetzen. So können nach Lage der Dinge, insbesondere bei großer Dringlichkeit der erbetenen Auskunft oder Empfehlung, Abstriche an der Vollständigkeit geradezu sachgerecht sein. So müssen z.B. nicht alle an sich in Frage kommenden Anbieter einer nachgefragten Leistung benannt werden.150 Die Inanspruchnahme amtlichen Vertrauens und amtlicher Autorität ist dann zweifelsfrei, wenn Hoheitszeichen, amtliche Symbole und Ähnliches Verwendung finden. Ihre Benutzung bei einer geschäftlichen Handlung stellt nicht schon als solche einen Vertrauens- und Autoritätsmissbrauch dar, weil sonst die markenrechtliche Sonderstellung von Hoheitszeichen nach § 8 Abs. 4 S. 2 MarkenG keinen Sinn ergäbe. Denn der zeichenmäßige Gebrauch von Hoheitszeichen ist kaum anders als in Gestalt einer geschäftlichen Handlung denkbar.151 Soweit öffentlich-rechtliche Vorschriften der Verwendung entgegenstehen, ist die Rechtslage anhand von § 4 Nr. 11 zu beurteilen (näher Rn. 106 ff.). Ob sich die öffentliche Hand für ihre Auskunft oder Empfehlungen von dem dadurch Begünstigten Vorteile versprechen oder gewähren lässt, ist als solches unter dem Aspekt des § 4 Nr. 1 und 2 unerheblich, weil die Vorteilsnahme als solche keinen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der Adressaten von Auskünften, Empfehlungen etc. nimmt.152 Soweit dadurch aber das Verhalten der öffentlichen Hand zu (höherem) Druck in Richtung auf eine erwünschte Marktentscheidung des Adressaten führt, wird die Missbrauchsschwelle eher überschritten werden. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die weitere Frage, ob dabei nicht Straftatbestände der Bestechlichkeit oder der Vorteilsannahme (§§ 331 ff. StGB) erfüllt sind. Die Unlauterkeit liegt dann eben in diesem strafbaren Verhalten,153 wenn man in diesen Straftatbeständen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 sieht.154
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149 BGH 20.12.1955 BGHZ 19, 299 = GRUR 1956, 216 – Bad Ems; BGH 4.4.1984 GRUR 1984, 665, 667 – Werbung in Schulen; BGH 23.5.1985 GRUR 1985, 1063 f. – Landesinnungsmeister; BGH 19.6.1986 GRUR 1987, 119, 121 f. – Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb II; BGH 24.2.1994 GRUR 1994, 516 f. – Auskunft über Notdienste; BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550 f. – Elternbriefe, Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 4 Rn. 27 f., 34 f.; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.39. 150 BGH 24.2.1994 GRUR 1994, 516 f. – Auskunft über Notdienste; BGH 26.5.1987 BGHZ 101, 72 = GRUR 1987, 829 – Krankentransporte. 151 Schünemann WRP 2001, 466, 468; s.a. H. Schricker S. 192. 152 Vgl. BGH 20.10.2005 – I ZR 112/03 – GRUR 2006, 77 Tz. 16 ff. – Schulfotoaktion; wohl a.A. BGH 4.4.1984 GRUR 1984, 665, 667 – Werbung in Schulen; OLG Brandenburg 8.4.2003 – 6 U 173/02 – WRP 2003, 903 – Schulfotovertrieb; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.39; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 39. 153 Ob in casu ein strafbares Verhalten überhaupt vorliegt, ist dabei Vorfrage. Strafbares Verhalten soll demnach nicht vorliegen, wenn Leistung und Gegenleistung in keinem unangemessenen Verhältnis stehen, vgl. BGH 20.10.2005 – I ZR 112/03 – GRUR 2006, 77 Tz. 29 – Schulfotoaktion (Durchführung einer Fotoaktion in der Schule gegen Überlassung eines PC unbedenklich). Ebenso Ambos/Ziehn NStZ 2008, 498 ff.; a.A. Busch NJW 2006, 1100 ff.; Heermann WRP 2006, 8, 16. Die strafrechtliche Vorfrage anders entschieden hat OLG Karlsruhe 13.11.2002 – 6 U 93/02 – GRUR-RR 2003, 191 f. – Schulschließfächer: Bereitschaft der Schule, der Aufsichtsbehörde die Aufstellung von Schließfächern zu empfehlen, als Gegenleistung für finanzielle Zuwendung an die Schule durch den Aufsteller. 154 So jedenfalls BGH 20.10.2005 – I ZR 112/03 – GRUR 2006, 77 Tz. 27 f. – Schulfotoaktion; Köhler/ Bornkamm § 4 Rn. 11.175; MünchKommUWG/Schaffert § 4 Nr. 11 Rn. 343; a.A. Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 11/90.
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b) Preisunterbietung als gezielte Mitbewerberbehinderung (§ 4 Nr. 10). Die freie Preisbildung in ggf. hartem Preiswettbewerb bildet einen wesentlichen Eckpfeiler der wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft.155 Die Preisunterbietung mag Mitbewerber „gezielt (…) behindern“, doch ist dies vollkommen wettbewerbskonform und deshalb bei der im Lichte des § 1 gebotenen restriktiven Interpretation des § 4 Nr. 10 nicht unlauter. Es besteht grundsätzlich kein Schutz gegen aggressive Preispolitik. Hier ist daran zu erinnern, dass die öffentliche Hand auch bezüglich ihrer Preisgestaltungsfreiheit156 keinen anderen Anforderungen unterliegt als jeder andere Marktteilnehmer (vgl. Rn. 79 ff.). Die Preisunterbietung auch durch die öffentliche Hand ist deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die von der h.M. befürworteten Ausnahmen vom Grundsatz der freien Preisgestaltung auf der Basis unternehmerischer Kalkulationsfreiheit sind hier nicht darzustellen und kritisch zu kommentieren.157 Soweit man also z.B. die Preisunterbietung durch „Kampfpreise“158 bei „Verdrängungsabsicht“ als „gezielte Behinderung“ i.S.v. § 4 Nr. 10 ansieht,159 gilt dies dann in gleicher Weise für eine solche Preisunterbietung durch die öffentliche Hand.160 Auch soweit die Preisunterbietung durch Einsatz öffentlicher Mittel ermöglicht wird, liegt allein darin noch keine unlautere „gezielte“ Behinderung. Diese Quersubventionierung ist Teil der Kalkulations- und Preisgestaltungsfreiheit, die in die gebotene wettbewerbsfunktional-restriktive Interpretation des § 4 Nr. 10 einfließt. 161 Ansonsten wäre nicht nur die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in lauterkeitsrechtlich unbedenklicher Weise ganz und gar unmöglich.162 Auch dass diese Kalkulation unter Einsatz öffentlicher Mittel öffentlich-rechtlichen Normen widerspricht, insbesondere eine Zweckbindung der Mittel verletzt, ist in diesem
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155 Harte/Henning/Omsels (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 10 Rn. 145; Schünemann Wettbewerbsrecht (1989) 85; ders. WRP 2001, 466 f. – Trotz Geltung der PAngV kann sich die Versicherungsbranche dem Preiswettbewerb völlig entziehen, indem sie mit nicht nachvollziehbarer Billigung der Aufsichtsbehörde (nur) die Prämie beziffert. Die Prämie ist aber nur z.T. ein Preis, nämlich nur insoweit, als darin das Entgelt für die Organisationsdienstleistung des Versicherers enthalten ist. Der Beitrag zum Deckungsstock ist indessen lediglich (umstrukturierter) Durchfluss von und (als sog. Versicherungsleistung) zu den Versicherungsnehmern. Die Quote zwischen beiden Prämienteilen legt der Versicherer nur der Aufsichtsbehörde gegenüber offen. Die darüber keine Auskunft erteilt. Dem Versicherungsnehmer bleibt der Preis der Dienstleistung also verborgen. S. dazu Schünemann JZ 1995, 430, 431 f.; ders. JuS 1995, 1062 ff.; ders. NVersZ 1999, 345 ff. 156 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 47. 157 Vieles geht hier viel zu weit. So ist z.B. die lauterkeitsrechtliche Verurteilung des Preiskampfes als Störfaktor des Wettbewerbs (vgl. nur BGH 27.10.1988 GRUR 1990, 371 ff. – Preiskampf) nun wirklich nicht nachvollziehbar, ganz abgesehen von dem Widerspruch zu dem auch von der Rspr. jedenfalls verbaliter verfochtenen Grundsatz der Preisgestaltungsfreiheit. Von ihr bleibt nichts mehr übrig, wenn man z.B. die Kalkulation an ein „vernünftiges, anzuerkennendes Eigeninteresse“ (vgl. Harte/Henning/Omsel [2. Aufl. 2009] § 4 Rn. 159) bindet, ansonsten von einer „Verdrängungsabsicht“ als Basis einer unlauteren, wettbewerbswidrigen „gezielten Behinderung“ ausgeht. Zu Recht gegen eine „richterliche Kalkulationskontrolle“ jenseits des (in seiner Berechtigung ebenfalls zweifelhaften § 20 Abs. 4 S. 2 GWB) Fezer/Götting § 4-10 Rn. 30; zustimmend Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 10/94 a.E. 158 Gloy FS Gaedertz (1992) 209. 159 BGH 29.6.2000 – I ZR 128/98 – GRUR 2001, 80 f. – Ad hoc-Meldung. 160 Vgl. aus der Zeit vor der UWG-Reform BGH 25.2.1982 GRUR 1982, 433, 436 – Kinderbeiträge; BGH 19.6.1986 GRUR 1987, 116, 118 – Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb. 161 A.A. Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 4 Rn. 35 für günstige Tarifgestaltung einer Ersatzkasse unter Verwendung der Beiträge von Pflichtversicherten. Die Einordnung unter dem Stichwort „Preisunterbietung“ ist allerdings nicht ganz sachgerecht, da die Prämie nur z.T. ein Preis ist, vgl. Fn. 156 bei Rn. 101. 162 S. BGH 19.6.1986 BGHZ 1987, 116, 118 – Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb; Köhler/ Bornkamm § 4 Rn. 13.32 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 47.
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Kontext unerheblich. Ob die Zweckentfremdung öffentlicher Mittel für wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand lauterkeitsrechtlich überhaupt sanktioniert ist, bleibt dabei noch offen (dazu Rn. 114 ff.). 106
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c) Verletzung insbesondere öffentlich-rechtlicher Marktverhaltensregeln (§ 4 Nr. 11). Die öffentliche Hand ist in vielerlei Hinsicht einem Sonderrecht, eben dem öffentlichen Recht, unterworfen. Das Grundgesetz, Staatsverträge (für Rundfunk), Gesetze im formellen Sinn, Verordnungen und Satzungen üben ein nur für die öffentliche Hand geltendes, spezifisches Rechtsregime aus, dem sich die öffentliche Hand nicht dadurch entziehen kann, dass sie sich im Geltungsbereich des Grundsatzes der Wahlfreiheit (vgl. Rn. 20) privatrechtlicher Handlungsformen bedient. Im Übrigen gilt auch für die wirtschaftliche Tätigkeit Privatrecht (zum Verhältnis des öffentlichen Rechts zum Privatrecht s. Rn. 38 ff.). Vor der UWG-Reform 2004 wurde im Kontext der Fallgruppe „Vorsprung durch Rechtsbruch“ innerhalb des § 1 UWG a.F. breit erörtert, inwieweit die Verletzung von Normen, insbesondere von nicht-wettbewerbsrechtlichen Normen, als Verstoß gegen die guten Sitten zu werten ist; die Kasuistik ist enorm.163 Einschlägige Judikatur und Literatur sind aber nach Inkrafttreten des UWG 2004 nur noch von dogmengeschichtlichem Interesse. Denn nunmehr müssen wissenschaftliche Diskussion und Rechtsprechungspraxis sub specie des § 4 Nr. 11 erfolgen. Lauterkeitsrechtlich relevant ist insoweit ausschließlich die Zuwiderhandlung gegen eine gesetzliche Vorschrift, die zumindest „auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.“ Begrifflich werden dabei Marktzutrittsregeln („ob“) und Marktverhaltensregeln („wie“) unterschieden.164 Selbstverständlich gibt es aber zahllose Normen, die weder das eine noch das andere sind. Der Gesetzgeber hat mit § 4 Nr. 11 eine Entwicklung in der Rechtsprechung aufgegriffen, die den „Vorsprung durch Rechtsbruch“ nur noch bei Wettbewerbsbezug der verletzten Rechtsnorm lauterkeitsrechtlich beachten wollte,165 statt ein lauterkeitsrechtliches per se-Verbot an den Wertbezug der verletzten Norm zu knüpfen (s. näher die Kommentierung zu § 4 Nr. 11). Die Abgrenzung von Marktverhaltens- und Marktzutrittsregeln ist im Einzelfall schwierig und auch rechtspolitisch fragwürdig, weil die rechtliche par condicio concurrentium so nur auf Teile der Rechtsordnung bezogen wird.166 Die Abgrenzung ist aber unter der Herrschaft des insoweit eindeutigen § 4 Nr. 11 unabweisbar, zumal es der historische Gesetzgeber dezidiert abgelehnt hat, auch Marktzutrittsregeln bzw. deren Verletzung lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren.167 Auf die privatrechtliche oder öffentlich-
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163 Vgl. Teplitzky Voraufl. § 1 Rn. G 1 ff. mit umfassenden Nachw. von Rspr. und Lehre. Verdichtete Darstellung bei Schmidt-Leithoff S. 323 ff. 164 Vgl. etwa Möstl WiVerw 2011, 231, 236 (mit Bevorzugung einer vom Europarecht inspirierten Lösung, a.a.O. S. 236 ff.): Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 11/14. 165 Die Neuorientierung wurde erstmals offengelegt in BGH 11.5.2000 – I ZR 28/98 – BGHZ 144, 255 = GRUR 2000, 1076 – Abgasemissionen; zur Konsolidierung dieser Konzeption s. BGH 5.10.2000 – I ZR 224/98 – GRUR 2001, 354, 356 – Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; BGH 25.4.2002 – I ZR 250/00 – BGHZ 150, 343, 347 f. = GRUR 2002, 825, 826 – Elektroarbeiten; BGH 26.9.2002 – I ZR 293/99 – GRUR 2003, 164 f. – Altautoverwertung. Zu den Vorzeichen dieser Neuorientierung s.a. BGH 17.7.1997 GRUR 1998, 407, 411 – Tiapridal; BGH 3.12.1998 BGHZ 140, 134, 138 f. = GRUR 1999, 1128, 1129 – Hormonpräparate; BGH 6.10.1999 GRUR 2000, 237 f. – Giftnotrufbox. 166 Vgl. hier nur Schünemann WRP 2001, 466, 469 f. 167 Vgl. BTDrucks 15/1487 S. 19, 41 (der Bundesrat war anderer Ansicht gewesen, a.a.O. S. 31); dazu eingehend Schmidt-Leithoff S. 335 ff.
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rechtliche Natur der gesetzlichen Marktverhaltensregelung kommt es dabei aber nicht an. Richtet man vor diesem Hintergrund bei der Anwendung des § 4 Nr. 11 den Fokus auf 112 die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand, so bedarf die überaus umstrittene Frage, ob und ggf. unter welchen rechtlichen Restriktionen die öffentliche Hand überhaupt als Marktteilnehmer in Erscheinung treten darf,168 keiner lauterkeitsrechtlichen Antwort. Insbesondere sind diesbezügliche kommunalrechtliche169 oder sozialrechtliche170 Regelungen über den zulässigen Marktzutritt lauterkeitsrechtlich jedenfalls im Regelungsbereich des § 4 Nr. 11 belanglos.171 4. Weitergehende lauterkeitsrechtliche Sanktionen? Vielfach wird es als unbefriedigend empfunden, dass Verstöße der wirtschaftenden öffentlichen Hand gegen andere als Marktverhalten regelnde Normen ohne lauterkeitsrechtliche Sanktion bleiben sollten. Es gehe nicht an, dass sich die öffentliche Hand im Wettbewerb mit privaten Konkurrenten über die von ihr erlassenen Gesetze nach Belieben hinwegsetze.172 Dabei richtet sich das Interesse z.B. auf eine über die sog. Randnutzung öffentlicher Einrichtungen hinausgehende Inanspruchnahme für erwerbswirtschaftliche Betätigung173 als Spezialfall einer Zweckentfremdung öffentlicher Mittel. Diese soll lauterkeitsrechtlich jedenfalls dann unlauter sein, wenn sie zu Preisunterbietungen führt, wenn und weil diese nur dadurch ermöglicht werden, dass das Verlustrisiko dabei aufgrund der Abgabenhoheit der öffentlichen Hand auf die Allgemeinheit überwälzt wird.174 Noch weitergehend wird die Auffassung vertreten, die wirtschaftende öffentliche Hand verhalte sich unlauter, wenn sie durch den Einsatz öffentlicher Mittel (selbst ohne Verletzung einer Zweckbindung) und die dadurch ermöglichte besonders günstige Kalkulation ihrer Angebote eine Gefährdung des Wettbewerbsbestandes herbeiführe, die nicht mehr durch Verfassungsrecht oder Sachgebote zu rechtfertigen seien.175 Soweit in diesen Fällen Rechtsverletzungen identifiziert werden können, handelt es sich hauptsächlich um haushaltsrechtliche Vorschriften, die keine Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 darstellen. Lauterkeitsrechtlich könnte also allenfalls176 § 3 Abs. 1 und 2 als eigenständiger Verbotstatbestand in Frage kommen. Auch die Gefährdung
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168 Vgl. hier nur Kluth Zulässigkeit S. 23 ff.; Stober Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht § 24 III–V m.w.N. 169 S. z.B. § 107 NRWGO. 170 S. z.B. § 30 SGB/IV für gesetzliche Krankenversicherer. 171 Vgl. (für das Kommunalrecht) BGH 25.4.2002 – I ZR 250/00 – BGHZ 150, 343 = GRUR 2002, 825 – Elektroarbeiten; BGH 26.9.2002 – I ZR 293/99 – GRUR 2003, 164, 165 f. – Altautoverwertung; BGH 4.11.2003 – KZR 16/02 – BGHZ 156, 379, 390 = GRUR 2004, 255, 258 f. – Strom und Telefon I; BGH 4.11.2003 – KZR 38/02 – GRUR 2004, 259, 262 – Strom und Telefon II; Köhler GRUR 2001, 777, 780 ff.; ders. NJW 2002, 2761 f.; ders. GRUR 2004, 381, 385; Poppen S. 253 ff. (mit Differenzierungen); Schmidt-Leithoff S. 337 f.; Ullmann GRUR 2003, 817, 823 f.; vgl. (für das Sozialrecht) Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.58; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 55. 172 Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 4 Rn. 33; ders. AG 1985, 293, 298. 173 Vgl. BGH 26.2.2009 – I ZR 106/06 – GRUR 2009, 606 Tz. 14 – Buchgeschenk vom Standesamt. 174 BGH 25.2.1982 GRUR 1982, 433, 436 – Kinderbeiträge; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.33. 175 BGH 18.12.1981 BGHZ 82, 375 = GRUR 1982, 425 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH 8.7.1993 BGHZ 123, 157 = GRUR 1993, 917 – Abrechnungssoftware für Zahnärzte; Beater Rn. 2527; Ekey/Klippel/Kotthoff/ Meckel/Plaß E 4 Rn. 56. 176 Haushaltsrecht gilt allerdings als reines Innenrecht der öffentlichen Hand (vgl. Baumbach/ Hefermehl § 1 Rn. 932; Kirchhof NVwZ 1983, 505, 507 f.; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 13.55; Piper/Ohly/ Sosnitza Einf. D Rn. 54; H. Schricker S. 158 f.) und kann deshalb schwerlich mit Hilfe eines wie auch immer gearteten lauterkeitsrechtlichen Hebels Außenwirkung erlangen. – Für eine Restriktion des § 3 als eigenständiger Verbotstatbestand auch hier nur für „Extrem- und Evidenzfälle“ (so Schünemann z.B. WRP 2004, 925, 927; JZ 2005, 271, 278 f.) ausdrücklich Schmidt-Leithoff S. 338.
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des Wettbewerbsbestandes könnte als sog. Marktstörung (allgemeine Marktbehinderung) allenfalls auf dieser Rechtsgrundlage lauterkeitsrechtlich bekämpft werden.177 Diese Frage kann hier nicht hinreichend geklärt werden. Es spricht aber nur wenig 117 für, vieles aber gegen eine Heranziehung des § 3 Abs. 1 und 2 in den genannten Konstellationen. Neben allgemeinen binnensystematischen Einwänden (vgl. Einl. G Rn. 25 m.w.N.) wird zu Recht geltend gemacht, auf die Generalklausel könne nicht zurückgegriffen werden, um Gesetzesverstöße zu sanktionieren, die nicht den Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 genügten, da sich der Gesetzgeber ganz bewusst auf die Einengung der früher von der h.M. sehr weitgefassten Fallgruppe des Rechtsbruch festgelegt und dies in der Formulierung des § 4 Nr. 11 auch zum Ausdruck gebracht habe.178 Eine Mobilisierung der Generalklausel gegen die wirtschaftende öffentliche Hand ist 118 auch aus einer grundsätzlichen Erwägung heraus nicht attraktiv. Denn es kann nicht Sinn des Lauterkeitsrechts sein, Defizite im öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz gegenüber einer Zulässigkeitsgrenzen überschreitenden öffentlichen Hand aufzufüllen. Dass diese Defizite bestehen, ist nicht von der Hand zu weisen (vgl. Rn. 23 ff.). Ihre 119 Beseitigung vornehmlich im Rahmen eines öffentlichen Wettbewerbsrechts179 ist aber Sache des Gesetzgebers. Damit würden auch letztlich wenig befriedigende Hilfskonstruktionen wie die Lehre von der Doppelnatur der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand (vgl. Rn. 28 ff.) überflüssig. Einleitung Teil G. Einl Einordnung des Wettbewerbsrechts in das Rechtssystem Einl Schünemann
G. Einordnung des Wettbewerbsrechts in das Rechtssystem Schrifttum Alexander Vertrag und unlauterer Wettbewerb (2002); ders. Vertragsrecht und Lauterkeitsrecht unter dem Einfluss der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2012, 515 ff.; ders. Wege und Irrwege – Europäisierung im Kartell- und Lauterkeitsrecht, GRUR Int. 2013, 636 ff.; Augenhofer Individualrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bei unlauterem Wettbewerbsverhalten des Unternehmers, in Krejci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.), Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005) 103 ff.; Bärenfänger Das Spannungsfeld von Lauterkeitsrecht und Markenrecht unter dem neuen UWG – Symbiotische Theorie zum Kennzeichen- und Lauterkeitsrecht (2010); ders. Symbiotische Theorie zum Kennzeichen- und Lauterkeitsrecht, WRP 2011, 16 ff., 160 ff.; Baudenbacher Zur funktionalen Anwendung von § 1 des deutschen und Art. 1 des schweizerischen UWG, ZHR 144 (1980) 145 ff.; ders. Machtbedingte Wettbewerbsstörungen als Unlauterkeitstatbestände, GRUR 1981, 1 ff.; ders. Zusammenhänge zwischen Recht des unlauteren Wettbewerbs und Kartellrecht, ZBJV 119 (1983) 161 ff.; Beater Nachahmen im Wettbewerb (1995); ders. Mitbewerber und sonstige unternehmerische Marktteilnehmer, WRP 209, 768 ff.; Bork Kennzeichenschutz im Wandel – Zum Verhältnis des bürgerlich-rechtlichen zum wettbewerbsrechtlichen Schutz der berühmten Marke gegen Verwässerungsgefahr, GRUR 1989, 725 ff.; Bornkamm Markenrecht und wettbewerbsrechtlicher Kennzeichenschutz – Zur Vorrangthese der Rechtsprechung, GRUR 2005, 97 ff.; ders. Die Schnittstellen zwischen gewerblichem Rechtsschutz und UWG, GRUR 2011, 1 ff.; Büscher Schnittstellen zwischen Markenrecht und Wettbewerbsrecht, GRUR 2009, 230 ff.; v. Danwitz Rechtswirkungen von Richtlinien in der neueren Rechtsprechung des EuGH, JZ 2007, 697 ff.; Emmerich Der unlautere Wettbewerb der öffentlichen Hand (1969); ders. Überlegungen zum Verhältnis von Kartellrecht und Lauterkeitsrecht aus deutscher Sicht, in Augenhofer (Hrsg.), Die Europäisierung des Kartell- und Lauterkeitsrechts (2009) 73 ff.; Fezer Leistungsschutz im Wettbewerbsrecht, WRP 1993, 63 ff.; ders. Kumulative Normenkonkurrenz zwischen
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177 Die Rechtsgrundlage für solche Überlegungen nach der UWG-Reform 2004 bleibt zumeist offen (vgl. die in der Vornote genannte Literatur). 178 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 65; Schaffert FS Ullmann (2006) 845, 849; Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 11/8; a.A. Elskamp S. 223 ff.; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 4 Rn. 33; Sack BB 2003, 1073, 1077; ders. WRP 2004, 1307, 1315. 179 Schliesky FS Stober 523, 544 m.w.N.
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Markenrecht und Lauterkeitsrecht, GRUR 2010, 953 ff.; Fikentscher Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz (1958); ders. Das Verhältnis von Kartellrecht und Recht des unlauteren Wettbewerbs, GRUR Int. 1966, 181 ff.; ders. Das Verhältnis von Kartellrecht und Recht des unlauteren Wettbewerbs im deutschen und europäischen Recht, FS Hallstein (1966) 127 ff.; Gewiese Die Ausnutzung fremder Gedanken und Arbeiten, GRUR 1935, 633 ff.; ders. Sklavische Nachahmung, GRUR 1936, 296 ff.; Goll Verbraucherschutz im Kartellrecht, GRUR 1976, 486 ff.; Glöckner Individualschutz und Funktionenschutz in der privaten Durchsetzung des Kartellrechts – Der Zweck heiligt die Mittel nicht; er bestimmt sie! WRP 2007, 490 ff.; Groh Die Übernahme fremder Leistung im Wettbewerb, Jura 1984, 586 ff.; Hahn Die Haftung des Unternehmensinhabers nach § 8 Abs. 2 UWG (2007); Haines Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb (1969); Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig (Hrsg.) UWG (Kommentar), 2. Aufl. (2009), zit. Harte/Henning/(Bearbeiter); Hefermehl Entwicklungen im Recht gegen unlauteren Wettbewerb, FS R. Fischer (1979) 197 ff.; ders. Grenzen des Lauterkeitsschutzes, GRUR Int. 1983, 507 ff.; Heiderhoff Der Einfluss des europäischen Rechts auf das nationale Privatrecht, ZJS 2008, 25 ff.; Hellenschmidt Die unmittelbare Leistungsübernahme (1980); Hempel Privater Rechtsschutz im deutschen Kartellrecht nach der 7. GWB-Novelle, WuW 2004, 362 ff.; Hirtz Die Relevanz der Marktmacht bei der Anwendung des UWG, GRUR 1980, 93 ff.; Hönn Zur Bedeutung spezieller Normen für die Konkretisierung von Generalklauseln, am Beispiel des Wettbewerbsrechts, FS Mühl (1981) 309 ff.; Hoppmann/Mestmäcker Normzwecke und Systemfunktionen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen (1974); Honsell Die Erosion des Privatrechts durch das Europarecht, ZIP 2008, 621 ff.; Hubmann Die sklavische Nachahmung, GRUR 1975, 230 ff.; Ingerl Der wettbewerbsrechtliche Kennzeichenschutz und sein Verhältnis zum MarkenG in der neueren Rechtsprechung des BGH und in der UWG-Reform, WRP 2004, 809 ff.; Katzenberger Das Recht am Unternehmen und unlauterer Wettbewerb (1967); Kellermann Die gewerblichen Schutzrechte im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GRUR 1958, 581 ff.; Keßler Vom Recht des unlauteren Wettbewerbs zum Recht der Marktkommunikation – Individualrechtliche und institutionelle Aspekte des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts, in Kreijci/Keßler/Augenhofer (Hrsg.), Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005) 81 ff. (zit. Marktkommunikation); ders. Verbraucherschutz im GWB de lege lata und de lege ferenda, VuR 2012, 391 ff.; Kleinheyer Rechtsgutverwendung und Bereicherungsausgleich, JZ 1970, 471 ff.; Klippel Grundfragen des Schutzes gewerblicher Kennzeichen gegen Verwässerungsgefahr, GRUR 1986, 697 FF.; Knöpfle Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens (1966); ders. Die marktbezogene Unlauterkeit (1983); Köhler Wettbewerbsverstoß durch rechtswidrigen Marktzutritt? GRUR 2001, 777 ff.; ders. Zur Konkurrenz lauterkeitsrechtlicher und kartellrechtlicher Normen, WRP 2005, 645 ff.; ders. Das Verhältnis des Wettbewerbsrechts zum Recht des geistigen Eigentums, GRUR 2007, 548 ff.; ders. Unzulässige geschäftliche Handlungen bei Abschluss und Durchführung eines Vertrags, WRP 2009, 898 ff.; ders. Die Durchsetzung des Vertragsrechts mit den Mitteln des Lauterkeitsrechts, FS Medicus (2009) 225 ff.; ders. Wettbewerbsverstoß und Vertragsnichtigkeit, JZ 2010, 767 ff.; v. Köhler Wie weit gilt im Wettbewerbsrecht der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung? NJW 1971, 118 ff.; Koenigs Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und das Recht des unlauteren Wettbewerbs unter besonderer Berücksichtigung der Wettbewerbsregeln, GRUR 1958, 589 ff.; ders. Wechselwirkungen zwischen dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und Recht des unlauteren Wettbewerbs, NJW 1961, 1041 ff.; Körner Verstöße gegen die Vorschriften des UWG und WZG und ihrer Auswirkung auf Drittverträge, GRUR 1968, 348 ff.; ders. Das allgemeine Wettbewerbsrecht als Auffangtatbestand für fehlgeschlagenen oder abgelaufenen Sonderrechtsschutz, FS Ullmann (2006) 701 ff.; Kraft Gemeinschaftsschädliche Wirtschaftsstörungen als unlauterer Wettbewerb? GRUR 1980, 966 ff.; ders. Wettbewerbsrecht und Diskriminierungsverbot, FS Kummer (1980) 389 ff.; Kummer Anwendungsbereich und Schutzgut der privatrechtlichen Rechtssätze gegen unlauteren und gegen freiheitsbeschränkenden Wettbewerb (1960); Kur Der wettbewerbliche Leistungsschutz, GRUR 1990, 1 ff.; Lindacher Grundfragen des Wettbewerbsrechts, BB 1975, 1311 ff.; Lubberger Grundsatz der Nachahmungsfreiheit? FS Ullmann (2006) 737 ff.; Lux Der Tatbestand der „allgemeinen Marktbehinderung“ im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb (2006); Martin Imitationsanreiz und Schutz vor Nachahmung im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (1981); Merz Die Vorfeldthese (1988); Mestmäcker Über das Verhältnis des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen zum Privatrecht, AcP 168 (1968) 235 ff.; ders. Der verwaltete Wettbewerb (1984); Möschel Die Kontrolle von Marktmacht außerhalb des Kartellrechts, FS Locher (1990) 461 ff.; ders. Behördliche oder privatrechtliche Durchsetzung des Kartellrechts? WuW 2007, 483 ff.; Möhring Wettbewerbsordnung und Kartellrecht, WuW 1954, 387 ff.; Müller-Laube Wettbewerbsrechtlicher Schutz gegen Nachahmung und Nachbildung gewerblicher Erzeugnisse, ZHR 156 (1992), 480 ff.; Ohly Geistiges Eigentum? JZ 2003, 545 ff.; ders. Klemmbausteine im Wandel der Zeit – Ein Plädoyer für eine strikte
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Einleitung Teil G.
Subsidiarität des UWG-Nachahmungsschutzes, FS Ullmann (2006) 795 ff.; ders. Designschutz im Spannungsfeld von Geschmacksmuster-, Kennzeichen- und Lauterkeitsrecht, GRUR 2007, 731; ders. Bausteine eines europäischen Lauterkeitsrechts, WRP 2008, 177 ff.; ders. Nachahmungsschutz versus Wettbewerbsfreiheit, in Lange/Klippel/Ohly (Hrsg.) Geistiges Eigentum und Wettbewerb (2009) 99 ff.; Peifer Individualität im Zivilrecht (2001); Peters Zur Gesetzestechnik des § 823 II BGB, JZ 1983, 913 ff.; Pichler Das Verhältnis von Kartell- und Lauterkeitsrecht (2009); Quiring Zum wettbewerbsrechtlichen Schutz von kurzlebigen Produkten gegen Nachahmung, WRP 1985, 684 ff.; Raiser Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in summum ius summa iniuria (1963), 145 ff.; Rehbinder Urheberrecht, 16. Aufl. (2010); Reichold Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht. Zur Rolle zivilistischen Denkens bei der Anwendung von § 1 UWG, AcP 193 (1993) 204 ff.; Rinck/Schwark Wirtschaftsrecht, 6. Aufl. (1986); Sack Sittenwidrigkeit, Sozialwidrigkeit und Interessenabwägung, GRUR 1970, 493 ff.; ders. Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 UWG? BB 1974, 1369 ff.; ders. Zur Sittenwidrigkeit von anläßlich sogenannter „Kaffeefahrten“ abgeschlossenen Kaufverträgen, NJW 1974, 564 ff.; ders. Unlauterer Wettbewerb und Folgeverträge, WRP 1974, 445 ff.; ders. Deliktsrechtlicher Verbraucherschutz gegen unlauteren Wettbewerb, NJW 1975, 1303 ff.; ders. Folgeverträge unlauteren Wettbewerbs, GRUR 2004, 625 ff.; ders. Das Recht am Gewerbebetrieb (2007); Sambuc Monopolisierung als UWG-Tatbestand, GRUR 1981, 796 ff.; Scherer Zur Frage der Schutzgesetzqualität von §§ 1, 3 UWG für Verbraucher, WRP 1992, 607 ff.; dies. Wechselwirkungen zwischen Kartellrecht und UWG, WRP 1996, 174 ff.; dies. Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht – Veränderung des Verhältnisses durch § 2 I Nr. 1 UWG? WRP 2009, 761 ff.; Schmidt K. Kartellverfahrensrecht – Kartellverwaltungsrecht – Bürgerliches Recht (1977); Schmidt M. Zur Annäherung von Lauterkeitsrecht und Verbraucherkreditrecht, JZ 2007, 78 ff.; Schmitz Preisunterbietung als Problem des GWB, WuW 1992, 209 ff.; Schrauder Wettbewerbsverstöße als Eingriffe in das Recht am Gewerbebetrieb (1970); Schricker Schadensersatzansprüche der Abnehmer wegen täuschender Werbung? GRUR 1975, 111 ff.; Schroeter Die Sittenwidrigkeit bei der Benutzung fremder Arbeit und Gedanken im Wettbewerb, GRUR 1949, 228 ff.; Schwark Individualansprüche Privater aus wirtschaftlichen Gesetzen, JZ 1979, 670 ff.; Schünemann Mündigkeit versus Schutzbedürftigkeit: Legitimationsprobleme des Verbraucherleitbildes, FS Brandner (1996) 279 ff.; ders. Generalklauseln und Regelbeispiele, JZ 2005, 271 ff.; Schwipps Wechselwirkungen zwischen Lauterkeitsrecht und Kartellrecht (2009); Seydel Zur Systematik des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, NJW 1957, 1300 ff.; Spengler Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz in den Grenzgebieten des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts, WuW 1955, 599 ff.; Steckler Der Sonderschutz berühmter Geschäftszeichen gegen Verwässerungsgefahr (1985); Tilmann Über das Verhältnis von GWB und UWG, GRUR 1979, 825 ff.; Stieper Das Verhältnis von Immaterialgüterrechtsschutz und Nachahmungsschutz nach neuem UWG, WRP 2006, 409 ff.; Traub Durchführungsverbot und Folgeverträge, GRUR 1980, 673 ff.; Thouvenin Funktionale Systematisierung von Wettbewerbsrecht und Immaterialgüterrechten (2007); Tyllack Wettbewerb und Behinderung (1984); Ullmann Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld von Europa und Deutschland, GRUR 2003, 817 ff.; Ulmer Der Begriff „Leistungswettbewerb“ und seine Bedeutung für die Anwendung von GWB und UWG-Tatbeständen, GRUR 1977, 565 ff.; ders. Die Anwendung von Wettbewerbs- und Kartellrecht auf die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand beim Angebot von Waren- oder Dienstleistungen, ZHR 146 (1982) 466 ff.; Walch Ergänzender Leistungsschutz nach § 1 UWG (1992); Wandtke (Hrsg.) Urheberrecht, 3. Aufl. (2012); Wedemeyer Wettbewerbswidrige Kaffeefahrten – Nichtige Kaufverträge? WRP 1972, 117 ff.; Wilhelm Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und das UWG, FS Canaris Bd. I (2007) 1293 ff.; Willemer GWB-Einwendungen gegen UWG-Ansprüche, WRP 1976, 16ff.; Wrage UWG-Sanktionen bei GWB-Verstößen (1984).
I. II. III. IV.
Übersicht Verhältnis zum europäischen Recht ____ 1 Verhältnis zu lauterkeitsrechtlichen Sonderund Nebengesetzen ____ 17 Verhältnis zum Recht der Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellrecht, GWB) ____ 28 Verhältnis zum Gewerblichen Rechtsschutz (mit Urheberrecht) ____ 63 1. Begriff und Wesen des Gewerblichen Rechtsschutzes ____ 63
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2.
V.
Grundsatz und Grenzen der Nachahmungsfreiheit ____ 79 Verhältnis zum bürgerlichen Recht ____ 99 1. Überblick ____ 99 2. UWG und Deliktsrecht ____ 102 a) Sonderdeliktsrecht? ____ 102 b) Konkurrenzrechtlicher Grundsatz ____ 112
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Einordnung des Wettbewerbsrechts in das Rechtssystem
3. 4.
c) UWG-Normen als Schutzgesetze? ____ 124 d) Schutzgesetze außerhalb des UWG ____ 133 e) Haftung für Gehilfen ____ 134 f) Zusammenfassung ____ 138 UWG und Bereicherungsrecht ____ 139 UWG und Vertragsrecht ____ 146 a) Ausgangspunkt ____ 146
Alphabetisches Stichwortverzeichnis Abwerben 185 Anwendungsvorrang 1 f. Auslegung – europarechtskonforme 2, 5 – teleologische 5 Basisverträge 162 Behördliche Erlaubnisse 201 Behördliche Verbote 200 Brachialwettbewerb 117 Doppelverstoß 57 Eingriffskondiktion 139 Einheit des Wettbewerbsrechts 36 ff., 110 Ergänzungsfunktion des BGB 101, 113 Exkulpation 134 ff. Folgeverträge 158 ff. Gehilfenhaftung 134 ff. Geistiges Eigentum 63, 71 Geltungsvorrang des europäischen Rechts 10 Gemeinschaftsgeschmacksmuster 97 Gerichtsstand s. Zuständigkeit, örtliche Geschmacksmuster 65, 70, 96 f. Gewährleistung 180 ff. Gleichbehandlungsrecht 189 ff. Grundfreiheiten 6 Grundrechtecharta 7 Handelsbräuche 195 Immaterialgüterrecht 71, 75 ff., 59 ff., 89 ff., 98 ff., 116, 139 Konvergenzthese 36 Leistungsschutz, ergänzender 80 ff., 97, 116, 139 Markenrecht 65, 90 ff., 194 Marktbehinderung, allgemeine 55 f. marktbezogene Unlauterkeit 45 Marktgepflogenheiten 197 Marktintervention 53 Marktverhaltensregelung 24 ff., 58 f., 98, 190 f., 198 ff. Marktwirtschaft – offene 11 Nachahmungsfreiheit 79 ff. Nebengesetze, lauterkeitsrechtliche 20
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b) Vertragsnichtigkeit wegen Unlauterkeit? ____ 149 c) Unlauterkeit der Vertragsdurchführung? ____ 166 d) Unlauterkeit des Verleitens zum Vertragsbruch? ____ 185 VI. Verhältnis zum Gleichbehandlungsrecht (AGG) ____ 189 VII. Verhältnis zum Handelsrecht ____ 193 VIII. Verhältnis zum Verwaltungsrecht ____ 198
Normerschleichung 44 öffentliche Hand 202 Privatrecht 17, 37, 59, 99, 111, 131, 202 Recht am Unternehmen 120, 122, 140 Rundfunk 68 Sanktionenkonkurrenz 61 Schleichbezug 185 Schutzgesetze 109, 124 ff. Schutzobjekt 107 Schutzrechtsverwarnung 123 self executing 16 Sittenwidrigkeit 149 ff. Sonderdeliktsrecht 101 ff. Sondergesetze 19 Sperrwirkung 47 f., 54 ff., 59 ff., 92 Straftatbestände 130 ff., 165 ff. Subsidiarität gegenüber UWG 62, 98, 15, 128 f., 132, 138, 145; s.a. Vorrangthese Teilnahme 113, 133 f. Transformationspflicht 14 ff. Trennungsthese 31 ff., 42 Überschneidungsthese 46 ff. Urheberrecht 63 ff., 76 Verbotsgesetze 156 ff. Verbraucherschutz im GWB 34 Verjährung 118 f. Verleiten zum Vertragsbruch 184 ff. Verletzergewinn 144 Vertragsdurchführung 165 ff. Vertragsnichtigkeit 148 ff. Vollharmonisierung 12 Vorabentscheidungsverfahren 3 Vorfeldthese 30, 51 ff., 94 Vorrangthese 91 ff. Vorsprung durch Rechtsbruch 58 Vorsprungsgewinne 88 Wertungskonkordanz 44 Wettbewerbsfreiheit 37 ff. Wucher 152 ff. Zurechnungsfähigkeit 112 Zuständigkeit, örtliche 117, 120
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____ I. Verhältnis zum europäischen Recht ____ ____ Anders als der Geltungsvorrang in der traditionellen Rechtsquellenlehre, der zu ei1 ____ner genuinen Hierarchisierung von Normen verschiedener Ebenen führt und dabei das ____höherrangige Recht das im Rang niedrigere „bricht“,1 lässt supranationales, europäi____sches Recht sachlich mit ihm unvereinbares nationales Recht der Mitgliedsstaaten der ____EU in ihrer Rechtsverbindlichkeit, in ihrer Geltung, unberührt. Wie aber das nationale ____Recht der Mitgliedsstaaten der EU insgesamt, so unterliegt auch das deutsche Lauter____keitsrecht einem Anwendungsvorrang des europäischen Rechts in seinem jeweiligen ____sachlichen Geltungsbereich.2 Der trotz seiner die Grundrechte berührenden Wirkung be____stehende Anwendungsvorrang3 bezieht sich sowohl auf europäisches Primär- als auch auf ____Sekundärrecht, insbesondere also auf Verordnungen und Richtlinien nach Art. 288 AEUV ____(s. zu Arten, Wirkungen und Auslegung des europäischen Rechts eingehend Einl. C ____Rn. 1 ff.). ____ Darüber hinaus nimmt das europäische Recht auf das deutsche Lauterkeitsrecht 2 ____durch die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zu (in Einzelheiten umstrittener) euro____parechtskonformer Auslegung4 nationalen Rechts Einfluss. Der Anwendungsvorrang ____des europäischen Rechts kommt dadurch in seinen praktischen Konsequenzen weniger ____zum Tragen, weil durch die harmonisierende Interpretation normative Divergenzen von ____vornherein klein zu halten sind. Allerdings soll das Gebot europarechtskonformer Ausle____gung des nationalen Rechts seine Geltungsgrenze jedenfalls dort finden, wo der nationa____le Gesetzgeber bewusst von europarechtlichen Vorgaben abweicht, weil dafür spezielle ____gemeinschaftsrechtliche Konsequenzen, namentlich das Vertragsverletzungsverfahren ____nach Artt. 258 ff. AEUV, vorgesehen seien.5 ____ 3 Die Klärung von (verbleibenden) Auslegungsfragen ist nach Art. 267 AEUV Sache des ____EuGH, 6 der im Vorabentscheidungsverfahren entscheidet (näher Einl. C Rn. 34 ff.). 7 ____Grundsätzlich besteht ein Vorlagerecht des nationalen Gerichts. Eine grundsätzliche ____Vorlagepflicht trifft das nationale Gericht, das letztinstanzlich entscheidet. Ausnahmen ____von der Vorlagepflicht bestehen bei einer gesicherten Rechtsprechung oder dann, wenn ____über die Auslegung keinerlei vernünftige Zweifel möglich sind.8 ____ 4 Regelungsgegenstand der primärrechtlichen „Wettbewerbsregeln“ nach Artt. 101 ff. ____AEUV sind i.S. der deutschen Wettbewerbsrechtsdogmatik spezifisch kartellrechtliche ____Konstellationen. Die genannten Normen haben also für das Lauterkeitsrecht als Markt____verhaltensrecht keine unmittelbare Bedeutung. ____ ____ ____1 Z.B. „Bundesrecht bricht Landesrecht“, Art. 31 GG. ____2 EuGH 13.3.1997 – C-358/95 – Slg. 1997 I-1431 Tz. 18 – Morellato; Harte/Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 1 ff.; Jochum Rn. 552 ff.; Oppermann/Classen/Nettesheim § 10 Rn. 32 ff. ____3 BVerfG 2.10.1986 BVerfGE 73, 339, 387 – Solange II. S. aber auch BVerfG 12.10.1993 BVerfGE 89, 155, 188 ____– Maastricht: Anwendungsvorrang nur in den Grenzen des deutschen Zustimmungsgesetzes (v. 8.10.2008, ____BGBl. 2008 II S. 1038). ____4 EuGH 13.11.1990 – C-106/89 – Slg. 1990, I-4135, 4159 Tz. 8 – Marleasing; 5.10.2004 – C-397/01 bis ____C-403/01 – Slg. 2004, I-8835 Tz. 113 ff. – Pfeiffer/DRK; EuGH 4.7.2006 – C-212/04 – Slg. 2006, I-6057 Tz. 111 – Adeneler/ELOG; Beater Rn. 644 ff.; MünchKommUWG/Leible EG A Rn. 189 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. C ____Rn. 27. ____5 Beater Rn. 648. ____6 Zur Auslegung des EU-Rechts durch den EuGH, insbesondere zu den dabei verfolgten Zielen und ____Methoden s. näher Kilian Rn. 348 ff.; Köhler/Bornkamm Einl. 3.11; Schröder JuS 2004, 180 ff.; s.a. Anweiler Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (1997). ____7 S.a. Harte/Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 11 ff. ____8 Sog. acte claire-Doktrin, vgl. BGH 19.1.2006 – I ZR 151/02 – GRUR 2006, 346 Tz. 7 – Jeans II; Harte/ ____Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 12.
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Ihre mittelbare rechtliche Relevanz für ein primärrechtliches, wenngleich nur als dogmatisch fassbarer Subtext vorhandenes europäisches Lauterkeitsrecht ergibt sich aber daraus, dass Lauterkeits- und Kartellrecht keine voneinander sachlich ganz unabhängige Materien darstellen, sondern – wie auch im deutschen Wettbewerbsrecht (vgl. Rn. 28 ff., 36) – auf einen gemeinsamen Zweck hin ausgerichtet sind, nämlich auf den funktionierenden, freien, unverfälschten Wettbewerb auf Märkten (s. Einl. A Rn. 17, 33 ff.). Insofern spielt das europäische Primärrecht durchaus für eine teleologisch-europarechtskonforme Auslegung und Anwendung auch des deutschen Lauterkeitsrechts eine Rolle. Ferner gewinnt das europäische Primärrecht für die Handhabung des deutschen Lauterkeitsrechts Maßstabsfunktion dadurch, dass Auslegung und Anwendung namentlich des UWG nicht mit den sog. unionsrechtlichen Grundfreiheiten kollidieren dürfen. Einschlägig sind hier vor allem die Warenverkehrs- und die Dienstleistungsfreiheit nach Artt. 34 und 56 AEUV,9 sodann das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV. Über Art. 6 Abs. 1 EUV ist der Sache nach auch die Europäische Grundrechtecharta (EuChGr, vgl. Einl. A Rn. 217, eingehend Einl. C Rn. 194 ff.) in das europäische Primärrecht inkorporiert.10 Ausdrücklich verweist Art. 6 Abs. 2 EUV auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, vgl. Einl. A Rn. 214 ff.).11 Diese Einflussfaktoren auf das deutsche Lauterkeitsrecht spielen indes in der Spruchpraxis des EuGH kaum eine Rolle.12 Nicht beigepflichtet werden kann der Auffassung, dass „gewisse Beschränkungen des Waren- und Dienstleistungsverkehrs aus Gründen des Lauterkeitsschutzes hingenommen werden“ müssten, weil einerseits der Schutz des Wettbewerbs vor Verfälschungen nicht mehr im AEUV vorgesehen sei, andererseits aber der Verbraucherschutz nach Artt. 4 lit. f., 169 AEUV zu den Zielen der Gemeinschaft zählten.13 Denn diese Argumentation beruht auf falschen Ausgangsannahmen: Der Schutz des unverfälschten Wettbewerbs ist sehr wohl Teil des Primärrechtes (s. Einl. A Rn. 275) und der Verbraucherschutz ist seinerseits in funktionierenden freiheitlich-wettbewerbsgesteuerten Märkten bestmöglich gewahrt (vgl. Einl. A Rn. 174). Nach der Rechtsprechung des EuGH soll das europäische Primärrecht als Maßstab des nationalen Rechts möglicherweise ausscheiden, sofern das jeweilige Rechtsgebiet sekundärrechtlich abschließend geregelt ist. In diesem Fall soll das nationale Recht allein anhand des Sekundärrechts auf seine Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht hin zu beurteilen sein.14 Angesichts der hohen Regelungsdichte durch Sekundärrecht lauterkeitsrechtlichen Inhalts15 wäre diese Maßgabe ein wichtiges hermeneutisches Faktum. In dieser Allgemeinheit kann die dem EuGH zugeschriebene Position wegen des völlig unzweifelhaften Geltungsvorrangs des Primärrechts vor dem Sekundärrecht nicht richtig sein. Denn Sekundärrecht, namentlich in Gestalt von Richtlinien, kann überhaupt
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9 Näher Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 8 Rn. 2 ff. 10 Dazu Haratsch/Koenig/Pechstein Rn. 584 ff.; relevant werden können vor allem Artt. 11 (Meinungsund Medienfreiheit), 15 (Berufsfreiheit) und 16 (unternehmerische Freiheit) der Grundrechtecharta (EuChGr). 11 S. dazu etwa Jochum Rn. 25 ff. 12 Mand JZ 2010, 337, 340 f. 13 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 9. 14 Zu dieser verbreiteten Wahrnehmung der EuGH-Rspr. z.B. durch Piper/Ohly/Sosnitza Einf. C Rn. 10; vgl. EuGH 13.12.2001 – C-324/99 – Slg. 2001, I-9897 Tz. 32 – Daimler Chrysler; EuGH 11.12.2003 – C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 = GRUR 2004, 174 Tz. 64 – Doc Morris. 15 Eingehend Beater Rn. 676 ff.; Harte/Henning/Glöckner (2. Aufl. 2009) Einl. B Rn. 9 ff.
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____nur Anwendungsvorrang vor nationalem Recht beanspruchen, soweit es im Einklang mit ____Primärrecht steht. Ob es sich so verhält, mag aber gerade fraglich sein. Die stereotypen ____Beteuerungen in den durchgehend „geschwätzigen Erwägungsgründen“, alles stehe in ____vollem Einklang mit dem Primärrecht, besagen jedenfalls nichts.16 ____ Ein Beispiel dafür liefert die für das 2008 novellierte Lauterkeitsrecht zentrale Richt11 ____linie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr ____zwischen Unternehmen und Verbrauchern (RL 2005/29/EG). Ihr zufolge (Art. 2 lit. h) ____ist unter dem Lauterkeitsmaßstab (vgl. Art. 5 RL 2005/29/EG) der „berufliche(n) Sorgfalt ____der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt“ zu verstehen, „bei denen billigerweise ____davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Ver____braucher gemäß dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tä____tigkeitsbereich anwendet.“ Was immer dies heißen mag:17 Es ist wohl nicht mit den die ____europäische Wirtschaftsverfassung nach Artt. 119 f. AEUV prägenden Prinzipien einer ____„offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ (Einl. A Rn. 263 ff., 275 ff., 283) zu ver____einbaren. Deshalb ist auch die Auslegung von § 3 Abs. 2 UWG jedenfalls insoweit nicht ____an der Richtlinie, sondern in ihrer wettbewerbsfunktionalen Ausrichtung am europäi____schen Primärrecht zu orientieren. ____ Damit darf nicht der Aspekt einer eventuellen Vollharmonisierung vermischt wer12 ____den: Soweit Sekundärrecht (wie zu betonen ist: im Einklang mit Primärrecht) eine Mate____rie zum Zwecke der Rechtsangleichung abschließend geregelt hat, bleibt einem Mit____gliedsstaat kein Spielraum mehr zu eigener Rechtssetzung oder zu einer vom ____Sekundärrecht abweichenden Handhabung des nationalen Rechts. So ist z.B. § 4 Nr. 11 ____i.V.m. der PAngV im Lichte der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL ____2005/29/EG) restriktiv zu handhaben, weil das deutsche Preisangabenrecht teilweise ____(z.B. mit § 4 Abs. 1 PAngV für die Preisauszeichnung von Schaufensterware) über den ____Richtlinienstandard hinausgeht.18 ____ Werden indes durch Richtlinien nur Mindeststandards vorgegeben, kann das na13 ____tionale Recht im Prinzip Regelungen mit höheren Standards treffen, muss dabei aber ____Primärrecht respektieren. Soweit dabei primärrechtlich statuierte Freiräume wie z.B. die ____Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit eingeschränkt werden sollen, ist dies des____halb nur unter den rechtfertigenden Voraussetzungen der Art. 36 bzw. 56 ff. AEUV unter ____Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips möglich. ____ Im Gegensatz zu Verordnungen, die nach Art. 288 Abs. 2 AEUV allgemeine und un14 ____mittelbare Geltung in den Mitgliedsstaaten haben, adressieren Richtlinien nach Art. 288 ____Abs. 3 AEUV die Mitgliedsstaaten und geben dabei (vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit ____Primärrecht, vgl. Rn. 8 ff.) verbindlich ein zu erreichendes Ziel vor, überlassen es aber ____grundsätzlich der Transformation durch den Mitgliedsstaat, wie dieses Ziel zu erreichen ____ist. Daraus folgt aber auch eine Gestaltungspflicht hinsichtlich einer sinnvollen Einfü____gung der Richtlinienmaterie in die nationale Rechtsordnung, also in ihre Systematik, ____Dogmatik und Terminologie. ____ ____ ____ 16 S. Honsell ZIP 2008, 621, 623, der das Sekundärrecht hauptsächlich als das Produkt einer „riesigen ____Bürokratie“ sieht, „die für eine gigantische Fehlallokation knapper Ressourcen steht und zweifelhafte ____Geldtransfers betreibt.“ ____17 S. die (letztlich vergeblichen) Deutungsversuche z.B. bei Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) ____§ 3 Rn. 179 ff., 184 unter Berücksichtigung von Nr. 53 S. 2 und 3 der Vorschlagsbegründung KOM (2003) 356 endg.; scharfe Kritik auch bei Harte/Henning/Glöckner (2. Aufl. 2009) Einl. B Rn. 238 („verfehlt“); ders. ____Europäisches Lauterkeitsrecht S. 74 f.; Sosnitza WRP 2008, 1014, 1018. ____18 S. näher Götting/Nordemann/Ebert-Weidenfeller § 4 Rn. 11.15, 11.17 mit weiteren Beispielen ____überschießender deutscher Regelungen.
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Dieser Transformationspflicht ist der deutsche Gesetzgeber namentlich bei der be- 15 reits vorstehend kritisch beleuchteten Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) nicht nachgekommen, soweit er, wie namentlich mit § 3 Abs. 2 und mit dem Anhang zu § 3 Abs. 3 (sog. schwarze Liste), schlicht den Richtlinientext in das UWG 2008 übernommen hat.19 Mit dieser nach Terminologie und Substanz fehlenden Einpassung der Richtlinie in die deutsche Rechtsordnung hat der Gesetzgeber sich nur sehr vordergründig richtlinienkonform verhalten und, wie die massiven Interpretationsprobleme bei § 3 Abs. 2 und 3 (Anhang) zeigen,20 vor allem der Wissenschaft materiell die eigentlich hoheitliche Transformationsaufgabe überbürdet. Die allerdings dadurch zugleich sichergestellte richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts gleicht dem legendären Ei des Kolumbus, denn durch die Textübernahme bedarf es ihrer scheinbar gar nicht mehr. Ausnahmsweise soll eine Richtlinie aber auch ohne Transformationsakt inner- 16 staatliche Geltung erlangen, wenn sie bis zum Ablauf der jeweils in der Richtlinie genannten Frist vom Mitgliedsstaat nicht oder nicht hinreichend umgesetzt wurde und inhaltlich spezifiziert genug ist (sog. self executing).21 Eine Richtlinie, welche die letztgenannte Eigenschaft aufweist, sprengt jedoch den ihr mit Art. 288 Abs. 3 AEUV gesetzten begrifflichen Rahmen, provoziert deshalb Zweifel an ihrer primärrechtlichen Zulässigkeit22 und lässt so die Denkfigur des self executing auf einem inneren Widerspruch basieren. Im Bereich des deutschen Lauterkeitsrechts ist zur Zeit freilich kein Handlungsbedarf bei einer aufgegebenen Umsetzung von Richtlinien zu sehen, sodass dieser Einwirkungsvariante des supranationalen Rechts hier nicht weiter nachzugehen ist. II. Verhältnis zu lauterkeitsrechtlichen Sonder- und Nebengesetzen Das UWG enthält den Kernbestand der lauterkeitsrechtlichen Normen des deutschen 17 (verhaltensbezogenen) Wettbewerbsrechts und verortet sie ausweislich der anspruchsbasierten Sanktionen nach §§ 8 ff. innerhalb des Privatrechts (s.a. Einl. A Rn. 18). Die Identifikation der lauterkeitsrechtlichen Sonder- und Nebengesetze als Teil des 18 Wettbewerbsrechts i.w.S. ist unbestimmt, weil schon über den Begriff des Wettbewerbsrechts i.e.S. unterschiedliche Auffassungen bestehen (vgl. Einl. A Rn. 1 ff.). Nach der hier befürworteten Systematik (Einl. A Rn. 10 f.) sind unter lauterkeitsrechtlichen Sonder- und Nebengesetzen diejenigen Materien zu verstehen, die außerhalb des UWG geregelt sind, mit ihm aber wegen ihres sachlichen Bezugs zum Wettbewerbsverhaltensrecht in innerem Zusammenhang stehen. Soweit es sich dabei um Normen handelt, die wie z.B. aus AMG, HWG und LFGB (frü- 19 her LMBG) zwar einen besonderen Wirtschaftssektor fokussieren, ansonsten aber ebenso gut in das UWG inkorporiert hätten werden können23 und sich demzufolge als leges speciales zum UWG als lex generalis (als „allgemeines“ Wettbewerbsverhaltensrecht, s. Einl. A Rn. 12) darstellen, handelt es sich um lauterkeitsrechtliche Sondergesetze. Dies gilt erst recht für die PAngV, die keinen wirtschaftssektorialen Charakter hat, sondern
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19 Kritisch bereits Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 2. 20 Eingehend Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 127 ff., 179 ff. 21 EuGH 19.1.1982 – C-8/81 – Slg. 1982, 53 Tz. 27 – Becker; EuGH 1.6.1999 – C-319/97 – Slg. 1999, I-3143 Tz. 21 – Kortas; v. Danwitz JZ 2007, 697, 699. 22 Auch von daher begegnet die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) Bedenken. 23 Vgl. etwa § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG (irreführende Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung) und mit derselben Stoßrichtung § 3 HWG (§ 1 a.F.) und dazu BGH 14.4.1983 GRUR 1983, 595, 596 – Grippewerbung III; ebenso § 27 LMBG (§ 1 a.F.) für Irreführung beim Inverkehrbringen kosmetischer Mittel.
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____das korrekte Preisangabeverhalten am Markt gegenüber Letztverbrauchern ganz generell ____betrifft. ____ Soweit eine derartige Sachlogik von lex generalis und lex specialis nicht festzustellen 20 ____ist, gleichwohl aber wie namentlich zu den Materien des Gewerblichen Rechtsschutzes ____enger Wettbewerbsbezug besteht, kann von lauterkeitsrechtlichen Nebengesetzen ge____sprochen werden. Darin liegt selbstverständlich keine Aussage über deren wirtschafts____rechtliche und wirtschaftspraktische Bedeutung, sondern lediglich eine systematische ____Standortbestimmung. ____ Die begriffliche Unterscheidung von lauterkeitsrechtlichen Sondergesetzen einer21 ____seits, Nebengesetzen andererseits, könnte konkurrenzrechtliche Bedeutung gewin____nen, weil nach der geläufigen Sentenz „lex specialis derogat legi generali“24 im Rege____lungsbereich der Sondernorm ein Rückgriff auf die Allgemeinnorm generell nicht in ____Betracht kommen soll.25 Für lauterkeitsrechtliche Nebengesetze hingegen ist das Konkur____renzverhältnis nicht in gleicher Weise präjudiziert. ____ Nach altem Recht, also vor der grundlegenden Reform des UWG im Jahre 2004, 22 ____spielten die aufgeworfenen Fragen eine wichtige Rolle vor allem im Hinblick auf RabattG ____und ZugabeVO, die in der Folge beide ersatzlos gestrichen wurden. Zweifelhaft war die ____Rechtslage in doppelter Hinsicht, nämlich ob ein Verstoß gegen lauterkeitsrechtliche ____Sondergesetze wie vor allem gegen die genannten zugleich „sittenwidrig“ i.S. der dama____ligen großen Generalklausel des § 1 UWG a.F. sein könne, und ob auch sondergesetzlich ____zulässige Wettbewerbshandlungen nach UWG als „sittenwidrig“ beanstandet werden ____könnten. Mit Rücksicht auf die ersatzlose Streichung von RabattG und ZugabeVO bedarf ____die Thematik jedenfalls insoweit keiner Erörterung mehr.26 ____ Aber auch darüber hinaus stellen sich nach der Konstruktion des geltenden Lauter23 ____keitsrecht die konkurrenzrechtlichen Fragen völlig anders als bisher oder auch gar ____nicht mehr. Denn mit § 4 Nr. 11 nimmt das UWG selber unterschiedslos Bezug auf jede ____gesetzliche Vorschrift, „die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer ____das Marktverhalten zu regeln“, und erklärt Zuwiderhandlungen dagegen für unlauter. ____ Es kommt mithin entscheidend nur auf den Charakter der Norm („auch“) als Rege24 ____lung des Marktverhaltens an, nicht auf ihre Zuordnung als wettbewerbsrechtliches, ins____besondere lauterkeitsrechtliches Sonder- oder aber Nebengebiet. Immerhin muss es sich ____bei den Marktverhaltensnormen i.S.v. § 4 Nr. 11 jedoch um Wettbewerbsrecht i.w.S. ____handeln, weil solche Normen ohne wettbewerbsrechtliche Substanz gar nicht vorstellbar ____oder aber jedenfalls unbeachtlich sind (s.a. Einl. A Rn. 11). ____ Soweit eine geschäftliche Handlung nicht gegen Marktverhaltensrecht außerhalb 25 ____des UWG verstößt, der konkrete Sachverhalt aber durchaus zur dortigen Regelungsmate____rie rechnet, mag man versucht sein, ein Unlauterkeitsverdikt im Einzelfall unter Hinweis ____auf eine „Auffangfunktion“ von Generalklauseln unmittelbar auf § 3 Abs. 1 oder auch ____Abs. 2 zu stützen. Ein Rückgriff darauf als unmittelbare Verbotstatbestände kann aus ____ ____ ____24 Damit macht schon die juristische Ausbildungsliteratur vertraut, s. Schmalz Methodenlehre für das ____juristische Studium, 4. Aufl. (1998) Rn. 82. 25 A.A. Schünemann JZ 2005, 271, 276 m.w.N. jedenfalls für Generalklauseln als lex generalis im ____Verhältnis für Regelbeispiele als leges speciales. ____26 Eingehend dazu Schünemann Voraufl. Einl. Rn. E 1 ff. mit zahlreichen Nachweisen: Das ____methodologisch gefärbte Derogationsproblem wurde von einer zweiten Problemdimension geschnitten, ____die in der (verfehlten) Unterscheidung der damals h.M. von „wertbezogenen“ und „wertneutralen“ Normen wurzelte. Trotz allem scheint gelegentlich eine Neigung dazu zu bestehen, RabattG und ZugabeVO ____trotz ihrer Streichung nun anderweitig, z.B. im Rahmen von § 4 Nr. 1, weiterleben zu lassen (vgl. ____Rittner/Kulka § 3 Rn. 56 ff. trotz der in Rn. 55 begrüßten Liberalisierung), was mit dem maßgeblichen ____Prinzip der Wettbewerbsfreiheit (s. Einl. A Rn. 105 ff.) nicht in Einklang zu bringen ist.
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binnensystematischen Gründen des UWG aber wohl allenfalls bei „Extrem- und Evidenzfällen“ wettbewerbswidrigen Verhaltens erwogen werden,27 die im Zusammenhang mit den wettbewerblichen Sonder- und Nebengesetzen schlechterdings gar nicht vorstellbar sind. Unberührt davon bleibt, dass ein Sachverhalt nicht nur § 4 Nr. 11, sondern tat- 26 bestandlich zugleich auch einem anderen Regelbeispiel für Unlauterkeit unterfällt. Eine solche Kumulation von (spezifizierten) Unlauterkeitsaspekten bezüglich ein und derselben geschäftlichen Handlung ist rechtssystematisch und anwendungstechnisch unproblematisch. So kann eine konkrete geschäftliche Handlung als Zuwiderhandlung gegen die PAngV und damit gegen eine Marktverhaltensregelung unlauter nach § 4 Nr. 11 sein und zugleich als Irreführung über den „Preis oder die Art und Weise, wie er berechnet wird“, nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 als unlauter gelten. Erst recht denkbar ist umgekehrt, dass bei preisbezogenen Angaben nur § 5 Abs.1 27 Nr. 2 einschlägig ist, weil es sich um einen Fall handelt, der überhaupt nicht Regelungsgegenstand der PAngV ist. So verhält es sich z.B. bei Verwendung irreführender Preisschlagwörter.28 III. Verhältnis zum Recht der Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellrecht, GWB) Das systematische Verhältnis des Lauterkeitsrechtes zum Kartellrecht (i.S.d. Rege- 28 lungsmaterie des GWB insgesamt) ist seit dessen Anfängen29 streitig gewesen. Die Bedeutung dieser Diskussion liegt dabei keineswegs nur im schieren Gewinn an Einsicht in die innere Struktur irgendeiner homogenen Gesamtordnung des Wettbewerbs oder aber auch in der Einsicht, dass es eine solche Gesamtordnung gar nicht gäbe. Vielmehr resultieren aus einer derartigen Positionsbestimmung dogmatische Kon- 29 sequenzen, so etwa bei der Frage, ob sich die Inhaltsbestimmung der Unlauterkeit in Widerspruch zu den Wertungen des Kartellrechts setzen darf, ja, ob eine solche Kollision überhaupt möglich ist. Eine solche Unmöglichkeit könnte sich etwa daraus ergeben, dass die jeweiligen Regelungsmaterien heterogen sind, aber (bei grundsätzlich gleichartigen Regelungsmaterien) auch aus Spezialitätsgründen. Auch könnten dem UWG anzillarische Dienste für das Kartellrecht angesonnen 30 werden, indem das UWG z.B. unter dem Aspekt einer „marktbezogenen Unlauterkeit“ gegen im Kartellrecht (noch) nicht30 inkriminierte geschäftliche Handlungen mobilisiert
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27 So dezidiert jedenfalls Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 77 f., 97 ff., 102 ff.; ausdrücklich zustimmend Boesche Rn. 16; in der Sache zumindest tendenziell ebenso Fezer/Fezer § 3 Rn.167; Groner Der Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG zur Bestimmung der Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung (2008) 215 ff.; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 9; Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 7; a.A. etwa Beater Rn. 1060 (der den Gegenstand der einschlägigen Diskussion in die Nähe einer „Scheinproblematik“ rückt); Götting/Nordemann § 3 Rn. 26. Auch die Rspr. neigt zu dieser bedenklich weiten Anwendung des § 3 Abs. 1 als eigenständigem Verbotstatbestand, vgl. z.B. BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426 Tz. 16 – Direktansprache am Arbeitsplatz II; BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – GRUR 2007, 890 Tz. 22 – Jugendgefährdende Medien bei ebay; BGH 22.11.2007 – I ZR 183/04 – GRUR 2008, 262 Tz. 9 – Direktansprache am Arbeitsplatz III; OLG Hamburg 28.9.2006 – 3 U 78/05 – WRP 2007, 210 ff. – Fliegerzeitschrift; OLG Hamburg 15.1.2007 – 3 U 240/06 – WRP 2007, 557 – Testhinweise ohne Fundstelle. 28 Vgl. die Aufzählung bei Götting/Nordemann § 5 Rn. 2.63 ff. sowie Rn. 2.86 ff. 29 Vgl. die allerdings weitgehend folgenlose NotVO vom 2.11.1923 (RGBl I S. 1067, 1090) mit ihrem bloßen Kartellmissbrauchsverbot, vor allem aber die alliierte Dekartellierungsgesetzgebung aus dem Jahre 1947. Zu alledem s. etwa Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 23 ff. 30 Das „noch“ ist selbstverständlich nicht zeitlich, sondern i.S. konkret nicht erreichter Schwellenwerte etc. zu verstehen.
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____wird (sog. Vorfeldthese, s.a. Rn. 51 f.)31 oder kartellrechtliche Verbote (insbesondere das ____Kartellverbot des § 1 GWB und die diversen Missbrauchs-, Diskriminierungs- und Behin____derungsverbote der §§ 19 ff. GWB) in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 11 einzubezie____hen wären und so eventuell der Kreis der Anspruchslegitimierten bei einer Doppelung ____kartell- und lauterkeitsrechtlicher Sanktionen drastisch ausgeweitet werden könnte. ____ Ursprünglich wurden Lauterkeitsrecht und Kartellrecht in einen scharfen Gegensatz 31 ____gestellt, was angesichts der um Jahrhunderte versetzten dogmengeschichtlichen Wurzeln ____nicht verwundert. Die hierzu formulierte sog. Trennungsthese32 sah durch das noch sehr ____junge Kartellrecht den Schutz des Wettbewerbs als marktwirtschaftliche Institution be____zweckt, während das Wettbewerbsrecht im engeren Sinne des Lauterkeitsrechtes inner____halb der in der Marktwirtschaft bestehenden Wettbewerbsfreiheit die Anwendung unlau____terer Wettbewerbsmethoden bekämpfe; dem Lauterkeitsrecht sei die Vorstellung des ____Schutzes des Wettbewerbs als Institution „fremd“.33 Anders ausgedrückt sollte das Kar____tellrecht auf das „Ob“, auf Existenz und Intensität des Wettbewerbs, das UWG hingegen ____auf das „Wie“, auf die Qualität des Wettbewerbs, bezogen sein.34 ____ 32 Die Trennungsthese impliziert dabei genaugenommen zweierlei: nicht nur einen ____behaupteten Gegensatz, ein „antinomisches Spannungsverhältnis“35 zwischen wett____bewerblichem Institutionsschutz und wettbewerblichem Individualschutz, sondern auch ____die jeweils exklusive Zuordnung dieser Schutzrichtungen zu Kartellrecht einerseits, Lau____terkeitsrecht andererseits.36 Dies erhellt aus einem dabei zugrundeliegenden Verständnis ____des Lauterkeitsrechts als „einzelaktionsbezogener Kampfordnung für den geschäftlichen ____Wettstreit der Kaufleute und Gewerbetreibenden“,37 einer Kampfordnung, die einem al____lein kartellrechtlich vermittelten Institutionsschutz des Wettbewerbs schon deshalb ____„neutral“ gegenüberstehen sollte, weil die Existenz eines Lauterkeitsrechts historisch von ____der Kartellproblematik völlig gelöst sei38 (zu der mit unterschiedlichen Akzenten vorge____tragenen Neutralitätsthese s.a. Einl. A Rn. 23 ff.). ____ Wird die Trennungsthese konsequent zu Ende gedacht und angewandt, ist somit die 33 ____Verhältnisbestimmung des Lauterkeitsrechts zum kartellrechtlichen Institutionsschutz ____sehr einfach, weil von vornherein keine Berührungsflächen und schon gar keine Über____schneidungen der jeweiligen Regelungsbereiche in Betracht kommen: Die begriffliche ____Opposition schließt „jede Idealkonkurrenz, jede Häufung beider im identischen Sacher____halt“ unbedingt aus.39 ____ Die kartellrechtliche Dogmatik hat sich diese Sichtweise freilich letztlich nicht zu 34 ____Eigen gemacht, jedenfalls insoweit, als die Trennungsthese einen begrifflichen Gegen____satz von Individual- und Institutionsschutz postuliert. Das GWB wird vielmehr seit Lan____gem ganz überwiegend als Vollzug der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Garantie der ____ökonomischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des einzelnen Wirtschaftssubjekts ____ ____ ____31 S. zur Thematik eingehend (und ablehnend) hier nur Merz passim. ____32 Zu ihr, ihrer Dogmengeschichte und ihrer Überwindung s. Pichler S. 165, 173 ff. ____33 Würdinger WuW 1953, 721, 731; s.a. Benisch WuW 1956, 480, 482 f.; v. Brunn Grundzüge des deutschen ____Kartellrechts (1938) 11 ff.; Möhring WuW 1954, 387. 34 Fikentscher Wettbewerb S. 227 f.; ders. GRUR Int. 1966, 181 ff.; Götting/Nordemann Einl. Rn. 64; ____Koenigs GRUR 1958, 589 f.; ders. NJW 1961, 1041 ff.; Kraft Interessenabwägung S. 106 ff.; ders. GRUR 1980, ____966 f.; Möhring WuW 1954, 387; Schluep GRUR Int. 1973, 446, 448. ____35 Koenigs NJW 1961, 1041 f. In der Formel vom „antinomischen Spannungsverhältnis“ sieht Pichler ____S. 166 bereits einen Ablösungsprozess von der Trennungsthese. 36 So richtig Merz S. 191 gegen Wrage S. 13. ____37 Lehmann GRUR 1977, 580, 587. ____38 Wrage S. 13 f. ____39 Kummer S. 89 f.; dazu Wrage S. 14.
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gedeutet40 (zur Wirtschaftsverfassung des GG und des Europarechts s. Einl. A Rn. 139 ff., 258 ff.). Kartellrechtliche Schutzobjekte sind demzufolge sowohl die Marktwirtschaft und ihr Wettbewerbsprinzip als Institution als auch der dadurch vermittelte individuelle wirtschaftliche Bewegungsraum.41 Ja, mehr noch: Institutions- und Individualschutz erscheinen hier nicht als substantiell unterscheidbare, oppositionelle Größen. Sie gelten lediglich als verschiedene Erscheinungsformen ein und desselben Schutzobjektes unter Einbeziehung des Verbraucherschutzes.42 Auch in der lauterkeitsrechtlichen Diskussion verlor die Trennungsthese bald 35 an Einfluss, da sie sich angesichts der frühzeitig vollzogenen Einbeziehung eines lauterkeitsrechtlich zu berücksichtigenden „Allgemeininteresses“, das als sehr missverständlich so genannte „sozialrechtliche“ Komponente dem konkurrentenbezogenen Individualschutz an die Seite trat,43 kaum ohne konzeptionelle Friktionen darstellen ließ. Spätestens nach 2004, als das lauterkeitsrechtlich nun ausdrücklich berücksichtigte Allgemeininteresse einen Brückenschlag zum wettbewerblichen Institutionsschutz nicht nur zuließ, sondern wegen der in § 1 angeordneten ausdrücklichen und exklusiven Ausrichtung auf den Wettbewerbsschutz sogar fordert,44 kann die Trennungsthese insgesamt als überwunden gelten:45 Die ganz h.M.46 geht zutreffend davon aus, dass GWB und UWG zwei Seiten einer 36 einheitlichen Gesamtordnung des Wettbewerbs darstellen, zwei Rechtskreise, die sich nicht fremd und beziehungslos einander gegenüberstehen, sondern sich „gleichberechtigt“ und ranggleich47 zu einem Wettbewerbsrecht i.e.S. (s. Einl. A Rn. 10), zu einem „all-
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40 Koenigs GRUR 1958, 589 f.; ders. NJW 1961, 1041. 41 Flume WuW 1956, 457; Koenigs S. 150 ff.; ders. NJW 1961, 1041; Raiser in summum ius, summa iniuria, S. 145, 157; Schluep GRUR Int. 1973, 446, 448; Willemer WRP 1976, 16, 19; a.A. aber Fikentscher Wettbewerb S. 227 f. sowie Kellermann GRUR 1958, 581 und Seydel NJW 1957, 1300, die das GWB in seiner damaligen Fassung rein individualrechtlich interpretieren. 42 Speziell zum Aspekt des Verbraucherschutzes s. Keßler VuR 2012, 391 ff.; generell s. Merz S. 192; Mestmäcker Wettbewerb S. 78 ff.; ders. AcP 168 (1968) 235, 245; Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 111. 43 Der Ausdruck geht offenbar zurück auf Ulmer Sinnzusammenhänge im modernen Wettbewerbsrecht (1932); ders. GRUR 1937, 772 f.; zur Rezeption s. z.B. Fezer/Fezer § 1 Rn. 13 ff.; jede Assoziation an das „Sozialrecht“ genannte Rechtsgebiet, namentlich an das SGB, ist in diesem Zusammenhang allerdings verfehlt, s. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 12. 44 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 296 ff. 45 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 219 f. m.w.N.; Schwipps S. 55 ff., 60 f. 46 Baudenbacher ZHR 144 (1980) 145, 169; Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 86 ff.; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 Rn. 34; Fikentscher Bd. II § 22 XI 1a und 4b; ders. FS Hallstein 127 ff.; v. Gamm NJW 1980, 2489; ders. WM 1981, 730; Goll GRUR 1976, 486, 489 f.; Heinze Zur Rechtsnatur wettbewerbsbeschränkender Verträge, FS Fechner (1973) 75, 86; Harte/Henning/Brüning (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 112; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 112; Hirtz GRUR 1980, 93 f.; Köhler/ Bornkamm Einl. Rn. 6. 11; ders. WRP 2005, 645; Keßler WRP 2005, 264, 266; Lindacher BB 1975, 1311 f.; Loewenheim GRUR 1975, 99, 104; Merz S. 197; Martin S. 66 ff.; Möschel Wettbewerbsbeschränkungen Rn. 5; ders. Pressekonzentration S. 151; ders. FS Locher 461, 469 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 71; Sachon WRP 1980, 659, 665; Sack GRUR 1970, 493, 501 f.; ders. GRUR 1975, 297, 299, 301; Schluep GRUR Int. 1973, 446 ff.; K. Schmidt Kartellverfahrensrecht S. 409; ders. JuS 1978, 736; Schrauder Wettbewerbsverstöße als Eingriffe in das Recht am Gewerbebetrieb (1970) 97 ff.; Ullmann GRUR 2003, 817, 821; Ulmer Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen (1977) 63 ff.; Willemer WRP 1976, 16, 19; Wrage S. 17 ff., insbesondere S. 24 f.; a.A. Knöpfle Unlauterkeit S. 7 ff.; ders. Rechtsbegriff S. 345; s.a. Rittner/Kulka Einl. Rn. 22 ff., § 1 Rn. 55. 47 Emmerich Überlegungen S. 75.
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____gemeinen Marktordnungsrecht“, 48 zusammenschließen. 49 Freiheit und Lauterkeit des ____Wettbewerbs sind sonach keine Gegensätze, sondern marktwirtschaftlich „korrelative ____Postulate“.50 In der Diskussion hat sich für diese Sichtweise der Begriff „Konvergenz____these“ etabliert.51 ____ Unmöglich erscheint es bei dieser Sicht der Dinge, die schon heuristisch zweifelhaf37 ____te Aufspaltung der Wettbewerbsfreiheit in das Maß und die Art ihrer Ausübung dem ____GWB einerseits, dem UWG andererseits als Regelungssubstrat zuzuordnen.52 Denn die ____Aufteilung des Wettbewerbsrechts auf zwei Gesetze noch dazu mit unterschiedlichen ____Zuordnungen zum Privatrecht einerseits (UWG, s. Einl. A Rn. 18), zum öffentlichen Recht ____andererseits (GWB), ist „keine in der Natur der Sache begründete Notwendigkeit (…), ____sondern (beruht) letztlich auf historischen Zufälligkeiten.“53 ____ Eben weil jede Differenzierung zwischen strukturellen Vorgaben und Verhaltensre38 ____geln überaus „gekünstelt“ erscheinen muss,54 kann der Aufteilung der Materie auf diese ____beiden Gesetze auch kein überzeugender Algorithmus zugrunde liegen. Vielmehr ____könnte das UWG an sich mit seiner Generalklausel in § 3 Abs. 155 durchaus auch als In____strument z.B. der Marktstrukturkontrolle fungieren oder gegen Kartelle in Stellung ge____bracht werden; umgekehrt könnte das GWB auch noch andere Marktverhaltensnormen ____als etwa dasjenige „des unglückseligen Verbots des Verkauf unter Einstandspreis“ nach ____§ 20 Abs. 4 GWB in sich aufnehmen,56 das früher ja gerade als Fall sittenwidrigen Wett____bewerbsverhaltens nach § 1 a.F. UWG diskutiert worden ist.57 ____ ____ ____48 Schünemann Voraufl. Einl. Rn. E 13 unter Bezugnahme auf Schramm GRUR 1937, 433 (dort vor einem ____aus heutiger Sicht obsoleten wirtschaftsverfassungsrechtlichen und wirtschaftspolitischen Hintergrund). ____S.a. Pichler S. 184, 205. 49 Fezer/Fezer Einl. E Rn. 41: „Monismus“ von UWG und GWB; zustimmend Götting/Nordemann ____Einl. 64, freilich im Widerspruch zu der a.a.O. angenommenen „Rollenverteilung“ (Kartellrecht ziele auf ____das „Ob“, Lauterkeitsrecht auf das „Wie“ des Wettbewerbs) als Charakteristikum der Trennungsthese. ____Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 6.11: „einheitliche Gesamtordnung“. Auch mit Blick auf eine deshalb nur noch ____formelle kodifikatorische Zusammenführung von GWB und UWG nach dem Vorbild ausländischer Rechtsordnungen s. Pichler S. 184 f. m.w.N.; a.A. Knöpfle Rechtsbegriff S. 345; ders. Unlauterkeit S. 8 ff: ____Das Lauterkeitsrecht sei seiner Natur nach überwiegend Deliktsrecht und bilde deshalb eher mit diesem ____eine Gesamtordnung als zusammen mit dem GWB. Kritisch auch Rittner/Kulka Einl. Rn. 22 ff. ____50 Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 86; ähnlich MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. Rn. 29 ____(Komplementärverhältnis von UWG und GWB). ____51 Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 Rn. 34; Pichler S. 167 f. m.w.N.; Schwipps S. 58 ff. 52 Merz S. 201. ____53 Emmerich Überlegungen S. 74; zu dieser zitierten Historie s. näher Köhler WRP 2005, 645 f.; Pichler ____S. 173 f., 183. ____54 Keßler Marktkommunikation S. 91. ____55 Zu den lediglich binnensystematischen Einwänden (Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 nur auf „Extremund Evidenzfälle“) s. ausführlich Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 77 ff. (Zitat Rn. 102); ____ders. WRP 2004, 925, 927. Ausdrücklich zustimmend Boesche Rn. 16; in der Sache zumindest tendenziell ____ebenso Fezer/Fezer § 3 Rn. 167; Groner Der Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG zur Bestimmung ____der Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung (2008) 215 ff.; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 9; Piper/Ohly/ ____Sosnitza § 3 Rn. 7; a.A. etwa Beater Rn. 1060 (der den Gegenstand der einschlägigen Diskussion in die ____Nähe einer „Scheinproblematik“ rückt); Götting/Nordemann/Wirtz § 3 Rn. 7, 86. Auch die Rspr. neigt zu dieser bedenklich weiten Anwendung des § 3 Abs. 1 als eigenständigem Verbotstatbestand, vgl. z.B. BGH ____9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426 Tz. 16 – Direktansprache am Arbeitsplatz II; BGH 12.7.2007 – I ZR ____18/04 – GRUR 2007, 890 Tz. 22 – Jugendgefährdende Medien bei ebay; BGH 22.11.2007 – I ZR 183/04 – ____GRUR 2008, 262 Tz. 9 – Direktansprache am Arbeitsplatz III; OLG Hamburg 28.9.2006 – 3 U 78/05 – WRP ____2007, 210 ff. – Fliegerzeitschrift; OLG Hamburg 15.1.2007 – 3 U 240/06 – WRP 2007, 557 – Testhinweise ohne Fundstelle. ____56 Emmerich Überlegungen S. 74. ____57 Vgl. Brandner/Bergmann Voraufl. § 1 Rn. 51 ff. Zu weiteren Spuren des Konvergenzgedanken, gerade ____auch in den zahlreichen Novellierungen des Kartellrechts, s. Pichler S. 173.
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Mit Überwindung der Trennungs- durch die Konvergenzthese ist noch nichts über die Art der „wechselseitige(n) Abhängigkeit“58 zwischen GWB und UWG, noch nichts über den rechtslogischen Mechanismus ausgesagt, der den Zusammenhang zwischen Kartell- und Lauterkeitsrecht stiftet und steuert.59 Zunächst darf der Zusammenhang zwischen beiden Rechtsgebieten nicht eindimensional darin gesehen werden, dass nur der lautere Wettbewerb am (institutionellen) Schutz der Wettbewerbsfreiheit partizipiere, dass also Wettbewerbsfreiheit nur im Rahmen der Lauterkeit instituiert sei.60 Denn dies liefe in äußerster Konsequenz doch auf einen allseits verneinten Vorrang des UWG gegenüber dem GWB (s. Rn. 36) hinaus. In dieser Rigorosität wird das Postulat des „Nur der lautere Wettbewerb ist frei“ wohl deshalb auch nicht vertreten. Vielmehr sollen die Wertungen des GWB ihrerseits derart auf die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen einwirken, dass sie „mit dem Grundziel des GWB, den freien Wettbewerb und dessen Funktionsfähigkeit zu gewährleisten, im Einklang stehen“.61 Die methodische Schwäche der Argumentation liegt jedoch darin, dass sie – insoweit der Trennungsthese (s. Rn. 31 ff.) verhaftet62 – wettbewerbliche Lauterkeit und Wettbewerbsfreiheit, wennschon nicht als wirkliche kontradiktorische Gegensätze, so doch als begrifflich voneinander a priori ganz unabhängige, erst auf definitionslogisch höherer Ebene in irgendeinem Oberbegriff aufgehobene Größen versteht bzw. von dem „reinen“ Begriff der Lauterkeit im Interesse des wettbewerblichen Freiheitsschutzes Abstriche macht. In dem Maße jedoch, in dem man von einem moralisierenden Interpretationsansatz der Lauterkeit konsequent Abschied nimmt und an dessen Stelle den Maßstab der Lauterkeit allein am Sinngehalt der Institutionen Markt und Wettbewerb objektiviert,63 definiert sich die wettbewerbliche Lauterkeit selber über die wettbewerbliche Freiheit.64 Das Lauterkeitsrecht leistet insoweit nicht anders als das Kartellrecht seinen „organisatorischen Beitrag“ für das Funktionieren einer Wettbewerbswirtschaft,65 sodass es zwischen beiden nur „Quasikonflikte“ geben kann.66 So ist eine echte Ausweitung der Unlauterkeit auf Kosten der Wettbewerbsfreiheit, eine tatbestandliche Ausweitung des UWG unter gleichzeitiger Verengung des GWB, nur dann vorstellbar, wenn im Wege der „Normerschleichung“67 mit Hilfe des UWG im Grunde außerwettbewerbliche, und das heißt eben: nicht auf die Wettbewerbsfreiheit gemünzte Beurteilungstopoi zur Geltung gebracht werden sollen. Die postulierte Konkordanz der Wertungen in GWB und UWG im Hinblick auf die Wettbewerbsfreiheit schließt
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58 Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 87, 89a. 59 Diese Fragestellung schwingt bereits dort mit, wo im Rahmen der Trennungsthese die angebliche Antinomie von kartellrechtlichem Institutionsschutz und lauterkeitsrechtlichem Individualschutz in ein „Spannungsverhältnis“ eingebunden, also gerade keine beziehungslose Antithetik proklamiert wird. So richtig Merz S. 193 f. zu Koenigs NJW 1961, 1041, 1048. 60 S. aber sehr nahe an dieser Position die Formulierungen in BGH 26.10.1961 BGHZ 36, 105, 112; Koenigs GRUR 1958, 589 f.; Willemer WRP 1976, 16 f.; Wrage S. 25. 61 Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 86; s.a. Wrage S. 19 ff., insb. S. 24 f. 62 Merz S. 197 f.; Pichler S. 192. 63 S. für viele nur Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 113 ff. m.w.N. 64 S.a. Mestmäcker AcP 168 (1968) 235, 255 f.; ders. Wettbewerb S. 83, 90; Möschel in Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.) GWB 2. Aufl. (1992) § 22 Rn. 10. 65 Schluep GRUR Int. 1973, 446, 450. 66 Schluep ebd. S. 452. 67 Mestmäcker Wettbewerb S. 90.
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____demgegenüber einen „Wettbewerbsschutz“ in einem der beiden Normkomplexe, die in ____dem anderen als „Wettbewerbsbeschränkung“ erscheinen könnte, notwendig aus.68 ____ Fraglich kann demzufolge auch nicht sein, ob eine „marktbezogene Unlauterkeit“ 45 ____anzuerkennen ist – deren Existenz quasi als Absage an ein moralisierendes Verständnis ____der Unlauterkeit ist vielmehr uneingeschränkt zu bejahen69 –, sondern ob man diese mit ____einer ganz bestimmten, marktfolgen- oder marktstrukturorientierten Sinngebung als ____dogmatisches Instrument benutzen darf70 und ob § 3 Abs. 1 dafür eine Plattform liefert.71 ____ Wie die zwei Rechtskreise UWG und GWB sich im Übrigen zueinander verhalten, ist 46 ____damit noch nicht geklärt. Die überkommene h.M.72 folgt hier vorgeblich einer „Über____schneidungsthese“,73 der zufolge UWG und GWB (nur) eine gemeinsame Schnittmenge ____haben. In ihr befinden sich jedenfalls Konstellationen wie Boykott (§ 4 Nr. 10 UWG/§ 21 ____GWB) und diverse Varianten der Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG/§§ 19 f. GWB) doch soll ____wohl über diese augenfälligen Überschneidungen hinaus eine nicht näher beschriebene ____„wechselseitige Abhängigkeit“74 zwischen UWG und GWB bestehen. ____ Systematisch bzw. methodologisch gesehen legt die Überschneidungsthese eine An47 ____spruchskonkurrenz nahe, bei der insoweit die Normen des UWG und des GWB nach ____Tatbestand und Rechtsfolgen schlicht nebeneinander und unabhängig voneinander zum ____Zuge kommen würden.75 Dies entspricht aber gerade nicht den Vorstellungen der h.M., ____die ja zu Recht sicherstellen will, dass keine Wertungswidersprüche auftreten. Dem beu____gen große Teile der Literatur und auch die neuere Rspr. dadurch vor, dass eine gewisse ____„Sperrwirkung“76 des GWB gegenüber dem UWG bejaht wird.77 ____ Diese Sperrwirkung ist freilich der Sache nach nichts anderes als eine Konsequenz 48 ____angenommener Gesetzeskonkurrenz, genauer: der Regel „lex specialis derogat legi ge____ ____ ____ ____68 So aufgrund überzeugender Analyse Merz S. 201 f. ____69 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 203; ders. Voraufl. Einl. Rn. D 37 ff. ____70 Vgl. aus der affirmativen Rspr. BGH 28.2.1985 GRUR 1985, 883 ff. – Abwehrblatt I; BGH 10.12.1985 BGHZ 96, 337 = GRUR 1986, 397 ff. – Abwehrblatt II; BGH 27.10.1988 GRUR 1990, 371 ff. – Schallplatten____Preiskampf; BGH 26.4.1990 BGHZ 111, 188 = GRUR 1990, 685 ff. – Anzeigenpreis I; BGH 26.4.1990 GRUR ____1990, 687 ff. – Anzeigenpreis II; BGH 14.3.1991 BGHZ 114, 82 = GRUR 1991, 616 ff. – ____Motorbootfachzeitschrift; BGH 14.12.2000 – I ZR 147/98 – GRUR 2001, 752 – Eröffnungswerbung; BGH ____29.6.2000 – I ZR 128/98 – GRUR 2001, 80 ff. – ad-hoc-Meldung; BGH 20.11.2003 – I ZR 151/01 – BGHZ ____157, 55 = GRUR 2004, 603 ff. – 20 Minuten Köln. Monographisch s. Knöpfle Marktbezogene Unlauterkeit (1983). ____71 Entgegen der wohl noch h.M. (vgl. hier nur Götting/Nordemann/Schwipps § 4 Rn. 12.1 ff.; Köhler ____WRP 2005, 645, 651 f.; Koppensteiner WRP 2007, 475 ff.; Peukert § 3 Rn. 459 ff.), z.B. Emmerich ____Überlegungen S. 79 ff.; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 77 ff., 329 ff.; ders. JZ 2005, ____271 ff.; WRP 2004, 925 ff.; Lux S. 237, 372 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 10/95 ff.; Steinbeck GRUR 2008, 848, 852. ____72 S. z.B. Ahrens Wettbewerbsrecht Rn. 19: „partielle Überschneidungen“; Götting/Nordemann Einl. ____Rn. 64; Harte/Henning/Brüning (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 112; MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. ____Rn. 29 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 72. ____73 Pichler S. 192. ____74 Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 87, 89a. 75 So jedenfalls im Ansatz BGH 20.11.2003 – I ZR 151/01 – BGHZ 157, 55 = GRUR 2004, 603 ff. – ____20 Minuten Köln; dazu s.a. Götting/Nordemann/Schwipps § 4 Rn. 12.14; s. eingehend, gerade auch in ____methodologischer Hinsicht, Pichler S. 187 ff., insbesondere 192 f. ____76 Schünemann Voraufl. Einl. Rn. E 23. ____77 BGH 21.6.1971 BGHZ 56, 327, 336 f. = GRUR 1972, 40, 42 f. – Feld und Wald I; BGH 4.4.1995 BGHZ 129 203, 210 ff. = GRUR 1995, 690, 692 – Hitlisten-Platten; Baudenbacher GRUR 1981, 19, 26 f.; Fezer/Osterrieth ____§ 4-S1 Rn. 134 ff.; Harte/Henning/Brüning (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 113 f.; Immenga NJW 1995 1921; Knöpfle ____Unlauterkeit S. 20 ff.; Köhler Voraufl. § 1 Rn. D 14; ders./Bornkamm Einl. Rn. 6.17; Merz S. 241; Mestmäcker ____Wettbewerb S. 90, 143 ff.; Scherer WRP 1996, 174, 179.
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nerali“, mit dem GWB als spezieller Regelung.78 Bildlich gesprochen muss es sich dann bei UWG und GWB also nicht um sich schneidende, sondern um konzentrische Kreise handeln, wobei das UWG den größeren Radius hat.79 So gesehen ist Freiheitsschutz in der Tat nur ein „Sonderfall“ des Lauterkeitsschutzes.80 Dieser Verhältnisbestimmung ist grundsätzlich zu folgen.81 Sie beruht zum Einen auf 49 der Identität der von UWG wie GWB verfolgten Schutzzwecke, dem Schutz der Wettbewerbsfreiheit, und dem Fehlen bzw. der Unmöglichkeit einer – mathematisch gesprochen – „eineindeutigen“, also wechselseitig hinreichend definierten Zuordnung von Regelungsmaterien. Zum Anderen aber und vor allem ganz formal gesehen beruht diese Verhältnisbestimmung auf der gesetzlichen Regelungstechnik: Die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG deckt grundsätzlich alle auf Markt und Wettbewerb bezogenen, den Interessen der Marktteilnehmer wie der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zuwiderlaufenden Verhaltensweisen ab. Das GWB hingegen kennt keine vergleichbare umfassende Generalklausel, wenngleich dort die Technik der Einzeltatbestände im Laufe der Zeit von weitgefassten Normen wie z.B. §§ 1, 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1, 3 und 4 GWB zurückgedrängt wurde (vgl. die aufgehobenen §§ 4–18 GWB a.F.), nicht zuletzt, um den Anschluss an Artt. 101 f. AEUV herzustellen. Die Herstellung einer Wertungskonkordanz ist mit dieser Positionierung von UWG 50 und GWB freilich nicht vorgezeichnet. Denn entgegen ebenso verbreiteten wie vereinfachenden Vorstellungen82 folgt die Derogation einer lex generalis durch die lex specialis keinem Automatismus, sondern ist immer erst das Ergebnis einer genauen Analyse der in Rede stehenden Normen.83 Diese ist der Einzelkommentierung vorbehalten. Gleichwohl lassen sich einige markante Punkte beleuchten, aus denen die Tendenz einer herzustellenden Wertungskonkordanz erkennbar wird. Aufschlussreich kann hier z.B. die mittlerweile weitgehend abgeschlossene84 Dis- 51 kussion der sog. Vorfeldthese85 sein. Dabei handelt es sich im Kern – mit Varianten im Einzelnen86 – um den Versuch, die Eingriffsschwelle wettbewerblicher Sanktionen mit Hilfe des Lauterkeitsrechts und der ihm zugedachten Auffangfunktion87 vor die vom GWB gezogenen Marktmachtgrenzen zu verlegen. Vornehmlich zur Stärkung des „Leistungswettbewerbs“, verstanden als die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens unabhängig von seiner jeweiligen Marktstellung zur Geltung bringen zu kön-
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78 So schon Baudenbacher ZHR 144 (1980) 145, 170: Freiheitsschutz als Sonderfall des Lauterkeitsschutzes. 79 Köhler WRP 2005, 645, 647. 80 Baudenbacher ZHR 144 (1980) 145, 170. 81 Pichler S. 195, 205 nach eingehender Analyse; a.A. Boesche Rn. 26. 82 Vgl. Schmalz Methodenlehre für das juristische Studium, 4. Aufl. (1998) Rn. 82. 83 Bydlinski Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. (1991) 465; Zippelius Juristische Methodenlehre, 10. Aufl. (2006) 39. 84 S. aber Pichler S. 196 f. 85 Ulmer GRUR 1977, 565, 577 ff.; ders. Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen (1977) 104; im Anschluss daran z.B. Baudenbacher ZHR 144 (1980), 145, 168; ders. GRUR 1981, 19, 26 f.; Bunte GRUR 1981, 397, 399, 406; Hölzler/Satzky Wettbewerbsverzerrungen durch nachfragemächtige Handelsunternehmen: Möglichkeiten und Grenzen ihrer Kontrolle (1980) 48 f., 134 ff.; v. Gamm NJW 1980, 2489, 2491 ff.; Hefermehl GRUR Int. 1983, 507, 512; Sack GRUR 1970, 493, 499; ders. WRP 1974, 247, 251; ders. WRP 1975, 65, 69 ff.; ders. WRP 1975, 261, 263; Sambuc GRUR 1981, 796, 800; Tillmann GRUR 1979, 825, 830. Der Ausdruck geht – soweit ersichtlich – zurück auf Möschel Pressekonzentration S. 131 ff. 86 S. Merz S. 31 ff. 87 Den Hebel dafür soll die Generalklausel liefern, früher also § 1 a.F., jetzt § 3 Abs. 1.
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____nen,88 soll dabei eine Indienstnahme des Lauterkeitsrechtes für marktstrukturelle Über____legungen erfolgen können, was in aller Regel auf mittelstandspolitisch wirksame Effekte ____hinausläuft. ____ 52 Die Vorfeldthese ist abzulehnen.89 Sie würde die ohnehin immer weiter abgesenkten ____Marktmachtschwellen des GWB noch unterlaufen und damit die wettbewerblichen Frei____heitsgrade noch mehr verringern.90 Dabei muss man sich im Klaren darüber sein, dass ____die kartellrechtlich gewählten marktstrukturellen Anknüpfungspunkte ihrerseits nur ____gleichsam methodische Kinder der Not sind, weil keine verlässlichen Messgrößen für ____Bedrohung oder für schon erfolgte Einschränkung von Wettbewerbsfreiheit zu Gebote ____stehen (vgl. Einl. A Rn. 69 ff., 75, 78 ff.). Deshalb muss man sich letztlich mit der Vermu____tung behelfen, die Inhaber von Marktmacht würden diese tatsächlich auch zur (unlaute____ren) Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit anderer einsetzen. ____ 53 Ebenso wenig sind auch die konkreten wettbewerblichen Effekte einer Marktin____tervention abschätzbar (s.a. Einl. A Rn. 96 f., 107).91 Von daher sind die Marktmacht____schwellen des GWB als legislatorisches Optimierungskalkül zwischen dem Risiko eines ____voreiligen Einschreitens des GWB mit der Folge eines „kartellbehördlich verwalteten ____Wettbewerbs“92 einerseits, dem Risiko einer verspäteten und dann in ihrer Wettbewerbs____effizienz möglicherweise nur noch unzureichenden wettbewerbsrechtlichen Intervention ____andererseits zu begreifen. Mit der Übernahme der Vorfeldthese würde nicht nur die im ____GWB wahrgenommene Wertungsprärogative des Gesetzgebers konterkariert, sondern ____auch das interventionsimmanente Irrtumsrisiko zu Lasten der Wettbewerbsfreiheit (wei____ter) erhöht. ____ Die in den kartellrechtlichen Marktmachtkriterien gebundene gesetzliche Wertung 54 ____entfaltet deshalb eine grundsätzliche Sperrwirkung gegenüber einem an sich denkba____ren marktmachtorientierten lauterkeitsrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit. 93 ____Dies bedeutet insbesondere auch eine Absage an jeden Versuch, ein vom GWB abgelehn____tes allgemeines Diskriminierungsverbot jenseits von § 20 GWB mit Hilfe der lauterkeits____rechtlichen Generalklausel zu etablieren.94 ____ ____ ____88 Ulmer Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen (1977) 61; ders. ____Kartellrechtswidrige Konkurrentenbehinderung durch leistungsfremdes Verhalten marktbeherrschender ____Unternehmen, FS Kummer (1980) 565, 572. ____89 A.A. Glöckner S. 465. 90 Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 5 Rn. 35 f.; Fezer/Osterrieht § 4-S1 Rn. 126 ff.; Gloy/Loschelder/ ____Erdmann/Holtorf § 16 Rn. 6; Hönn FS Mühl 309, 326 ff.; Lux S. 227 ff.; Merz S. 241 ff.; MünchKommUWG/ ____Heermann Anh. §§ 1–7 B Rn. 8; MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. Rn. 31; Pichler S. 170, 172; Scherer WRP ____1996, 174, 180; Schünemann Voraufl. Einl. Rn. 22 f. Hinzukommen binnensystematische Einwände ____bezüglich der Reichweite des „Auffangtatbestandes“ des § 3 Abs. 1. Dazu Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 80 ff., 97 ff. ____91 Emmerich Überlegungen S. 80; Lux S. 385 ff.; Merz S. 190 ff., 234 ff.; Mestmäcker WuW 2008, 6, 15 ff.; ____Ohly WRP 2008, 177, 179. ____92 Mestmäcker Wettbewerb S. 51. ____93 Im Ergebnis ebenso BGH 21.6.1971 BGHZ 56, 327, 336 f. = GRUR 1972, 40, 42 f. – Feld und Wald I; BGH ____4.4.1995 BGHZ 129 203, 210 ff. = GRUR 1995, 690, 692 – Hitlisten-Platten; Emmerich Überlegungen S. 80 f.; v. Gamm NJW 1980, 2489, 2492; Hirtz GRUR 1980, 93, 96; Hönn FS Mühl 309, 326 ff.; Knöpfle Unlauterkeit ____S. 21 ff., 150 ff.; Lehmann GRUR 1979, 368, 398; Lindacher Lockvogel- und Sonderangebote: rechtliche ____Grenzen selektiver Niedrigpreisstellungen (1979) 40 f.; ders. BB 1975, 1311 ff.; Loewenheim GRUR 1976, 224, ____227; Köhler Wettbewerbs- und kartellrechtliche Kontrolle der Nachfragemacht (1979) 23; Merz S. 239, 241; ____Mestmäcker Wettbewerb S. 96, 143 ff.; Möschel Pressekonzentration S. 130 ff.; ders. FS Locher 461, 471 f.; Sachon WRP 1980, 659, 665; ders. WRP 1982, 183, 187; Scherer WRP 1996, 174, 179; Schwipps S. 138 ff.; a.A. ____Koppensteiner WRP 2007, 475; Schnieders Allgemeininteressen im Wettbewerbsrecht (1999) 246 ff. ____94 BGH 18.4.1958 GRUR 1958, 487 – Antibiotika; Hirtz GRUR 1980, 96; Herrmann GRUR 1982, 395, 398 f.; ____Kraft FS Kummer 389 ff.
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Auch soweit GWB und UWG außerhalb der im Kartellrecht fixierten Marktmachtgrenzen miteinander tatbestandlich in Berührung treten, ist die Gefahr einer Kollision der jeweiligen gesetzlichen Wertungen gegeben. Als „besonders kritische Fallgruppe unlauteren Wettbewerbs im Grenzbereich von UWG und GWB“95 hat dabei die sog. allgemeine Marktbehinderung oder Marktstörung intensive Beachtung gefunden (dazu eingehend die Kommentierung zu § 3).96 Gegen ihre auch in der Rspr. immer wieder trotz mancher Vorbehalte bestätigte Anerkennung97 sprechen indes schon wettbewerbstheoretische Gründe (s. Einl. A Rn. 114 f.), sodass es auf weitere, insbesondere auch konkurrenzrechtliche Erwägungen hier eigentlich gar nicht mehr ankommt. Solche Erwägungen führen im Übrigen erst recht zur Ablehnung dieser Fallgruppe.98 Denn mit dem Instrument der allgemeinen Marktbehinderung erfolgt eine kaschierte Marktstrukturkontrolle am GWB und seinen einzeltatbestandlichen Wertungen99 vorbei. Dadurch wird die Wettbewerbsfreiheit der Marktteilnehmer ungerechtfertigt beeinträchtigt. Auch insoweit entfaltet das GWB also (noch) eine Sperrwirkung.100 Es verbleiben somit zum Einen noch Fälle eines Doppelverstoßes bei Tatbestandsidentität sowohl nach UWG als auch nach GWB. Im Fokus stehen hier Boykott und sonstige individuelle Behinderungen, etwa durch Kartellabsprachen, die im konkreten Fall sowohl unter § 4 Nr. 10 UWG als auch unter §§ 19 ff. GWB subsumiert werden können. Die dabei auftretende Normenkonkurrenz ist nach h.M. als echte Anspruchskonkurrenz zu begreifen,101 sodass demnach die Rechtsfolgen beider wettbewerblicher Teilrechtsordnungen parallel, also kumulativ eintreten.102 Zweifelsfrei ist diese kaum begründete Position indes nicht (s. dazu auch die Kommentierung des § 4 Nr. 10), zumal dem GWB gegenüber dem UWG ansonsten mit gut nachvollziehbaren Argumenten ja eine Sperrwirkung zugesprochen wird (s.a. noch Rn. 59). Zum Anderen stellt sich abschließend die Frage, ob gerade in einem Verstoß gegen kartellrechtliche Normen eine Unlauterkeit liegen kann, was über §§ 8 ff. letztlich zu einer Ausweitung sowohl der Sanktionsmöglichkeiten als auch der Aktivlegitimation führen könnte.103 Schon angesichts der gegenüber der Rechtslage vor 2004 völlig veränderten Normsituation in Gestalt des seitdem existierenden § 4 Nr. 11 und der damit definitiv abgelösten, ohnedies verfehlten Unterscheidung von wertbezogenen und wertneutralen Normen104 sowie des seinerzeit verfolgten, am „Rechtsbruch“ orientierten Vorsprungs-
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95 Emmerich Überlegungen S. 78. 96 S. monographisch namentlich Lux passim m.w.N. 97 BGH 20.11.2003 – I ZR 151/01 – BGHZ 157, 55 = GRUR 2004, 603 ff. – 20 Minuten Köln; BGH 20.11.2003 – I ZR 120/00 – WRP 2004, 746 – Zeitung am Sonntag; BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877 – Werbeblocker; BGH 21.4.2005 – I ZR 201/02 – GRUR 2005, 1059 – Laborgemeinschaften; BGH 2.10.2008 – I ZR 48/06 – GRUR 2009, 416 Tz. 25 – Küchentiefstpreis-Garantie. 98 Emmerich Überlegungen S. 79 f.; Pichler S. 275 ff., 308 ff., 348 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 10/97; Schwipps S. 190. 99 S. namentlich § 20 Abs. 4 S. 2 GWB bezüglich der Preisunterbietung. 100 Zutreffend weist Emmerich (Überlegungen S. 82) aber darauf hin, dass das GWB seinerseits auch nicht über jeden Zweifel darüber erhaben ist, ein Garant der Wettbewerbsfreiheit zu sein, wofür gerade § 20 Abs. 4 Nr. 2 GWB und seine wahltaktische Entstehungsgeschichte zeuge. Dies verweist auf die Notwendigkeit, das Wettbewerbsrecht immer auch wirtschaftsverfassungskonform (und d.h. wohl häufig: restriktiv) zu interpretieren. S. zur Wirtschaftsverfassung Einl. A Rn. 139 ff. 101 Ebenso Gloy/Loschelder/Erdmann/Holtorf § 16 Rn. 17, 56; Hefermehl GRUR Int. 1983, 507, 512; Hönn FS Mühl 309, 324 f.; Mestmäcker Wettbewerb S. 141; Möschel Pressekonzentration S. 153; Piper/Ohly/ Sosnitza Einf. D Rn. 73; Ulmer ZHR 146 (1982) 466, 485. 102 BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 10 – Änderung der Voreinstellung II. 103 S.a. Emmerich Überlegungen S. 82. 104 S. zur diesbezüglichen Rechtsentwicklung eingehend Pichler S. 401 ff.
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____gedankens,105aber auch seit der vollkommenen Neuordnung des kartellrechtlichen Sank____tionensystems durch die 7. GWB-Novelle aus dem Jahre 2005 sind die zu diesem Thema ____„Kartellrechtsverstoß als Verletzung einer Marktverhaltensnorm“ früher geäußer____ten Ansichten106 durchweg Makulatur.107 ____ Auszugehen ist wegen der materiellen Identität und des einheitlichen Schutzzwecks 59 ____von UWG und GWB davon, dass Kartellrechtsverstöße zugleich Zuwiderhandlungen ge____gen Marktverhaltensregeln i.S.v. § 4 Nr. 11 darstellen108 (s.a. Einl. A Rn. 11: das dort zum ____Wettbewerbsrecht i.w.S. Gesagte gilt erst recht für das Wettbewerbsrecht i.e.S.). Gleich____wohl würde es den Wertungen des GWB in doppelter Hinsicht widersprechen, wollte ____man hier eine Anspruchskonkurrenz i.S. einer Anspruchsparallelität bejahen, also eine ____Kumulation kartellrechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Sanktionen. Denn zum Einen ____würden die gerade den Kartellbehörden zustehenden Eingriffsoptionen unterlaufen109 ____und die Entscheidung den nach §§ 8 ff. lauterkeitsrechtlich Anspruchsberechtigen über____lassen, und zum Anderen das detaillierte privatrechtliche Anspruchsinstrumentarium ____nebst Aktivlegitimation der §§ 33, 34a GWB desavouiert.110 Der aktuellen höchstrichterli____chen Rspr.111 ist somit darin beizupflichten, dass das GWB auch gegenüber § 4 Nr. 11 eine ____Sperrwirkung entfaltet.112 ____ Das europäische Kartellrecht der Artt. 101 f. AEUV muss aus denselben Überlegun60 ____gen heraus eine solche Sperrwirkung gegenüber § 4 Nr. 11 entfalten,113 zumal §§ 33, 34a ____GWB über § 22 GWB auch hierfür Anwendung finden.114 ____ Für das Verhältnis des Kartellrechts zum Lauterkeitsrecht wird das Problem der 61 ____Sperrwirkung des Kartellrechts sehr anschaulich auch unter dem Stichwort „Sanktio____nenkonkurrenz“ erörtert.115 Doch wird hierdurch auch leicht eine falsche dogmatische ____Spur gelegt. Denn es handelt sich nicht um eine besondere, gar neue Variante der über____kommenen Konkurrenzlehre;116 vielmehr stellt sich das Problem der „Sanktionenkonkur____renz“ in der Konkurrenzlehre ganz generell, ja, ist der Gegenstand der Konkurrenzlehre ____schlechthin. ____ Will man die (weitreichende, aber wohl nicht ausnahmslose) Sperrwirkung in das 62 ____Gefüge der Konkurrenzlehre einpassen, bietet sich die Figur der lex specialis/lex genera____lis an. Denn erstens ist das GWB gegenüber dem UWG die speziellere Regelung, sofern ____man beide Rechtsmaterien substanziell als homogen betrachtet, das GWB wie das UWG ____also auf den Schutz des unverfälschten Wettbewerbs ausgerichtet sieht, und die Gene____ ____ 105 BGH 9.11.1973 – I ZR 126/72 – GRUR 1974, 281 f. – Clipper. Für weiterbestehende Relevanz des ____Vorsprungsgedankens z.B. Sack WRP 2005, 532, 539 f., dagegen z.B. Pichler S. 408 f.; Scherer WRP 2006, ____401, 405; v. Walther Rechtsbruch als unlauteres Marktverhalten (2007) 132 f., 194. ____106 Vgl. Doepner GRUR 2003, 825 ff.; Schünemann Voraufl. Einl. E Rn. 18 ff. m.w.N.; Wrage passim. ____107 S.a. Hempel WuW 2004, 362 ff. 108 Pichler S. 414. ____109 S. insbesondere § 30 Abs. 3 GWB. Zu diesem Wertungstopos s.a. Emmerich Überlegungen S. 83. ____110 S.a. Möschel WuW 2007, 483 ff. ____111 Grundlegend BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 13 – ____Probeabonnement. S.a. BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – BGHZ 177, 150 = GRUR 2008, 810 Tz. 11 – ____Kommunalversicherer. 112 Bechtold WRP 2006, 1162 f.; Emmerich Überlegungen S. 83; Glöckner WRP 2007, 490, 492; ____Gloy/Loschelder/Erdmann/Holtorf § 16 Rn. 7; Köhler GRUR 2004, 381, 387; ders. WRP 2005, 645; ____MünchKommUWG/Schaffert § 4 Nr. 11 Rn. 22 f.; Ohly WRP 2008, 177, 183; Pichler S. 418 f.; Schwipps S. 224 f.; ____a.A. MünchKommUWG/Sosnitza Grundl. Rn. 32. ____113 BGH 14.2.2008 – I ZR 207/05 – BGHZ 175, 238 = GRUR 2008, 438 Tz. 15 ff., 24 – Oddset; zustimmend Emmerich Überlegungen S. 83. ____114 Götting/Nordemann/Schwipps § 4 Rn. 12.15; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.12; Pichler S. 416. ____115 Bornkamm/Köhler § 4 Rn. 11.8; Schwipps S. 220. ____116 S. nur Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1995) 87 ff.
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ralklausel des § 3 Abs. 1 als die lex generalis ausweist (s. Rn. 36 ff. und 48 f.). Und zweitens verdrängt die lex specialis keineswegs ausnahmslos die lex generalis (s. Rn. 50). Es handelt sich dabei freilich um einen sehr formellen Erklärungsansatz, der lediglich auf der eher rechtstechnischen Zufälligkeit beruht, dass das UWG in § 3 Abs. 1 über eine umfassende Generalklausel verfügt, das GWB hingegen nicht. In der Sache handelt es sich deshalb nicht nur im Verhältnis des GWB zu § 4 Nr. 11 um eine gesetzlich nicht ausdrücklich angeordnete, sich aber aus Gründen teleologisch-systematischer Interpretation ergebende Subsidiarität des Lauterkeitsrechts.117 IV. Verhältnis zum Gewerblichen Rechtsschutz (mit Urheberrecht) 1. Begriff und Wesen des Gewerblichen Rechtsschutzes. Der im deutschen Recht118 oft sog. Gewerbliche Rechtsschutz umfasst diejenigen Gesetze, die den Schutz des geistigen Schaffens auf gewerblichem Gebiet bezwecken. Der internationale Sprachgebrauch119 präferiert zur Bezeichnung der Regelungsmaterie hingegen die Wendung „Geistiges Eigentum“, ein Begriff, der nur die mangelnde Differenzierung ausländischer Rechte innerhalb absoluter subjektiver Rechte spiegelt, wegen des Sachbezuges des Eigentums nach deutschem Recht in § 903 BGB aber von vornherein schief ansetzt und deshalb zumindest für die deutsche Dogmatik wenig hilfreich ist.120 Über den Umfang der dem Gewerblichen Rechtsschutz zuzuordnenden Materien besteht keine vollständige Einigkeit. Nach wohl allgemeiner Meinung121 zählen zum Gewerblichen Rechtsschutz jedenfalls das Patent- und Gebrauchsmusterrecht sowie das Kennzeichenrecht mit dem Markenrecht als Kern, aber auch das Geschmacksmusterrecht, ferner das Halbleiterschutzgesetz (HalblSchG) und das Sortenschutzgesetz (SortSchG). Auch das Gesetz über Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (EinhZeitG) und die Einheitenverordnung (EinhV) werden hier eingeordnet.122 Dies leuchtet allerdings nicht ein, denn diese Normen gewähren im Gegensatz zu PatG etc. keine absoluten Rechte und stehen funktional eher in einer Reihe mit der PAngV. Sehr geteilt waren lange die Auffassungen zu einer Einordnung des Urheberrechts in den Gewerblichen Rechtsschutz.123 Das Urheberrecht an Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst sowie die ihm verwandten Schutzrechte (§§ 70 ff. UrhG) zählen dann nicht zu den gewerblichen Schutzrechten, wenn man darauf abstellt, dass für urheberrechtliche Werke deren gewerbliche Verwertbarkeit keine Schutzvoraussetzung ist. Betrachtet man allerdings die tatsächliche Bedeutung des Urheberrechts für die gewerbliche Verwertung, so wirkt dieses auf die rechtliche Schutzvoraussetzung abhebende Abgrenzungskriterium ziemlich formal. Die enge Verwandtschaft des Urheberrechts mit den Materien, die zweifellos dem Gewerblichen Rechtsschutz zuzuordnen sind, zeigt sich hingegen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in ihrer gemeinsamen Rolle als
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117 Im Ergebnis teilweise ähnlich Pichler S. 416. 118 Vgl. etwa Artt. 73 Nr. 9, 96 Abs. 1 GG. 119 Vgl. z.B. § 1 Abs. 2 PVÜ. 120 So auch Beater Medienrecht (2007) Rn. 405; a.A. die h.M., vgl. für viele nur Götting Gewerblicher Rechtsschutz § 1 Rn. 1. 121 Vgl. Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 91; Götting Gewerblicher Rechtsschutz § 1 Rn. 1, 10 ff.; Rittner/ Kulka § 1 Rn. 4; Martin S. 3 ff. 122 Boesche Rn. 35. 123 Dafür insbesondere schon Elster Urheber- und Erfinder-, Warenzeichen- und Wettbewerbsrecht (Gewerblicher Rechtsschutz), 2. Aufl. (1928) S. 3 ff.; dagegen etwa Hubmann Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl. (1988) § 1 II; monographisch insbesondere Peifer S. 90 ff.
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____zumindest temporär wirksames Instrument des Marktausschlusses von (aktuellen wie ____potenziellen) Konkurrenten.124 ____ Für das Urheberrecht wird dieser negative Wettbewerbseffekt heute vor allem hin68 ____sichtlich des Schutzes von Computerprogrammen (Software) praktisch, dem eigens die ____§§ 69a ff. UrhG gewidmet sind. Einen technikinduzierten Bedeutungswandel des Ur____heberrechts legen auch die §§ 87a ff. UrhG mit ihrem Schutz für Datenbanken deutlich, ____ferner die §§ 85 ff. UrhG (Leistungsschutzrechte zugunsten der Hersteller von Tonträgern ____und des Rundfunks. ____ Schon hier zeichnet sich ab, dass der vor allem früher behauptete Gegensatz von 69 ____gewerblicher Leistung einerseits, kultureller Leistung andererseits, und damit ein anti____nomischer Charakter von Gewerblichem Rechtsschutz und Urheberrecht125 kaum ____mehr aufrechterhalten werden kann, wenngleich in einer Gegenströmung auch ein be____sonderer Charakter des Urheberrechts auf der Basis der Werkschöpfer-Individualität als ____seiner Legitimationsquelle mit beachtlichen kultur- und persönlichkeitsrechtlichen Grün____den gerade auch in jüngerer Zeit wieder vehement verteidigt wird.126 Erst recht stempelt ____die Realität des Wirtschaftslebens und die dort vor allem im Medienbereich mithilfe des ____Urheberrechts ausgefochtenen harten Verteilungskämpfe die angeblich essenzielle per____sönlichkeitsrechtliche Prägung des Urheberrechts letztlich doch eher zur idealisierenden ____Fiktion.127 ____ Der Streit um die richtige Qualifizierung des (deutschen) Urheberrechts kann an die70 ____ser Stelle nicht vertieft und schon gar nicht überzeugend entschieden werden. Für die ____materielle Teilhabe des Urheberrechts am Gewerblichen Rechtsschutz spricht aber ____wohl doch auch die sachliche Nähe des Urheberrechts zum Geschmacksmusterrecht,128 ____das seinerseits in Deutschland jedenfalls heute ganz überwiegend129 (und international ____seit Langem) dem Gewerblichen Rechtsschutz (bzw. dem „gewerblichen Eigentum“) zu____gerechnet wird.130 ____ Die Definitionsfrage ist deutlich in den Hintergrund getreten, weil mittlerweile eben 71 ____wegen der schwerlich zu leugnenden praktischen wie auch dogmatischen „Konvergenz“ ____von Gewerblichem Rechtsschutz und Urheberrecht131 ohnehin bevorzugt mit dem Ober____begriff des „geistigen Eigentums“ („IP“: Intellectual Property) operiert wird.132 Trotz ____seiner Verbreitung richtet sich gegen diesen Sprachgebrauch der bereits (s. Rn. 63) ge____nannte Einwand einer problematischen Gleichsetzung von Eigentum und absolutem ____Recht. Vorzugswürdig erscheint demgegenüber der ebenfalls gut eingeführte Terminus ____ ____124 Fikentscher Wettbewerb 148; Schünemann Wettbewerbsrecht (1989) 103 f.; zur (zweifelhaften) ____wettbewerbstheoretischen Rechtfertigung gewerblicher Ausschließlichkeitsrechte durch Überwiegen ____positiver Wettbewerbseffekte wie z.B. Innovationsanreize s. Peifer S. 333 ff., 339 m.w.N. ____125 S. Rittner/Kulka § 1 Rn. 4. 126 So namentlich von Peifer S. 55 ff., 128 ff. ____127 Götting Gewerblicher Rechtsschutz § 1 Rn. 8. ____128 Früher sprach § 1 GeschMG a.F. (vor dem 1.6.2004) sogar vom „Urheber“ entgegen jetzt § 7 Abs. 1 ____vom „Entwerfer“. S.a. Götting Gewerblicher Rechtsschutz § 1 Rn. 13: „Musterurheber“. ____129 So deutlich im innerdeutschen Einigungsvertrag (BGBl. II 1990, S. 537) Anlage I, Kap. III, ____Sachgebiet E, Abschnitt II. 130 Näher Götting Gewerblicher Rechtsschutz § 1 Rn. 13 m.w.N. Diese Zuweisung nimmt auch Peifer ____S. 333 vor, der damit von einem „persönlichkeitsrechtlichen Residuum“ abgesehen wohl keine ____Verbindungslinien des Geschmacksmusterrechtes zum Urheberrecht sieht. ____131 Götting Gewerblicher Rechtsschutz § 1 Rn. 8 f. ____132 S. z.B. das TRIPS-Übereinkommen, das freilich das Urheberpersönlichkeitsrecht ausklammert, sowie das „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ v. 7.7.2008 ____(BGBl. I, S. 1191); Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 2 Rn. 13; Götting GRUR 2006, 353, 358; Harte/ ____Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 180; Ohly JZ 2003, 545 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 77 ff.; ____Wandtke/Wandtke 1. Kap. Rn. 73.
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„Immaterialgüterrecht“,133 der zudem keine ideologiegeschichtlich-naturrechtlichen, mit dem Eigentumsbegriff verknüpften Angriffsflächen bietet.134 Zweifelhaft ist ferner, ob das Lauterkeitsrecht selber zum Gewerblichen Rechtsschutz zu zählen ist. Dies wurde vor allem früher nicht selten bejaht mit der Begründung, das den Gewerblichen Rechtsschutz begriffliche konstituierende Moment liege im Schutz des gewerblichen Schaffens, der gewerblichen Leistung, und eben dies sei auch der Leitgedanke des Lauterkeitsrechts.135 Dieser Standpunkt begegnet aber erheblichen Bedenken. Schon nach seiner formalen Struktur hebt sich das Lauterkeitsrecht sehr deutlich vom Patentrecht, Gebrauchsmusterrecht etc. ab, insofern hier eben keine absolut-rechtlichen Positionen definiert und zugewiesen, sondern Verhaltensstandards normiert werden.136 Inhaltlich spricht gegen eine Einbeziehung, dass die rechtliche Gewährleistung von Besitzständen mithilfe absoluter Rechte vom gedanklichen Ansatz her, nämlich aus Sicht der zu sichernden Wettbewerbsfreiheit, geradezu kontraproduktiv ist und deshalb der Gewerbliche Rechtsschutz in einem gegenläufigen Prinzip zum so verstandenen Wettbewerbsrecht gründet. Ferner zeichnen sich Patentrecht, Gebrauchsmusterrecht etc. durch eine dominierende individualrechtliche Substanz aus. Anders als das Lauterkeitsrecht zielt der Gewerbliche Rechtsschutz nicht auf den Schutz des Wettbewerbs als Institution und marktwirtschaftlichen Gesamtmechanismus. 137 Das Lauterkeitsrecht kann mithin nicht seinerseits als Teil des Gewerblichen Rechtsschutzes gelten.138 Aus den genannten Gründen ist auch die umgekehrte Vorstellung wenig eingängig, das Immaterialgüterrecht sei lex specialis gegenüber dem Lauterkeitsrecht.139 Dass in der Tat auch das Immaterialgüterrecht einen spezifischen Wettbewerbsbezug aufweist und deshalb zum Wettbewerbsrecht i.w.S. zu rechnen ist (vgl. Einl. A Rn. 7 ff.), sagt noch nichts über das normlogische Verhältnis des Immaterialgüterrechts und damit auch des Kennzeichenrechts zum Lauterkeitsrecht. Jedenfalls bedarf es nicht einer solchen Verhältnisbestimmung, um sicherzustellen, dass die immaterialgüterrechtlichen Wertungen nicht durch Lauterkeitsrecht unterlaufen werden,140 weil dieses Ziel auch durch Subsidiarität als andere Variante der Gesetzeskonkurrenz erreicht werden kann. Gemeinsam ist Patent-, Muster-, Zeichen- und Urheberrecht, dass sie in Form absoluter Rechte immaterielle Güter unter Zubilligung von verwertungs- und ggf. persönlichkeitsrechtlichen Befugnissen schützen. Diese Immaterialgüterrechte genießen den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz des Art. 14 GG, den deliktsrechtlichen Schutz als sonstige Rechte i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB und sie sind Ausfluss von Schutzgesetzen i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Angesichts ihrer umfassenden Sonderregelungen, die den allgemeinen Vorschriften der unerlaubten Handlung grundsätzlich vorgehen, kommt der Ver-
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133 Vgl. Ahrens Wettbewerbsrecht Rn. 17; Boesche Rn. 30; Fezer/Fezer Einl. G Rn. 316 ff.; Wandtke/ Wandtke 1. Kap. Rn. 73. 134 Ablehnung der gängigen Begriffsbildung aus eben diesen Gründen namentlich durch Rehbinder Rn. 97. 135 Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 96; Fischer Grundzüge des Gewerblichen Rechtsschutzes, 2. Aufl. (1986) § 1 III 6; Hubmann Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl. (1988) § 1 II 4. S.a. (referierend) Ekey/Klippel/ Kotthoff/Meckel/Plaß E 2 Rn. 12. 136 Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 194. 137 BGH 10.12.1998 GRUR 1999, 325, 326 – elektronische Pressearchive. 138 So im Ergebnis z.B. auch Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 2 Rn. 13; Götting Gewerblicher Rechtsschutz § 6 Rn. 22; Rinck/Schwark Rn. 660; a.A. wohl Rittner/Kulka Rn. 36: Lauterkeitsrecht als „Randgebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes“. 139 MünchKommUWG/Ann Grundl. Rn. 246 ff., 250, 291. 140 MünchKommUWG/Ann Grundl. Rn. 247.
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____letzung von Immaterialgüterrechten als unerlaubter Handlung keine große Bedeutung ____zu. ____ Gemeinsam ist den immaterialgüterrechtlichen Sondergesetzen auch die Tatsache, 77 ____dass sie Ausdruck einer grundlegenden und damit abschließend zum Ausdruck gebrach____ten gesetzgeberischen Interessenabwägung sind zwischen dem Interesse der Allge____meinheit an einer ungehinderten, dem Wettbewerb ausgesetzten Nutzung des Fort____schritts in Wissenschaft, Technik und Kultur einerseits sowie andererseits dem Interesse ____des Leistungsträgers an einem möglichst langen und umfassenden Verwertungsmonopol ____an seinem oft mit Mühe und Kosten geschaffenen Leistungssubstrat. ____ Der Gesetzgeber hat diesen Interessenkonflikt durch Zubilligung durchweg sachlich 78 ____und zeitlich begrenzter Ausschließlichkeitsrechte des Leistungsträgers gelöst.141 Bei ____seiner Abwägung hat der Gesetzgeber den involvierten Interessen durch Unterschiede in ____Schutzgegenstand, Entstehungsvoraussetzungen sowie Schutzumfang der Immaterial____güterrechte differenziert Rechnung getragen. Diese legislatorischen Entscheidungen ____dürfen weder durch privatautonome Akte (Immaterialgüterrecht ist zwingendes Recht) ____noch anderweitig, insbesondere auch nicht durch Lauterkeitsrecht, unterlaufen wer____den.142 ____ ____ 2. Grundsatz und Grenzen der Nachahmungsfreiheit. Ob aus der bloßen Existenz 79 ____der Immaterialgüterrechte schon im Umkehrschluss ein Grundsatz der Nachahmungs____freiheit und damit eine Absage an Ersatz-Ausschließlichkeitsrechte143 folgt, kann fraglich ____sein.144 Jedoch ist jedenfalls vor dem Hintergrund der die Wirtschaftsverfassung dominie____renden Wettbewerbsfreiheit (s. Einl. A Rn. 164 ff.)145 als in ihr enthalten auch die grund____sätzliche Freiheit festzustellen, die Leistung anderer zu übernehmen, nachzuahmen und ____ökonomisch zu verwerten. Jenseits der sachlichen und zeitlichen Grenzen des Sonder____rechtsschutzes gilt also der Grundsatz der Übernahme-, Nachahmungs- und Annähe____rungsfreiheit.146 ____ Entgegen einer auch im juristischen Bereich trotz aller Lippenbekenntnisse latent 80 ____verbreitet vorhandenen Animosität gegenüber einer rechtlich grundsätzlich anzuer____kennenden Imitationsfreiheit147 ist zu betonen, dass die Nachahmung gesellschaftlich ____nicht nur tolerabel, sondern geradezu wünschenswert ist. Denn ohne imitatorisches Ler____nen ist wirtschaftlicher, technischer und kultureller Fortschritt einer Gesellschaft un____denkbar.148 Es ist also positiv einzuschätzen, wenn auf den jeweils aktuellen Entwick____lungsstand und den in ihm kumulierten Erfahrungsschatz möglichst frei zurückgegriffen ____werden kann, wenn also das übernommen und dem Wettbewerb unterworfen werden ____ ____ ____ ____141 Aus neuerer Zeit zum Verhältnis von Lauterkeitsrecht zum Immaterialgüterschutz s. monographisch ____vor allem Thouvenin (a.a.O. Literaturverzeichnis). ____142 Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 11 Rn. 8, 38; MünchKommUWG/Ann Grundl. Rn. 247; Ohly FS ____Ullmann 795 ff. ____143 Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 11 Rn. 6 a.E.; Walch S. 6 ff. 144 So zutreffend Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 9 Rn. 14. ____145 Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 9/15. ____146 BGH 28.10.2004 – I ZR 326/01 – GRUR 2005, 166, 168 – Puppenausstattungen; BGH 21.9.2006 – I ZR ____270/03 – GRUR 2007, 339 Tz. 27 – Stufenleitern; BGH 26.6.2008 – I ZR 170/05 – GRUR 2008, 1115 Tz. 32 – ____ICON; Beater Rn. 1912; Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 9 Rn. 14; MünchKommUWG/Ann Grundl. Rn. 248, 286; a.A. Köhler GRUR 2007, 230 f. ____147 Vgl. zu den in diesem Zusammenhang aufgetauchten diversen argumentativen Merkwürdigkeiten ____(z.B. Anstößigkeit bzw. rechtliche Unzulässigkeit des „Pflügens mit fremdem Kalbe“) Beater Rn. 1923. ____148 Ebenso entschieden Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 11 Rn. 8.
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kann, was sich schon als gut oder erfolgreich erwiesen hat.149 Dies gilt im technischen wie nichttechnischen Bereich gleichermaßen150 und sollte auch bei der Diskussion eines ergänzenden Leistungsschutzes durch Lauterkeitsrecht nicht in Vergessenheit geraten. Der Grundsatz dieser Nachahmungsfreiheit als Teil der Wettbewerbsfreiheit151 81 bedeutet aber nicht, dass bei der wettbewerblichen Aneignung und Verwertung fremder Leistungen außerhalb des immaterialgüterrechtlichen Regelungsbereichs nun alles erlaubt sei. Eine solche Aussage kann weder im Gegenschluss dem Sonderrechtsschutz noch wirtschaftsverfassungsrechtlichen oder fortschrittspolitischen Erwägungen entnommen werden. Das Immaterialgüterrecht entscheidet mithin zwar abschließend die Frage, ob und 82 inwieweit dem Leistungsträger ein Verwertungsmonopol an der besonderen Leistung zusteht. Hingegen bleibt es durchaus noch Aufgabe des Lauterkeitsrechts, sicherzustellen, dass dort, wo der Sonderrechtsschutz nicht eingreift, die grundsätzlich zulässige Nutzung fremder Leistung durch Dritte in lauterer Art und Weise stattfindet,152 insbesondere also in Form einer wettbewerbsgerechten Aneignungs- und Verwertungshandlung. Insoweit besteht bei genauerer Betrachtung aber wohl gar kein innerer Zusammenhang mit dem Immaterialgüterrecht. Denn das Immaterialgüterrecht knüpft die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens an den Eingriff in einen absolut geschützten Bereich, das Lauterkeitsrecht hingegen an eine wettbewerbsdysfunktionale Handlungsmodalität.153 Doch ist auch hier darauf zu achten, dass nicht im Ergebnis doch Ersatz-Ausschließ- 83 lichkeitsrechte gewährt und damit die vorrangig zu sichernde Wettbewerbsfreiheit paradoxerweise gerade durch ein dem unverfälschten Wettbewerb (§ 1) verpflichtetes Wettbewerbsrecht beschnitten wird.154 Dies lässt sich nur sicherstellen, wenn für die Unlauterkeit grundsätzlich nur jene außerhalb des Sonderrechtsschutzes liegende, spezifisch wettbewerbliche Umstände die Urteilsbasis bilden, die der Gesetzgeber ausgewählt hat. Alles andere missachtet dessen Prärogative.155
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149 So schon RG 7.4.1910 RGZ 73, 294 – Schallplatten; RG 26.10.1920 RGZ 101, 1 – Siegfried-Möbel; RG 31.1.1928 RGZ 120, 94 = GRUR 1928, 289 – Huthaken; RG 19.3.1932 RGZ 135, 385, 394 f. = GRUR 1932, 751, 754 – Künstliche Blumen; RG 23.2.1934 RGZ 144, 41 – Hosenträger; s. weiterhin BGH 2.7.1969 GRUR 1969, 618 f. – Kunststoffzähne; BGH 8.11.2001 – I ZR 199/99 – GRUR 2002, 275 f. – Noppenbahnen; BGH 21.9.2006 – I ZR 270/03 GRUR 2007, 339 Tz. 27 – Stufenleiter; BGH 24.5.2007 – I ZR 104/04 – GRUR 2007, 984 Tz. 20 – Gartenliege; BGH 9.10.2008 – I ZR 126/06 – GRUR 2009, 79 Tz. 26 – Gebäckpresse; Martin Imitationsanreiz S. 10. 150 Zur gelegentlich in Frage gestellten Gleichbehandlung von technischer und nicht technischer Leistung s. Martin Imitationsanreiz S. 12 f. m.w.N. 151 A.A. Köhler GRUR 2007, 230 f. 152 BGH 25.2.1999 BGHZ 141, 13 = GRUR 1999, 707 ff. – Kopienversand; BGH 10.12.1998 GRUR 1999, 325 ff. – Elektronische Pressearchive; BGH 17.7.2003 – I ZR 259/00 – BGHZ 156, 1 = GRUR 2003, 958, 962 – Paperboy: Bärenfänger WRP 2011, 16, 21, 23 („Lauterkeitsvorbehalt“ speziell im Markenrecht). 153 S.a. MünchKommUWG/Ann Grundl. Rn. 280 (für das Urheberrecht). Gerade umgekehrt aber Bärenfänger Spannungsfeld S. 58 ff.; ders. WRP 2011, 16, 25 ff., der gar von einer „Symbiose“ jedenfalls von Marken- und Lauterkeitsrecht (und darüber hinaus für Immaterialgüterrechte schlechthin, z.B. WRP 2011, 16, 28) spricht und so namentlich die Markenverletzung „immer Unlauterkeit“ verlangt (a.a.O. S. 27). 154 A.A. Fezer WRP 1993, 63 f: „Schutz der unternehmerischen Leistung“ sei „originäre Aufgabe des Wettbewerbsrechts“. 155 Beater Nachahmen S. 344 ff.; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 11 Rn. 8; Ohly FS Ullmann, 795 ff.; ders. WRP 2008, 177, 184 f.; Rößler GRUR 1995, 549; a.A. etwa Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 9 Rn. 2, die sehr bedenklich von einer qua Generalklausel „delegierten Gesetzgebung“ (Anführungszeichen im Original) sprechen. In Wahrheit muss man wohl eher von einer „angemaßten Gesetzgebung“ sprechen.
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____ In Betracht kommen deshalb für eine Anwendung des Lauterkeitsrechts bei Berüh84 ____rungen mit Immaterialgüterrecht grundsätzlich nur die expliziten Unlauterkeitstatbe____stände des UWG, also nachahmungsbedingte Verwechselungsgefahr bezüglich der Wa____renherkunft (§ 4 Nr. 9a), Rufausbeutung (§ 4 Nr. 9b), die Nachahmung erst ____ermöglichende, unredliche Kenntniserlangung (§ 4 Nr. 9c) wie z.B. durch Vertrauens____bruch oder auch gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10) durch systematische Nachahmung zu ____Lasten von Mitbewerbern.156 ____ Ein lauterkeitsrechtlicher Leistungsschutz über § 4 Nr. 9 und 11 hinaus gestützt auf 85 ____§ 3 Abs. 1 wird allenfalls dort erwogen werden dürfen, wo es um „provisorischen“ Schutz ____quasi als „Notlösung“ im zeitlichen Vorfeld einer gesetzlichen Regelung geht, um ex____treme, evidente157 „Schutzlücken zu schließen, die dadurch entstehen, dass der Gesetz____geber nicht in der Lage ist, schnell genug auf die technischen und wirtschaftlichen ____Schutzbedürfnisse zu reagieren“.158 Schutzlücken dieser Art dürften sich angesichts einer ____zu unterstellenden Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers kaum jemals identifizieren las____sen. Die langjährig und verbreitet vertretene Meinung, die demgegenüber den sonderge____setzlichen Immaterialgüterschutz in weitem Umfang für ergänzungsbedürftig und dabei ____gerade für lauterkeitsrechtlich ergänzungsfähig hält,159 ist mithin abzulehnen. ____ Die Vorstellung, das Lauterkeitsrecht sei geradezu ein „Jungbrunnen des Immateri86 ____algüterrechts“,160 also wohl: eine rechtlich gefasste, ergiebige Quelle immer neuer ____wettbewerblicher Exklaven, war schon nach früherem Lauterkeitsrecht dogmatisch ____gänzlich unattraktiv,161 ist im Rahmen des geltenden Lauterkeitsrechts und seiner Sys____tematik aber vollends unannehmbar geworden: Sie verschließt schon die Augen davor, ____dass die überkommenen Vorstellungen unter der Geltung des auch systematisch völlig ____veränderten Lauterkeitsrechts letztlich aus Unwilligkeit gegenüber einer umfassenden ____dogmatischen Neuausrichtung nach 2004 nicht einfach fortgeschrieben werden kön____nen.162 Auch der historische Gesetzgeber kann für diese Position kaum vereinnahmt wer____ ____ ____156 Konsequent Rehbinder Rn. 128 für das Urheberrecht. 157 Zu dieser aus der gesetzlichen Systematik ergebenden materiellen Subsidiarität einer Generalklausel ____im Zusammenhang mit gesetzlich ausformulierten Regelbeispielen s. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. ____2009) § 3 Rn. 97 ff., 102 m.w.N. ____158 Götting Gewerblicher Rechtsschutz § 6 Rn. 25; gleichsinnig Beater Rn. 1970. ____159 S. für viele Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 9 Rn. 23 m.w.N. Nur vorsichtige ____Zustimmung aber von Bornkamm GRUR 2005, 97, 101 f. (mit primärem Blick auf das Markenrecht). 160 Fezer/Fezer Einl. E Rn. 317. ____161 S. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. E 44, 49 f. ____162 Bezeichnenderweise äußern sich Fezer/Fezer Einl. E Rn. 316 ff. nicht zur präzisen ____lauterkeitsrechtlichen Verankerung des behaupteten Grundsatzes einer kumulativen Normenkonkurrenz ____von Immaterialgüterrecht und Lauterkeitsrecht aufgrund dessen angeblicher „Autonomie“ (a.a.O. Rn. 320, 326); ebenso Bärenfänger Spannungsfeld S. 176 ff.; ders. WRP 2011, 16, 20 ff.): Sollte § 3 Abs. 1 die Plattform ____bilden oder eine dogmatisch-systematisch nicht minder prekäre Gesamtanalogie zu § 4 Nr. 9a)–c) und ____Nr. 10? Oft wird in diesem Zusammenhang lapidar darauf hingewiesen, der ergänzende Leistungsschutz ____jenseits des Immaterialgüterrechts und des § 4 Nr. 9f) finde seine „Grundlage nach wie vor in der ____Generalklausel“, s. Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 9 Rn. 34 (umfangreicher formuliert, aber ____ohne erweiterten Inhalt a.a.O. Rn. 1 f.). s.a. Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 4 Rn. 388. Widersprüchlich MünchKommUWG/Ann Grundl. Rn. 298 (im Zusammenhang mit einem das Urheberrecht ____ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz): „Die Generalklausel des Art. 3 (könne) bei ____Berücksichtigung des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit nicht als Auffangvorschrift fungieren,“ doch ____sei an den früher vertretenen Auffassungen zur Wettbewerbswidrigkeit der unmittelbaren Übernahme, der ____sklavischen Nachahmung und der nachschaffenden Übernahme eines sonderschutzrechtlich nicht erfassten Arbeitsergebnisses „auch nach der UWG-Reform festzuhalten.“ A.A. (für das Urheberrecht) ____offenbar Rehbinder Rn. 128. Ganz i.S. einer ungebrochenen Kontinuität leider auch BGH 28.10.2004 – I ZR ____326/01 – GRUR 2005, 166 f. – Puppenausstattungen; BGH 11.1.2007 – I ZR 198/04 – GRUR 2007, 795 Tz. 19 – ____Handtaschen; BGH 30.4.2008 – I ZR 123/05 – GRUR 2008, 793 Tz. 25 – Rillenkoffer.
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den, weist er doch selber auf die Gefahr hin, dass es über das Vehikel des ergänzenden Leistungsschutzes nur allzu leicht zu einer Einschränkung der Nachahmungsfreiheit (und damit der Wettbewerbsfreiheit) kommen kann.163 Ferner entleeren die Befürworter eines weitgespannten ergänzenden Leistungsschut- 87 zes durch Lauterkeitsrecht164 den auch von ihnen kolportierten Grundsatz der Nachahmungsfreiheit zur Worthülse.165 Diesbezüglich sprechen die die wettbewerbsrechtliche Rspr. der letzten 100 Jahre (trotz Betonung der grundsätzlichen Nachahmungsfreiheit in concreto fast immer dessen Durchbrechung)166 und die umfangreichen Kommentierungen zur angenommenen Bandbreite der Tatbestände des ergänzenden Leistungsschutzes (sämtlich als „Ausnahmen“ deklariert) 167 eine sehr deutliche Sprache. Auch war und ist diese Auffassung mit wirtschaftsverfassungsrechtlichen, die Wettbewerbsfreiheit fokussierenden Vorgaben (s. Einl. A Rn. 164 ff.) nicht in Einklang zu bringen.168 In einem spezifisch ökonomisch-wettbewerblich geprägten Kontext wird das Anlie- 88 gen, die Nachahmungsfreiheit zu verkürzen, nicht dadurch legitimiert, dass in einer langen Tradition mit der Gefährdung von Vorsprungsgewinnen die Verminderung von Innovationsanreizen argumentiert und dadurch auch eine institutionelle Gefährdung des Wettbewerbs behauptet wird.169 Wettbewerbstheoretisch betrachtet liegt zwar in der Tat in der Aussicht auf Vorsprungsgewinne des Pioniers gerade eine jener Triebfedern, die den Wettbewerb als Prozess überhaupt in Gang setzt und in Gang hält, dies jedoch nur solange, wie wettbewerbliche Vorsprünge durch den Einsatz ökonomischer, nicht rechtlich-prohibitiver Aktionsparameter verteidigt oder wieder neu gewonnen werden müssen. Die unternehmerische Leistung muss also grundsätzlich vom Markt belohnt werden, 89 vom Recht allenfalls in den Grenzen des Immaterialgüterrechts, nicht aber (und schon gar nicht darüber hinaus) vom Lauterkeitsrecht. Die Antagonisten Innovation und Imitation sind für den funktionierenden Wettbewerb also gleichermaßen essenziell;170 erst in ihrer immerwährenden, wechselseitig zerstörerischen Abfolge kann sich gesamtwirtschaftlicher Fortschritt entfalten.171
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163 Vgl. BTDrucks 15/1487, S. 18, r. Sp. „Zu Nr. 9“ Abs. 1, wo allerdings auch auf den nicht abschließenden Charakter von § 4 Nr. 9 verwiesen wird. 164 S. aus neuerer Zeit z.B. BGH 4.11.1966 GRUR 1967, 315, 317 – skai cubana; Bopp GRUR 1997, 34 ff.; Fezer GRUR 1986, 485 ff.; ders. WRP 1993, 138 ff.; ders. WRP 2001, 989, 1004 ff.; ders. WRP 2006, 591 ff.; ders. WRP 2006, 781, 789 f.; Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 9 Rn. 14; Keller FS Erdmann (2002) 595, 601 ff.; Köhler WRP 1999, 1075 ff.; ders. GRUR 2007, 548 ff.; Rohnke GRUR 1991, 284 ff.; Sack ZHR 160 (1996) 493 ff.; Stieper WRP 2006, 291 ff. m.w.N. 165 Gleichsinnig Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 4 Rn. 372. Gelegentlich wurde die Nachahmungsfreiheit gar ganz ausdrücklich unter den Vorbehalt eines „sachlich anzuerkennenden Grundes“ gestellt, vgl. OLG Hamburg 23.6.1983 GRUR 1984, 139 – Garnierschneider. 166 So von Anfang an auch die höchstrichterliche Rspr. der Nachkriegszeit beginnend mit BGH 22.1.1952 BGHZ 5, 1 = GRUR 1952, 516 – Hummelfiguren I. Zu den einschlägigen „Irrwegen“ und „Paradoxien“ dieser Rspr. s. Beater Rn. 1935 ff. m.w.N.; s.a. Kur GRUR 1990, 1 ff. m.w.N. 167 Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 9 Rn. 14 ff., 30 ff. 168 Ebenso Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 9/15. 169 S. bereits RG 31.1.1928 RGZ 120, 94 = GRUR 1928, 289 – Huthaken; sodann BGH 24.6.1966 GRUR 1966, 617, 620 – Saxophon; BGH 8.10.1971 BGHZ 57, 116 = GRUR 1972, 189 ff. – Wandsteckdose II; BGH 19.1.73 BGHZ 60, 168 – Modeneuheit; Gewiese GRUR 1935, 633, 635; ders. GRUR 1936, 294, 296; Hubmann GRUR 1975, 230, 236 f.; Luchterhand GRUR 1959, 592 ff.; Nerreter GRUR 1957, 534 ff.; Osterried GRUR 1935, 132; Reimer GRUR 1933, 454; Schramm WuW 1956, 199, 205; Seligsohn GRUR 1926, 248; Smoschewer 1929, 381, 384; Spengler WuW 1955, 599; aus neuerer Zeit etwa Harte/Henning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 188; Quiring WRP 1985, 684, 687 f. 170 A.A. Fezer WRP 1993, 63 f.: Vorrang des Innovationsschutzes. 171 Arndt Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft (1952) 35 ff.; Groh Jura 1984, 586, 589 f.; Heuß Allgemeine Markttheorie (1965) 110 ff.; Meyer-Cording WuW 1962, 462; Schumpeter
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____ Für das insoweit als besonders prekär geltende Verhältnis des Markenrechts zum 90 ____Lauterkeitsrecht172 gilt jedenfalls nach der umfassenden Neuregelung des Kennzeichen____rechtes seit 1995 nichts anderes als für die anderen Teile des Immaterialgüterrechts. Dass ____§ 2 MarkenG die Anwendung anderer Rechtsnormen nicht ausschließt, bedeutet keines____wegs zwingend eine echte Anspruchskonkurrenz (Anspruchskumulation) mit dem Lau____terkeitsrecht,173 gibt vielmehr doch erst auf, das Verhältnis der markengesetzlichen Nor____men zu denen anderer Materien näher zu bestimmen, nicht anders als übrigens § 97 ____Abs. 3 UrhG. ____ Dieses Verhältnis ist auch hier als Vorrang des Immaterialgüterrechts (sog. Vor91 ____rangthese) zu beschreiben: Das Markenrecht regelt weitgehend umfassend und grund____sätzlich abschließend das Kennzeichenrecht;174 für Lauterkeitsrecht bleibt nur insoweit ____Raum, als keine kennzeichenspezifische (Unlauterkeits-)Aspekte in Rede stehen.175 Da ____§ 14 Abs. 2 MarkenG (gleichlautend mit Art. 5 Abs. 2 der Markenrechts-RL)176 im Gleichar____tigkeitsbereich analog anzuwenden ist,177 ist Lauterkeitsrecht diesbezüglich schon des____halb exkludiert. ____ Diese Sperrwirkung wird darüber hinaus auch für § 4 Nr. 7 und 9 sowie § 6 Abs. 2 92 ____Nr. 4 Platz greifen, die mit den § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 2 Nr. 3 und § 15 Abs. 3 MarkenG ____deutliche Parallelen aufweisen.178 Auch im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 besteht kein ____Anlass, den Vorrang des Immaterialgüterrechts gegenüber dem Lauterkeitsrecht in Frage ____zu stellen, auch nicht im Blick auf Art. 6 Abs. 2 lit. a der RL 2005/29/EG (über unlautere ____Geschäftspraktiken), wenn man die Vorrangregel des dortigen Art. 3 Abs. 4 ernst____nimmt.179 ____ Im Übrigen ist auch hier (vgl. Rn. 82 ff.) sicherzustellen, dass die Wettbewerbsfrei93 ____heit nicht über die markengesetzlich gezogenen Grenzen hinaus beschnitten180 und die
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____ ____Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1950) passim. Insoweit wirtschaftstheoretischen Argumenten ____distanziert gegenüberstehend Walch S. 92 ff. Noch zurückhaltender Müller-Laube ZHR 156 (1992) 480, 496. ____Nachahmungsfreiheit sei nur ein Ordnungsfaktor unter vielen im Rahmen der Wettbewerbsordnung, ____sodass schon ein Grundsatz der Nachahmungsfreiheit nicht anzuerkennen sei (a.a.O. S. 484 f.). 172 S. nur Bärenfänger Spannungsfeld passim; ders. WRP 2011, 16, 17 ff.; Emmerich Unlauterer ____Wettbewerb § 15 Rn. 34 ff., § 18 Rn. 42 ff. ____173 A.A. Fezer/Fezer Einl. E Rn. 318 f., 326 ff.; ders. Markenrecht § 2 Rn. 4, 16; Sack WRP 2004, 1405, 1414. ____174 Im außergeschäftlichen Bereich mag für geschäftliche Bezeichnungen unter Einschluss von Namen ____und Firma trotzdem Raum für die Anwendung der §§ 12, 823 Abs. 1 und 1004 (analog) BGB sein, vgl. BGH ____9.9.2004 – I ZR 65/02 – GRUR 2005, 430 – mho.de; BGH 24.4.2008 – I ZR 159/05 – GRUR 2008, 1099 Tz. 10 ff. – afilias.de. ____175 Zu dieser Vorrangthese s. BGH 30.4.1998 BGHZ 138, 349 ff. – MAC Dog; BGH 26.4.2001 – I ZR 212/98 – ____GRUR 2002, 167, 171 – Bit/Bud; BGH 2.7.1998 BGHZ 139, 138 = GRUR 1999, 252 – Warsteiner II; BGH ____22.11.2001 – I ZR 138/99 – BGHZ 149, 191 = GRUR 2002, 622 – shell.de; BGH 15.7.2004 – I ZR 37/01 – GRUR ____2005, 163, 165 – Aluminiumräder; BGH 16.12.2004 – I ZR 177/02 – GRUR 2005, 419, 422 – Räucherkate; BGH 21.9.2006 – I ZR 270/03 – GRUR 2007, 339 Rn. 23 – Stufenleitern; BGH 6.12.2007 – I ZR 169/04 – GRUR ____2008, 628 Tz. 14 – Imitationswerbung; BGH 30.4.2008 – I ZR 123/05 – GRUR 2008, 793 Tz. 26 – Rillenkoffer; ____Bornkamm GRUR 2005, 97; ders. GRUR 2011, 1, 3 ff.; Ohly GRUR 2007, 731, 737; Sosnitza WRP 2003, 1186 f.; ____Stieper WRP 2006, 291, 300 ff.; a.A. z.B. Bärenfänger Spannungsfeld S. 176 ff.; ders. WRP 2011, 16, 20 ff. ____(„symbiotische Theorie“); Fezer WRP 2006, 781, 789 f.; ders. WRP 2008, 1; ders. GRUR 2010, 953, 957 ff.; ____Fezer/Peifer § 5 Rn. 41; Köhler GRUR 2007, 548, 550 („Gleichrangprinzip“); Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 4.212 ff.; Lubberger FS Ullmann 737, 745 ff.; zweifelnd Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 11 Rn. 9, § 15 ____Rn. 34 ff. ____176 RL 89/104/EWG i.d.F. der RL 2008/95/EG. ____177 EuGH 9.1.2003 – C-292/00 – Slg. 2003 I-389 GRUR 2003, 240 Tz. 26 ff. – Davidoff/Gofkid; BGH ____30.10.2003 – I ZR 236/97 – GRUR 2004, 235, 238 – Davidoff II. Zur Rspr. des EuGH s. näher Kur GRUR Int. 2008, 1 ff. ____178 A.A. Emmerich Unlauterer Wettbewerb §§ 15 Rn. 35 a, 18 Rn. 4. ____179 Piper/Ohly/Sosnitza § 5 Rn. 417, 700 f. ____180 Ingerl WRP 2004, 809 ff. Schünemann
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binnensystematisch bedingt nur sehr beschränkte Reichweite der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 als unmittelbarer Verbotstatbestand beachtet wird. Dies hat namentlich folgende Konsequenzen: Da das Markenrecht nur den Schutz bekannter Kennzeichen im Auge hat, kommt deshalb ein lauterkeitsrechtlicher Schutz noch nicht bekannter Kennzeichen grundsätzlich nicht in Betracht. Ob sich aus § 4 Nr. 7 etwas anderes ergeben kann, ist eine komplexe Fragestellung und Gegenstand der dortigen Kommentierung. Da das Markenrecht seinen Schutz an Eintragung oder Verkehrsgeltung knüpft, darf ferner diese gesetzgeberische Unterscheidung nicht auf Kosten der Wettbewerbsfreiheit dadurch unterlaufen werden, dass mithilfe des Lauterkeitsrechts schon im zeitlichen Vorfeld einer Eintragung oder der Verkehrsgeltung ein Kennzeichenschutz erfolgt.181 Das MarkenG hat nun einmal auf den Schutz einer „Marken-“ bzw. „Verkehrsgeltungsanwartschaft“ verzichtet.182 Das Lauterkeitsrecht steht speziell auch nicht zur Verfügung, vermeintliche Schutzlücken im Bereich des Geschmacksmusterrechts zu schließen. Gerade hier wurde in der Vergangenheit deutlich, dass das Beharren auf dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit ein bloßes Lippenbekenntnis war,183 weil mithilfe des Lauterkeitsrechtes faktisch eben doch ein Ersatz-Schutzrecht für Produktgestaltungen außerhalb der Schutzvoraussetzungen und Schutzgrenzen des GeschmMG etabliert wurde.184 Die Absurdität dieser Entwicklung wird deutlich, wenn bemerkt wird, das Geschmacksmuster werde geradezu überflüssig, weil der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz geringere Anforderungen stelle als derjenige nach dem GeschmMG.185 Ganz unabhängig von der konkurrenzrechtlichen Verhältnisbestimmung auf der Ebene des deutschen Rechts verbietet sich diese Instrumentalisierung des Lauterkeitsrechts auch im Blick auf europäisches Recht und das dort geschaffene Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Denn nach Art. 11 GemGeschmVO Nr. 6/2002 v. 12.12.2001 besteht sogar ein Nachahmungsschutz für Produktgestaltungen ohne Eintragung, allerdings nur für 3 Jahre. Diese Wertentscheidung des europäischen Gesetzgebers würde mit einem ominösen ergänzenden Leistungsschutz zu Lasten der Wettbewerbsfreiheit konterkariert. Konkurrenzrechtlich ist somit durchgängig von der Subsidiarität des Lauterkeitsrechts gegenüber dem Immaterialgüterrecht auszugehen.186 Soweit der sondergesetzliche Immaterialgüterschutz reicht, entfaltet er eine Sperrwirkung gegenüber dem Lauterkeitsrecht. Verstöße gegen immaterialgüterrechtliche Vorschriften führen deshalb namentlich auch bei Bejahung ihres Charakters als Marktverhaltensnormen nicht zur Anwendung des § 4 Nr. 11 und erst recht nicht des § 3 Abs. 1.187 Das Lauterkeitsrecht liefert ferner bei konsequentem Respekt vor der Wettbewerbsfreiheit auch keinen Hebel für einen den
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181 S. (allerdings halbherzig) BGH 20.3.1997 GRUR 1997, 754, 755 f. – grau/magenta; OLG Hamburg 13.6.2002 – 3 U 293/01 – GRUR-RR 2002, 356 f. – Marzipanherzen. S.a. schon für die Zeit vor Inkrafttreten des MarkenG BGH 24.2.1994 GRUR 1994, 905, 908 – Schwarzwaldsprudel. 182 MünchKommUWG/Ann Grundl. Rn. 254; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 82. 183 Dass der angebliche „Grundsatz der Nachahmungsfreiheit praktisch in sein Gegenteil verkehrt“ wurde, beklagen auch Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 9 Rn. 42. 184 BGH 19.1.1973 GRUR 1973, 478 ff. – Modeneuheit, BGH 24.3.1994 GRUR 1994, 630 ff. – CartierArmreif; BGH 18.10.1990 GRUR 1991, 223 ff. – Finnischer Schmuck. S.a. Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D. Rn. 83. 185 Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 4 Rn. 374. 186 So in der gebotenen Deutlichkeit und Konsequenz vor allem Ohly FS Ullmann 795 ff.; eigenartig Boesche Rn. 37, die im Zusammenhang mit dem UrhG in einem Atemzug von dessen „Spezialität“ und von der diesbezüglichen „Subsidiarität“ des UWG spricht. 187 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 79. S. aber auch Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 9.6 f.
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____umfangreichen sondergesetzlichen Immaterialgüterschutz nochmals ausdehnenden er____gänzenden Leistungsschutz i.S. der Gewährung von quasi subjektiv-rechtlichen Positio____nen, zumal diese letztlich auf einen dem Recht fremden Ideenschutz188 hinauslaufen ____würden.189 ____ ____ V. Verhältnis zum bürgerlichen Recht ____ ____ 1. Überblick. Das Lauterkeitsrecht hat sich, unbeschadet seiner diversen Neufas99 ____sungen und substanziellen Veränderungen seit 1909,190 also nach Inkrafttreten von BGB ____und HGB zum 1.1.1900, unabhängig von diesen privatrechtlichen Kodifikationen entwi____ckelt. Die Klarstellung der kodifikationsrechtlichen Bezüge des UWG wurde schon in ____der ersten legislativen Phase verabsäumt und ist bis heute von Rechtsprechung und Leh____re nur unbefriedigend aufgearbeitet worden. ____ Schon prima facie steht das UWG in engem Kontext zum BGB. Vergleichsweise un100 ____problematisch ist die Verzahnung, wo es zur Abwicklung lauterkeitsrechtlicher Un____terlassungs- und Schadensersatzverpflichtungen des Rückgriffs auf bürgerliches Recht ____bedarf. Das ist der Fall etwa für die Berechnung der Anspruchsverjährung nach § 11 ____(Hemmung, Ablaufhemmung, Neubeginn: §§ 203 ff., 213 ff. BGB) oder für Art und Umfang ____eines zu leistenden Schadensersatzes (§§ 249 ff. BGB), weil das UWG in den §§ 8 ff. hierfür ____keine Regelung trifft. ____ Insoweit unproblematisch hat das BGB eine rechtstechnische Ergänzungsfunk101 ____tion. Sie folgt aus der Regelungstechnik des BGB, bei der die Normen des allgemeinen ____Schuldrechts „vor die Klammer“ der einzelnen Schadensersatzansprüche normierenden ____Tatbestände gezogen wurden.191 Darüber hinaus ergeben sich indes zahlreiche Fragen ____der Verhältnisbestimmung des Lauterkeitsrechts zum bürgerlichen Recht, vor allem zum ____Deliktsrecht, zum Bereicherungsrecht und schließlich zum Vertragsrecht. ____ ____ 2. UWG und Deliktsrecht ____ ____ a) Sonderdeliktsrecht? Das Recht des unlauteren Wettbewerbs wird nicht selten 102 ____mit großer Selbstverständlichkeit in systematischer Hinsicht dem Deliktsrecht, dem ____Recht der unerlaubten Handlungen i.S.d. §§ 823 ff. BGB, zugerechnet.192 Mit dieser Quali____ ____ 188 Vgl. z.B. BGH 20.9.1955 BGHZ 18, 175, 183 f. = GRUR 1955, 598, 600 f. – Werbeidee; OLG München ____10.9.1992 NJW-RR 1993, 619 – TV-Sendeidee; Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 9 Rn. 29; ____Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 11 Rn. 23. ____189 Diese Überlegung zielt nicht zuletzt auf die sog. LEGO-Doktrin in der Fallgruppe des „Einschiebens ____in eine fremde Serie“, konkret: Herstellung und Vertrieb von Kunststoffartikeln, die mit LEGO-Bausteinen kompatibel sind. Dazu BGH 6.11.1963 BGHZ 41, 55 = GRUR 1964, 621 – Klemmbausteine I; BGH 7.5.1992 ____GRUR 1992, 619 – Klemmbausteine II. Von der dabei praktizierten Großzügigkeit bei der Gewährung eines ____ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes ist der BGH fast vollkommen abgerückt, vgl. BGH ____2.12.2004 – I ZR 30/02 – BGHZ 161, 204, 213 = GRUR 2005, 349, 352 – Klemmbausteine III. S.a. BGH ____15.9.2005 – I ZR 151/02 – GRUR 2006, 79Tz. 18 f. – Jeans I. Dazu Beater Rn. 1960 ff.; Rauda GRUR 2002, ____38 ff.; Riesenhuber WRP 2005, 1118 ff.; Schrader WRP 2005, 562 ff. 190 Zur Geschichte des Lauterkeitsrechts s. Einl. B.; zur Rechtsentwicklung vor dem UWG 2004 s.a. ____Schünemann Voraufl. Einl. Rn. B 1 ff. ____191 S. z.B. Schünemann Wirtschaftsprivatrecht, 6. Aufl. (2011) 17 ff. ____192 BGH 13.7.1954 BGHZ 14, 286, 291 = GRUR 1955, 150, 151 – Farina Belgien; BGH 20.12.1963 BGHZ 40, ____391, 394 = GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport; BGH 30.11.1954 BGHZ 15, 338 = GRUR 1955, 351 – Gema; BGH 11.3.1982 GRUR 1982, 495, 497 – Domgartenbrand; BGH 14.1.1999 GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen; ____Ahrens Wettbewerbsrecht Rn. 16; Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 2 Rn. 6; Harte/Henning/Brüning/ ____Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 120; Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 3; Keßler WRP 2005, 264, ____273; Knöpfle Unlauterkeit, S. 14; Köhler/Bornkamm Einl. 7.2; Leistner S. 229 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D
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fizierung als Sonderdeliktsrecht soll sich in wettbewerblich geprägten Fällen ein Rückgriff auf deliktsrechtliche Vorschriften dogmatisch unproblematisch gestalten, wenn – wie etwa hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit, aber früher auch in international-privatrechtlicher Hinsicht193 – spezifische wettbewerbsrechtliche Vorgaben fehlen.194 Im geltenden europäischen Kollisionsrecht findet sich ein sehr deutlicher Hinweis auf den sonderdeliktsrechtlichen Charakter des Lauterkeitsrechts, nachdem Art. 6 Abs. 1 der VO Nr. 864/2007/EG v. 11.7.2007 („Rom II“) von „außervertraglichen Schuldverhältnissen aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“ im Zusammenhang mit „unerlaubten Handlungen“ (Art. 4 Abs. 1 sowie Kapitelüberschrift II) spricht.195 Diese Einordnung findet sich auch im ausländischen, z.B. im französischen Recht (Artt. 1382 f. Code Civil). Trotzdem ist die systematische Verwurzelung des Lauterkeitsrechts im Deliktsrecht nicht zweifelsfrei.196 Historisch gesehen nährt sich die These vom Lauterkeitsrecht als Deliktsrecht im deutschen Recht maßgeblich wohl aus der Tatsache, dass ursprünglich § 826 BGB als Generalklausel auch für wettbewerbsrechtlich geprägte Konstellationen instrumentalisiert werden sollte.197 Die übereinstimmende Terminologie des § 1 UWG a.F. und des § 826 BGB (Verstoß gegen die „guten Sitten“) hielten die Erinnerung an diese historische Wurzel auf der sprachlichen Ebene noch wach. Mit dem UWG 2004, das die „Unlauterkeit“ in den Mittelpunkt der lauterkeitsrechtlichen Bewertungen gerückt hat, ist die terminologische Übereinstimmung als ohnehin sehr schwacher Anknüpfungspunkt für eine deliktsrechtliche Qualifizierung jedenfalls entfallen. Auch sachlich drängt sich der Charakter des Lauterkeitsrechts als Sonderdeliktsrecht keineswegs auf. Ohne Aussagekraft ist jedenfalls die Tatsache, dass das Lauterkeitsrecht mit § 9 einen eigenen Schadensersatzspruch vorsieht. Denn auch andere Rechtsmaterien wie z.B. das Vertragsrecht kennen solche Ansprüche, man denke nur an § 280 BGB. Im Übrigen soll das Deliktsrecht doch durch seine Zielrichtung auf den Individualschutz gekennzeichnet sein.198 Dogmengeschichtlich war das Lauterkeitsrecht in der Tat auf den Konkurrentenschutz ausgerichtet,199 hat diese Einseitigkeit aber seit Langem abgelegt und zielt nunmehr durch § 1 ganz ausdrücklich auch auf den Verbraucherschutz, den Schutz sonstiger Marktteilnehmer außer den Mitbewerbern sowie auf den Schutz des unverfälschten Wettbewerbs als Institution. Diese Schutzzwecktrias ist mit der Annahme eines Sonderdeliktsrechts ebenfalls nicht in Einklang zu bringen. Lauterkeitsrecht systematisch dem Deliktsrecht einzuverleiben, bedingt ferner, sich Gedanken zu dem zugrunde liegenden Schutzobjekt zu machen. In Betracht kommen hier vor allem subjektiv-rechtliche Positionen „absoluter“ Natur nach dem Vorbild des § 823 Abs. 1 BGB. Solche Überlegungen können indes überhaupt nur bezüglich der im Wettbewerbsprozess involvierten Unternehmer weiterführen, für die in der Vergangen-
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Rn. 56; Reichold AcP 193 (1993) 204 ff.; Rittner/Kulka Rn. 36; a.A. Callmann Der unlautere Wettbewerb (1929) 48; s.a. Schrauder Wettbewerbsverstöße als Eingriffe in das Recht am Gewerbebetrieb (1970) 106. 193 Vgl. für die Rechtslage vor Geltung der VO Nr. 864/2007/EG v. 11.7.2007 („Rom II“); Beater Rn. 719 ff.; Schricker Voraufl. Einl. Rn. F 157 ff.; s. aber auch Bernhard EuZW 1992, 437. 194 Harte/Henning/Brüning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 122. 195 S. dazu aber auch differenzierend Beater Rn. 723 f. 196 S.a. die Zweifel bei Beater Rn. 13 ff., wenngleich er (Rn. 73) dann doch überraschend die übliche Qualifizierung des Lauterkeitsrechts als Sonderdeliktsrecht teilt. S.a. ders. Rn. 719. 197 S. Ahrens WRP 1980, 129, 132 mit Fn. 59; Harte/Henning/Brüning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 121. 198 v. Bar Deliktsrecht, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts Bd. II (1981) S. 1681, 1694; Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 58; s.a. Prot. III, S. 567. 199 Vgl. zur Historie des Lauterkeitsrechts Einl. B; zur Rechtsentwicklung bis zum UWG 2004 s.a. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. B 1 ff.
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____heit eine ganze Reihe solcher Rechtsfiguren diskutiert worden sind, z.B. in den Lehren ____vom (wirtschaftlichen) Persönlichkeitsschutz, vom Schutz des Betätigungsrechts, vom ____Schutz an der Wettbewerbsstellung oder vom Unternehmensschutz.200 Sie versagen aber ____schon für die Verbraucher als Marktteilnehmer und erst recht für die Allgemeinheit mit ____ihrem rechtlich ausgewiesenen Interesse an einem unverfälschten Wettbewerb, da die ____Allgemeinheit schlechterdings nicht als diesbezüglicher Quasi-Rechtsinhaber gedacht ____werden kann. ____ Diese Diskussion wird seit Längerem nicht mehr geführt, weil die Bemühungen um 108 ____die Identifizierung solcher Schutzobjekte letztlich erfolglos waren.201 Dies führte aller____dings nicht dazu, die Verortung des Lauterkeitsrechtes im Deliktsrecht vom Ansatz her in ____Frage zu stellen. ____ Möglicherweise lässt sich das Lauterkeitsrecht deshalb als Sonderdeliktsrecht be109 ____greifen, weil die Unlauterkeitstatbestände sich zwar nicht befriedigend auf absolute Po____sitionen auf der Linie des § 823 Abs. 1 BGB zurückführen lassen, sich aber als Schutzge____setze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB darstellen lassen. Dies wird überwiegend bejaht202 wie auch ____verneint.203 Die vorwiegend im Blick auf die Herleitung einer gewünschten und nach dem ____im § 1 erklärten Schutzzweck des Gesetzes auch naheliegenden, von § 8 Abs. 3 aber ver____sagten Aktivlegitimation geführte Auseinandersetzung ist allerdings für die Frage irrele____vant, ob das Lauterkeitsrecht ein Sonderdeliktsrecht darstellt. Denn selbst wenn das ____UWG Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB generieren sollte (verneinend Rn. 124 ff.), ____bedeutet dies hier nichts, weil sonst ja alle Schutzgesetze ihre jeweiligen Quellregelun____gen zur lex specialis gegenüber dem bürgerlichen Deliktsrecht machen und ihm den Cha____rakter eines Sonderdeliktsrecht verschaffen würden. ____ Gegen den Charakter des Lauterkeitsrechts als Sonderdeliktsrecht spricht schließ110 ____lich die zunehmende Einsicht in die Einheit des Wettbewerbsrechts (vgl. Rn. 36 ff.).204 ____Bilden Lauterkeits- und Kartellrecht aber ein inhaltliches Amalgam, müsste doch wohl ____auch das Kartellrecht als Sonderdeliktsrecht gelten. Diese Ansicht ist, soweit ersichtlich, ____noch nicht geäußert worden, und dies mit vollem Recht. ____ Nach alledem lässt sich die Einordnung des Lauterkeitsrechts als Sonderdeliktsrecht 111 ____nicht aufrechterhalten. Immerhin wird eingeräumt, dass es sich bei den Vorschriften des ____UWG „nicht mehr um typische Deliktsrechtsnormen“ handele.205 Man muss allerdings ____einen Schritt weitergehen und das Wettbewerbsrecht innerhalb des deutschen Rechts____systems als eigenständiges Rechtsgebiet begreifen. Die Tatsache, dass Artt. 6 Abs. 1/4 ____Abs. 1 der VO Nr. 864/2007/EG („Rom II“) das Lauterkeitsrecht als Teil des Deliktsrechts ____sehen, ändert daran nichts, weil kein Gesetzgeber dogmatische Einsichten dekretieren ____kann. Das deutsche Lauterkeitsrecht ist mithin zwar Sonderprivatrecht, aber nicht Son____derdeliktsrecht. ____ ____ b) Konkurrenzrechtlicher Grundsatz. Konkurrenzrechtlich folgt daraus, dass das 112 ____Lauterkeitsrecht gegenüber den §§ 823 ff. BGB keine Spezialmaterie i.S. einer lex specialis ____ ____ ____200 Dazu eingehend Schünemann Voraufl. Einl. Rn. C 9 ff. 201 Schünemann Voraufl. Einl. Rn. C 9 ff.,15; s.a. Burmann WRP 1967, 240, 246. ____202 BGH 24.4.1964 BGHZ 41, 314, 317 = GRUR 1964, 567, 568 – Lavamat I; BGH 14.5.1974 GRUR 1975, 150 ____– Prüfzeichen; Fezer/Koos § 9 Rn. 3; Sack NJW 1975, 1303; ders. GRUR 2004, 625, 629 ff.; Schricker GRUR ____1975, 111; ders. BB 2003, 1073, 1079 f.; Säcker WRP 2004, 119, 1219 f.; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 20. ____203 Köhler GRUR 2003, 265, 271; Leistner S. 567 ff.; Schmidt JZ 2007, 78, 83; Schünemann Voraufl. Einl. Rn. E 77. ____204 Hierzu andeutungsweise auch Keßler Marktkommunikation S. 90 ff., 102. ____205 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 56. S.a. Beater Rn. 13 ff., der durchaus i.S. des Textes ausführt, ____warum das Lauterkeitsrecht die „prinzipiellen Grenzen des Deliktsrecht“ überschreitet.
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darstellt.206 Gleichwohl kann ggf. im Wege der Analogie auf Deliktsrecht zurückgegriffen werden, soweit das UWG keine abschließende Regelung trifft.207 Eine abschließende Regelung ist freilich schon angesichts des hohen Grades der Ausarbeitung des Lauterkeitsrechts zu vermuten. Bei dieser Ausgangslage ist die analoge Anwendung der §§ 827 f. BGB auf wettbewerbsrechtliche Schadensersatzansprüche problemlos, weil in dieser Vorschrift ein allgemeiner Rechtsgrundsatz haftungsrechtlicher Verantwortung Ausdruck findet, wie § 276 Abs. 1 S. 3 BGB zeigt. Damit nicht zu verwechseln ist die selbstverständliche, unmittelbare (ggf. nur ergänzende) Anwendbarkeit von Normen des allgemeinen Schuldrechts auf privatrechtliche Ansprüche innerhalb und außerhalb des BGB (s. Rn. 99 f.). Die wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit kann hingegen nicht über den Kreis der mit § 8 Abs. 2 erfassten Subjekte hinaus erweitert werden. Es handelt sich erkennbar um eine Sonderregelung der Passivlegitimation, die nicht mit Hilfe des Deliktsrechts, auch nicht in dessen analoger Anwendung, überspielt werden darf. Eine allgemeine tätergleiche wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit für Anstifter und Gehilfen nach dem Muster des § 830 Abs. 2 BGB scheidet mithin aus.208 Die weitgehend abschließende Regelung lauterkeitsrechtlicher Schadensersatzansprüche führt dazu, dass jedenfalls überall dort, wo lauterkeitsrechtliche Tatbestände erfüllt sind, das UWG eine Sperrwirkung entfaltet. Dem Lauterkeitsrecht ist also der Vorrang gegenüber dem bürgerlichen Deliktsrecht einzuräumen, es besteht Gesetzeskonkurrenz in Form der Subsidiarität.209 Im Übrigen ist auch hier (zur umgekehrten Konstellation, in dem das Lauterkeitsrecht gegenüber dem Immaterialgüterrecht angeblich einen „ergänzenden Leistungsschutz“ gewähren soll, vgl. Rn. 86) ganz unabhängig von der systematischen Positionierung des Lauterkeitsrechts im Verhältnis zum Deliktsrecht (Spezialität oder nicht) die gesetzgeberische Prärogative zu respektieren. Der Vorrang des Lauterkeitsrechts210 greift deshalb auch dort, wo das Lauterkeitsrecht in concreto zwar keine Ansprüche generiert, der Fall aber im Regelungsbereich des UWG ressortiert, insbesondere also, soweit eine „geschäftliche Handlung“ eines Marktteilnehmers vorliegt. Wenn dann mangels Unlauterkeit oder Spürbarkeit Ansprüche nicht bestehen, kann diese vom Gesetz so gewollte Konsequenz nicht durch den Rückgriff auf das wettbewerbsunspezifische bürgerliche Deliktsrecht umgangen werden, wenn die Wettbewerbsfreiheit nicht leiden soll. Auch diesbezüglich entfaltet das Lauterkeitsrecht eine Sperrwirkung. Die h.M. ist weitgehend anderer Auffassung, ohne dass ein konsistentes dogmatisches Konzept erkennbar wäre. So nimmt die h.M. in größerem Maße Anspruchskonkurrenz (Anspruchskumulation) zwischen Lauterkeitsrecht und bürgerlichem Deliktsrecht an, so z.B. in den Fällen des sog. Brachialwettbewerbs (Beschädigung oder gar Zerstö-
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206 Dies wird auch von Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 120, eingeräumt, gleichwohl aber das Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht apostrophiert. 207 BGH 18.10.2001 – I ZR 22/99 – GRUR 2002, 618 f. – Meißner Dekor; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.2; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 57. 208 A.A. die h.M., vgl. BGH 3.7.2008 BGHZ 177, 150 = GRUR 2008, 810 Tz. 14 f. – Kommunalversicherer; Dettmar Unlauterer Wettbewerb durch Rechtsbruch nach Maßgabe des § 4 Nr. 11 UWG (2007) 160 ff.; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 21 Rn. 42; Günes WRP 2008, 731, 735; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.21 f. 209 Teilweise a.A. Peukert § 3 Rn. 62 ff. – Dies deckt sich wenigstens im Ergebnis und im Blick auf die Verjährungsfrage mit den Vorstellungen des Bundesrates, während die Bundesregierung bei Ansprüchen aus §§ 824, 826 BGB bei gleichzeitig bestehenden lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen keine Erstreckung des § 11 wünschte (vgl. BTDrucks 15/1487, S. 35, 44). Es handelt sich indes lediglich um unverbindliche Stellungnahmen in den Gesetzgebungsmaterialien, die weder in der einen noch in der anderen Richtung einen hinreichenden Ausdruck im Gesetz gefunden haben. S. sogleich näher im Text. 210 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.27; juris-PK/Ullmann Einl. Rn. 128.
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____ren fremder Betriebsmittel, körperlicher Einwirkungen auf den Konkurrenten).211 Hier ____sollen parallel zu § 4 Nr. 10 die § 823 Abs. 1 BGB und § 1004 Abs. 1 BGB (analog als delik____tischer Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch) eingreifen,212 weil das Deliktsrecht ____eine andere Perspektive habe.213 Dasselbe soll etwa bei Beleidigungen eines Mitbewer____bers gelten, also Anspruchskonkurrenz zwischen § 823 Abs. 1 wegen Verletzung des All____gemeinen Persönlichkeitsrechtes und § 4 Nr. 7214 sowie bei § 824 BGB und § 4 Nr. 8, ferner ____generell für § 826 BGB.215 ____ Den Befürwortern einer Anspruchskonkurrenz stehen vor allem die unterschiedli118 ____chen Verjährungsregelungen und örtlichen Zuständigkeiten der Gerichte vor Au____gen:216 Die Verjährung nach § 11 ist wesentlich kürzer als das, was sich aus §§ 195, 199 ____BGB (und erst recht aus § 852 BGB) ergibt. Auch der Gerichtsstand der unerlaubten Hand____lung nach § 32 ZPO kann attraktiver erscheinen als die lauterkeitsrechtliche Regelung der ____örtlichen forensischen Zuständigkeit nach § 14, weil § 32 ZPO mehrere Gerichtsstände ____generiert, wenn sich mehrere Tatorte feststellen lassen. § 14 stellt hingegen grundsätz____lich allein auf den Bezirk ab, in dem der Beklagte seine Niederlassung hat, hilfsweise auf ____dessen Wohnsitz und letztlich auf dessen inländischen Aufenthaltsort. ____ Im Grunde wird hier aber nicht dogmatisch, sondern nur vom erwünschten bzw. un119 ____erwünschten Ergebnis her argumentiert. Gewiss erscheint es auf dem ersten Blick unbe____friedigend, den Täter hinsichtlich der Verjährung zu „privilegieren“, wenn wegen der ____Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung ausschließlich § 11 UWG Anwendung finden ____soll.217 Doch ist diese deutliche Besserstellung des geschäftlich unlauter Handelnden ____letztlich nur wertungsfolgerichtig. Denn der UWG-Gesetzgeber hat nun einmal keine ____unterschiedliche Verjährung für schwere und leichte Verstöße gegen die Gebote der Lau____terkeit vorgesehen, eine Wertung, die nicht durch Rückgriff auf Deliktsrecht in Fällen ____des Brachialwettbewerbs und äquivalenter Fallkonstellationen konterkariert werden ____darf. ____ Nimmt man mit der h.M. Anspruchskonkurrenz an, so zeigt sich, wie gesagt, kein 120 ____klares Bild, gerade auch im Punkt der Verjährung.218 So ist völlig unerfindlich, weshalb ____bei Anspruchskonkurrenz zwischen lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen und solchen aus ____§§ 824 und 826 BGB erstere nach der kürzeren Frist des UWG (jetzt § 11), letztere aber ____nach BGB (jetzt §§ 195, 199 BGB) verjähren sollen, während bei Anspruchskonkurrenz ____wegen Eingriffs in das Recht am Unternehmen (s.a. sogleich Rn. 122) auch für den de____liktsrechtlichen Anspruch die kurze lauterkeitsrechtliche Verjährungsfrist gelten soll. 219 ____Denn das Argument einer unangemessenen Privilegierung des Täters, wenn dieser zu____sätzlich zu den außerwettbewerblichen Vorschriften auch noch gegen das Lauterkeits____recht verstößt, würde eine solche Differenzierung nicht tragen. Konsequent erscheint es ____hingegen, die kurze lauterkeitsrechtliche Verjährungsfrist auf deliktsrechtliche Ansprü____ ____ ____211 Ulmer/Reimer Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in Mitgliedsstaaten der Europäischen ____Wirtschaftsgemeinschaft, Bd. III (1968) Rn. 516. ____212 Außerdem kennt das bürgerlich-rechtliche Deliktsrecht die Besonderheit des § 852 BGB. ____213 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.4; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 61. 214 S. Vornote. ____215 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.7; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 63. Zum Ganzen ausführlich Harte/ ____Henning/Brüning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 128 ff. ____216 S.a. Nirk GRUR 1993, 247, 254. ____217 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.4; s.a. Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 64. 218 Die Rspr. nimmt auch gar kein Konzept in Anspruch, vgl. BGH 22.12.1961 BGHZ 36, 252 = GRUR 1962, ____310 – Gründerbildnis. ____219 BGH 12.7.1995 BGHZ 130, 288, 290 = GRUR 1995, 678, 679 – Kurze Verjährungsfrist; BGH 28.9.1973 ____GRUR 1974, 99 f. – Brünova; BGH 14.1.1999 GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen.
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che aus § 823 Abs. 2 BGB zu erstrecken, wenn die verletzten Schutzgesetze gerade solche des UWG sind (s. zu ihrer allerdings umstrittenen Existenz sogleich Rn. 124). Zuzugeben ist, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO 121 wegen der u.U. multiplen Tatorte unlauterer geschäftlicher Handlungen Wahlvorteile bei der Rechtsverfolgung verschafft. Diese Vorteile bestehen tendenziell immer noch, auch nachdem die früheren Beschränkungen der Postulationsfähigkeit weggefallen sind,220 die es dem „Hausanwalt“ eines Unternehmens verwehrt hatten, an einem anderen als dem Zulassungsgericht aufzutreten.221 Diese rechtspraktischen Vorteile können aber wiederum nicht rechtfertigen, die gesetzliche Entscheidung des § 14 für eine eingeschränktere örtliche Zuständigkeit der Gerichte zu makulieren. Das sog. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb222 (oder kür- 122 zer und vor allem unter Einbeziehung „freier“ Berufe: Recht am Unternehmen)223 verdient in seinem Verhältnis zum Lauterkeitsrecht kaum noch Beachtung.224 Ob es in seiner Existenz überhaupt anzuerkennen ist, wird mittlerweile in der Literatur wohl überwiegend verneint.225 Die Rspr. hält demgegenüber seit mehr als einem Jahrhundert an dieser Rechtsfigur fest.226 Dazu muss hier nicht eingehend Stellung genommen werden. Denn selbst bei Aner- 123 kennung eines Rechts am Unternehmen müsste es jedenfalls bei wettbewerbsbezogenen Handlungen gegenüber dem § 4, insbesondere dessen Nr. 7–10, zurücktreten,227 wenn es denn angesichts seines von vornherein selbst innerhalb des Deliktsrechts nur lückenfüllenden Charakters228 überhaupt eingreifen kann. Dass sich die lauterkeitsrechtliche Relevanz des Rechts am Unternehmen aus seinem Charakter als echter Individualschutz rechtfertige, während das UWG den institutionellen Wettbewerbsschutz verkörpere,229 ändert nichts. Denn das UWG zielt seit 2004 ausweislich seines § 1 ganz ausdrücklich auch auf den Individualschutz der Marktteilnehmer, ja, dogmengeschicht-
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220 Vgl. § 78 ZPO a.F. (bis 1999) i.V.m. §§ 18, 23 BRAO a.F. (bis 2007). 221 Allein darauf stellen aber Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 129 ab. 222 Zur überkommenen Dogmatik s. Buchner Die Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für den deliktsrechtlichen Unternehmensschutz (1971); Schippel Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (1956). Zur Entwicklung dieser Rechtsfigur und zu seiner Position im Spannungsfeld von Immaterialgüterrecht, Wettbewerbsfreiheit und Persönlichkeitsschutz s. Peifer S. 466 ff., 469 ff. 223 Katzenberger a.a.O. (Literaturverzeichnis); K. Schmidt JuS 1993, 985; Stadtmüller Schutzbereich und Schutzgegenstand des Rechts am Unternehmen (1985); s.a. Beater Medienrecht (2007) Rn. 384 ff.; ders. WRP 2009, 768, 770; Harte/Henning/Sambuc (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 131, 139. 224 S. für die früher ständige Rspr., die die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung entgegen der sonstigen Linie der Judikatur (Vorrang des UWG) als Eingriff in das Recht am Unternehmen sanktionierte, BGH 11.12.1973 BGHZ 62, 29, 32 ff. = GRUR 1974, 290, 291 f. – Maschenfester Strumpf. 225 Eingehend Katzenberger S. 11 ff., 37 ff.; Sack Recht S. 142 ff.; ders. VersR 2006, 1001, 1003 ff. (sämtlich m.w.N.); s.a. Canaris VersR 2005, 577, 582 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 59; Sack VersR 2006, 1001; teilweise a.A. MünchKommBGB/Wagner § 823 Rn. 191; für grundsätzliche Anerkennung ersichtlich auch Peifer S. 464 ff., 476 ff. 226 Im Anschluss an RG 27.2.1904 RGZ 58, 24 vgl. z.B. BGH 26.10.1951 BGHZ 3, 270 = GRUR 1952, 410 – Constanze I; BGH 9.12.1958 BGHZ 29, 65 = GRUR 1959, 282 – Stromunterbrechung, m. Anm. Schippel; ferner BGH 15.7.2005 – GSZ 1/04 – BGHZ 164, 1; jüngst BGH 15.5.2012 – VI ZR 117/11 – BeckRS 2012, 12408 Rn. 18 ff. 227 BGH 22.12.1961 BGHZ 36, 252 = GRUR 1962, 310 – Gründerbildnis; BGH 8.10.1971 BGHZ 57, 116 = GRUR 1972, 189, 191 – Wandsteckdose II; BGH 24.2.1983 GRUR 1983, 467 f. – Photokina; Beater Medienrecht (2007) Rn. 390; ders. WRP 2009, 768, 770; Katzenberger S. 46; G. Schricker AcP 172 (1972), 203, 209; MünchKommBGB/Wagner § 823 Rn. 182; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 60; Rittner/Kulka Rn. 39; Sack Recht S. 139 ff.; 176 ff. So auch schon für das Lauterkeitsrecht vor 2004; Schrauder S. 249 ff.; Schünemann Voraufl. Einl. Rn. E 68; Wilhelm FS Canaris Bd. I (2007) 1293 ff. 228 MünchKommBGB/Wagner § 823 Rn. 188. 229 So Peifer S. 478 im Jahre 2001.
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____lich erscheint gerade umgekehrt der lauterkeitsrechtliche Institutionsschutz des Wett____bewerbs als eine neuere Einsicht (s.a. Rn. 31 ff.). Von dem Vorrang des lauterkeitsrechtli____chen Schutzinstrumentariums vor einem Recht am Unternehmen ist gerade auch für die ____in diesem Zusammenhang praktisch besonders wichtige unberechtigte Schutzrechts____verwarnung230 keine Ausnahme zu machen:231 Sie ist am Maßstab des § 4 zu messen, ____wobei vor allem Nr. 1, 8 und 10 in Betracht kommen;232 soweit auf dieser Basis möglich, ____mag die bisherige Rspr. fortgeführt werden.233 ____ ____ c) UWG-Normen als Schutzgesetze? Zweifelhaft ist, ob die Normen des UWG 124 ____Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB darstellen. Dies wird man vor dem Hintergrund der ____Schutzzweckbestimmung des § 1 demzufolge das UWG gerade auch dem Schutz der ____Mitbewerber, Verbraucher („und Verbraucherinnen“)234 sowie sonstiger Marktteilnehmer ____dient, im Ansatz kaum in Abrede stellen können.235 ____ Daraus aber im Ergebnis de lege lata eine Aktivlegitimation der Verbraucher für 125 ____verbraucherbezogene lauterkeitsrechtliche Verstöße ableiten zu wollen, welche die ____§§ 8 ff. den Verbrauchern doch gerade vorenthalten (ein Gegenschluss ist angesichts des ____Gesetzestextes wohl unausweichlich), erscheint doch problematisch: Die den Verbrau____chern versagte Aktivlegitimation ist einerseits vielleicht zwar eine eklatante gesetzgebe____rische Inkonsequenz und Fehlleistung, aber eben so gewollt.236 ____ Andererseits ist in der Tat zu fragen, ob man dem Gesetzgeber, der sich mit seinen 126 ____eigenen Vorgaben in Widerspruch setzt und seine eigene Schutzzwecksetzung bezüg____lich der Verbraucherinteressen zur „inhaltsleeren Gesetzeslyrik“237 degradiert, die Ge____folgschaft versagen darf, ja, vielleicht sogar: muss, um auf dem Wege der Interpretation ____eine folgerichtige Entscheidung zu treffen.238 Immerhin ist festzustellen, dass das Zivil____recht239 auch so schon die Verbraucherinteressen breit schützt.240 Dies lässt das Vorent____halten einer lauterkeitsrechtlichen Aktivlegitimation für Verbraucher rechtspolitisch ____noch erträglich erscheinen, erscheint aber zur Zeit nicht rechtsdogmatisch begründbar. ____ ____ 230 Peifer S. 479. ____231 Ebenso Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.4, § 4 Rn. 10.176; pk-juris/Ullmann Einl. Rn. 128; Wagner/Thole ____NJW 2005, 3470 f. ____232 Zutreffend BGH 12.8.2004 – I ZR 98/02 – GRUR 2004, 958 ff. – Verwarnung aus Kennzeichenrecht ____(Vorlagebeschluss). ____233 So dürfte BGH GSZ 15.7.2005 – GSZ 1/04 – BGHZ 164, 1 = GRUR 2005, 882 ff. – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung, zu verstehen sein; Erwägungen zur Rechtsgrundlage finden sich dort jedenfalls ____nicht. S.a. Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 60. ____234 Zu dieser „höchst befremdlichen Sprachfassung“, die offensichtlich dem Bemühen um sog. ____politische Korrektheit entsprungen ist, indes gerade Frauen auf die Konsumentenrolle reduziert und eben ____dadurch diskriminiert, s. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 1 Rn. 10 m. Fn. 21. 235 Augenhofer Ansprüche S. 119 f.; dies. WRP 2006, 169, 176 f. (aus Sicht Österreichs); Emmerich ____Unlauterer Wettbewerb § 14 Rn. 8; Fezer/Fezer Einl. E Rn.102; Lehmann FS Schricker (2005) 77, 80; Sack ____GRUR 2004, 625, 629f.; Säcker WRP 2004, 1199, 1219 f.; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 20; a.A. juris____PK/Ullmann Einl. Rn. 129 (Schutzzweck nach § 1 zu weit gefasst); auch unter gemeinschaftsrechtlichem ____Aspekt M. Schmidt JZ 2007, 78, 81 ff. (jedenfalls kein Schutz des individuellen Verbrauchers). S.a. Scherer ____WRP 1992, 607 ff. 236 S.a. die Begründung des Regierungsentwurfs für das UWG 2004 zu § 8, BTDrucks 15/1487, S. 22; ____M. Schmidt JZ 2007, 78, 83. ____237 Säcker WRP 2004, 1199, 1219. ____238 So namentlich Augenhofer Ansprüche S. 120 f. ____239 Vgl. z.B. §§ 119 ff. (Anfechtung), 311 Abs. 2 (culpa in contrahendo), 434 ff./474 ff. (Mängelhaftung beim Verbrauchsgüterkauf), §§ 312 ff., 355 ff. (Informationspflichten und Widerrufsrechte bei Haustürgeschäften, ____im Fernabsatz und im elektronischen Geschäftsverkehr) BGB. ____240 S. die Überblicke bei Alexander S. 85 ff.; Köhler GRUR 2003, 265 ff.; Leistner S. 615 ff.; Sack GRUR ____2004, 625 ff.
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Eine überzeugende dogmatische Klärung der hier wirkenden Zusammenhänge steht noch aus: Möglicherweise setzt die Existenz eines breit aufgestellten zivilrechtlichen Verbraucherschutzes die Spürbarkeitsschwelle eines Lauterkeitsverstoßes (§ 3 Abs. 1) generell so herauf, dass das Lauterkeitsrecht gar nicht mehr zum Zuge kommt und sich damit auch die prekäre Frage einer diesbezüglichen Aktivlegitimation der Verbraucher nicht mehr stellt. Damit würden sich von vornherein auch diffizile Konkurrenzprobleme241 erledigen. Auf der Basis der hier angenommenen grundsätzlichen Subsidiarität des bürgerlichrechtlichen Deliktsrechts gegenüber dem Lauterkeitsrecht gibt es aber noch eine andere logische Linie: Es ist nämlich durchaus auch folgerichtig, den Rückgriff auf § 823 Abs. 2 BGB zu sperren, obwohl die Schutzgesetzqualität der UWG-Normen bejaht wird. Denn es wäre geradezu eine konstruktive Perversion, wollte man jene Normen, die § 823 Abs. 2 BGB überhaupt erst zur Anwendung bringen, im Effekt dann von eben diesem Deliktsrecht überspielen lassen. Man wird deshalb hier davon auszugehen haben, dass die Vorschriften des Lauterkeitsrechts zwar die Qualität von Schutzgesetzen haben, das Lauterkeitsrecht aber grundsätzlich zumindest bezüglich der die Verbraucher ausschließenden Aktivlegitimation Vorrang hat.242 Zu demselben Ergebnis kommt man auch, wenn man schon die Schutzgesetzqualität verneint, weil „Ansprüche und Anspruchsberechtigung wegen eines Verstoßes gegen § 3 und gegen § 7 abschließend in den §§ 8–10 geregelt“ seien.243 Dabei sollen wohl §§ 4 ff. gedanklich eingeschlossen werden. Schutzgesetzqualität und Subsidiarität haben freilich nichts miteinander zu tun.244 Die Straftatbestände des UWG, also die §§ 16 ff., sollen hingegen wie auch sonstige Strafrechtsnormen als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zu verstehen sein. Doch soll durch Auslegung zu ermitteln sein, wer nun Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB geltend machen könne. Grund dafür sei, dass die strafrechtlichen Bestimmungen keine und deshalb auch keine abschließende Regelung der zivilrechtlichen Regelungen enthielten.245 Da Straftatbestände ihrem Wesen nach allein strafrechtliche Sanktionen aussprechen, kann ihnen selbstverständlich auch keine Sperrwirkung gegenüber Privatrechtstatbeständen eignen. Insofern, aber auch nur insofern, ist das vorstehend genannte Argument überzeugend. Allerdings folgt daraus keineswegs, dass § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 16 ff. Ansprüche generiert. Denn die §§ 16 ff., die der Sache nach besonders gewichtige und eben deshalb mit Strafe belegte unlautere geschäftliche Handlungen beschreiben, sind ihrerseits jedenfalls als „Extrem- und Evidenzfälle“ von der Generalklausel des Art. 3 Abs. 1 umfasst, lauterkeitsrechtlich unzulässig246 und ziehen deshalb die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche der §§ 8 ff. nach sich. Diese bilden aber nun sehr wohl eine abschließende Regelung, sodass für § 823 Abs. 2 BGB des subsidiären Deliktsrechts kein Raum mehr ist.
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241 S. Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 68. 242 Ebenso Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 2 Rn. 8. 243 So Harte/Henning/Brüning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 137; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.5; Leistner S. 218 mit Fn. 213, 253 mit Fn. 334, 1001 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 62; M. Schmidt JZ 2007, 78, 82 f. 244 Richtig Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 2 Rn. 8. 245 BGH 30.5.2008 – 1 StR 166/07 – BGHSt 52, 227 = GRUR 2008, 818 Tz. 87 – Strafbare Werbung im Versandhandel; Alexander WRP 2004, 407, 420; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.5, § 16 Rn. 29; Piper/Ohly/ Sosnitza Einf. D Rn. 62 (die nur von „§§ 17 ff.“ sprechen). Zurückhaltend juris-PK/Ullmann Einl. Rn. 131. 246 Näher Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 63 ff., 102.
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____ d) Schutzgesetze außerhalb des UWG. Wenn Schutzgesetze außerhalb des UWG in 133 ____Rede stehen, diese aber zugleich unter § 4 Nr. 11 fallen, kann das Lauterkeitsrecht erst ____recht Vorrang beanspruchen. Es kommt also nicht zu einer Anspruchskonkurrenz zwi____schen § 9 und § 823 Abs. 2 BGB.247 ____
____ e) Haftung für Gehilfen. Fragwürdig ist hingegen der Rekurs auf § 831 Abs. 1 BGB 134 ____im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen nach § 9. Er wird damit begründet, ____dass § 8 Abs. 2 nur für den verschuldensunabhängigen Abwehranspruch nach § 8 gel____te.248 ____ Die Bedeutung dieser Vorschrift liegt in der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit 135 ____des Exkulpationsbeweises nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB, sofern den Geschäftsherrn (den ____Unternehmensträger bzw. dessen Organpersonen wie Geschäftsführer oder Vorstände) ____kein (eigenes) Auswahl- oder Leitungsverschulden trifft. Die praktische Bedeutung für ____§ 9 wird aber wohl überschätzt, weil die Rspr. in lauterkeitsrechtlichem Zusammenhang ____ganz allgemein sehr schnell mit einem Verschuldensvorwurf bei der Hand ist, sodass der ____Exkulpationsbeweis regelmäßig misslingen wird.249 Die Anwendbarkeit des § 831 Abs. 1 ____BGB dürfte also vielfach nur Steine statt Brot gewähren. Außerdem kommt ein eigenes ____Organisationsverschulden des Geschäftsherrn in Betracht, § 8 also unmittelbar greift und ____es einer Haftung aus (vermutetem) Auswahl- und Leitungsverschulden nach § 831 Abs. 1 ____BGB von vornherein nicht bedarf.250 ____ § 831 Abs. 1 BGB kann aber nur greifen, wenn das Lauterkeitsrecht im Bereich der 136 ____Haftung für Gehilfen keine abschließende Regelung trifft. Eben dies wird unter Hinweis ____auf § 8 Abs. 2 vorgetragen, da dieser nur für verschuldensunabhängige Abwehransprü____che gelte.251 Das Argument stützt sich ersichtlich allein auf den Wortlaut des § 8 Abs. 2. ____Teilt man die Auffassung, dass bürgerliches Deliktsrecht ohnehin nur analog (und selbst ____dies nur in engen Grenzen) herangezogen werden kann (s. Rn. 111 f.), so liegt indes eine ____Analogie zu dem lauterkeitsrechtlichen § 8 Abs. 2 für Schadensansprüche und die damit ____im Zusammenhang stehenden Auskunftsansprüche nach § 9 näher (s.a. Rn. 113). ____ Diese Analogie stützt sich auch darauf, dass § 8 Abs. 2 von der herrschenden Ge137 ____genmeinung als verschärfende, zu einer Erfolgshaftung für Gehilfenverschulden füh____rende Sonderregelung gegenüber § 831 Abs. 1 BGB gesehen wird.252 Dies legt eine ab____schließende Regelung nicht nur für lauterkeitsrechtliche Abwehransprüche, sondern ____auch für diesbezügliche Schadensersatzansprüche nahe. Denn gerade Schadensersatz____ansprüche sind die spezifische Regelungsmaterie des § 831 Abs. 1 BGB. Außerdem bliebe ____ansonsten völlig offen, warum eine solche verschärfte, keine Exkulpation ermöglichende ____Haftung als Ausgleich für arbeitsteilige Organisation und dadurch erhöhte Effizienz und ____ ____ ____ ____247 A.A. z.B. BGH 6.12.2001 – I ZR 14/99 – GRUR 2002, 987, 993 – Wir Schuldenmacher; Rittner/Kulka ____Rn. 40. ____248 BGH 12.6.1997 GRUR 1998, 167, 169 – Restaurantführer. ____249 Vgl. z.B. BGH 7.3.1969 GRUR 1969, 418, 422 – Standesbeamte; besonders deutlich beim Rechtsirrtum: z.B. BGH 8.1.1960 GRUR 1969, 331 ff. – Schleuderpreise BGH 30.10.1962 GRUR 1963, 197, 202 ____– Zahnprothesenpflegemittel; BGH 30.9.1964 GRUR 1965, 198, 202 – Küchenmaschine; BGH 23.5.1975 ____GRUR 1975, 667, 669 – Reichswehrprozess; BGH 10.10.1989 GRUR 1990, 474, 476 – ____Neugeborenentransporte, m.w.N. ____250 Piper/Ohly/Sosnitza § 9 Rn. 26. 251 Piper/Ohly/Sosnitza § 9 Rn. 26. ____252 Baumbach/Hefermehl § 13 Rn. 60, 62; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 143; zur Funktion der Norm ____grundsätzlich a.A. Schünemann WRP 1998, 120 ff. (für § 13 Abs. 2 a.F.), aber insoweit ohne Konsequenz für ____die Ausführungen im Text.
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erweiterten geschäftlichen Wirkungskreis253 gerade vor Schadensersatzansprüchen nach § 9 haltmachen sollte.254 e) Zusammenfassung. Rückblickend besteht zwischen Lauterkeitsrecht und De- 138 liktsrecht keine Anspruchskonkurrenz: Entweder fehlt es dem Sachverhalt an Wettbewerbsbezug, sodass das Lauterkeitsrecht nicht eingreift, oder, in Fällen mit Wettbewerbsbezug, bei denen prima facie auch bürgerlich-rechtliche Deliktstatbestände erfüllt sind, entfaltet das Lauterkeitsrecht gegenüber dem Deliktsrecht aufgrund dessen Subsidiarität eine Sperrwirkung.255 3. UWG und Bereicherungsrecht. Das Verhältnis von Lauterkeits- und Bereiche- 139 rungsrecht (§§ 812 ff. BGB) findet in der neueren Diskussion256 nur wenig Beachtung.257 Grund dafür dürfte zunächst sein, dass Bereicherungsansprüche (in näheren Betracht kommt nur die Eingriffskondiktion)258 nach traditioneller Vorstellung den Eingriff in eine mit Zuweisungsgehalt versehene Rechtsposition voraussetzen, wie sie ihn absolute Rechte aufweisen.259 Solche absolut, also jedermann gegenüber, geschützte Rechtspositionen kennt das Lauterkeitsrecht jedoch nach richtiger Auffassung überhaupt nicht, auch nicht in Gestalt eines das Immaterialgüterrecht „ergänzenden Leistungsschutzes“ mit Ersatz-Ausschließlichkeitsrechten (vgl. Rn. 83 ff.). Das sog. Recht am Unternehmen (Recht am eingerichteten und ausgeübten Ge- 140 werbebetrieb) weist einen solchen Zuweisungsgehalt als bloßes Rahmenrecht jedenfalls nicht auf,260 wenn man seine Existenz einmal unterstellt (s. Rn. 122). Eine Anspruchskonkurrenz zwischen Lauterkeitsrecht und bürgerlichem Deliktsrecht scheidet somit von vornherein aus. Vor allem aber stellt sich auch hier die Frage eines Vorrangs des Lauterkeits- 141 rechts. Denn ersichtlich ist der vollkommen neuartige § 10 „eine legislatorische Konstruktion ohne Vorbild“,261 doch an das bürgerlich-rechtliche Bereicherungsrecht angelehnt,262 wenngleich das Merkmal „auf Kosten“ des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB in § 10 als „zu Lasten“ erscheint. Allerdings ist der Destinatär des abgeschöpften Gewinns der Staat,
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253 BGH 19.12.2002 – I ZR 119/00 – GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten; BGH 19.4.2007 – I ZR 92/04 – GRUR 2007, 994 Tz. 19 – Gefälligkeit; BGH 28.6.2007 – I ZR 153/04 – GRUR 2008, 186 Tz. 22 – Telefonaktion; s.a. BGH 5.4.1995 GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; Beater Rn. 2728; Hahn S. 186 ff.; Köhler GRUR 1991, 344, 346. 254 S.a. Beater Rn. 2734, der in diesem Zusammenhang nur ausführt, vertragliche (Schadensersatz-) Ansprüche erfasse § 8 Abs. 2 nicht; für sie gelte § 278 BGB. Die Nichterwähnung lauterkeitsrechtlicher Schadensersatzansprüche sollte allerdings nicht überinterpretiert werden. 255 Zu dieser Quintessenz s. schon v. Bar Deliktsrecht, in Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts Bd. II (1981) 1681 ff., 1719: Größte Zurückhaltung gegenüber deliktsrechtlicher Haftung in einer freien Marktwirtschaft beim Versuch des Vermögensschutzes sei ganz allgemein geboten. 256 Für die Zeit vor dem UWG 2004 s. z.B. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. E 81 ff. sowie Baumbach/ Hefermehl Einl. UWG Rn. 417 ff.; Brandner GRUR 1980, 359, 364; Haines S. 93 ff.; Köhler NJW 1992, 1477 ff.; Loewenheim WRP 1997, 913 ff. 257 S. z.B. Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß Vor §§ 8 ff. Rn. 27 ff. 258 Vgl. § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB: „in sonstiger Weise“, also nicht durch Leistung, insbesondere durch Eingriff. 259 BGH 9.3.1989 BGHZ 107, 117 = GRUR 1990, 221 – Forschungskosten; Mestmäcker JZ 1958, 521 ff.; Raiser JZ 1961, 465, 468. Weitergehend z.B. Kleinheyer JZ 1970, 471, 473: Nutzung eines fremden Rechtsguts ausreichend. 260 BGH 14.2.1978 BGHZ 71, 86, 98 = GRUR 1978, 492, 495 f. – Fahrradgepäckträger II. 261 Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 10 Rn. 11. 262 Piper/Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 1.
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____weder die Aktivlegitimierten, noch die faktisch ohnedies nicht identifizierbare „Vielzahl ____von Abnehmern“. ____ Auch wenn es sich dabei um eine Fehlkonstruktion des Gesetzgebers handeln soll142 ____te,263 ist diese der Sache nach bereicherungsrechtliche Sonderregelung zu respektieren ____und kann nicht mit bürgerlich-rechtlichen Konstruktionen umgangen werden. Vor dem ____UWG 2004 existierte eine dem § 10 vergleichbare Regelung nicht, sodass die damals an____gestellten Erwägungen zu einer Anspruchskonkurrenz zwischen Lauterkeitsrecht und ____§§ 812 ff. BGB wegen Lückenhaftigkeit des UWG264 obsolet sind. ____ Die Rspr. hat sich ohnehin zu keiner Zeit einer Anspruchskonkurrenz von Lauter143 ____keits- und Bereicherungsrecht zugeneigt gezeigt. 265 Grund dafür ist wohl vor allem die ____von ihr seit Langem entwickelte dreifach mögliche Schadensberechnung im Rahmen ____(jetzt) des § 9.266 ____ Vor allem in der Variante einer Abschöpfung des Verletzergewinns verkörpert die 144 ____dreifache Schadensberechnung in Wahrheit Kondiktionsrecht267 und macht damit einen ____Rückgriff auf die §§ 812 ff. BGB weitgehend entbehrlich, wenn man einmal davon absieht, ____dass ein Bereicherungsanspruch nach §§ 812 ff. BGB im Gegensatz zu §§ 9 f. kein Ver____schulden voraussetzt. Doch war die Rspr. in der Vergangenheit im Lauterkeitsrecht mit ____der Bejahung eines Verschuldens durchweg schnell bei der Hand, sodass der Unter____schied in den Anspruchsgrundlagen in den praktischen Ergebnissen doch marginal ____ist.268 ____ Zusammenfassend ist zu sagen, dass auch §§ 812 ff. BGB gegenüber dem Lauterkeits145 ____recht subsidiär sind, sofern in concreto seine tatbestandlichen Voraussetzungen über____haupt einmal erfüllt sein sollten.269 Die Konkurrenzfrage hat insgesamt gesehen wenig ____praktische Relevanz: Entweder ist (wohl selten genug)270 § 10 erfüllt und entfaltet dann ____gegenüber §§ 812 ff. BGB eine Sperrwirkung, oder es liegt zwar eine geschäftliche Hand____lung vor, ohne dass die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 erfüllt sind, ____dann ist ein Rückgriff auf §§ 812 ff. BGB wegen des abschließenden Charakters der lau____terkeitsrechtlichen Regelung ebenfalls ausgeschlossen. Im Übrigen bietet die dreifach ____mögliche Schadensberechnung im Rahmen des § 9 ausreichende Flexibilität, um prakti____schen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. ____ ____ 4. UWG und Vertragsrecht ____ ____ a) Ausgangspunkt. Lauterkeitsrecht und Vertragsrecht berühren sich an vielen 146 ____Stellen, allein schon bedingt durch das Wesen des ökonomischen Wettbewerbs heraus, ____ ____ ____263 S. schon die Bedenken des Bundesrats BTDrucks 15/1487, S. 34 f.; in derselben Richtung z.B. Engels/Salomon WRP 2004, 32, 42; Sack WRP 2003, 549 ff.; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 16; a.A. z.B. ____Stadtler/Micklitz WRP 2005, 559 ff. ____264 Brandner GRUR 1980, 359, 364; Haines S. 93 ff.; Köhler Voraufl. Vor § 13 B Rn. 352 ff.; Loewenheim ____WRP 1997, 913 f. ____265 BGH 17.5.1960 GRUR 1960, 554, 557 – Handstrickverfahren; BGH 9.3.1989 BGHZ 107, 117 = GRUR ____1990, 221 f. – Forschungskosten. 266 S. überblicksweise Heermann GRUR 1999, 625 ff. ____267 Vgl. BGH 23.6.2005 – I ZR 263/02 – GRUR 2006, 143, 145 – Catwalk, schon für die weniger deutlich ____bereicherungsrechtlich aufgeladene Schadensberechnung auf der Grundlage einer fiktiven ____Lizenzanalogie. ____268 Durchaus selbstkritisch BGH 30.11.1976 GRUR 1977, 250 – Kunststoffhohlprofil I. S.a. Haines S. 157. 269 Kategorisch gegen Anspruchskonkurrenz auch Fikentscher Deutsches Wirtschaftsrecht Bd. II (1983) ____§ 22 XI 10 (A) (a). ____270 Vgl. z.B. OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435 – Veralteter Matratzentest; OLG ____Frankfurt/M. 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265 – Abo-Fallen.
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da die Marktbeteiligten das jeweilige wettbewerbliche Vertikalverhältnis, nämlich ihre Austauschbeziehungen (vgl. Einl. A Rn. 46, 50 f.), durchweg vertraglich organisieren.271 Darüber hinaus nähern sich insbesondere Verbraucherprivatrecht und Lauterkeitsrecht immer stärker einander an, maßgeblich getrieben durch Gemeinschaftsrecht.272 Diese (zunehmende) Nähe macht es notwendig, auf einen Wertungsgleichlauf in beiden Rechtsmaterien zu achten,273 obwohl Lauterkeits- und Vertragsrecht jeweils unterschiedliche Perspektiven haben und deshalb eigenständig sind.274 Diese jeweilige Eigenständigkeit von Lauterkeitsrecht und Vertragsrecht wird 147 auch durch das Gemeinschaftsrecht trotz der von ihm initiierten axiologischen Annäherung nicht in Frage gestellt. So unterstreicht Art. 3 Abs. 2 der RL 2005/29/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern), dass die dortigen Normierungen das Vertragsrecht unberührt lassen. Die Eigenständigkeit beider Rechtsgebiete hat zur Folge, dass lauterkeits- und ver- 148 tragsrechtliche Normen prinzipiell nebeneinander herlaufen. 275 Insbesondere besteht zwischen lauterkeits- und vertragsrechtlichen Ansprüchen Anspruchskonkurrenz (Anspruchskumulation). Sie kann schlechterdings wohl überhaupt nur bei Schadensersatzansprüchen (§ 9 einerseits und z.B. § 280 BGB andererseits) praktisch werden, weil das Vertragsrecht Abwehransprüche in Parallele zu dem lauterkeitsrechtlichen § 8 nicht kennt. Die Ansprüche aus § 8 ähneln vielmehr denjenigen zur Verteidigung absolutrechtlicher Positionen,276 hier allerdings bezogen auf die Verteidigung der Wettbewerbsordnung als ganzer,277 denn auf eine individuelle Betroffenheit kommt es für die lauterkeitsrechtliche Aktivlegitimation für Abwehransprüche gar nicht an. b) Vertragsnichtigkeit wegen Unlauterkeit? Fraglich ist, inwieweit die Unlauter- 149 keit einer geschäftlichen Handlung auf die Wirksamkeit der mit dieser Handlung im Zusammenhang stehenden (Basis- und Folge-)Verträge über § 138 Abs. 1 BGB Einfluss nimmt. Schon vor der Reform des Lauterkeitsrechts 2004 bestand weithin Klarheit darüber, dass wegen der substanziellen Verschiedenheit des Begriffs der „guten Sitten“ in § 1 UWG a.F. und § 138 Abs. 1 UWG keine Automatik zwischen beiden Normen bestehe, also von genereller Vertragsnichtigkeit wegen lauterkeitsrechtlich unzulässigem Verhalten keine Rede sein könne.278 Daran hat sich für das geltende Lauterkeitsrecht nichts
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271 Eingehend zur komplexen Beziehung von Vertrag und Wettbewerb unter funktionalem Aspekt Alexander S. 28 ff., 38 ff. 272 Näher M. Schmidt JZ 2007, 78 ff. 273 Alexander WRP 2012, 515, 519, 522; Beater WRP 2009, 768, 776; Leistner passim, z.B. S. 265 ff., 615 ff., 653 ff., 1084. 274 Beater Rn. 86 f. 275 Alexander S. 20 ff., 45, 49 f., 85 ff. und öfter; Beater Rn. 87. 276 S.a. MünchKommBGB/Baldus § 1004 Rn. 5. 277 Die Aktivlegitimierten handeln insoweit als „Funktionäre des Allgemeininteresses“ an der Bewährung der wettbewerblichen Wirtschaftsordnung (s. bereits Schünemann Wettbewerbsrecht S. 238 f.; ders. Voraufl. Einl. Rn. D 40 ff., jeweils m.w.N.) mit weitreichenden Konsequenzen, etwa bezüglich der (ausgeschlossenen) Anspruchsverwirkung wegen „unclean hands“. 278 S. nur BGH 25.1.1990 BGHZ 110, 156 ff. = GRUR 1990, 522 – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz; BGH 14.5.1998 GRUR 1998, 945 f. – Co-Verlagsvereinbarung; Alexander S. 98 f. m.w.N.; Köhler GRUR 2003, 265, 267; s. aber auch Sack WRP 1974, 445, 448; ders. WRP 1985, 1, 4.
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____geändert,279 zumal dieses schon terminologisch Abschied von den „guten Sitten“ ge____nommen hat.280 ____ § 138 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich nur dann eingreifen, wenn der Inhalt des 150 ____Rechtsgeschäfts, insbesondere also eines Vertrages, gegen die „guten Sitten“ verstößt. ____Welcher Maßstab dabei angelegt werden muss – im Wege der Rezeption außerrechtlicher ____Wertungen z.B. Sittlichkeit, Moral, Gesinnungsethik, oder unmittelbar die im Gesamtsys____tem der Rechtsordnung als Rechts- und Sozialethik immanenten Wertungen – ist unsi____cher, aber hier nicht zu entscheiden.281 Die Messlatte liegt in jedem Fall hoch: nur der ____Verstoß gegen elementare Werte kann Grundlage des Sittenwidrigkeitsurteils sein und ____damit der Privatautonomie der Vertragspartner eine Grenze setzen.282 ____ Schon wegen dieser Fokussierung des § 138 Abs. 1 BGB auf den Vertragsinhalt283 151 ____wird eine Konkurrenzsituation mit einem lauterkeitsrechtlichen Verbotstatbestand nur ____selten auftreten, da das Lauterkeitsrecht sein Augenmerk in den §§ 4 ff. eher auf Modali____täten und Methoden legt, in die das Vertragsgeschehen eingebunden ist. ____ Allerdings sollen ausnahmsweise auch die Vertragsumstände innerhalb des § 138 152 ____Abs. 1 zu berücksichtigen sein, wenn sie in ihrer Gesamtheit dem Vertrag den Stempel ____der Sittenwidrigkeit aufdrücken.284 Doch wird selbst diese (fragwürdige) tatbestandliche ____Erweiterung nur sehr selten zu einer Normenkonkurrenz i.S. eines gleichzeitigen Eingrei____fens von § 138 Abs. 1 BGB und §§ 3 ff. führen können: Erstens ist die Zielrichtung beider ____Normen völlig unterschiedlich (Setzung äußerster Grenzen der Vertragsfreiheit einer____seits, Sicherung des unverfälschten Wettbewerbs andererseits), und zweitens ist die Ein____griffsschwelle bei § 138 Abs. 1 BGB noch weit höher als das unter der Leitidee der Wett____bewerbsfreiheit interpretierte Lauterkeitsrecht. ____ Normenkonkurrenz wird für möglich gehalten zwischen § 138 Abs. 2 BGB (Wucher) 153 ____und § 4 Nr. 2.285 Dies liegt nach der tatbestandlich umschriebenen Situation beider Vor____schriften zwar nahe, doch liegen die Probleme tiefer. ____ Ein prinzipielles Problem besteht allerdings auf Seiten des § 138 Abs. 2 BGB im 154 ____Tatbestandsmerkmal des „auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleis____tung“. Diese Verhältnisbestimmung setzt gedanklich den Bezugspunkt eines außerhalb ____des Vertrages angesiedelten angemessenen Verhältnisses der synallagmatischen Leis____tungen voraus. Diesen Bezugspunkt kann es jedoch in einer Marktwirtschaft, in der sich ____Preise durch Angebot und Nachfrage für jede Transaktion erst bilden, nicht geben.286 ____ Auch der empirisch erhobene, wie auch immer gemittelte Marktpreis ist als Maßstab 155 ____abwegig: Der sog. Marktpreis ist das aggregierte Resultat der diesbezüglichen individuel____len Transaktionen. Ihn als normative Größe benutzen zu wollen, stellt die ökonomischen ____Dinge auf den Kopf. § 138 Abs. 2 BGB ist insoweit schlechthin nicht zu exekutieren; er ____ ____ 279 Leistner S. 892 ff.; M. Schmidt JZ 2007, 78, 83 f. ____280 Harte/Henning/Brüning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 145; Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.8; ____Leistner S. 527 ff. ____281 Dazu etwa BVerfG 15.1.1958 BVerfGE 7, 198, 206; BVerfG 16.10.1968 BVerfGE 24, 236, 251 = GRUR ____1969, 137, 140 – Aktion Rumpelkammer; BGH 9.2.1978 BGHZ 70, 313, 324. ____282 BGH 8.12.1982 BGHZ 86, 82, 88; BGH 28.2.1989 BGHZ 107, 92, 97; BGH 19.1.2001 – V ZR 437/99 – BGHZ 146, 298, 301. ____283 Der Inhaltsbezug gilt auch für § 138 Abs. 2 BGB: Leistungs- und Gegenleistungspflicht sind ja der ____Kern der synallagmatischen Vertragsbeziehung. ____284 BGH 31.3.1970 BGHZ 53, 369, 376; BGH 17.10.2003 – V ZR 429/02 – NJW 2003, 3692 f.; BGH 29.6.2005 ____– VIII ZR 299/04 – NJW 2005, 2991 f.; Nasall NJW 2006, 127; Sack GRUR 2004, 625, 627; a.A. M. Schmidt JZ 2007, 78, 83 f.; Stürner ZZP 119 (2006) 219 f. ____285 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.9. ____286 Hierzu und zum Folgenden Schünemann FS Brandner 279, 286 ff. (dort auch weitere Gründe dafür, ____dass § 138 Abs. 2 BGB obsolet und unanwendbar ist); s.a. ders. Wirtschaftsprivatrecht, 6. Aufl. (2011) 85.
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beruht auf einem dogmengeschichtlichen Atavismus, der vergeblichen Suche nach einem pretium iustum. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass speziell ein nach § 4 Nr. 2 unlauteres geschäftliches Handeln keine Vertragsnichtigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB zur Folge hat. Ähnliche Grundsatzprobleme birgt auch § 134 BGB, wie allein schon die ausufernde, wenig konsistente Kasuistik erweist.287 Diese Inkonsistenz zeigt sich auch in der Einschätzung der Unlauterkeitstatbestände als Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB: Sie wurde früher höchstrichterlich durchweg verneint,288 doch wird sie für §§ 3 und 7 (zumindest im Grundsatz) nun auch bejaht,289 obwohl sich die Gesetzeslage insoweit nicht geändert hat. Zutreffend für die Beurteilung der Wirksamkeit dieser sog. Folgeverträge, die also unter Umständen geschlossen wurden, die Unlauterkeitstatbestände erfüllen, erscheint die ablehnende Position. Denn auch § 134 BGB stellt (wie § 138 Abs. 1 BGB) darauf ab, ob ein Vertrag gegen den Inhalt(!) eines Gesetzes verstößt; die lauterkeitsrechtlichen Normen bestimmen jedoch nicht den Inhalt von Verträgen. Dass es sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handele, nämlich der unlauteren geschäftlichen Handlung (z.B. irreführender Werbung) und dem daran anknüpfenden Vertrag,290 mag natürlicher Betrachtungsweise entsprechen, ist für die vertragsrechtliche Wertung aber nicht zwingend. Die Unlauterkeitstatbestände stellen mithin grundsätzlich keine Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB dar291 und lassen deshalb die Wirksamkeit von Folgeverträgen unberührt. Aber auch die Gegenmeinung ist nicht gezwungen, mit § 134 BGB die Nichtigkeit solcher sog. Folgeverträge zu bejahen. Denn § 134 BGB stellt diese Rechtsfolge unter den Vorbehalt, dass „sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Dies lässt interpretatorischen Spielraum für die Annahme unberührt bleibender Vertragswirksamkeit.292 Gegen die Beurteilung von Folgeverträgen als nichtig sprechen in bestimmten Konstellationen auch Gründe der Wertungsfolgerichtigkeit. Bei Anwendung psychologischen Kaufzwangs (§ 4 Nr. 1), bei irreführender Werbung (§ 5) und ähnlichen mit Willensmängeln auf der Marktgegenseite einhergehenden Marketingaktivitäten ist nach der bürgerlich-rechtlichen Systematik der hier wirkende Motivirrtum grundsätzlich unbeachtlich und soll allenfalls, selbst bei Arglist, nur zur Anfechtung berechtigen (arg. §§ 119, 123 BGB). Dem betroffenen Vertragspartner soll also nur die Option gegeben werden, die Nichtigkeit herbeizuführen (§ 142 Abs. 1 BGB), umgekehrt eben die Möglichkeit belassen werden, an dem Vertrag festzuhalten. Diese Alternative würde durch Annahme einer Vertragsnichtigkeit ex lege indes entfallen. Von der vorgenannten Fallgestaltung zu unterscheiden sind sog. Basisverträge, Verträge also, die zu unlauterem Verhalten verpflichten. Sie werden vielfach unter § 134
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287 Vgl. z.B. MünchKommBGB/Armbrüster 6.Aufl. (2012) § 134 Rn. 50 ff. 288 BGH 25.1.1990 BGHZ 110, 156, 175 = GRUR 1990, 522, 528 – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz; BGH 14.5.1998 GRUR 1998, 945, 947 – Co-Verlagsvereinbarung; s.a. OLG Hamburg 25.3.1993 GRUR 1994, 65 – Fruchtziehung; Alexander S. 92 ff., 97; Baumbach/Hefermehl § 1 Rn. 913 m.w.N.; a.A. Reich JZ 1975, 550, 553; Reichelsdorfer WRP 1998, 142, 144. 289 BGH 26.2.2009 – I ZR 106/06 – GRUR 2009, 606 Tz. 11 – Buchgeschenk vom Standesamt; Köhler/ Bornkamm Einl. Rn. 7.8. 290 v. Gamm WRP 1974, 1 ff.; Traub GRUR 1980, 678 ff. 291 BGH 25.1.1990 BGHZ 110, 156, 175 = GRUR 1990, 522, 528 – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz; BGH 14.5.1998 GRUR 1998, 945, 947 – Co-Verlagsvereinbarung. Für die Literatur unter der Geltung des reformierten UWG s. namentlich Beater Rn. 87; Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß E 2 Rn. 10; Harte/Henning/Brüning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 145; grundsätzlich auch Leistner S. 527 ff., 533; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn 67; Sack GRUR 2004, 625 f. 292 Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 7.8; näher ders. JZ 2010, 767 ff.
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____BGB subsumiert und für nichtig angesehen, wenn eben dies Vertragsinhalt ist293 und ____nicht lediglich die Gefahr besteht, dass eine Vertragsverpflichtung auf unlautere Weise ____erfüllt wird.294 Es wird aber auch dafür plädiert, solche Basisverträge nach den Vorschrif____ten über die anfängliche rechtliche Unmöglichkeit der Leistung (§§ 311a/275 Abs. 1 BGB) ____zu behandeln,295 also Wirksamkeit des Vertrages bei eventuell ausgelösten Schadens____oder Aufwendungsersatzansprüchen (§ 311a Abs. 2 BGB) anzunehmen. ____ Diese Auffassungen überzeugen nur teilweise: Geht man davon aus, dass die Un163 ____lauterkeitstatbestände grundsätzlich keine Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB darstellen, so ____kann sich daran nichts ändern, nur weil Vertragsinhalt auf unlauteres Verhalten gerich____tet ist. Dies ist der richtige Kern jener soeben zitierten Auffassung, die § 134 BGB auch auf ____Basisverträge nicht anwendet. ____ Allerdings ist dem daraus gezogenen Schluss, Basisverträge dem § 311a BGB zu un164 ____terwerfen, nicht beizutreten. Denn er setzt sich mit seiner eigenen Grundannahme in ____Widerspruch und bewegt sich in einem logischen Zirkel: Die rechtliche Unmöglichkeit ____der versprochenen Leistung müsste sich ja überhaupt erst aus § 134 BGB ergeben, der ____indes gerade nicht eingreifen soll. Auch Basisverträge sind deshalb grundsätzlich als ____wirksam anzusehen. ____ Eine Ausnahme, also Vertragsnichtigkeit nach § 134 BGB, mag zu erwägen sein, 165 ____wenn der Vertragsinhalt auf ein Verhalten gerichtet ist, das lauterkeitsrechtlich straf____bedroht ist (§§ 16 ff.), sofern man die Strafandrohung als wichtiges Indiz für ein Verbots____gesetz i.S.d. § 134 BGB akzeptiert.296 Die Rspr. verlangt hier grundsätzlich die Strafbarkeit ____beider Parteien.297 Sie kann sich insbesondere aus der Strafbarkeit auch der Anstiftung ____(§ 26 StGB) ergeben. ____ ____ c) Unlauterkeit der Vertragsdurchführung? Es entsprach vor dem Inkrafttreten 166 ____des UWG 2008 der allgemeinen Meinung, dass Lauterkeitsrecht und Vertragsrecht jeden____falls insoweit klar voneinander getrennt seien, als das Lauterkeitsrecht nur Verhalten ____bis zum Vertragsschluss in den Blick nehme, nicht jedoch das auf die Vertragsdurch____führung bezogene Verhalten der Parteien, insbesondere auch nicht Leistungsstörungen. ____Dies wurde ursprünglich aus dem nach § 1 UWG a.F. maßgeblichen Anknüpfungspunkt, ____dem Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gefolgert, das ____seine Erfüllung und Grenze in der Marktentscheidung der Marktgegenseite, also im Ver____tragsschluss fand.298 ____ Auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 brachte insoweit keine sachliche Änderung, weil 167 ____auch er i.S.d. bisherigen Doktrin auf die Förderung von „Absatz“ oder „Bezug“ von Gü____tern und damit wie bisher auf den Vertragsschluss als Zäsur zwischen Lauterkeits- und ____Vertragsrecht abstellte. Zwischen Lauterkeits- und Vertragsrecht war somit im (nicht ____ ____293 Z.B. Verträge über redaktionell getarnte Werbung oder unlauteres product placement (§ 4 Nr. 2) oder ____über die Durchführung irreführender Werbung. S.a. juris-PK/Ullmann Einl. Rn. 134; Lorenz WRP 2008, ____1494, 1498. ____294 BGH 14.5.1998 GRUR 1998, 945, 947 – Co-Verlagsvereinbarung; BGH 26.2.2009 – I ZR 106/06 – GRUR ____2009, 606 Tz. 13, 22 – Buchgeschenk vom Standesamt; Leistner S. 535 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 67; Sack GRUR 2004, 625 f. ____295 Köhler JZ 2010, 767, 769 f. ____296 So MünchKommBGB/Armbrüster § 134 Rn. 51. ____297 Vgl. z.B. BGH 12.7.1962 BGHZ 37, 363, 365; BGH 12.1.1970 BGHZ 53, 152, 157; BGH 10.12.1975 BGHZ 65, ____368, 370; BGH 22.9.1983 NJW 1984, 229; s.a. Palandt/Ellenberger § 134 Rn. 8. 298 BGH 21.4.1983 GRUR 1983, 451 ff. – Ausschank unter Eichstrich I; BGH 7.5.1986 GRUR 1986, 816, 819 ____– Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGH 10.12.1986 GRUR 1987, 180 f. – Ausschank unter ____Eichstrich II; BGH 14.4.1994 GRUR 1994, 640 f. – Ziegelvorhangfassade; Schünemann Voraufl. Einl Rn. D ____250 m.w.N., z.B. Bauer Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs (1991) 34 ff.
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vollkommen durchgehaltenen) Grundsatz keine Normenkonkurrenz im Bereich der Vertragsdurchführung möglich.299 Nunmehr stellen §§ 3 ff. auf eine „geschäftliche Handlung“ ab, die nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 „vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss“ vorliegen kann. Dies hat die Frage aufgeworfen, ob damit „die systematische Trennung von Lauterkeitsrecht und Vertragsrecht, namentlich Leistungsstörungsrecht (…) obsolet“ geworden ist.300 Dies wird sowohl verneint301 als auch bejaht.302 Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 legt nahe, dass unlautere „geschäftliche Handlungen“ mit Vertragsbezug nunmehr auch nach Vertragsschluss in Betracht kommen, sich die Rechtslage mit dem UWG 2008 mithin geändert hat. Ausgangspunkt weiterer Überlegungen ist, dass Vertragsverletzungen nach wie vor nicht per se unlauter sind.303 Damit stellt sich die Frage sachgerechter Abgrenzungen. Teilweise deuten sich Antworten bereits auf Tatbestandsebene an. So scheidet als Rechtsgrundlage § 3 Abs. 1 in aller Regel bereits deshalb aus, weil er als eigenständige Verbotsnorm auf „Extrem- und Evidenzfälle“ unlauteren Verhaltens zu beschränken ist;304 um solche dürfte es sich bei Vertragsverletzungen aber kaum jemals handeln. In Betracht kommen allenfalls vorsätzliche, völlig grundlose Erfüllungsverweigerung oder massivste vorsätzliche Schutzpflichtverletzung, etwa als Körperverletzungen zu Lasten des Vertragspartners. Aber auch insoweit bleibt der Wettbewerbsbezug und damit die Unlauterkeit des inkriminierten Verhaltens unklar. Die Unlauterkeit einer Vertragsverletzung kann sich mithin wohl nur aus einem speziellen Unlauterkeitstatbestand ergeben. Hier fällt § 4 Nr. 11 ins Auge. Diese Norm scheidet indes als Rechtsgrundlage ebenfalls aus: Wer einem vertraglichen Pflichtenprogramm nicht nachkommt, handelt damit nicht einer „gesetzlichen Vorschrift“ zuwider. Bei Nichtleistung, Schlechtleistung und Leistungsverzögerung kann ferner an § 5 Abs. 1 gedacht werden. Zwar kann auch eine (pflichtwidrige) Unterlassung eine geschäftliche Handlung darstellen,305 doch ist es völlig überzogen, allein schon in dem Unterlassen des vertraglich geschuldeten Verhaltens eine Handlung zu sehen, die geeignet ist, konkludent z.B. über die „Ausführung“, „Beschaffenheit“ oder den „Zeitpunkt“ der Lieferung oder sonstigen Leistung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1) zu täuschen. Dabei käme es nicht
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299 Vgl. zusätzlich zu den Nachweisen in der Vornote BGH 29.3.2007 – I ZR 164/04 – GRUR 2007, 987 Tz. 24 – Änderung der Voreinstellung. 300 Scherer WRP 2009, 761 ff. 301 Teilweise noch aus Sicht der RL 2005/29/EG, die mit der jetzigen Fassung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 umgesetzt werden soll, sich textlich aber nicht mit ihr deckt, Glöckner/Henning/Bodewig WRP 2005, 1311, 1326; Köhler WRP 2007, 1393 ff.; ders. WRP 2008, 109, 111; ders./Bornkamm Einl. Rn. 7.13a; Scherer WRP 2009, 761, 767. 302 Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 10; Kulka DB 2008, 1548, 1551; Leistner S. 597 f.; Piper/ Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 66; Sosnitza WRP 2008, 1014, 1017. 303 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 66. 304 So Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 77 f., 97 ff., 102 ff.; ders. WRP 2004, 925, 927. Ausdrücklich zustimmend Boesche Rn. 16; in der Sache zumindest tendenziell ebenso Fezer/Fezer § 3 Rn. 167; Groner Der Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG zur Bestimmung der Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung (2008) 215 ff.; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 9; Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 7; a.A. etwa Beater Rn. 1060 (der den Gegenstand der einschlägigen Diskussion in die Nähe einer „Scheinproblematik“ rückt); Götting/Nordemann/Wirtz § 3 Rn. 7, 86. Auch die Rspr. neigt zu dieser bedenklich weiten Anwendung des § 3 Abs. 1 als eigenständigem Verbotstatbestand, vgl. z.B. BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426 Tz. 16 – Direktansprache am Arbeitsplatz II; BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – GRUR 2007, 890 Tz. 22 – Jugendgefährdende Medien bei ebay; BGH 22.11.2007 – I ZR 183/04 – GRUR 2008, 262 Tz. 9 – Direktansprache am Arbeitsplatz III; OLG Hamburg 28.9.2006 – 3 U 78/05 – WRP 2007, 210 ff. – Fliegerzeitschrift; OLG Hamburg 15.1.2007 – 3 U 240/06 – WRP 2007, 557 – Testhinweise ohne Fundstelle. 305 Harte/Henning/Keller (2. Aufl. 2009) § 2 Rn. 16.
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____einmal darauf an, ob der Vertragspartner die Leistungsstörung bemerkt oder nicht,306 da ____schon die Eignung der Handlung zur Täuschung ausreicht. ____ Auf der Rechtsfolgenseite ist prinzipiell zu bedenken, dass es vertragsrechtlich, 173 ____begründet in der Relativität des Schuldverhältnisses, allein den Beteiligten obliegt, ____Rechte auf Erfüllung, Schadensersatz, Rückgewähr erbrachter Leistungen etc. geltend zu ____machen. Damit steht die Regelung der lauterkeitsrechtlichen Aktivlegitimation in den ____§§ 8 ff. in einem deutlichen Wertungswiderspruch, der tunlichst zu vermeiden ist.307 Hilf____reich für die Orientierung dürfte hier sein, einen Vorrang des Vertragsrechts vor dem ____Lauterkeitsrecht zugrunde zu legen, wie er schon früher empfohlen wurde.308 ____ Wenn unter diesen Umständen die mit der begrifflichen Weite der „geschäftlichen 174 ____Handlung“ gewollte Überschneidung von Lauterkeits- und Vertragsrecht überhaupt ____stattfinden soll, bedarf es einer Rückbesinnung darauf, dass das Lauterkeitsrecht auf die ____Funktionsfähigkeit jener interaktiven Marktprozesse abzielt, die in ihrer Gesamtheit den ____unverfälschten Wettbewerb darstellen (s. Einl. A Rn. 17, 33, 120, 123). Als geschäftliche ____Handlung kann dann (jedenfalls im Blick auf das Vertragsrecht) nur ein solches Verhal____ten gelten, das auf den Vertragspartner einwirkt, auf seine vertragsbezogene Entschei____dungen Einfluss nehmen kann.309 Ein solches Einwirkungspotential haben Leistungs____störungen als solche nicht. ____ Mit dieser Maßgabe lassen sich durchaus Schnittstellen zwischen Lauterkeits- und 175 ____Vertragsrecht denken, die allerdings nur in lockerem Zusammenhang mit Leistungsstö____rungen stehen. So mag der eine Vertragspartner versuchen, den anderen von der Gel____tendmachung seiner Rechte z.B. auf Erfüllung, Gewährleistung, Schadens- oder Auf____wendungsersatz, aber auch von der Ausübung von Rücktritts-, Widerrufs- oder ____Anfechtungsrechte durch Drohung (§ 4 Nr. 1) oder durch Täuschung (§ 5 Abs. 1) abzuhal____ten. Auch mag der eine Vertragspartner den anderen (über die bloße Schlechtleistung ____hinaus!) über die Vertragsmäßigkeit seiner Leistung täuschen. Mit alledem wird ge____schäftlich vertragsbezogen unlauter gehandelt. ____ Die zu fordernde Einwirkungshandlung stützt sich, wie ausgeführt, auf allgemeine 176 ____Erwägungen, nicht auf Überlegungen zu einer richtlinienkonformen Auslegung mit Be____zug auf die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Ge____schäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (RL 2005/29/EG).310 Auch im ____Verhältnis zwischen unternehmerischen Vertragspartnern können sich die vorge____nannten Konstellationen im Schnittfeld von Lauterkeits- und Vertragsrecht ergeben. ____ Den Einwirkungscharakter der geschäftlichen Handlung als deren „Verbrau177 ____cherrelevanz“ zu bezeichnen,311 ist deshalb einerseits zu eng, nämlich im Hinblick auf ____unternehmerische Vertragspartner, und andererseits zu weit, weil „Relevanz“ nicht eben ____die Einwirkungsqualität der geschäftlichen Handlung benennt. Auch ist außer dieser ____Einwirkungsqualität nichts Weiteres nötig, wie es die Forderung nach einer „qualifizier____ten Einwirkung“312 nahelegt. ____ ____ ____306 Auf das Unbemerktbleiben stellen Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 66 ab. ____307 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 66. 308 Vgl. Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 247; Büchler Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und ____Wettbewerbsverhältnis im UWG, Diss. Heidelberg (1981) 89. ____309 So im Ergebnis auch Köhler WRP 2009, 898, 901 f.; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 66; Scherer WRP ____2009, 761, 767. ____310 Darauf basieren die Überlegungen der in der Vornote genannten Autoren. Insbesondere dürfte Art. 3 Abs. 2 RL 2005/29/EG (Vertragsrecht bleibt unberührt) als Argumentationsbasis überstrapaziert ____werden. ____311 Scherer WRP 2009, 761, 766 f. ____312 Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 66.
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Damit sind die jeweiligen vertrags- bzw. lauterkeitsrechtlichen Grenzen des maßgeblichen Rechtsregimes abgesteckt: Leistungsstörungen ebenso wie die Wahrnehmung und Durchsetzung vertraglicher Rechte regeln sich ausschließlich nach Vertragsrecht. Vertragsbezogene geschäftliche Handlungen sind, soweit sie sich nicht in dem bloßen vertragswidrigen Verhalten erschöpfen, anhand der lauterkeitsrechtlichen Zulässigkeitsmaßstäbe zu beurteilen und ziehen im Falle der Unzulässigkeit des vertragsbezogenen geschäftlichen Verhaltens die in §§ 8 ff. normierten Rechtsfolgen nach sich. Konkurrenzsituationen könnten sich dabei wegen der ansonsten ganz unterschiedlichen Rechtsbehelfe allenfalls im Bereich von Schadensersatzansprüchen (z.B. § 280 BGB einerseits, § 9 andererseits) ergeben. Doch sind sie letztlich ausgeschlossen, weil insoweit lauterkeitsrechtlich aktivlegitimiert nur „Mitbewerber“ sind, also Marktteilnehmer, die dem Täter im wettbewerblichen Horizontalverhältnis verbunden sind (vgl. Einl. A Rn. 46 ff.). Vertragspartner begegnen sich aber im Leistungsaustausch, also im wettbewerblichen Vertikalverhältnis, und sind schon deshalb keine Mitbewerber. Selbst im sog. Stufenwettbewerb sind nicht die jeweiligen Vertragspartner Mitbewerber, sondern potenzielle andere Vertragspartner des Täters.313 Keine Besonderheiten gegenüber dem Gesagten weist die gesetzliche Gewährleistung (insbesondere also §§ 434 ff. BGB) auf. Als besondere Ausgestaltung der Regelung von Schlechtleistungen gilt für sie dasselbe wie für die wie beim Dienstvertrag der §§ 611 ff. BGB gesetzlich nicht eigens geregelte Schlechtleistung: Die bloße Lieferung einer fehlerhaften Kaufsache etwa stellt keine „geschäftliche Handlung“ dar. Erst z.B. der Versuch, den Käufer über seine Gewährleistungsrechte zu täuschen oder ihn durch Druck von der Geltendmachung dieser seiner Rechte abzuhalten, enthält das erforderliche Potenzial, auf die Dispositionen des Käufers Einfluss zu nehmen (vgl. Rn. 175) und kann die Unlauterkeit nach § 5 Abs. 1 bzw. § 4 Nr. 1 begründen. Im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsthema ist auch noch auf einen weiteren Berührungspunkt zwischen Lauterkeitsrecht und Vertragsrecht aufmerksam zu machen, der allerdings an Problematik verloren hat. War es früher zweifelhaft, ob irreführende Werbung in die vertragliche Sollbeschaffenheit einer Leistung eingeht, der damit nicht korrespondierende Istzustand der Leistung also deren Fehlerhaftigkeit begründet,314 hat sich dieser Zweifel zumindest für die Gewährleistung beim Kauf durch § 434 Abs. 1 S. 3 BGB, ein Teil der Schuldrechtsreform von 2002, erledigt. Denn danach gehören zur Sollbeschaffenheit der Kaufsache auch die „Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers (§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Produkthaftungsgesetzes) (…) insbesondere in der Werbung (…) erwarten kann.“ Korrespondieren Werbeangaben nicht mit dem realen Zustand der Kaufsache, löst dies grundsätzlich315 Gewährleistungsansprüche des Käufers aus. War jene Werbung irreführend namentlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, so folgen daraus parallel lauterkeitsrechtliche Ansprüche nach §§ 8 ff. der lauterkeitsrechtlich Aktivlegitimierten. Die Neufassung des § 434 BGB diente zwar der Umsetzung der RL 1999/44/EG mit dem Fokus Verbrauchsgüterkauf,316 hat aber von einer Differenzierung zwischen solchen Verträgen und sonstigen Kaufverträgen abgesehen. Die Parallelität von Lauterkeitsrecht und kaufvertraglichem Gewährleistungsrecht gilt also generell. Wohl dem Anlass geschuldet, nämlich der Umsetzung der RL 1999/44/EG mit ihrer Orientierung am Verbrauchsgüterkauf, hat der Gesetzgeber nur § 434 BGB novelliert,
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Schünemann Voraufl. § 1 Rn. C 1 ff., C 59. Vgl. Schünemann Voraufl. Rn. E 91. S. aber §§ 434 Abs. 1 S. 3 a.E., 442 BGB. Zum Begriff s. § 474 Abs. 1 BGB.
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____nicht aber die sonstigen gewährleistungsrechtlichen Vorschriften, die den Begriff der ____fehlerhaften Leistung zur Grundlage haben, wie z.B. §§ 535, 633 BGB. In § 434 Abs. 1 S. 3 ____BGB sind indes keine Besonderheiten des Kaufrechts erkennbar. Es handelt sich viel____mehr um allgemeine dogmatische Eckpunkte des Fehlerbegriffs, sodass diese Norm auch ____für die Bestimmung eines Leistungsfehlers z.B. im Mietrecht oder Werkvertragsrecht ____analog anzuwenden ist. Auch hier laufen insbesondere die aus irreführender Werbung ____und Gewährleistung folgenden Rechte nebeneinander her. ____ ____ d) Unlauterkeit des Verleitens zum Vertragsbruch? Leistungsstörungen können 185 ____auch auf der Einflussnahme Dritter beruhen, die einen Vertragspartner zum Vertrags____bruch verleiten, um daraus wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Diskutiert hierzu werden ____Fallgruppen, die z.B. mit „Abwerben von Arbeitnehmern“, „Abwerbung von Kun____den“ oder „Schleichbezug“ (im Zusammenhang mit dem Aufbrechen selektiver Ver____triebssysteme) apostrophiert werden und der h.M. seit jeher als unlauter gelten.317 ____ Die Unlauterkeit einer solchen geschäftlichen Handlung ist an dieser Stelle nur an186 ____satzweise zu beurteilen. Mitnichten aber ist sie „problemlos“ z.B. unter § 4 Nr. 10 zu sub____sumieren.318 Vielmehr mehren sich die kritischen Stimmen.319 ____ Ohnehin nur vordergründig moralisch basierte Argumentationen (zu wirtschafts187 ____ethischen Aspekten des Wettbewerbs s. Einl. A Rn. 124 ff.) sollten sich von vornherein ____verbieten.320 Ob aber im Lichte der auf Wettbewerbsfreiheit und auf funktionsfähigen ____Wettbewerb zielenden Teleologie des Lauterkeitsrechts im Verleiten zum Vertragsbruch ____eine Funktionsstörung des Wettbewerbs zu erblicken ist, die als lauterkeitsrechtlich ____relevante und inkriminierte „Behinderung“ zu werten ist, erscheint mehr als fraglich. ____ Im Übrigen setzt sich die Auffassung, Verleiten zum Vertragsbruch sei unlauter, 188 ____über die Relativität schuldrechtlicher Beziehungen hinweg. In der Tat fehlt der noch ____h.M., die letztlich schlicht Überkommenes mit erstaunlichem Beharrungsvermögen fort____schreibt, also mehr denn je „eine überzeugende dogmatische Begründung“.321 Zu diesem ____Themenkomplex wird vertiefend auf die einschlägige Kommentierung (§§ 4–10 Rn. 307, ____315, 335) verwiesen. ____ ____ ____ ____ ____317 RG 11.10.1935 RGZ 148, 364, 369 – 4711; BGH 17.2.1956 GRUR 1956, 273, 275 – Drahtverschluss; BGH 23.5.1975 GRUR 1975, 555 ff. – Speiseeis; BGH 17.3.1961 GRUR 1961, 482 f. – Spritzgussmaschine; BGH ____24.2.1994 GRUR 1994, 447 f. – Sistierung von Aufträgen; BGH 11.1.2007 – I ZR 96/04 BGHZ 171, 73 = GRUR ____2007, 800 Tz. 14 ff. – Außendienstmitarbeiter; leicht abschwächend BGH 8.11.2001 – I ZR 124/99 – GRUR ____2002, 548 f. – Mietwagenkostenersatz; OLG Stuttgart GRUR 2000, 1096 f. – Headhunter; OLG Hamm GRUR____RR 2004, 27 ff. – AVAD; Baumbach/Hefermehl § 1 Rn. 679; Boesche Rn. 402 ff.; Ekey/Klippel/Kotthoff/ Meckel/Plaß § 4 Rn. 527; Harte/Henning/Omsels (2. Aufl. 2009) § 4 Nr. 10 Rn. 36; Klaka GRUR 1966, 266 f.; ____MünchKommUWG/Jänisch § 4 Nr. 10 Rn. 89; Piper GRUR 1990, 643, 647; ders./Ohly/Sosnitza § 4.10 Rn. 10/ ____28; Schramm GRUR 1961, 328 ff. ____318 So aber Harte/Henning/Brüning/Ahrens (2. Aufl. 2009) Einl. F Rn. 141, die neben § 4 Nr. 10 auch „§ 3“ ____nennen, dabei aber offenlassen, ob sie § 3 hier als eigenen Verbotstatbestand heranziehen wollen. Ähnlich ____Boesche Rn. 412. 319 Zum Folgenden s. hier nur Beater Rn. 1163 ff.; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 6 Rn. 24 ff.; ____Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.108 ff.; Scherer WRP 2009, 518, 522; Sosnitza WRP 2009, 373 ff. ____320 Umfassende Darstellung und Kritik der überkommenen moralisierenden Auffassungen, die ____jedenfalls verbaliter einem wettbewerbsfunktionalen Verständnis der Unlauterkeit als ____Wettbewerbswidrigkeit gewichen ist. Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 122 ff., 127 ff., 179 ff., 199 ff. m. umfassenden Nachw. Bezeichnungen wie „Ausspannen“ (statt „Abwerben“) und auch ____„Schleichbezug“ sind bereits manifeste Hinweise für eine im Kern immer moralisierende ____Betrachtungsweise. ____321 So immerhin selbstkritisch Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 10/28a als Vertreter der h.M.
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Einordnung des Wettbewerbsrechts in das Rechtssystem
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VI. Verhältnis zum Gleichbehandlungsrecht (AGG) § 19 AGG statuiert ein eher wenig beachtetes allgemeines zivilrechtliches Gleichbehandlungsgebot jenseits spezieller Regelungen namentlich für die weithin als praktisch besonders wichtig wahrgenommenen Arbeitsverhältnisse (§§ 1, 7 AGG als Nachfolger der engeren §§ 611a, 611b BGB). Unter dem Vorbehalt der in § 20 AGG genannten Ausnahmen dürfen demnach i.V.m. § 1 AGG im Zivilrechtsverkehr Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität keine negativen Differenzierungsmerkmale darstellen. Als Sanktion für Zuwiderhandlungen kennt § 21 AGG Abwehr- und Schadensersatzansprüche. Lauterkeitsrechtliche Relevanz soll § 19 AGG durch seine Qualität als Marktverhalten regelndes Gesetz i.S.v. § 4 Nr. 11 haben.322 Eine Begründung dafür findet sich nicht, auch nicht in den Gesetzesmaterialien, die freilich eben diese Auffassung vertreten.323 Eine überzeugende Begründung dafür dürfte sich auch kaum finden lassen. Denn gerade die ganz allgemeine Fassung des § 19 AGG begründet doch das Fehlen jeglicher marktspezifischer Ausrichtung dieser Norm. Sie stellt also keine Marktverhaltensregelung dar. Damit stellt sich aber die Konkurrenzfrage zwischen Lauterkeitsrecht und AGG, da ein Vertragsschluss geradezu die prototypische „geschäftliche Handlung“ i.S.v. § 3 Abs. 1 darstellt, sich aber eben nicht darin erschöpft, sondern auch die Rechtsbeziehungen unter Verbrauchern dominiert. Die Konkurrenzfrage bedarf gewiss noch näherer Klärung.324 Doch spricht eine kursorische Einschätzung für eine Normenkonkurrenz i.S. einer Normenkumulation beider Rechtsmaterien. Sie wird aber wohl selten praktisch werden, denn es fällt schwer, gedankliche Szenarien zu entwerfen, in denen gleichermaßen die Anspruchsvoraussetzungen des Lauterkeits- wie des Gleichbehandlungsrechts erfüllt sind.
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VII. Verhältnis zum Handelsrecht Lauterkeitsrecht und Handelsrecht haben nur eine kleine Berührungsfläche. Denn 193 auf weite Strecken beschäftigt sich das Handelsrecht mit vertragsrechtlichen Materien (§§ 343 ff. HGB) unter Einschluss vertretungsrechtlicher Besonderheiten (§§ 48 ff. HGB), sodass sich diesbezüglich keine neuen, vom sonstigen Vertragsrecht verschiedene Fragen stellen. Außerdem normiert das HGB den Kaufmannsstatus (§§ 1 ff. HGB), Gesellschaftsfor- 194 men (§§ 105 ff.) sowie die Handelsbücher (§§ 238 ff. BGB), alles Vorschriften ohne Bezug zum Lauterkeitsrecht. Der frühere, allein konfliktträchtige Fragenkreis rund um den Firmenschutz, der vor allem das Verhältnis von § 37 Abs. 2 HGB und § 16 a.F. thematisierte,325 ist mit der Zuordnung der Regelungsmaterie des § 16 a.F. (Unternehmenskennzeichen) zum Markenrecht (§§ 5, 15 MarkenG) entfallen. Bei diesem Befund sollte unzweifelhaft sein, dass das UWG systematisch kein Handelsrecht darstellt.326
_____ 322 323 324 175 ff. 325 326
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Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.157; Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 11/80. BTDrucks 16/1780 v. 8.6.2006, S. 49. Erste Schritte in diese Richtung bei Freudenau Ungleichbehandlung im Wettbewerbsrecht (2011) S. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. E 94. A.A. ohne Begründung Gloy/Loschelder/Erdmann § 3 Rn. 1.
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Einleitung Teil G.
____ Ausgehend von der Anstandsformel bzw. vom Verständnis wettbewerblicher Sit195 ____tenwidrigkeit als Verletzung von Konventionalnormen327 konnten für die seinerzeit h.M. ____die nach § 346 HGB zu berücksichtigenden Handelsbräuche auch wettbewerbsrechtli____che Bedeutung erlangen: Handelsbräuche, die als Ausdruck gefestigter Berufs- und ____Standesüberzeugung auf sittlichen Motiven beruhten oder aber unabhängig davon nach ____dem Anstandsgefühl der beteiligten Verkehrskreise unerlässlich seien, um einen redli____chen Geschäftsverkehr in dem betreffenden Berufs- oder Gewerbezweig zu gewährleis____ten, sollten ohne Weiteres mit den guten Sitten i.S.d. § 1 a.F. zu identifizieren sein. Ver____stöße gegen sonstige Handelsbräuche sollten hingegen erst im Zusammenwirken mit ____anderen Gesichtspunkten als sittenwidrig erscheinen.328 ____ Dies ist schon damals auf Kritik gestoßen329 und wird gerade im reformierten Lauter196 ____keitsrecht zunehmend als prinzipiell unzutreffender Ansatz erkannt.330 Denn dies wür____de auf die Normativität des Faktischen hinauslaufen und stünde so in kontradiktori____schem Gegensatz zum Innovationspotential des Wettbewerbs, von dem letztlich alle ____Marktbeteiligen profitieren. Auch fehlt es im UWG 2008 an der Möglichkeit einer tat____bestandlichen Anknüpfung: § 4 Nr. 11 steht dafür nicht zur Verfügung, da Handelsbräu____che keine „gesetzlichen Vorschriften“ darstellen, auch wenn § 346 HGB auf sie Bezug ____nimmt. ____ Schließlich bilden auch die „Marktgepflogenheiten“ in § 2 Nr. 7 entgegen dem ers197 ____ten Anschein kein Einfallstor für die lauterkeitsrechtliche Relevanz von Handelsbräu____chen, da der (schon sprachlich gänzlich missglückte)331 § 3 Abs. 2, der im Begriff der ____„fachlichen Sorgfalt“ sachlich auf § 2 Nr. 7 Bezug nimmt, gegenüber § 3 Abs. 1 kein recht____liches Eigenleben entfaltet und mithin an der rein wettbewerbsfunktionalen Inhaltsbe____stimmung der Lauterkeit bzw. Unlauterkeit keinerlei Abstriche bedeutet.332
____ ____ VIII. Verhältnis zum Verwaltungsrecht ____ ____ Das Verwaltungsrecht, genauer: das Wirtschaftsverwaltungsrecht, kennt eine Fülle 198 ____von Normen, die auf das Marktverhalten zumeist der unternehmerischen Marktteil____nehmer zielen und dann über § 4 Nr. 11 lauterkeitsrechtliche Relevanz gewinnen. Dazu ____wird auf die einschlägige Kommentierung verwiesen. ____ Grundsätzlich wird von einer Anwendungsparallelität zwischen Lauterkeits- und 199 ____Verwaltungsrecht ausgegangen.333 Dem ist nicht ohne Vorbehalt zuzustimmen. Gewiss ____steht die lauterkeitsrechtliche Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen öffentlich-recht____liche Marktverhaltensregelungen über § 4 Nr. 11/§§ 8 ff. einem behördlichen Eingreifen, ____das sich unmittelbar auf die Verletzung einer solchen Norm stützt, nicht entgegen.334 ____ ____ 327 S. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 23 ff. ____328 BGH 28.3.1969 GRUR 1969, 474, 476 – Bierbezug I; BGH 27.6.1958 BGHZ 28, 54, 60 – Direktverkäufe; ____Pflug ZHR 135 (1971) 12 ff. Näher m.w.N. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 74, E 95. ____329 S. Schünemann Voraufl. Einl. Rn. D 75 ff., E 95. ____330 S. hierzu und zum Folgenden die kritische Tendenz mit Unterschieden im Einzelnen in BGH 7.2.2006 ____– KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 19 ff. – Probeabonnement; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 120 f.; dies./v. Jagow § 4 Rn. 33; Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 11/14; Köhler/Bornkamm ____§ 4 Rn. 11.29. ____331 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 180 ff. ____332 Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 298; Dröge Lauterkeitsrechtliche Generalklauseln im Vergleich ____(2007) 127 ff.; Gamerith WRP 2005, 391, 417 f.; Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1327 f.; Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 127 ff., 135 ff., 179 ff.; MünchKommUWG/Sosnitza § 3 ____Rn. 63 a.E., ders. WRP 2006, 1, 7; a.A. wohl Fezer/Götting § 4-11 Rn. 47. ____333 juris-PK/Ullmann Einl. Rn. 142 ff. ____334 BGH 23.6.2005 – I ZR 194/02 – BGHZ 163, 265 f. – Atemtest.
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Dasselbe gilt jedenfalls tendenziell auch in umgekehrter Richtung: Behördliche 200 Verbote eines bestimmten Marktverhaltens (und erst recht behördliche Untätigkeit)335 lassen prinzipiell Raum für ein Vorgehen der Aktivlegitimierten auf der Basis des Lauterkeitsrechts. Zu erwägen ist aber, ob nicht ein behördliches Verbot die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 anhebt.336 Behördliche Erlaubnisse337 eines bestimmten Marktverhaltens sollen seiner Beur- 201 teilung als unlauter entgegenstehen. Die Fehlerhaftigkeit des entsprechenden Verwaltungsaktes ist unschädlich, nicht jedoch dessen (seltene) Nichtigkeit.338 Als Grund dafür wird die Einheit der Rechtsordnung genannt: Sie verlange, das öffentlich-rechtlich erlaubte Verhalten nicht über das Zivilrecht zu verbieten.339 Auch wenn diese Begründung nicht sonderlich tragfähig erscheint, wird man doch das Ergebnis gutheißen. Berührungspunkte bzw. Abgrenzungsfragen zwischen Lauterkeits- und Verwal- 202 tungsrecht ergeben sich schließlich für die wirtschaftende öffentliche Hand. Dort findet der postulierte Grundsatz von der Anwendungsparallelität von Verwaltungs- und Lauterkeitsrecht in gewisser Weise seine konstruktive Fortsetzung in der These von der Doppelnatur oder Doppelqualifikation der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand: Diese Tätigkeit sei im Verhältnis zu Mitbewerbern privatrechtlicher Art und deshalb am Maßstab des Lauterkeitsrechts zu messen, auch wenn dasselbe Verhalten im sog. Leistungsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur sei. Diese These bedarf indes nach Voraussetzung und Wirkung der näheren Prüfung (s. Einl. F Rn. 27 ff.).
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335 BGH 20.10.2005 – I ZR 10/03 – GRUR 2006, 82 Tz. 21 – Betonstahl. 336 Harte/Henning/Schünemann (2. Aufl. 2009) § 3 Rn. 409; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.18; wohl noch weitergehend BGH 5.7.2001 – I ZR 104/99 – GRUR 2001, 1166, 1169 – Fernflugpreise. 337 Der Begriff wird hier nicht rechtstechnisch (etwa im Gegensatz zu Gestattungen, Genehmigungen etc.) verwendet. 338 BGH 23.6.2005 – I ZR 194/02 – BGHZ 163, 265 f. – Atemtest; BGH 11.10.2001 – I ZR 172/99 – GRUR 2002, 269 f. – Sportwetten-Genehmigung; s.a. BGH 2.10.2002 – I ZR 177/00 – GRUR 2003, 162 f. – Progona; Doepner GRUR 2003, 825, 831; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.20. 339 juris-PK/Ullmann Einl. Rn. 144.
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§1
Zweck des Gesetzes
§1 Zweck des Gesetzes Zweck des Gesetzes § 1 Allgemeines § 1 Peukert/Fritzsche Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Schrifttum Aberle Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik (1980); Ackermann Die Bedrohung der Werbefreiheit, WRP 1998, 665; C. Ahrens Wettbewerbsrecht. Grundlagen – Fallgestaltungen – Rechtsfolgen (2006); H.-J. Ahrens Die Benetton-Rechtsprechung des BVerfG und die UWG-Fachgerichtsbarkeit, JZ 2004, 763; Alexander Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 2002; Apostolopoulos Einige Gedanken zur Auslegung der nationalen Generalklausel im Hinblick auf eine Vollharmonisierung des europäischen Lauterkeitsrechts, WRP 2005, 152; Balssen Attitude-Werbung. Wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit gesellschaftspolitisch stellungsbeziehender Werbung, 2004; Balzer Arzt- und Klinikwerberecht. Aktuelle Werbechancen für Arzt und Klinik, 2004; Basedow Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung (1992); ders. Zielkonflikte und Zielhierarchien im Vertrag über die Europäische Gemeinschaft, FS Everling (1995) 49; Baudenbacher Zur funktionalen Anwendung von § 1 des deutschen und Art. 1 des schweizerischen UWG, ZHR 144 (1980), 145; Baumbach Kommentar zum Wettbewerbsrecht (1929); Baumbach/Hefermehl Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 6. Aufl. (1951), 7. Aufl. (1956); Beater Allgemeinheitsinteressen und UWG, WRP 2012, 6; ders. Entwicklungen des Wettbewerbsrechts durch die gesetzgebende und die rechtsprechende Gewalt – Eine rechtshistorische und rechtsvergleichende Skizze, FS Erdmann (2002) 513; ders. Europäisches Recht gegen unlauteren Wettbewerb – Ansatzpunkte, Grundlagen, Entwicklung, Erforderlichkeit, ZEuP 2003, 11; ders. Nachahmen im Wettbewerb. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zu § 1 UWG (1995); ders. Schutzzweckdenken im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, JZ 1997, 916; ders. Unlauterer Wettbewerb, 2002 (zitiert mit Jahreszahl); ders. Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht, 2000 (zitiert: Schutzzweckdenken); ders. Verbraucherverhalten und Wettbewerbsrecht, FS Tilmann, 2003, S. 87; v. Becker Werbung Kunst Wirklichkeit, GRUR 2001, 1101; Beckert Die Sittlichkeit der Wirtschaft, MPIfG Working Paper 11/8 (2011); Beier Entwicklung und gegenwärtiger Stand des Wettbewerbsrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, GRUR Int. 1984, 61; Böhler Wettbewerbsrechtliche Schranken für Werbemaßnahmen gegenüber Minderjährigen, WRP 2011, 827; Böhm Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung (1937); ders. Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung (1933); Böhm/Eucken/Großmann-Doerth Unsere Aufgabe, in: Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung (1937) VII-XXI; Bornkamm Irrungen, Wirrungen, WRP 2012, 1; ders. Novelle zur Anpassung des UWG an europäische Vorgaben: Ist das UWG noch zu retten? BB-Magazin 2009 M1; ders. Wettbewerbs- und Kartellrechtsprechung zwischen nationalem und europäischem Recht, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof (2000) 343; Böttner 80 Jahre „Gute Sitten“. Zum 80. Geburtstag des UWG, WRP 1989, 433; Brandner Imagewerbung mit dem Word Trade Center? Werbung zwischen Sittenwidrigkeit und Meinungsfreiheit, FS Erdmann, 2002, S. 533; Brömmelmeyer Der Binnenmarkt als Leitstern der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2007, 295; Bülow Lauterkeitsrecht oder Unlauterkeitsrecht? GRUR 2012, 889; Burmann Strukturwandel des Werbe- und Wettbewerbsrechts – Die Relationen: Öffentliches Interesse – Allgemeinheits- und Verbraucherinteresse, WRP 1967, 71; ders. Wettbewerb als sinnvariabler Rechts- und Wirtschaftsbegriff. Entwicklungstendenzen des Wettbewerbsrechts – Wettbewerbsrecht als Funktionsrecht, WRP 1967, 240; ders. Wettbewerbsrecht und gewerblicher Rechtsschutz. Die Entwicklung vom Persönlichkeitsrecht zum Funktionsrecht im Wettbewerb, WRP 1968, 258; ders. Zur Problematik eines werberechtlichen Verbraucherschutzes, WRP 1973, 313; Callies Zwischen staatlicher Souveränität und europäischer Effektivität: Zum Beurteilungsspielraum der Vertragsstaaten im Rahmen des Art. 10 EMRK, EuGRZ 1996, 293; de Vrey Towards a European Unfair Competition Law. A Clash Between Legal Families (2006); Dethloff Europäisierung des Wettbewerbsrechts (2001); Drettmann Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit (1984); Drexl Die Einwirkung der Grundrechte auf die Auslegung der Generalklauseln des UWG, in: Schricker u.a.
Peukert/Fritzsche
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Allgemeines
§1
(Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, 1998, S. 163 ff.; ders. Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998); ders. Mehr oder weniger Verbraucherschutz durch Europäisches Lauterkeitsrecht? in Hilty/Henning-Bodewig, Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 227; Dröge Lauterkeitsrechtliche Generalklauseln im Vergleich (2007); Eck/Ikas Neue Grenzen vergleichender Werbung, WRP 1999, 251; Ehlers Der persönlichkeitsrechtliche Schutz des Verbrauchers vor Werbung, WRP 1983, 187; Emmerich Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung, FS Gernhuber (1993) 857; Engels/ Salomon Vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz: UWG-Reform 2003, WRP 2004, 32; Eucken Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 7. Aufl. (2004); v. Falckenstein Die Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken durch Verbraucherverbände, 1977 (zitiert Verbraucherverbände); ders. Schäden der Verbraucher durch unlauteren Wettbewerb, 1979 (zitiert Schäden); Fenchel Negative Informationsfreiheit: zugleich ein Beitrag zur negativen Grundrechtsfreiheit, 1997; Fezer Das wettbewerbsrechtliche Vertragsauflösungsrecht in der UWG-Reform, WRP 2003, 127; ders. Der Dualismus der Lauterkeitsrechtsordnungen des b2c-Geschäftsverkehrs und des b2b-Geschäftsverkehrs im UWG, WRP 2009, 1163; ders. Plädoyer für eine offensive Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche UWG, WRP 2006, 781; ders. Schadensersatz und subjektives Recht im Wettbewerbsrecht, WRP 1993, 565; ders. Teilhabe und Verantwortung. Die personale Funktionsweise des subjektiven Privatrechts (1986); ders. Telefonmarketing im b2c- und b2b-Geschäftsverkehr, WRP 2010, 1075; ders. Verantwortete Marktwirtschaft, JZ 1990, 657; ders. 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Göttingen (1968); Füller Grundlagen und inhaltliche Reichweite der Warenverkehrsfreiheiten nach dem EG-Vertrag, 2000; Gamerith Der Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken – Möglichkeiten einer harmonischen Umsetzung, WRP 2005, 391; ders. Neue Herausforderungen für ein europäisches Lauterkeitsrecht, WRP 2003, 143; Gärtner Verfassungskonforme Auslegung wettbewerbsrechtlicher Generalklauseln, BB 1970, 1361; Geis Das Lauterkeitsrecht in der rechtspolitischen Diskussion, FS Tilmann (2003) 121; Geyer Der Gedanke des Verbraucherschutzes, 2001; Giere Die Bedeutung öffentlicher Interessen bei Anwendung des § 1 UWG, Diss. Münster 1978; v. Gierke Deutsches Privatrecht, 1. Bd., Allgemeiner Teil und Personenrecht (1895), 3. Bd., Schuldrecht (1917); Glöckner Entwicklungslinien des Lauterkeitsrechts in Hilty/Henning-Bodewig, Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 263; ders. Europäisches Lauterkeitsrecht (2006); ders. 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Peukert/Fritzsche
§1
Zweck des Gesetzes
3. Auflage (1986); Hoeren Das neue UWG – der Regierungsentwurf im Überblick, BB 2008, 1182; HoffmannRiem Kommunikationsfreiheit für Werbung, ZUM 1996, 1; Homann/Suchanek Ökonomik. Eine Einführung, 2. Aufl. (2005); Honneth Das Recht der Freiheit: Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit (2011); Hoppmann Freiheitliche Wirtschaftspolitik und Verfassung, FS Willgerodt (1994) 3; Hucke Erforderlichkeit einer Harmonisierung des Wettbewerbsrechts in Europa, 2001; Immenga Wettbewerbspolitik contra Industriepolitik nach Maastricht, EuZW 1994, 14; H. Isay Das Rechtsgut des Wettbewerbsrechtes (1933); R. Isay Das Recht am Unternehmen (1910); Jellinek System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. (1905); Jenny Die Nachahmungsfreiheit (1997); Jestaedt Grundrechtsentfaltung im Gesetz. Studien zur Interdependenz von Grundrechtsdogmatik und Rechtsgewinnungstheorie (1999); Kemper/Rosenow Der Irreführungsbegriff auf dem Weg nach Europa, WRP 2001, 370; Keßler Europäisches Lauterkeitsrecht – Dogmatische und ökonomische Aspekte einer Harmonisierung des Wettbewerbsverhaltensrechts im europäischen Binnenmarkt, GRUR Int. 2002, 885; ders. Lauterkeitsschutz und Wettbewerbsordnung – zur Umsetzung der Richtlinie 2005/ 29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in Deutschland und Österreich, WRP 2007, 714; ders. UWG und Verbraucherschutz – Wege und Umwege zum Recht der Marktkommunikation, WRP 2005, 264; ders. Vom Recht des unlauteren Wettbewerbs zum Recht der Marktkommunikation – Individualrechtliche und institutionelle Aspekte des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts, WRP 2005, 1203–1212; Keßler/ Micklitz Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Reform des UWG (2003); dies. Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern, BB 2005/49, BB-Special 13, 1; Kisseler Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz, WRP 1972, 557; Knöpfle Marktbezogene Unlauterkeit (1983); Koch Die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken. Aggressives Geschäftsgebaren in Deutschland und England und die Auswirkungen der Richtlinie (2006); Köhler Das neue UWG, NJW 2004, 2121; ders. Das Verhältnis des Wettbewerbsrechts zum Recht des geistigen Eigentums. Zur Notwendigkeit einer Neubestimmung auf Grund der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2007, 548; ders. Der Streit um die Telefonwerbung, FS Koppensteiner, 2001, S. 431; ders. Die „Bagatellklausel“ in § 3 UWG, GRUR 2005, 1; ders. Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Deutschland – eine kritische Analyse; ders. Ist die Regelung der Telefonwerbung im UWG richtlinienkonform? WRP 2012, 1329; ders. Richtlinienkonforme Gesetzgebung statt richtlinienkonforme Auslegung: Plädoyer für eine weitere UWG-Novelle, WRP 2012, 251; ders. Richtlinienumsetzung im UWG – eine unvollendete Aufgabe, WRP 2013, 403; ders. Vom deutschen zum europäischen Lauterkeitsrecht – Folgen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken für die Praxis, NJW 2008, 3032; ders. Zur Konkurrenz lauterkeitsrechtlicher und kartellrechtlicher Normen, WRP 2005, 645; Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig Vorschlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform, WRP 2002, 1317; Köhler/Henning-Bodewig Stellungnahme zum Entwurf für eine europäische Richtlinie und ein deutsches Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, GRUR 2003, 127; Kohte Verletzliche Verbraucher, VuR 2012, 338; Koos Europäischer Lauterkeitsmaßstab und globale Integration (1996); Koppensteiner Grundfragen des UWG im Lichte der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, wbl 2006, 553; ders. Marktbezogene Unlauterkeit und Missbrauch von Marktmacht, WRP 2007, 475; Kraft Gemeinschaftsschädliche Wirtschaftsstörungen als unlauterer Wettbewerb?, GRUR 1980, 966; ders. Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht (1963); ders. Verbraucherschutz im Markenrecht, GRUR 1980, 416 Krüger Der Fall „Club X“. Zum Verhältnis von § 1 UWG und Art. 10 der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), GRUR 1989, 738; ders. Von „Club X“ zu „Jacubowski“ – Ein Bericht zu § 1 UWG und Art. 10 EMRK, GRUR 1996, 252; Kulms Werbung: Geschützte Meinungsäußerung oder unlauterer Wettbewerb? Zum Verhältnis von Art. 10 EMRK und UWG, RabelsZ 63 (1999), 520; Kummer Anwendungsbereich und Schutzgut der privatrechtlichen Rechtssätze gegen unlauteren und gegen freiheitsbeschränkenden Wettbewerb (1960); Kur Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts durch Angleichungsmaßnahmen in angrenzenden Bereichen, in: Schricker u.a. (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, 1998, S. 116 ff.; Ladeur Der rechtliche Schutz der Fernsehwerbung gegen technische Blockierung durch die „Fernsehfee“, GRUR 2005, 559; Lehmler Das Recht des unlauteren Wettbewerbs. Eine systematische Darstellung, 2002; Leistner Behavioural Economics und Lauterkeitsrecht. Versuch einer Annäherung, ZGE/IPJ 1 (2009), 3; ders. Bestand und Entwicklungsperspektive des Europäischen Lauterkeitsrechts, ZEuP 2009, 56; ders. Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007); Lettl Das neue UWG, 2004 (zitiert Lettl Rn.); ders. Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, 2004 (zitiert Lettl Schutz); ders. Der Schutz der Verbraucher nach der UWG-Reform, GRUR 2004, 449; Lobe Die Bekämpfung des Unlauteren Wettbewerbs, I. Bd. (1907); Lochman Die Einräumung von Fernsehübertragungsrechten an Sportveranstaltungen. Zugleich ein Beitrag zur Einräumung von Nutzungs- und Verwer-
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Allgemeines
§1
tungsrechten im System des Privatrechts (2005); Löwenheim Möglichkeiten der dreifachen Berechnung des Schadens im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, ZHR 135 (1971), 97; ders. Suggestivwerbung, unlauterer Wettbewerb, Wettbewerbsfreiheit und Verbraucherschutz, GRUR 1975, 99; Mankowski Ist die Bagatellklausel des § 3 UWG bei belästigender Werbung (§ 7 UWG) zu beachten? WRP 2008, 15; Manssen Verfassungswidriges Verbot von Schockwerbung – BVerfG, NJW 2001, 591, JuS 2001, 1169; Mäsch Europäisches Lauterkeitsrecht – von Gesetzen und Würsten, EuR 2005, 625; Mayrhofer Rufausbeutung im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1995; Menke Die moderne informationsökonomische Theorie der Werbung und ihre Bedeutung für das Wettbewerbsrecht, GRUR 1993, 718; Merz Die Vorfeldthese (1988); Mestmäcker Macht – Recht – Wirtschaftsverfassung, ZHR 137 (1973), 97; ders. Zur Wirtschaftsverfassung in der Europäischen Union, FS Willgerodt (1994) 263; Micklitz Brauchen Konsumenten und Unternehmen eine neue Architektur des Verbraucherrechts? Plädoyer für ein bewegliches System, Gutachten A zum 69. DJT, 2012 mit Kurzfassung NJW-Beilage 3/2012, 77; Micklitz/Keßler Europäisches Lauterkeitsrecht – Dogmatische und ökonomische Aspekte einer Harmonisierung des Wettbewerbsverhaltensrechts im europäischen Binnenmarkt, GRUR Int. 2002, 885; dies. Europäisches Lauterkeitsrecht, GRUR Int 2002, 885; dies. Funktionswandel des UWG, WRP 2003, 919; Möschel Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz (1978); Müller Deutsches Wettbewerbsrecht und die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte (EMRK), WRP 1992, 20; Münker Verbandsklagen im sogenannten ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz, FS Ullmann (2006) 781; Nerreter Allgemeine Grundlagen eines deutschen Wettbewerbsrechtes (1936); Nipperdey Wettbewerb und Existenzvernichtung, Kartell-Rundschau 1930, 127; Nordemann Der verständige Durchschnittsgewerbetreibende – Zum Begriff der „guten Sitten“ in § 1 UWG, GRUR 1975, 625; Ohly Bausteine eines europäischen Lauterkeitsrechts, WRP 2008, 177; ders. Das neue UWG – Mehr Freiheit für den Wettbewerb? GRUR 2004, 889; ders. Die Bemühungen um eine Rechtsvereinheitlichung auf EU-Ebene von den Anfängen bis zur Richtlinie über irreführende Werbung von 1984, in: Schricker u.a. (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, 1998, S. 69 ff.; ders. Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs (1997); Omsels Kritische Anmerkungen zur Bestimmung der Irreführungsgefahr, GRUR 2005, 248; ders. Zur Unlauterkeit der gezielten Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 10 UWG),WRP 2004, 136–145; Ophüls Grundzüge europäischer Wirtschaftsverfassung, ZHR 124 (1962), 136; Oppermann/Müller Wie verbraucherfreundlich muss das neue UWG sein? – Eine Synopse lauterkeitsrechtlicher Instrumente, GRUR 2005, 280; Osterrieth Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs v. 27.5.1896 (1986); Ott Systemwandel im Wettbewerbsrecht, FS Raiser (1974) 403; Otto Allgemeininteressen im neuen UWG, 2007; Paulus/Wesche Rechtsetzung durch Rechtsprechung fachfremder Gerichte, GRUR 2012, 112; Pause Die Berücksichtigung der Allgemeinheit bei der Beurteilung wettbewerblichen Handelns (1984); Peifer Schutz ethischer Werte im Europäischen Lauterkeitsrecht oder rein wirtschaftliche Betrachtungsweise? in Hilty/Henning-Bodewig, Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 125; Peukert Das Prinzip der Selbstverantwortung im Lauterkeitsrecht in: Riesenhuber, Das Prinzip der Selbstverantwortung (2011) 395; ders. Der Wandel der europäischen Wirtschaftsverfassung im Spiegel des Sekundärrechts – Erläutert am Beispiel des Rechts gegen unlauteren Wettbewerb, ZHR 173 (2009), 536; ders. Die Ziele des Primärrechts und ihre Bedeutung für das europäische Lauterkeitsrecht: Auflösungserscheinungen eines Rechtsgebiets? in: Hilty/Henning-Bodewig, Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 27; ders. Güterzuordnung als Rechtsprinzip (2008); Pichler Das Verhältnis von Kartell- und Lauterkeitsrecht (2009); Pleyer Die „guten Sitten“ in der Wirtschaftsordnung der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, JR 1965, 241; Podszun Der „more economic approach“ im Lauterkeitsrecht, WRP 2009, 509; Radeideh Fair Trading in EC Law (2005); Raiser Marktbezogene Unlauterkeit, GRUR Int. 1973, 443; Rehberg, Wettbewerb und Intervention, in: Zetzsche u.a., Recht und Wirtschaft, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2007, 2008, 49, 75; Reich/Micklitz Europäisches Verbraucherrecht, 4. Aufl. (2003); Reichold Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht. Zur Rolle zivilistischen Denkens bei der Anwendung von § 1 UWG, AcP 193 (1993), 204; Reimer Deutschland, in: Ulmer, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Bd. 3 (1968); Reuter Die ethischen Grundlagen des Privatrechts – formale Freiheitsethik oder materiale Verantwortungsethik? AcP 189 (1989), 199; Ring Unlauterer Wettbewerb durch standeswidriges Verhalten? Zum Urteil des EGMR vom 25. März 1985, GRUR Int. 1986, 103; Rolshoven „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, 2002; Rosenthal Reichsgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 8. Aufl. (1930); Rüthers Die unbegrenzte Auslegung. Zum Wandel der Privatrechtsordnung im Nationalsozialismus, 6. Aufl. (2005); Sack Auswirkungen der Art. 30, 36, 59 EG-Vertrag auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs, in: Schricker u.a. (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, 1998, S. 139 ff.; ders. Die lückenfüllende Funktion der Generalklausel des § 3 UWG, WRP
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Zweck des Gesetzes
2005, 531; ders. Die neue deutsche Formel des europäischen Verbraucherleitbilds, WRP 2005, 462; ders. Folgeverträge unlauteren Wettbewerbs, GRUR 2004, 625; ders. Sittenwidrigkeit, Sozialwidrigkeit und Interessenabwägung, GRUR 1970, 493; Sambuc Der UWG-Nachahmungsschutz (1996); Samwer Verbraucherschutz und Wettbewerbsrecht, GRUR 1969, 326; Scherer Privatrechtliche Grenzen der Verbraucherwerbung, 1996; dies. Die Leerformel vom „hohen Verbraucherschutzniveau“, WRP 2013, 977; Schill Der Einfluss der Wettbewerbsideologie des Nationalsozialismus auf den Schutzzweck des UWG, 2004; Schluep Über den Begriff der Wettbewerbsverfälschung, FS Kummer (1980) 487; ders. Vom lauteren zum freien Wettbewerb, GRUR Int. 1973, 446; H. Schmidt Ein Jahrzehnt vergleichende Werbung in Österreich, WRP 2000, 998; I. Schmidt Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 8. Aufl. (2005); Schnieders, Allgemeininteressen im Wettbewerbsrecht, (1999); Schrauder Wettbewerbsverstöße als Eingriffe in das Recht am Gewerbebetrieb (1970); ders. Entwicklungstendenzen im Recht des unlauteren Wettbewerbs, GRUR 1974, 579; ders. Gesetzesverletzung und Sittenverstoß (1970); ders. Hundert Jahre Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – Licht und Schatten, GRUR Int. 1996, 473–479; ders. Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes der Verbraucher und des funktionsfähigen Wettbewerbs im Recht des unlauteren Wettbewerbs, ZHR 139 (1975), 208; ders. Öffentliche Kritik an gewerblichen Erzeugnissen und beruflichen Leistungen, AcP 172 (1972), 203; Schumacher The Unfair Commercial Practices Directive in: Hilty/Henning-Bodewig, Law Against Unfair Competition (2007) 127; Schünemann „Unlauterkeit“ in den Generalklauseln und Interessenabwägung nach neuem UWG, WRP 2004, 925; Schwartz Verfolgung unlauteren Wettbewerbs im Allgemeininteresse, GRUR 1967, 333; Seichter Der Umsetzungsbedarf der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2005, 1087; Sevecke Die Benetton-Werbung als Problem der Kommunikationsfreiheiten, AfP 1994, 196; ders. Wettbewerbsrecht und Kommunikationsgrundrechte – Zur rechtlichen Bewertung gesellschaftskritischer Aufmerksamkeitswerbung in der Presse und auf Plakaten am Beispiel der BenettonKampagne, 1997; Sosnitza Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – Voll- oder Teilharmonisierung? WRP 2006, 1; ders. Markenrecht und Verbraucherschutz – Verbraucherschutz im Markenrecht, ZGE/IPJ Band 5 (2013), 176; ders. Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung (1995); Steinbeck Übertriebenes Anlocken, psychischer Kaufzwang etc. … gibt es sie noch? GRUR 2005, 540; dies. Werbung von Rechtsanwälten im Internet NJW 2003, 1481; dies. Werbung von Rechtsanwälten im Internet, NJW 2003, 1481; v. Stechow Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, 2002; Stock EU-Medienfreiheit – Kommunikationsgrundrecht oder Unternehmerfreiheit? K&R 2001, 289; Swift Political Philosophy: A Beginner's Guide for Students and Politicians (2001); Thouvenin Funktionale Systematisierung von Wettbewerbsrecht (UWG) und Immaterialgüterrechten (2007); Ulbrich Der BGH auf dem Weg zum normativen Verbraucherleitbild? WRP 2005, 940; Ullmann Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld von Europa und Deutschland, GRUR 2003, 817; E. Ulmer Die Widerrufsklage im Wettbewerbsrecht, ZAkDR 1936, 535; ders. Sinnzusammenhänge im modernen Wettbewerbsrecht. Ein Beitrag zum Aufbau des Wettbewerbsrechts (1932); ders. Wandlungen und Aufgaben im Wettbewerbrecht, GRUR 1937, 769; E. Ulmer/Beier Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Band I: Vergleichende Darstellung mit Vorschlägen zur Rechtsangleichung (1965); E. Ulmer/Reimer Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Band III (1968); P. Ulmer Der Begriff „Leistungswettbewerb“ und seine Bedeutung für die Anwendung von GWB und UWG-Tatbeständen, GRUR 1977, 565; Unberath/Johnston The Double-Headed Approach of the European Court of Justice concerning Consumer Protection, CML Rev. 2007, 1237; v. Ungern-Sternberg Wettbewerbsbezogene Anwendung des § 1 UWG und normzweckgerechte Auslegung der Sittenwidrigkeit, FS Erdmann (2002) 741; Vollmer Anmerkung zu BVerfG – Benetton-Werbung, ZIP 2001, 45; Wassermeyer Schockierende Werbung, GRUR 2002, 126; M. Weber Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl. (1972); R. Weber Welches Lauterkeitsrecht braucht die Schweiz? sic! 2012, 231; Werberat Jahrbuch (2011); I. Westermann Bekämpfung irreführender Werbung ohne demoskopische Gutachten, GRUR 2002, 403; Willgerodt Die gesellschaftliche Aneignung privater Leistungserfolge als Grundelement der wettbewerblichen Marktwirtschaft, in: Sauermann/Mestmäcker, FS Böhm (1975) 687; Wunderle Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht (2010); Wünnenberg Schockierende Werbung – Verstoß gegen § 1 UWG? 1996.; Wuttke Die Bedeutung der Schutzzwecke für ein liberales Wettbewerbsrecht (UWG), WRP 2007, 119; Zettel Das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, MDR 2004, 1040.
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Gesetzgebungsmaterialien Referentenentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, 23.1.2003, GRUR 2003, 298 (zit.: RefE UWG 2004) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 22.8.2003, BTDrucks. 15/1487 (zit.: RegE UWG 2004) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 15/1487 – Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 26.3.2004, BTDrucks. 15/2795 (zit.: Rechtsausschuss UWG 2004) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 12.08.2004, BTDrucks. 15/3640 (zit.: RegE GWB) Diskussionsentwurf, Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), BMJ, Referat III B 5, 8.5.2007 (zit.: DiskE UWG 2008) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, 20.8.2008, BTDrucks. 16/10145 (zit.: RegE UWG 2008) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen, 31.10.2008, BTDrucks. 16/10734 (zit.: RegE Telefonwerbung 2008)
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Übersicht Einführung ____ 1 I. Entstehungsgeschichte ____ 1 1. Der Schutzzweck des UWG 1909 ____ 1 2. Das UWG 2004 ____ 2 3. Das UWG 2008 ____ 7 4. Bewertung und Grundansatz der Kommentierung ____ 12 II. Zweck und praktische Relevanz des § 1 ____ 14 III. Anwendungsbereich des § 1 ____ 22 Der Schutzzweck des UWG ____ 31 I. Individueller Rechtsgüterschutz ____ 31 1. Das individualbezogene Verständnis des Lauterkeitsrechts ____ 31 2. Kritische Würdigung ____ 34 II. Schutzzwecktrias und Mehrzahl der Schutzzwecke ____ 37 1. Konzeption und Begründung der Schutzzwecktrias ____ 37 2. Kritische Würdigung ____ 41 III. „Sozialrechtliches“ Verständnis und Schutz allgemeiner Interessen durch das UWG ____ 49 1. Ursprünge und zeitgenössische Versionen der „sozialrechtlichen“ Theorie des UWG ____ 49 2. Kritische Würdigung ____ 58 IV. Dualismus der Lauterkeitsrechtsordnungen ____ 67 1. Aufspaltung von verbraucherbezogenem und mitbewerberbezogenem Lauterkeitsrecht ____ 67 2. Kritische Würdigung ____ 70
V.
Der Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung und Abweichungen hiervon ____ 76 1. Grundzüge der hier vertretenen Auffassung ____ 76 2. Der Schutz des unverfälschten Wettbewerbs als primärer Zweck des UWG ____ 83 a) Koordination der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer ____ 83 b) Koordination nach Maßgabe des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb ____ 91 3. Abweichungen vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung ____ 111 a) Schutz der Verbraucherautonomie im Anwendungsbereich der UGPRL ____ 114 aa) Generelle Ausdifferenzierung des UWG im Hinblick auf die Schutzsubjekte ____ 114 bb) Die Teleologie der UGPRL ____ 118 (1) Der wettbewerbsfunktionale Grundcharakter des EU-Lauterkeitsrechts ____ 119 (2) Der Verbraucherschutzfokus der UGPRL ____ 123 (3) Ergebnis ____ 131
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C.
Ausnahmsweise Maßgeblichkeit nicht wettbewerbsfunktionaler Gesichtspunkte ____ 137 aa) Der Schutz des Grundrechts auf Privatsphäre im Rahmen des Verbots unzumutbarer Belästigungen ____ 140 (1) Das Verbot unzumutbarer Belästigungen als Schutz vor wettbewerbsfremder Aggressivität ____ 140 (2) Primärer Schutz des Grundrechts auf Privatsphäre gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 3 und 4; Abs. 3 ____ 148 bb) Rechtsbruch ____ 155 cc) Beeinträchtigung gesetzlicher Neutralitätspflichten sonstiger Marktteilnehmer (Dreieckskopplung) ____ 162 dd) Verbot menschenverachtender Werbung ____ 167 ee) Hartnäckige Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt ____ 170 VI. Zusammenfassung: Einheit und Vielfalt des Lauterkeitsrechts ____ 174 Die vom UWG geschützten Interessen der Marktteilnehmer und der Allgemeinheit ____ 182 I. Relevanz und Methodik der Interessenanalyse ____ 182 II. Interessen der Mitbewerber ____ 186 1. Unmittelbare und mittelbare Beeinträchtigung der Interessen der Mitbewerber ____ 186 2. Das Interesse an der unverfälschten Entfaltung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit ____ 190 a) Grundsätze ____ 190 b) Schutz der täuschungsfreien Bildung von Entscheidungsgrundlagen ____ 193 c) Schutz des Entscheidungsprozesses vor wettbewerbsfremder Aggressivität ____ 195 d) Schutz des Interesses an der Wahrung der institutionellen Funktionsbedingungen des Wettbewerbs ____ 196 e) Klageberechtigung trotz eigener unlauterer Handlungen ____ 200
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III.
3. Das nicht schutzwürdige Interesse an der Vermeidung wettbewerbskonformer Zwänge ____ 201 Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher ____ 204 1. Stellenwert und Funktion des Verbraucherschutzes im Recht des unlauteren Wettbewerbs ____ 204 2. Grundkonzeption des Verbraucherschutzes durch Unlauterkeitsrecht ____ 208 3. Verbraucherschutz und Schutz anderer Interessen ____ 215 4. Vorgaben und Einfluss des Unionsrechts ____ 224 a) Der Einfluss der Grundfreiheiten ____ 225 b) Möglichkeiten und Stand der Rechtsvereinheitlichung ____ 228 c) Vorgabe eines hohen Verbraucherschutzniveaus ____ 233 d) Relevante Verbraucherinteressen ____ 236 5. Geschützte Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher ____ 238 a) Schutz der Entscheidungsgrundlagen und des Entscheidungsprozesses ____ 239 b) Schutz vor unsachlicher Beeinflussung (vgl. § 4 Nr. 1 UWG) ____ 241 c) Feststellung der unsachlichen Beeinflussung ____ 244 d) Schutz vor überhöhten Preisen bzw. des Interesses an Wettbewerb? ____ 247 e) Schutz sonstiger Verbraucherinteressen und -rechte ____ 248 f) Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung geschützter Interessen, § 3 Abs. 1 und 2 UWG ____ 249 6. Grundrechte und UWGVerbraucherschutz ____ 251 a) Berücksichtigung der Grundrechte bei der Anwendung des UWG ____ 252 b) Werbung und Menschenwürde ____ 257 c) Unlautere Kundenwerbung und Kommunikationsgrundrechte ____ 259 (1.) Schutzumfang der Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG ____ 260
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IV.
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(2.) Wechselwirkungen zwischen den Kommunikationsgrundrechten und dem UWG als Schrankennorm ____ 263 (3.) Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG) und Werbung ____ 266 (4.) Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG ____ 269 (5.) Presse- und Rundfunkfreiheit und Werbung ____ 270 (6.) Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG ____ 271 (7.) Die Gewährleistungen des Art. 10 EMRK ____ 274 (8.) Kommunikationsgrundrechte des Art. 11 EUGrundrechtscharta ____ 281 d) Werbung und Berufs- bzw. Handlungsfreiheit, Art. 12 bzw. 2 Abs. 1 GG ____ 283 e) Werbung und Religionsfreiheit, Art. 4 GG ____ 286 f) Werbung und Schutz von Interessen der Adressaten ____ 287 (1.) Verbraucherpersönlichkeitsrecht ____ 288 (2.) Negative Informationsfreiheit ____ 289 7. Tatsächliche Gewährleistung des Verbraucherschutzes ____ 290 Interessen der sonstigen Marktteilnehmer ____ 293 1. Unmittelbare und mittelbare Beeinträchtigung der Interessen der sonstigen Marktteilnehmer ____ 293 2. Das Interesse an der unverfälschten Entfaltung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit ____ 298 a) Grundsätze ____ 298 b) Schutz der täuschungsfreien Bildung von Entscheidungsgrundlagen ____ 299 c) Schutz des Entscheidungsprozesses vor wettbewerbsfremder Aggressivität ____ 300
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d) Schutz des Interesses an der Wahrung der institutionellen Funktionsbedingungen des Wettbewerbs ____ 304 3. Das nicht schutzwürdige Interesse an der Vermeidung wettbewerbskonformer Zwänge ____ 308 V. Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb ____ 310 1. Der Zusammenhang zwischen Wettbewerb und Allgemeininteresse ____ 310 2. Auswirkungen auf die Klagebefugnis und Aktivlegitimation zur Verfolgung von UWG-Verstößen ____ 313 3. Der Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung ____ 316 VI. Ausnahmsweiser Schutz nicht wettbewerbsbezogener Interessen ____ 322 1. Ausnahmen vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung ____ 322 2. Rechtsbruch und Dreieckskopplung ____ 323 3. Hartnäckige Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens ____ 326 4. Grundrechtliche Schutzpflichten im Hinblick auf die Menschenwürde und die Privatheit ____ 327 5. Abschließender Charakter der Ausnahmen vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung ____ 330 VII. Verhältnis der geschützten Interessen zueinander ____ 332 1. Gleichrang wettbewerbsbezogener Individualinteressen ____ 332 2. Lösung von Konfliktfällen anhand der gesetzgeberischen Vorgaben im Hinblick auf das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb ____ 335 3. Interessenabwägung im Harmonisierungsbereich der UGPRL ____ 343 4. Interessenabwägung bei sonstigen Ausnahmen vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung ____ 344
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Zweck des Gesetzes
Alphabetisches Stichwortverzeichnis Adressat 115, 117, 153, 233, 270, 287, 289 Aggressive Geschäftspraktiken 232, 236, 256 Allgemeininteressen 37 ff., 51 ff., 62 ff., 91 ff., 205, 247, 226 f., 310 ff., 335 ff. Anstand 61, 122, 172, 180, 263, 331 Anwendungsbereich 8, 14, 22 ff., 64, 99, 118 Auslegung, richtlinienkonforme 11 Auslegungsdirektive 15, 20, 56 Belästigung, unzumutbare 136, 140, 146 ff., 210, 222, 246, 248, 254, 289, 291 besonders schutzwürdige Verbrauchergruppen 115, 127 Böhm, Franz 51 ff. Charta der Grundrechte 152, 190, 255 f., 281 f., 298, 328 Datenschutz 146, 237 DatenschutzRL-EK 27, 76, 81, 139, 148 ff., 237, 328 Diskriminierung 56, 170 f. Dreieckskopplung 139, 162 ff., 175 Dualismus der Lauterkeitsrechtsordnungen 67, 71 Durchschnittsverbraucher 115, 122, 220, 230, 234, 242 Durchsetzung des Verbraucherschutzes 292 ff. Eigentum 147, 248, 288 Empfänger 115, 141 Entscheidungsfreiheit 6, 130, 163, 167, 208, 236, 241, 248, 257, 292, 301, 312, 325, 329 Entwicklung des Verbraucherschutzes 246 ethischer Minimalkonsens 65, 81, 139, 170 f. Funktionen des Wettbewerbs 78, 93, 311 Generalklausel 41, 48, 117, 135, 180, 207, 209, 211, 214 f., 219, 232 236 239 f., 253 ff., 270, 273, 276, 283, 289 Geschäftliche Handlung 214, 220, 240 ff., 248 f., 256, 258 – aggressive 98, 300 f. – irreführende 98, 193 – gegenüber Verbrauchern 70, 117, 135 Gesetze – wertneutrale 64 – sittlich fundierte 64 Gesundheitsschutz 55, 63, 159, 324 Gewährleistung des Verbraucherschutzes 290 ff. Gewinnabschöpfungsanspruch 99, 247, 315 Gleichrangigkeit 205 Grundfreiheiten 58, 103, 122, 224 f. Grundrechte 56, 90, 251 ff., 328 Grundsatz der einheitlichen Marktverhaltensregulierung 74 Grundsatz der Lauterkeit des Handelsverkehrs 106 Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung 76 ff., 111, 316, 322
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Gute Sitten 1, 12, 61, 122, 172, 219, 263, 331 GWB 54, 100 f., 219, 247 Handlungsfreiheit 83 ff., 190 ff., 254, 283, 298 ff. Hefermehl, Wolfgang 54 ff. Horizontalverhältnis 38, 43, 189 Idealverein 44, 293 Ideologisierung 13 in dubio pro libertate 91 Individualismus, normativer 88 Individualrecht 35, 56, 256 institutionelle Betrachtung integriertes Modell 6, 97, 114 ff., 129 f., 145 Interessen – der Mitbewerber 186 ff. – der sonstigen Marktteilnehmer 293 ff. – der Allgemeinheit 310 ff. – nicht wettbewerbsbezogene 322 ff. Interessen, schutzwürdige – wettbewerbsbezogene 204 f., 208, 215 ff., 236 ff., 247 f., 250, 254 f. Interessenabwägung 47, 61, 209, 227, 256, 284, 333, 336 ff. Irreführung 119 ff., 193 f., 207, 210, 222, 224, 229 ff., 299 f. Jugendschutz 23, 64, 158 Kartellrecht 54, 84, 100 ff., 247 Klagebefugnis 19, 99, 185, 247, 249, 297, 313 f. Kommunikationsgrundrechte 259 ff. Kunden 104, 115, 153, 203, 208 ff., 215 ff., 244 ff., 259, 284, 295, 309 Lauterkeitsrecht 205, 215, 219, 230 ff., 247, 270, 273, 275, 285 Leistungswettbewerb 42, 50 f., 56, 104, 209 f., 219 ff. Liberalisierung 2, 12, 58, 103, 210 f., 253 Marktstörung, allgemeine 99, 218, 247, 306 f. Marktteilnehmer 204 ff., 214 ff., 249 f., 257 f. Marktteilnehmer, sonstige 293 ff. Marktverhalten 206, 216, 218 f., 263 Meinungsfreiheit 252, 254, 257, 261 ff., 266 ff., 272 f., 286 Menschenwürde 56, 65, 75, 167 ff., 171, 175, 257, 327, 329 Mitbewerber 31 ff., 204 ff., 186 ff., 216 f., 221, 233, 249 f., 258, 292 mittelbare Beeinträchtigung 186, 293 Neutralitätspflichten 162 ff. öffentliche Hand, Missbrauch hoheitlicher Vorzugsstellungen 99 Ökonomik 109 par conditio concurrentium 155 Paradigmenwechsel 206, 242 Per-se-Verbote 148, 154, 333
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Persönlichkeitsrecht 81, 142, 152, 248, 287 f., 291 primärer Zweck des UWG 83 Privatsphäre 65, 139, 140 ff., 148 ff., 208, 237 f., 246, 287 ff., 320 Produktstandards 318 Prozesskostenhilfe 17 Rationalität 163, 210, 239, 258 Rechtsbruch 81, 99, 139, 155 ff., 312 Rechtsmissbrauch 19 f., 200 Rechtssicherheit 13, 48, 119 Richterrecht 160 Rom-II-VO 176 ff. Sachlichkeitsgebot 242 f. Schutzobjekt 33, 40, 49 Schutzsubjekt 40, 43, 97, 114 ff., 185, 206 Schutzzwecke 204 ff., 222 f., 248, 258, 274 Schutzzwecktrias 6 ff., 37 ff., 49, 53, 61, 67, 75, 204 f., 207 Schweizerisches Lauterkeitsrecht 108 Sittlichkeit – marktbegleitende 59, 60, 81 – marktbegrenzende 49, 142, 326 – marktermöglichende 59, 60, 81, 172 Sonderdeliktsrecht 179 sozialrechtliches Verständnis 49, 56, 88, 62 Sozialstandards 66 Sponsoring 57, 320 Spürbarkeit 73, 144, 249 f., 258 Telefonwerbung 250, 284, 287 f., 291 Tierschutz 318 UGPRL 114 ff., 207 ff., 213 ff., 219 f., 224 f., 229 ff., 234 ff., 241 f., 254 ff. Umweltschutz 38, 319 Unlauterkeit 91 ff.,208 ff., 219 ff., 236, 247, 250, 255, 286 f. Unlauterkeitsrecht 208 ff., 217 ff., 220 ff., 248 f., 253 unmittelbare Beeinträchtigung 186, 293 Unterlassungsanspruch 99, 247 Unternehmer 114 ff., 123 ff., 186 ff., 204, 209, 218, 234, 254, 293 ff. unzumutbare Belästigung 136, 140, 146 f., 149, 151, 210, 222, 246 ff., 254, 289 ff.
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UWG 1909 1, 12, 31, 37, 41, 48, 50, 55, 67, 103 f., 156, 204, 208, 215, 218, 225, 233, 241, 253 f., 257, 276, 336 UWG 2004 1 f., 5 ff., 48, 55, 58, 70, 84, 108, 140, 156, 158, 171, 204 ff., 209, 211 f., 217 ff., 225, 246, 254, 257, 290 UWG 2008 7, 68, 70, 84, 132, 207, 212, 214 f., 217, 220, 241, 249, 254 Verbotstatbestand, primärer 140 Verbraucher 67 ff., 114 ff., 123 ff. Verbraucherautonomie 91, 114, 239, 335 Verbraucherindividualrecht 33, 290 Verbraucherpersönlichkeitsrecht 288 Verbraucherschutz 4, 12, 73, 75, 123 ff., 154, 204 ff., 289 ff. Verbraucherschutzrecht, Begriff 206 vergleichende Werbung 27, 67, 124, 127, 211, 222, 230, 232, 243 Verhaltenskodex 18 Verkehrsverbot 59 Vertikalverhältnis 38, 43, 188 f., 204, 293 Vollharmonisierung 25, 45, 69, 120, 211, 213, 224 f., 238 Vorrang des Unionsrechts 25 f., 70, 113 Wechselwirkung 263, 289 Werbeanruf 149, 250, 284, 287 f., 291 Werbeverbot 59, 66, 286, 289 Wettbewerb – Begriff 86 – freier 83 ff., 91 – funktionsfähiger 4, 6, 77, 104, 108, 110, 126 – verfälschter 57, 83 ff., 91 ff., 105, 110, 310 ff., 335 ff. – wirtschaftlicher 77 Wettbewerbsfreiheit, Grundsatz 88 f., 116, 184, 309 wettbewerbsfunktionales Verständnis 29, 123 Wettbewerbsverhalten 56, 176 ff., 199, 302, 307 wirtschaftspolitische Neutralität 54, 58 zugleich Zwang 210, 246 – wettbewerbskonformer 91, 201 ff., 308 – wettbewerbsfremder 121
Allgemeines A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1. Der Schutzzweck des UWG 1909. Der Zweck des Gesetzes gegen den unlauteren 1 Wettbewerb erfuhr erst mit der Neufassung des UWG 2004 eine ausdrückliche Kodifikation. Das UWG 1896 kannte weder eine solche Zwecknorm noch eine Generalklausel zum Verbot unlauteren Wettbewerbs.1 Gemäß § 1 UWG 1909 konnte auf Unterlassung
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Näher Einl. B Rn. 14.
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und Schadensersatz in Anspruch genommen werden, „wer im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen.“ Da der Begriff der guten Sitten weder definiert noch durch Regelbeispiele konkretisiert worden war, kam der teleologischen Auslegung hervorragende Bedeutung zu. Entsprechend intensiv wurde über den Zweck des UWG 1909 gestritten.2 Diese Diskussion bildet den Hintergrund des § 1 UWG in seiner gültigen Fassung. Da der Gesetzgeber der UWG-Novellen 2004 und 2008 eine weitgehende Kontinuität der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung wünschte, kommt diesem an sich historischen Disput weiterhin Bedeutung zu.3 Es wird zu erläutern sein, welche der im 20. Jahrhundert entwickelten Auffassungen zum Telos des Lauterkeitsrechts in § 1 kodifiziert wurde.4 Peukert
2. Das UWG 2004. Das UWG 2004 sollte eine umfassende Reform und grundlegende Modernisierung des Lauterkeitsrechts herbeiführen. Unter „Modernisierung“ wurde dabei vor allen Dingen Liberalisierung verstanden. Das bis dato geltende deutsche Lauterkeitsrecht sei nicht mehr zeitgemäß und im internationalen Vergleich in einzelnen Bereichen besonders restriktiv. Auch unter europapolitischen Gesichtspunkten gelte es, das deutsche Lauterkeitsrecht „weitgehend“ zu liberalisieren. Außerdem solle der Verbraucher den ihm gebührenden Stellenwert in einer schlankeren, europaverträglichen Fassung des UWG erhalten.5 Zur Vorbereitung der Novelle setzte die Bundesregierung beim Bundesministerium 3 der Justiz eine Arbeitsgruppe „Unlauterer Wettbewerb“ ein. Aufgabe der Arbeitsgruppe war es zum einen, die rechtstatsächlichen Grundlagen für die Gesetzgebung zu ermitteln. Zum anderen sollte die Arbeitsgruppe Konzepte für die Fortentwicklung des europäischen Lauterkeitsrechts und für eine europakonforme Modernisierung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb entwerfen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Prof. Helmut Köhler, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Joachim Bornkamm sowie Dr. Frauke Henning-Bodewig legten in eigener Initiative einen vollständig ausformulierten Vorschlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform vor, der das schließlich erlassene Gesetz in verschiedener Hinsicht prägte.6 Hierzu zählte insbesondere die Zwecknorm in Artikel 1 des Privatentwurfs mit 4 folgendem Wortlaut: „Diese Richtlinie bezweckt den Schutz der Verbraucher, der Mitbewerber und der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb. Sie schützt damit auch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“7 Die Entwurfsverfasser erläuterten diesen Vorschlag unter Verweis auf Rechtsprechung des BGH und des BVerfG8 dahingehend, dass die Marktteilnehmer, insbesondere Verbrau2
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2 Zur Bedeutung der Schutzzwecküberlegungen zum UWG 1909 nur Beater JZ 1997, 31 ff. 3 Siehe BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – BGHZ 162, 246, 251 = GRUR 2005, 519 – Vitamin-Zell-Komplex (mit Verweis auf den „Schutz der Interessen der Allgemeinheit“ gem. § 1 UWG 1909 und die Entscheidung RG 13.3.1944 – II 97/43 – GRUR 1944, 88 f.). Vorschnell Schünemann WRP 2004, 925, 934 (diese Diskussion brauche seit dem Inkrafttreten des UWG 2004 nicht mehr nachgezeichnet zu werden). Zur Schutzzweckdiskussion im UWG 1909 siehe etwa Kraft S. 196 ff.; Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 44 ff. 4 Dazu unten § 1 Rn. 76 ff. 5 RegE UWG 2004 BTDrucks. 15/1487, S. 12, 15. 6 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 302; RegE UWG 2004 BTDrucks. 15/1487, S. 12; Köhler/Bornkamm/ Henning-Bodewig WRP 2002, 1317 ff. 7 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1318. 8 BGH 3.12.1998 – I ZR 119/96 – BGHZ 140, 134, 138 = GRUR 1999, 1128 – Hormonpräparate; BGH 6.10.1999 – I ZR 46/97 – GRUR 2000, 237 – Giftnotruf-Box; BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1160 – Therapeutische Äquivalenz; BVerfG 6.2.2002 – 1 BvR 952/90 – GRUR 2002, 455 – Tier- und Artenschutz.
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cher und Mitbewerber durch den Vorschlag gleichermaßen und gleichrangig geschützt würden. Der Vorschlag gewährleiste nicht nur den Verbraucherschutz, sondern auch den Schutz der Mitbewerber und der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren Wettbewerbshandlungen. Denn das Lauterkeitsrecht lasse sich nicht auf einen bloßen Verbraucherschutz reduzieren. Im Übrigen diene der Schutz der Mitbewerber mittelbar stets auch dem Verbraucherschutz, weil er im Interesse der Verbraucher die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sichere. Verbraucherschutz und Mitbewerberschutz ließen sich daher nicht auseinanderdividieren. Der Schutz aller Marktteilnehmer diene damit auch dem Interesse der Allgemeinheit an einem fairen und unverfälschten Wettbewerb. Ein Schutz sonstiger Allgemeininteressen sei nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts, das in erster Linie das Marktverhalten reguliere. Ein weitergehender Regelungsbedarf sei der freiwilligen Selbstkontrolle der Marktteilnehmer zu überlassen.9 Der Vorschlag für eine Kodifikation des Zwecks des UWG wurde vom Gesetzgeber 5 aufgegriffen. Die am 8.7.2004 in Kraft getretene Fassung des § 1 UWG 2004 lautete: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“10 Die Begründung des Regierungsentwurfs, der im Gesetzgebungsverfahren unver- 6 ändert blieb, lehnt sich eng an die Erläuterungen des Vorschlags aus der Arbeitsgruppe an.11 Demnach folge aus § 1 UWG 2004, dass das UWG die Angebotsfreiheit der Wettbewerber und die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher schütze. § 1 unterstreiche die Stellung, die dem Verbraucher aufgrund eines von der Rechtsprechung angenommenen Funktionswandels im Lauterkeitsrecht zukomme. Gleichzeitig werde an der von der Rechtsprechung entwickelten Schutzzwecktrias festgehalten, wonach das UWG die Mitbewerber, die Verbraucher und Belange der Allgemeinheit schütze. Die Marktteilnehmer, insbesondere die Verbraucher und die Mitbewerber, würden durch das UWG gleichermaßen und gleichrangig geschützt. Der Zweck des UWG liege darin, das Marktverhalten der Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Mitbewerber und der Verbraucher und damit zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten und damit funktionsfähigen Wettbewerb zu regeln. Das Recht gehe insoweit von einem integrierten Modell eines gleichberechtigten Schutzes der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit aus. Der Schutz sonstiger Allgemeininteressen sei weiterhin nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts.12 3. Das UWG 2008. Die grundlegende Reform des Lauterkeitsrechts durch das UWG 7 2004 war eine autonome Entscheidung des deutschen Gesetzgebers. Demgegenüber hatte das am 30.12.2008 in Kraft getretene erste Änderungsgesetz (UWG 2008)13 den Zweck, die vollharmonisierende UGPRL in deutsches Recht umzusetzen und das gerade erst neu gefasste UWG anzupassen, soweit das Schutzniveau des UWG 2004 über das der UGPRL hinausging oder dahinter zurückblieb.14 Dabei verfolgte die Bundesregierung eine Kompromisslinie. Einerseits orientierte sie sich an den Vorgaben der UGPRL, an-
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9 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1325. 10 BGBl. I 2004, 1414; dazu RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 301; RegE UWG 2004 BTDrucks. 15/1487, S. 5. 11 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 303 f.; RegE UWG 2004 BTDrucks. 15/1487, S. 13, 15 f.; Beater Rn. 2453. 12 RegE UWG 2004 BTDrucks. 15/1487, S. 15 f. 13 BGBl. I 2008, S. 2949. 14 RegE UWG 2008 BTDrucks. 16/10145, S. 1.
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dererseits versuchte sie die Systematik des UWG 2004 zu bewahren, zu der insbesondere auch die bewährte Schutzzwecktrias des deutschen Lauterkeitsrechts gezählt wurde.15 In einem Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 8.5.2007 war § 1 UWG 2004 noch unverändert geblieben. Zur Begründung hieß es, der Anwendungsbereich des UWG sei weiter als derjenige der UGPRL. Denn das Gesetz diene nach § 1 UWG zwar – wie die Richtlinie – auch dem Schutz der Verbraucher. Seit jeher schütze das UWG aber auch und gerade Mitbewerber und sonstige Marktteilnehmer sowie die Interessen der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.16 Der im späteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens insoweit unverändert gebliebene Regierungsentwurf vom 20.8.2008 änderte den Wortlaut von § 1 S. 1 dahingehend, dass die Marktteilnehmer nicht mehr „vor unlauterem Wettbewerb“, sondern „vor unlauteren geschäftlichen Handlungen“ geschützt werden. Hierbei habe es sich um eine terminologische Anpassung an den neuen Grundbegriff der geschäftlichen Handlung als Grenze des Anwendungsbereichs des UWG gehandelt.17 In der über den Begriff der Geschäftspraktik der UGPRL hinausgehenden Definition der geschäftlichen Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 118 komme der auch weiterhin geltende, umfassende Schutzzweck des UWG zum Ausdruck, der sich gleichermaßen auf Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer erstrecke. Zwar schütze die Richtlinie unmittelbar nur die wirtschaftlichen Interessen von Verbrauchern. Im Erwägungsgrund 8 der UGPRL werde jedoch eingeräumt, dass die Richtlinie mittelbar auch rechtmäßig handelnde Unternehmen vor Mitbewerbern schützt, die sich nicht an die Regeln des lauteren Wettbewerbs halten. Im Übrigen verwehre es die UGPRL dem nationalen Gesetzgeber nicht, über den Regelungsbereich der Richtlinie hinausgehende lauterkeitsrechtliche Bestimmungen zu erlassen und in einem Gesetz zusammenzufassen, die das Verhältnis der Unternehmen zu ihren Mitbewerbern betreffen. Sie zwinge daher nicht zu einer Aufgabe der bewährten allgemeinen Schutzzwecktrias des deutschen Rechts.19 Dieser integrierte Ansatz trage dem Umstand Rechnung, dass das Verhalten von Unternehmen am Markt im Prinzip unteilbar sei. Denn durch ein unlauteres Verhalten werden Verbraucher und Mitbewerber im Regelfall gleichermaßen geschädigt.20 Dieser umfassende Anwendungsbereich des UWG komme in § 1 zum Ausdruck. Denn das Gesetz diene nach § 1 zwar – wie die Richtlinie – auch dem Schutz der Verbraucher. Seit jeher schütze das UWG aber auch und gerade Mitbewerber und sonstige Marktteilnehmer (§ 1 S. 1) sowie das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 S. 2). Der in Art. 1 UGPRL normierte Schutzzweck werde von der Schutzzweckbestimmung des § 1 „bereits mit umfasst“.21 Da § 1 den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor unlauterem Wettbewerb ausdrücklich nenne, liege bereits eine richtlinienkonforme Schutzzweckbestimmung vor. Unschädlich sei, dass das UWG darüber hinaus auch Mitbewerber, sonstige Marktteilnehmer und gewisse Interessen der Allgemeinheit schütze. Denn der insoweit weitere Schutzbereich des UWG sei nicht Regelungsgegenstand der Richtlinie; für den Bereich des Mitbewerberschutzes und des Schutzes der Allgemeinheit enthalte sie keine Vorgaben. Daher bestehe hinsichtlich der Schutzzweckbestimmung insgesamt kein Umsetzungsbedarf.22
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Gegenäußerung BReg UWG 2008 BTDrucks. 16/10145, S. 40. DiskE UWG 2008, S. 12. RegE UWG 2008 BTDrucks. 16/10145, S. 38 f. Dazu § 2 Rn. 15 ff. RegE UWG 2008 BTDrucks. 16/10145, S. 21. RegE UWG 2008 BTDrucks. 16/10145, S. 10 f. So auch Matutis § 1 Rn. 3; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 5. RegE UWG 2008 BTDrucks. 16/10145, S. 11; Ekey Rn. 68.
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4. Bewertung und Grundansatz der Kommentierung. Bereits die legislativen Be- 12 gründungen zu § 1 lassen die Schwierigkeiten erkennen, der Schutzzweckbestimmung eine kohärente teleologische Konzeption für das Lauterkeitsrecht zu entnehmen. Der Gesetzgeber hat in der Vorschrift nämlich drei, jedenfalls im Ausgangspunkt zu unterscheidende Ansätze niederlegen wollen. Erstens soll § 1 die von der Rechtsprechung zum UWG 1909 entwickelte Schutzzwecktrias kodifizieren, womit an die Schutzzweckdiskussion zum Begriff der guten Sitten angeknüpft wird. Zweitens ist § 1 ein Element der grundlegenden Reform und Liberalisierung des früheren Lauterkeitsrechts, indem andere Allgemeininteressen als dasjenige am unverfälschten Wettbewerb aus dem UWG verabschiedet werden. Drittens soll § 1 den Schutzzweck der UGPRL in deutsches Recht umsetzen, indem die auf Verbraucherschutz fokussierte Teleologie der UGPRL in das integrale Konzept des deutschen Lauterkeitsrechts eingefügt wird. Damit sind in § 1 drei nicht notwendig komplementäre oder gar deckungsglei- 13 che Rechtsschichten verborgen. Allein diese Gemengelage lässt daran zweifeln, ob § 1 der Praxis des Lauterkeitsrechts die teleologische Orientierung zu bieten vermag, die sich seine Verfasser wünschten. Und doch ist die Vorschrift als geltendes Recht zu achten und zu realisieren. Das UWG ist allenfalls dann als kohärente Materie „zu retten“,23 wenn die Kompromisse und Verwerfungen zwischen deutschem und europäischem Lauterkeitsrecht offengelegt und dogmatisch verarbeitet werden. Hierfür bedient sich die folgende Kommentierung der verfassungsrechtlich anerkannten Auslegungsmethoden. Dieser positivistische Grundansatz24 reflektiert das Bestreben des deutschen und des EU-Gesetzgebers, das Lauterkeitsrecht durch Kodifikation auch seines Zwecks zu präzisieren und damit zur Rechtssicherheit beizutragen. Eine solche Methodik steht im Gegensatz zu Konzeptionen des Lauterkeitsrechts, die zwar in sich schlüssig sein mögen, sich dafür aber vom Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 1 weitgehend lösen oder sich sogar hiergegen offen auflehnen, um ein eigenes Verständnis der „richtigen“ Marktregulierung zu propagieren – welches dann aber schnell den Vorwurf der Ideologisierung auf sich zieht.25 II. Zweck und praktische Relevanz des § 1 Eine unvoreingenommene Lektüre des UWG muss § 1 bereits aufgrund seiner Stel- 14 lung an der Spitze des Gesetzes eine zentrale Rolle bei der Anwendung des Lauterkeitsrechts zubilligen. Und tatsächlich nimmt die Vorschrift ihrem Wortlaut nach in Anspruch, den Zweck „dieses Gesetzes“, also sämtlicher, im UWG versammelter Normen vorzugeben. Auch die übrigen Formulierungen der Norm legen eine Geltung des § 1 für alle Bereiche des Lauterkeitsrechts nahe. So werden die Interessen sämtlicher Marktteilnehmer angesprochen. Jene Personenkreise werden vor unlauteren geschäftlichen Handlungen geschützt, womit der gesamte Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 1) und das zentrale Unwerturteil der Unlauterkeit (§ 3 Abs. 1) angesprochen werden. In Übereinstimmung mit diesem Befund betont das Schrifttum, dass es sich bei § 1 15 nicht etwa um einen unverbindlichen Programmsatz zur wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Legitimation des UWG handele, sondern um die Kodifikation eines ver-
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23 Siehe Bornkamm BB-Magazin 2009, M1. 24 Dazu auch § 3 Rn. 13 ff. 25 Siehe einerseits Fezer/Fezer § 1 Rn. 45 mit Fn. 45, 77 f. gegen Schünemann („neoliberaler Ökonomismus“) und andererseits Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 90 f. gegen Fezer („Synkretismus“ zur Durchsetzung „allgemeiner Gemeinschaftsgüter“).
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bindlichen Maßstabs für die teleologische Auslegung aller folgenden Normen einschließlich der Generalklausel des § 3 Abs. 1.26 Auch der BGH geht davon aus, dass die Feststellung der Unlauterkeit eine funktionelle, d.h. am Schutzzweck des Lauterkeitsrechts und damit an der Auslegungsdirektive des § 1 ausgerichtete Betrachtung erfordert.27 Diese theoretische Einschätzung schlägt sich in der Praxis aber nicht nieder. Auch mehrere Jahre nach ihrem Inkrafttreten hat die Schutzzweckbestimmung des § 1 keine eigenständige praktische Relevanz erlangt. Soweit ersichtlich, ist die Vorschrift in keiner Entscheidung näher erläutert worden. Nur vereinzelt und dann knapp wird § 1 als ein Begründungselement referiert.28 So hat es das OLG Köln abgelehnt, einem Mitbewerber für eine beabsichtigte Klage wegen irreführender Werbung eines Konkurrenten allein deshalb Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil die Unterlassung der Rechtsverfolgung stets allgemeinen Interessen i.S. des § 116 Nr. 2 ZPO zuwiderlaufe, da das UWG gem. § 1 S. 2 den Zweck habe, das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zu schützen. Die Verfolgung des in § 1 S. 2 genannten Allgemeininteresses obliege vielmehr den gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 klagebefugten Verbänden, Einrichtungen und Kammern sowie den solventen, im Eigeninteresse handelnden Mitbewerbern.29 Das Gericht billigt § 1 S. 2 also zumindest im Kontext der Prozesskostenhilfe keinen eigenständigen normativen Gehalt zu. Trotz Normzitats kaum bedeutsamer war § 1 für die Entscheidung des BGH, den Verstoß gegen selbst gesetzte Regeln eines Verbands für die Unlauterkeit nur dann als relevant zu erachten, wenn sich der Verstoß gegen den privaten Kodex auch als eine wettbewerbsbezogene, d.h. von den Schutzzwecken des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb „(vgl. § 1 UWG)“ erfasste Unzulässigkeit erweise; denn es sei nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts, alle nur denkbaren Regelverstöße im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen auch lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren.30 Unter Hinweis darauf, dass das UWG gem. § 1 auch dem Schutz von Interessen der Allgemeinheit dient, hält der BGH es immerhin für zweckwidrig, Verfahren über Ansprüche wegen unlauterer geschäftlicher Handlungen mit der Prüfung zu belasten, ob der Kläger bei seiner eigenen Wettbewerbstätigkeit gesetzwidrig oder wettbewerbsrechtlich unlauter handelt.31 Bei der Anwendung des Grundsatzes, dass der Einwand der unclean hands auch gem. § 1 S. 2 ausgeschlossen ist, kommen die Instanzgerichte jedoch trotz identischer Sachlage zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das OLG Naumburg schätzte die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche gegen eine Lotto-Toto-Gesellschaft eines Bundeslandes durch einen Verband, dem ausschließlich private Gewerbetreibende im Glücksspielwesen angehören, unter Berücksichtigung des § 1 S. 2 jedenfalls dann als
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26 Siehe Köhler GRUR 2007, 548, 549; Münker FS Ullmann, S. 781, 785; in Bezug auf die Liberalisierung des Lauterkeitsrechts Wuttke WRP 2007, 119, 122; Lettl Rn. 17, 137; HK-Wettbewerbsrecht/Klippel/Brämer § 1 Rn. 3; Götting/Nordemann § 1 Rn. 1. 27 BGH 11.1.2007 – I ZR 96/04 – BGHZ 171, 73 = GRUR 2007, 800 Tz. 21 – Außendienstmitarbeiter. 28 Siehe auch OLG Celle 5.9.2007 – 13 U 62/07 – GewArch 2010, 311 (gem. § 1 sei Zweck des UWG nur die Kontrolle des Marktverhaltens, während die Überwachung der Grenzen der wirtschaftl. Betätigung des Staates nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts sei); LG Berlin 12.8.2004 – 16 O 50/04 – LRE 50, 325 (die Vorschriften des LMBG und der DiätV dienen bestimmungsgemäß dem Schutz der Verbraucher, die nach § 1 UWG neben den Mitbewerbern ausdrücklich auch den Schutz des UWG genießen, so dass die Gesetzesverstöße wettbewerbliche Relevanz besitzen); LG München I 17.1.2008 – 17 HKO 22794/07 – Magazindienst 2008, 429 (§ 8 Abs. 1 S. 1 diene gem. § 1 S. 1 dem Schutz der Wettbewerber sowie der Verbraucher). 29 OLG Köln 20.6.2006 – 6 W 63/06 – GRUR 2007, 86. 30 BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 13 ff. – FSA-Kodex. 31 BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – BGHZ 162, 246, 251 = GRUR 2005, 519 – Vitamin-Zell-Komplex.
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rechtsmissbräuchlich ein, wenn der Verband planmäßig den unlauteren Wettbewerb seiner eigenen Mitglieder dulde und gegen die öffentlichen Anbieter nur mit dem Ziel der Beendigung des staatlichen Lizenzsystems im Glücksspielwesen vorgehe.32 Das OLG Hamburg hingegen sah in dieser Konstellation ein Vollzugsdefizit gegeben, dem die Klägerin zulässigerweise im Interesse der Marktteilnehmer und der Allgemeinheit abhelfe.33 Mithin berufen sich die Oberlandesgerichte jeweils auf § 1 S. 2, entnehmen der Vorschrift aber konträre Wertungen. Der BGH, der diesen Streit schließlich zugunsten der Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung des privaten Glücksspielverbands und gegen den Rechtsmissbrauch entschied, bezieht sich zwar darauf, dass die Prozessführungsbefugnis der Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen ihre Rechtfertigung darin finde, dass die Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen nicht nur im Interesse des unmittelbar Betroffenen, sondern auch im öffentlichen Interesse liege, zitiert § 1 für diese Erwägung jedoch nicht.34 Insgesamt erweist sich § 1 selbst für eine Frage wie den Rechtsmissbrauch, die anders 20 als zweckorientiert gar nicht beantwortet werden kann, als letztlich nicht operabel. Die Gerichte beziehen sich auf die Vorschrift nur, um ihr Ergebnis argumentativ abzusichern. Die geringe praktische Bedeutung der Schutzzweckbestimmung beruht darauf, dass die Auslegungsdirektive des § 1 ihrerseits höchst auslegungsbedürftig ist.35 Welchen Telos die Vorschrift zum Ausdruck bringt und welche Verbote hiermit gerechtfertigt werden können, ist umstritten. Bevor jedoch hierauf einzugehen ist,36 muss zunächst der Anwendungsbereich des 21 § 1 im Verhältnis zu den im UWG umgesetzten EU-Richtlinien bestimmt werden. Denn bereits die Eingangsworte, dass § 1 den Zweck „des“ UWG niederlegt, bedürfen der einschränkenden Präzisierung. III. Anwendungsbereich des § 1 Nach der amtlichen Überschrift und dem Wortlaut des § 1 gilt die Schutzzweckbe- 22 stimmung für das gesamte UWG. Gesetzliche Regelungen außerhalb des UWG, die ebenfalls das Marktverhalten regeln, verfolgen ggf. andere Zwecke. Hierzu zählen berufsregelnde Vorschriften (z.B. für Ärzte, Rechtsanwälte) sowie Regelungen zur Verkehrsfähigkeit (z.B. Arzneimittel) oder zur Werbung für bestimmte Waren (z.B. Tabakwaren) und Dienstleistungen bzw. zur Werbung in bestimmten Medien.37 Für die Anwendung und Auslegung dieser Vorschriften ist § 1 schon aus systematischen Gründen bedeutungslos. Soweit diese gesetzlichen Vorschriften aber auch dazu bestimmt sind, im Interesse 23 der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, kann eine Zuwiderhandlung über den Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 doch zur Unlauterkeit und damit zu einem lauterkeitsrechtlichen Verbot führen. Indes bleibt auch dann die Zwecksetzung der Marktverhaltensvorschrift maßgeblich. Da nach der Rechtsprechung auch solche Vorschriften für den Rechtsbruchtatbestand in Betracht kommen, die primär andere als wettbewerbsbezogene Interessen der Marktteilnehmer schützen (z.B. Gesundheits-
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OLG Naumburg 18.6.2010 – 10 U 61/09 – BeckRS 2010, 20441. OLG Hamburg 11.8.2011 – 3 U 145/09 – GRUR-RR 2012, 21, 24 – LOTTO guter Tipp. BGH 17.8.2011 – I ZR 148/10 – GRUR 2012, 411, 413 Tz. 22 – Glücksspielverband. juris-PK/Ernst § 1 Rn. 4; Fezer/Fezer § 1 Rn. 9. Dazu unten § 1 Rn. 31 ff. juris-PK/Ullmann Einleitung Rn. 15 ff.
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oder Jugendschutz), deutet sich bereits hier eine erste Abweichung vom einheitlichen Schutzzweck des Gesetzes an.38 Streitig ist, ob § 1 zur Beurteilung unzumutbarer Belästigungen gem. § 7 heranzuziehen ist.39 Soweit die Vorschrift auf einer autonomen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers beruht, ist dies zu bejahen. Zwar ist die Vorschrift als eigenständiger Verbotstatbestand ohne Verweis auf die Unlauterkeit der Handlung ausgestaltet. Indes betrifft § 7 wie § 1 geschäftliche Handlungen und bezieht sich auf sämtliche Marktteilnehmer. Die geschlossene Systematik des Gesetzes bringt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber das Marktverhalten im Anwendungsbereich des UWG grundsätzlich an einheitlichen Maßstäben messen wollte, für die wiederum § 1 einschlägig ist. Allerdings gilt dies eben nur grundsätzlich, und das heißt zunächst nur insoweit, als der deutsche Gesetzgeber die Teleologie des Lauterkeitsrechts überhaupt autonom festlegen kann. Dies ist nicht der Fall, soweit Richtlinien im UWG umgesetzt wurden, die eine vollständige Rechtsangleichung herbeiführen. Eine derartige Vollharmonisierung bedeutet zunächst, dass das sachliche Schutzniveau vor unlauteren geschäftlichen Handlungen weder über die unionsrechtliche Vorgabe hinausgehen noch dahinter zurückbleiben darf.40 Mit anderen Worten müssen deutsche Gerichte im Anwendungsbereich einer Vollharmonisierung die Unzulässigkeit auch eines rein inländischen Verhaltens feststellen, wenn das Unionsrecht dies verlangt; zugleich dürfen sie kein Verhalten verbieten, wenn das Unionsrecht insofern kein Verbot vorsieht. Sie müssen also alles, aber auch nur das untersagen, was dem Unionsrecht zuwiderläuft.41 Hiervon abweichende Verbote oder Erlaubnisse haben zu unterbleiben. Eine solch strikte Ausrichtung am Verbotsniveau des Unionsrechts ist nur erreichbar, wenn auch die Zwecke der einschlägigen Rechtsakte ohne Modifikation befolgt werden. Jene werden vom Unionsrecht autonom festgelegt und können nicht von den Mitgliedstaaten verändert werden.42 Folglich kann § 1 im vollharmonisierten Bereich des Lauterkeitsrechts nur unter dem Vorbehalt zur Anwendung kommen, dass die betreffende Richtlinie genau denselben Zweck verfolgt. Andernfalls ist die Norm europarechtskonform auszulegen und notfalls ganz außer Anwendung zu lassen, um den Vorrang des Unionsrechts effektiv zur Geltung zu bringen. Die im UWG umgesetzten Richtlinien sehen nun ganz überwiegend eine vollständige Rechtsangleichung ohne sachlichen Spielraum für die Mitgliedstaaten vor. So erlaubt die UGPRL den Mitgliedstaaten nicht, strengere als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen zu erlassen, und zwar auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen.43 Auch die Bedingungen, unter denen vergleichende Werbung in den Mitgliedstaaten zulässig sind, wurden abschließend harmonisiert. Eine solche Angleichung setzt voraus, dass allein anhand der vom Unionsgesetzgeber aufgestellten Kriterien zu beurteilen ist, wann vergleichende Werbung in der ganzen Union zulässig ist. Folglich dürfen strengere nationale Vorschriften zum Schutz gegen irreführende Werbung nicht auf vergleichende Werbung hinsichtlich der Form und des Inhalts des Ver-
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38 Dazu unten § 1 Rn. 155 ff. 39 Näher unten § 1 Rn. 140 ff. 40 Zur UGPRL RegE UWG 2008 BTDrucks. 16/10145, S. 11; nachdrücklich Fezer/Fezer Einleitung E Rn. 173 und öfter. 41 Anders aber wohl juris-PK/Ullmann § 3 Rn. 11 (parallele Anwendung des deutschen Lauterkeitsmaßstabs und des Maßstabs der UGPRL). 42 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 5. Siehe auch RegE UWG 2008 BTDrucks. 16/10145, S. 20 (UWG mit dem EU-Recht vereinbar). 43 EuGH 23.4.2009 – verb. Rs. 261/07 und 299/07 – Slg. 2009 I-2949 Tz. 52 – VTB-VAB/Galatea; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010 I-217 Tz. 28, 41 – Plus; BGH 19.7.2012 – I ZR 2/11 – Tz. 12 – GOOD NEWS.
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gleichs angewandt werden.44 Wie sich im Umkehrschluss aus den ausdrücklichen Umsetzungsoptionen in Art. 13 Abs. 3 und 5 DatenschutzRL-EK ergibt, sind die in § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 3 und 4 sowie Abs. 3 umgesetzten Vorgaben ebenfalls strikt bindend.45 Demnach verbleiben aus dem Kreis der im UWG umgesetzten Richtlinienbestim- 28 mungen nur die Vorschriften zur irreführenden Werbung, die gem. Art. 8 Abs. 1 UA 1 IrreführungsRL 2006 die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, Bestimmungen aufrechtzuerhalten oder zu erlassen, die bei irreführender Werbung einen weiterreichenden Schutz der Gewerbetreibenden und Mitbewerber vorsehen. Im Anwendungsbereich aller vollständig harmonisierten Regelungen ist allein die 29 Teleologie der jeweiligen Richtlinie maßgeblich. Zwar geht der deutsche Gesetzgeber wie gezeigt davon aus, der Zweck der UGPRL sei von § 1 „mit umfasst“, und auch sonst hätten die Richtlinien in der Zweckbestimmung und im systematisch geschlossenen UWG ihren getreulichen Niederschlag gefunden.46 Allerdings erübrigt diese Einschätzung eine Überprüfung nicht, da ausschlaggebend eben nicht die Auffassung eines Mitgliedstaats, sondern letztlich die authentische Auslegung des autonomen Unionsrechts durch den EuGH ist. Schon vor diesem Hintergrund bedarf die wohl herrschende Auffassung, wonach in § 1 ein wettbewerbsfunktionales Verständnis des Lauterkeitsrechts zum Ausdruck komme, das in allen Bereichen Beachtung verlange, einer kritischen Überprüfung.47 Im Ansatz zutreffend erscheint hingegen Fezers Unterscheidung zwischen der for- 30 mal-systematischen Gesetzeseinheit des UWG und der Vielfalt der in diesem Gesetz realisierten materiellen Regelungszwecke.48 Nach hier vertretener Auffassung kodifiziert § 1 den grundsätzlich einheitlichen und übergreifenden Zweck des UWG, von dem jedoch nach Maßgabe der umgesetzten Richtlinien sowie abweichenden teleologischen Vorgaben des deutschen Gesetzgebers Ausnahmen anzuerkennen und offenzulegen sind.49 Nur eine solche, am geschriebenen Recht und den dokumentierten Regelungsabsichten des historischen Gesetzgebers orientierte Überprüfung der überkommenen Schutzzwecktheorien erlaubt es, Wertungswidersprüche zu identifizieren und – soweit methodisch zulässig – durch Auslegung zu vermeiden. Schutz der Mitbewerber B. Der Schutzzweck des UWG I. Individueller Rechtsgüterschutz 1. Das individualbezogene Verständnis des Lauterkeitsrechts. Das UWG 1896 31 und auch noch das ursprüngliche UWG 1909 waren primär auf den Schutz der Interessen der Mitbewerber ausgerichtet. Neben dem Irreführungsverbot wurden die Warenzeichen, Betriebsgeheimnisse und der Ruf der Gewerbetreibenden geschützt. Hieran
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44 Siehe Art. 8 Abs. 1 UA 2 IrreführungsRL 2006/114; ferner EuGH 8.4.2003 – C-44/01 – Slg. 2003 I-3095 Tz. 44 – Pippig/Hartlauer; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – Slg. 2010 I-11761 Tz. 22 – Lidl/Vierzon. 45 Zur Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) siehe auch EuGH 24.11.2011 – C-468/10 und C-469/10 – Slg. 2011, 00000 Tz. 52 – ASNEF/ FECEMD/Administración del Estado. 46 Oben § 1 Rn. 11. Zur Zulässigkeit der Umsetzung der Richtlinien in einem Gesetz Glöckner/HenningBodewig WRP 2005, 1311, 1325; Gloy/Loschelder/Erdmann, § 3 Rn. 8. 47 So aber Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1325 f. 48 Insofern zutreffend Fezer/Fezer Einleitung E Rn. 173 und öfter. 49 Siehe auch Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 2, 4 (gelegentliche Rechtsspaltung). Näher unten § 1 Rn. 76 ff.
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anknüpfend wurde ein individualbezogenes Verständnis des Lauterkeitsrechts, verbunden mit der Annahme, dass wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus der Verletzung eines subjektiven „absoluten“ Rechts erwachsen, vornehmlich im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert vertreten.50 Als Schutzgüter wurden entweder die Persönlichkeit des Wettbewerbers51 oder 32 das Immaterialgut „Unternehmen“ als Inbegriff der Einzelgüter bzw. als Goodwill52 aufgefasst. Damit einher ging zunächst die Ausblendung der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher.53 Anerkannt war hingegen, dass der Schutz der Persönlichkeit des Gewerbetreibenden bzw. seines Unternehmens letztlich in eine Wettbewerbsordnung eingebettet ist, die auf freier wirtschaftlicher Betätigung beruht und allgemeine Interessen fördern soll.54 Auch das geltende Recht wird unter dem Aspekt des Individualschutzes erklärt.55 33 Zwar werden in der Regel weitere oder gar vorrangige Schutzzwecke formuliert. Bestimmte gesetzliche Konkretisierungen der Unlauterkeit bzw. Fallgruppen sollen jedoch in erster Linie dem Schutz individueller Interessen und Rechtsgüter dienen. Im Hinblick auf die Mitbewerber werden hierzu der wettbewerbsrechtliche Schutz bestimmter Leistungen
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50 Siehe Schrauder S. 110 m.w.N.; ferner Fikentscher Wettbewerb, S. 157 ff.; Fezer S. 542 ff.; Schricker AcP 172 (1972), 203, 219. 51 Kohler S. 17 f. („Hiernach ist die Wirtschaft individualistisch frei, aber so, daß die Persönlichkeit nicht angetastet werden darf. Jede Wirtschaft des Einen hat sich in den Grenzen zu halten, welche die Persönlichkeit des Anderen erfordert. Die Persönlichkeit eines jeden verlangt aber, daß er nicht durch täuschende anstandswidrige Mittel geschädigt oder unterdrückt wird.“); v. Gierke IherJb. (35) 1896, 137, 168 f. (bei voller Erfassung des Rechts der Persönlichkeit könne die Rechtsprechung hieraus den erforderlichen privatrechtlichen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb herleiten, ohne dass erst die Gesetzgebung bemüht zu werden brauche); ders., Dt. Privatrecht I, S. 71 ff.; Rosenthal S. 1 ff.; unter Berufung hierauf RG 19.3.1932 – I 354/31 – RGZ 135, 385, 395 – künstliche Blumen. Siehe auch Bericht Reichstagskommission, 4 (Schutz des redlichen Wettbewerbers); siehe aber auch Osterrieth S. 15 f. (es fehle bei trügerischen Reklamen ein sachlich fassbares Rechtsgut); zum UWG 1909 Stenographischer Bericht über die Lesungen des UWG, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 8498 (2. Lesung am 17.5.1909, Abgeordneter Dr. Bitter: Schutz des „ehrlichen Gewerbetreibenden“); kritisch zu einem „immaterielle[n] Rechtsgut der ungehinderten Ausübung einer Gewerbstätigkeit und des Rechts auf Kundschaft“ aber Bericht der 35. Kommission v. 5.5.1909, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 8436 (Nr. 1390 der Anlagen). 52 R. Isay, S. 57 ff.; Callmann S. 26 ff. m.w.N.; Baumbach S. 126 f. (absolutes Recht, das jede fremde Einwirkung eigentumsartig ausschließe, weil es inhaltlich dem Eigentum völlig entspreche). 53 Callmann S. 34 (das UWG wolle in erster Linie nicht das kaufende Publikum, sondern die ehrbaren Geschäftsleute schützen); Baumbach S. 128 (es sei ein grundlegender, nicht auszurottender Irrtum, dass das deutsche Wettbewerbsrecht auch das Publikum, den Verbraucher, schütze). 54 Zum Schutz der persönlichen Betätigungsfreiheit siehe Lobe S. 183 ff., 197; Rosenthal S. 5 (Schutzgegenstand sei die Persönlichkeit, deren Recht auf gewerbliche Betätigung vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen behütet werden müsse); E. Ulmer S. 8 (Schutzgut sei die geschäftliche Betätigung von Personen und Unternehmen); Nerreter S. 97 (Betätigungsrecht); Fikentscher Wettbewerb, S. 228, 230; ders. Wirtschaftsrecht II 378 mit Fn. 770 (Ableitung aus einer persönlichkeitsrechtlichen Betrachtung); Fournier S. 105; A.A. Kummer S. 87 ff., 100 (Schutzgut des UWG sei ein „Recht an der Wettbewerbsstellung“ im Sinne eines absoluten subjektiven Rechts). Kummer beruft sich zu Unrecht auf ein „ähnliches Ergebnis“ Franz Böhms, wenn dieser die „Siegchance“ als geschütztes Interesse bezeichnet (a.a.O., 88). Zu Böhms funktionaler Theorie unten 4. Zum Schutz der Allgemeininteressen an lauterem Wettbewerb: Callmann S. 35; Baumbach S. 128 (die Redlichkeit des Verkehrs komme „letzten Endes“ in stärkstem Maß der Allgemeinheit zugute); Kummer S. 110 (reflexweiser Schutz der Wettbewerbsordnung). 55 Boesche Rn. 1; Götting S. 3 (der „Akzent“ des UWG im Gegensatz zum GWB sei der Individualschutz); Harte/Henning/Ahrens Einl. G Rn. 123 (das UWG schütze die Lauterkeit des Wettbewerbs als primär wettbewerblicher Individualschutz); zweifelnd an der Aufgabe der klassischen Vorstellung vom Schutz individueller Interessen durch subjektive Rechte auch Fikentscher Wettbewerb, S. 162; für eine persönlichkeitsrechtliche Betrachtung auch ders. Wirtschaftsrecht II, S. 378.
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vor unerlaubter Nachahmung56 sowie der Schutz der Geschäftsehre vor Herabsetzung und Anschwärzung ohne Rücksicht auf eine Beeinträchtigung von Absatzchancen im Wettbewerb gezählt.57 Die individuellen, letztlich persönlichkeitsrechtlichen Interessen und namentlich das Rechtsgut der Privatheit von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern sollen primäres Schutzobjekt des § 7 Abs. 2 sein.58 Schließlich wird die Existenz eines subjektiven Verbraucherindividualrechts propagiert, das insbesondere durch vertragsbezogene unlautere Handlungen verletzt werden könne. Rechtsfolge sei ein Schadensersatzanspruch des betroffenen Verbrauchers gem. § 823 Abs. 1 BGB auf Aufhebung von Verträgen, die etwa im Zuge verbotener Telefonanrufe zustande kommen.59 2. Kritische Würdigung. Als generelle Erklärung des UWG werden rein indivi- 34 dualistische Theorien bereits seit den 1930er Jahren kaum noch vertreten, weil sie die Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts allenfalls teilweise erschöpfen. Mit § 1 UWG ist ein solcher Ansatz offensichtlich unvereinbar, weil das Interesse der Allgemeinheit am unverfälschten Wettbewerb „zugleich“ mit in den Telos einbezogen wird. Eine fulminante Kritik individualrechtlicher Erklärungsversuche formulierte bereits 35 Hermann Isay in seiner Schrift „Das Rechtsgut des Wettbewerbsrechts“ (1933). Seiner Auffassung nach gingen die individualrechtlichen Auffassungen begründungslos und ohne Rückkopplung auf die Rechtsordnung vom Bestehen eines subjektiv-absoluten Rechts an der Persönlichkeit bzw. dem Unternehmen aus.60 Ein solches Recht bestehe jedoch nicht, weil nicht jede Störung in Ausübung der allgemeinen Freiheit verboten sei und Ansprüche zur Bewehrung lauterkeitsrechtlicher Verbote kein primäres Recht voraussetzten.61 Im Übrigen war bereits frühzeitig und zutreffend moniert worden, dass der Schutz 36 der Verbraucher62 und die Aktivlegitimation von Verbänden unerklärt bleibe.63 Außerdem müssten zulässige, aber den einzelnen Mitbewerber doch in gewissem Umfang beeinträchtigende Wettbewerbshandlungen akzeptiert werden,64 ohne dass die hierfür maßgeblichen Kriterien aus dem Persönlichkeits- oder Unternehmensschutzgedanken abzuleiten seien.65
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56 Siehe § 4 Nr. 9 und Lochmann S. 221 (es sei nicht einzusehen, den Individualschutz abzulehnen); dazu eingehend Peukert Güterzuordnung, S. 340 ff. 57 Siehe § 4 Nr. 7 und 8 sowie Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 24 Rn. 4. 58 Siehe Beater WRP 2012, 6, 10; Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 11 ff., § 27 Rn. 2; ferner unten § 1 Rn. 140 ff. 59 Fezer/Fezer Einleitung E Rn. 412 ff. 60 H. Isay S. 10, 14 f. 61 H. Isay S. 13, 17, 32 (Normenschutz und subjektives Recht seien nicht identisch); Kraft S. 203; Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 88 (Institutionsschutz und Individualschutz seien keine unvereinbaren Gegensätze). 62 Kritisch E. Ulmer S. 20 m.w.N.; aus späterer Zeit Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 46; E. Ulmer/ Reimer S. 17; mit pointiert subjektivrechtlicher Begründung Fezer WRP 1993, 565, 568 ff.; siehe BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751 – Güllepumpen m.w. Nachw. 63 Siehe dazu RG 29.4.1930 – II 355/29 – RGZ 128, 330, 342; RG 21.4.1931 – IIb 7/31 – RGZ 132, 311, 317 (die Klagebefugnis der Verbände entstamme grundsätzlich nicht einem Individualrecht). Allerdings wurde bereits zum UWG 1909 festgehalten, das UWG diene nicht dem Schutz der Verbände selbst; siehe BGH 18.1.1966 – VI ZR 147/64 – BGHZ 44, 393, 397 = NJW 1966, 654. 64 Siehe für die Persönlichkeitsrechtstheorie etwa Kohler S. 17 („… der Einzelne mag versinken: das ist sein Schicksal; er stirbt im redlichen Kampfe“); v. Gierke Dt. Privatrecht I, S. 714; Rosenthal S. 4; Kummer S. 126 (sonderbare Zweiteilung des negatorischen Schutzes); für die Immaterialgüterrechtstheorie etwa R. Isay S. 59. 65 Kritisch in diesem Sinne Nipperdey Kartell-Rundschau S. 127 f. Siehe die entsprechenden Ausführungen von Kohler S. 17 („der Wettstreit ist ein Kampf, aber er ist kein Krieg, kein bellum omnium contra omnes“);
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II. Schutzzwecktrias und Mehrzahl der Schutzzwecke 1. Konzeption und Begründung der Schutzzwecktrias. Die wohl herrschende Meinung zum UWG 1909 beschrieb die Funktion des Lauterkeitsrechts im Sinne einer Schutzzwecktrias. Demnach schütze das UWG die Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der Allgemeinheit mit dem objektiven Ziel, die Lauterkeit des Wettbewerbs sicherzustellen.66 Dieser Ansatz soll nach Auffassung des Reformgesetzgebers von 2004 und 2008 in 38 § 1 kodifiziert worden sein.67 Demnach stehen die Allgemeininteressen gleichrangig neben den Interessen der Verbraucher (Vertikalverhältnis) und der Mitbewerber (Horizontalverhältnis).68 § 1 S. 2 stelle lediglich klar, dass sonstige Belange wie Gesundheitsund Umweltschutz ein lauterkeitsrechtliches Verbot nicht tragen können.69 Im Übrigen wird für § 1 S. 2 nach Konstellationen gesucht, bei denen ausnahmsweise einmal keine individuellen, sondern allein Allgemeinheitsinteressen am unverfälschten Wettbewerb betroffen sind.70 39 Der BGH formuliert in Anlehnung an § 1 S. 1 zurückhaltend, Aufgabe des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sei es, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher und Mitbewerber, zu regeln.71 Freilich bleibt der BGH hiermit eine Antwort auf die Frage schuldig, warum und nach Maßgabe welcher normativen Grundsätze das Marktverhalten reguliert wird. Es wird also gerade kein kohärenter Schutzzweck formuliert. 40 Während der BGH seine farblose Lesart nur gewählt haben mag, um auf nicht entscheidungserhebliche dogmatische Ausführungen zu verzichten, geht v. Ungern-Sternberg einen Schritt weiter und vertritt offensiv, dass das UWG gar keinen übergeordne37
_____ v. Gierke Dt. Privatrecht I, S. 714 (das Recht auf freie Gewerbebetätigung verleihe keinen Freibrief zur Unterdrückung oder Anmaßung der einem anderen Persönlichkeitsbereiche angehörigen Kräfte und Mittel); R. Isay S. 59 ff. (der Kampf solle ein ehrlicher sein). Ohne konkretes Abgrenzungskriterium auch H. Isay S. 54 ff. (erforderlich sei ein neues „Berufsethos“, dessen Inhalt H. Isay aber schuldig bleibt). 66 Vgl. BGH 3.12.1998 – I ZR 119/96 – BGHZ, 140, 134 f. = GRUR 1999, 1128 – Hormonpräparate; OLG Frankfurt 22.11.2001 – 6 U 153/01 – GRUR 2002, 236, 237 – Eilbedürfnis in Patentsachen; BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058 – Therapeutische Äquivalenz; BVerfG 6.2.2002 – 1 BvR 952/90, 1 BvR 2151/96 – GRUR 2002, 455 – Produktwerbung; BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 336 – Kindersaugflaschen; BGH 3.5.1968 – I ZR 66/66 – BGHZ 50, 125, 128 = NJW 1968, 1474 – Pulverbehälter; BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 753 f. – Güllepumpen; BGH 8.12.1999 – I ZR 101/97 – GRUR 2000, 521, 525 – Modulgerüst; aus der Literatur etwa Köhler/Piper Einf. Rn. 23; Baumbach/Hefermehl Allg. Rn. 79, Einl. UWG Rn. 42 ff. m.w.N.; Schricker S. 4 und öfter; Schrauder S. 136; Fezer JZ 1990, 657, 660 f. 67 Siehe RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 301; RegE UWG 2004 BTDrucks. 15/1487, S. 13 m.w.N. zum Funktionswandel; RegE UWG 2008, 41 (bewährte allgemeine Schutzzwecktrias des deutschen Rechts); MünchKommUWG/Sosnitza § 1 Rn. 9 f.; Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 1; Berlit Rn. 12; Peifer in Hilty/Henning-Bodewig Rn. 5; Lettl § 1 Rn. 47; Nordemann Rn. 44 ff.; Götting/Nordemann § 1 Rn. 3; Henning-Bodewig GRUR Int. 2004, 713, 715; Lehmler § 1 Rn. 1; C. Ahrens Rn. 2; Emmerich Unlauterer Wettbewerb, S. 29 f.; Leistner S. 221 ff.; im Ergebnis wohl auch noch Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 8. Zu ideologischen Einflüssen Schill S. 81 f. 68 HK-Wettbewerbsrecht/Klippel E 2 Rn. 2. 69 So RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16; HK-Wettbewerbsrecht/Klippel/Brämer § 1 Rn. 21 f.; Köhler NJW 2004, 2121; Henning-Bodewig GRUR Int. 2004, 713, 715; Zettel MDR 2004, 1040; Glöckner/ Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1317; Leistner S. 226 (klarstellender Charakter des Verweises auf die Allgemeininteressen). 70 Siehe Ohly GRUR 2004, 889, 894 f. 71 BGH 11.1.2007 – I ZR 96/04 – BGHZ 171, 73 = GRUR 2007, 800 Tz. 21 – Außendienstmitarbeiter; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 8.
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ten Schutzzweck, kein definierbares Schutzobjekt aufweise.72 Das UWG gewährleiste insbesondere nicht den unverfälschten Wettbewerb als Institution, sondern schütze die in § 1 S. 1 genannten Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Die wettbewerblichen Interessen dieser Schutzsubjekte seien sehr verschiedenartig und könnten nicht auf solche reduziert werden, bei deren Verletzung zugleich die Funktionen „des“ wirtschaftlichen Wettbewerbs verfälscht seien. § 1 S. 2 stelle mit dem Wort „zugleich“ klar, dass sich die relevanten individuellen Belange der Marktteilnehmer gem. S. 1 nicht im Interesse am unverfälschten Wettbewerb erschöpfen, und dass Allgemeininteressen nur insoweit lauterkeitsrechtlich relevant sind, als sie auf unverfälschten Wettbewerb gerichtet sind. Der Rechtsanwender habe „eine – an der Rechtsordnung insgesamt ausgerichtete – Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens“ vorzunehmen, die keine Subsumtion sei, sondern ein „Vorgang der Rechtsfindung, [der] den Gerichten anvertraut ist“.73 2. Kritische Würdigung. Die Theorie der Schutzzwecktrias und ihre konsequente 41 Fortschreibung zu einer Schutzzwecklehre ohne Schutzzweck ist abzulehnen. Diese Lesarten wurden zum UWG 1909 und seiner großen Generalklausel entwickelt. Das UWG 1909 und seine gesamte Grundanlage gelten jedoch nicht mehr. Die auch vom Reformgesetzgeber geteilte, apodiktische Rede von der Fortgeltung 42 einer Schutzzwecktrias lässt unberücksichtigt, dass bis zur Kodifikation von § 1 UWG 2004 ausgesprochen umstritten war, welche Allgemeininteressen im Lauterkeitsrecht Berücksichtigung finden durften,74 und was unter zulässigem „Leistungswettbewerb“ zu verstehen war,75 während eine umfassende Erklärung des Lauterkeitsrechts unter Einbeziehung von Mitbewerber- und Verbraucherinteressen ausdrücklich vermisst wurde.76 Der Vorwurf der Unbestimmtheit gilt unverändert für Verweise auf „wettbewerbsbezogene Interessen“ und „besonders gewichtige“, „außerwettbewerbliche Rechtsgüter“.77 Darüber hinaus steht eine Schutzzwecktrias schon auf den ersten Blick mit § 1 in 43 Widerspruch. Die Norm nennt nämlich vier verschiedene Schutzsubjekte, nämlich die Mitbewerber, die Verbraucher, die sonstigen Marktteilnehmer und die Allgemeinheit.78 Die herrschende Meinung verweigert sich dieser Erkenntnis, indem die sonstigen
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72 Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 11 ff., § 27 Rn. 2; siehe auch Hilty/HenningBodewig S. 22 (Schutzzwecke). 73 Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 29. 74 Siehe die Kritik bei Burmann WRP 1968, 258, 259; Raiser GRUR Int. 1973, 443 mit Fn. 3 (mit zutreffender Differenzierung zwischen dem Argument der Berücksichtigung der Verbraucherinteressen und der Frage nach dem sonstigen „öffentlichen Interesse“ am lauteren Wettbewerb); Möschel S. 134 (begriffliche Unschärfen und Scheingegensätze); Reichold AcP 193 (1993), 204, 216, 232 f. (Zauberformel); Schricker GRUR Int. 1996, 473, 476; Schwartz GRUR 1967, 333, 342 (Lehrsatz als Hilfskonstruktion); Giese S. 97 (schillernder Begriff, der einer nur an Teilproblemen ausgerichteten Betrachtungsweise Vorschub leiste); Zur Entwicklung von Rechtsprechung und Literatur zum Begriff des Allgemeininteresses ausführlich Giese S. 21 ff.; Schnieders S. 6 ff. 75 Freitag S. 123 ff. (keine rechtlich erhebliche Bedeutung); Sosnitza S. 84 („schillerndes Schlagwort“); Schricker GRUR Int. 1996, 473, 476 („Schimäre“). Dunkel denn auch die Verweise von Kraft S. 214; Schricker S. 235, 275 (jeweils auf eine „Natur der Sache“ des zulässigen Leistungswettbewerbs). 76 E. Ulmer/Reimer S. 18 (eine befriedigende Definition des geschützten Rechtsguts sei bisher nicht gelungen); kritisch zu den Versuchen, ein einheitliches, durch das Wettbewerbsrecht geschütztes, subjektives Recht zu konstruieren Schricker S. 4 („Fata Morgana“). 77 Gegen Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 20, 27. 78 So auch Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 3; zu sonstigen Marktteilnehmern Beater Rn. 2161.
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Marktteilnehmer entweder als eigenständige Kategorie negiert79 oder mit den Verbrauchern als Gegenseite der Mitbewerber zusammengefasst werden. Die Trias bestehe in der Regelung des Horizontalverhältnisses zwischen Mitbewerbern, dem Vertikalverhältnis zu sonstigen Marktteilnehmern und Verbrauchern sowie den Allgemeinheitsinteressen.80 Diese Konzeption widerspricht aber der gesetzlichen Regelung. Mit der Nennung 44 der „sonstigen Marktteilnehmer“ wird nicht eine überflüssige Kategorie eingeführt, sondern ausweislich des § 2 Abs. 1 Nr. 2 werden hiermit neben Mitbewerbern und Verbrauchern „alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind“, angesprochen.81 Es handelt sich zum einen um Unternehmer, die mit dem unlauter handelnden oder geförderten Unternehmen nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, weil sie auf einem anderen Markt tätig sind; zum anderen erfasst der Begriff nicht-unternehmerisches Nachfrageverhalten von juristischen Personen wie Idealvereinen und der öffentlichen Hand.82 Die wettbewerblichen Interessen und schutzwürdigen Belange dieses Personenkreises unterscheiden sich sowohl von den Mitbewerbern als auch von den Verbrauchern als natürlichen Personen.83 In § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. erfahren die „sonstigen Marktteilnehmer“ auch in der Sache einen speziellen, von den beiden übrigen Personengruppen abweichenden Rechtsschutz.84 Generell widerspricht die Zusammenfassung von unternehmerisch agierenden 45 oder als juristische Person verfassten Marktteilnehmern und Verbrauchern dem europäischen Lauterkeitsrecht und seiner Umsetzung in deutsches Recht.85 Der EuGH legt bei Werbung, die sich an gewerbliche Abnehmer richtet, andere Maßstäbe an als bei Verbrauchern.86 Die Vollharmonisierung der UGPRL gilt nur für Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern, während der deutsche Gesetzgeber im Hinblick auf den Schutz unternehmerischer Marktteilnehmer abgesehen von vergleichender Werbung weitgehende Regelungsautonomie genießt. Insbesondere im Hinblick auf § 3 Abs. 3 und den Anhang hierzu hat der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich darauf verzichtet, die verbraucherschützenden Vorgaben der UGPRL auf unternehmerisch handelnde Marktteilnehmer zu erstrecken.87 Auch insoweit ist eine teleologische Unterscheidung zwischen sonstigen Marktteilnehmern und Verbrauchern geboten. Ungeklärt bleibt nach der Theorie der Schutzzwecktrias auch das Verhältnis zwi46 schen § 1 S. 1 und S. 2. In beiden Sätzen werden nämlich nicht nur vier Subjekte genannt, deren Interessen das UWG gewährleistet, sondern auch ein objektiver Schutzgehalt, nämlich der unverfälschte Wettbewerb.88 Insoweit konnten bisher keine Fallgruppen benannt werden, bei denen ausschließlich Allgemeininteressen am unver-
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79 Boesche Rn. 1 (eines besonderen Schutzes der „sonstigen Marktteilnehmer“ hätte es nicht bedurft, da diese entweder Mitbewerber oder Verbraucher sind). 80 Lettl § 1 Rn. 47 f.; Nordemann Rn. 44 ff.; Götting/Nordemann § 1 Rn. 4; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 14. 81 Siehe Omsels WRP 2004, 136, 139; a.A. MünchKommUWG/Sosnitza § 1 Rn. 9; widersprüchlich C. Ahrens Rn. 13 (Oberbegriff, aber eigenständige Bedeutung). 82 Dazu § 2 Rn. 329 ff. 83 Dazu Beater WRP 2009, 768, 773 ff. 84 Dazu Fezer WRP 2010, 1075, 1094 („Die lauterkeitsrechtliche Beurteilung des b2b-Telefonmarketings nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. UWG ist im Unterschied zum b2c-Telefonmarketing anhand einer eigenständigen Interessenanalyse und Interessenbewertung unter Würdigung der gesamten Umstände der konkreten Fallkonstellation nach dem Leitbild eines am Markt wirtschaftlich vernünftig urteilenden und handelnden Unternehmers (reasonable competitor) vorzunehmen.“). 85 Insoweit zutreffend Fezer/Fezer § 1 Rn. 13. 86 Vgl. EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001 I-7945 Tz. 52 – Toshiba/Katun (Kopierbedarf); EuGH 23.2.2006 – C-59/05 – Slg. 2006 I-2147 Tz. 19 – Siemens/VIPA. 87 Unten § 3 Rn. 77 ff. 88 Siehe Götting/Nordemann § 1 Rn. 2 f.
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fälschten Wettbewerb betroffen sind, nicht aber Belange einzelner Marktteilnehmer, so dass § 1 S. 2 mit seinem angeblich eigenständigen Gehalt im Ergebnis leerläuft.89 Es kann aber dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, eine letztlich überflüssige Regelung ohne Anwendungsbereich erlassen zu haben. Das ist auch nicht der Fall. Denn das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb steht nicht gesondert neben den Interessen der einzelnen Marktteilnehmer, sondern ist das übergreifende Kriterium zur Entscheidung von Interessenkonflikten im wirtschaftlichen Wettbewerb.90 Nicht zuletzt bleibt bei einer Gleichrangigkeit aller Belange offen, warum die einzel- 47 nen Interessen Schutz verdienen,91 und anhand welcher Kriterien Interessenkollisionen zu lösen sind.92 Die Methode der Interessenabwägung krankt generell am Fehlen eines Entscheidungsmaßstabs, der im Konfliktfall besagt, welches Interesse aus welchem Grund vorzuziehen ist.93 Soweit die Vertreter der Schutzzwecktrias die nicht schutzwürdigen Interessen nicht letztlich doch wieder mit dem „Leitbild des unverfälschten Wettbewerbs“ (§ 1 S. 2) identifizieren und damit auf eine wettbewerbsfunktionale Lesart einschwenken,94 wiegen sie ohne Waage.95 v. Ungern-Sternberg hat diese Beliebigkeit in aller Deutlichkeit offengelegt. Hierbei 48 dürfte es sich durchaus um eine realistische Beschreibung der richterlichen Entscheidungsfindung im Lauterkeitsrecht handeln, die im Fachgespräch mit Anwälten eine „gewisse Unbestimmtheit“ ertragen und produktiv bearbeiten kann.96 Beschreibender Realismus darf aber nicht mit normativem Begründungsanspruch gleichgesetzt werden. Sowohl die autonome deutsche Neufassung des UWG 2004 als auch die UGPRL und die anderen europäischen Rechtsakte im Lauterkeitsrecht sind durch einen hohen Konkretisierungsgrad gekennzeichnet. An die Stelle der großen Generalklausel des § 1 UWG 1909, aus der Rechtsprechung und Wissenschaft unter „gewisser Unbestimmtheit“ Fallgruppen deduzierten, sind detaillierte gesetzliche Vorgaben zur Unlauterkeit getreten.97 Zweck dieser Regelungstechnik ist es, für größere Rechtssicherheit zu sorgen und das Lauterkeitsrecht durch eine präzisierende Begrenzung von Verbotstatbeständen zu liberalisieren. Damit sollte einer das 20. Jahrhundert prägenden, interventionistischen
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89 Ohly GRUR 2004, 889, 894; C. Ahrens Rn. 15 (es falle schwer, solche Fälle zu finden). Zur allgemeinen Marktbehinderung siehe Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 48. 90 Unten § 1 Rn. 335 ff. 91 Das erkennen HK-Wettbewerbsrecht/Klippel/Brämer § 1 Rn. 6 ohne Konsequenzen; aus diesem Grund letztlich doch für das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb als maßgeblichen „Abwägungsmaßstab“ bei der Berücksichtigung der verschiedenen Schutzzwecke Wuttke WRP 2007, 119, 124. 92 Ohne entsprechende Maßstäbe denn auch MünchKommUWG/Sosnitza § 1 UWG Rn. 39 (die Abwägung entscheide zugleich über die Rangfolge der betroffenen Interessen); Wuttke WRP 2007, 119, 124 (deshalb sei das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb der „teleologisch fundierte[n] Abwägungsmaßstab“). Den Wortlaut des Gesetzes apodiktisch als „Irrweg“ überwindend Lochmann S. 224 f. 93 Raiser GRUR Int. 1973, 443, 445 mit Fn. 24; kritisch ohne Alternativvorschlag Schricker GRUR Int. 1996, 473, 476. 94 Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 25 Rn. 7; siehe auch § 27 Rn. 3 a.E. (das UWG ziele gem. § 1 S. 2 darauf ab, „die unterschiedlichen Interessen in einem einheitlichen Schutzzweck des Gesetzes zu integrieren, der als Leitlinie für die Gesetzesauslegung und die Beurteilung von Einzelfällen dienen soll“). 95 Koppensteiner WRP 2007, 475, 480; a.A. Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 28. 96 Aus der Sicht des Richters Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 27 Rn. 7; und aus der Sicht der Anwaltschaft Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 43 Rn. 8. 97 Gegen Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 29.
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Tendenz der Rechtsprechung entgegengewirkt werden.98 In diesem Kontext steht auch § 1, der einer teleologischen Beliebigkeit Einhalt gebieten soll. Es läuft daher der gesamten Konzeption des modernisierten Lauterkeitsrechts zuwider, in der Vorschrift allenfalls noch einen Hinweis auf die „Rechtsordnung insgesamt“ zu sehen.99 III. „Sozialrechtliches“ Verständnis und Schutz allgemeiner Interessen durch das UWG 1. Ursprünge und zeitgenössische Versionen der „sozialrechtlichen“ Theorie des UWG. Das häufig als „sozialrechtlich“ apostrophierte Verständnis des Lauterkeitsrechts100 bekennt sich anders als die Lehre von der Schutzzwecktrias zu einem identifizierbaren, übergeordneten Schutzobjekt, anhand dessen Interessenkollisionen zu beurteilen sind. Kennzeichen dieser Auffassung ist es, solche Interessen als vom UWG geschützt anzuerkennen und als ausschlaggebend zur Entscheidung von Konfliktfällen zu erachten, „die nicht zur Disposition von Angebot und Nachfrage stehen und die dem Wettbewerb aus wettbewerbsfremden Gründen äußere Grenzen setzen“.101 Die Anerkennung einer solch „marktbegrenzenden Sittlichkeit“102 als Programm des UWG hat eine lange Tradition, die aufgrund ihrer fortdauernden Relevanz für die gegenwärtige Diskussion zu rekapitulieren ist. Nachdem das erste UWG von 1896 eine Überreglementierung des Wettbewerbs ins50 besondere durch den Verzicht auf eine Generalklausel vermeiden wollte, setzte man mit dem UWG 1909 die Gewerbefreiheit als wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundentscheidung zwar weiterhin voraus, bezweckte aber vor allen Dingen, den Mittelstand gegen ruinösen Wettbewerb zu schützen.103 Die Rechtsprechung vertraute bereits während der Weimarer Republik auf eine korporatistische Selbstregulierung der Wirtschaft. So bezogen sich die Leitentscheidungen des Reichsgerichts zur Einbeziehung öffentlicher Interessen in das Lauterkeitsrecht auf die Durchsetzung eines nicht(!) für unlauter erklärten Preiskartells,104 auf die Vermeidung von „Auswüchsen des Wett-
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98 Geschichtsvergessen Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 43 Rn. 18. 99 Gegen Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 29. 100 Siehe Fezer/Fezer § 1 Rn. 41 f., 45; Götting S. 84 ff. Teilweise werden hierfür Begriffe wie „kollektivrechtlicher Schutz“ (Köhler/Piper Einf. Rn. 11) oder „sozialrechtliche Funktion“ (Hefermehl FS Nipperdey, 283, 286; Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 43 und öfter) gewählt. 101 So zum Begriff der Allgemeinheitsinteressen Beater WRP 2012, 6; zum UWG 1909 Giese S. 200 ff., 211 (die Ordnung des Wettbewerbs wurde nicht in der Institution des freien Wettbewerbs, sondern in einem System der genossenschaftlichen Selbsthilfe gesehen); Reuter AcP 189 (1989), 199, 216 (zur Rechtfertigung von Kartellen als Ausdruck einer materialen Wertethik); anders Schill S. 51 (der Schutz der Allgemeinheit habe vor 1933 nicht dazu gedient, wettbewerbsfremde Überlegungen in das UWG einzuführen). 102 Beckert S. 3 ff. 103 Siehe die stenographischen Berichte über die Lesungen des UWG, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 6523–6552 (1. Lesung am 25.1.1909), 8433–8438, 8458–8460 (Bericht der 35. Kommission v. 5.5.1909, Nr. 1390 der Anlagen), 8496–8500 (2. Lesung am 17.5.1909). 104 Siehe RG 25.6.1890 – I 96/90 – RGZ 28, 238, 244 (aus dem Prinzip der Gewerbefreiheit folge keine Unantastbarkeit des freien Spiels wirtschaftlicher Kräfte in dem Sinne, dass den Gewerbetreibenden der Versuch untersagt wäre, im Wege genossenschaftlicher Selbsthilfe die Betätigung dieser Kräfte zu regeln und Ausschreitungen, die für schädlich erachtet werden, zu verhindern); RG 4.2.1897 – VI 307/96 – RGZ 38, 155, 158 (es verstoße nicht wider das Prinzip der Gewerbefreiheit, wenn sich Gewerbsgenossen miteinander verbinden, um einen Gewerbszweig durch Schutz vor Preisunterbietungen Einzelner lebensfähig zu erhalten); RG 18.12.1931 – II 514/30 – RGZ 134, 342, 349 (dem deutschen Recht sei die Auffassung fremd, eine Preiskonvention mit dem Ziel der Schaffung einer Monopolstellung durch Preiskampf sei ohne Weiteres sittenwidrig). Bemerkenswert ist, dass zwei Entscheidungen die Ansprüche der Kläger gegen die Kartelle im Einzelfall gewährten, aber nur wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls (siehe RG 25.6.1890 – I 96/90 – RGZ 28, 238, 245 ff.; RG 18.12.1931 – II 514/30 – RGZ 134, 342,
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bewerbs“105 sowie die Herleitung der Aktivlegitimation von Kollektiven.106 Das von Nipperdey betonte Begriffspaar Leistungs- und Nichtleistungswettbewerb ließ jenseits seiner metaphorischen Kraft nicht nur offen, anhand welcher Kriterien eine zulässige Schädigung durch Konkurrenz von einer verbotenen Behinderung des Mitbewerbers zu unterscheiden war, sondern – und das gilt es in Erinnerung zu rufen – es diente der Rechtfertigung eines nach heutigem Recht zweifellos wettbewerbswidrigen Kartells.107 Erst Franz Böhms Werk „Wettbewerb und Monopolkampf“ aus dem Jahr 1933 er- 51 klärte auf der Basis der klassischen Nationalökonomie, weshalb in einer herrschaftsfreien Wirtschaftsverfassung eine Ordnung des Wettbewerbskampfes erforderlich sei, damit die hiermit verknüpften Vorteile im Allgemeininteresse tatsächlich eintreten.108 Zu diesem Zweck müsse der Leistungswettbewerb selbst als Schutzgut des UWG anerkannt werden.109 Die Abgrenzung vom unzulässigen Nichtleistungswettbewerb habe unter Berücksichtigung ökonomischer Erkenntnisse zu erfolgen. Könne der Anbieter wählen, welche Ware oder Dienstleistung er offeriert, und sei der Nachfrager in seiner Entscheidung hierüber ebenfalls frei, so zähle zum Nichtleistungswettbewerb alles, was geeignet ist, einen echten Vergleich der Angebote zu verfälschen oder zu verhindern.110 Geschützt sei dann nicht wie in einer berufsständischen Ordnung die Persönlichkeit des Unternehmers oder das Unternehmen als die Summe des Erworbenen, sondern nur die Gleichheit der Siegchance in einem geregelten Wettbewerbskampf.111 Hierbei handelte es sich keineswegs um eine bloß „ökonomische“ Argumentation, vielmehr machte Böhm die eminent ethisch motivierte Grundentscheidung für eine freiheitliche Wirtschaftsverfassung für das Lauterkeitsrecht fruchtbar und versuchte damit, planwirtschaftliche Tendenzen zurückzudrängen.112 Allerdings kam diese, mit der hier vertretenen Auffassung übereinstimmende Lö- 52 sung zu spät, um dem UWG eine Funktion zuzuweisen, die es gegen nationalsozialisti-
_____ 355 f.). Gleichwohl konnte sich die Rechtsprechung bis 1933 nicht durchringen, die Freiheit des Leistungswettbewerbs als solche zum Schutzgegenstand des UWG 1909 zu erklären. 105 RG 24.1.1928 – II 272/27 – RGZ 120, 47, 49; RG 21.4.1931 – IIb 7/31 – RGZ 132, 311, 317 („Wahrung des Rechtsfriedens“). Bezeichnend die Berufung auf die Entscheidung RG 24.1.1928 – II 272/27 – RGZ 120, 47 in RG 5.6.1935 – II 332/34 – RGZ 148, 114, 125 f. (die aus dem Reichsverband der Kautschukindustrie hervorgegangene „Fachgruppe Kautschukindustrie“ habe polizeiliche Befugnisse im Interesse der Allgemeinheit für die Reinhaltung des geschäftlichen Verkehrs, in diesem Fall gegen die Geschäftsführung durch einen Juden). Zur Entwicklung auch Schwartz GRUR 1967, 333, 334 ff.; Möschel S. 134 ff.; Pause S. 11 ff. 106 RG 29.4.1930 – II 355/29 – RGZ 128, 330, 342 f. Zur Einbindung der kartellartigen Verbände der Weimarer Republik in die nationalsozialistische Planwirtschaft, unter anderem zur Ausschaltung der jüdischen Unternehmen siehe RG 5.6.1935 – II 332/34 – RGZ 148, 114, 125 f. 107 Siehe Nipperdey Kartell-Rundschau 1930, 127, 136, 139 ff.; zum Begriff „Leistungswettbewerb“ MünchKommUWG/Sosnitza Grundl Rn. 15 ff. 108 Böhm Wettbewerb und Monopolkampf, S. 125 f.; ders. Die Ordnung der Wirtschaft, S. 4, 104 („Damit in einer solchen freien Wirtschaft ein geordnetes, vernünftiges Zusammenwirken der einzelnen zum Wohl der Gesamtheit stattfinde, bedarf es verfassungsrechtlicher Einrichtungen, die dafür sorgen, daß die einzelnen von ihrer so außerordentlich weit bemessenen Bewegungsfreiheit zu jeder Zeit denjenigen Gebrauch machen – und keinen andern –, der dem Interesse der Gesamtheit am besten entspricht.“). 109 Böhm Wettbewerb und Monopolkampf, S. 178 ff., 284 mit Kritik an anderen Theorien. 110 Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, in Böhm, XIXf.; Böhm Die Ordnung der Wirtschaft, S. 123 f. (Spielregeln für ein organisiertes Ausleseverfahren). Zu den Voraussetzungen des Leistungswettbewerbs aus ökonomischer Sicht Homann/Suchanek S. 150 f. (definierte und durchsetzbare property rights, freier Marktzutritt, faire Bedingungen). 111 Böhm Wettbewerb und Monopolkampf S. 285 ff.; Willgerodt FS Böhm, S. 687, 696; Kraft S. 205; a.A. Kummer S. 112 (mit wenig überzeugender Berufung auf Böhm a.a.O., 88). 112 Siehe Böhm Die Ordnung der Wirtschaft, S. 126 (mit Hinweis auf die „Moral der freien Verkehrswirtschaft; sie ist das Äquivalent der Freiheit …“). Zur Moralität der Marktfreiheit auch Reuter AcP 189 (1989), 199, 214 ff. m.w.N.
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sche Vereinnahmung wenigstens vorübergehend gestärkt hätte.113 So aber konnten sich die bereits vor 1933 angelegten, wettbewerbsfeindlichen Tendenzen ungehindert entfalten. Das Lauterkeitsrecht vermochte den Wechsel von der zumindest noch im Grundsatz freien Markt- zur zentralisierten Planwirtschaft im Interesse des „Volksganzen“ äußerlich unverändert mit zu vollziehen.114 Das Reichsgericht hatte keine Schwierigkeiten, die Lauterkeit einer Werbemaßnahme am „gesunde[n] Volksempfinden“ zu messen, weil es hierfür auf den seit jeher anerkannten Zweck des UWG verweisen konnte, „Auswüchse[n] im Wettbewerb … zu steuern“.115 Auch die für die spätere Entwicklung des Lauterkeitsrechts bedeutsamen Schriften 53 von Eugen Ulmer zu „Wandlungen und Aufgaben im Wettbewerbsrecht“ (1937)116 sowie die „Allgemeinen Grundlagen eines deutschen Wettbewerbsrechtes“ von Paul Nerreter (1936)117 stehen auf dem Boden der damaligen Wettbewerbs- und Rechtspolitik. Ulmer würdigt die Schriften von Franz Böhm zwar eingangs als imponierend. Doch sei die Wirtschaftsverfassung eben nicht mehr auf die freie Verkehrswirtschaft, sondern auf staatliche Lenkung ausgerichtet; die Gewerbefreiheit im einstigen Sinne bestehe nicht mehr.118 Mit dem „breiten Einbruch des Gemeinschaftsgedankens im Wettbewerbsrecht“ habe sich ein „Wandel von einer individual- zu einer sozialethischen Beurteilung vollzogen“.119 Die Wettbewerbsordnung gewährleiste „das Interesse des Volksganzen an einer gesunden und sauberen Ordnung des Wirtschaftslebens“ sowie die Interessen der Abnehmer.120 In Gestalt von Verweisen auf die Lauterkeit der deutschen Wirtschaftsordnung, den Schutz des ehrlichen Schaffens der einzelnen Mitbewerber sowie den Schutz der Abnehmer bereitete Ulmer der Lehre von der Schutzzwecktrias den Boden. Allerdings bezog sich diese theoretische Grundlegung wie gezeigt ausdrücklich nicht auf eine freiheitliche, dezentrale Mehrplanwirtschaft. 54 Während das Kartellrecht mit dem GWB 1957 die verfassungsrechtlichen und wirtschaftspolitischen Grundentscheidungen für eine auf individueller Handlungsfreiheit beruhende Marktwirtschaft nachvollzog, wurden in der lauterkeitsrechtlichen Schutzzweckdiskussion die vor und während der NS-Zeit formulierten, im Kern wettbewerbsfeindlichen Thesen fortgeschrieben.121 Besonders aufschlussreich hierfür ist die Neubearbeitung des UWG-Kommentars von Baumbach durch Hefermehl in den 1950er Jahren.
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113 Giese S. 243. 114 Giese S. 227 ff.; Schill S. 6 ff.; Rüthers S. 219 ff.; Pause S. 313 ff.; Sambuc S. 26 f.; Nordemann Rn. 78. 115 RG 27.3.1936 – II 228/35 – GRUR 1936, 810, 811 f. – Diamantine; zum Werberecht auch E. Ulmer ZAkDR 1936, 535 (mit Verweis auf die Führung der Wirtschaftswerbung durch den Werberat und die ergänzenden privatrechtlichen Streitigkeiten, die der „Säuberung des Werbungswesens“ und „der Gesamtheit“ dienten, von der die Wettbewerber „ihre Rechtsgüter als Lehen“ erhielten). Siehe ferner Schwartz GRUR 1967, 333, 336 f. m.w.N. (die Urteile trügen den Stempel und führten die Sprache der Zeit). 116 E. Ulmer GRUR 1937, 769 ff. m.w.N. 117 Nerreter stellt seiner Arbeit ein Zitat Hitlers voran: „Von nun an gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Recht und Moral.“ Zur Rolle Nerreters in der „Akademie für Deutsches Recht“ Schill S. 35 f. 118 E. Ulmer GRUR 1937, 769 f. (aber: die Vorschriften gegen unerwünschten Wettbewerb dienten nicht einer planmäßigen Wirtschaftslenkung, sondern sie bezweckten nur die Verhinderung von Auswüchsen im Wettbewerb; a.a.O., 772); siehe dagegen E. Ulmer S. 10 (die rechtliche Ordnung im Wettbewerb sei am Grundsatz der freien Konkurrenz ausgerichtet). Auch Nerreter S. 97 f., bezeichnet Böhms Werk als „wertvoll“, lehnt es aber ohne Diskussion der wettbewerbspolitischen Grundlagen ab, weil kein Grund bestehe, das Wettbewerbsrecht auf die künftige Siegchance auszurichten und nicht auf die gegenwärtige Betätigungsfreiheit. 119 E. Ulmer GRUR 1937, 769, 771; Nerreter S. 23 f. (mit Berufung auf die Vorgaben der NSDAP und einer Definition des „Rechts“ als die „Aktivierung des sittlichen Volksbewußtseins durch den Staat“; hingegen Betonung der Vorzüge der Wettbewerbsfreiheit im Vergleich zu einer vollständigen Planung a.a.O., 69, 71). 120 E. Ulmer GRUR 1937, 769, 772; siehe auch Nerreter S. 68. 121 Schill S. 47 ff., für einzelne Fallgruppen der Rechtsprechung a.a.O., 61 ff.
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In der bereits von Hefermehl bearbeiteten sechsten Auflage 1951 wird noch das Unternehmen als primäres Schutzgut des Wettbewerbsrechts benannt, daneben aber – unter ausdrücklichem Verweis auf Böhms „Wettbewerb und Monopolkampf“ – „das Interesse der Allgemeinheit an der Verwirklichung eines auf dem Grundsatz der Leistung beruhenden Wettbewerbs“.122 In der siebten Auflage von 1955 heißt es dann jedoch, das UWG fördere die Interessen der Allgemeinheit nicht nur als Reflex des Individualschutzes, sondern beide Aspekte gleichmäßig.123 Hefermehl leitet diesen Paradigmenwechsel entwicklungsgeschichtlich her. Nach einer individualistischen Betrachtung habe sich „in einer Zeit umfassender staatlicher Wirtschaftslenkung“ eine „sozialrechtliche Auffassung des Wettbewerbsrechts“ immer stärker in den Vordergrund gedrängt; teilweise sei sogar geleugnet worden, dass das Wettbewerbsrecht den einzelnen Wettbewerber schütze.124 Der Zweck des Wettbewerbsrechts sei aber nicht in einem Entweder-Oder, sondern in einer Synthese beider Auffassungen zu suchen.125 Im Übrigen sei das UWG „wirtschaftspolitisch neutral“, so dass es nicht darauf ankomme, ob die Abgrenzung zwischen lauterem und unlauterem Wettbewerb in einer freien oder gelenkten Wirtschaft erfolge.126 Die Theorieentwicklung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts müsste nicht so 55 eingehend nachgezeichnet werden, hätte sie nicht prägenden Einfluss auf die Betrachtung des unverändert fortgeltenden UWG 1909 nach Kriegsende gehabt,127 und wirkten sich diese Denkweisen nicht auch noch auf das UWG 2004 und 2008 aus. So schreibt der BGH dem UWG 2004 ohne nähere Auseinandersetzung mit § 1, dafür aber mit Verweisen auf die Rechtslage zum UWG 1909 einschließlich einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1944 den Zweck zu, den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu gewährleisten.128 Auch die Literatur stützt sich unverändert auf Quellenmaterial aus der Zeit nach 1933, ohne dies mit einem Hinweis auf die grundlegend abweichende Wirtschaftsverfassung jener Zeit zu versehen.129
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122 Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht6, Allg III Anm. 2, 3. Siehe dazu Schill S. 4 mit Fn. 20 (Hefermehl habe die Entwicklungen im Nationalsozialismus totgeschwiegen). 123 Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht7, Allg Rn. 42 f., 57; siehe auch Hefermehl FS Nipperdey, 283, 286 (die sozialrechtliche Betrachtung des Wettbewerbs sei „an die Stelle oder neben“ die individualrechtliche getreten). 124 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht7, Allg Rn. 42. 125 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht7, Allg Rn. 42 (mit Verweis auf E. Ulmer GRUR 1937, 769, 772). Nur am Rande sei bemerkt, dass „Wettbewerb und Monopolkampf“ anders als in der 6. Aufl. nicht mehr im Literaturverzeichnis genannt wird, obwohl das Werk Hefermehl bekannt war; siehe Hefermehl FS Nipperdey, S. 283, 285 mit Fn. 2 und Verweis auf Böhm. 126 Hefermehl FS Nipperdey, S. 283 f.; Freitag S. 121; weitere Nachweise bei Reichold AcP 193 (1993), 204, 230. So noch zum UWG 2004 Götting S. 72 ff. 127 Speziell für die Schutzzweckdiskussion Beater JZ 1997, S. 11 f.; Schill S. 47 ff.; Giese S. 245 f. m.w.N.; Pause S. 325 (der BGH scheine sich nicht darüber im Klaren gewesen zu sein, an welche Traditionen er anknüpfe); Burmann WRP 1968, 258, 259 f., 265. Siehe auch die auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 bezogenen Nachweise bei Hefermehl FS Nipperdey, S. 283, 286 f.; Ott FS Raiser, S. 403, 418; E. Ulmer/ Reimer S. 18; Beater JZ 1997, 916, 918 (mit Verweis auf Nerreter, E. Ulmer 1936/37 und Hefermehl, der diese Ansätze kombiniert habe); regelrecht irreführend Fezer WRP 1993, 565, 570 („Anfang der 30er Jahre …“ mit Verweis auf E. Ulmer GRUR 1937, 769). 128 BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – BGHZ 162, 246, 251 ff. = GRUR 2005, 519 – Vitamin-Zell-Komplex mit Verweis auf RG 13.3.1944 – II 97/43 – GRUR 1944, 88 f. (Schutz „allgemeiner Belange der Gesundheitspflege“). 129 Siehe Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1317 (Verweis auf RG 27.3.1936 – II 229/35 – GRUR 1936, 810 zum Schutzzweck des UWG 2004); MünchKommUWG/Sosnitza § 1 Rn. 5 (Verweis auf E. Ulmer GRUR 1937, 769). Zum UWG 2008 Fezer/Fezer § 1 Rn. 41 f. (Verweise auf E. Ulmer 1937 und RG 27.3.1936 – II 229/35 – GRUR 1936, 810).
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Dezidiert und unter ausdrücklicher Berufung auf Hefermehl wird ein „sozialrechtliches“ Verständnis des geltenden UWG von Fezer vertreten. Allerdings entwickelt Fezer unter diesem Topos eine eigenständige „Theorie der sozialen Grundwerte als marktbezogener Allgemeininteressen“,130 die in der bisherigen Diskussion kein Vorbild findet. Demnach habe das UWG neben „verbraucherrechtlichen“ und „ordnungsrechtlichen“ auch „allgemein gesellschaftsrechtliche“ Wertungen unrechtsbegründend zu berücksichtigen.131 In § 1 S. 1 kämen vorrangige, lauterkeitsbezogene Allgemeininteressen zum Ausdruck, denen Satz 2 das institutionelle Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb hinzufüge.132 Der Markt als der zentrale Ort der Interaktion der Bürger als Marktteilnehmer diene nicht nur der individuellen und kollektiven Wohlstandsmehrung, sondern auch einer effektiven Verwirklichung der Individualrechte der Bürger im Sinne ihrer Würde und Selbstbestimmung sowie einer Realisierung ethischer Standards.133 Fezer geht von einer „Synthese zwischen marktwirtschaftlicher Wettbewerbsordnung und den sozialen Aufgaben des Staates“134 aus und fordert eine „sozialökologische Neuausrichtung eines sozialethischen Leistungswettbewerbs“.135 Die gesetzlichen Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs seien so auszugestalten, dass nachhaltiges, ökologisches Wachstum durch das Wettbewerbsverhalten selbst gefördert werde.136 Rechtliche Ausgangspunkte dieses Konzepts seien die „Verfassungsbindung des Lauterkeitsrechts in der Privatrechtsordnung, die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte, Verfassungsprinzipien und Staatszielbestimmungen der nationalen Verfassungen, des Gemeinschaftsrechts und der internationalen Konventionen als Auslegungsdirektiven bei der Anwendung des einfachen Gesetzesrechts, sowie die rechtliche Anerkennung der sozialen Marktwirtschaft als Wirtschaftsverfassung einschließlich der Leitbildfunktion eines ethisch verantworteten Leistungswettbewerbs im globalen Handels- und Wirtschaftsrecht.“137 Für die konkrete Anwendung des UWG bedeutet dies, dass das UWG Werbung verbiete, die diskriminiert, die Menschenwürde oder Kinderrechte verletzt, in die Privatsphäre der Bürger eingreift oder deren Gesundheit gefährdet.138 57 Auch Frauke Henning-Bodewig wendet sich gegen ein strikt wettbewerbsfunktional-ökonomisches Verständnis des UWG.139 Die Herstellung unverfälschten Wettbewerbs und wirtschaftlicher Effizienz sei nicht das alleinige Ziel des Lauterkeitsrechts. Vielmehr seien bei der Abwägung der Interessen auch geschäftsethische Belange mit in die Bewertung einzubeziehen. Unverfälschter Wettbewerb bedeute nicht allein die Existenz formaler Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, sondern impliziere auch ein Mindestmaß an Wirtschaftsethik. Zwar sei das Lauterkeitsrecht nicht der richtige Ort, um Unternehmen zu einer „good governance“ zu zwingen oder Geschmacks- und allgemeine Moralfragen zu klären. Wohl aber habe z.B. gemeinnütziges Sponsoring zu Marketingzwecken verschärften Transparenzanforderungen zu genügen. Schließlich
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130 Fezer/Fezer § 1 Rn. 82. 131 Fezer/Fezer § 1 Rn. 79 ff.; ferner Sack WRP 2005, 531, 543 f. (eine die „Würde des Menschen als Gattungswesen“ beeinträchtigende Werbung werde von § 3 UWG erfasst). 132 Fezer/Fezer § 1 Rn. 88, 90; ohne Zitat des § 1 S. 2 UWG bei der Herleitung des „sozialrechtlichen“ Schutzobjekts des UWG Götting S. 87. 133 Fezer/Fezer Einleitung E Rn. 261; in diesem Sinne auch Honneth S. 322 ff. 134 Fezer/Fezer Einleitung E Rn. 281. 135 Fezer/Fezer § 1 Rn. 48. 136 Fezer/Fezer Einleitung E Rn. 282. 137 Fezer/Fezer § 1 Rn. 82. 138 Fezer/Fezer § 1 Rn. 82. 139 Henning-Bodewig WRP 2010, 1094, 1105; dies. WRP 2011, 1014 ff.
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seien eindeutige Verletzungen der allgemein anerkannten Geschäftsethik durch das UWG sanktionierbar. 2. Kritische Würdigung. Abzulehnen ist zunächst ein „sozialrechtliches“ Ver- 58 ständnis, das die dargestellten Konzeptionen der 1930er Jahre fortschreiben würde. Denn jene wurden auf dem Boden einer Wirtschaftsverfassung formuliert, die mit den Grundsätzen der freiheitlich-sozialen Marktwirtschaft des Unionsrechts und des Grundgesetzes unvereinbar ist.140 Ihre Folge über weite Strecken des 20. Jahrhunderts war ein im internationalen Vergleich strenges deutsches Lauterkeitsrecht mit wettbewerbsfeindlichen Tendenzen.141 Die zugrundeliegenden Wertungen wurden nicht offengelegt, sondern unter Behauptung einer vermeintlichen „wirtschaftspolitischen Neutralität“ des UWG zur Ausbildung kaum mehr überschaubarer Fallgruppen eingesetzt.142 Solchen Theorien waren gegen Ende des 20. Jahrhunderts bereits der EuGH im Interesse der Grundfreiheiten und das BVerfG in Anwendung der Grundrechte der Marktteilnehmer entgegengetreten; das UWG 2004 kodifizierte diese externen Einflüsse unter anderem in Gestalt von § 1 im Interesse einer „weitgehenden Liberalisierung“ des Lauterkeitsrechts.143 Fraglich aber ist, ob hiermit jede nicht-wettbewerbsfunktionale Erwägung aus dem 59 UWG eliminiert wurde. Den insoweit skeptischen Stimmen ist aus sozialwissenschaftlicher Sicht zunächst zuzugestehen, dass sich Markt und Wettbewerb in der Tat rein ökonomisch-effizienzbasiert nicht verstehen lassen. Vielmehr können mit Jens Beckert drei Dimensionen der „Sittlichkeit der Wirtschaft“ als eines zunächst empirischen Phänomens unterschieden werden:144 Die marktermöglichende Sittlichkeit betrifft die unverzichtbaren Grundlagen dezentraler Marktbeziehungen, die – wie insbesondere das Vertrauen in die Vertragstreue des Gegenüber – nicht ihrerseits mit rein nutzenmaximierenden Erwägungen erklärt werden können. Die marktbegleitende Sittlichkeit meint moralische Vorstellungen und sittliche Maßstäbe, die die Präferenzen der Marktakteure beeinflussen und die Nachfrage lenken. Verwiesen sei insofern auf die Bereitschaft vieler Verbraucher, im Interesse der Gesundheit, der Umwelt oder allgemein der Gerechtigkeit hochpreisige Bio- und Fair-Trade-Produkte oder umweltfreundliche Energie nachzufragen. Schließlich können sittliche Standards marktbegrenzend wirken. Offensichtlich ist dies im Fall von Verkehrsverboten, etwa für den Organhandel und die Kinderprostitution. Weniger unmittelbar, aber ebenfalls mit marktbegrenzendem Lenkungseffekt wirken Werbeverbote oder positive Vorgaben für zulässige Werbung. Die marktermöglichende und die marktbegleitende Sittlichkeit lassen sich in ei- 60 nem wettbewerbsfunktionalen Konzept mit Fokus auf die Wahrung der rechtsgleichen Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer ohne Weiteres abbilden. So lässt sich das Verbot von Irreführungen nicht nur dadurch rechtfertigen, dass leistungswidrige Fehlallokationen vermieden werden. Zugleich wird das Vertrauen der Marktteilnehmer rechtlich stabilisiert, dass der Vertragspartner erbringt, was er verspricht. Soweit ein Marktteilnehmer seine Angebots- oder Nachfrageentscheidung auf sittliche Erwägungen
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140 Näher Einl. B Rn. 25 ff. 141 Siehe Emmerich FS Gernhuber, 857 ff. m.w.N.; Schwartz GRUR 1967, 333, 343 (der Keim richterlichen Dirigismus werde erkennbar); umfassend Sosnitza passim. 142 Das wird als Flexibilität sogar begrüßt von Götting S. 73 f.; zu Recht a.A. hingegen die inzwischen ganz h.M., siehe Schluep GRUR Int. 1973, 446, 452; P. Ulmer GRUR 1977, 565, 578 ff. m.w.N.; Möschel S. 147 ff.; Pause S. 423; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 23; Giese S. 248 (Versuch, überholte wirtschaftspolitische Vorstellungen zu retten). 143 Oben § 1 Rn. 2 ff. 144 Beckert S. 3 ff.
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stützt, wird diese frei gewählte Entscheidungsgrundlage und ihre praktische Realisierung vor Manipulationen durch Irreführungen und Aggressivität genau so geschützt, wie wenn der Marktteilnehmer rein nutzenmaximierend auf Preis und Leistung schaut. Im Gegenteil, je wirksamer Werbung mit sittlichen Entscheidungsparametern ist, desto strengere Maßstäbe können an ihre sachliche Richtigkeit und Transparenz angelegt werden, um Fehlallokationen und damit Wettbewerbsverfälschungen zu vermeiden.145 61 Problematisch und nicht ohne Weiteres mit einer wettbewerbsfunktionalen Lesart des UWG in Einklang zu bringen ist hingegen eine marktbegrenzende Regulierung der Werbung im Interesse der Sittlichkeit, wie sie Fezer und mit Einschränkungen Henning-Bodewig propagieren. In normativer Hinsicht vermeidet dieser Ansatz die Defizite der Schutzzwecktrias, die sich in einer Interessenabwägung ohne erkennbaren Letztentscheidungsmaßstab erschöpft. Versteht man den Harmonisierungsvorbehalt zugunsten nationaler Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands gem. ErwGrd. 7 S. 3 UGPRL im Sinne der Wahrung eines kulturellen Mindeststandards bzw. wesentlicher, nicht wettbewerbsbezogener Grundwerte,146 so stünde die UGPRL einer solch autonom-deutschen Sittlichkeitsregulierung nicht entgegen. Schließlich wird noch zu zeigen sein, dass das UWG in der Tat geschäftliche Handlungen ohne Rücksicht auf den unverfälschten Wettbewerb und die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Marktakteure untersagt.147 Die Sittlichkeit der Marktbeziehungen kann also auch insoweit weder im Sinne einer Tatsache noch als Regulierungsziel vollständig ausgeblendet werden. 62 Mit dem geltenden UWG unvereinbar und daher abzulehnen ist indes ein „sozialrechtliches“ Verständnis, das den Schutz nicht wettbewerbsbezogener Interessen zum generell maßgeblichen, primären Zweck des UWG erhebt. § 1 S. 2 nennt nur die Allgemeininteressen an einem unverfälschten Wettbewerb.148 Dies entspricht der in den Gesetzesmaterialien erklärten Absicht des Gesetzgebers, wonach sonstige Belange wie der Schutz der Gesundheit, der Umwelt usw. nicht unmittelbar vom UWG erfasst werden.149 Im Zuge der Umsetzung der UGPRL wurde an dieser teleologischen Begrenzung des Lauterkeitsrechts ausdrücklich festgehalten.150 Hieraus folgt selbstverständlich keineswegs, dass bei geschäftlichen Handlun63 gen keine Rücksicht auf Gemeinwohlbelange jenseits des unverfälschten Wettbewerbs genommen werden muss. Nur werden diese Ziele – wie zum Beispiel der Gesundheitsschutz151 – von speziellen gesetzlichen Regelungen außerhalb des UWG verfolgt.
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145 Peifer in Hilty/Henning-Bodewig, S. 140 f.; Henning-Bodewig WRP 2010, 1094, 1104; dies. WRP 2011, 1014, 1021 f. („Generell sollten gerade unter geschäftsethischen Gesichtspunkten starken Anlockeffekte in der Sponsoringwerbung erhöhte Transparenzpflichten gegenüber stehen.“); Wuttke WRP 2007, 119, 126 ff. Gem. § 5a Abs. 3 Nr. 1 zu beurteilen wäre etwa der Sachverhalt BGH 13.7.2006 – I ZR 234/03 – GRUR 2006, 953 Tz. 19 – Warnhinweis II (unzutreffender Eindruck der gesundheitlichen Unbedenklichkeit eines Produkts, entschieden auf der Basis von § 4 Nr. 1). 146 Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 41 ff. 147 Unten § 1 Rn. 137 ff. 148 MünchKommUWG/Sosnitza § 1 Rn. 30 ff. und öfter; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 41; Wuttke WRP 2007, 119, 126 f. (der BGH wende das UWG 2004 nicht „de lege artis“ an); Leistner S. 222 ff. 149 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16; Wuttke WRP 2007, 119, 122 f.; Ohly WRP 2008, 177, 183 f. Hiergegen Fezer/Fezer § 1 Rn. 75 f. („überraschende“ und „unzutreffende“ Aussage der Gesetzesbegründung), 82 (zur rechtlichen Grundlage der lauterkeitsbezogenen Allgemeininteressen). 150 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 11 (es seien neben den Verbrauchern „Mitbewerber, sonstige Marktteilnehmer und gewisse Interessen der Allgemeinheit“ geschützt (Hervorh. v. Verf.); für den Bereich des Schutzes der Allgemeininteressen enthalte die Richtlinie keine Vorgaben, so dass kein Umsetzungsbedarf bestehe). 151 Siehe etwa § 1 AMG; zum HWG nur Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.133 ff.
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Ein strukturelles Regulierungsdefizit ist insoweit nicht erkennbar.152 Das UWG schützt primär den unverfälschten Wettbewerb, andere Gesetze haben andere Zwecke. Diese Zwecke können über den Rechtsbruchtatbestand mittelbar lauterkeitsrecht- 64 liche Bedeutung erlangen. Hierfür aber muss die verletzte gesetzliche Vorschrift zumindest auch dazu bestimmt sein, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11). Folglich werden gesundheits- oder jugendschützende Vorschriften nur unter dem Vorbehalt zumindest sekundärer wettbewerblicher Relevanz als unlautere geschäftliche Handlung sanktionierbar.153 Auch mit dieser Einschränkung sollte der Anwendungsbereich des UWG begrenzt werden. Nicht jeder Gesetzesverstoß begründet die Unlauterkeit; zwischen „sittlich fundierten“ und „wertneutralen“ Gesetzen darf dabei nicht mehr unterschieden werden.154 Öffnet man das UWG nun wieder undifferenziert für eine Vielzahl allenfalls grob umrissener Allgemeininteressen,155 würden diese gesetzgeberischen Vorgaben unterlaufen. Die Wettbewerbsrichter könnten auf der Basis der §§ 1, 3 Abs. 1 UWG Regelungszwecke realisieren, die ggf. materiell und formell abschließend in anderen Gesetzen ihren Niederschlag gefunden haben.156 Die Entwicklung arbeits-, umwelt-, tier-, gesundheits- oder jugendschutzrechtlicher Standards auf der Basis der Generalklauseln des UWG überschreitet zudem die Kompetenz der Judikative im Verhältnis zum europäischen bzw. deutschen Gesetzgeber.157 Letztlich ist es die Auflösung der positivrechtlichen Grenzen des Lauterkeits- 65 rechts, die die zeitgenössischen Verfechter einer „sozialrechtlichen“ Lesart mit den Vätern dieser Konzeption teilen. Eine solch gesetzesferne Dogmatik ist auch dann abzulehnen, wenn sie im Namen der Grundwerte der geltenden Rechtsordnung auftritt. Stattdessen sind Abweichungen und Ausnahmen von der in § 1 niedergelegten wettbewerbsfunktionalen Teleologie des UWG nur insoweit anzuerkennen, als hierfür eine Entscheidung des europäischen oder deutschen Gesetzgebers angeführt werden kann. Dies ist der Fall für lauterkeitsrechtlich relevante Zuwiderhandlungen gegen primär andere als wettbewerbsbezogene Interessen gewährleistende Marktverhaltensregeln (§ 4 Nr. 11), für den Schutz des Rechts auf Privatsphäre gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt., Nr. 3 und 4 sowie gem. § 3 Abs. 1 für Verletzungen der Menschenwürde und hartnäckige Verstöße gegen den von der Selbstregulierung der Marktteilnehmer anerkannten, ethischen Minimalkonsens auf dem Markt.158 Im Übrigen („grundsätzlich“) beschränkt sich das UWG darauf, die Eigenlogik des 66 unverfälschten wirtschaftlichen Wettbewerbs zu flankieren und zu stabilisieren. Daher scheiden Verbote geschäftlicher Handlungen ggf. selbst dann aus, wenn die Betroffenen und vielleicht sogar eine Mehrheit der Marktteilnehmer das in Frage stehende Verhalten sittlich missbilligt.159 Zu nennen sind insoweit zunächst absolute Verkehrsund Werbeverbote für Waren oder Dienstleistungen unabhängig von einer irreführenden oder aggressiven Vermarktung, da es nicht Aufgabe des UWG ist, „Produkte auf deren Sinnhaftigkeit und Zweckbestimmung zu untersuchen und eine etwaige Werbung für
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152 Anders noch RG 12.4.1927 – II 425/26 – RGZ 117, 16, 22 – Tarifvertragsverstoß. 153 Zu dieser Abweichung vom wettbewerbsfunktionalen Programm des UWG unten § 1 Rn. 155 ff. 154 Siehe § 4 Nr. 11 Rn. 2 Grundlegend dazu Schricker S. 239 ff., 274 f. 155 Fezer/Fezer § 1 Rn. 74 ff. („lauterkeitsbezogene Allgemeininteressen“ in Gestalt „sozialer Grundwerte“). 156 Zur Glücksspielregulierung etwa BGH 28.9.2011 – I ZR 93/10 – BeckRS 2011, 27467 – Poker im Internet; Siehe auch Art. 3 Abs. 2–4, 7–10 und ErwGrd. 9 UGPRL. 157 Beater WRP 2012, 6, 16. 158 Dazu unten § 1 Rn. 137 ff. 159 Dazu auch unten § 3 Rn. 355 ff.
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solche Produkte einzuschränken bzw. zu unterbinden“.160 Ferner ist es den Wettbewerbsgerichten untersagt, inländische Produkt-, Umwelt- oder Sozialstandards unmittelbar auf der Basis des UWG durchzusetzen.161 Auch insoweit bedarf es besonderer Umstände – insbesondere in Gestalt einer Irreführung – um ein im Übrigen gesetzeskonformes Verhalten lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren. IV. Dualismus der Lauterkeitsrechtsordnungen 1. Aufspaltung von verbraucherbezogenem und mitbewerberbezogenem Lauterkeitsrecht. Die Theorien des Individualschutzes der Marktteilnehmer, der Schutzzwecktrias und das „sozialrechtliche“ Verständnis des UWG gehen allesamt auf den Streit um den Schutzzweck des UWG 1909 zurück. Dieses Gesetz ist aufgrund einer autonomen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers im Jahr 2004 einer „grundlegenden“ Reform und Neufassung unterzogen worden, die allerdings zugleich an die Rechtsprechung und damit auch die Teleologie des UWG 1909 anknüpfen sollte.162 Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden im UWG mehrere EU-Richtlinien umgesetzt. Da aber die IrreführungsRL 1984 nur eine Mindestharmonisierung vorsah und zudem wie in den vollharmonisierenden Vorschriften über die vergleichende Werbung sämtliche Marktteilnehmer in die Betrachtung einbezogen wurden, ergaben sich noch keine grundlegenden Konflikte mit der Teleologie des ebenfalls umfassend konzipierten und durch die Rechtsprechung vorsichtig liberalisierten deutschen Lauterkeitsrechts.163 68 Dieser weitgehende Gleichklang änderte sich mit der UGPRL, die dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher dient und dementsprechend nur Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern erfasst (business to consumer, B2C), nicht jedoch den rein gewerblichen Bereich (business to business, B2B). Der verbraucherbezogene Teilbereich des Marktverhaltens wird dann allerdings mit einer Generalklausel vollständig harmonisiert, so dass die Mitgliedstaaten abgesehen von den ausdrücklichen Bereichsausnahmen das Verbotsniveau der UGPRL weder unternoch überschreiten dürfen.164 Die Umsetzung dieser Vorgaben erfolgte durch das UWG 2008, das die Schutzzweckbestimmung des § 1 jedoch abgesehen von einer terminologischen Anpassung an den neuen Begriff der geschäftlichen Handlung unverändert ließ.165 Gleichwohl bildet das UWG nach Auffassung von Fezer aufgrund der Vollharmoni69 sierung des verbraucherschützenden Lauterkeitsrechts durch die UGPRL nur noch eine formale, systematische Einheit.166 „Rechtsinhaltlich und konzeptionell“ sei das deutsche Lauterkeitsrecht durch die UGPRL aufgespalten worden. Im Anwendungsbereich der UGPRL sei von einem einseitigen Vorrang der Verbraucherinteressen auszugehen, wäh67
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160 LG Aschaffenburg 20.5.2010 – 1 HK O 64/09 – Magazindienst 2010, 750 – Mauertrockenlegungssystem. 161 So auch Henning-Bodewig WRP 2010, 1094, 1103 („Nicht das umwelt- oder sozialschädliche Verhalten von Unternehmen (und m.E. auch nicht die „good governance“-Regeln als solche) können also dem Lauterkeitsrecht unterliegen, sehr wohl jedoch ihr Einsatz zu Marketingzwecken“); BGH 9.5.1980 – I ZR 76/78 – GRUR 1980, 858, 860 f. – Asbestimporte (Vertrieb importierter Asbestware, die im Ausland nach den dortigen Vorschriften ordnungsgemäß, aber ohne Beachtung von Sicherheitsbestimmungen hergestellt worden ist, wie sie im Inland zum Schutz der Arbeitnehmer vor Asbestose bestehen, nicht wettbewerbswidrig gem. § 1 UWG 1909). 162 § 1 Rn. 2 ff. 163 Näher Peukert ZHR 173 (2009), 536 ff. 164 Art. 1, 2 lit. d, 5 Abs. 1 UGPRL. 165 § 1 Rn. 7 ff. 166 Fezer/Fezer § 1 Rn. 19 ff., 62–64.
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rend das autonome deutsche Recht im B2B-Bereich den Mitbewerberinteressen den Vorrang einräume. Diese unterschiedlichen Zielsetzungen führten trotz des unverändert belassenen § 1 im Ergebnis zu „zwei verschiedene[n] Lauterkeitsrechtsordnungen“,167 die in einem regelrechten „Dualismus“ zueinander stünden.168 2. Kritische Würdigung. Überzeugend an dieser Konzeption ist ihr Bestreben um eine europarechtskonforme Dogmatik des deutschen Lauterkeitsrechts. Der Vorrang des Unionsrechts in Kombination mit einer vollständig harmonisierenden Zwecknorm und Generalklausel der UGPRL für Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern ist in die Teleologie des UWG aufzunehmen, und zwar mit Blick auf und aus Sicht des Unionsrechts und nicht des deutschen Rechts. Die Umsetzung der UGPRL durch das UWG 2008 bringt die von Fezer verfochtene Zweiteilung zudem durchaus zum Ausdruck. Während § 1 unverändert blieb, wurde die ehemals umfassende Generalklausel des § 3 UWG 2004 im Zuge des Umsetzungsverfahrens unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die UGPRL in mehrere Absätze aufgespalten. § 3 Abs. 1 erklärt in der deutschen Tradition der integralen Regulierung des gesamten Marktverhaltens unlautere geschäftliche Handlungen für unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Demgegenüber betreffen die Absätze 3 und 2 jeweils nur „geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern“, die unter den Voraussetzungen der beiden Absätze „stets“ bzw. „jedenfalls“ für unzulässig erklärt werden.169 Weitere Fragmentierungen finden sich in den Konkretisierungen der Unlauterkeit gem. §§ 4 bis 6 sowie im eigenständigen Verbotstatbestand des § 7 zu unzumutbaren Belästigungen.170 Gleichwohl kann der Theorie eines Dualismus der Lauterkeitsrechtsordnungen nicht zugestimmt werden, da sie in mancher Hinsicht zu weit geht, in anderer Hinsicht nicht weit genug. Zu weitreichend ist die Annahme einer regelrechten Aufspaltung des Lauterkeitsrechts für den B2C-Sektor einerseits und den B2B-Sektor andererseits, die vorrangig im Interesse der Verbraucher bzw. der Mitbewerber zu beurteilen seien. Ein solcher Schematismus ist unvereinbar mit dem Bemühen des deutschen Gesetzgebers, grundsätzlich und so weit wie möglich an einheitlichen Maßstäben der Lauterkeit für das gesamte Marktverhalten festzuhalten. Die §§ 1 S. 1, 3 Abs. 1 nennen nicht nur alle Marktteilnehmer als Schutzsubjekte des UWG, sondern bringen nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers einen Gleichrang dieser Interessen zum Ausdruck.171 Ein pauschaler Vorrang der Mitbewerberinteressen bei restriktiver Auslegung der Relevanzschwelle des § 3 Abs. 1 ist mit diesem integralen Konzept unvereinbar.172 Ebenso wenig verlangt die UGPRL eine einseitige Bevorzugung der Verbraucher und eine extensive Auslegung des Spürbarkeitsbegriffs gem. § 3 Abs. 2 S. 1,173 da die Richtlinie neben dem Verbraucherschutz ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts bezweckt, die Relevanz der wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder
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167 Fezer/Fezer § 1 Rn. 23. 168 Fezer/Fezer § 1 Rn. 28. 169 Dazu unten § 1 Rn. 114 ff. sowie § 3 Rn. 137 ff. 170 Dazu unten § 1 Rn. 137 ff. sowie § 3 Rn. 116 ff. 171 Oben § 1 Rn. 4. 172 A.A. Fezer/Fezer § 3 Rn. 100 (Vorrang der Unternehmerinteressen im B2B-Verkehr „sachgerechter“); einschränkend dann aber a.a.O. Rn. 215 a.E. (oder Schutzzwecktrias „Basis einer teleologischen Auslegung“); a.a.O. Rn. 103 f. (zur Spürbarkeit). 173 So aber Fezer/Fezer § 3 Rn. 103 f.
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Mitbewerber ausdrücklich anerkennt und im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht jede unerhebliche Auswirkung auf Verbraucher für verbotswürdig erklärt.174 Die UGPRL verfolgt auch kein anderes Allgemeininteresse als dasjenige am unverfälschten Wettbewerb (§ 1 S. 2), wenngleich sie diesen Zweck primär aus der Warte der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher verfolgt, die erst in einem zweiten Schritt mit den Interessen der Unternehmer in Einklang gebracht werden.175 74 Für beide vermeintlich eigenständigen Säulen des Lauterkeitsrechts fehlt schließlich ein Kriterium, anhand dessen zu entscheiden wäre, ob im Einzelfall den Verbraucher- oder den Mitbewerberinteressen der Vorzug einzuräumen ist.176 Statt das UWG also zur nur noch formalen Hülle für „zwei Lauterkeitsrechtsordnungen“177 zu erklären, ist vielmehr von einem Grundsatz der einheitlichen Marktverhaltensregulierung im Interesse aller Marktteilnehmer auszugehen, der nur dort durchbrochen wird, wo der europäische oder der deutsche Gesetzgeber hiervon Abweichungen und Ausnahmen vorsehen.178 Geht die Annahme eines regelrechten Dualismus der B2B- und B2C-Regulierung im 75 UWG zu weit, bleibt Fezers Konzept in anderer Hinsicht hinter den Fragmentierungen des UWG zurück. Zunächst werden erneut die „sonstigen Marktteilnehmer“ übergangen, die – wie bereits zur Schutzzwecktrias erläutert – eine eigenständige Rolle neben Verbrauchern und Mitbewerbern einnehmen und in jener auch einen speziell zugeschnittenen Schutz erfahren.179 Ferner dient das UWG Regelungszwecken, die sich weder als Verbraucherschutz noch als wettbewerbsfunktionaler Mitbewerberschutz qualifizieren lassen. Zu nennen sind insoweit insbesondere der Schutz der Privatheit natürlicher Personen gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 3 und 4 in Umsetzung von Art. 13 DatenschutzRL-EK sowie der autonom-deutsche Schutz der Menschenwürde ohne Rücksicht auf eine Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer.180 V. Der Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung und Abweichungen hiervon 1. Grundzüge der hier vertretenen Auffassung. Die wohl herrschende Meinung sieht im Gegensatz zu den vorstehend kritisierten Ansätzen in § 1 ein wettbewerbsfunktionales Konzept verwirklicht.181 Demnach impliziert wirtschaftlicher Wettbewerb zunächst die Handlungsfreiheit 77 der in § 1 S. 1 angesprochenen Marktteilnehmer. Die Frage nach der Unlauterkeit unternehmerischen Marktverhaltens kann sich nur stellen, wenn überhaupt freier Wettbewerb besteht. Die Koordination der wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer in einer solchen, dezentralen Mehrplanwirtschaft erfolgt grundsätzlich durch den Wettbewerb selbst.182
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174 Art. 1, ErwGrd. 6 S. 1, 2 UGPRL. 175 Näher unten § 1 Rn. 114 ff. 176 Unverständlich Fezer/Fezer § 1 Rn. 60 („Der duale Interessenschutz der Mitbewerber und der Verbraucher vor unlauterem Wettbewerb schützt die lauterkeitsbezogenen Allgemeininteressen und sozialen Grundwerte, die innerhalb des wettbewerblichen Marktausleseprozesses die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Wettbewerber und die souveräne Entscheidungsfreiheit der Verbraucher beeinträchtigen.“). 177 So aber Fezer/Fezer § 1 Rn. 23. 178 Dazu sogleich § 1 Rn. 76 ff. 179 Siehe oben § 1 Rn. 43 sowie § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. 180 Unten § 1 Rn. 137 ff. 181 Matutis § 1 Rn. 2; Lehmler § 3 Rn. 16; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 3 Rn. 9 f.; Jestaedt Rn. 165 ff.; Beater Rn. 987; anders wohl juris-PK/Ernst § 1 Rn. 12 (nachrangige Bedeutung des § 1 S. 2). 182 Lobe S. 6; Böhm Wettbewerb und Monopolkampf, S. 285 ff.
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Dieser zwingt die Beteiligten, ihre Pläne an die zur Verfügung stehenden Ressourcen und die Bedürfnisse der Marktgegenseite anzupassen. Hierdurch werden eine effiziente Ressourcenallokation, technisch-wirtschaftlicher Fortschritt und eine leistungsgerechte Verteilung der Erfolgsprämien gewährleistet. Diese im Allgemeininteresse liegenden Funktionen des Wettbewerbs können jedoch unter anderem dadurch verfälscht werden, dass Unternehmer die Entscheidungsfreiheit anderer Marktteilnehmer beeinträchtigen, indem sie ihre Leistung irreführend oder unzumutbar aggressiv vermarkten. Solchen Manipulationen des Marktgeschehens tritt das UWG gem. § 1 S. 2 im Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb entgegen. Gewahrt werden sollen die Funktionsbedingungen des freien Wettbewerbs als des Ordnungsinstruments der deutschen und europäischen Wirtschaftsverfassung. Die Individualinteressen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sind hierfür Anknüpfungspunkt, aber nicht ihrerseits Selbst- und Endzweck; die Entscheidung über ihren Schutz muss letztlich („zugleich“) auf das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb ausgerichtet und anhand dieses Maßstabs gerechtfertigt sein. Die weit überwiegende Anzahl der Tatbestände des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts entspricht dieser wettbewerbsfunktionalen Teleologie. Es sind aber auch Perspektivverschiebungen und regelrechte Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Zwecksetzung zu konstatieren und offenzulegen.183 Diese Abweichungen gehen zum einen auf die im UWG umgesetzten EU-Richtlinien zurück. Die UGPRL hat zwar ebenfalls den Zweck, Manipulationen des Marktgeschehens insbesondere in Gestalt von Irreführungen und Aggressivität zu unterbinden. Die Richtlinie beschränkt sich dabei jedoch auf Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern und beurteilt jene primär im Hinblick auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher, während die Interessen anderer Marktbeteiligter erst auf einer zweiten Stufe zum Tragen kommen. Insgesamt handelt es sich um einen Perspektivwechsel ohne prinzipielle Aufgabe des wettbewerbsfunktionalen Programms. Einen gänzlich anderen Zweck, nämlich den persönlichkeitsrechtlichen Schutz der Privatheit, verfolgt der in § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 3 und 4 umgesetzte Art. 13 DatenschutzRL-EK. Als gleichfalls echte, allerdings auf den deutschen Gesetzgeber zurückzuführende Ausnahme von der grundsätzlich wettbewerbsfunktionalen Lesart des UWG ist das generelle Verbot menschenverachtender, Art. 1 Abs. 1 GG zuwiderlaufender geschäftlicher Handlungen hervorzuheben. Nach hier vertretener Auffassung trägt das UWG ferner ein Verbot hartnäckiger Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt, das im Graubereich zwischen marktermöglichender und marktbegrenzender Sittlichkeit anzusiedeln ist. Schließlich fließen über den Rechtsbruchtatbestand Regelungszwecke in das Unlauterkeitsurteil ein, die sich aus dem UWG selbst nicht herleiten lassen. In der Gesamtschau ergibt sich eine Theorie von Grundsatz und Ausnahme, die zwischen der scheinbaren Kohärenz des § 1 und einer völligen, auch teleologischen Fragmentierung des Lauterkeitsrechts vermittelt. Grundsätzlich ist die Anwendung des UWG im Interesse aller Marktteilnehmer und der Allgemeinheit auf die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs auszurichten. Dieser primäre Zweck kommt jedoch nur modifiziert oder gar nicht zum Tragen, soweit der europäische oder der deutsche Gesetzgeber hiervon Ausnahmen vorsehen.
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In diesem Sinne Beater WRP 2012, 6, 8 ff. Im Einzelnen unten § 1 Rn. 111 ff.
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2. Der Schutz des unverfälschten Wettbewerbs als primärer Zweck des UWG 83
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a) Koordination der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer. Ausgangspunkt jeder lauterkeitsrechtlichen Beurteilung sind die Belange der Marktteilnehmer. Gem. § 1 S. 1 dient das UWG dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Auch § 3 Abs. 1 stellt auf eine Beeinträchtigung dieser individuellen Interessen ab.184 Demgegenüber bezog sich § 3 UWG 2004 noch abstrakt auf „den Wettbewerb“, der nicht zum Nachteil der Marktteilnehmer „beeinträchtigt“ werden dürfe. Hieraus wurde in der Literatur zum Teil abgeleitet, das UWG schütze unmittelbar und primär den unverfälschten Wettbewerb als Institution.185 Diese stark kartellrechtlich geprägte Auffassung ist jedenfalls mit Rücksicht auf die Neufassung des § 3 Abs. 1 durch das UWG 2008 überholt.186 Denn hierbei wurde das „unklare Merkmal der Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil von Marktteilnehmern zugunsten der Einführung des Merkmals der Beeinträchtigung ihrer Interessen aufgegeben“.187 Mithin hat jede Entscheidung über die Unlauterkeit zunächst bei den individuellen Belangen der Marktteilnehmer anzusetzen.188 Dafür spricht nicht zuletzt auch der Wortlaut des § 1 S. 2. Denn wenn das UWG „zugleich“ das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb schützt, dann kann dieser Zweck nicht losgelöst von den in S. 1 genannten Interessen der Marktteilnehmer verfolgt werden.189 Fraglich aber ist, welcher Art diese individuellen Interessen sind. Weder § 1 S. 1 noch § 3 Abs. 1 geben hierüber Auskunft. Stattdessen wendet sich das UWG allgemein gegen unlauteren Wettbewerb bzw. unlautere geschäftliche Handlungen. Unter Wettbewerb wird im Allgemeinen das Streben von zwei oder mehr Personen nach einem Ziel verstanden, wobei der höhere Zielerreichungsgrad des Einen in der Regel einen geringeren Erfolg des Anderen bedingt. Im Wirtschaftsleben wird Wettbewerb durch die Existenz von Märkten mit mindestens zwei sich antagonistisch verhaltenden Anbietern oder Nachfragern charakterisiert.190 Von Wettbewerb kann nun aber nur die Rede sein, wenn der Sieger nicht bereits feststeht. Das Ergebnis hängt vielmehr vom Verhalten der Beteiligten ab. Wenn das Ergebnis noch offen ist, dürfen auch der Kreis der Teilnehmer und ihr Handeln nicht von vornherein determiniert sein. Deshalb impliziert Wettbewerb im Prinzip, dass man frei entscheiden kann, ob und wie man sich beteiligt. Auch der Wettbewerb als Ord-
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184 Zum Zusammenhang zwischen Schutzzweck- und Generalklausel Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 9. 185 In diesem Sinne HK-Wettbewerbsrecht/Klippel/Brämer § 1 Rn. 26; Koppensteiner WRP 2007, 475, 477 (einzelne Unternehmen werden nur reflexartig geschützt); anders aber bereits RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 305 („Unter der Beeinträchtigung des Wettbewerbs ist von vornherein nicht eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Institution der Marktwirtschaft zu verstehen. Maßstab sind vielmehr die Wirkungen wettbewerbswidrigen Verhaltens auf das Marktgeschehen. Die Feststellung, ob ein Wettbewerbsverstoß geeignet ist, den Wettbewerb nicht unerheblich zu verfälschen, setzt eine nach objektiven und subjektiven Momenten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffende Wertung voraus. In diese Wertung sind neben der Art und Schwere des Verstoßes die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb sowie der Schutzzweck des Wettbewerbsrechts einzubeziehen.“); RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 17, li. Sp. 186 Boesche Rn. 182 f.; Beater Rn. 836. 187 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 22. 188 Nordemann Rn. 49. 189 Fezer/Fezer § 1 Rn. 89; Boesche Rn. 1; Otto S. 217 f. 190 Siehe § 2 Abs. 1 Nr. 3 sowie Schmidt S. 1 f.; Köhler/Bornkamm UWG Einl. Rn. 1.6.
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nungsmechanismus der Wirtschaft ist ohne individuelle Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer nicht denkbar.191 Zudem reflektiert die Bezugnahme auf individuelle Interessen in §§ 1 S. 1, 3 Abs. 1 den 88 normativen Individualismus, auf dem die Entscheidung für die dezentrale Verkehrswirtschaft ebenfalls beruht, und der seinerseits subjektive Handlungsspielräume fordert.192 Zutreffend geht der BGH daher von einem „Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit“ aus.193 Auch nach Auffassung des BVerfG enthalte die deutsche Rechtsordnung den grundsätzlich freien Wettbewerb der Anbieter und Nachfrager als eines ihrer Prinzipien.194 Konkret sollen Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer ihre wirt- 89 schaftlichen Entscheidungen insbesondere frei von Täuschung und wettbewerbsfremder Aggressivität fällen können. Das Verbot von Irreführungen gewährleistet eine den Tatsachen entsprechende Informationsgrundlage, auf deren Basis eine rationale Entscheidung möglich ist.195 Der hierauf fußende Entscheidungsprozess wird vor aggressiven Beeinträchtigungen geschützt. So geht von einer geschäftlichen Handlung ein unangemessen unsachlicher Einfluss (§ 4 Nr. 1) aus, wenn diese geeignet ist, die freie Willensentschließung der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer wesentlich zu beeinträchtigen.196 Der Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 erfasst nur solche Vorschriften, die eine zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion aufweisen und das Marktverhalten außerdem im Interesse der Marktteilnehmer regeln. Letzteres ist nach Auffassung des BGH der Fall, wenn die betreffende Norm die Freiheit der wettbewerblichen Entfaltung von Marktteilnehmern schützt.197 Das UWG koordiniert die prinzipiell gleichrangigen wirtschaftlichen Hand- 90 lungsfreiheiten der Marktakteure. Hierzu werden geschäftliche Handlungen verboten, soweit sie gem. §§ 3 ff. unzulässig sind. Das deliktsrechtliche Konzept des Verhaltensunrechts signalisiert, dass auf Seiten der Betroffenen keine vorab definierten ausschließlichen Rechte, sondern Handlungsfreiheiten geschützt werden.198 Ein lauterkeitsrechtliches Verbot bedarf der Rechtfertigung, da hiermit stets zumindest in die allgemeine Handlungsfreiheit des Anspruchsgegners eingegriffen wird,199 die mit der gleichrangigen
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191 Aus der wettbewerbsrechtlichen Literatur Köhler/Bornkamm UWG Einl. Rn. 1.17; Fezer JZ 1990, 657, 660 f.; Drexl S. 184; Beater Nachahmen im Wettbewerb, S. 352 („Es ist die Wettbewerbsidee selbst, die nach Freiheit und Beweglichkeit verlangt.“); MünchKommUWG/Sosnitza Grundl Rn. 12 ff.; Thouvenin S. 72 f. 192 Wuttke WRP 2007, 119, 122 f.; skeptisch Giese S. 279 f. (Gefahr einer völligen Funktionalisierung individueller Freiheit durch die Ökonomie). 193 BGH 19.2.2009 – I ZR 135/06 – WRP 2009, 803 Tz. 41 – ahd.de. 194 Siehe dazu BVerfG 8.2.1972 – 1 BvR 170/71 – BVerfGE 32, 311, 317 – Steinmetz-Wettbewerb; BVerfG 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78 – BVerfGE 50, 290, 336 – Mitbestimmung; BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242, 254 – Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters. 195 Aus der Rechtsprechung OLG Köln 9.3.2007 – 6 W 23/07 – GRUR-RR 2007, 364, 365 – Das Große Rabatt-Würfeln; LG Aschaffenburg 20.5.2010 – 1 HK O 64/09 Magazindienst 2010, 750 – Mauertrockenlegungssystem. 196 St. Rspr.; vgl. BGH 12.7.2007 – I ZR 82/05 – GRUR 2008, 183 Tz. 14, 16 – Tony Taler; BGH 29.10.2009 – I ZR 180/07 – GRUR 2010, 455 Tz. 17 – Stumme Verkäufer II, m.w. Nachw.; zur Kopplung: BGH 22.9.2005 – I ZR 28/03 – GRUR 2006, 161 Tz. 15 – Zeitschrift mit Sonnenbrille; BGH 8.11.2007 – I ZR 60/05 – GRUR 2008, 530 Tz. 13 – Nachlass bei der Selbstbeteiligung, m.w.N.; BGH 24.6.2010 – I ZR 182/08 – GRUR 2010, 850 Tz. 13 – Brillenversorgung II; zur Laienwerbung: BGH 6.7.2006 – I ZR 145/03 – GRUR 2006, 949 Tz. 16 – Kunden werben Kunden; zum Sponsoring: BGH 26.10.2006 – I ZR 33/04 – GRUR 2007, 247 Tz. 21 – Regenwaldprojekt I. 197 BGH 2.12.2009 – I ZR 152/07 – GRUR 2010, 654 Tz. 18 – Zweckbetrieb. 198 Dazu Peukert Güterzuordnung, S. 383 f. 199 BVerfG 13.7.1992 – 1 BvR 310/90 – GRUR 1993, 751; BVerfG 13.7.1992 – 1 BvR 238/92 – GRUR 1993, 754; BVerfG 18.2.2004 – 1 BvR 2121/98 – NZG 2004, 616, 617.
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Freiheit des Betroffenen in Einklang zu bringen ist.200 Die Rechtfertigung des Verbots erfolgt nach Maßgabe der enumerativ aufgeführten Verbotstatbestände der §§ 3 ff. unter umfassender Berücksichtigung der involvierten Interessen. Verbote auf der Basis des UWG dienen der Verwirklichung der Grundrechte zum wirtschaftlichen Erwerb im rechtlich geordneten Wettbewerb.201 91
b) Koordination nach Maßgabe des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb. Damit ist freilich noch nicht die Frage beantwortet, anhand welchen Maßstabs kollidierende Freiheitsinteressen im Markt zu koordinieren sind. Zu kurz greift zunächst der Verweis auf den Grundsatz „in dubio pro libertate“.202 Dies gilt jedenfalls, wenn man die Gewährleistung von Verbraucherautonomie durch Informationspflichten und Irreführungsverbote als freiheitsfördernde Maßnahme einordnet.203 Dann können sich nämlich sowohl der betroffene Verbraucher als auch der mit einem Verbot belegte Unternehmer auf Freiheitsinteressen berufen, ohne dass der Grundsatz „in dubio pro libertate“ erkennen ließe, wem der Vorzug gebührt. Und selbst wenn man den Begriff der Freiheit rein negativ versteht, so dass auch gesetzliche Regelungen zur Förderung der Selbstbestimmung der Verbraucher als hoheitliche Zwangsmaßnahme zu qualifizieren sind,204 liefert besagtes Prinzip keinen Maßstab, wann ein solcher Eingriff ausnahmsweise doch gerechtfertigt ist. Erforderlich ist ein Kriterium, das zwischen wettbewerbskonformen Anpassungszwängen, die alle Marktteilnehmer eigenverantwortlich hinzunehmen haben,205 und rechtlich zu sanktionierenden, wettbewerbsverfälschenden Manipulationen,206 unterscheiden hilft. Dieses Kriterium sind die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs als dem vom 92 Gesetz vorausgesetzten und zugleich geschützten Ordnungsprinzip der Wirtschaft.207 Zur Erklärung dieses Phänomens wird wie gezeigt methodisch und normativ vom einzelnen Akteur ausgegangen, der seinen Wirtschaftsplan unabhängig von äußerem Zwang aufstellt und verfolgt. Diese individuellen, gleichrangigen Wettbewerbsfreiheiten der Marktteilnehmer spricht § 1 S. 1 UWG an. Ihr egoistisch-antagonistisches Streben zeitigt „zugleich“ Wirkungen, die im Allgemeininteresse liegen. Diese Allgemeininteressen meint § 1 S. 2. Zu den zu schützenden Funktionen des Wettbewerbs zählt es, die Einzelpläne an 93 die zur Verfügung stehenden Güter und die bestehenden Bedürfnisse anzupassen und so zu einer effizienten Ressourcenallokation beizutragen (Anpassungs- und Steuerungsfunktion), technisch-wirtschaftlichen Fortschritt zu generieren und Profite nach individueller Leistung zu verteilen. Zudem ist Wettbewerb eine mögliche Antwort auf das Problem privater Macht.208
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200 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95, 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 360 – Benetton-Werbung („Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung darf nicht dazu führen, dass Einzelne sich durch unzulässige Praktiken Vorteile im Wettbewerb verschaffen.“). 201 BVerfG 8.2.1972 – 1 BvR 170/71 – BVerfGE 32, 311, 317 ff., 319 – Steinmetz-Wettbewerb; BVerfG 13.7.1992 – 1 BvR 310/90 – GRUR 1993, 751, 753; für Goodwill und den Unternehmensruf offengelassen von BVerfG 18.2.2004 – 1 BvR 2121/98 – NZG 2004, 616, 617; BGH 3.12.1998 – I ZR 119/96 – BGHZ 140, 134, 145 = GRUR 1999, 1128 – Hormonpräparate; BGH 29.3.2007 – I ZR 164/04 – GRUR 2007, 987, 988 – Änderung der Voreinstellung I (ein Mitbewerber habe keinen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenstamms). 202 So aber Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 39 ff., 43 m.w.N. 203 Instruktiv zum Unterschied zwischen negativer Freiheit und Freiheit als Autonomie Swift S. 51 ff. 204 Oben § 1 Rn. 88 ff. 205 Peukert in Riesenhuber S. 419 ff. 206 Siehe Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 63. 207 Allgemein zum ordoliberalen Verständnis der Wirtschaft Hoppmann FS Willgerodt, S. 3 ff. 208 Zu den Funktionen des Wettbewerbs Schmidt S. 31 ff.; Herdzina S. 20 ff.; Thouvenin S. 77 ff.; Beater Rn. 110 ff.
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Diese normativ erwünschten Effekte des wirtschaftlichen Wettbewerbs bedürfen vielfältiger rechtlicher Absicherung, da Marktteilnehmer immer wieder versuchen, sich den Zwängen dieses selbststeuernden Mechanismus zu entziehen bzw. seine Ergebnisse im eigenen Interesse zu verfälschen.209 Die hierfür erforderliche regulative Leistung wird unter anderem vom Lauterkeitsrecht erbracht. UWG-Verbote müssen demnach der Erhaltung der Funktionsbedingungen des Gesamtsystems Wettbewerb dienen.210 Eine geschäftliche Handlung muss dann, aber darf auch nur dann als unlauter verboten werden, wenn sie den Zielerreichungsgrad des selbststeuernden Systems Wettbewerb beeinträchtigt.211 Für diesen wettbewerbsfunktionalen Ansatz sprechen Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Schutzzweckklausel. Das UWG schützt gem. § 1 negativabwehrend „vor unlauteren geschäftlichen Handlungen“ und positiv-ermöglichend den unverfälschten Wettbewerb. Also sind unlautere Verhaltensweisen solche, die den Wettbewerb verfälschen.212 Aus der bewusst gewählten213 Formulierung, wonach dieses Gesetz „zugleich“ das Interesse der Allgemeinheit am unverfälschten Wettbewerb schützt, folgt ein inhärenter Bezug zwischen subjektiver und objektiv-allgemeiner Ebene. Dagegen treten die Allgemeininteressen nicht im Sinne einer kumulativen Aufzählung („und“/ „auch“) gesondert neben die Belange der einzelnen Marktteilnehmer. Vielmehr müssen alle Beeinträchtigungen individueller Interessen „zugleich“ eine Verfälschung des Wettbewerbs hervorrufen können, um überhaupt wettbewerbsrechtlich relevant zu sein.214 Letztlich maßgeblich ist mithin, ob die angegriffene geschäftliche Handlung die Allgemeininteressen am unverfälschten Wettbewerb beeinträchtigt. Für diese Stufenordnung spricht auch die Systematik des § 1, der Partikular- und Allgemeininteressen in getrennten Sätzen ausweist und hiermit einen qualitativen Unterschied signalisiert.215 In diesem Sinne formuliert auch die Begründung zu § 1, der „eigentliche Zweck“ des UWG liege darin, das Marktverhalten im Interesse der genannten drei Schutzsubjekte „und damit zugleich“ das Interesse der Allgemeinheit zu regeln.216 Von einem gleichrangigen Schutz ist lediglich hinsichtlich der in Satz 1 genannten Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer die Rede,217 während davon abgesetzt ausgeführt wird, das Gesetz verfolge ein „integrierte[s] Modell eines gleichberechtigten Schutzes der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit“.218 Gleichrang und Gleichberechti-
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209 Fikentscher Die Freiheit und ihr Paradox, S. 13 ff. 210 Thouvenin S. 140 ff., 548; Otto S. 217 f. 211 Schluep FS Kummer, S. 487, 496 f.; Rehberg in Zetzsche, S. 49, 74 ff.; Thouvenin S. 421 ff.; Podszun WRP 2009, 50 ff. 212 Götting/Nordemann § 1 Rn. 27 f.; Harte/Henning/Podszun § 1 Rn. 84; a.A. mit Hinweis auf den isolierten Wortsinn von „unlauter“ und „unverfälscht“ Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 27 Rn. 6. 213 Der Entwurf von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, hatte noch von „damit“ statt „zugleich“ gesprochen; siehe HK-Wettbewerbsrecht/Klippel/Brämer § 1 Rn. 25. 214 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 48; HK-Wettbewerbsrecht/Klippel/Brämer § 1 Rn. 25 f. („das geeinte Interesse aller Marktbeteiligten und überhaupt der Gesellschaft an einem funktionierenden Wettbewerb“). 215 Insoweit zutreffend Fezer/Fezer § 1 UWG Rn. 29, der daraus allerdings eine ganz andere als die hier vertretene Schlussfolgerung zieht. 216 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 15 f. In diesem Sinne bereits der Entwurf von Köhler/ Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1324; ferner Lettl Rn. 64 (Schutz des Wettbewerbs als Institution). 217 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1324; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 15 f.; OLG Düsseldorf 19.6.2007 – 20 U 154/06 – GRUR-RR 2008, 64, 65 f.; Ohly GRUR 2004, 889, 894 (Gleichrangigkeit des Konkurrenten- und Verbraucherschutzes). 218 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16.
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gung können unterschieden werden. In einem ersten Schritt sind die wettbewerbsbezogenen Freiheitsinteressen der drei Gruppen von Marktteilnehmern zu erfassen. Hiermit zwar verknüpft und insoweit gleichberechtigt, aber bei Interessenkonflikten zwischen den Marktteilnehmern ausschlaggebend, ist der Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb. Damit hat der Gesetzgeber sowohl einer Mehrheit oder gar einem „Dualismus“ von Schutzzwecken als auch einer Realisierung sonstiger Gemeinwohlbelange durch das UWG eine Absage erteilt. Der Verbots- bzw. Unlauterkeitsgehalt der §§ 4–7 folgt dieser wettbewerbsfunk98 tionalen Teleologie bis auf wenige Ausnahmen.219 Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der in § 1 S. 1 genannten Marktteilnehmer wird in zweierlei Weise vor unlauteren geschäftlichen Handlungen geschützt. Erstens wird durch das Verbot irreführender geschäftlicher Handlungen dafür Sorge getragen, dass die Marktteilnehmer ihre Entscheidungen auf sachlich zutreffender Grundlage treffen können.220 Zweitens werden aggressive geschäftliche Handlungen untersagt, die den freien Entscheidungsprozess beeinträchtigen.221 Beide Verbotskategorien gewährleisten durch den Schutz individueller Interessen zugleich den unverfälschten Wettbewerb. Denn es kommt zu Fehlallokationen, wenn Marktentscheidungen auf Täuschung und aggressiver Beeinflussung statt auf Preis, Qualität und sonstiger Leistung beruhen.222 99 Dem Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb dient ferner der Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11, da zumindest auch sichergestellt wird, dass sich alle Teilnehmer an die im Wettbewerb geltenden Vorschriften halten, ohne die Chancengleichheit zu verzerren.223 Über eine vornehmlich institutionelle Dimension verfügen schließlich zwei Fallgruppen im Anwendungsbereich der Generalklausel des § 3 Abs. 1, nämlich die allgemeine Marktstörung224 und das Verbot des Missbrauchs hoheitlicher Vorzugsstellungen.225 Auf der Ebene der Sanktionen schlägt sich das gemeinwohlbezogene Schutzgut des UWG in Gestalt der grundsätzlichen Entkopplung von individueller Interessenbeeinträchtigung und Klagebefugnis nieder.226 Zudem können Unterlassungsansprüche auch und Gewinnabschöpfungsansprüche sogar nur von Verbänden, qualifizierten Einrichtungen und Kammern geltend gemacht werden.227 Die Ausrichtung des Lauterkeitsrechts auf die subjektive und objektive Wettbewerbs100 freiheit offenbart sich überdies in weitgehenden Parallelen zum Kartellrecht. Nicht
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219 Näher dazu § 3 Rn. 116 ff. 220 Siehe dazu §§ 4 Nr. 3, 4, 5, 8, 9 lit. a, 9 lit. b 2. Alt.; 5; 5a; 6 Abs. 2 Nr. 1–3; 16 Abs. 1 und 2; Anhang zu § 3 Abs. 3 Nr. 1–24; Art. 5 Abs. 4 lit. a, 6, 7 UGPRL. Ferner Beater § 16; Keßler/Micklitz BB 2005/49, BB-Special 13, 1, 16. Zum Abwerben von Mitarbeitern als Fallgruppe des § 3 Abs. 1 siehe § 3 Rn. 450 ff. 221 Siehe dazu §§ 4 Nr. 1, 2, 6, 7 (insoweit a.A. Beater WRP 2012, 6, 13 (Schutz der Person des Mitbewerbers)), 9 lit. b 1. Alt., 9 lit. c, 10; 6 Abs. 2 Nr. 4–6; 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; 17–19; Anhang zu § 3 Abs. 3 Nr. 25–30; Art. 5 Abs. 4 lit. b, 8, 9 UGPRL. Ferner Beater § 17; Keßler/Micklitz BB 2005/49, BB-Special 13, 1, 16. 222 Dies ist der wettbewerbstheoretisch berechtigte Kern des Begriffs „Leistungswettbewerb“, der freilich im Laufe der Geschichte des UWG auch zur Begründung wettbewerbsfeindlicher Tendenzen instrumentalisiert wurde. Siehe dazu oben § 1 Rn. 49 ff.; ferner Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 4 Rn. 24 (verfehlter Begriff für in der Sache berechtigte Gesichtspunkte); Apostolopoulos WRP 2005, 152, 154; ablehnend zum Begriff Leistungswettbewerb Harte/Henning/Ahrens Einl. G Rn. 80; Harte/Henning/ Podszun § 1 Rn. 81; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 23; Beater Rn. 766 ff.; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 44. 223 Zur lauterkeitsrechtlichen Sanktionierung anderer Interessen über den Rechtsbruchtatbestand siehe § 1 Rn. 155 ff.; ferner Emmerich Unlauterer Wettbewerb §§ 19, 20. 224 § 3 Rn. 455 ff. 225 § 3 Rn. 488 ff. 226 Unten § 1 Rn. 313 ff. 227 Siehe §§ 8 Abs. 3 Nr. 2–4, 10.
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nur, dass das GWB über eine ähnliche Struktur wie das UWG verfügt, indem Verbote unzulässigen Wettbewerbshandelns von wiederum sehr ähnlichen Rechtsfolgen gem. §§ 8 ff. UWG, 33–34a GWB flankiert werden.228 Wichtiger noch ist die sich in diesen Äußerlichkeiten ausprägende Zielkomplemen- 101 tarität des Lauterkeits- und Kartellrechts. Das GWB und die Art. 101, 102 AEUV verbieten Marktverhalten, das eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Diese Regelungen dienen daher wie das UWG dem Schutz des freien und lauteren Wettbewerbs im öffentlichen Interesse an den Wirkungen dieses Ordnungsprinzips.229 Verkürzt ausgedrückt, widmet sich das GWB der Sicherung des „Ob“ der Betätigungsfreiheit, das UWG dem „Wie“.230 Hingegen ist es verfehlt, unter Verweis auf die Beschränkung der „ungezügelten“ 102 Wettbewerbsfreiheit durch das Lauterkeitsrecht einen Gegensatz zwischen beiden Rechtsmaterien zu konstruieren.231 Denn dabei wird verkannt, dass individuelle Betätigungsfreiheit – so sie mit Hilfe des Kartellrechts besteht – im kompetitiven Verhaltensprozess gar nicht unbeschränkt gedacht werden kann und daher einer Ordnung bedarf, die die unausweichlichen gegenseitigen Beeinträchtigungen auf die mit Wettbewerb verknüpften Allgemeininteressen ausrichtet.232 Folglich etablieren UWG und Kartellrecht den allgemeinen Rahmen, innerhalb dessen die Marktteilnehmer ihre rechtsgleiche Wettbewerbsfreiheit ausüben.233 Die wettbewerbsfunktionale Theorie reflektiert ferner die grund- und europarecht- 103 lichen Rahmenbedingungen des UWG. Die Grundrechtsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts und die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten läuteten seit den 1990er Jahren eine Phase der Liberalisierung des deutschen Lauterkeitsrechts ein. Diese externen Einflüsse auf das deutsche Lauterkeitsrecht haben bereits zum UWG 1909 der funktionalen, auf die Institution Wettbewerb bezogenen Betrachtungsweise zum Durchbruch verholfen.234
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228 RegE GWB, BTDrucks. 15/3640, S. 69; BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154, 160 f. = GRUR 2006, 773 – Probeabonnement (Vergleich der Anspruchsgrundlagen von UWG und GWB). Zur Streitwertherabsetzung im Interesse der Effektivität der Verfolgung von Verstößen siehe die §§ 12 Abs. 4 UWG, 89a GWB. 229 E. Ulmer/Beier, S. 5; Raiser GRUR Int. 1973, 443, 445; Schluep GRUR Int. 1973, 446, 448; Keßler WRP 2005, 1203 ff. 230 Schluep GRUR Int. 1973, 446, 448. 231 So insbesondere – aus geistesgeschichtlicher Sicht wie gezeigt nicht überraschend – die „sozialrechtliche“ Auffassung, die für eine scharfe Unterscheidung zwischen dem wettbewerbs- und dem kartellrechtlichen Tatbestand eintrat; siehe Hefermehl FS Nipperdey, S. 283, 299; Kummer S. 122 ff. (Lauterkeits- und Freiheitsschutz seien streng zu unterscheiden, das Lauterkeitsrecht diene nicht der Erhaltung des freien Wettbewerbs). Differenzierend noch zum UWG 2004 Götting S. 3 f. („unterschiedliche Schwerpunkte“ zwischen UWG und GWB). 232 Böhm Wettbewerb und Monopolkampf, S. 11, 120 ff.; Schluep GRUR Int. 1973, 446, 451. 233 Raiser GRUR Int. 1973, 443, 445; Schluep GRUR Int. 1973, 446, 451 f. 234 Siehe dazu Emmerich FS Gernhuber, S. 857, 862; zum Einfluss des Verfassungsrechts H.-J. Ahrens JZ 2004, 763. Zum UWG 1909 ferner Voraufl/Brander/Bergmann § 1 Rn. A1 f.; Voraufl/Köhler § 1 Rn. D1 f. (mit der Einschränkung, die Hervorhebung des institutionellen Charakters des Wettbewerbs ermögliche nur eine Problemverdeutlichung); E.Ulmer/Beier S. 56 f. (Schutz der Institution des Wettbewerbs); Loewenheim ZHR 135 (1971), 97, 129 (das UWG bemühe sich um eine bestimmte Qualität des Wettbewerbs, das GWB um eine bestimmte Quantität); Raiser GRUR Int. 1973, 443, 445; P. Ulmer GRUR 1977, 565, 568, 580 (das UWG diene der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Marktes zur Ermöglichung des Leistungsvergleichs); Pause S. 143; Möschel S. 133 und öfter (diese Auffassung sei 1978 noch nicht in der Rechtsprechung verankert, a.a.O., 163); Reichold AcP 193 (1993), S. 204, 216 m.w.N.; Schrauder S. 136; Schnieders S. 312; Mayrhofer S. 42 und öfter; Sosnitza S. 20 f.; Beater Nachahmen im Wettbewerb, S. 438; ders. JZ 1997, 916, 922 (ein grundlegender dogmatischer Wandel stehe dem Wettbewerbsrecht erst noch bevor); Schricker GRUR Int. 1996, 473, 477 (Schutz der Freiheit des Wettbewerbs).
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Das Bundesverfassungsgericht hielt eine auf der Basis des UWG 1909 erfolgende Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungs- bzw. Meinungsfreiheit nur für gerechtfertigt, wenn dadurch eine konkrete Gefährdung des Leistungswettbewerbs unterbunden werde. Verfassungsrechtlich zulässiger Zweck des UWG sei es, im Interesse des Schutzes der Wettbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktbeteiligter Verhaltensweisen zu verhindern, welche die Funktionsfähigkeit des leistungsorientierten Wettbewerbs stören, zum Beispiel durch unlautere Einflussnahmen auf die freie Entschließung der Kunden.235 Diese Zielsetzung formuliert § 1 S. 2.236 Der Schutz des unverfälschten Wettbewerbs ist ferner ein zentrales Motiv des 105 europäischen Wirtschaftsrechts.237 In seiner Rechtsprechung zum EG-Vertrag ging der EuGH davon aus, dass die primärrechtlichen Vorschriften zum Binnenmarkt, zur Wirtschaftspolitik, zu den Grundfreiheiten sowie die Wettbewerbsregeln das einheitliche Ziel verfolgten, dass „auf einem Markt, der die Merkmale eines einzigen Marktes aufweist, ein wirksamer, unverfälschter Wettbewerb hergestellt wird“ und umgekehrt Wettbewerbsverfälschungen „zum Schaden des öffentlichen Interesses, der einzelnen Unternehmen und der Verbraucher“ vermieden werden.238 Eine solch geordnete Marktöffnung wurde vom Gerichtshof immer wieder als „grundlegendes“ und „wesentliches“ Ziel der EG bzw. als „fundamentaler“, „allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts“ bezeichnet.239 Die in den folgenden Jahrzehnten ergangene Rechtsprechung des EuGH zu den 106 Grundfreiheiten und namentlich zum Grundsatz der Lauterkeit des Handels-
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235 Siehe zum UWG 1909 BVerfG 22.5.1979 – 1 BvL 9/75 – BVerfGE 51, 193, 215 = GRUR 1979, 773 – Schloßberg („Schutzgut ist die Lauterkeit des geschäftlichen Verkehrs; die Institution des Wettbewerbs wird geschützt.“); BVerfG 8.3.1988 – 1 BvR 1092/84 – BVerfGE 78, 58, 72 = GRUR 1988, 610 – Ausstattungsschutz; BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95, 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 360, 364 = GRUR 2001, 170 – Benetton-Werbung (Belange des Leistungswettbewerbs als Rechtfertigungsgrund); BVerfG 6.2.2002 – 1 BvR 952/90, 1 BvR 2151/96 – GRUR 2002, 455 f. – Tier- und Artenschutz; dito BVerfG 7.11.2002 – 1 BvR 580/02 – NJW 2003, 277, 278 (Relevanz weiterer Schutzgüter offengelassen); BVerfG 4.8.2003 – 1 BvR 2108/02 – GRUR 2003, 965, 966 – Interessenschwerpunkt „Sportrecht“ (Schutz gegen unlauteren Wettbewerb); BVerfG 21.7.2005 – 1 BvR 217/99 – NJW 2005, 3201 f. (Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs); BVerfG 12.7.2007 – 1 BvR 2041/02 – GRUR 2008, 81, 82 f. – Pharmakartell; zum UWG 2004 entsprechend OLG Düsseldorf 19.6.2007 – 20 U 154/06 – GRUR-RR 2008, 64, 65 f. – Fußballticket-Weiterverkauf; zur Bedeutung der Grundrechte für den Begriff der Unlauterkeit näher § 3 Rn. 307 ff. 236 Ekey Rn. 129 f. (der Gesetzgeber habe sich der Rechtsprechung des BVerfG und nicht derjenigen des BGH angeschlossen); kritisch H.-J. Ahrens JZ 2004, 763, 771. 237 Immenga EuZW 1994, 14, 15; Basedow FS Everling, S. 49, 52 (zur Zeit nach Maastricht ebenso a.a.O., 58); Mestmäcker FS Willgerodt S. 263, 270. Zum gegenwärtigen Primärrecht siehe aber unten § 1 Rn. 119 ff. 238 EuGH 13.7.1966 – Rs. 32/65 – Slg. 1966, 459, 483 – Italienische Republik/Rat und Kommission; EuGH 13.7.1966 – verb. Rs. 56 und 58/64 – Slg. 1966, 321, 388 – Consten/Grundig; EuGH 8.6.1971 – Rs. 78/70 – Slg. 1971, 487 Tz. 8 – Deutsche Grammophon (Art. 3 lit. f EWG und Grundfreiheiten); EuGH 18.4.1975 – Rs. 6/72 – Slg. 1973, 215 Tz. 23 f. – Europemballage u. Continental Can/Kommission; EuGH 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461 Tz. 132 – Hoffmann-La Roch/Kommission; EuGH 26.6.1980 – Rs. 136/79 – Slg. 80, 2033 Tz. 20 – National Panasonic/Kommission; EuGH 29.1.1985 – Rs. 231/83 – Slg. 85, 305 Tz. 11 – Cullet; EuGH 11.6.1985 – Rs. 229/83 – Slg. 85, 1 Tz. 8 f. – Leclerc/SARL; EuGH 19.3.1991 – Rs. 202/88 – Slg. 1991 I-1223 Tz. 41 – Französische Republik/Kommission; Ophüls ZHR 124 (1962), 136, 147; Fikentscher FS Hallstein, S. 127, 161; ders. Wirtschaftsrecht, 667 f. (europäische Grundsätze lauteren Wettbewerbs); anders Reich/Micklitz S. 14 (produktivistische, anbieterorientierte Ausrichtung des EWGV). 239 EuGH 13.7.1966 – verb. Rs. 56 und 58/64 – Slg. 1966, 321, 388 – Consten/Grundig; EuGH 8.6.1971 – Rs. 78/70 – Slg. 1971, 487 Tz. 12 – Deutsche Grammophon; EuGH 18.4.1975 – Rs. 6/72 – Slg. 1973, 215 Tz. 24 – Europemballage u. Continental Can/Kommission (so wesentlich, dass sonst zahlreiche Vertragsvorschriften gegenstandslos wären); EuGH 29.1.1985 – Rs. 231/83 – Slg. 85, 305 Tz. 10 – Cullet; EuGH 7.2.1985 – Rs. 240/83 – Slg. 85, 531 Tz. 9 – Procureur de la République/ADBHU; EuGH 11.6.1985 – Rs. 229/83 – Slg. 85, 1 Tz. 8 – Leclerc/SARL; EuGH 26.11.1985 – Rs. 182/84 – Slg. 85, 3731 Tz. 25 – Miro.
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verkehrs kann durchaus im Sinne des Schutzes eines intensiven, unverfälschten Wettbewerbs gelesen werden.240 Folge der negativen Integration war eine Schleifung nationaler, wettbewerbsbeschränkender Marktverhaltensregeln. So wurden die zuvor teilweise rigiden Anforderungen an zulässige Werbung im deutschen Recht deutlich abgesenkt.241 Spätestens seit der Kodifikation dieser externen Einflüsse in Gestalt von § 1 steht der 107 wettbewerbsfunktionale Zweck des Lauterkeitsrechts nicht mehr zur Disposition der Gerichte.242 Das gilt auch und gerade in Anbetracht der Umsetzung der UGPRL. Denn anders als der europäische Gesetzgeber, der sich in diesem Rechtsakt auf die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher kapriziert, hat die deutsche Legislative bewusst am umfassenden lauterkeitsrechtlichen Ansatz festgehalten, die Interessen aller Marktteilnehmer und damit zugleich das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb zu schützen.243 § 1 verbietet daher jedenfalls eine „unbegrenzte Auslegung“ des UWG im Sinne eines Ordnungsinstruments für jedwede Wirtschaftsordnung, sei sie marktwirtschaftlich, ständisch oder streng dirigistisch geprägt.244 Rechtsvergleichend ist für die wettbewerbsfunktionale Theorie auf das schweizeri- 108 sche Lauterkeitsrecht zu verweisen, das gerade in den grundlegenden Ziel- und Strukturentscheidungen Vorbild für das UWG 2004 war. Gem. Art. 1 CH-UWG bezweckt jenes Gesetz, „den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten“. Damit wird wie in § 1 S. 2 der Schutz der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zum Programm des Gesetzes erklärt.245 Unverkennbar stützt sich die wettbewerbsfunktionale Lesart des UWG auf Erkennt- 109 nisse der Ökonomik.246 Das bedeutet zwar nicht, dass nunmehr ökonomische Modelle die lauterkeitsrechtliche Beurteilung leiten könnten oder gar sollten.247 Um dem Wettbewerbsrichter letztlich nicht zu leistende Auswirkungsanalysen abzunehmen, hat der Gesetzgeber die Maßstäbe der Unlauterkeit viel detaillierter als im früheren Recht konkretisiert.248 Bei deren Auslegung tritt eine wettbewerbstheoretisch informierte, funktions- und folgenorientierte Argumentation zur Herleitung lauterkeitsrechtlicher Verbote an die Stelle eines letztlich beliebigen „lauterkeitsrechtliche[n] Empfinden[s]“249 oder zumindest schiefer Metaphern aus der Welt des Sports.250
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240 Im Einzelnen unten § 3 Rn. 295 ff. 241 Näher Peukert ZHR 173 (2009), 536 ff. m.w.N. 242 Siehe MünchKommUWG/Sosnitza vor § 1 Rn. 21. 243 BTDrucks. 16/10145 S. 16–18. 244 Zutreffend Wuttke WRP 2007, 119, 121 f. 245 Botschaft CH-UWG, BBl. 1983 II, 1009, 1037 ff. (auch zur Berücksichtigung der Lauterkeit des Verhaltens, also „geschäftsmoralischer“ Kriterien, die aber letztlich mit Blick auf eine Wahrung der Funktionen des Wettbewerbs angewendet werden müssten). Siehe ferner BGE 126 III 198, 202 (2000); BGE 131 III, 384, 388 (2005); Jenny S. 163 ff. m.w.N.; Thouvenin S. 123 f., 421 ff. m.w.N.; Weber sic! 2012, 231 ff. 246 Auch in Bezug auf das Lauterkeitsrecht wird die Berücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse vermehrt gefordert und akzeptiert, weil nicht über Wettbewerb geurteilt werden könne, wenn dessen Funktionsweise nicht klar sei; siehe Mestmäcker ZHR 137 (1973), 97, 100 f.; Reuter AcP 189 (1989), 199, 214 ff.; Emmerich FS Gernhuber, S. 857, 864; Harte/Henning/Podszun § 1 Rn. 81 ff.; Thouvenin S. 5 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 4 Rn. 2 ff.; Podszun WRP 2009, 509 ff.; Leistner ZEuP 2009, 56, 88 ff.; ders. ZGE 2009, 3 ff.; für das europäische Lauterkeitsrecht bereits Beier GRUR Int. 1984, 61, 66; Keßler/Micklitz BB 2005/49, BB-Special, 15. 247 Zum more economic approach im Lauterkeitsrecht siehe § 3 Rn. 239 ff.; ferner Piper/Ohly/Sosnitza Einf A Rn. 18 f.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner § 4 Rn. 29 (nur begrenzt weiterführende Bedeutung wettbewerbstheoretischer Konzepte). 248 Siehe Mestmäcker ZHR 137 (1973), 97, 106. 249 So aber Piper/Ohly § 1 UWG Rn. 3. 250 Nordemann Rn. 3 (Tour de France).
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Freilich ist zu konstatieren, dass die lauterkeitsrechtliche Literatur bis in die jüngste Vergangenheit rätselte, was denn eigentlich unter den geschützten Allgemeininteressen zu verstehen sei, obwohl die Theorie des Lauterkeitsrechts als Instrument zur dauerhaften Wahrung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs vor Jahrzehnten formuliert und von der herrschenden Meinung zumindest äußerlich rezipiert wurde.251 Micklitz begründet die im Zuge der UGPRL erfolgte Streichung der Interessen der Allgemeinheit an einem Schutz vor irreführender Werbung und ihren unlauteren Auswirkungen aus dem Zweckartikel der IrreführungsRL 1984/1997 lapidar damit, dass es Schwierigkeiten mache, ein allgemeines europäisches Interesse zu definieren.252 Demgegenüber bringt § 1 weiterhin zum Ausdruck, dass intensiver und unverfälschter Wettbewerb als solcher im Allgemeininteresse liegt, weil dadurch Ressourcen effizient genutzt, Bedürfnisse befriedigt und Gewinne leistungsgerecht und breit gestreut werden.
3. Abweichungen vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung. Die wettbewerbsfunktionale Theorie liefert eine schlüssige Erklärung des UWG und seiner Bedeutung im Rahmen der Wirtschaftsverfassung. Sie kann jedoch nicht mehr vorbehaltlos zum alleinigen Zweck des geltenden Lauterkeitsrechts erklärt werden. Denn selbst das systematisch einheitliche UWG fragmentiert in teleologischer Hinsicht zunehmend. Auslöser hierfür sind zum einen im UWG umgesetzte EU-Richtlinien, die mit eigen112 ständiger und von § 1 abweichender Zielsetzung eine vollständige Rechtsangleichung herbeiführen. Zum anderen hat der deutsche Gesetzgeber seinerseits lauterkeitsrechtliche Verbote angeordnet, die nicht oder jedenfalls nicht primär der Wahrung der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs dienen, sondern anderen Zwecken. Diese teleologische Vielfalt ist offenzulegen, um Wertungsdivergenzen zu erklä113 ren und Wertungswidersprüche so weit wie möglich zu vermeiden. Freilich darf das Bemühen um Kohärenz aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts nicht so weit gehen, die europarechtlichen Regelungszwecke aus der Warte einer autonom-deutschen Funktionslehre zu ignorieren oder zu modifizieren.253 111
a) Schutz der Verbraucherautonomie im Anwendungsbereich der UGPRL 114
aa) Generelle Ausdifferenzierung des UWG im Hinblick auf die Schutzsubjekte. In der Schutzzweckklausel des § 1 kommt ebenso wie in der Generalklausel des § 3 Abs. 1 das umfassende, integrierte Regulierungsmodell des deutschen Gesetzgebers zum Ausdruck. Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer werden gleichrangig vor unlauteren geschäftlichen Handlungen geschützt, womit zugleich dem wiederum gleichberechtigten Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb gedient ist. Unlautere Verhaltensweisen wie zum Beispiel eine Irreführung von Verbrauchern betreffen in aller Regel nicht nur bestimmte Marktteilnehmer, sondern wirken sich auf die miteinander vernetzten Entscheidungsprozesse weiterer Personenkreise wie zum Beispiel der
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251 Siehe etwa MünchKommUWG/Micklitz EG E Rn. 8 („wie auch immer“ definierte Öffentlichkeit); Micklitz/Keßler GRUR Int. 2002, 885, 899 (mit Vorschlag für eine Richtlinie über unlautere Marktkommunikation: „Zweck dieses Rechtsrahmens ist es, Unternehmen sowie insbesondere Verbraucher und die öffentlichen Interessen im allgemeinen vor unlauterer wirtschaftlicher Kommunikation zu schützen.“). Zur parallelen Unklarheit im deutschen Recht Peukert Güterzuordnung, S. 353 ff. m.w.N. 252 MünchKommUWG/Micklitz EG E Rn. 44. 253 Insoweit zutreffend Fezer/Fezer § 1 Rn. 32.
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Mitbewerber des Akteurs aus. Sie sind damit geeignet, den Wettbewerb insgesamt zu verfälschen.254 Dementsprechend unterscheiden die Konkretisierungen der Unlauterkeit gem. § 4 Nr. 3–5, § 5, § 5a Abs. 1 und § 6 nicht zwischen Mitbewerbern, Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern. Selbiges gilt für den Grundtatbestand der unzumutbaren Belästigung gem. § 7 Abs. 1. In anderen Tatbeständen wird hingegen zwischen den drei Gruppen von Marktteil- 115 nehmern differenziert. Die in § 4 Nr. 7–10 geregelten Fallgruppen betreffen den Schutz der Mitbewerber. § 4 Nr. 2 und 6 und § 5a Abs. 2–4 255 sowie § 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 1. Alt. beziehen sich hingegen nur auf Verbraucher. Insoweit ist nach Maßgabe der Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 noch zwischen dem Durchschnittsverbraucher (S. 2) und besonders schutzwürdigen Verbrauchergruppen (S. 3) zu unterscheiden. Die sonstigen Marktteilnehmer werden in § 4 Nr. 1 mit den Verbrauchern vor unangemessenem unsachlichen Einfluss geschützt. Speziell auf diese unternehmerische Gruppe zugeschnitten ist § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. Während Telefonwerbung gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung stets unzulässig ist, genügt bei einem sonstigen Marktteilnehmer eine zumindest mutmaßliche Einwilligung. Schließlich werden in § 7 Abs. 2 Schutzsubjekte benannt, die in § 1 und § 3 Abs. 1 gar nicht erwähnt werden. § 7 Abs. 2 Nr. 3 schützt „Adressaten“, Nr. 4 „Empfänger“ vor bestimmten Werbemethoden; § 7 Abs. 3 Nr. 3 und 4 stellen hinsichtlich der Zulässigkeit elektronischer Post auf Erklärungen und Informationen des „Kunden“ ab. Nun widersprechen diese Unterscheidungen nicht per se einem prinzipiell integra- 116 len, alle Marktteilnehmer einbeziehenden Modell. Zunächst entspricht es der Struktur des § 1, in einem ersten Schritt die individuellen Interessen der betroffenen Marktteilnehmer zu erfassen. Dies ist generell der Ausgangspunkt der auf die Wettbewerbsfunktionen ausgerichteten, lauterkeitsrechtlichen Beurteilung.256 In § 4 wurden typische Fallgruppen kodifiziert, die wie etwa die gezielte Behinderung nur oder jedenfalls primär die Interessen bestimmter Marktteilnehmer betreffen. Insoweit sind die dargestellten Ausdifferenzierungen als Folgen der konkretisierenden und zugleich liberalisierenden Kodifikation des Lauterkeitsrechts einzuordnen. Schließlich entspricht es dem Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit, für ein Verbot genau zu prüfen, ob die konkret betroffenen Marktakteure überhaupt in ihrer wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit tangiert sind. Dazu ist es geradezu geboten, zwischen verschiedenen Verkehrskreisen zu differenzieren.257 Allerdings geht die personelle Fragmentierung im UWG über die Unterscheidung 117 von typischen Fallgruppen und Adressaten geschäftlicher Handlungen hinaus. Im Zuge der Umsetzung der UGPRL ist weitergehend sogar die Generalklausel des § 3 aufgespalten worden. Während Absatz 1 in Fortführung des integral-ganzheitlichen deutschen Lauterkeitsrechts unlautere geschäftliche Handlungen für unzulässig erklärt, wenn
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254 Oben § 1 Rn. 83 ff. 255 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 11 („§ 5a Abs. 2 bis 4 UWG-E gilt dagegen nur für Warenund Dienstleistungsangebote gegenüber Verbrauchern. Dabei handelt es sich um eine Ausnahme von dem sonst geltenden Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Gesetzes auf Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer. Die Ausnahme ist geboten, um den kaufmännischen Verkehr nicht mit Informationsanforderungen zu belasten, die in erster Linie dem Verbraucherschutz dienen.“); dazu näher Bornkamm WRP 2012, 1 ff. 256 Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1329. 257 Zur vergleichenden Werbung siehe z.B. EuGH 25.10.2001 – C-112/99 – Slg. 2001 I-7945 Tz. 52 – Toshiba/Katun (Assoziation zwischen dem Ruf verschiedener Erzeugnisse bei Fachhändlern wesentlich weniger wahrscheinlich als bei Endverbrauchern).
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sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, beziehen sich Absatz 2 und 3 in Umsetzung der UGPRL nur mehr auf geschäftliche Handlungen „gegenüber Verbrauchern“. Ungeachtet der streitigen Frage, in welchem Verhältnis die Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 zu Absatz 1 steht,258 weckt allein die Aufspaltung der ehemals umfassenden Generalklausel, die in besonders engem Zusammenhang zur Zwecknorm des § 1 steht, Zweifel, ob unverändert von einem einheitlichen Telos des UWG ausgegangen werden kann. 118
bb) Die Teleologie der UGPRL. Im Entwurf zur Umsetzung der UGPRL wird ohne Bezug auf die Ausdifferenzierung des § 3 argumentiert, der umfassende, einheitliche Anwendungsbereich des Gesetzes auf alle „geschäftlichen Handlungen“ ziehe einen einheitlichen Zweck unter Einschluss des Anwendungsbereichs der UGPRL nach sich.259 Dieser Schluss vom geregelten Lebenssachverhalt auf die Teleologie ist indes schon per se nicht zwingend, da es sich um zwei unterschiedliche Regelungsaspekte handelt. Eine Analyse der UGPRL zeigt überdies, dass sich der Zweck dieser vollständigen Rechtsangleichung nicht mit § 1 deckt.260 Die UGPRL lässt sich zwar wettbewerbsfunktional deuten, so dass nicht von einer regelrechten Ausnahme von diesem Programm gesprochen werden kann (1). Die Teleologie der Richtlinie weicht aber von § 1 insoweit ab, als sie eine andere, nämlich verbraucherschützende Perspektive auf das Wettbewerbsgeschehen einnimmt (2).
(1) Der wettbewerbsfunktionale Grundcharakter des EU-Lauterkeitsrechts. Die Regelungstechnik und der Regelungsgehalt der UGPRL lassen erkennen, dass auch dieser europäische Rechtsakt dem Schutz des unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt dient (vgl. § 1 S. 2). Wie die Richtlinie zur vergleichenden Werbung führt die UGPRL zu einer vollständigen Rechtsangleichung.261 Dieses Vorgehen richtet sich gegen Verzerrungen des Wettbewerbs durch unterschiedliche Regulierungsniveaus. Es gewährleistet Rechtssicherheit und unionsweit einheitliche Marktbedingungen zur Förderung grenzüberschreitender Angebots- und Nachfrageaktivitäten.262 Außerdem schließt die Vollharmonisierung strengere nationale Verbraucherschutz120 niveaus aus. Gem. Art. 4 UGPRL dürfen die Mitgliedstaaten den freien Dienstleistungsund Warenverkehr nicht aus Gründen, die mit dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich zusammenhängen, einschränken. Das nationale Lauterkeitsrecht wird gewissermaßen gedeckelt und dadurch begrenzend liberalisiert. Insbesondere sind Perse-Verbote ungeachtet der spezifischen Umstände des konkreten Falles nur nach Maßgabe des abschließend geregelten Anhangs zur UGPRL zulässig.263 In der Sache widmen sich die UGPRL und die IrreführungsRL 2006 den klassischen 121 Fällen unlauteren Wettbewerbs, nämlich Irreführungen und aggressiven Geschäftsprakti119
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258 Dazu § 3 Rn. 148 ff. 259 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 11. 260 Zu diesem Erfordernis oben § 1 Rn. 12 ff. 261 Siehe Art. 8 Abs. 1 2. UA RL 2006/114; Art. 1 und ErwGrde. 6, 8, 11–13, 15 RL 2005/29; Sosnitza WRP 2006, 1 ff.; de Vrey S. 58 f. 262 Vgl. ErwGrd. 2–5, 12, 17 UGPRL. 263 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010 I-217 Tz. 53 – Plus; EuGH 11.3.2010 – C-522/08 – Slg. 2010 I-2079 Tz. 33 – Telekommunikacja Polska; EuGH 7.3.2013 – C-343/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 24 – Euronics Belgium; Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 299 ff. m.w.N.; Leistner ZEuP 2009, 56, 66 ff. (deklaratorische Festschreibung der Vollharmonisierung).
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ken. Die Verbote von Täuschungen und wettbewerbsfremdem Zwang sollen gewährleisten, dass Gewerbetreibende und Verbraucher informierte und freie Entscheidungen treffen können, wodurch wiederum sichergestellt wird, dass der Wettbewerb ohne Verfälschungen abläuft. 264 Geschützt werden geschäftliche Entscheidungen im Wirtschaftsleben, auch wenn sich die Akteure hierbei von sittlichen Erwägungen leiten lassen.265 Die Verbote von Irreführungen und wettbewerbsfremder Aggressivität als Arche- 122 typen wettbewerbsfunktionaler Regulierung bildeten den gemeineuropäischen Nenner, der mit der UGPRL vollharmonisiert werden konnte. Ob eine wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers vorliegt, bestimmt sich nach Maßgabe des aus der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten bekannten Durchschnittsverbrauchers, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist.266 Demgegenüber lässt die Richtlinie „kulturell“ motivierte Verbote aus Gründen der „guten Sitten und des Anstands“ (taste and decency), bei denen die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht in Rede steht, unberührt.267 Schließlich verbietet die UGPRL keine bestimmten Inhalte oder Formen der Wirtschaftswerbung und formuliert insoweit auch keine positiven Vorgaben.268 (2) Der Verbraucherschutzfokus der UGPRL. Insgesamt scheint es, als würden 123 sowohl das Primärrecht269 als auch das Sekundärrecht unter Einschluss der UGPRL ein wettbewerbsfunktionales Verständnis des UWG nicht nur nahelegen, sondern geradezu fordern.270 Dieser Schlussfolgerung steht indes die besondere, von § 1 abweichende Perspektive der UGPRL auf das Marktgeschehen entgegen.271 Das in § 1 formulierte, integral-wettbewerbsfunktionale Verständnis des Lauter- 124 keitsrechts fand sich bis Ende 2007 noch prominent im Eingangsartikel der IrreführungsRL 1984/1997. Ihr Zweck war der Schutz der Verbraucher, der Gewerbetreibenden
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264 Siehe Art. 2 lit. e, 5 Abs. 4, 8 und ErwGrd. 14 S. 1, 16 RL 2005/29 (Schutz der Freiheit der Verbraucher, eine informierte und deshalb effektive Wahl zu treffen); ErwGrd. 3 RL 2006/114 (unverfälschter Wettbewerb); zum Verbot aggressiver Geschäftspraktiken Koch passim. 265 Zu dieser marktbegleitenden Sittlichkeit oben § 1 Rn. 59 f. Ferner RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/ 10145, S. 34 (zum Verbot wahrheitswidriger Behauptungen, der Vertrieb einer Ware oder einer angebotenen Dienstleistung diene sozialen oder humanitären Zwecken). 266 ErwGrd. 18, Art. 5 Abs. 2 lit. b UGPRL. 267 ErwGrd. 7 S. 3–5 UGPRL; Keßler/Micklitz BB 2005/49, BB-Special 13, 1, 13. 268 Siehe ErwGrd. 6 S. 5, 14 UGPRL. Zur Zulässigkeit vergleichender Werbung im Lebensmittelbereich EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – Slg. 2010 I-11761 Tz. 38 ff. – Lidl/Vierzon. 269 Dazu oben § 1 Rn. 105 f. 270 Glöckner S. 509, 512 (Schutzobjekt des europäischen Lauterkeitsrechts sei demgemäß „allein“ das den Individualinteressen übergeordnete Allgemeininteresse am funktionsfähigen Wettbewerb); Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 23; Podszun WRP 2009, 509 ff.; Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 297 (der unverfälschte Wettbewerb sei als Schutzzweck der Richtlinie anzuerkennen); für eine wettbewerbstheoretische Verankerung des Lauterkeitsrechts unter Ausgrenzung ethisch-moralischer Erwägungen auch MünchKommUWG/Micklitz EG E Rn. 108, 115 (funktionsbezogenes Wettbewerbskonzept); anders unter Hinweis auf den Verbraucherschutzgedanken Koos S. 77 f. (der gemeinschaftsrechtliche Lauterkeitsmaßstab sei ausgehend vom höchsten mitgliedstaatlichen Schutzniveau unter Beachtung der Grundfreiheiten zu ermitteln). 271 In diesem Sinne insbesondere Reich/Micklitz S. 11 („Das vorliegende Buch thematisiert und systematisiert das Europäische Wirtschaftsrecht aus der Perspektive des Verbrauchers als homo oeconimicus passivus …“.), S. 13 (das europäische Wirtschaftsrecht habe „letztlich dem Verbraucherinteresse zu dienen“). Zu Änderungen des Primärrechts als Ursache dieser Zieldiversifizierung Peukert ZHR 173 (2009), 536 ff.
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sowie der Interessen der Allgemeinheit vor irreführender Werbung und deren unlauteren Auswirkungen sowie die Festlegung der Bedingungen für zulässige vergleichende Werbung.272 Zweck der UGPRL ist es hingegen, durch Angleichung der Rechts- und Verwal125 tungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen.273 Verhindert werden soll die unmittelbare Schädigung der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher.274 Zugleich wurden die Allgemeininteressen an der Verhinderung irreführender Werbung und ihrer unlauteren Auswirkungen aus der IrreführungsRL 1984/1997 gestrichen, so dass jene Richtlinie nunmehr nur noch Gewerbetreibende vor irreführender Werbung schützt.275 Mit diesen Weichenstellungen wendet sich der europäische Gesetzgeber explizit von 126 einem Lauterkeitsrecht ab, das im Interesse aller Marktteilnehmer und der Allgemeinheit die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs stabilisiert.276 Zugleich wurde der Anwendungsbereich der Regelungen zu irreführender Werbung aufgespalten, je nachdem, ob es sich um den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) oder um denjenigen zwischen Unternehmen (B2B) handelt.277 127 Trotz ihrer wie gezeigt wettbewerbsfunktionalen Grundanlage bringt die perspektivische Engführung der UGPRL auf den Verbraucherschutz in der Sache strengere Vorgaben für vergleichende Werbung278 und generell hohe Anforderungen an die Lauterkeit von Geschäftspraktiken mit sich, etwa im Hinblick auf besonders schutzbedürftige Verbrauchergruppen279 oder irreführende Unterlassungen.280 Das hohe Verbraucherschutzniveau der UGPRL trägt zwar keine genuin marktbegrenzenden Züge, es soll aber die
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272 ErwGrd. 6 IrreführungsRL 1984; EuGH 2.2.1994 – Rs. 315/92 – Slg. 1994, 317 Tz. 9 – Verband sozialer Wettbewerb/Clinique Laboratories; umfassend auch das Verständnis des Zwecks der Richtlinie bei EuGH 16.1.1992 – Rs. C-373/90 – Slg. 1992 I-131 Tz. 9 – Ermittlungsverfahren gegen X; Lettl Das neue UWG, S. 64 f. (Allgemeininteressen seien nur in Bezug auf einen funktionsfähigen Wettbewerb im Binnenmarkt geschützt). 273 Vgl. Art. 1, ErwGrd. 1 UGPRL. 274 Siehe ErwGrd. 6, 7 RL 2005/29. Zu früheren Fassungen der Erwägungsgründe Gamerith WRP 2005, 391, 412 f. 275 Siehe Art. 14 UGPRL; Art. 1 IrreführungsRL 2006/114. 276 Gamerith WRP 2005, 391, 427; a.A. ohne Rücksicht hierauf Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 297; Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1324 f. (weder Verbraucher noch Mitbewerber dürften auf der Grundlage des Lauterkeitsrechts mehr verlangen als der Schutz des funktionsfähigen Wettbewerbs gebiete). 277 Siehe Art. 3 Abs. 1, 2 lit. d UGPRL; näher § 3 Rn. 148 ff. 278 Zur vergleichenden Werbung vgl. Art. 4 lit. a IrreführungsRL 2006; Gamerith WRP 2005, 391, 429; ferner EuGH 18.6.2009 – C-487/07 – Slg. 2009 I-5185 Tz. 68 f. – L’Oréal/Bellure (Abwägung der verschiedenen Interessen, die durch die Genehmigung der vergleichenden Werbung berührt sein können); EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – Slg. 2010 I-11761 Tz. 21 f. – Lidl/Vierzon. 279 Im Einzelnen Peukert ZHR 173 (2009), 536 ff. Zu Art. 5 Abs. 3 UGPRL RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 22 (der Schutz der erwähnten Gruppen sei der Richtlinie ein besonderes Anliegen); Böhler WRP 2011, 827, 828 („Folglich müssen Unternehmer bei Werbung in Massenmedien, welche zwar nicht nur, aber auch Minderjährige/Kinder anspricht, stets auf die Sicht dieser besonders geschützten Verbrauchergruppe abstellen.“); Radeideh S. 279; Schumacher in Hilty/Henning-Bodewig S. 127, 134; a.A. Glöckner/HenningBodewig WRP 2005, 1311, 1330 (keine Rückkehr des leichtgläubigen Verbrauchers); aus rechtspolitischer Sicht zustimmend Rehberg in Zetzsche S. 49, 67 f.; Leistner ZEuP 2009, 56, 76 f. 280 Siehe Art. 7 UGPRL und MünchKommUWG/Micklitz EG E Rn. 42 („Es ist ja schließlich so, dass die Werbung den Verbraucher anspricht, und nicht der Verbraucher die Werbung nachfragt.“).
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Selbstbestimmung des Verbrauchers mit Rücksicht auf seine grundsätzlich schwache Position im Markt ausgleichend sicherstellen.281 Es steht zu erwarten, dass das Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus die 128 Auslegung der UGPRL prägen wird. Allein die schiere Masse unbestimmter Rechtsbegriffe zur Erläuterung dessen, was lauter oder unlauter ist („Erfordernisse der beruflichen Sorgfalt“, die wiederum als „Standard von Fachkenntnissen und Sorgfalt“ definiert werden, deren Anwendung „billigerweise“ gemäß den „anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben“ erwartet werden kann), wird dazu beitragen, dass die Generalklausel vorrangig anhand ihres Zwecks konkretisiert werden wird.282 Beispiele aus anderen Bereichen bestärken die Vermutung, dass sich der EuGH in kritischen Fällen auf die relativ klare Vorgabe eines hohen Verbraucherschutzniveaus kaprizieren wird.283 So fallen Entscheidungen im Verbrauchervertragsrecht selbst dann häufig zugunsten des Konsumenten aus, wenn der einschlägige Rechtsakt nicht ausdrücklich ein entsprechend hohes Schutzniveau einfordert.284 Ausschlaggebend dafür, den gesamten Harmonisierungsbereich der UGPRL als in 129 letzter Konsequenz mit § 1 unvereinbar anzusehen, ist indes die von der Richtlinie eingenommene Perspektive auf das Marktgeschehen und die hiermit einhergehende Methodik der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung. Nach dem in §§ 1, 3 Abs. 1 kodifizierten, integralen Modell des deutschen Lauterkeitsrechts sind die Interessen aller Marktteilnehmer gleichrangig zu berücksichtigen. 285 Demgegenüber reguliert die UGPRL Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern primär und „unmittelbar“ im Hinblick auf die wirtschaftlichen Interessen der Konsumenten. Ihre Bestimmungen sind „im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten und Opfers unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert“.286 Die Belange rechtmäßig handelnder Mitbewerber geraten hingegen nur „mittelbar“, reflexartig in den Blick.287 In methodischer Hinsicht folgt, dass im Anwendungsbereich der UGPRL zunächst 130 nur zu fragen ist, ob eine Geschäftspraktik die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher beeinträchtigt. Erst in einem zweiten Schritt ist zu fragen, ob in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ggf. kein Verbot ergehen darf. Auch wenn diese Prüfungsreihenfolge letztlich wie das deutsche Recht auf die Gewährleistung des unverfälschten
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281 EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 34 f. – BKK Mobil Oil; grundlegend Drexl; Keßler/Micklitz BB 2005/49, BB-Special 13, 1, 7 („marktbezogene Emanzipation der Verbraucher“); anders wohl Fezer/Fezer § 1 Rn. 55 (Schutz des Verbrauchers als Träger einer sozialen Rolle); wieder anders Beater Rn. 1131 ff. (Schutz der Verbraucherinteressen durch rechtlich flankierten Wettbewerb). 282 öOGH 4Ob225/07b, MR 2008, 114, 120; MünchKommUWG/Micklitz EG E Rn. 106 (es sei auf das „wettbewerbstheoretische Modell des europäischen Lauterkeitsrechts“ zu rekurrieren). Allgemein zur teleologischen Auslegung EuGH 27.2.1962 – Rs. 10/61 – Slg. 2003 I-513 Tz. 48 – Kommission/Italien m.w.N. Kritisch zur Unklarheit der Generalklausel Dröge S. 67; Henning-Bodewig GRUR Int. 2005, 629, 631; MünchKommUWG/Micklitz EG E Rn. 128, 134; Brömmelmeyer GRUR 2007, 295, 298; Gamerith WRP 2005, 391, 416 ff.; Köhler NJW 2008, 3032, 3035. 283 Hierfür wohl MünchKommUWG/Micklitz EG E Rn. 45 (Prävalenz der Verbraucherinteressen); wohl auch Dröge S. 82 (es komme „nur auf die Auffassung des Verbrauchers, mithin der Allgemeinheit“ an); kritisch Unberath/Johnston CML Rev. 2007, 1237, 1280 f. („consumer protection is not the only value prevailing in the EC“); ferner Reich in Reich/Micklitz, S. 21 f. m.w.N. 284 Siehe zur Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen, ABl. L 158/90 EuGH 8.10.1996 – Rs. C-178/94 – Slg. 1996 I-4845 Tz. 30 ff. – Dillenkofer u.a./Bundesrepublik Deutschland; ferner EuGH 12.3.2002 – Rs. C-168/00 – Slg. 2002 I-2631 Tz. 22 – Leitner/TUI; EuGH 30.4.2002 – Rs. C-400/00 – Slg. 2002 I-4051 Tz. 13 – Club Tour/Garrido; weitere Nachweise bei Unberath/Johnston CML Rev. 2007, 1237, 1274 ff., 1281 („great majority of cases … appears to be most consumer-friendly“). 285 Oben § 1 Rn. 4. 286 EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 36 – BKK Mobil Oil. 287 ErwGrd. 6 S. 1 UGPRL; Helm WRP 2013, 710.
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Wettbewerbs ausgerichtet ist, schließt es dieser divergierende Ausgangspunkt aus, die Vorgaben der UGPRL als einfach vom integrierten Modell des § 1 „mit umfasst“ anzusehen.288 Denn es ist ein grundlegender teleologisch-methodischer Unterschied, ob die normative Bewertung alle Interessen gleichrangig oder ein bestimmtes Interesse vorrangig und andere Belange erst auf einer späteren Stufe in Betracht zieht. 131
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(3) Ergebnis. Im Ergebnis tragen sowohl das autonome deutsche UWG als auch das europäische Lauterkeitsrecht dazu bei, den wirtschaftlichen Wettbewerb vor Verfälschungen zu schützen. Das gemeinsame Regelungsziel rechtfertigt es weiterhin, alle lauterkeitsrechtlichen Tatbestände unter Einschluss des Anwendungsbereichs der UGPRL in einem systematisch geschlossenen Gesetz zu regeln.289 Und doch wird der Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung in unterschiedlicher Weise durchgeführt. Unter dem formal einheitlichen Dach des UWG sind zwei im Ausgangspunkt und der Beurteilungsperspektive divergierende Konzepte vereint. § 1 S. 1 bezieht alle Interessen der Marktteilnehmer gleichrangig und gleichberechtigt in die Analyse ein. Die UGPRL und aufgrund ihrer vollharmonisierenden Wirkung auch ihre Umsetzung im UWG 2008 fokussieren hingegen auf die Verbraucherinteressen. Diese teleologische Divergenz ist in der Anwendungspraxis durchgängig zu beachten. Zwar kann ein und dasselbe Marktverhalten eines Unternehmens nur einem Lauterkeitsmaßstab unterliegen. Insoweit ist eine geschäftliche Handlung „unteilbar“ lauter oder unlauter, verboten oder erlaubt.290 Hingegen ist es ohne Weiteres möglich, verschiedene geschäftliche Verhaltensweisen aus unterschiedlichen Perspektiven an unterschiedlichen Maßstäben zu messen. Damit ist die landläufige Differenzierung zwischen dem B2C- und dem B2B-Geschäftsverkehr angesprochen, die eben auch eine teleologische Fragmentierung bedeutet. Zum Ausdruck kommt diese Aufspaltung in den drei Absätzen des § 3, der schon deshalb nicht mehr vorbehaltlos als Generalklausel bezeichnet werden kann. Absatz 2 und 3 sind nur für einen Teilbereich aller geschäftlichen Handlungen einschlägig, nämlich solchen „gegenüber Verbrauchern“. Hierbei handelt es sich um den Harmonisierungsbereich der UGPRL, der vom deutschen Gesetzgeber auf gewisse weitere Fallgestaltungen erstreckt wurde.291 Für diesen Ausschnitt des Marktverhaltens gilt ausschließlich die Teleologie der UGPRL und nicht das ganzheitliche Modell des § 1. Jenes kommt nur für geschäftliche Handlungen zum Tragen, die in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 fallen.292 Außerdem gilt § 1 für unzumutbare Belästigungen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern gem. § 7 Abs. 1.293 b) Ausnahmsweise Maßgeblichkeit nicht wettbewerbsfunktionaler Gesichtspunkte. Die UGPRL gewährleistet den unverfälschten Wettbewerb zwar anhand einer vom integrierten Konzept des § 1 abweichenden Perspektive und Methodik. Doch fließen dadurch noch keine Zwecke in das UWG ein, die gar nicht oder jedenfalls nicht primär wettbewerbsfunktional gedeutet werden können. Denn der UGPRL geht es letztlich um die Gewährleistung der informierten und auch sonst autonomen Nachfrageent-
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288 So aber die Begründung zum UWG 2008, dazu oben § 1 Rn. 11. Insoweit zutreffend Fezers Differenzierungsthese, dazu oben § 1 Rn. 67 ff. 289 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 11. 290 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 11. 291 Dazu § 3 Rn. 196 ff. 292 Zur Abgrenzung § 3 Rn. 137 ff. 293 Dazu auch unten § 1 Rn. 140 ff.
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scheidung der Verbraucher. Ihr Verbraucherschutzfokus stellt daher noch keine eigentliche Ausnahme vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung dar. Anders ist dies bei den folgenden Tatbeständen und Fallgruppen. Sie sind nicht, jeden- 138 falls nicht primär, auf das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb ausgerichtet, sondern verfolgen vorrangig andere Regelungszwecke. § 1 kann insoweit keine Geltung beanspruchen, weil die speziellen Zielsetzungen nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers den allgemeinen Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung verdrängen. Hierbei handelt es sich zum einen um den unionsrechtlichen Schutz des Grund- 139 rechts auf Privatsphäre im wirtschaftlichen Wettbewerb, das in Umsetzung von Art. 13 DatenschutzRL-EK in § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 3 und 4, Abs. 3 UWG gewährleistet wird. Zum anderen verfolgt der deutsche Gesetzgeber aufgrund einer autonomen Entscheidung im UWG Zwecke, die jedenfalls nicht primär auf die Eigenlogik des Wettbewerbs ausgerichtet sind. Hierzu zählen der Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 sowie im Anwendungsbereich der Generalklausel des § 3 Abs. 1 die zum Rechtsbruch funktional äquivalente Fallgruppe der sog. Dreieckskopplung, das generelle Verbot menschenverachtender geschäftlicher Handlungen und nach hier vertretener, ebenfalls auf den historischen Willen des Gesetzgebers rückführbarer Auffassung, das Verbot hartnäckiger Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt. aa) Der Schutz des Grundrechts auf Privatsphäre im Rahmen des Verbots unzumutbarer Belästigungen (1) Das Verbot unzumutbarer Belästigungen als Schutz vor wettbewerbsfrem- 140 der Aggressivität. Anders als noch im UWG 2004 ist das Verbot unzumutbarer Belästigungen gem. § 7 nunmehr als eigenständiger, primärer Verbotstatbestand neben § 3 ausgestaltet.294 Unzumutbare Belästigungen sind nach Maßgabe des § 7 unzulässig; der Terminus der Unlauterkeit wird in der Norm nicht verwendet. Konsequent knüpfen die Sanktionsnormen der §§ 8 bis 10 alternativ an Verstöße gegen § 3 „oder“ § 7 an. Folglich steht § 7 jedenfalls gesondert neben der scheinbar umfassenden Generalklausel des § 3. Die Abgrenzung zwischen beiden Normen erfolgt nach Maßgabe Vorwurfs, der 141 gegen die geschäftliche Handlung erhoben wird. § 3 betrifft den Inhalt des Marktverhaltens, das als solches irreführt oder anderweitig den Entscheidungsprozess manipuliert. Unter § 7 fallen hingegen geschäftliche Handlungen, die unabhängig von ihrem Inhalt allein aufgrund der Art und Weise ihrer Realisierung als Belästigung empfunden werden. Die Belästigung besteht darin, dass ein Angebot den Empfängern „in unzumutbarer Weise“, also unter Verwendung bestimmter Methoden der Absatzförderung aufgedrängt wird.295 Hierzu zählen insbesondere die in Absatz 2 aufgezählten Formen der Wirtschaftswerbung, das Ansprechen in der Öffentlichkeit oder die sog. Scheibenwischerwerbung.296 Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung steht § 7 nicht nur systematisch 142 gesondert neben der Generalklausel des § 3, sondern verfolgt seinem Sinn und Zweck nach kein wettbewerbsfunktionales Anliegen. Vielmehr diene die Vorschrift dem persönlichkeitsrechtlichen Interesse, von Wirtschaftswerbung verschont zu bleiben, in Ruhe gelassen zu werden.297 Verwiesen wird hierzu insbesondere auf das Verbot unaufgefor-
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294 295 296 297 Rn. 1.
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Beater WRP 2012, 6, 11. RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 20; Beater Rn. 2428. RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 29. Beater Rn. 2376; Beater WRP 2012, 6, 8 ff.; MünchKommUWG/Leible § 7 Rn. 1; Piper/Ohly/Sosnitza § 7
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derter Vertreterbesuche nach einem Todesfall, das zumindest auch der Pietät und der Wahrung der Intimsphäre der Trauernden diene.298 Nach dieser Lesart wäre § 7 insgesamt Ausdruck einer marktbegrenzenden Sittlichkeit. Dieses Ziel entspräche in der Tat nicht dem in § 1 formulierten Schutzzweck des UWG. In dieser Allgemeinheit und für den gesamten Tatbestand des § 7 kann dieser Auffassung jedoch nicht zugestimmt werden. Vielmehr ist auch das Verbot unzumutbarer Belästigungen grundsätzlich wettbewerbsfunktional auszulegen und anzuwenden.299 Dass das UWG die Beurteilung des Inhalts (§ 3) und der Art und Weise (§ 7) einer geschäftlichen Handlung in zwei primären Verbots- und Auffangtatbeständen regelt, bedeutet noch nicht, dass insoweit jeweils unterschiedliche Wertungsmaßstäbe gelten. Der Gesetzgeber des UWG wollte mit dieser Regelungssystematik nur klarstellen, dass es im Anwendungsbereich des § 7 keiner nachgeschalteten Prüfung der Spürbarkeit der Belästigung gem. § 3 Abs. 1 bedarf, da das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit gem. § 7 bereits eine umfassende Wertung ermögliche.300 Wie bei der Ausdifferenzierung im Hinblick auf die Schutzsubjekte301 handelt es sich hier also wiederum um eine bloße Folge der detaillierteren Kodifikation des Lauterkeitsrechts. Die systematische Einheit des UWG, an dessen Spitze die Schutzzweckbestimmung des § 1 steht, ist hingegen beibehalten worden. Ferner folgt § 7 Abs. 1 S. 1 dem integriert-ganzheitlichen Modell, indem alle Marktteilnehmer vor unzumutbaren Belästigungen geschützt werden.302 Das in Satz 2 folgende Beispiel verbietet nicht jede Wirtschaftswerbung, sondern nur solche, die der angesprochene Marktteilnehmer erkennbar nicht wünscht. Es geht also nicht um eine generelle Eindämmung der Wirtschaftswerbung. Es soll lediglich gewährleistet werden, dass jeder Marktteilnehmer frei entscheiden kann, ob er sich gezielter kommerzieller Kommunikation aussetzen möchte oder nicht. Auch die negative Ausübung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit bleibt ein schützenswerter, wettbewerbsbezogener Akt. Indem die Marktteilnehmer gewisse, personalisierte Werbeformen ausblenden, gewinnen sie Freiraum und Aufmerksamkeit für andere Angebote. Diese Entscheidung zu gewährleisten, dient dem unverfälschten Wettbewerb. Denn wer anderen seine Angebote aufdrängt, verfälscht damit potentiell das andernfalls ohne diese Aggressivität zu beobachtende Entscheidungsverhalten.303 Für diese Auslegung spricht ferner die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 erfolgte, teilweise Umsetzung des Anhangs I Nr. 26 der UGPRL.304 Demnach ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung eines in § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 nicht aufgeführten, für den Fernabsatz geeigneten Mittels der kommerziellen Kommunikation, durch die ein Verbraucher hartnäckig angesprochen wird, obwohl er dies erkennbar nicht wünscht. Wie erläutert, sollen die UGPRL insgesamt und speziell das hier konkretisierte Verbot aggressiver Geschäftspraktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers im Interesse des unver-
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298 Peifer in Hilty/Henning-Bodewig, S. 142 f.; siehe dazu auch BVerfG 8.2.1972 – 1 BvR 170/71 – NJW 1972, 537 – Steinmetz-Wettbewerb (Schutz der Intimsphäre des Einzelnen habe Vorrang vor dem wirtschaftlichen Gewinnstreben, weshalb wirtschaftliche Werbung in diesem Bereich mit Zurückhaltung geübt werden müsse). 299 Götting/Nordemann/Menebröcker § 7 Rn. 14; Köhler/Bornkamm § 7 Rn. 2, 10; juris-PK/Ullmann § 3 Rn. 6. 300 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 28; Mankowski WRP 2008, 15 ff. 301 Oben § 1 Rn. 114 ff. 302 A.A. Beater Rn. 2383 ff. (keine Geltung für Mitbewerber und sonstige Marktteilnehmer). 303 A.A. Beater Rn. 2381. 304 Dazu nur Köhler/Bornkamm § 7 Rn. 97.
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fälschten Wettbewerbs gewährleisten.305 Diese Ausrichtung bestätigt der ausdrückliche Vorbehalt der UGPRL zugunsten strengerer Verhaltensregeln nach Maßgabe des europäischen Datenschutzrechts, das in der Tat andere Zwecke verfolgt.306 Im Ergebnis ist die Auffangklausel des § 7 Abs. 1 wettbewerbsfunktional auszu- 147 legen.307 Eine geschäftliche Handlung ist als unzumutbare Belästigung zu untersagen, wenn das freie Entscheidungsverhalten eines Marktteilnehmers aufgrund der aggressiven Art und Weise der geschäftlichen Handlung spürbar beeinträchtigt wird.308 Andere Rechte und Interessen wie die Privatsphäre oder das Eigentum werden hierdurch nur reflexartig mitgeschützt. (2) Primärer Schutz des Grundrechts auf Privatsphäre gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 3 und 4; Abs. 3. Die vorgenannte Einschätzung gilt jedoch nicht für die in § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 3 und 4 kodifizierten Per-se-Verbote. Denn die hier umgesetzten Vorgaben des Art. 13 DatenschutzRL-EK 2002/58 i.d.F. der Richtlinie 2009/136 haben primär den Zweck, das Grundrecht der Privatsphäre natürlicher Personen zu gewährleisten. Gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. ist nach dem sog. Opt-in-System bereits der erste, ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung vorgenommene Werbeanruf gegenüber einem Verbraucher unzulässig. Diese Bestimmung geht über den in § 7 Abs. 2 Nr. 1 teilweise umgesetzten Anhang I Nr. 26 UGPRL hinaus, der nur „hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon“ usw. erfasst. Für die insoweit strengere Regelung beruft sich der deutsche Gesetzgeber auf Art. 13 Abs. 3 DatenschutzRL-EK, der nach der ausdrücklichen Regelung in Anhang I Nr. 26 S. 2 UGPRL unberührt bleibt und seinerseits den Mitgliedstaaten freistellt, ein Opt-in- oder ein Opt-out-System für Werbeanrufe einzuführen.309 Im Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung vom 29.7.2009 wurde zudem klarstellend verfügt, dass der Verbraucher „ausdrücklich“ in diese Werbeform eingewilligt haben muss, und dass bereits Werbung mit nur einem Anruf eine unzumutbare Belästigung darstellen kann.310 Zweck des Schutzes der Verbraucher vor unerwünschter Telefonwerbung ist es, deren Recht auf Privatsphäre zu gewährleisten.311 Hiervon in der Sache und auch teleologisch zu unterscheiden ist die Regelung zu den Grenzen der Telefonwerbung gegenüber sonstigen Marktteilnehmern gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt., bei denen auch eine mutmaßliche Einwilligung genügt.312 Hiermit hat der deutsche Gesetzgeber vom weiten Umsetzungsspielraum Gebrauch gemacht, den Art. 13 Abs. 5 S. 2 DatenschutzRL-EK im Hinblick auf andere Werbeadressaten als natürliche Personen einräumt. Insoweit kommt § 1 zum Tragen, so dass allein auf die wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten der Beteiligten abzustellen ist.313 § 7 Abs. 2 Nr. 3 und 4, Abs. 3 dienen hingegen wie § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. der Umsetzung von Art. 13 DatenschutzRL-EK. Nr. 3 implementiert Art. 13 Abs. 1 DatenschutzRL-EK zu automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten und elektronischer Post, die für Zwecke der Direktwerbung ebenfalls nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer zulässig ist. Nr. 4
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305 Siehe ErwGrd. 16 UGPRL; Fezer/Fezer § 3 Rn. 50 und oben § 1 Rn. 119 ff. 306 Siehe S. 2 Anhang Nr. 26 UGPRL; S. 8 ErwGrd. 14 UGPRL. 307 Dies gilt ferner für § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. 308 Soweit § 7 Abs. 1 im Hinblick auf Art. 8 f. UGPRL richtlinienkonform auszulegen ist, kommt freilich nicht § 1, sondern die Teleologie der UGPRL zum Tragen; dazu oben § 1 Rn. 118 ff. 309 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 29; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 21. 310 RegE Telefonwerbung 2008, BTDrucks. 16/10734, S. 8, 13. 311 RegE Telefonwerbung 2008, BTDrucks. 16/10734, S. 15 (zur Unterdrückung der Rufnummer bei Werbeanrufen). 312 Dazu § 7 Rn. 172 ff. 313 A.A. Köhler WRP 2012, 1329, 1332 f.
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setzt Art. 13 Abs. 4 DatenschutzRL-EK zu den übrigen Anforderungen um, denen elektronische Werbenachrichten genügen müssen.314 Abs. 3 regelt nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 2 DatenschutzRL-EK, unter welchen Voraussetzungen eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen ist.315 Der Zweck dieser Regelungen folgt nicht aus § 1, sondern bestimmt sich nach dem 152 Telos der insoweit vollharmonisierenden DatenschutzRL-EK.316 Jene gewährleistet unter Verweis auf Art. 7 und 8 Charta „insbesondere“ das Grundrecht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation.317 Zwar fördert es die erfolgreiche grenzüberschreitende Entwicklung elektronischer Kommunikationsdienste, wenn die Nutzer darauf vertrauen können, dass ihre Privatsphäre unangetastet bleibt.318 Diese wettbewerbsbezogene Schutzfunktion aber ist nur ein Nebeneffekt einer datenschutz- und damit nach deutschem Verständnis persönlichkeitsrechtlich motivierten Regulierung.319 Für diese Einordnung spricht neben dem bereits erwähnten Abgrenzungsvorbehalt 153 in Anhang I Nr. 26 UGPRL nicht zuletzt der Umstand, dass die in Art. 7 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 umgesetzten Art. 13 Abs. 1 und 3 DatenschutzRL-EK nur für natürliche Personen gelten, während hinsichtlich anderer Kommunikationsteilnehmer als natürlicher Personen nur ein allgemeiner, auf ein „ausreichendes“ Niveau abzielender Schutzauftrag formuliert wird.320 Dieser unionsrechtliche Hintergrund erklärt, weshalb in § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 nicht vom Verbraucher, sondern allgemeiner und auch insoweit über § 1 hinaus vom „Adressaten“ bzw. „Kunden“ die Rede ist. 154 Festzuhalten ist mithin, dass das Verbot unzumutbarer Belästigungen nur im Hinblick auf den allgemeinen Auffangtatbestand in Absatz 1 sowie die Sonderregel für sonstige Marktteilnehmer in Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. wettbewerbsfunktional nach Maßgabe von § 1 auszulegen ist. Für die übrigen Per-se-Verbote in Absatz 2 sowie Absatz 3 gelten hingegen der Verbraucherschutzfokus der UGPRL (Nr. 1) bzw. das auf den Schutz der Privatsphäre ausgerichtete Programm der insoweit ebenfalls vollharmonisierenden DatenschutzRL-EK (Nr. 2 1. Alt, Nr. 3 und 4, Abs. 3). 155
bb) Rechtsbruch. Unlauter handelt gem. § 4 Nr. 11 insbesondere, wer gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Das Verbot, im wirtschaftlichen Wettbewerb Rechtsnormen zu verletzen, an die sich die rechtstreuen Mitbewerber halten, lässt sich vor allen
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314 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 21, 29. Zur Verschärfung dieser Vorgaben durch die Richtlinie 2009/136 und den diesbezüglichen Umsetzungserfordernis in § 7 II Nr. 4 siehe Köhler WRP 2012, 251, 258. 315 Siehe dazu § 7 Rn. 219 ff. 316 Köhler WRP 2012, 1329, 1332. 317 Siehe Art. 1, ErwGrd. 2 DatenschutzRL-EK i.d.F. der Richtlinie 2009/136. 318 Siehe ErwGrd. 5–7 DatenschutzRL-EK i.d.F. der Richtlinie 2009/136; KG 29.4.2011 – 5 W 88/11 – GRUR-RR 2012, 19, 21 – Gefällt-mir-Button (der Verbraucher sei auch in seiner Stellung als Marktteilnehmer betroffen). 319 Beater WRP 2012, 6, 10; Köhler WRP 2012, 1329, 1331 f. (völlig unterschiedliche Schutzkonzepte). Im Kontext des § 4 Nr. 11 auch OLG München 12.1.2012 – 29 U 3926/11 – BeckRS 2012, 04407 (das BDSG habe auch nicht sekundär den Zweck, das Werbeverhalten von Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln bzw. gleiche Voraussetzungen für werbende Unternehmen zu schaffen); im Ergebnis auch KG 29.4.2011 – 5 W 88/11 – GRUR-RR 2012, 19, 21 – Gefällt-mir-Button. Ungeachtet dessen konnte der deutsche Gesetzgeber unionsrechtskonform anordnen, dass auch Mitbewerber und Verbände Verstöße gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 und Abs. 3 verfolgen können; vgl. BGH 20.3.2013 – I ZR 209/11 – BeckRS 2013, 16817 Tz. 10 ff. – Telefonwerbung für DSL-Produkte. 320 Art. 13 Abs. 5 DatenschutzRL-EK.
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Dingen dann wettbewerbsfunktional erklären, wenn jeder marktbezogene Rechtsbruch als unlauter qualifiziert wird, der die rechtsgleichen Marktchancen, die par conditio concurrentium, verfälscht.321 Der Gedanke des unlauteren Vorsprungs durch Rechtsbruch war aber nicht derjenige, den der Reformgesetzgeber des UWG 2004 zu kodifizieren gedachte. Ausweislich der amtlichen Begründung sei es nicht Aufgabe des UWG, Gesetzesverstöße „generell zu sanktionieren“. Die Vorschrift sei so gefasst, dass nicht jede geschäftliche Handlung, die auf dem Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift beruht, unlauter ist. Vielmehr müsse der verletzten Norm ausweislich des Wortes „auch“ „zumindest eine sekundäre Schutzfunktion zu Gunsten des Wettbewerbs zukommen“.322 Das Erfordernis, dass die verletzte gesetzliche Regelung eine auch auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion aufweisen muss, entsprach bereits der Rechtsprechung zum späten UWG 1909 und ist unter Geltung des UWG 2004 und 2008 ständige Rechtsprechung geblieben.323 Unter Verweis hierauf werden Marktzutrittsregeln oder allgemeine Rahmenbedingungen des Wettbewerbs nicht über §§ 3, 4 Nr. 11 lauterkeitsrechtlich sanktioniert.324 Einerseits hatte diese Beschränkung des Rechtsbruchtatbestands gerade den Zweck, das UWG auf das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb auszurichten. Allein eine hohe sittliche Relevanz eines Gesetzes, seine Bedeutung für das generelle Gemeinwohl, können die Unlauterkeit seither nicht mehr begründen.325 Andererseits werden damit Gesetzesverstöße ausgeblendet, die – wie Marktzutrittsregeln – durchaus zu einer Verfälschung des Wettbewerbs mit rechtstreuen Konkurrenten führen können. Zugleich verlangt die Rechtsprechung in Übereinstimmung mit dem historischen Willen des Gesetzgebers wie gezeigt nur eine „sekundäre“ lauterkeitsrechtliche Schutzfunktion des verletzten Gesetzes. Es ist unschädlich, dass die betreffende Rechtsnorm vorrangig andere Zwecke verfolgt. So dient die Beschränkung des Versandhandels mit indizierten Medien „insbesondere dem Schutz der Kinder und Jugendlichen“. Da aber die betreffenden Regelungen des Jugendschutzes einen gewissen, wenn auch sekundären Wettbewerbsbezug aufweisen, indem immerhin der Versandhandel reguliert wird, wird durch ihre Verletzung der Wettbewerb i.S.d. § 3 UWG 2004 zum Nachteil der Verbraucher beeinträchtigt, so dass der BGH von einem lauterkeitsrechtlich relevanten Rechtsbruch ausgeht.326 Erst wenn wie bei den strafrechtlichen Tatbeständen der Volksverhetzung und Gewaltdarstellung gar kein Bezug mehr zu wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bestehe, scheide die Anwendung von § 4 Nr. 11 aus.327 Folgt man dieser herrschenden Meinung, realisiert das UWG über den Rechtsbruchtatbestand Regelungszwecke, die vorrangig nicht dem Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb dienen, sondern etwa dem Jugend- oder Gesundheitsschutz.
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321 In diesem Sinne Glöckner GRUR 2008, 960, 964 ff. 322 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 307; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 19; ferner unten § 4 Nr. 11 Rn. 33 ff.; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 11.35a. 323 St. Rspr.; vgl. BGH 25.4.2002 – I ZR 250/00 – BGHZ 150, 343, 347 = GRUR 2002, 825 – Elektroarbeiten; BGH 29.6.2006 – I ZR 171/03 – GRUR 2007, 162 Tz. 11 – Mengenausgleich in Selbstentsorgergemeinschaft; BGH 26.2.2009 – I ZR 222/06 – GRUR 2009, 883 Tz. 11 – MacDent. 324 Vgl. BGH 25.4.2002 – I ZR 250/00 – BGHZ 150, 343, 347 = GRUR 2002, 825 – Elektroarbeiten; BGH 26.9.2002 – I ZR 293/99 – GRUR 2003, 164, 166 – Altautoverwertung; BGH 2.12.2009 – I ZR 152/07 – GRUR 2010, 654 – Zweckbetrieb. 325 Oben § 1 Rn. 58 ff. 326 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – GRUR 2007, 890 Tz. 34 f. – Jugendgefährdende Medien bei eBay. Zum Verstoß gegen den Schutz der „öffentlichen Ordnung“ in Gewerbeordnungen als relevanter Rechtsbruch Glöckner in Hilty/Henning-Bodewig S. 278 f. 327 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – GRUR 2007, 890 Tz. 29 – Jugendgefährdende Medien bei eBay.
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Da § 1 S. 2 diese Zielsetzungen aber eigentlich aus dem UWG verweist, ist § 4 Nr. 11 als Ausnahme vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung zu begreifen.328 Diese Ausnahme ist immerhin in zweifacher Weise begrenzt. Erstens muss eine ge160 setzliche Vorschrift vorliegen, so dass richterrechtliche Verbote im Interesse sonstiger Gemeinwohlbelange im Umkehrschluss ausscheiden.329 Zweitens muss die verletzte Vorschrift wenigstens sekundär der Regelung des Marktverhaltens im Interesse der Marktteilnehmer dienen.330 In der Literatur wird diese Divergenz vom in § 1 formulierten Regelungsprogramm zum 161 Anlass genommen, für eine restriktive Auslegung von § 4 Nr. 11 einzutreten. Demnach soll ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, die neben wettbewerblichen Interessen auch solche der Allgemeinheit betreffen, nur dann lauterkeitsrechtlich relevant sein, wenn die wettbewerbliche Schutzrichtung überwiege. Sichere die verletzte Norm dagegen hauptsächlich sonstige Allgemeininteressen, gebiete es die in den §§ 1, 3 Abs. 1 normierte Schutzzwecksystematik, einen Rechtsbruch im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG abzulehnen.331 Legt man diese, mit dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen indes schwerlich vereinbare Meinung zu Grunde, würde sich § 4 Nr. 11 in der Tat zwanglos in das Programm des § 1 einfügen. cc) Beeinträchtigung gesetzlicher Neutralitätspflichten sonstiger Marktteilnehmer (Dreieckskopplung). Problematischer noch als diese, immerhin auf die Gesetzesmaterialien rückführbare Ausnahme vom Primat wettbewerbsfunktionaler Anwendung des UWG stellt sich eine hiermit funktional verwandte Fallgruppe dar, nämlich die sog. Dreieckskopplung.332 Sie betrifft geschäftliche Handlungen gegenüber Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern, die ihrerseits aufgrund spezieller, berufsrechtlich geregelter Pflichten die Interessen ihrer Patienten bzw. Mandanten in objektiver und neutraler Weise zu wahren haben. Werden diese Marktteilnehmer durch die Gewährung oder das Inaussichtstellen eines finanziellen Vorteils dazu veranlasst, ihre Interessenwahrnehmungspflicht gegenüber Patienten oder Mandanten zu verletzen, wird dies von der Rechtsprechung als eine unangemessene unsachliche Einflussnahme i.S.v. § 4 Nr. 1 beurteilt.333 Indes steht in den einschlägigen Urteilen entgegen dem Wortlaut von § 4 Nr. 1 nicht 163 die Entscheidungsfreiheit der Ärzte oder Rechtsanwälte im Vordergrund. Hierfür wäre erforderlich, dass die Rationalität der Nachfrageentscheidung dieser sonstigen Marktteilnehmer vollständig in den Hintergrund tritt.334 Das aber ist in den betreffenden Konstellationen – etwa einem für unlauter erklärten Gewinnspiel, bei dem Rechtsanwälte bei einer Vermittlung einer Vorratsgesellschaft einen PKW gewinnen konnten335 – an sich nicht der Fall. Vielmehr begründet der BGH sein Unlauterkeitsverdikt damit, dass die angegriffene geschäftliche Handlung dazu führen kann, dass sich die Ärzte oder Rechtsanwälte bei ihren Empfehlungen gegenüber den Patienten bzw. Mandanten nicht mehr 162
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328 Beater WRP 2012, 6, 13 ff. 329 § 4 Nr. 11 Rn. 30 ff. 330 Beater Rn. 2462. 331 Beater WRP 2012, 6, 14; kritisch zur h.M. auch Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 11/35 m.w.N.; Ohly WRP 2008, 177, 184 f. (es seien nur marktbezogene Interessen der Verbraucher zu schützen). 332 Näher unten § 3 Rn. 502 ff. 333 Vgl. BGH 21.4.2005 – I ZR 201/02 – GRUR 2005, 1059, 1060 – Quersubventionierung von Laborgemeinschaften I; BGH 8.11.2007 – I ZR 60/05 – GRUR 2008, 530 Tz. 14 – Nachlass bei der Selbstbeteiligung; BGH 24.6.2010 – I ZR 182/08 – GRUR 2010, 850 Tz. 17 – Brillenversorgung II. 334 Köhler WRP 2012, 638, 641; siehe allgemein zu § 4 Nr. 1 BGH 29.10.2009 – I ZR 180/07 – GRUR 2010, 455 – Stumme Verkäufer II. 335 BGH 2.7.2009 – I ZR 147/06 – GRUR 2009, 969 – Winteraktion.
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ausschließlich von deren Interessen, sondern (auch) von einer ihnen zufließenden, persönlichen Vergünstigung leiten lassen.336 Mit dieser Fallgruppe werden also letztlich die gesetzlich verankerten Objektivitäts- 164 und Neutralitätspflichten von Ärzten etc. zum Wohle ihrer Patienten geschützt. Labore und andere Dienstleister, mit denen Ärzte oder Rechtsanwälte zusammenarbeiten, sind allerdings nicht an diese Regelungen gebunden. Über das UWG werden die Interessenwahrnehmungspflichten nun insoweit auf sie ausgeweitet, als sie es unterlassen sollen, auf die Objektivität von Ärzten etc. in unzulässiger Weise einzuwirken. Dies kann mit guten Gründen als Überschreitung der Grenzen kritisiert werden, die § 4 Nr. 11 der Berücksichtigung sonstiger, dem UWG eigentlich fremder Gesetzeszwecke setzt. Aus teleologischer Sicht haltbar ist die Fallgruppe der sog. Dreieckskopplung daher 165 nur, wenn man auf die besonderen gesetzlichen Wettbewerbsbedingungen im Gesundheits- und Rechtsberatungsmarkt abstellt. Ärzte, Rechtsanwälte usw. sind in ihren eigenen geschäftlichen Entscheidungen nicht wie andere Marktteilnehmer frei, sondern strikt auf die objektive und neutrale Wahrung der Interessen ihrer Patienten bzw. Mandanten verpflichtet. Soweit sich diese drittbezogene Neutralitätspflicht auf vorgelagerte Nachfrageentscheidungen von Ärzten und Rechtsanwälten auswirkt, bedarf sie des ebenso intensiven Schutzes. Das Verbot von Dreieckskopplungen kann daher als Verstoß gegen einen – als solchen freilich ungeschriebenen – Rechtsgrundsatz des Marktverhaltens in den Gesundheits- und Beratungsmärkten betrachtet werden. Diese „Vorschrift“ schützt wie in anderen Anwendungsfällen des § 4 Nr. 11 primär nicht wettbewerbsbezogene Interessen.337 Um den Ausnahmecharakter dieser Fallgruppe offenzulegen, sollte sie nicht mehr 166 unter § 4 Nr. 1, sondern direkt unter die allgemeine Auffangklausel des § 3 Abs. 1 subsumiert werden.338 dd) Verbot menschenverachtender Werbung. Selbiges gilt für den Schutz der 167 Menschenwürde im Geschäftsverkehr. Hierfür existiert in Gestalt von § 4 Nr. 1 an sich eine spezielle Regelung. Demnach ist eine menschenverachtende geschäftliche Handlung unlauter, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer zu beeinträchtigen. Unter der letztgenannten Voraussetzung wäre die Menschenwürde im Wettbewerb indes nur reflexartig geschützt. Primärer Zweck des Verbots wäre weiterhin die Wahrung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern im übergeordneten Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb. Die Menschenwürde würde im UWG nur geschützt, wenn dieser auf Freiheit basierende Ordnungsmechanismus beeinträchtigt wäre. Um eine Ausnahme vom wettbewerbsfunktionalen Programm des § 1 handelte es sich dann nicht. Ein solcher Menschenwürdeschutz unter wettbewerbsfunktionalem Vorbehalt 168 entspricht aber nicht dem Willen des historischen Gesetzgebers. Nach intensiven Diskussionen erläuterte der Rechtsausschuss den Verweis auf die Menschenwürde in § 4 Nr. 1 dahingehend, dass es gelungen sei, im Gesetz die menschenverachtende Werbung als eine typische Unlauterkeitshandlung festzuschreiben. Hierdurch werde klargestellt, dass der hohe Rang der menschlichen Würde auch im Wettbewerb zu achten und zu wahren sei.339 Demnach seien geschäftliche Handlungen verboten, „wenn sie dem Be-
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Siehe BGH 2.7.2009 – I ZR 147/06 – GRUR 2009, 969 Tz. 11, 14 – Winteraktion. Zum Begriff der gesetzlichen Vorschrift gem. § 4 Nr. 11 siehe dort Rn. 30 ff. Dazu auch § 3 Rn. 502 ff. Rechtsausschuss UWG 2004 BTDrucks. 15/2795, S. 20.
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troffenen durch Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung oder andere Verhaltensweisen seinen Achtungsanspruch als Mensch absprechen“.340 Aus diesen Erläuterungen folgt, dass der Gesetzgeber seiner Schutzpflicht im Hin169 blick auf die Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG nachkommen wollte. Dann aber verbietet sich die zusätzliche Prüfung, ob durch eine menschenverachtende geschäftliche Handlung irgendwelche wirtschaftlichen Entscheidungen beeinträchtigt wurden. Vielmehr ist eine geschäftliche Handlung gem. § 3 Abs. 1 unzulässig, wenn sie die abwägungsresistente Menschenwürde einer Person oder Personengruppe verletzt. Erneut dient es der Transparenz und zugleich der richterlichen Zurückhaltung, diese Fallgruppe nicht im Sinne einer teleologischen Reduktion unter § 4 Nr. 1 zu fassen, sondern i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unter die allgemeine Auffangklausel des § 3 Abs. 1 zu subsumieren. 170
ee) Hartnäckige Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt. Allerdings kommt es sehr selten dazu, dass eine geschäftliche Handlung einer Person ihren „Achtungsanspruch als Mensch“ abspricht. Häufiger anzutreffen ist Werbung, die Frauen diskriminiert oder gewaltverherrlichenden oder jugendgefährdenden Charakter hat. Eine Menschenwürdeverletzung liegt in diesen Konstellationen zwar nicht vor. Gleich171 wohl soll das UWG nach dem Willen des Gesetzgebers des UWG 2004 auch den genannten Verhaltensweisen Grenzen setzen. So heißt es im Zusammenhang mit dem Verbot menschenverachtender Werbung weiter, „entsprechend der Rechtsprechung zur diskriminierenden Werbung auf der Grundlage von § 1 UWG a.F. können aber gleichwohl Übertreibungen der Werbung mit anzüglich-obszönen Themen im Einzelfall den Tatbestand der Unlauterkeit erfüllen.“341 Diese Aussage steht im Einklang mit einem Verweis des Rechtsausschusses auf die Benetton-Rechtsprechung des BVerfG, die kodifiziert werden sollte, für den damals streitgegenständlichen Sachverhalt aber bekanntlich gerade keinen Verstoß gegen die Menschenwürde festgestellt hatte.342 Für verfassungsrechtlich unbedenklich hält das BVerfG hingegen ein lauterkeitsrechtliches Verbot, wenn „ekelerregende, furchteinflößende oder jugendgefährdende Bilder gezeigt werden.“343 Im Einklang mit dieser, auf den historischen Willen des Gesetzgebers rückführbaren 172 Entscheidung, sollten hartnäckige Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt gem. § 3 Abs. 1 untersagt werden. Die Harmonisierungswirkung der UGPRL erfasst solche, auf die Marktkultur eines Mitgliedstaats bezogenen Fragen der „guten Sitten und des Anstands“ nicht.344 Es besteht kein gemeineuropäischer Konsens, solche Gesichtspunkte vollständig aus dem Lauterkeitsrecht auszublenden.345 Die Einhaltung des ethischen Minimalkonsenses auf dem Markt hat zudem nicht nur marktbegrenzenden Charakter. Denn eine solche Regulierung dient auch der erst marktermöglichenden Sittlichkeit,346 indem das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Sozialverträglichkeit
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340 Rechtsausschuss UWG 2004 BTDrucks. 15/2795, S. 21. 341 Rechtsausschuss UWG 2004 BTDrucks. 15/2795, S. 21. 342 Rechtsausschuss UWG 2004 BTDrucks. 15/2795, S. 21 mit Verweis auf BVerfG 11.3.2003 – 1 BvR 426/02 – BVerfGE 107, 275 – Benetton-Werbung. 343 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95, 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347 Tz. 54 ff. – Benetton I. Auch Art. 10 EMRK erlaubt Einschränkungen der Meinungsfreiheit, wenn dieser Eingriff einem „dringenden sozialen Bedürfnis“ entspricht, zu dem verfolgten berechtigten Ziel verhältnismäßig ist und die von den Behörden und Gerichten dafür genannten Gründe „stichhaltig und ausreichend“ sind; siehe etwa EGMR 10.5.2011 − 1685/10 – NJW 2012, 745 – Ulla Annikki Karttunen/Finnland. 344 Siehe ErwGrd. 7 S. 3 UGPRL. 345 Henning-Bodewig WRP 2010, 1094, 1102. 346 Hierzu oben § 1 Rn. 59.
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des grundsätzlich selbststeuernden wirtschaftlichen Wettbewerbs stabilisiert wird. Diese Lesart entspricht dem Selbstverständnis des Deutschen Werberats als dem für die freiwillige Regulierung der Werbewirtschaft zuständigen Gremium.347 Auch vor diesem Hintergrund können und sollten offensichtliche und unerträgli- 173 che Verletzungen der allgemein anerkannten Geschäftsethik als Verstöße gegen die „anständigen Gepflogenheiten“ über § 3 Abs. 1 UWG sanktioniert werden.348 Allerdings muss es sich hierbei mit Blick auf den Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung und die schwache kodifikatorische Basis dieser Fallgruppe um extreme Ausnahmefälle handeln. Die Einhaltung ethisch-moralischer Grundsätze sollte vorrangig der Selbstregulierung durch den Werberat überlassen bleiben. Nur wenn dessen Entscheidungen trotz einer öffentlichen Rüge hartnäckig ignoriert werden, sollte das UWG eingreifen.349 VI. Zusammenfassung: Einheit und Vielfalt des Lauterkeitsrechts Eine Gesamtschau des UWG ergibt, dass Wortlaut und Stellung des § 1 in die Irre 174 führen können. Selbst wenn man der Vorschrift, wie hier vertreten, einen übergeordneten und die Anwendung des UWG nachvollziehbar leitenden Zweck – nämlich die Gewährleistung der Funktionsbedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs – entnimmt, entsprechen die folgenden Regelungen des Gesetzes dem wettbewerbsfunktionalen Programmsatz nicht durchgängig.350 Diese Abweichungen und regelrechten Ausnahmen von der Schutzzweckbe- 175 stimmung sind offenzulegen, ohne in eine teleologische Beliebigkeit zurückzukehren. Sie betreffen die verbraucherschützende Perspektive der UGPRL, den Schutz des Grundrechts auf Privatsphäre in § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 2 und 3, Abs. 3 in Umsetzung der DatenschutzRL-EK sowie aufgrund autonomer Entscheidungen des deutschen Gesetzgebers den Rechtsbruchtatbestand gem. § 4 Nr. 11 und die Fallgruppen der Dreieckskopplung, des Schutzes der Menschenwürde sowie des Verbots hartnäckiger Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt. Indem diese Ausnahmen benannt werden, wird zugleich der im Übrigen fortgeltende, integral-wettbewerbsfunktionale Ansatz des § 1 vor einer gänzlichen Aufweichung bewahrt. Fraglich ist auf dem Boden dieser Theorie von Grundsatz und Ausnahme dann aller- 176 dings, was die verbindende Klammer des immerhin noch systematisch geschlossenen UWG ist. Obwohl es in vielen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten sowie im Lauterkeitsrecht der EU bereits an diesem formalen Anknüpfungspunkt fehlt, geht der europäische Gesetzgeber von der Existenz einer vom allgemeinen Deliktsrecht gesonderten Materie aus. Im europäischen Kollisionsrecht wird nämlich das allgemeine Recht gegen unlautere Handlungen von „außervertraglichen Schuldverhältnissen aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“ unterschieden. Auf letztgenannten Bereich ist gem. Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO in Abweichung von der Generalklausel des Art. 4 Rom-II-VO zu unerlaubten Handlungen das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Nach Erwägungsgrund 21 RomII-VO soll diese „Präzisierung“351 der allgemeinen Deliktskollisionsnorm die Wettbewer-
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347 Werberat Jahrbuch 2011, S. 6. 348 So auch Henning-Bodewig WRP 2011, 1014, 1018. 349 Näher und mit Beispielen § 3 Rn. 515 ff. Ganz ablehnend Beater WRP 2012, 6, 16. 350 Siehe auch Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 10 („Mehrdimensionalität des Schutzzwecks“ des UWG). 351 Siehe ErwGrd. 21 S. 1 Rom-II-VO.
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ber, die Verbraucher und die Öffentlichkeit schützen und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft sicherstellen. Freilich schlägt sich die teleologische Fragmentierung des Lauterkeitsrechts auch im europäischen IPR nieder. Gem. Art. 6 Abs. 2 Rom-II-VO ist nämlich nicht das Marktortrecht gem. Absatz 1, sondern die allgemeine Kollisionsnorm für unerlaubte Handlungen anzuwenden, wenn ein unlauteres Wettbewerbsverhalten „ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers“ beeinträchtigt. Hier offenbart sich auf kollisionsrechtlicher Ebene, dass innerhalb des unlauteren Wettbewerbs unterschiedliche Interessen berührt sein können und hierfür ggf. besondere Regelungszwecke zum Tragen kommen. Als Lösung bietet sich an, die verbindende Gemeinsamkeit des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts vor allen Dingen in seinem tatsächlich eigenständigen Regelungsgegenstand zu sehen – nämlich dem „Wettbewerbsverhalten“ (Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO) bzw. den „geschäftlichen Handlungen“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1). Hiermit werden die Anwendungsbereiche der besonderen IPR-Vorschrift wie auch des UWG von den sonstigen Kollisionsnormen bzw. dem allgemeinen Deliktsrecht unterschieden. Folgt man dieser Betrachtungsweise, bleibt die Reichweite von Art. 6 Rom-II-VO wie auch des deutschen UWG bestimmbar, ohne dass vorab eine Aussage über den Zweck dieser Regelungen getroffen wurde. Der dogmatische Begriff des europäischen und deutschen Lauterkeitsrechts bezeichnet mithin nicht mehr als ein Sonderdeliktsrecht für Wettbewerbsverhalten/geschäftliche Handlungen.352 In teleologischer Hinsicht gilt, dass das Lauterkeitsrecht grundsätzlich den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt, soweit das UWG nicht aufgrund gesetzgeberischer Entscheidungen ausnahmsweise andere Regelungszwecke verfolgt. Diese zurückhaltende Einschätzung dürfte allein aufgrund der weitgehenden Europäisierung des Lauterkeitsrechts auf absehbare Zeit gültig bleiben. Natürlich kann man erwägen, die systematische und teleologische Fragmentierung durch einen „großen Wurf“ zu beheben – möglichst in Gestalt einer EU-Verordnung, die alle mitgliedstaatlichen Regelungen zum unlauteren Wettbewerb ersetzt und zugleich das integralwettbewerbsfunktionale Konzept des deutschen Rechts mit einer Generalklausel auf europäischer Ebene etabliert.353 Doch hierfür dürfte es nicht nur am politischen Willen fehlen. Eine solch umfassende Ordnung des Wettbewerbsverhaltens beruht auf dem Gedanken des allzuständigen Gesetzgebers, der auf seinem Territorium ein einheitliches und kohärentes Regelwerk schaffen kann. Über diese Kompetenz verfügt die EU jedoch nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung zur Verwirklichung der im Primärrecht niedergelegten Ziele nicht.354 Eine einheitliche europäische Generalklausel zum Lauterkeitsrecht – gewissermaßen ein Art. 5 Abs. 1 UGPRL für alles Wettbewerbsverhalten ohne Vorbehalt zugunsten nationaler Vorstellungen von Sitte und Anstand – dürfte den Kern derjenigen Regelungsbefugnisse berühren, die jedenfalls dem deutschen
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352 Peukert in Hilty/Henning-Bodewig S. 58. 353 Drexl in Hilty/Henning-Bodewig S. 251. 354 „Die Union wird nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben.“; siehe Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 EUV; vgl. auch Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 6, Art. 4 Abs. 1, Art. 48 Abs. 6 UAbs. 3 EUV; Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 4 Abs. 1, Art. 7, Art. 19, Art. 32, Art. 130, Art. 132 Abs. 1, Art. 207 Abs. 6, Art. 337 AEUV; Erklärung Nr. 18 zur Abgrenzung der Zuständigkeiten; Erklärung Nr. 24 zur Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union. Dazu und zur Bedeutung dieser fehlenden Kompetenz-Kompetenz aus der Sicht der deutschen Verfassungsordnung BVerfG 30.6.2009 – 2 BvE 2/08 – BVerfGE 123, 267 Tz. 301 ff. – Lissabon-Vertrag.
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Gesetzgeber unter Geltung des Grundgesetzes verbleiben müssen.355 Dieser Schritt würde also eine Integrationsstufe erfordern, die auch mit dem Lissaboner Vertrag noch nicht erreicht ist und vielleicht niemals Wirklichkeit werden wird. Statt sich Gedankenspielen zu solch hypothetischen Lösungen hinzugeben, besteht die Aufgabe für Theorie und Praxis des europäischen und deutschen Lauterkeitsrechts darin, sich den dargestellten dogmatischen Herausforderungen in kleinteiliger Weise zu stellen und die dabei auftretenden Wertungswidersprüche aufzudecken und wo möglich zu vermeiden. § 1 scheint in diesem Zusammenhang nur geringe Bedeutung zuzukommen. In der 181 Rechtspraxis fristet die Vorschrift ein Schattendasein. Dieser Umstand kann aber auch darauf zurückzuführen sein, dass die weitaus meisten Verbotstatbestände des UWG einer wettbewerbsfunktionalen Betrachtung folgen und sich deshalb eine gesonderte Auseinandersetzung mit § 1 erübrigt. Eigenständige Relevanz dürfte § 1 erst erlangen, wenn erneut versucht würde, das UWG zum Schutz anderer Interessen als des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb zu instrumentalisieren. Abgesehen von den oben erläuterten Ausnahmebereichen, die auf spezielle Entscheidungen des Gesetzgebers zurückgehen, schließt § 1 solche Umwidmungen des Gesetzes aus. Diese begrenzendliberalisierende Wirkung entfaltet sich gerade langfristig. Deshalb sollte an § 1 trotz und gerade aufgrund des Trends zur teleologischen Fragmentierung des Lauterkeitsrechts festgehalten werden. C. Die vom UWG geschützten Interessen der Marktteilnehmer und der Allgemeinheit Schutz der Verbraucher I. Relevanz und Methodik der Interessenanalyse Der Schutzzweck des UWG bestimmt zugleich, welche Interessen der Mitbewerber, 182 der Verbraucher, der sonstigen Marktteilnehmer und der Allgemeinheit schutzwürdig sind.356 Die Frage nach diesen lauterkeitsrechtlich relevanten Interessen ist daher letztlich nur eine Variante der Frage nach dem generellen Telos des Gesetzes. Dieser Zusammenhang kommt bereits in § 1 zum Ausdruck. Während Satz 1 abstrakt von einem „Schutz“ der Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen spricht, stellt Satz 2 auf die Interessen der Allgemeinheit am unverfälschten Wettbewerb ab. Und auch der Schutz der Mitbewerber usw. kann als Schutz ihrer, auf die eigene Person und die eigenen Güter gerichteten Interessen formuliert werden.357 Das UWG stellt im Übrigen an mehreren zentralen Punkten auf die Analyse der betrof- 183 fenen Interessen ab. Gem. § 3 Abs. 1 ist eine geschäftliche Handlung nur dann unlauter, wenn sie geeignet ist, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Nach § 4 Nr. 11 handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Generell wird jede Prüfung eines Verstoßes gegen das UWG durch eine umfassende Analyse der betroffenen Interessen eingeleitet.358
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355 Zu den Grenzen der europäischen Integration im Verhältnis zum deutschen Grundgesetz BVerfG 30.6.2009 – 2 BvE 2/08 – BVerfGE 123, 267 Tz. 240 – Lissabon-Vertrag („Die europäische Vereinigung auf der Grundlage einer Vertragsunion souveräner Staaten darf allerdings nicht so verwirklicht werden, dass in den Mitgliedstaaten kein ausreichender Raum zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebensverhältnisse mehr bleibt.“). 356 Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 57. 357 Siehe zum Begriff der Interessen allgemein Fikentscher Wirtschaftsrecht II, 378; ähnlich Jellinek S. 43 („Was objektiv gefasst als Gut erscheint, wird subjektiv zum Interesse.“). 358 Dazu § 3 Rn. 234 ff.
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In all diesen Fällen ist in einem ersten Schritt zu entscheiden, welche Interessen überhaupt lauterkeitsrechtlich relevant und über das UWG zu schützen sind. Dabei kann es aufgrund des Grundsatzes der Wettbewerbsfreiheit nicht darum gehen, die geschützten Interessen ex ante abschließend aufzuzählen.359 Vielmehr sind in negativabgrenzender Weise diejenigen Interessen der Marktteilnehmer und der Allgemeinheit zu benennen, die für die Anwendung des UWG jedenfalls nicht von Belang sind. 185 Die Klagebefugnis und Aktivlegitimation für Ansprüche gem. §§ 8 ff. sind von der materiellen Interessenverletzung unabhängig. Wie das Klagerecht der Verbände zeigt, muss der Anspruchsteller nicht in seinen eigenen Interessen verletzt sein. Umgekehrt sind Verbraucher zwar Schutzsubjekt des UWG, aber nicht zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verstößen gegen §§ 3, 7 UWG befugt.360 Nur ausnahmsweise ist die Klagebefugnis auf einen bestimmten Mitbewerber beschränkt, wenn die Zuwiderhandlung ausschließlich die Interessen dieser Person berührt.361 II. Interessen der Mitbewerber
1. Unmittelbare und mittelbare Beeinträchtigung der Interessen der Mitbewerber. Gem. §§ 1 S. 1, 3 Abs. 1 werden die Interessen der Mitbewerber vor einer Beeinträchtigung durch unlautere geschäftliche Handlungen geschützt. Mitbewerber ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein solches Wettbewerbsverhältnis besteht zu allen Unternehmern, die durch die streitgegenständliche geschäftliche Handlung in ihren Interessen am Absatz eigener Produkte oder der Nachfrage für das eigene Unternehmen unmittelbar nachteilig betroffen sind. Es kollidieren also gegenläufige unternehmerische Absatz- oder Nachfrageinteressen.362 Kommt es zwischen Unternehmern im horizontalen Konkurrenzverhältnis zu 187 unlauteren geschäftlichen Handlungen, indem zum Beispiel ein Mitbewerber den anderen irreführt oder gezielt behindert, sind dessen Interessen unmittelbar beeinträchtigt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der betroffene Unternehmer an sich nicht im selben Markt wie der Handelnde bzw. Geförderte tätig ist.363 Wird eine unlautere geschäftliche Handlung hingegen gegenüber Verbrauchern 188 oder sonstigen Marktteilnehmern vorgenommen, ist zunächst das Vertikalverhältnis zur Marktgegenseite betroffen. Wie indes auch die auf das B2C-Verhältnis beschränkte UGPRL anerkennt, wirken sich irreführende und aggressive Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern unmittelbar auf rechtmäßig handelnde Mitbewerber auf demselben Markt aus.364 Denn wenn sich Konsumenten oder sonstige Marktteilnehmer aufgrund von Täuschung oder Zwang für die Angebots- oder Nachfrageleistung eines Unternehmers entscheiden, die sie sonst nicht gewählt hätten, gehen dessen Konkurrenten mögliche Geschäftsabschlüsse für ihre substituierenden Produkte verloren. Ein solches Verhalten verfälscht den Wettbewerb unter Mitbewerbern, weil die leistungsgerechte Verteilung der Profite gestört und Anreize zu technisch-betriebswirtschaftlichen 186
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359 Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 62. 360 Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg § 23 Rn. 9 f. 361 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.4, 3.28. 362 Im Einzelnen § 2 Rn. 424 ff. 363 Zu solchen Ad-hoc-Wettbewerbsverhältnissen § 2 Rn. 472 ff. 364 ErwGrd. 6 S. 1 UGPRL. Unternehmen auf demselben Markt sind per se Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3; siehe § 2 Rn. 435 ff.
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Innovationen untergraben werden. Nach dem ganzheitlichen Ansatz des deutschen Lauterkeitsrechts sind solche Auswirkungen auf konkurrierende Unternehmen daher ebenfalls lauterkeitsrechtlich relevant.365 Hieraus folgt, dass sich eine Beeinträchtigung der Interessen von Verbrauchern 189 und sonstigen Marktteilnehmern im Vertikalverhältnis366 stets zugleich auf die Interessen der auf demselben Markt tätigen Mitbewerber desjenigen auswirkt, der eine gem. §§ 3, 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung eigennützig vornimmt oder von Dritten in dieser verbotenen Weise gefördert wird (Horizontalverhältnis). Dementsprechend stehen die Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche wegen Zuwiderhandlungen gegen § 3 und § 7 allen auf demselben Markt tätigen Unternehmern zu, auch wenn sich die geschäftliche Handlung an Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer richtet.367 2. Das Interesse an der unverfälschten Entfaltung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit a) Grundsätze. Nach dem in § 1 verankerten Grundsatz wettbewerbsfunktionaler 190 Anwendung des UWG richten sich die lauterkeitsrechtlich relevanten Interessen der Mitbewerber auf die Wahrung der rechtsgleichen Ausübung ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1, 12 GG bzw. der unternehmerischen Freiheit gem. Art. 16 Charta. Die antagonistische Angebots- und Nachfragefreiheit der Wettbewerber bildet den Ausgangspunkt der mitbewerberbezogenen, lauterkeitsrechtlichen Analyse.368 Sie bezieht sich auf sämtliche Aktionsparameter wie zum Beispiel den Preis des eigenen Angebots, die Merkmale der eigenen Ware oder Dienstleistung, die Zeit, den Ort und die Art ihrer Bewerbung sowie die Auswahl der Abnehmer, Lieferanten und sonstigen Vertragspartner.369 Diese negative Handlungsfreiheit ist mit der gleichen Freiheit anderer Marktteil- 191 nehmer und speziell der gegenläufigen Wettbewerbsfreiheit der jeweiligen Mitbewerber in Einklang zu bringen. Diese Koordination erfolgt im Hinblick auf das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb (§ 1 S. 2). Demnach darf sich kein Konkurrent den inhärenten Zwängen des Wettbewerbs entziehen. Durchsetzen sollen sich Preis und Leistung, nicht aber Täuschung und Aggressivität. Folglich lässt sich das schützenswerte Interesse der Mitbewerber dahingehend zu- 192 sammenfassen, dass sie ihre Angebots- und Nachfrageaktivitäten frei von wettbewerbsfremden Manipulationen durch Konkurrenten entfalten können. Dieses Interesse wird vom UWG in Gestalt bestimmter Verbotstatbestände konkretisiert, die sich spezifisch auf Mitbewerber beziehen.370 Dabei kann wie generell zwischen Irreführungen, wettbewerbsfremder Aggressivität und einer sonstigen Verfälschung des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb unterschieden werden.371 b) Schutz der täuschungsfreien Bildung von Entscheidungsgrundlagen. Die Ir- 193 reführungsverbote dienen dem Interesse, die unternehmerischen Entscheidungen auf einer von Täuschung freien Grundlage bilden zu können. Hierzu zählen das all-
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365 Oben § 1 Rn. 37 ff. 366 Dazu unten § 1 Rn. 204 ff. und 293 ff. 367 §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 S. 1. 368 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 302 („Geschützt werden die Angebotsfreiheit der Wettbewerber und die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher.“). 369 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 10; Götting/Nordemann § 1 Rn. 5; Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 15. 370 Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 16. 371 Im Einzelnen § 3 Rn. 249 ff.
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gemeine Verbot irreführender geschäftlicher Handlungen unter Einschluss des Hervorrufens von Verwechslungsgefahren mit fremden Kennzeichen und des Verschweigens einer Tatsache (§§ 5, 5a Abs. 1). Werden diese Formen der Wettbewerbsfälschung gegenüber einem Mitbewerber vorgenommen, werden dessen unternehmerische Interessen unmittelbar beeinträchtigt. Mittelbar tangiert ist das Interesse an der Teilnahme an einem unverfälschten 194 Wettbewerb, wenn ein Mitbewerber die Marktgegenseite, also Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer, irreführt und so Nachfrage oder günstige Angebote auf sich umzulenken versucht. Diese Dreieckskonstellation ist auch gegeben, wenn ein Mitbewerber gegenüber Dritten über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines anderen Mitbewerbers Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind (§ 4 Nr. 8).372 In diesem Zusammenhang ist schließlich auf § 4 Nr. 9 lit. a hinzuweisen, wonach es unlauter ist, Nachahmungen der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers anzubieten, wenn hierdurch eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeigeführt wird.373 195
c) Schutz des Entscheidungsprozesses vor wettbewerbsfremder Aggressivität. Eine zweite Gruppe gesetzlicher Konkretisierungen der Unlauterkeit betrifft das Interesse der Mitbewerber, das eigene Angebot frei von wettbewerbsfremder Aggressivität präsentieren zu können.374 Hierzu zählen die Verbote, die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabzusetzen oder zu verunglimpfen;375 andere Mitbewerber gezielt zu behindern;376 Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Konkurrenz auszuspionieren und insbesondere zur Herstellung von Nachahmungen zu verwerten;377 sowie eine Art und Weise des Marktverhaltens, durch die ein Mitbewerber in unzumutbarer Weise belästigt wird.378
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d) Schutz des Interesses an der Wahrung der institutionellen Funktionsbedingungen des Wettbewerbs. Drittens sind alle Mitbewerber daran interessiert, dass Konkurrenten nicht in sonstiger Weise die rechtsgleichen Marktchancen verzerren. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen eine geschäftliche Handlung nicht einen bestimmten Mitbewerber irreführt oder behindert, aber die institutionellen Bedingungen des Wettbewerbs zu verfälschen geeignet ist. Im Vordergrund steht das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb, dessen Wahrung aber zugleich den individuellen Interessen der betroffenen Marktteilnehmer dient. In diesem Sinne dient das teleologisch ambivalente Verbot des Rechtsbruchs gem. 197 § 4 Nr. 11 zumindest auch der Gewährleistung rechtsgleicher Wettbewerbsbedingungen. Jeder Mitbewerber hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass sich die Konkurrenz ebenfalls rechtstreu verhält, da sonst kein geordneter Wettbewerb möglich wäre. Dies ist das Interesse, dem die verletzte gesetzliche Vorschrift gem. § 4 Nr. 11 zumindest sekundär dienen muss.379
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372 Zum Erfordernis, dass die Behauptung oder Verbreitung gegenüber einem Dritten erfolgen muss, siehe Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 8.18. 373 Siehe ferner Anhang zu § 3 Abs. 3 Nr. 13. 374 Im Einzelnen § 3 Rn. 257 ff. 375 Siehe §§ 4 Nr. 7, 9 lit. b; 6 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5. 376 § 4 Nr. 10. 377 Siehe §§ 17–19 und § 4 Nr. 9 lit. c. 378 § 7 Abs. 1. 379 Zur Realisierung anderweitiger Interessen über §§ 3, 4 Nr. 11 oben § 1 Rn. 155 ff.
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Die Fallgruppe der allgemeinen Marktbehinderung stellt sicher, dass keine ge- 198 schäftlichen Handlungen vorgenommen werden, die den Wettbewerb insgesamt auszuschalten drohen. Denn schutzwürdig ist das Interesse aller potentiellen Mitbewerber, dass überhaupt geordneter Wettbewerb stattfinden kann.380 Schließlich ist in diesem Zusammenhang auf die besondere lauterkeitsrechtliche 199 Kontrolle des Wettbewerbsverhaltens der öffentlichen Hand zu verweisen. Deren private Mitbewerber haben ein schutzwürdiges Interesse, nicht aufgrund struktureller Vorteile des Staates ins Hintertreffen zu geraten.381 e) Klageberechtigung trotz eigener unlauterer Handlungen. Die vorgenannten 200 Interessen können grundsätzlich auch von solchen Mitbewerbern individuell geltend gemacht werden (vgl. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 S. 1), die ihrerseits gleichartige Interessen der Konkurrenz beeinträchtigen. Soweit nicht die allgemeinen Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs gegeben sind, gebietet das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb als übergeordneter Schutzzweck des UWG, lauterkeitsrechtliche Verfahren nicht mit der Prüfung zu belasten, ob der Kläger bei seiner eigenen Wettbewerbstätigkeit gesetzeswidrig und insbesondere wettbewerbsrechtlich unlauter handelt.382 3. Das nicht schutzwürdige Interesse an der Vermeidung wettbewerbskonfor- 201 mer Zwänge. Nicht schutzwürdig ist hingegen das Interesse eines Mitbewerbers, sich den wettbewerbsimmanenten Zwängen unter Berufung auf das UWG zu entziehen. Wettbewerb als wirtschaftlicher Ordnungsmechanismus funktioniert über nichtrechtliche Sanktionen.383 Unternehmer müssen sich an die Angebots- und Nachfragesituation sowie ggf. bessere Leistungen der Konkurrenz anpassen. Eine geschäftliche Fehleinschätzung wird sonst „ihre unerbittliche Sühne in Verlusten und schließlich durch den Konkurs im Ausscheiden aus der Reihe der für die Produktion Verantwortlichen finde[n]“.384 Vor diesen wettbewerblichen Zwängen schützt das UWG nicht. Im Gegenteil, es 202 soll gem. § 1 dazu beitragen, dass diese Zwänge möglichst uneingeschränkt und dauerhaft zum Tragen kommen. Es würde daher dem Zweck des Gesetzes zuwiderlaufen, wenn Wettbewerbsgerichte einem etablierten Marktteilnehmer die Verantwortung für unternehmerische Fehler dadurch abnehmen, dass Mitbewerbern konkurrierende Tätigkeit untersagt wird.385 Lauterkeitsrechtlich in keinem Fall relevant ist daher das Interesse eines Mitbe- 203 werbers, den eigenen Kunden- oder Mitarbeiterstamm zu behalten und Konkurrenten wettbewerbskonformes Verhalten zu untersagen. Wettbewerbskonform ist es insbesondere, erstmals in einen bestehenden Anbieter- oder Nachfragermarkt einzutreten; innovativere Produkte anzubieten; eine gänzlich neuartige Ware oder Dienstleistung anzubieten; das bestehende Verbraucherbedürfnis durch ein neues Geschäftsmodell effizienter als bisher zu befriedigen; die Preise der Konkurrenz zu unterbieten; inhaltlich zutreffende Vergleiche anzustellen.386
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380 Dazu § 3 Rn. 455 ff. 381 Dazu § 3 Rn. 488 ff. 382 BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – BGHZ 162, 246, 251 = GRUR 2005, 519 – Vitamin-Zell-Komplex; Harte/ Henning2/Schünemann § 3 Rn. 274 ff.; Beater Rn. 2581 ff. m.w.N. 383 Siehe Weber S. 439 f. 384 Eucken S. 281. 385 Dazu Peukert in Riesenhuber, S. 395. 386 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 11.
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III. Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher Schutz der Verbraucher Fritzsche 1. Stellenwert und Funktion des Verbraucherschutzes im Recht des unlauteren 204 Wettbewerbs. Es ist seit langem allgemein anerkannt, dass das UWG neben den Interessen der Mitbewerber und der Allgemeinheit auch Verbraucherinteressen schützt (sog. Schutzzwecktrias).387 Zwar beruhte § 1 UWG 1909 seiner ursprünglichen Konzeption nach ursprünglich auf dem Gedanken des Mitbewerberschutzes,388 doch hat das Reichsgericht bereits im Jahr 1914 ausgesprochen, dass das Schutzzweckverständnis des § 1 UWG a.F. über den Schutz der Mitbewerber hinausreicht und den der Verbraucher und der Allgemeinheit einschließt.389 Diese Schutzzweckbestimmung ist seit längerem allgemein und auch verfassungsrechtlich anerkannt.390 Durch § 1 S. 1 UWG wird seit 2004 zutreffend klargestellt, dass neben den Verbrauchern auch die „sonstigen Marktteilnehmer“ geschützt sind, also gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG alle weiteren „Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind.“ Dabei handelt es sich im Wesentlichen um andere Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG, die nicht als Mitbewerber auftreten, sondern im Vertikalverhältnis zum geschäftlich handelnden Unternehmer,391 und zwar in der Regel als Nachfrager, aber auch als Anbieter auftreten (dazu näher unten Peukert Rn. 298) und die sich in ihren schützenswerten Interessen jedenfalls als Nachfrager nur begrenzt von Verbrauchern unterscheiden.392 Seit der UWG-Reform 2004 ist die Schutzzwecktrias in § 1 UWG enthalten,393 der des205 halb auch den Schutz von Verbrauchern und Verbraucherinnen explizit als Zweck des Gesetzes aufführt. Die Aufnahme einer Schutzzweckbestimmung in das UWG trug in erster Linie der hohen Bedeutung der teleologischen Auslegung für die Auslegung des Gesetzes394 Rechnung.395 Die durch die UWG-Reform 2004 eingeführte Vorschrift des § 1 UWG änderte allerdings das Rangverhältnis, indem ihr S. 2 klarstellt, dass der Schutz von Allgemeininteressen sich nicht auf beliebige Aspekte erstreckt, sondern ausschließ-
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387 Vgl. Vorauflage/Schünemann Einl. C Rn. 5 ff. (m. Nachw. auch zur früher vertretenen Gegenposition), 18, 24 f.; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 2 f.; Fezer/Fezer § 1 Rn. 1; Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 3 m.w.Nachw. – A.A. früher etwa v. Godin § 1 Rn. 48: „… das UWG den echten Leistungswettbewerb zwar auch im Interesse der Allgemeinheit aber nur secundär, vorwiegend jedoch zu Schutz der Mitbewerber … zu fördern trachtet. Das Verbraucherinteresse zu wahren, war nicht die Aufgabe des Gesetzes, wie heute immer wieder fälschlich angenommen wird.“, abschwächend jedoch Rn. 14; krit. auch noch Samwer GRUR 1969, 326, 328 ff. 388 Näher Vorauflage/Schünemann Einl. C Rn. 4. 389 RG 7.4.1914 – 4 D 1386/13 – MuW XV [1915/16], 48, 49 – Ärztlicher Bezirksverein; s.a. RG 29.4.1930 – II 355/29 – RGZ 128, 330, 342; zur Entwicklung näher Vorauflage/Schünemann Einl. B Rn. 32, 40 ff., 47 ff., C Rn. 4 ff.; Fezer/Fezer § 1 Rn. 7 ff.; Kisseler WRP 1972, 557 ff. 390 Vgl. BVerfG 8.2.1972 – 1 BvR 170/71 – BVerfGE 32, 311, 316 = GRUR 1972, 358, 359 f.; BVerfG 22.5.1979 – 1 BvL 9/75 – BVerfGE 51, 193, 214 f. = GRUR 1979, 773, 777; BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 360, 364 = GRUR 2001, 170, 173 – Benetton-Werbung I; BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1060 – Therapeutische Äquivalenz; BVerfG 6.2.2002 – 1 BvR 952/90 – GRUR 2002, 455 f. – Tier- und Artenschutz; BVerfG 4.8.2003 – 1 BvR 2108/02 – GRUR 2003, 965, 966 – Interessenschwerpunkt „Sportrecht“; Lettl GRUR 2004, 449; krit. etwa noch Samwer GRUR 1969, 326, 327, 328 ff. m.w.N. zu Rechtsprechung und Schrifttum bis dahin. 391 Harte/Henning/Podszun § 1 Rn. 58 f.: auch die öffentliche Hand; Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 27. 392 Deutlich Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 28; i.E. ebenso Harte/Henning/Podszun § 1 Rn. 60. Vgl. ferner Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 14 ff., der Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer im Hinblick auf ihre Interessen gleich behandelt bzw. die sonstigen Marktteilnehmer meist nicht gesondert erwähnt; wenig Unterscheidung insofern auch bei Fezer/Fezer § 1 Rn. 49 ff. 393 S.a. BT-Drs. 15/1487, S. 13, 15 f. 394 Vgl. etwa BGH 3.12.1998 – I ZR 119/96 – GRUR 1999, 1128, 1129 – Hormonpräparate. 395 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 4; Harte/Henning/Keller § 1 Rn. 1.
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lich einen unverfälschten Wettbewerb gewährleisten soll.396 Durch die Einführung des § 1 UWG sollte aber zugleich klargestellt werden, dass der Schutz der Verbraucher und der sonstigen Marktteilnehmer mit dem Mitbewerberschutz gleichrangiges Ziel des Lauterkeitsrechts ist. In der Praxis hat der Verbraucherschutz allerdings die wohl größere Bedeutung, was 206 sich bereits seit dem Jahr 2004 in den Beispielstatbeständen des UWG widerspiegelt: Primär dem Mitbewerberschutz zuordnen kann man § 4 Nrn. 7–10 und § 6 Abs. 2 Nrn. 4–6 UWG, dem Schutz der Verbraucher (und meist zugleich der sonstigen Marktteilnehmer) dagegen § 4 Nrn. 1–6 sowie §§ 5, 5a, § 6 Abs. 2 Nrn. 1–2 und § 7 UWG. Die §§ 4 Nr. 9a) und 6 Nr. 3 UWG lassen sich hingegen nicht einseitig dem Schutz der Mitbewerber oder der Marktgegenseite zuordnen, sondern dienen beiden Zwecken je nach den Umständen letztlich in gleichem Maße. Ähnlich verhält es sich beim Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG, der auf die Interessen alle Schutzsubjekte i.S.v. § 1 S. 1 UWG verweist und bei dem die Zuordnung zum Schutz der Mitbewerber oder der Marktgegenseite einschließlich der Verbraucher vom Zweck der verletzten Marktverhaltensregelung abhängt. Damit führte die UWG-Reform 2004 nicht zu einem Paradigmenwechsel hin zu einem Verbraucherschutzrecht,397 sondern kodifizierte lediglich den zuvor bereits allgemein anerkannten Rechtszustand ausdrücklich398 und rückte ihn damit stärker ins Rampenlicht. Durch die UWG-Novelle 2008, die der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über un- 207 lautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) diente, wurde eine weitere Harmonisierung und Vereinheitlichung mit dem Verbraucherschutzniveau in der Europäischen Union bewirkt.399 Der Verbraucherschutz wurde, zumindest was die Anzahl der Regelungen angeht, noch einmal gestärkt; dabei wurde – zumindest formal – die abgeschwächte Schutzzwecktrias beibehalten.400 Denn zu den bereits vorhandenen und weitgehend beibehaltenen Beispielstatbeständen tritt seitdem die sog. „Schwarze Liste“ unlauterer Geschäftspraktiken im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG hinzu. Als quasi dogmatische Grundlage fungiert die Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 UWG. Zu nennen ist ferner die Kodifikation der Irreführung durch Unterlassen in § 5a UWG, die gerade im Verhältnis zu Verbrauchern (Abs. 2) durch den Hinweis auf diverse Informationspflichten in Absatz 3 und 4 klarere Konturen im Normtext erhalten hat. Schließlich sollte man erwähnen, dass der Verbraucherschutz durch den erweiterten Anwendungsbereich des UWG insgesamt heute auch Handlungen erfasst, die für seine Anwendung nach früherer Anschauung bedeutungslos waren, nämlich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nun gleichfalls Handlungen während und nach einem Vertragsabschluss (eingehend dazu Peukert § 2 Rn. 257 ff. und 292 ff.). 2. Grundkonzeption des Verbraucherschutzes durch Unlauterkeitsrecht. Der 208 Schutz der Interessen der Verbraucher i.S.v. § 1 S. 1 UWG über die §§ 3 Abs. 2, 4 Nr. 1–6, 5 bis 6 UWG bzw. über § 7 UWG zielt darauf ab, eine unlautere Kundenwerbung zu verhindern. Insofern deckt sich der Zweck des Verbraucherschutzes im UWG weitgehend mit dem Schutzzweck, den Art. 1 UGP-RL dahin festlegt, die Verbraucher vor der Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Interessen durch unlautere Geschäftspraktiken zu schützen. Neben dem Schutz der Entscheidungsfreiheit und der vorgelagerten Informationsinteressen des Verbrauchers verwirklicht das deutsche Recht (heute) über § 7 UWG
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Vgl. Köhler NJW 2004, 2121; Fezer/Fezer § 1 Rn. 37, 41; Schünemann WRP 2004, 925, 933 ff. So Engels/Salomon WRP 2004, 32 f.; s.a. Fezer/Fezer § 1 Rn. 1 Fn. 1. Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 3; s.a. BT-Drs. 15/1487, S. 13. Vgl. Art. 1 UGP-Richtlinie; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 5, 8. Vgl. Fezer/Fezer § 1 Rn. 19 ff.
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aber auch den bereits unter der Geltung von § 1 UWG 1909 anerkannten Schutz der Privatsphäre des Verbrauchers in bestimmten Grenzen.401 Der Begriff der unlauteren Kundenwerbung kennzeichnet dabei ein geschäftliches 209 Verhalten, das auf eine Beeinflussung der Entschließung des Kunden nicht mit Mitteln des sog. Leistungswettbewerbs, sondern auf sachfremde Art und Weise abzielt. Seit der Umsetzung der UGP-Richtlinie ist der Grundgedanke zudem in der „großen“ Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 S. 1 UWG enthalten; er findet sich zudem bereits seit 2004 auch in der „kleinen Generalklausel“ des § 4 Nr. 1 UWG,402 ohne dass damit allzu viel gewonnen wäre. Denn die Schwierigkeit liegt naturgemäß in der Abgrenzung der sachlichen von der sachfremden Beeinflussung und der Festlegung, wann ein unsachlicher Einfluss auf den Verbraucher unangemessen (§ 4 Nr. 1 UWG) wird. Werbung beinhaltet aber stets den Versuch, den Kunden in Richtung auf das eigene Unternehmen und seine Produkte und Dienstleistungen zu beeinflussen. Die Beeinflussung des Kunden ist dem wirtschaftlichen Wettbewerb immanent und deshalb als solche nicht generell zu beanstanden. Sie führt zugleich dazu, dass die Wettbewerber des handelnden Unternehmens in ihren Möglichkeiten Beschränkungen hinnehmen müssen. Da das UWG nach seinem § 1 S. 1 aber auch die Interessen von Unternehmern schützt, bedarf es stets einer Interessenabwägung, um eine unzulässige Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen zu begründen, sofern nicht ein Beispielstatbestand diese Abwägung vorwegnimmt.403 Die grundsätzlich erlaubte Beeinflussung des (potentiellen) Kunden schlägt ins Un210 sachliche um und wird wettbewerbswidrig, wenn Mittel zum Einsatz kommen, die zur Beeinträchtigung der freien Willensentschließung des Umworbenen geeignet sind,404 so dass die Entschließung des Kunden für oder gegen ein Angebot von unangemessenen sachfremden Erwägungen überlagert wird. Als derartige Mittel unlauterer Kundenbeeinflussung waren unter der Geltung des § 1 UWG seit langem vor allem anerkannt: Kundentäuschung (bzw. Irreführung), Belästigung, Nötigung oder Hervorrufen einer ähnlichen psychischen Zwangslage (Druckausübung), Maßnahmen der Wertreklame (Verlockung), Ausnutzung der Spielleidenschaft, des Gewinnstrebens oder der Risikobereitschaft, Appelle an Gefühle, Ausnutzen von Vertrauen oder Unerfahrenheit. Man kann es auch so formulieren, dass sich der Kunde nicht mehr oder nur noch eingeschränkt aufgrund von Kriterien des sog. Leistungswettbewerbs – Qualität, Preiswürdigkeit, Konditionen, Service – leiten lässt.405 Bei der Beurteilung, ob eine Wettbewerbsmaßnahme die Kundenentscheidung durch sachfremde Mittel beeinflusst, wirken häufig verschiedene der eben erwähnten Aspekte bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung einer Werbemaßnahme zusammen.406 Früher ergab sich das Unlauterkeitsurteil in bestimmten Konstellationen erst aus der Kumulation von zwar bedenklichen, bei isolierter
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401 Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 20 ff. 402 Vgl. Köhler NJW 2004, 2121, 2123. 403 S.a. Schünemann WRP 2004, 925, 932 f. 404 So Baumbach/Hefermehl Einl. Rn. 161; § 1 Rn. 4; Köhler/Piper³ § 1 Rn. 10 (ohne Beschränkung auf die bloße Eignung). 405 Vgl. Fezer WRP 2001, 989, 997 ff. sowie Fezer/Fezer § 3 Rn. 218 ff. m.w.N. – Zu Recht kritisch zum Begriff der Leistungswettbewerbs: Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 44; Harte/Henning/Ahrens Einl. G Rn. 80 m.w.N. 406 Vgl. bereits v. Godin § 1 Rn. 208. – Aus der Rspr. etwa BGH 18.10.1990 – I ZR 113/89 – GRUR 1991, 542, 543 – Biowerbung mit Fahrpreiserstattung: Verstärkung des Anlockeffekts der Wertreklame durch gefühlsbetonte (Bio-)Werbung; BGH 9.4.1992 – I ZR 173/90 – GRUR 1992, 855, 856 – Gutscheinübersendung: unzulässige Wertreklame und Belästigung durch Übersendung eines Warengutscheins über 30 DM statt Rücksendung einer zur Erstellung eines Kostenanschlags eingesandten Kamera.
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Betrachtung jeweils aber noch tolerierbaren Beeinflussungsfaktoren.407 Das spielt u.a. im Bereich der Imagewerbung eine Rolle, teils aber auch bei der Wertreklame, also im Bereich der Verkaufsförderungsmaßnahmen. Hier hat sich im letzten Jahrzehnt eine generelle Liberalisierung durchgesetzt, die dazu führt, dass die Unlauterkeitsgrenze bei unsachlicher Beeinflussung heute erst spät überschritten wird, nämlich wenn die Rationalität der geschäftlichen Entscheidung ausgeschlossen wird, wie der BGH bereits seit längerem judiziert.408 Eine vergleichbare Wertung findet sich heute in § 3 Abs. 2 S. 1 UWG und den darin umgesetzten Begrifflichkeiten aus Art. 2 lit. j) und k) UGPRichtlinie. Der Verbraucherschutz über das Lauterkeitsrecht hat sich über Jahrzehnte hinweg 211 stetig weiterentwickelt. Eine Ursache liegt darin, dass sich die Werbung und sonstige Beeinflussungsversuche gegenüber Verbrauchern naturgemäß ständig wandeln. Dazu trägt neben dem Zeitgeist und den Veränderungen gesellschaftlicher Anschauungen in nicht erheblichem Umfang die Wettbewerbsrechtsprechung bei, die zumindest in der Vergangenheit zahlreiche Werbemethoden untersagt und die Werbenden damit gezwungen hat, wiederum neue Verhaltensmuster zu entwickeln. In den letzten Jahren sind ungewohnt viele Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen hinzugekommen, namentlich die Regelung über die zulässige vergleichende Werbung in § 6 UWG, die den Verbraucherschutz umwälzende Aufhebung von RabattG und ZugabeVO im Jahr 2001 sowie die UWG-Reform von 2004, welche die starke und zu begrüßende Liberalisierung des deutschen Lauterkeitsrechts fortgeführt hat.409 Auch das BVerfG hat in den letzten Jahren erheblich zur Liberalisierung beigetragen, indem es verstärkt auf die Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Wirtschaftswerbung und die daraus folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Anwendung der Generalklausel und die Begründung für ihre Anwendung hingewiesen hat (näher unten Rn. 253 ff.). In Zukunft werden nennenswerte Impulse überwiegend nur aus dem EU-Recht und vor allem aus der Rechtsprechung des EuGH zu erwarten sein, da die weitgehende Vollharmonisierung den Gestaltungsmöglichkeiten von nationaler Rechtsprechung und nationalem Schrifttum zunehmend Grenzen setzt. Seit der Reform 2004 nennt § 1 UWG den Schutz von Verbraucherinnen und Ver- 212 brauchern ausdrücklich als Gesetzeszweck. Diese – begrüßenswerte – Änderung führte aber letztlich nicht wirklich zu einer Stärkung des Verbraucherschutzes über das Wettbewerbsrecht, der auch vorher schon sehr umfassend ausgestaltet war und durch die Übernahme des europäischen Verbraucherleitbildes durch die deutsche Rechtsprechung (dazu unten Rn. 290 ff.) gegenüber dem früheren Zustand eher reduziert worden war, wenn auch auf ein vernünftiges Maß. Überdies wurde durch die Reformen von 2004 und 2008 wiederum keine Anspruchsberechtigung für einzelne Verbraucher/innen eingeführt (vgl. unten Rn. 290 ff.). Den auf den ersten Blick gravierendsten Schritt brachte allerdings die Richtlinie 213 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, welche die Verbraucherschutzgesetzgebung weiter fortgeführt hat. Allerdings ist für Deutschland zu konstatieren, dass diese UGP-Richtlinie den Verbraucherschutz teilweise eher nochmals zurückgeführt hat, da sie aufgrund ihres abschließenden Charakters einer Vollharmonisierung im nationalen
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407 Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 1 Rn. 5; Köhler/Piper § 1 Rn. 11. 408 BGH 22. 9. 2005 – I ZR 55/02 – BGHZ 164, 154 = GRUR 2006, 75 Rn. 16 ff. – Artenschutz; BGH 22.9.2005 – I ZR 28/03 – GRUR 2006, 161 Rn. 13 ff., 17 – Zeitschrift mit Sonnenbrille, m. Anm. Steinbeck; BGH 23.2.2006 – I ZR 245/02 – GRUR 2006, 511 Rn. 21 – Umsatzsteuererstattungs-Modell, dazu Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 21. 409 Vgl. Begründung zum RegE, BT-Drs. 15/1487, S. 12 ff.
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Recht vorgesehene strikte Regelungen ausschließt, die in ihr keine Entsprechung finden, so namentlich Koppelungsverbote wie in § 4 Nr. 6 UWG. Aber auch Beispielstatbestände mit unbestimmten Rechtsbegriffen, die eine Wertung des Rechtsanwenders erfordern, sind an den Vorgaben der Richtlinie für die Unlauterkeit in Art. 5 Abs. 2 und 3 UGPRichtlinie zu messen, also letztlich durch eine zusätzliche Anwendung des § 3 Abs. 2 UWG auf ihre Richtlinienkonformität zu überprüfen bzw. richtlinienkonform anzuwenden. Seit der UWG-Novelle 2008 trägt das Gesetz dem Verbraucherschutz in Umsetzung 214 der UGP-Richtlinie in noch stärkerem Maße Rechnung. Dies zeigt sich insbesondere an der sog. „Verbrauchergeneralklausel“ in § 3 Abs. 2 UWG sowie den gemäß § 3 Abs. 3 UWG stets unlauteren geschäftlichen Handlungen des UWG-Anhangs. Außerdem ist der Anwendungsbereich des UWG insgesamt seit Ende 2008 erweitert, da der Begriff der geschäftlichen Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG im Gegensatz zur früheren Wettbewerbshandlung410 stark ausgeweitet wurde, insbesondere nunmehr stets Verhaltensweisen auch bei und vor allem noch nach Vertragsschluss erfasst.411 Außerdem verbietet § 5 Abs. 2 UWG heute explizit das Hervorrufen einer Verwechselungsgefahr bei anderen Marktteilnehmern, sodass das Unlauterkeitsrecht412 sich nun bereits nach dem Gesetzeswortlaut teilweise mit dem Kennzeichenrecht überschneidet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Kennzeichenrecht, insbesondere Markenrecht, den Schutz von Verbraucherinteressen zwar nicht zentral, aber doch an vielfältiger Stelle wegen der Markenfunktionen jedenfalls zumindest reflexartig mit umfasst.413 3. Verbraucherschutz und Schutz anderer Interessen. Dem Verbraucherschutz widmete das Lauterkeitsrecht bereits im Rahmen der alten Generalklausel des § 1 UWG 1909 verschiedene Fallgruppen. Dabei handelte es sich – und handelt es sich auch heute noch – an sich um einen Unterfall des Schutzes der Marktgegenseite, die auch noch die sog. „sonstigen Marktteilnehmer“ i.S. des heutigen § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG umfasst. Beide Bereiche hat man früher unter den Oberbegriff „Kundenfang“ gefasst.414 Sie wenden sich gegen eine Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit der Abnehmer durch unlautere Werbemaßnahmen, was heute etwa auch in § 4 Nr. 1 UWG sowie Art. 1 und 5 Abs. 2 lit. b) UGP-Richtlinie zum Ausdruck kommt. Gleichwohl bestehen zahlreiche Verbindungslinien sowohl zum Schutz der Mitbe216 werber als auch zum Schutz des Wettbewerbs als Institution, wie er in § 1 Satz 2 UWG noch zum Ausdruck kommt: Der „Kundenfang“ ist nicht zuletzt deshalb verboten, weil die hier im Mittelpunkt stehenden Werbe- und Vertriebsmethoden Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbssystems insgesamt nach sich ziehen könnten, wenn sie in größerem Umfang Schule machen würden. Überhaupt darf man die seit langem übliche Betonung der „Schutzgegenstände“ des UWG bzw. der von ihm geschützten Interessen der Marktteilnehmer i.S.v. § 1 S. 1 UWG nicht dahingehend fehl interpretieren, es gehe insofern um geschützte Rechtsgüter im technischen Sinne. Das deutsche UWG schützt als objektives Marktverhaltensrecht lediglich den Wettbewerb an sich und berücksichtigt dabei neben den Interessen der Konkurrenten auch die der Verbraucher und 215
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410 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 und § 1 UWG 1909. 411 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 4. 412 So der vorzugswürdige Terminus, da dieses Rechtsgebiet nur durch Verbote definiert wird, also nur die Unlauterkeit regelt Bülow GRUR 2012, 889 f. 413 Eingehend Sosnitza ZGE/IPJ Band 5 (2013), 176, 177 ff., 195 ff.; s. ferner Fezer MarkenG Einl. C. Rn. 4, 15, Einl. D Rn. 1 ff., 8, 22 ff. m.w.N.; früh bereits Kraft GRUR 1980, 416 ff. 414 Vgl. Baumbach/Hefermehl § 1 a.F. Rn. 4 aE; sachlich übereinstimmend Köhler/Piper³ § 1 a.F. Rn. 10.
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der sonstigen Marktteilnehmer sowie das Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb (§ 1 S. 2 UWG). Allerdings ist zuzugestehen, dass – jedenfalls seit der UWG-Reform 2008 – das UWG 217 entgegen der noch im Gesetzgebungsverfahren zum UWG 2004 verfolgten Konzeption inzwischen kein reines Wettbewerbsrecht mehr darstellt, weil das UWG in Umsetzung der UGP-Richtlinie gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nun auch unlautere Handlungen während und nach Vertragsschluss erfasst, die nicht notwendigerweise einen Bezug zum Wettbewerbsrecht haben.415 Das spricht wohl auch dafür, nun eher von einem Unlauterkeitsrecht zu sprechen, das sowohl reine Aspekte des Verbraucherschutzes (und des Schutzes unternehmerischer Kunden) als auch eher wettbewerbsbezogene Aspekte umfasst, nämlich den Schutz der Mitbewerber und von sonstigen Marktteilnehmern, die nicht Verbrauchern ähnlich sind, etwa Lieferanten. Von daher ist die zu § 1 UWG 1909 etablierte Einteilung in Hauptfallgruppen anhand 218 dieser Schutz- oder besser Interessentrias nur noch begrenzt zweckmäßig. Der Umstand, dass man zur Behinderung der Konkurrenten und zum Schutz des Wettbewerbs vor „allgemeiner Marktstörung“ nicht nur den Schutz der Verbraucherinteressen hinzufügen muss, sondern auch den Rechtsbruch, zeigt dies recht deutlich. Gleichwohl sind bestimmte Vorgehensweisen im Wettbewerb in erster Linie dadurch gekennzeichnet, dass man sich einen Wettbewerbsvorsprung z.B. durch die Missachtung von marktverhaltensregelnden Rechtsvorschriften oder durch das (mehr oder weniger gezielte) Ausschalten der Markttätigkeit der Konkurrenten oder eben durch die unsachliche (etc.) Beeinflussung der Marktgegenseite zu verschaffen versucht. Dabei kann man insbesondere bezweifeln, dass es sehr viel Sinn ergibt, zwischen der unsachlichen Beeinflussung von Verbrauchern und der sonstiger Marktteilnehmer zu unterscheiden; zwar ist zuzugestehen, dass der selbständigberuflich auf dem Markt Tätige aufgrund seiner Marktstellung tendenziell schwerer zu beeinflussen oder auch mutmaßlich besser informiert ist als der private Endverbraucher, doch hängt dies sehr stark von dem konkreten sonstigen Marktteilnehmer ab: Kleinunternehmer und insbesondere Existenzgründer sind häufig in ihrer Schutzbedürftigkeit nicht allzu weit vom Verbraucher entfernt, und auch etablierte Unternehmer können sich bei branchenfremden Geschäften schwer tun. Die Erscheinungsformen der unsachlichen Beeinflussung, die Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern bei ihren Nachfrageentscheidungen gegenübertreten, sind aber im Grunde dieselben.416 Naheliegend erscheint die Erwägung, jeglicher Einsatz von Mitteln außerhalb des 219 „Leistungswettbewerbs“ lasse eine Werbung stets ohne weiteres wettbewerbswidrig werden.417 Das – zumindest in dieser Form418 – auf Nipperdey419 zurückgehende Begriffspaar Leistungs-/Nichtleistungswettbewerb hat im Laufe der letzten Jahrzehnte breiten Eingang in Rechtsprechung und Schrifttum gefunden. In jüngerer Zeit ist es leider ohne Not auch noch vom BVerfG aufgegriffen420 und damit gewissermaßen geadelt wor-
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415 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 5. 416 Deutlich Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 28; ebenso Harte/Henning/Podszun § 1 Rn. 60; weniger deutlich, aber i.E. nicht anders Fezer/Fezer § 1 Rn. 49 ff.; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 14 ff. 417 Dazu eingehend Vorauflage/Schünemann Einl. D Rn. 81 ff. m.w.Nachw. 418 Zu den Grundlagen der Begriffsbildung in der noch früheren Literatur vgl. Emmerich § 5, 6); Sosnitza S. 76 m.w.Nachw. 419 Wettbewerb und Existenzvernichtung, 1930, S. 16 = KartRdsch 1930, 127 ff. – Vgl. zuvor bereits Lobe – GRUR 1910, 5 f. 420 BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1061 – Therapeutische Äquivalenz; BVerfG 7.11.2002 – 1 BvR 580/02 – WRP 2003, 69, 70 f. – Anwalts-Ranking im Juve-Handbuch, s.a. BVerfG 11.3.2003 – 1 BvR 426/02 – GRUR 2003, 442, 443 – Benetton-Werbung II; BVerfG 12.7.2007 – 1 BvR 2041/02 – GRUR 2008, 81, 82 f. (Tz. 43) m.w.N. – Pharmakartell.
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den.421 Zugleich hat Fezer in seinem Gutachten zur Reform des Lauterkeitsrechts vorgeschlagen, den Tatbestand der Generalklausel von den guten Sitten auf den (Nicht-)Leistungswettbewerb umzustellen,422 was so aber nicht Gesetz geworden ist. Stattdessen wurde im Zuge der UWG-Reform 2004 der Begriff der „guten Sitten“ gegen den Begriff der Unlauterkeit ausgetauscht.423 Es ist hier nicht der Ort, sich mit dieser ohnehin seit Jahrzehnten festgefahren Diskussion näher auseinander zu setzen (dazu Peukert § 3 Rn. 232 ff.).424 Das Begriffspaar Leistungs-/Nichtleistungswettbewerb wirkt zwar moderner als der bis 2004 verwendete Begriff der guten Sitten im geschäftlichen Verkehr und weist bereits begrifflich einen klareren Bezug zur Regelungsmaterie „Marktverhalten“ auf. Darin erschöpfen sich die Vorteile dann aber auch im Wesentlichen, und auch die „Lauterkeit“ eines Verhaltens ist gesetzlich nicht geregelt und auch nicht regelbar, sondern nur die Unlauterkeit.425 Letztlich ist „Nichtleistungswettbewerb“ ein Synonym für unlauteren Wettbewerb einschließlich der unbilligen Behinderung i.S.v. Art. 102 AEUV und § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und außerhalb klar umrissener Beispielstatbestände und Fallgruppen im Einzelfall konkretisierungsbedürftig. Demgegenüber verdankt das UWG der UGP-Richtlinie – jedenfalls im Verhältnis zu Verbrauchern – als neuen Ansatz für die Unlauterkeit den Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt.426 Gerade die Hauptfallgruppe des alten Kundenfangs offenbarte nämlich die Schwä220 chen des Konzepts von Leistungs- und Nichtleistungswettbewerb427 in eindrucksvoller Weise: So ordnet man das Verschenken von Waren zu Probezwecken – ebenso wie andere Formen der Aufmerksamkeitswerbung – zum Teil zwar prinzipiell dem Nichtleistungswettbewerb zu, hält es aber dennoch innerhalb angemessener Grenzen für grundsätzlich zulässig, solange die Aufmerksamkeit für die Entschließung des Umworbenen kein zu starkes Gewicht erlangt.428 Wenn aber über die Zuordnung einer Maßnahme zum Nichtleistungswettbewerb erst der Einsatz der eben erwähnten Mittel der unsachlichen Beeinflussung entscheidet, bleibt das bloße Verschenken von Waren zu einem bestimmten Zweck – aus der relevanten Sicht der Verbraucher – eben doch eine Leistung und kann für sich gesehen keine Maßnahme des Nichtleistungswettbewerbs darstellen. Diese einfache Überlegung deutet bereits die Schwierigkeiten der wettbewerbsrechtlichen Beeinflussung von Verbrauchern an. Auch § 3 UWG 2004 verwendete nicht den Begriff des Leistungswettbewerbs, sondern sprach von „unlauteren Wettbewerbshandlungen“, über den auch die Gesetzesmaterialien nicht hinausgingen.429 Auch durch die UWG-Novelle 2008 wurde die Begrifflichkeit Leistungs-/Nichtleistungswettbewerb nicht Gesetzeswortlaut, sondern lediglich der die „geschäftliche Handlung“ in § 3 Abs. 1 UWG zum Anknüpfungspunkt für die dort nicht allgemein näher erläuterte Unlauterkeit gemacht. Eine Neuorientierung hat allerdings gerade für den Verbraucherschutz in § 3 Abs. 2 UWG stattgefunden, der die Unlauterkeit in Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie als Verstoß gegen die fachliche
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421 Kritisch auch Hartwig NJW 2002, 38 f. m.w.Nachw. 422 Fezer WRP 2001, 989, 999. 423 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 3. 424 S. eingehend ferner bereits Vorauflage/Schünemann Einl. D Rn. 85 ff. m.w.Nachw.; s.a. Fezer WRP 2001, 989, 997 ff.; Harte/Henning/Podszun § 3 Rn. 93 ff. 425 Bülow GRUR 2012, 889, 890. 426 Vgl. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG bzw. Art. 5 Abs. 2 lit. a) UGP-Richtlinie, dazu näher Fritzsche § 2 Rn. 681 ff. und § 3 Rn. 599 ff. 427 Dazu eingehend m.w.Nachw. Vorauflage/Schünemann Einl. D Rn. 85 ff.; abweichend Drexl in: Schricker Neuorientierung, S. 163, 173 ff., der den Leistungswettbewerbs als subjektiv bestimmt ansieht und ihm deshalb die Eignung als objektives Kriterium abspricht. 428 Vgl. etwa Köhler/Piper³ § 1 Rn. 192 f. m.N. 429 Vgl. BT-Drs. 15/1487, S. 5, 16 ff., 29 ff.
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Sorgfalt ansieht, sofern dieser geeignet ist, „in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.“ Im Grundsatz ist daher weiterhin davon auszugehen, dass die Beurteilung eines 221 Wettbewerbsverhaltens als Verstoß gegen die verbraucherschützenden Funktionen des UWG bei einer Prüfung des einheitlichen Lebensvorgangs anhand der ihn prägenden Gesamtumstände erfolgen muss. Dies gebietet die Berücksichtigung sowohl der betroffenen Interessen der Mitbewerber als auch der Allgemeinheit und der Verbraucher.430 Auch innerhalb der Fallgruppen (bzw. Beispielstatbestände) des Verbraucherschutzes kann sich also das Unwerturteil der Unlauterkeit erst aus dem Zusammenwirken mehrerer Umstände oder aus der Nachahmungsgefahr ergeben, die von Werbemethoden außerhalb des sog. Leistungswettbewerbs ausgehen kann. Insbesondere kann eine Wettbewerbsmaßnahme, die Auswirkungen speziell auf die Interessen der Verbraucher hat, unter Umständen erst durch die Berücksichtigung des zusätzlichen Gesichtspunkts ihrer drohenden Nachahmung wettbewerbswidrig sein, wenn sie die Mitbewerber aus Wettbewerbsgründen faktisch dazu zwingt, zu gleichen oder ähnlichen Mitteln greifen zu müssen.431 Vor allem sind die Interessen der Mitbewerber zwangsläufig tangiert, wenn Kunden sich infolge einer unsachlichen Beeinflussung für das Angebot eines bestimmten Anbieters (oder Nachfragers) entscheiden. Letztlich ist festzuhalten, dass es zwar bestimmte Verhaltensweisen im Wettbewerb 222 gibt, die in erster Linie dadurch gekennzeichnet sind, dass sie in bestimmter Weise auf den Verbraucher (oder sonstigen potentiellen Vertragspartner) einzuwirken versuchen. Ihr Charakteristikum liegt entweder in einer Irreführung (§§ 5, 5a UWG) oder Täuschung im weitesten Sinne, einer Belästigung oder einer sonstigen unsachlichen Beeinflussung. Dies ist inzwischen in den gesetzlichen Beispielstatbeständen des § 4 Nrn. 1–6 UWG sowie dem – nunmehr eigenständigen – Verbotstatbestand des § 7 UWG festgeschrieben. Insofern kann man allerdings kritisieren, dass der Aufbau der Beispielstatbestände sich nicht an den Schutzzwecken des § 1 UWG orientiert, sieht man einmal von der Zusammenfassung verschiedener Tatbestände der irreführenden Werbung in § 5 und der vergleichenden Werbung in § 6 UWG ab. Zu weiteren Fragen der Konkurrenz unterschiedlicher Schutzzwecke s. unten Peu- 223 kert Rn. 332 ff. 4. Vorgaben und Einfluss des Unionsrechts. Im Recht der Europäischen Union ist 224 zwar eine umfassende Kodifikation des Lauterkeitsrechts bislang nicht vorhanden, doch hat die Regelungsdichte in den letzten Jahren erheblich zugenommen.432 Dies gilt in besonderem Maße für den Verbraucherschutz, für den die UGP-Richtlinie eine grundsätzli-
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430 BGH 22.5.1981 – I ZR 85/79 – GRUR 1981, 746, 747 – Ein-Groschen-Werbeaktion; BGH 20.3.1986 – I ZR 228/83 – GRUR 1986, 622 – Umgekehrte Versteigerung I. 431 BGH 26.2.1965 – Ib ZR 51/63 – GRUR 1965, 489, 491 – Kleenex; BGH 18.12.1981 – I ZR 34/80 – GRUR 1982, 425, 430 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH 27.10.1988 – I ZR 29/87 – GRUR 1990, 371, 372 – Preiskampf; BGH 14.3.1991 – I ZR 55/89 – NJW 1991, 2151, 2152 – Motorboot-Fachzeitschrift; BGH 29.6.2000 – I ZR 128/98 – GRUR 2001, 80, 81 – ad-hoc-Meldung; BGH 14.12.2000 – I ZR 147/98 – GRUR 2001, 752, 753 f. – Eröffnungswerbung. 432 Zur Entwicklung der Rechtsvereinheitlichung vgl. eingehend Vorauflage/Schricker Einl. F Rn. 330 ff.; Henning-Bodewig GRUR Int 2002, 389, 391 ff.; Lettl Schutz, 2 ff.; zum Stand der Rechtsvereinheitlichung sowie zur Handhabung des vereinheitlichten Bereichs in den einzelnen Mitgliedstaaten Hucke S. 40 ff., 62 ff. sowie 126–388; Lettl Schutz, S. 151 ff. s.a. Ohly S. 69 ff.; Micklitz/Kessler GRUR Int 2002, 885 ff.
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che Vollharmonisierung gebracht hat, die allerdings gem. Art.3 UGP-Richtlinie noch einige Ausnahmebereiche kennt. Auch die IrreführungsRL sowie die Grundfreiheiten spielen eine Rolle.433 a) Der Einfluss der Grundfreiheiten. Bei der Anwendung des § 1 UWG 1909 waren, soweit es um seine Funktionalisierung im Rahmen des Verbraucherschutzes geht, die Grundfreiheiten des AEUV zu beachten.434 Daran hat sich grundsätzlich auch unter der Geltung des UWG 2004 nichts geändert, während es durch die Umsetzung der UGPRichtlinie ab Ende 2008 zu einer Vollharmonisierung gekommen ist, soweit Art. 3 UGPRichtlinie keine Ausnahmen zulässt, für welche die Grundfreiheiten weiter von Bedeutung bleiben. Dabei muss man sich vor Augen führen, dass die Einordnung von – darum geht es beim Verbraucherschutz zumeist – Werbemaßnahmen zu den Grundfreiheiten nicht ganz einfach ist. Die Werbung als solche, also die Leistung von Werbeagenturen und anderen Unternehmen, stellt selbstverständlich eine Dienstleistung dar und genießt den Schutz des Art. 56 AEUV. Soweit es jedoch um die konkrete Werbung für eine einzelne Ware oder Dienstleistung geht, muss man sie als „akzessorisch“ ansehen und dementsprechend auf die beworbene Ware und Art. 34 AEUV bzw. die beworbene Dienstleistung und Art. 56 AEUV abstellen.435 226 Der EuGH hat immer wieder ausgesprochen, dass nationale Verbote irreführender Verhaltensweisen im weitesten Sinne die Warenverkehrsfreiheit des Art. 34 AEUV nicht verletzen, denn zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen vermögen, zählen insbesondere der Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Verbraucherschutz.436 Ob nach dem autonomen Recht der Mitgliedstaaten zwingende Gründe ein Verbot erfordern, müssen die Gerichte des jeweiligen Mitgliedstaats entscheiden.437 Als zulässig anzusehen sind insbesondere nationale Verbote von Zugaben bzw. allgemeiner von Gratisgaben.438 Durch die Keck-Rechtsprechung wurden zudem diskriminierungsfrei gehandhabte Regelungen über Verkaufsmodalitäten, zu denen insbesondere Werberegelungen typischerweise zählen, aus dem Anwendungsbereich des Art. 34 AEUV ausgenommen, so dass es bei ihnen einer Rechtfertigung nicht bedarf. 227 Anders verhält es sich jedoch bei der im Werbebereich ebenfalls oft einschlägigen Dienstleistungsfreiheit, auf die die Keck-Rechtsprechung bislang mit guten Gründen nicht übertragen wurde.439 Hier bedarf es somit, sobald eine Beschränkung vorliegt, einer Rechtfertigung aus überwiegenden Gründen des Allgemeininteresses. Auf diese Aspekte ist bei einzelnen Verbraucherschutztatbeständen, insbesondere Telefon- und ähnlichen Werbeverboten, jeweils gesondert zurückzukommen. 225
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433 Vgl. Köhler/Bornkamm Einl. 3.14. 434 Vgl. dazu eingehend Vorauflage/Schricker Einl. F Rn. 318 ff.; näher auch Beater Rn. 439 ff., 479 ff. 435 Vgl. Schwarze/U. Becker, EU-Kommentar, Art. 28 Rn. 48, dort Rn. 77 auch zur Kritik an dieser formalen Betrachtungsweise; Rolshoven S. 56 f. Fn. 95. 436 EuGH 13.12.1990 – C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 = GRUR Int. 1991, 215, 216 Tz. 12 – Pall/Dahlhausen; EuGH 18.5.1993 – C-126/91 – Slg. 1993, I-2361 = GRUR 1993, 747 f. Tz. 12 – Yves Rocher; EuGH 2.2.1994 – C-315/92 – Slg. 1994, I-317 = GRUR 1994, 303, 304 Tz. 15 – Clinique; EuGH 5.4.2001 – C-123/00 – Slg. 2001, 2795. Tz. 21 f. = WRP 2001, 525 – Bellamy (zu – aus deutscher Sicht betrachtet – einem Verbot der Werbung mit Selbstverständlichkeiten, das den Vorgaben in Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 79/112 entsprach). – Vgl. zum Ganzen auch Hucke S. 65 ff. m.w.Nachw. 437 EuGH 9.7.1997 – C-34/95, C-35/95 und C-36/95 – Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913, 917 Tz. 52 – De Agostini, zu Art. 49 EG (Art. 59 a.F.). 438 EuGH 15.12.1982 – C-286/81 – Slg. 1982, 4575 Tz. 18, 20 = GRUR Int. 1983, 648, 650 – Osterhoek. 439 Ebenso Lettl S. 144.
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b) Möglichkeiten und Stand der Rechtsvereinheitlichung. Das Sekundärrecht enthielt bislang im Wesentlichen partielle Regelungen, die sich entweder – aus deutscher Sicht – unmittelbar mit Fragen des unlauteren Wettbewerbs befassen oder zumindest Ausstrahlungswirkungen zeitigen können. Dabei sind hier nur die für die Fragen des Verbraucherschutzes im Sinne einer unlauteren Kundenwerbung zu behandeln. Heute ermöglicht Art. 169 Abs. 2 AEUV nur eine ergänzende Verbraucherschutzpolitik, insbesondere durch Maßnahmen der Rechtsangleichung nach Art. 114 AEUV.440 Unmittelbar mit Fragen des verbraucherbezogenen unlauteren Wettbewerbs beschäftigte sich bislang vor allem zunächst die sog. Irreführungsrichtlinie,441 der seit langem eine große Bedeutung zukam. Nicht übersehen darf man auch die Harmonisierung des Verbraucherschutzes durch sonstige spezielle Rechtsakte der Europäischen Union, die zum Teil spezielle Regelungen zur Verbraucherwerbung enthalten und im übrigen Auswirkungen auf die Anwendung des § 3 UWG haben können.442 Die Probleme der lange Zeit nicht deckungsgleichen Verbraucherleitbilder von BGH und EuGH443 stellte kein singulär deutsches Phänomen dar. Vielmehr galt das Leitbild des mehr oder weniger flüchtigen Verbrauchers außer in Deutschland auch noch in Österreich und den skandinavischen Ländern.444 Aber auch in Ländern, die schon länger von einem mehr oder weniger aufmerksamen und vernünftigen Durchschnittsverbraucher ausgehen, gibt es im Einzelfall durchaus Ausnahmen.445 Da unterschiedliche Schutzstandards in einzelnen Mitgliedstaaten zu Wettbewerbsverzerrungen im Gemeinsamen Markt führen können, ist eine weitere Harmonisierung des Wettbewerbs- bzw. Lauterkeitsrechts in Europa sinnvoll. Dies gilt umso mehr, als die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten auch ganz unterschiedlichen Schutzkonzepten im Wettbewerbsrecht folgen.446 Zwar ließe sich auch ohne weiteres Tätigwerden der Union eine Harmonisierung dadurch vorantreiben, dass die Gerichte und Behörden aller Mitgliedstaaten dem europäischen Verbraucherleitbild folgen sowie eine einheitliche Konkretisierung der Vorgaben der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung erfolgt.447 Indes ermöglicht ein solches Vorgehen lediglich eine tatsächliche Harmonisierung eines rechtlich bereits vereinheitlichten Bereichs und ist zur Lösung des Grundproblems nicht geeignet, das gerade in der fehlenden Harmonisierung außerhalb des Irreführungsrechts liegt. Von daher war es zu begrüßen, dass die Kommission wegen bestehender Unterschiede in den Lauterkeitsrechten der Mitgliedstaaten i.w.S. eine Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt vorgeschlagen und darüber hinaus ein Grünbuch zum Verbraucherschutz in der Europäischen Union veröffentlicht hat.448 Die Verordnung über Verkaufsförderung sollte grundsätzliche nationale Verbote von Maßnahmen der Verkaufsförderung ausschließen und EU-weit einheitlich bestimmte Grenzen von Ver-
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440 Beater Rn. 464 ff. m.w.N. 441 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. EG L 250 v. 19.9.1984, 17, geändert durch Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung ABl.EG Nr. L 290 v. 23.10.1997, 18. 442 Vgl. dazu Kur S. 116–120, 122–124. 443 Dazu Vorauflage/Lindacher § 3 Rn. 15. 444 Vgl. näher Hucke S. 230 ff. bzw. S. 294 ff. 445 Vgl. dazu näher Hucke S. 248 ff. zu Belgien, S. 259 zu Luxemburg, S. 271 ff. zu Frankreich, S. 312 ff. zu den Niederlanden. 446 Vgl. zusammenfassend Hucke S. 389 ff. 447 So Hucke S. 431 ff. sowie S. 446 ff. 448 Zum jeweiligen Inhalt näher Göhre WRP 2002, 37 ff.; s.a. Micklitz/Keßler GRUR Int 2002, 885, 892.
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kaufsförderungsmaßnahmen sowie weitreichende Informationspflichten einführen.449 Aufgrund tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten der Mitgliedstaaten führten auch verschiedene Überarbeitungen des ursprünglichen Entwurfs und Kompromissvorschläge mehrerer Ratspräsidentschaften nicht zu einer Verabschiedung, sodass der Vorschlag im Jahr 2006 von der Kommission zurückgenommen wurde. Da der Themenkomplex über Informationspflichten in die UGP-Richtlinie Eingang gefunden hätte, muss und kann eine Lösung nun über den Begriff der wesentlichen Informationen in Art. 7 UGPRichtlinie erfolgen. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken beruht auf langjährigen Vorar232 beiten und einem Vorschlag, 450 der sich allerdings auf den Verbraucherschutz beschränkte. Nach mehrfacher Überarbeitung ist die Richtlinie schließlich verabschiedet worden und 2005 in Kraft getreten. Sie enthält ein Verbot in Gestalt einer Generalklausel (Art. 5 Abs. 1), das lediglich durch nähere Regelungen insbesondere zu irreführenden und aggressiven Praktiken teilweise konkretisiert wird und dem speziellere Regelungen des Sekundärrechts vorgehen, die in einem Anhang aufgeführt werden. Die enthaltenen Beispiele und Regelungen geben Anlass zu einer teilweisen Neuorientierung beim Verbraucherschutz durch das UWG. Von Bedeutung ist ferner die IrreführungsRL, die zwar hinsichtlich der Irreführung mittlerweile nur noch für den Schutz Gewerbetreibender gilt, Art. 14 UGP-Richtlinie. Doch regelt die IrreführungsRL darüber hinaus und ebenfalls abschließend die vergleichende Werbung, die auch Verbraucherrelevanz aufweist. c) Vorgabe eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Unmittelbar mit Fragen des verbraucherbezogenen unlauteren Wettbewerbs beschäftigte sich lange Zeit insbesondere die sog. Irreführungsrichtlinie.451 Ihr kam entgegen dem Eindruck, den man bei der Lektüre der zahllosen Stellungnahmen zu den durch sie begründeten Fragen gewinnen könnte, keineswegs nur im Rahmen des § 3 UWG 1909 Bedeutung zu; sie war in gleicher Weise für bestimmte Fallgruppen des Kundenfangs relevant. Zwar schien Art. 3 der Irreführungsrichtlinie auf den ersten Blick etwas anderes nahe zu legen, da dort insbesondere verschiedene irreführende Angaben als Bestandteile einer Werbung aufgezählt sind. Jedoch handelt es sich bei diesen Angaben nur um Beispiele („insbesondere“), und Art. 3 verlangt ausdrücklich die Berücksichtigung aller Bestandteile einer Werbung bei der Beurteilung der Frage, ob sie irreführend ist. Auch geht die Definition der irreführenden Werbung in Art. 2 Nr. 2 Irreführungsrichtlinie wesentlich weiter, da sie jede Form der Täuschung der Werbeadressaten erfasst, die deren wirtschaftliches Verhalten beeinflussen oder Mitbewerber schädigen kann.452 234 An diesen Erwägungen hat sich letztlich nichts geändert, auch wenn die Irreführungsrichtlinie 84/450/EG mittlerweile nur noch für den Schutz Gewerbetreibender gilt, 233
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449 Vgl. Fezer WuW 2002, 217. 450 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), KOM (2003) 356 endgültig v. 18.6.2003. – Vgl. auch die wesentlich differenzierteren Vorschläge von Micklitz/Keßler GRUR Int 2002, 885, 899 ff. 451 Ursprünglich Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. EG L 250 v. 19.9.1984, 17, geändert durch Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung ABl. EG Nr. L 290 v. 23.10.1997, 18. 452 Ähnlich Westermann GRUR 2002, 403, 405; wohl auch Lettl 38.
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Art. 14 Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken453 (im Folgenden: UGP-RL). Diese Richtlinie führt zu einer weitreichenden Harmonisierung des Lauterkeitsrechts im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern, Art. 3 UGP-RL, auch wenn in Art. 3 Abs. 3 UGP-RL noch eine Übergangsphase vorgesehen ist. Das bisherige Verbot irreführender Praktiken gegenüber Verbrauchern findet sich nunmehr in Art. 6 Abs. 1 UGP-RL. Danach gilt eine Geschäftspraxis als irreführend nicht nur, „wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist“, sondern auch, „wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher … in Bezug auf einen oder mehrere der nachstehend aufgeführten Punkte täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist“. Die UGP-Richtlinie schreibt für die Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken ein 235 hohes Verbraucherschutzniveau fest,454 das für sich gesehen zunächst nur von begrenzter Aussagekraft ist455 und für die Anwendung auf den konkreten Einzelfall der Konkretisierung bedarf. Hierfür spielt das sog. Verbraucherleitbild eine zentrale Rolle.456 Das hohe Verbraucherschutzniveau ist heute als Verpflichtung der EU-Organe in Art. 114 Abs. 3 AEUV vorgeschrieben, doch liegt darin wegen der Komplexität des Verbraucherschutzes letztlich nur eine Leerfloskel.457 d) Relevante Verbraucherinteressen. Nach Art. 169 Abs. 1 AEUV wird das hohe 236 Verbraucherschutzniveau, soweit hier von Belang, durch den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher gewährleistet. Konkretisiert wird dies in den Erwägungsgründen der IrreführungsRL dahingehend, dass es um den Schutz der Wahl-und Entscheidungsfreiheit der Verbraucher und ihren Schutz vor nachteiligen Entscheidungen geht.458 Besonders deutlich ist dies der Verbrauchergeneralklausel in Art. 5 Abs. 2 lit. b) UGP-Richtlinie zu entnehmen, der eine Eignung zur wesentlichen Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern zur (weiteren) Voraussetzung der Unlauterkeit macht; der Aspekt wird in den Tatbeständen der irreführenden und aggressiven Geschäftspraktiken (Art. 6 Abs. 1, 7 Abs. 1, 8 UGP-Richtlinie) aufgegriffen (vgl. auch Erwägungsgrund 14 S. 3 UGP-Richtlinie), worin man letztlich den in Erwägungsgrund 4, 10 und 12 UGP-Richtlinie erwähnten Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sehen kann. Der Schutz anderer Interessen ist hingegen grundsätzlich den Mitgliedstaaten über- 237 lassen, da der Richtliniengeber hier auf kulturelle und soziale Besonderheiten Rücksichtnehmen will; erwähnt werden dabei in Erwägungsgrund 7 S. 4 UGP-Richtlinie Aspekte wie das Ansprechen in der Öffentlichkeit, die in Deutschland der belästigenden Werbung i.S.v. § 7 Abs. 1 UWG zugeordnet werden können.459 Der Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation wird durch die spezielle Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunika-
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453 Richtlinie 2005/29/EG des Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), ABl. EU L 149/22 v. 11.6.2005. 454 Vgl. Erwägungsgründe 1, 5, 11, 20, 34, 24 sowie Art. 1 UGP-Richtlinie. 455 Weitergehend Scherer WRP 2013, 977 ff. (Rn. 5 ff.). 456 Zutreffend Scherer WRP 2013, 977 ff. (Rn. 5 ff.). 457 Beater Rn. 466 f. 458 Erwägungsgrund 4 IrreführungsRL; ebenso bereits Abs. 3 und 4 Erwägungsgründe RL 84/450/EWG. 459 Vgl. dazu BGH 1.4.2004 – I ZR 227/01 – GRUR 2004, 699, 700 – Ansprechen in der Öffentlichkeit I; BGH 9.9.2004 – I ZR 93/02 – GRUR 2005, 443, 445 – Ansprechen in der Öffentlichkeit II; Köhler/Bornkamm § 7 Rn. 63 ff.
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tion 2002/58/EG gewährleistet, die der deutsche Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 UWG teilweise umgesetzt hat460 und die grundsätzlich neben die UGP-Richtlinie tritt.461 238
5. Geschützte Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Aus den Vorgaben der UGP-Richtlinie ergibt sich, dass das UWG mit seinen Verbraucherschutzvorschriften in erster Linie die Grundlagen für eine informierte Entscheidung des Verbrauchers und den eigentlichen Entscheidungsprozess schützt. Außerhalb der Vollharmonisierung tritt der Schutz der Privatsphäre gegenüber Belästigungen hinzu.
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a) Schutz der Entscheidungsgrundlagen und des Entscheidungsprozesses. Im heutigen UWG stellt der Schutz einer informierten und damit rationalen Entscheidung das wohl wichtigste Element des Verbraucherschutzes dar. Dies ergibt sich besonders deutlich aus dem Wortlaut der Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 S. 1 UWG mit ihrem Relevanzerfordernis, ferner aus dem Irreführungsverbot des § 5 UWG und dem faktischen Informationsgebot des § 5a UWG. Damit der Verbraucher eine informierte Entscheidung rational treffen kann, bedarf es zunächst eines Schutzes der Entscheidungsgrundlagen und des Entscheidungsprozesses.462 Hierin liegt der Kern des Schutzes der wettbewerblichen Autonomie der Verbraucher.463 Teils wird dieser Schutz auch in den Zusammenhang einer „Schiedsrichterfunktion“ des Verbrauchers gestellt: Der Verbraucher entscheidet mit seiner Nachfrage darüber, welches Angebot ihm als das preiswürdigste oder qualitativ hochwertigste oder das mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis erscheint. Damit nimmt der Verbraucher eine ganz wesentliche Rolle und Funktion im Marktgeschehen ein, die Anlass gibt, seine Entscheidungen besonders zu schützen, damit er zu einem möglichst „zutreffenden“ Ergebnis gelangt.464 Damit er die richtige Entscheidung trifft, benötigt er bestimmte wesentliche Informationen, die ihm nicht vorenthalten und auch nicht in zu Missverständnissen geeigneter Weise gegeben werden dürfen. Dies gewährleistet den Schutz der Verbrauchersouveränität als wichtiges Kriterium für den Schutz des lauteren Wettbewerbs.465 240 Der Schutz der Entscheidungsgrundlagen wird dabei durch das Verbot irreführender geschäftlicher Handlungen in § 5 und § 5a UWG sowie in § 4 Nr. 1 bis 6 UWG Rechnung getragen; ergänzend tritt die Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 UWG hinzu (zum Verhältnis dieser Norm zu den Spezialtatbeständen s. Peukert § 3 Rn. 93 ff. und Fritzsche § 3 Rn. 594 ff., 639 ff.). 241
b) Schutz vor unsachlicher Beeinflussung (vgl. § 4 Nr. 1 UWG). Als Grundgedanken der verbraucherrelevanten Fallgruppen des § 1 UWG 1909 kann man den Schutz der Verbraucher vor einer unsachlichen Beeinflussung durch die anderen Marktbeteiligten und ihre Hilfspersonen im weitesten Sinne ausmachen. Damit ist die wettbewerbsrechtliche Beurteilung also stets am Obergedanken der Verhinderung einer unsachlichen Beeinflussung466 von Verbrauchern bzw. allgemeiner von potentiellen Vertragspartnern zu messen. In der Neufassung formuliert § 4 Nr. 1 UWG es als ausdrückliches Regelbeispiel unlauteren Wettbewerbs, die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern und sonstigen
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460 Zu Umsetzungsmängeln Köhler WRP 2012, 1329, 1330 ff. 461 Zum Verhältnis der Richtlinien Köhler WRP 2012, 1329, 1331 f. 462 Beater Rn. 471 f., 1084 f., näher Rn. 1175 ff. zu den Grundlagen der Entscheidung und Rn. 1568 ff. zum Entscheidungsprozess und den dafür relevanten Umständen; Harte/Henning/Podszun § 1 Rn. 51 ff.; Köhler/ Bornkamm § 1 Rn. 16 ff. 463 Beater Rn. 1134 ff. 464 Näher Beater FS Tilmann, 87 ff. sowie Rn. 1093 f., 1175; ferner Drexl 91 ff., 128 ff.; Lettl 88 ff. 465 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 17; ähnlich Fezer/Fezer § 3 Rn. 218 ff. im Kontext des Leistungswettbewerbs. 466 Ähnlich Speckmann Rn. 351, 369 ff.: „unlautere Kundenbeeinflussung“.
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Marktteilnehmern unsachlich zu beeinflussen.467 Damit formuliert § 4 Nr. 1 UWG letztlich den Grundgedanken aus Art. 1 und 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie als konkreten Tatbestand. Diesen Grundgedanken darf man bei der Beurteilung geschäftlicher Handlungen nie 242 aus den Augen verlieren, da das Betreiben von Wirtschaftswerbung im weitesten Sinne durch die Art. 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG geschützt wird468 und jegliche Form der Werbung im weitesten Sinne darauf abzielt, einen potentiellen Vertragspartner zu beeinflussen, sich für den Werbenden und seine Angebote zu entscheiden. Dennoch folgt aus dem Schutz der Verbraucher vor unsachlicher Beeinflussung kein allgemeines Sachlichkeitsgebot für die Werbung.469 Der Gedanke eines Sachlichkeitsgebots geht offenbar auf Callmann zurück, der es 1929 formulierte. Er fand schnell Eingang in die wettbewerbsrechtliche Literatur und Rechtsprechung 470 und wurde insbesondere bei verbraucherschützenden Fallgruppen häufig herangezogen. Im Schrifttum hat sich die These, in der Werbung gelte der „allgemeine Grundsatz, dass eine Werbung sachlich sein soll“,471 lange gehalten. Da die Rechtsprechung ein solches Gebot aber ablehnt und auch Art. 5 Abs. 3 S. 2 UGP-Richtlinie gegen seine allgemeine Anerkennung spricht, darf man in der Werbung z.B. bekannte Persönlichkeiten einsetzen, um deren positives Image für die Wertschätzung der eigenen Angebote einzusetzen.472 Übertreibung in der Werbung ist nach Art. 5 Abs. 3 S. 2 UGP-Richtlinie ebenso eine gängige und anerkannte rechtmäßig Praxis wie der Einsatz von Humor und Ironie, die der verständige Durchschnittsverbraucher in der Regel als solche zu erkennen vermag.473 Deshalb darf mittlerweile auch der deutsche Verbraucher von Werbung mehr oder weniger unterhalten werden. Dies ist früher von der Instanzrechtsprechung teils anders gesehen worden,474 doch schlägt auch hier der Paradigmenwechsel im Verbraucherleitbild durch. Dem Sachlichkeitsgebot kommt also nur in bestimmten Konstellationen Geltung 243 zu, und zwar namentlich bei vergleichender Werbung hinsichtlich der Objektivität des Vergleichs bei § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG,475 bei Informationen des Werbenden gegenüber den Medien476 sowie für die Angehörigen bestimmter freier Berufe auf der Grundlage ihrer jeweiligen Berufsordnung.477 – Zum Sachlichkeitsgebot im Zusammenhang mit Imagewerbung vgl. unten Rn. 265 f., 279.
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467 Vgl. Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 1.7. 468 Dazu unten Rn. 93 ff., 110 ff. 469 BGH 14.12.2000 – I ZR 147/98 – GRUR 2001, 752, 754 – Eröffnungswerbung. 470 Zur Entwicklung eingehend Sosnitza S. 86 ff. m.w.Nachw. 471 Baumbach/Hefermehl vor §§ 3-8 Rn. 6; Wassermeyer GRUR 2002, 126, 127 unter Hinweis auf BGH 4.12.1968 – I ZR 17/67 – GRUR 1969, 283 – Schornsteinauskleidung; in dieser Entscheidung wird ein Sachlichkeitsgebot allerdings lediglich für die vergleichende Werbung formuliert, vgl. S. 285, für die man es heute auf § 6 2 Abs. 2 Nr. 2 stützen kann, vgl. Köhler/Piper³ § 2 Rn. 38 m.w.Nachw. 472 BGH 14.12.2000 – I ZR 147/98 – GRUR 2001, 752, 754 – Eröffnungswerbung. 473 So zur vergleichenden Werbung BGH 12.7.2001 – I ZR 89/99 – GRUR 2002, 72, 74 – Preisgegenüberstellung im Schaufenster; BGH 17.1.2002 – I ZR 215/99 – GRUR 2002, 828, 830 – Lottoschein; OLG München 22.8.2002 – 29 U 3339/02 – GRUR-RR 2003, 189, 190 – Dogge; Eck/Ikas WRP 1999, 251, 269; s.a. zur österreichischen Sicht H. Schmidt WRP 2000, 998, 1000. 474 S. etwa OLG Köln 2.6.1980 – 6 W 15/80 – WRP 1980, 715; KG 28.11.1990 – 27 U 617/89 – WRP 1991, 312 – Naschen erlaubt m.Anm. Möllering; bedenklich zu § 2 Abs. 2 Nr. 5 auch OLG Jena 28.8.2002 – 2 U 268/02 – GRUR-RR 2003, 254 f. – Fremdgehen; OLG München 16.9.1999 – 6 U 2646/98 – NJWE-WettbR 2000, 177, 178 – Hängen Sie noch an der Flasche? 475 Köhler/Piper § 2 Rn. 38 m.w.Nachw.; zur Zulässigkeit von Ironie im Rahmen von § 62 Abs. 2 Nr. 5 vgl. die o.g. Rspr. 476 Vgl. Köhler/Piper § 1 Rn. 49. 477 Vgl. nur BGH 27.4.2000 – I ZR 292/97- GRUR 2000, 822, 823 – Steuerberateranzeige; BGH 19.4.2001 – I ZR 46/99 – GRUR 2002, 81, 82 – Anwalts- und Steuerkanzlei; BGH 1.3.2001 – I ZR 300/98 – GRUR 2002, 84, 85 – Anwaltswerbung II; BGH 21.2.2002 – I ZR 281/99 – GRUR 2002, 902, 904 – Vanity-Nummer; BVerfG 26.8.2003 – 1 BvR 1003/02 – GRUR 2003, 966, 968 – Internetwerbung von Zahnärzten; BGH 9.10.2003 – I ZR 167/01 – GRUR 2004, 164, 165 – Arztwerbung im Internet; BGH 27.1.2005 – I ZR 202/02 – GRUR 2005,
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c) Feststellung der unsachlichen Beeinflussung. Die entscheidende Frage lautet, wann die mit jeder Werbung verbundene Beeinflussung der als potentielle Kunden angesprochenen Verkehrskreise den Bereich des Sachlichen und damit des Zulässigen verlässt und ins Unsachliche übergeht. Die oben erwähnten traditionellen Fallgruppen bieten dafür Anhaltspunkte, sind aber nicht allzu verlässlich. Das hängt auch damit zusammen, dass man nach einmal erfolgter Fallgruppenbildung meist versucht hat, neue Phänomene in die alten Schubladen zu sortieren. So hat man etwa die Umweltwerbung meist bei der Gefühlsausnutzung untergebracht, was zwar nicht völlig verfehlt ist, den Kern aber nur in Teilbereichen trifft. Zu den relevanten Gesichtspunkten des Kundenfangs ist zu sagen: Ein deutlich auszumachender erster Aspekt ist sicherlich das Verbot der Täu245 schung, also das in § 5 Abs. 1 S. 1 UWG (und diversen Tatbeständen des UWG-Anhangs) zu findende Wahrheitsgebot. Dieses deckt sich zwar nicht mit dem achten Gebot des Alten Testaments, ist aber offensichtlich tief im gesellschaftlichen Grundverständnis verwurzelt; Hefermehl hat die Täuschung als etwas anderes als eine unsachliche Beeinflussung gesehen.478 Das ist sicherlich nicht völlig von der Hand zu weisen, bei weitem Verständnis wird die Verbraucherentscheidung aber auch durch unrichtige und irreführende Werbung in die falsche Richtung gelenkt. In der Neufassung des UWG ist dies z.T. explizit geregelt, nämlich in § 4 Nrn. 3–5 UWG sowie vor allem im Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG mit der ergänzenden Regelung zur Irreführung durch Unterlassen in § 5a UWG aufgegangen. 246 Ein zweiter relativ klarer Aspekt betrifft das Belästigungsverbot: Die Privatsphäre hat heute eine hohe Bedeutung und soll auch von unerwünschter Werbung freigehalten werden.479 Bei den weiteren traditionellen Fallgruppen wird es dann aber schwierig. Denn die „Kundenbestechung“ durch Wertreklame ist im Gegensatz zu früher nicht mehr generell unzulässig, sondern nur noch ganz ausnahmsweise bei Hinzutreten weiterer Aspekte;480 insofern kommen wiederum die Täuschung, aber vielleicht auch ein rechtlicher oder psychischer Kaufzwang oder ein übermäßiges Anlocken, auf jeden Fall heute aber die fehlende Transparenz der Angebotsbedingungen481 in Betracht. Der rechtliche Kaufzwang steht in der Nähe eines dritten deutlichen Aspekts, nämlich des Nötigungs- bzw. Druckverbots.482 Die freie Willensbetätigung wird also auch geschützt, wie das Täuschungsverbot ebenfalls nahe legt; die Gesamtparallele zur Wertung des § 123 BGB ist unverkennbar. Weitere Aspekte lagen früher im Hervorrufen eines psychischen Kaufzwangs und der Übersteigerung von Werbemaßnahmen, die man typischerweise mit dem Stichwort vom übertriebenen Anlocken gekennzeichnet hat. Diese Figur war vor allem in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung außerordentlich beliebt, wird aber vom BGH und mittlerweile auch von anderen Gerichten seit einigen Jahren sehr restriktiv gehandhabt, da ihr Vorliegen mittlerweile so gut wie immer verneint wird. Diese Entwicklung ist durch die Aufhebung von RabattG und ZugabeVO sowie die Schaffung des UWG 2004 weiter vorangetrieben worden, so dass dieser Gedanke zwar nicht völlig zu Grabe getragen ist, aber nur noch Ausnahmecharakter hat.483
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520, 521 – Optimale Interessenvertretung; OLG Braunschweig 31.10.2002 – 2 U 33/02 – NJW-RR 2003, 686, 688; OLG Frankfurt 17.5.1999 – 6 W 56–99 – NJW 1999, 2826; OLG Zweibrücken 7.2.2002 – 4 U 90/01 – NJWRR 2002, 1066; vgl. auch Balzer S. 79 ff.; Steinbeck NJW 2003, 1481, 1482, 1484. 478 Baumbach/Hefermehl § 1 Rn. 5 gegen Ende. 479 Vgl. jetzt § 7 UWG. 480 Piper/Ohly/Sosnitza § 4.1 Rn. 1/53. 481 Vgl. § 4 Nrn. 4 und 5 UWG. 482 Vgl. § 4 Nr. 1 Alt. 1 UWG. 483 Vgl. Steinbeck GRUR 2005, 540 ff.
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d) Schutz vor überhöhten Preisen bzw. des Interesses an Wettbewerb? Beater 247 vertritt die Ansicht, der Verbraucherschutz durch das UWG habe auch die Verhinderung überhöhter Preise zum Gegenstand, und begründet dies u.a. mit Hinweisen auf das europäische und österreichische Recht.484 Dabei verweist er auch auf das Verbraucherinteresse an Preis- und sonstigem Wettbewerb.485 Bei näherer Betrachtung vollzieht sich dieser Schutz allerdings allein durch die Existenz von Wettbewerb und zählt eher zum Schutz des Wettbewerbs als Institution, dem das UWG nur in untergeordneter Hinsicht – aber immerhin auch – dient. Dass durch den Schutz des Wettbewerbs an sich, wie ihn insbesondere die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen gewährleisten, zugleich Verbraucherinteressen berücksichtigt werden, ist eine zwangsläufige Folge des Schutzes eines Allgemeininteresses. Die Fallgruppen der ruinösen Preisunterbietung und/oder des Verkaufs unter Einstandspreis kann man von daher nur mit viel gutem Willen als Ausdruck des Schutzes des Verbrauchers gegen überhöhte Preise ansehen.486 Sicherlich deckt sich das Interesse des Verbrauchers an Wettbewerb und niedrigen Preisen bis zu einem gewissen Grad mit seinem Interesse am Schutz der Entscheidungsgrundlage.487 Man sollte sie also an ihrem bisherigen systematischen Standort in der Nähe von § 19 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GWB und Art. 102 AEUV belassen, mithin bei der individuellen Behinderung und der allgemeinen Marktstörung. Ein wirklicher Schutz gegen überhöhte Preise dürfte mit § 3 Abs. 1 und 2 UWG kaum durchzusetzen sein. Er würde die Wertungen der §§ 19 f. GWB, Art. 102 AEUV konterkarieren, die bestimmte Verhaltensweisen nur marktbeherrschenden und ähnlichen Unternehmen untersagen. Zudem bleibt die Frage, ob man in überhöhten Preisen ein unlauteres Marktverhalten sehen kann, wenn das Wettbewerbsrecht grundsätzlich die Preisgestaltungsfreiheit anerkennt. Denn dann bedürfte es klarer Kriterien, die bei überhöhten Preisen den Unlauterkeitsvorwurf zu begründen vermögen. Kriterien dafür könnten letztlich nur Verbraucherbzw. Allgemeininteressen liefern, die man ab einem bestimmten Punkt als verletzt ansehen könnte. Doch bleibt dunkel, wie man diesen Punkt ermitteln will – anhand der Gewinnspanne etwa? Letztlich würde das die bekannten Schwierigkeiten der Preismissbrauchskontrolle über marktbeherrschende Unternehmen aus dem Kartell- ins Lauterkeitsrecht übertragen und nicht lösen. Denn wenn ein einzelnes Unternehmen, das nicht marktbeherrschend ist, überhöhte Preise verlangt, besteht kein echter Anlass, dagegen vorzugehen. Beruhen die Preise auf Absprachen i.S.v. § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV bedarf es eines Doppelschutzes über das UWG auch nicht; er würde nicht schaden, aber auch kaum nützen, sieht man einmal von der Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 UWG ab, die weiter ist als diejenige nach § 33 GWB. Jedoch hat die 7. GWB-Novelle 2005 die private Verfolgung von Kartellrechtsverstößen gestärkt, insbesondere durch Änderungen bei der Anspruchsberechtigung, vgl. § 33 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GWB 2005, und beim Schadensersatz, vgl. § 33 Abs. 3 GWB. Seit der 8. GWB-Novelle 2013 ist der kollektive Verbraucherschutz hier noch weiter ausgebaut worden, weil nun auch Verbraucherverbände nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 GWB Kartellrechtsverstöße mit Hilfe von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen sowie Gewinnabschöpfungsansprüchen nach § 34 GWB verfolgen
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484 Beater Unlauterer Wettbewerb (2002), § 14 Rn. 1 ff.; abgeschwächt, aber in Ansätzen auch noch in Beater Rn. 470, 1132, 1138 ff., 1158 ff., wobei in Rn. 1148 ff. betont wird, dass Grundlage eines Verbots von Preiskämpfen usw. nur § 4 Nr. 10 UWG sein könne, und der Schutz in Rn. 470 auf das Irreführungsverbot bzw. Transparenzgebote zurückgeführt zu werden scheint. 485 Beater Rn. 1138 ff. 486 A.A. Beater Unlauterer Wettbewerb (2002), § 14 Rn. 9 ff., anders Beater Rn. 1143 ff., 1148 ff. 487 So Beater Rn. 1144 ff. mit Beispielen aus der Rechtsprechung.
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können, insbesondere also auch gegen überhöhte Preise als Folge von Kartellabsprachen und Marktmachtmissbrauch vorgehen können. 248
e) Schutz sonstiger Verbraucherinteressen und -rechte. Dem Schutz von Verbraucherinteressen oder -rechten, die mit dem Wettbewerb nicht in einem näheren Bezug stehen, mit Mitteln des UWG scheidet in der Regel aus. Zwar können geschäftliche Handlungen in sonstige Rechte der Verbraucher eingreifen, namentlich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Eigentum, Besitz, wenn es um die Übermittlung von Werbung geht; über die Fälle der Belästigung i.S.d. § 7 UWG hinaus greift das Unlauterkeitsrecht hier aber nicht ein.488 Der Schutz gegen Belästigungen kann insofern unabhängig davon eingreifen, ob eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit droht. Sonstige Rechte und Interessen, namentlich Gesundheit und Freiheit bzw. das Vermögen des Verbrauchers, schützt das UWG allerdings allenfalls mittelbar bzw. in Sonderfällen (vgl. § 16 UWG). Grundsätzlich geht ein solcher Schutz, sofern sich ein Bezug zu den geschützten wettbewerblichen Interessen – also der Entscheidungsgrundlagen und der Freiheit der informierten Entscheidung – nicht herstellen lässt, über den Schutzzweck des UWG hinaus.489
f) Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung geschützter Interessen, § 3 Abs. 1 und 2 UWG. Seit der UWG-Novelle 2008 sind geschäftliche Handlungen dann verboten, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Eine entsprechende materielle Voraussetzung enthielt früher nur die Anspruchsberechtigung und Klagebefugnis von Verbänden nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG a.F., doch hat die Übernahme einer Bagatellgrenze in das allgemeine Unlauterkeitsrecht dazu geführt, dass entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein nicht mehr jedweder Wettbewerbsverstoß verfolgt werden kann, sondern nur noch relevante Verstöße, insbesondere bei einer echten Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG. Daher können nun auch Mitbewerber und Kammern nach § 3 Abs. 1 und 2 UWG Bagatellverstöße ohne nennenswerte Marktwirkungen nicht mehr verfolgen. Im Zusammenhang des Verbraucherschutzes spielt das Spürbarkeitserfordernis des § 3 Abs. 1 UWG heute keine Rolle mehr, da es für geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern in § 3 Abs. 2 S. 1 UWG in qualifizierter Weise enthalten ist: Eine Handlung ist u.a. nur dann unlauter, wenn sie geeignet ist, die Entscheidung des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung spürbar zu beeinträchtigen. Keine inhaltliche Änderung ergibt sich durch Austausch der „nicht nur unerheblichen“ Beeinträchtigung gegen die „spürbare“ Beeinträchtigung.490 Eine nicht nur unerhebliche Verletzung von Verbraucherinteressen liegt vor bei be250 lästigender Werbung i.S.v. § 7 Abs. 1 UWG,491 insbesondere bei Telefonwerbung.492 Dagegen ist nicht erforderlich, dass das Wettbewerbsverhalten die Belange einer größeren Anzahl von Verbrauchern betrifft.493 Nach h.M. zu § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durften Verbraucherinteressen nicht nur „am Rande“ berührt sein;494 dies ändert sich künftig in gewisser Weise, da nach § 3 UWG das Erfordernis einer spürbaren Beeinträchtigung geschützter Interessen i.S.v. § 1 S. 1 UWG erforderlich, aber auch hinreichend ist. Ist also
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488 Vgl. Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 20. 489 Harte/Henning/Podszun § 1 Rn. 57 m.w.N. 490 Vgl. Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 46. 491 So Köhler/Piper § 13 Rn. 35. 492 BGH 27.1.2000 – I ZR 241/97 – GRUR 2000, 818, 819 – Telefonwerbung VI. 493 So aber Baumbach/Hefermehl § 13 Rn. 43; dagegen auch BGH 8.6.1989 – I ZR 178/87 – GRUR 1989, 753, 754 – Telefonwerbung II; BGH 8.11.1989 – I ZR 55/88 – GRUR 1990, 280, 281 – Telefonwerbung III. 494 Köhler/Piper § 13 Rn. 15.
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eine nur unwesentliche Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen gegeben, reicht dies zwar für ein verbotenes unlauteres Verhalten i.S.v. § 3 UWG nicht aus. Man wird die Norm aber dahin verstehen müssen, dass die Wesentlichkeitsschwelle auch dadurch überschritten werden kann, dass der Wettbewerb sowohl zum Nachteil der Mitbewerber oder sonstiger Marktteilnehmer als auch der Verbraucher beeinträchtigt wird. Denn es muss nach dem Wortlaut des § 3 UWG das geschützte Interesse spürbar beeinflusst werden können, und zwar zum Nachteil der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer. Im Verbund mit anderen Unlauterkeitsaspekten kann also auch eine geringfügige Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen mitverfolgbar werden. 6. Grundrechte und UWG-Verbraucherschutz. Die verfassungsrechtlichen Grund- 251 lagen von Wettbewerb und Wirtschaftsordnung sowie die Bedeutung der Grundrechte für die Anwendung des UWG sind bereits von Schünemann in der ersten Auflage dieses Kommentars grundsätzlich behandelt.495 Da grundrechtliche Wertungen bei der Beurteilung der verbraucherschützenden Aspekte des UWG aber eine besondere Rolle spielen und das BVerfG darauf in jüngerer Zeit mehrfach deutlich hingewiesen hat,496 bedarf die Problematik an dieser Stelle im Hinblick auf den Schutz der Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern näherer Betrachtung. a) Berücksichtigung der Grundrechte bei der Anwendung des UWG. Es ist heute 252 allgemein anerkannt, dass die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat sind, sondern auch im Verhältnis zwischen Privatpersonen untereinander wirken.497 Nach der herrschenden Lehre der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte498 gelten die Grundrechte zwar nicht als gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) oder Schutzgesetze (§ 823 Abs. 2 BGB) unmittelbar für den privaten Rechtsverkehr.499 Die Grundrechte als objektive Grundsatzentscheidungen wirken jedoch auf das Privatrecht ein (sog. „Ausstrahlungswirkung“). Die Auslegung und Anwendung des Privatrechts hat demzufolge im Lichte der Grundrechte zu erfolgen, ohne dass daraus – insbesondere im Bereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG – eine allgemeine Tendenz für oder gegen die Zulässigkeit eines Verhaltens abzuleiten wäre, da aus den Grundrechten im Privatrecht in erster Linie Erkenntnisse für die berührten Belange und das Ausmaß ihrer Schutzbedürftigkeit abzuleiten sind.500 Vor allem die Generalklauseln des Zivilrechts bilden das Einfalltor für grundrecht- 253 liche Wertungen im Zivilrecht. Somit sind die grundlegenden Wertungen des Verfassungsrechts, insbesondere die Grundrechte, bei der Auslegung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel(n) zu berücksichtigen501 und werden von der Rechtsprechung auch berücksichtigt. Dies war insbesondere für § 1 UWG 1909 bereits seit langem anerkannt und hat für die in den letzten Jahren ablaufende Liberalisierung der Wettbewerbsrecht-
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495 Vgl. Vorauflage/Schünemann Einl. A Rn. 43 ff. sowie Rn. 61 ff. 496 Zuletzt BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1059 – Therapeutische Äquivalenz. 497 St. Rspr. seit BVerfG 15.1.1958 – 1 BvR 400/57 – BVerfGE 7, 198, 204 ff. = NJW 1958, 257 – Lüth. 498 S. etwa Palandt/Grüneberg § 242 Rn. 8; MünchKommBGB/Armbrüster § 134 Rn. 34; Larenz/Wolf AT, § 4 Rn. 52; Staudinger/Sack/Seibl BGB (2011), § 134 Rn. 41 m.w.N. – Ferner speziell zum UWG etwa Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner/Facius § 14 Rn. 30 ff.; Harte/Henning/Podszun § 1 Rn. 123; Piper/Ohly/Sosnitza Einf. D Rn. 1; Götting/Nordemann Einl. Rn.47 ff. 499 Anders noch BAGE 1, 185, 191 ff.; 4, 274, 276 ff. 500 In diesem Sinne Harte/Henning/Ahrens Einl. G Rn. 41 ff. m.w.N.; ähnlich Götting/Nordemann Einl. Rn. 48 ff.; der Sache nach auch juris-PK/Ullmann § 3 Rn. 34 ff. 501 Ackermann WRP 1998, 665, 667; Kulms RabelsZ 63 (1999), 520, 533 f.
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sprechung eine nicht unerhebliche Rolle gespielt.502 Heute werden die Grundrechte bei der Anwendung der beiden unlauterkeitsrechtlichen Verbotsnormen, also bei § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 7 Abs. 1 UWG von den Fachgerichten herangezogen.503 Die verfassungsrechtliche Prüfung hat sich auf die Frage zu beschränken, ob die Auslegung der Generalklausel Fehler enthält, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen und den Umfang seines Schutzbereichs verkennen; das ist der Fall, wenn die Fachgerichte bei der Auslegung der Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigen oder die Auslegung im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt.504 Widerstreitende Grundrechte bedürfen ggf. der Abwägung.505 Darüber hinaus hat das BVerfG mehrfach betont, dass es aus verfassungsrechtlichen 254 Gründen für die Anwendung des § 1 UWG 1909 und seiner Fallgruppen nicht mehr ohne weiteres ausreicht, den jeweiligen Sachverhalt unter die entsprechenden Tatbestandsmerkmale zu subsumieren. Vielmehr bedürfe es in jedem Einzelfall zusätzlich einer Berücksichtigung der von einem Unterlassungsgebot tangierten Grundrechte und einer Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips.506 Dies gelte insbesondere dann, wenn das Unterlassungsgebot einen Eingriff in die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG bedeutet, was bei Werbemaßnahmen zumeist der Fall sein wird (dazu gleich). Der Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen durch ein Verbot von Wettbewerbshandlungen bedarf der Rechtfertigung, die sich aus der Gefahr eines (erstmaligen oder wiederholten) Wettbewerbsverstoßes ergibt.507 Daher muss, so das BVerfG aaO. wörtlich, „eine Fallprüfung, die der Bedeutung und Tragweite des berührten Grundrechts Rechnung tragen soll, bei der Frage ansetzen, ob die in der Werbeaussage liegende Meinungsäußerung nach Inhalt und Form eine hinreichende Gefährdung der von § 1 geschützten Interessen mit sich bringt“. Die Bestimmung des Schutzgutes ist zwar grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte,508 doch muss eine in Grundrechte eingreifende Entscheidung auch im Wettbewerbsrecht die Frage nach dem Schutzgut behandeln, dessen Gefährdung darlegen und die betroffenen widerstreitenden Grundrechtspositionen abwägen. Dem müssen die Fachgerichte bereits bei der Fallgruppenbildung abstrakt Rechnung tragen.509 Nur wenn
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502 Vgl. auch Drexl Neuordnung, 163, 165. 503 Zum Belästigungsverbot des § 7 UWG s. BGH 22.4.2010 – I ZR 29/09 – GRUR 2010, 1113 Rn. 15 – Grabmalwerbung; BGH 3.3.2011 – I ZR 167/09 – GRUR 2011, 747 Rn. 17 – Kreditkartenübersendung. 504 BVerfG 10.6.1964 – 1 BvR 37/63 – BVerfGE 18, 85, 92 f., 96 = GRUR 1964, 554 – Künstliche Bräunung; BVerfG 11.2.1992 – 1 BvR 153 1/90 – BVerfGE 85, 248, 257 f. = GRUR 1992, 866, 868 – Ärztliches Werbeverbot/Hackethal; BVerfG 4.11.1992 – 1 BvR 79/85 – BVerfGE 87, 287, 323 = NJW 1993, 317, 319 (insofern in – WRP 1993, 209 nicht abgedruckt); BVerfG 17.4.2000 – 1 BvR 721/99 – WRP 2000, 721, 722 – Sponsoring; BVerfG 25.4.2001 – 1 BvR 494/00 – NJW 2001, 1926, 1927; s.a. BVerfG 7.11.2002 – 1 BvR 580/02 – WRP 2003, 69, 70 f. – Anwalts-Ranking im Juve-Handbuch. 505 Vgl. Drexl Neuorientierung, 163, 188. 506 BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1059 f. – Therapeutische Äquivalenz; BVerfG 6.2.2002 – 1 BvR 952/90, – 1 BvR 2151/96 – GRUR 2002, 455, 456 – Tier- und Artenschutz; BVerfG 7.11.2002 – 1 BvR 580/02 – WRP 2003, 69, 70 f. – Anwalts-Ranking im Juve-Handbuch; ähnlich Art. 52 Abs. 1 EUGrundrechtscharta. 507 BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1059 f. – Therapeutische Äquivalenz. 508 St. Rspr., etwa BVerfG 10.6.1964 – 1 BvR 37/63 – BVerfGE 18, 85, 92 f. = GRUR 1964, 554 – Künstliche Bräunung; BVerfG 9.10.1991 – 1 BvR 397/87 – BVerfGE 84, 372, 379 = NJW 1992, 549; BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 362 = GRUR 2001, 170 – Benetton-Werbung I; BVerfG 12.7.2007 – 1 BvR 2041/02 – GRUR 2008, 81, 82 f. (Tz. 43) m.w.N. – Pharmakartell; s. auch BVerfG 7.3.2012 – 1 BvR 1209/11 – MedR 2012, 516 Tz. 18 ff., 29 – Zentrum für Zahnmedizin (m. Anm. Berg sowie Anm. Bonvie, jurisPR– MedizinR 4/2012 Anm. 1). 509 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 364 ff. = GRUR 2001, 170, 173 – BenettonWerbung I; BVerfG aaO. –Therapeutische Äquivalenz; vgl. BVerfG 6.2.2002 – 1 BvR 952/90, – 1 BvR 2151/96
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dies geschehen ist, kommt den von den Fachgerichten erarbeiteten Fallgruppen eine Indizwirkung hinsichtlich der Gefährdung des Schutzgutes zu; das BVerfG hat etwa bei der unlauteren Kundenbeeinflussung oder der individuellen Mitbewerberbehinderung einen hinreichenden Bezug zu den Schutzgütern des § 1 UWG gesehen, nicht aber bei der gefühlsbetonten Werbung und beim Warenartenvergleich510 sowie bei der getarnten Werbung.511 Denn bei diesen Fallgruppen bestehe die Notwendigkeit einer Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und des Rückgriffs auf Prognosen, so dass das Ergebnis der Rechtsanwendung nicht eindeutig vorgegeben ist und es eines Rückgriffs auf Art. 5 Abs. 1 GG bedarf.512 Durch die Kodifizierung diverser Fallgruppen der Rechtsprechung zu § 1 UWG 1909 als Beispielstatbestände der §§ 4 und 7 UWG hat sich die Notwendigkeit einer grundrechtsabwägenden Begründung zwar seit 2004 deutlich reduziert,513 doch sind diese Normen ihrerseits teilweise auch wieder als „kleine“ Generalklauseln ausgestaltet, deren unbestimmte Rechtsbegriffe und Wertungsmöglichkeiten durchaus im Lichte der Grundrechte zu betrachten sind, so etwa die „unangemessene unsachliche Beeinflussung“ in § 4 Nr. 1 UWG oder die „unzumutbare Belästigung“ des § 7 UWG. Daran dürften auch die Wertungen und Vorgaben der UGP-Richtlinie einschließlich ihrer Erwägungsgründe nichts geändert haben, mag die Rechtsanwendung auch dadurch noch komplizierter geworden sein, dass die grundrechtskonforme Auslegung bzw. Anwendung zusätzlich der Richtlinie nicht widersprechen darf. Auch nach den UWG-Reformen 2004 und 2008 sind die Anforderungen, die das BVerfG für die Anwendung des UWG angestellt hat, also weiterhin von Bedeutung, da Normen wie § 4 Nrn. 1 und 2 oder § 7 Abs. 1 UWG weiterhin generalklauselartig ausgestaltet sind; zumindest bei § 4 Nr. 1 und 2 UWG kann man allerdings die Wertung in § 3 Abs. 2 S. 1 UWG mit heranziehen, die mit ihrem Verweis auf die fachliche Sorgfalt, deren Einhaltung vom Unternehmer gegenüber den Verbrauchern in konkreten Situationen zu erwarten ist, inzident zum Ausdruck bringt, dass jedenfalls die durch das UWG geschützten Interessen der Verbraucher die grundrechtliche Handlungs-, Berufsausübungsund Meinungsfreiheit des Unternehmers gegebenenfalls einschränken können. Vor diesem Hintergrund muss das angerufene Gericht eine hinreichende Gefähr- 255 dung des Schutzguts für den Einzelfall dartun, damit ein Grundrechtseingriff überhaupt zu rechtfertigen ist. Zusätzlich muss der Eingriff, das heißt typischerweise das Unterlassungsgebot514 auch noch auf einer Interessenabwägung beruhen und verhältnismäßig sein.515 Mit anderen Worten hat sich der Begründungsaufwand bei der Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Generalklauseln – einschließlich der weit formulierten Beispielstatbestände – deutlich verändert, da es bei fehlender Typisierung der Unlauterkeit durch den Gesetzgeber in Spezialtatbeständen einer angemessenen Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtspositionen im Wege der Abwägung bereits bei der Bildung neuer Fallgruppen und erneut bei deren Anwendung im Einzelfall bedarf. Das zwingt zugleich dazu, die bisherigen Fallgruppen zu § 3 Abs. 1 UWG (bzw. nach deren Bildung auch bei § 3 Abs. 2 UWG) auf ihre Vereinbarkeit mit diesen Grundsätzen hin zu überprüfen. Zu berücksichtigen sind grundsätzlich nicht nur die Vorgaben der Art. 1–19 GG, sondern auch die Grundrechte der EMRK und bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Garantien der
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– GRUR 2002, 455, 456 – Tier- und Artenschutz; BVerfG 11.3.2003 – 1 BvR 426/02 – BVerfGE 107, 275 = GRUR 2003, 442, 443 – Benetton-Werbung II. 510 Vgl. BVerfG 6.2.2002 – 1 BvR 952/90, 1 BvR 2151/96 – GRUR 2002, 455, 456 – Tier- und Artenschutz. 511 BVerfG 7.11.2002 – 1 BvR 580/02 – WRP 2003, 69, 71 – Anwalts-Ranking im Juve-Handbuch. 512 BVerfG aaO. – Tier- und Artenschutz. 513 Harte/Henning/Ahrens Einl. G Rn. 47. 514 Zur Relevanz gerade des gerichtlichen Unterlassungsgebots für die verfassungsrechtliche Beurteilung vgl. bereits BVerfG 13.7.1992 – 1 BvR 303/90 – NJW 1993, 1969, 1970 f. 515 BVerfG aaO. – Therapeutische Äquivalenz, S. 1060; aaO. – Tier- und Artenschutz.
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EU-Grundrechtscharta, doch dürften sich die Unterschiede in engen Grenzen halten. Damit hat sich die grundrechtliche Kontrolldichte wettbewerbsrechtlicher Entscheidungen stark erhöht.516 Der BGH trägt dem mittlerweile in geeigneten Fällen Rechnung.517 Was die EU-Grundrechtecharta angeht, so ist dort in Art. 38 sogar eine Art „Grund256 recht auf ein hohes Verbraucherschutzniveau“ geregelt. Die dahingehende mehr programmatische denn konkrete Aussage des Art. 38 EU-GRCharta begründet jedenfalls keine Individualrechtliche, sondern bildet eine Zielvorgabe, mit der die Regelungen in Art. 12 und vor allem Art. 169 AEUV grundrechtlich unterlegt werden.518 Da die Vorschrift die EU-Organe bei der Schaffung und Anwendung von EU-Recht bindet, hält sich ihre unmittelbare Bedeutung für das deutsche UWG und die Praxis seiner Anwendung in Grenzen. Das gebotene hohe Verbraucherschutzniveau wird durch die UGP-Richtlinie vorgegeben, deren Maßstäbe in den Art. 5 ff. und im Anhang ausreichend sein dürften. Bedeutung kann Art. 38 EU-GRCharta wohl am ehesten im Rahmen der Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie (und ihrer nationalen Umsetzungsakte wie § 3 Abs. 2 S. 1 UWG) erlangen, der nach dem Scheitern der zunächst geplanten Verordnung über Verkaufsförderung unter anderem in deren Anwendungsbereich größere Bedeutung zukommen dürfte. Anders formuliert wird man das Gebot eines hohen Verbraucherschutzniveaus aus Art. 38 EU-GRCharta bei geschäftlichen Handlungen berücksichtigen müssen, die weder irreführend noch aggressiv im Sinne der Art. 6 bis 9 UGP-Richtlinie sind. Allerdings gewährleistet hier wohl die (Verbraucher-)Generalklausel des Art. 5 Abs. 3 UGP-Richtlinie grundsätzlich ein hohes Schutzniveau. Dennoch sind auch die Mitgliedstaaten und ihre Gerichte gem. Art. 51 Abs. 1 S. 1 EU-GRCharta bei der Anwendung von Unionsrecht verpflichtet, dem Gebot des Art. 38 EU-GRCharta auch bei der Anwendung der nationalen Umsetzungsvorschriften bereits vorsorglich Rechnung zu tragen, um Vorlagen an den EuGH nicht allzu oft notwendig werden zu lassen. Im Übrigen ist es dann Aufgabe des Gerichtshofs, der grundrechtlichen Vorgabe Rechnung zu tragen, die sicherlich dazu verpflichtet, dem Gebot des hohen Schutzniveaus im Rahmen der bei der Anwendung der Generalklausel notwendigen Interessenabwägung durch eine entsprechende Gewichtung der Verbraucherinteressen Rechnung zu tragen.519 Da im Rahmen des Verbraucherschutzes das UWG aber der Umsetzung von Unionsrecht dient, trifft die gleiche Verpflichtung die mitgliedstaatlichen Gerichte. Somit ist auch bei der Anwendung der verbraucherschützenden Normen des UWG ein hohes Schutzniveau zugunsten der Verbraucher zu gewährleisten. 257
b) Werbung und Menschenwürde. Mehrfach hat das BVerfG betonen müssen, dass die Menschenwürde als Fundament aller Grundrechte für die Auslegung des § 1 UWG 1909 von Bedeutung sei, was schließlich zur heutigen Regelung in § 4 Nr. 1 UWG geführt hat: Verstößt eine Wettbewerbsmaßnahme – insbesondere im Bereich der Werbung – gegen die Menschenwürde, bedarf es keiner besonderen Rechtfertigung ihres Verbots mehr, da die Menschenwürde auch konkurrierenden Grundrechten anderer – insbesondere der Meinungsfreiheit des Werbenden – eine absolute Grenze setzt.520 Zu-
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516 Eher krit. Brandner FS Erdmann, 2002, S. 533, 541 f. 517 Vgl. zu telefonischen Abwerbeversuchen am Arbeitsplatz BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01 – GRUR 2004, 696, 697 f. – Direktansprache am Arbeitsplatz I. 518 In diesem Sinne auch Callies/Ruffert/Krebber Art. 38 EU-GRCharta Rn. 5; Jarass EU-GRCharta, 2010, Art. 38 Rn. 3 m.w.N. – S. ferner die Erläuterungen zur EU-Grundrechte-Charta, ABl. 2007 C 303/17, 28. 519 Jarass EU-GRCharta, 2010, Art. 38 Rn. 8 m.w.N. 520 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 366 f. = GRUR 2001, 170, 174 – BenettonWerbung I/Schockwerbung; BVerfG 11.3.2003 – 1 BvR 426/02 – BVerfGE 107, 275 = GRUR 2003, 442, 443 – Benetton-Werbung II.
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Schutz der Verbraucher
gleich folgt daraus, dass die Bildung von Fallgruppen, die gegen Beeinträchtigungen der Menschenwürde vorgehen sollen, verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig ist. Der Gesetzgeber des UWG 2004 hat dies im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens etwas unmotiviert nachträglich in § 4 Nr. 1 UWG aufgegriffen,521 so dass dort nun Beeinflussungen der Entscheidungsfreiheit von Marktteilnehmern „in menschenverachtender Weise“ aufgeführt sind. Das führt allerdings zu der Frage, wie man „in menschenverachtender Weise“ auf Verbraucherentscheidungen einwirkt, und soll zudem die Konsequenz haben, dass menschenverachtende Aufmerksamkeits- bzw. Imagewerbung von der neuen Vorschrift nicht erfasst wird.522 Ob eine solche Verengung geboten ist, kann man anzweifeln, denn die Begründung zum fraglichen Passus523 nimmt auf den sonstigen Wortlaut des § 4 Nr. 1 UWG keinen Bezug und erweckt eher den Eindruck, dass man hier die Benetton-Rechtsprechung des BGH nachträglich sanktionieren wollte, wenngleich an der Stelle auch auf die zugehörige Rechtsprechung des BVerfG in Gestalt des Urteils BVerfGE 107, 275524 hingewiesen wird. Gleiches gilt überhaupt für die sprachliche Formulierung des § 4 Nr. 1 UWG, in der die Passage über „in menschenverachtender Weise“ wie ein Fremdkörper wirkt. Generell ist anzumerken, dass eine gegen die Menschenwürde verstoßende Werbung wohl nur in Ausnahmefällen anzunehmen ist und der BGH hier in der Vergangenheit vielleicht zu großzügig war.525 Außerdem reicht heute nach § 3 Abs. 1 UWG die bloße Unlauterkeit einer geschäftli- 258 chen Handlung nicht mehr aus, sondern sie ist nur dann verboten, wenn sie zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil von Mitbewerbern, Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern führt. Für die Unlauterkeit im Verhältnis zu Verbrauchern kommt es nach § 3 Abs. 2 S. 1 UWG darauf an, ob die geschäftliche Handlung die auf Informationen gegründete Entscheidungsfähigkeit des Verbrauchers spürbar beeinträchtigen und ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen kann, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine spürbare Beeinträchtigung von Interessen der Verbraucher und Mitbewerber schied in den Benetton-Fällen aber wohl aus, da die Werbung die Verbraucher teils eher abschreckte und somit den Mitbewerbern eher nützte.526 Jedoch erlitten die selbständigen Benetton-Händler Umsatzeinbußen, also sonstige Marktteilnehmer527 so dass man aus diesem Grunde durchaus eine spürbare Wirkung annehmen könnte.528 Doch mag man zweifeln, ob es wirklich vom Schutzzweck des UWG umfasst ist, Angehörige einer Vertriebsstruktur vor Werbemaßnahmen ihrer obersten Ebene zu schützen. Davon abgesehen ist nicht auszuschließen, dass „menschenverachtende“ Werbung in anderen Fällen nur dazu führt, dass das werbende Unternehmen sich selbst schadet. Insofern dürfte es für die Annahme der Unlauterkeit kaum ausreichen, dass ein von der Werbung abgestoßener Verbraucher sich entschließt, bei dem Unternehmen nichts zu kaufen, denn dies entspricht dann einer rationalen Entscheidung aufgrund von Informationen. c) Unlautere Kundenwerbung und Kommunikationsgrundrechte. Ein massives 259 Problem für das traditionell zivilrechtlich geprägte Wettbewerbsrecht bildet vor allem die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit.
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S. Bericht und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Dr. 14/2795, S. 20, 21. So jedenfalls Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 20, 23. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 15/2795, S. 21. BVerfG 11.3.2003 – 1 BvR 426/02 – BVerfGE 107, 275 = GRUR 2003, 442 – Benetton-Werbung II. So Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 23 m.w.N. Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 24. Vgl. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 56. A.A. Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 24, 29.
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Zweck des Gesetzes
Sie zwingt zu einem Überdenken überkommener Wertungen und einer Neuorientierung in der Entscheidungspraxis, gerade was den sog. „Kundenfang“ anbelangt.529 260
(1.) Schutzumfang der Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG. Angesichts der modernen technischen Möglichkeiten scheint sich – zumindest im Zusammenhang mit Werbung und ähnlichen Erscheinungen530 – der Begriff der „Kommunikationsgrundrechte“ einzubürgern,531 der allerdings auch die im Rahmen des UWG kaum relevante Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und die Koalitionsfreiheit (Art. 9 GG) mit einschließt.532 Aus Art. 5 Abs. 1 GG lassen sich ganz verschiedene Grundrechte entnehmen bzw. ab261 leiten. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG enthält die Meinungsfreiheit als „das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“533 (1. Hs.) und die Informationsfreiheit als das Recht, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“ (2. Hs.).534 Meinungsäußerungen sind in erster Linie Werturteile, und zwar unabhängig davon, auf welchen Gegenstand sie sich beziehen und welchen Inhalt sie haben, jedoch auch Tatsachenbehauptungen, soweit sie Voraussetzung zur Bildung eines Werturteils sind.535 Hinzutreten die Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Das Verhältnis dieser einzelnen Grundrechte zueinander ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum umstritten,536 doch spielt das für die hier in Frage stehenden Probleme keine ernsthafte Rolle. Entscheidend ist nur, dass die Kommunikationsgrundrechte überhaupt massiven Einfluss auf die Auslegung des UWG gewinnen. Das hängt von ihrem Schutzumfang ab: 262 Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistet eine umfängliche, von der Informationsbeschaffung bis hin zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen reichende Pressefreiheit.537 Grundrechtsberechtigt sind insoweit alle im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen.538 Von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist ebenfalls die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film umfasst. Wie bei der Pressefreiheit reicht auch der Umfang der Gewährleistung von der Beschaffung der Informationen bis zur Verbreitung von Nachricht und Meinung539 und erstreckt sich auch auf die Werbung und ähnliche Maßnahmen im
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529 Zutreffend Hartwig NJW 2002, 38. 530 Vgl. Sevecke 28 ff. Die Werbung ist zumindest von der Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen (public relations) abzugrenzen, doch dürften die Übergänge fließend sein. Denn ob das Sponsoring, namentlich wenn es mit der öffentlichen Nennung des Namens des Sponsors verbunden ist, nicht in Wirklichkeit einen Fall der Imagewerbung darstellt, kann man sicherlich bezweifeln. 531 Verwendet etwa von BVerfG 14.1.1998 – 1 BvR 1861/93 – BVerfGE 97, 125, 147 = NJW 1998, 1381, 1383 – Caroline von Monaco I; BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170, 174 – Benetton-Werbung I; BK/Degenhart Art. 5 Rn. 2 ff.; Sevecke Wettbewerbsrecht und Kommunikationsgrundrechte, 1997 passim, sowie AfP 1994, 196, [betreffendes Heft aus Sammelband herausgerissen]; Tettinger JuS 1997, 769, 770. 532 Vgl. Flitsch 20 f.; s.a. Vorauflage/Schünemann Einl. a.F. A Rn. 74. 533 Dazu Maunz/Dürig/Herzog Art. 5 I, II Rn. 49 ff.; BK/Degenhart Art. 5 Rn. 6, 86 ff.; v. Münch/Kunig/Wendt Art. 5 Rn. 4 ff.; Jarass/Pieroth Art. 5 Rn. 2 ff. 534 Dazu Maunz/Dürig/Herzog Art. 5 I, II Rn. 81 ff.; BK/Degenhart Art. 5 Rn. 7 f., 318 ff.; v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 22 ff.; Jarass/Pieroth Art. 5 Rn. 14 ff. 535 Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 2; BK/Degenhart Art. 5 Rn. 98 f.; BVerfG 13.2.1996 – 1 BvR 262/91 – BVerfGE 94, 1, 7; – BVerfGE 61, 1, 8; – BVerfGE 65, 1, 41. 536 Vgl. m.w.Nachw. BK/Degenhart Art. 5 Rn. 29 ff.; Sevecke S. 116 f. 537 BVerfG 5.8.1966 – 1 BvR 586/62 – BVerfGE 20, 162, 176 – Spiegel; Maunz/Dürig/Herzog Art. 5 I, II Rn. 118 ff.; BK/Degenhart Art. 5 Rn. 9 ff., 388 ff.; Jarass/Pieroth Art. 5 Rn. 23 ff.; v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 30 ff. 538 BVerfG 5.8.1966 – 1 BvR 586/62 – BVerfGE 29, 162, 175; BK/Degenhart Art. 5 Rn. 551 ff.; Jarass/Pieroth Art. 5 Rn. 28. 539 BK/Degenhart, Art. 5 Rn. 12 ff.; v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 44 ff.; Jarass/Pieroth Rn. 35 ff.
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Schutz der Verbraucher
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Programm wie beispielsweise Gewinnspiele.540 Der Schutz der Medienfreiheiten gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schließt auch das Anzeigen- und sonstige Werbegeschäft ein.541 Außerdem genießt auch eine Werbung, soweit sie Meinungsäußerungen enthält, die über die bloße Produktempfehlung hinausgeht und sich auf politische, soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Fragen bezieht, ihrerseits den Schutz der Meinungsfreiheit.542 (2.) Wechselwirkungen zwischen den Kommunikationsgrundrechten und dem 263 UWG als Schrankennorm. Die Kommunikationsgrundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG werden durch die sog. Schrankentrias des Art. 5 Abs. 2 GG begrenzt, deren bedeutsamste die Schranke der allgemeinen Gesetze ist. Hierunter sind nach umstrittener, aber seit dem Lüth-Urteil des BVerfG543 herrschender Auffassung Gesetze zu verstehen, die sich weder gegen bestimmte Meinungen als solche richten, sondern „die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat“. Zu diesen allgemeinen Gesetzen zählt auch das UWG,544 das somit die Meinungsfreiheit grundsätzlich einschränken kann. Denn das UWG ist nicht kommunikationsbezogen, dient nicht der Beschränkung der Äußerung oder Verbreitung von Meinungen oder des Prozesses der Meinungsbildung insgesamt. Es zielt vielmehr auf die verfassungsrechtlich legitime Kontrolle des Marktverhaltens der Wirtschaftssubjekte, das es in bestimmten Bahnen des Anstandes, der Redlichkeit und der guten kaufmännischen Sitten halten soll.545 Damit die Meinungsfreiheit und die übrigen Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 264 Abs. 1 GG dadurch aber nicht einem Gesetzesvorbehalt unterworfen werden, sind allgemeine Gesetzes wie § 3 Abs. 1 und 2 UWG nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ihrerseits im Lichte der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts zu sehen und so in ihrer grundrechtsbeschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken, sog. Wechselwirkungslehre.546 Dies zwingt im Rahmen der Beurteilung nach Art. 5 Abs. 2 GG zu einer Abwägung der Rechtsgüter und Interessen der Beteiligten.547
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540 Vgl. Pohlmann EWiR 2003, 1055 f. zu BGH – GRUR 2002, 1083, 1085 – Gewinnspiel im Programm. 541 BVerfG 4.4.1967 – 1 BvR 414/64 – BVerfGE 21, 271, 278 = NJW 1967, 976; BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95; – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 359 = GRUR 2001, 170, 172 – Benetton-Werbung I/ Schockwerbung; BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1059 – Therapeutische Äquivalenz; BGH 26.4.1990 – I ZR 127/88 – GRUR 1990, 1012, 1014 – Pressehaftung; BGH 6.7.1995 – I ZR 110/93 – GRUR 1995, 595, 597 – Kinderarbeit; vgl. bereits Lerche Werbung und Verfassung, 1967, S. 77 ff. 542 Vgl. nur BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95; – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170, 173 – Benetton-Werbung I/Schockwerbung; – BVerfGE 107, 275 = GRUR 2003, 1303, 1304 – BenettonWerbung II. 543 BVerfG 15.1.1958 – 1 BvR 400/577 – BVerfGE 198, 209 f. = NJW 1958, 257 – Lüth. 544 Wohl unstr., st. Rspr., – BVerfGE 15.11.1982 – 1 BvR 108, 437, 438/80 – BVerfGE 62, 230, 245 ff. = NJW 1983, 1181 – NDR-Staatsvertrag; BVerfG 4.10.1988 – 1 BvR 1611/87 – NJW 1992, 1153, 1154; BVerfG 11.2.1992 – 1 BvR 153 1/90 – BVerfGE 85, 248, 263 = GRUR 1992, 866, 870 – Ärztliches Werbeverbot/Hackethal; BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 360 = GRUR 2001, 170, 173 – Benetton-Werbung I; BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1060 – Therapeutische Äquivalenz; BK/Degenhart Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 230 m.w.N. 545 BVerfG 8.2.1972 – 1 BvR 170/71 – BVerfGE 32, 311, 316 = NJW 1972, 573; BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 360 = GRUR 2001, 170, 173 – Benetton-Werbung I/Schockwerbung. 546 St. Rspr. BVerfGE 7, 198, 206 ff. = NJW 1958, 257, 258 – Lüth; 12, 124 f.; 61, 1, 10 f.; 102, 347, 362; BGH 6.7.1995 – I ZR 110/93 – GRUR 1995, 593, 597 – Kinderarbeit; h.L., Dreier/Schulze-Fielitz GG, 1996, Art. 5. Rn. 126 ff.; v. Münch/Kuhn/Wendt, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 5 Rn. 75 f.; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 57 ff. 547 BVerfG – NJW 1992, 1153, 1154 m.w.N.
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Zweck des Gesetzes
Da Werbung dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfällt, sind dessen Wertungen bei der Auslegung und Anwendung der privatrechtlichen Normen des § 3 Abs. 1 bzw. § 3 Abs. 2 UWG zu berücksichtigen.548 Wenn Äußerungen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen und nach dem UWG verboten werden sollen, muss im konkreten Einzelfall eine Gefährdung von Schutzbelangen des § 1 UWG dargelegt werden.549 Dies erlangt Bedeutung insbesondere – aber nicht nur – in Fällen der Aufmerksamkeits- und Imagewerbung, die allgemeine, wirtschaftliche, politische, soziale oder kulturelle Themen zu ihrem Gegenstand macht und schon aus diesem Grunde – also durch das bloße Aufgreifen – einen Beitrag zur Auseinandersetzung über das jeweilige Thema liefert und somit dem Schutz der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG unterliegt.550 Auf die Wesentlichkeit des Beitrags kommt es nicht an.551 Aber auch die Presse- und Rundfunkfreiheit sind zu berücksichtigen, wenn es um die Festlegung von Prüfungspflichten von Medienunternehmen hinsichtlich der Wettbewerbsverstöße Dritter und die daran anknüpfende Störerhaftung geht.552
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(3.) Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG) und Werbung. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit für Wirtschaftswerbung ist jedenfalls dann als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, wenn eine Ankündigung einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen.553 Sofern also in der Produkt- oder Imagewerbung Meinungsäußerungen enthalten sind, genießen diese grundsätzlich den Schutz der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.554 Der Schutz der Meinungsfreiheit tritt auch nicht deshalb zurück, weil eine Äußerung wirtschaftliche Vorteile bringen soll und Zwecken des Wettbewerbs dient, denn dies würde einen grundrechtlichen Schutz im wirtschaftlichen Bereich völlig ausschließen.555 267 Dies ist bei der Auslegung von Meinungsäußerungen im Rahmen der Anwendung des § 3 Abs. 1 und 2 S. 1 UWG – aber auch des § 7 UWG556 – zu beachten. Daraus folgt insbesondere, dass sie unter Einbeziehung ihres jeweiligen Kontextes auszulegen sind und ihnen kein Sinn beigemessen werden darf, den sie objektiv nicht haben; insbesondere ist die eventuelle Mehrdeutigkeit einer Äußerung zu berücksichtigen und ihre Deutung in einem bestimmten Sinne, die der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt, nachvollziehbar zu
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548 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170, 173 – Benetton-Werbung I; BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1059 – Therapeutische Äquivalenz. Vgl. auch – BVerfGE 7, 198, 206 ff. = NJW 1958, 257 – Lüth; – BVerfGE 86, 122, 128 f. = NJW 1992, 2409 m. Bespr. Boemke NJW 1993, 2083. – Aus der Literatur. Zur Entwicklung bis Mitte der 1980er Jahre Drettmann S. 62 ff., 93 ff. m.w.N. 549 BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1059 f. – Therapeutische Äquivalenz; BVerfG 6.2.2002 – 1 BvR 952/90, 1 BvR 2151/96 – GRUR 2002, 455, 456 – Tier- und Artenschutz. 550 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170, 173 f. – Benetton-Werbung I. 551 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170, 174 – Benetton-Werbung I; ebenso bereits Sevecke S. 134. 552 Vgl. jetzt BGH 1.4.2004 – I ZR 317/01 – GRUR 2004, 693, 695 – Schöner Wetten. 553 Vgl. BVerfG 19.11.1985 – 1 BvR 934/82 – BVerfGE 71, 162, 175 = GRUR 1986, 382, 385 – Arztwerbung; BVerfG – NJW 1992, 1153 f.; BVerfG 27.5.1994 – 1 BvR 916/94 – NJW 1994, 3342 f. – Mars-Kondom; BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 359 = GRUR 2001, 170 – Benetton-Werbung I. 554 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 359 = = GRUR 2001, 170, 172 – BenettonWerbung I/Schockwerbung; BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1059 – Therapeutische Äquivalenz; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 4 m.w.N.; noch offengelassen von BVerfG 27.5.1994 – 1 BvR 916/94 – NJW 1994, 3342 – Mars-Kondom. 555 BVerfG 4.10.1988 – 1 BvR 1611/87 – NJW 1992, 1153 m.w.N. 556 Zum Belästigungsverbot des § 7 UWG s. BGH 22.4.2010 – I ZR 29/09 – GRUR 2010, 1113 Rn. 15 – Grabmalwerbung; BGH 3.3.2011 – I ZR 167/09 – GRUR 2011, 747 Rn. 17 – Kreditkartenübersendung.
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begründen.557 So darf man die kommentarlose Abbildung eines menschlichen Gesäßes mit dem Aufdruck „H.I.V.-POSITIVE“ nicht als verharmlosende oder verstärkende Ausgrenzung von AIDS-Kranken deuten, ohne sich mit der ebenfalls möglichen Deutung der Abbildung als kritischen Aufruf gegen die Ausgrenzung auseinander zu setzen.558 Im Übrigen hat der Schutz von Werbeaussagen über Art. 5 Abs. 1 GG allerdings zu- 268 nächst dort seine Grenze, wo eine Tatsachenbehauptung zur Meinungsbildung nichts beizutragen vermag, also insbesondere wenn sie nicht erweislich wahr ist.559 Im Bereich des Wettbewerbsrechts ist die Grenze dahin vorzuverlagern, wo von einer Tatsachenbehauptung die Gefahr einer Irreführung oder Täuschung oder einer Herabsetzung von Konkurrenten ausgeht. Daher ist beim Hinweis auf wissenschaftliche Angaben darauf zu achten, dass diese vollständig und nicht herabsetzend sind;560 außerdem spielt es eine Rolle, ob sich die Studien an ein Fachpublikum oder an die Allgemeinheit wenden.561 (4.) Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG. Das Grundgesetz erwähnt au- 269 ßerdem die Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten oder solche Informationen einfach nur entgegenzunehmen, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG.562 Dabei handelt es sich um ein passives „Gegenstück“ zu den übrigen Grundrechten des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG,563 weil es zunächst einmal um die Entgegennahme von Informationen und den Zugang zu ihnen geht. Insofern kann man der Werbung einen Schutz zubilligen, als sie auch Informationen – z.B. über Produkteigenschaften – enthält. – Zur negativen Informationsfreiheit Rn. 289. (5.) Presse- und Rundfunkfreiheit und Werbung. Auch die Presse- und Rundfunk- 270 freiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG spielen bei der Anwendung des Lauterkeitsrechts eine Rolle. Beide Freiheitsrechte erfassen auch die in den Medien enthaltene Werbung und sind deshalb bei der Anwendung der Generalklauseln des Lauterkeitsrechts zu berücksichtigen.564 Ein Anspruch auf ungestörte Werbebetätigung und damit auf ein Verbot von Maßnahmen oder Geräten, welche es dem Werbeadressaten ermöglichen, sich vor Werbung zu schützen, lässt sich daraus aber nicht ableiten, da eine wirtschaftliche Gefährdung derzeit nicht ersichtlich ist.565 (6.) Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG. Gerade die Fälle der Be- 271 netton-Werbung belegen auch die Bedeutung der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) für die
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557 BVerfG 13.2.1996 – 1 BvR 262/91 – BVerfGE 94, 1, 10 f. = NJW 1996, 1529; BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170, 174 f. – Benetton-Werbung I/Schockwerbung; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 81. 558 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170, 175 – Benetton-Werbung I/Schockwerbung. 559 Vgl. BVerfG 13.4.1994 – 1 BvR 23/94 – BVerfGE 90, 241 = NJW 1994, 1779; OLG Hamburg 3.7.2003 – 3 U 211/02 – GRUR-RR 2004, 52, 54 – Kooperation Forum. 560 OLG Hamburg 10.4.2003 – 5 U 115/02 – GRUR-RR 2004, 49, 50 f. – Motorradreiniger. 561 Vgl. BVerfG 1.8.2001 – 1 BvR 1188/92 – GRUR 2001, 1058, 1059 – Therapeutische Äquivalenz; OLG Hamburg 10.4.2003 – 5 U 115/02 – GRUR-RR 2004, 49, 51 – Motorradreiniger. 562 Aktive und passive Informationsfreiheit, vgl. BVerfG 3.10.1969 – 1 BvR 46/65 – BVerfGE 27, 71, 82 = NJW 1970, 235; BVerfG 14.10.1969 – 1 BvR 30/66 – BVerfGE 27, 88, 98 = NJW 1970, 238; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 14 ff. m.w.N. 563 Flitsch S. 83. 564 BVerfG aaO. = GRUR 2001, 1058, 1059 f. – Therapeutische Äquivalenz; BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877, 880 – Werbeblocker m. Anm. Fritzsche LMK 2004, 192; Jarass/Pieroth Art. 5 Rn. 26 f. bzw. 38. 565 BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877, 880 – Werbeblocker m. Anm. Fritzsche LMK 2004, 192, a.A. auf spekulativer tatsächlicher Grundlage Ladeur GRUR 2005, 559, 561 f.
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Anwendung des § 1 UWG. Denn Werbeanzeigen können durchaus bei entsprechender Gestaltung künstlerischen Charakter aufweisen. Die Interpretation einer künstlerischen Aussage muss für die Zwecke der Rechtsanwendung grundsätzlich in einer Gesamtschau erfolgen.566 Soweit die Verwendung des Kunstwerks im Rahmen der Meinungsäußerung Dritter nicht hinter diese als Beiwerk zurücktritt, bildet Art. 5 Abs. 3 GG den Prüfungsmaßstab, da die Kunstfreiheit auch die Verbreitung des Kunstwerks erfasst.567 Insofern sind also auch Medienunternehmen, die als Mittler zwischen dem Künstler und dem allgemeinen Publikum auftreten, sowie ihre Redakteure in den Wirkbereich der Kunstfreiheit einbezogen.568 Dies muss auch für die Verwendung von Kunst zu Werbezwecken wie in den Benetton-Fällen gelten.569 Diese Erwägungen dürften auf die Wissenschaftsfreiheit übertragbar sein. Etwas diffus ist das Verhältnis der Kunst- zur Meinungsfreiheit, soweit es um ihre 272 Anwendung auf Werbeaussagen geht. Zwar hat das BVerfG frühzeitig entschieden, die Kunstfreiheit sei lex specialis zur Meinungsäußerungsfreiheit, und die Meinungsäußerung, die in einer künstlerischen Aussage enthalten sei, trete hinter dieser, die ein aliud bilde, zurück.570 Damit ist auch die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG auf künstlerische Aussagen nicht anwendbar. Jedoch hat das BVerfG häufig571 und gerade auch im Zusammenhang mit der Benetton-Werbung die Frage nach der Verletzung der Kunstfreiheit durch die Feststellung vermieden, es sei jedenfalls die Meinungsfreiheit verletzt. Dies wird teils dahin gedeutet, das Gericht folge einer Art von Schwerpunkttheorie und wende das Grundrecht an, das im Einzelfall eine größere Sachnähe aufweise.572 Das deckt sich mit der Erwägung, die wirtschaftliche Verwertung sei nicht von der Kunstfreiheit, sondern über andere Grundrechte geschützt,573 bzw. die Werbung tendiere mehr zur Meinungsfreiheit, und die Verpackung von Werbung als Kunst sei eher eine Frage der technischen Einkleidung als des zutreffenden grundrechtlichen Schutzes574 Der BGH hatte demgegenüber darauf hingewiesen, das Verbot an ein Unternehmen, 273 künstlerische Fotografien zu Werbezwecken einzusetzen, berühre die Kunstfreiheit und die Verbreitung des Kunstwerks als solches nicht;575 das BVerfG hat das jedenfalls nicht beanstandet, und für die fragliche Konstellation wird man die Aussage wohl auch akzeptieren können. Denn eine Rechtfertigung für einen Eingriff in die grundsätzlich vorbehaltlos gewährte, nur durch konkurrierende Grundrechte beschränkte Kunstfreiheit wäre in den Benetton-Fällen wohl kaum zu finden gewesen.576 So kann man das Verbot, einen Kinofilm ohne den Hinweis zu vertreiben bzw. aufzuführen, dass er Produktwerbung darstellt, zwar als Verstoß gegen den äußersten Rand des Wirkbereichs der Kunstfreiheit ansehen. Dieses eingeschränkte Verbot ist aber durch den verfassungsrechtlichen Schutz
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566 BVerfG 17.7.1984 – 1 BvR 816/82 – BVerfGE 67, 213 = NJW 1985, 261, 263. 567 Vgl. BVerfG 7.3.1990 – 1 BvR 1215/87 – BVerfGE 81, 298, 305 = NJW 1990, 1985. 568 Vgl. BVerfG aaO. 306. 569 Ebenso Manssen JuS 2001, 1169, 1172; Sevecke S. 152 ff.; ähnlich v. Becker GRUR 2001, 1101, 1104. 570 BVerfG 24.2.1971 – 1 BvR 435/68 – BVerfGE 30, 173, 200 = GRUR 1971, 461, 466 – Mephisto; BVerfG 25.4.1972 – 1 BvL 13/67 – BVerfGE 33, 52, 70 = NJW 1972, 1934; BVerfG 3.6.1987 – 1 BvR 313/85 – BVerfGE 75, 369, 377 = NJW 1987, 2661 – Strauß-Karikatur, aus der Lit.: Maunz/Dürig/Scholz Art. 5 III Rn. 50. 571 BVerfG 5.6.1973 – 1 BvR 536/72 – BVerfGE 35, 202, 244 = NJW 1973, 1226, 1233 – Lebach; – BVerfGE 31.10.1984 – 1 BvR 753/83 – BVerfGE68, 226, 233 = NJW 1985, 787, 788 – Schwarze Sheriffs. 572 v. Becker GRUR 2001, 1101, 1103; Maunz/Dürig/Scholz Art. 5 III Rn. 13; Sevecke S. 155 f. 573 Jarass/Pieroth Art. 5 Rn. 107 m.N. 574 Lerche Werbung und Verfassung, 1967, S. 88 ff. 575 BGH 6.7.1995 – I ZR 239/93 BGHZ 130, 196, 202 f. = GRUR 1995, 598 – Ölverschmutzte Ente. 576 Zutreffend v. Becker – GRUR 2001, 1101, 1104 f.; vgl. auch Sevecke S. 154 ff.
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der Persönlichkeit vor nicht erkennbaren Manipulationen gerechtfertigt.577 Fehlt es an einer konkurrierenden Grundrechtsposition, müsste man wegen des Vorrangs der Kunstfreiheit vor der Meinungsfreiheit vermutlich sogar höchst fragwürdige Werbeaussagen zulassen; das Verbot unlauteren Wettbewerbs ließe sich damit bequem unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit und ihres Wirkbereichs unterlaufen.578 Darin liegt aber nicht der Sinn der grundrechtlichen Gewährleistung der Kunstfreiheit. Von daher ist es vorzugswürdig, den Werbungtreibenden aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG auszunehmen und ihn auf den Schutz der ökonomischen Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG zu verweisen.579 sofern er sich auf den Einsatz von Kunst für seine Zwecke beschränkt und keinerlei inhaltlichen, konzeptionellen und kreativen Einfluss auf das konkrete Projekt nimmt.580 Freilich bliebe zu klären, wo hier die Grenze verläuft, und die Gefahr des Missbrauchs des Kunsteinsatzes zur Überwindung der im Übrigen anerkannten Grenzen der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel bliebe ein ernsthaftes Problem. (7.) Die Gewährleistungen des Art. 10 EMRK. Nicht nur Art. 5 GG schützt die für 274 die Meinungsbildung und Information besonders wichtigen Grundrechte. Daneben ist – auch für rein nationale Sachverhalte – Art. 10 EMRK zu beachten, der in Abs. 1 im Wesentlichen den gleichen Schutzzwecken dient und insofern selbstverständlich bei der Anwendung des § 1 UWG auch zu beachten ist. So hat auch der EGMR sich in einigen Fällen mit dem Verhältnis des nationalen Lau- 275 terkeitsrechts zu Art. 10 EMRK beschäftigt. Der Gerichtshof geht davon aus, dass auch Werbung grundsätzlich eine Form der Meinungsäußerung darstellt und daher Werbeverbote, z.B. auf der Grundlage des § 3 UWG, grundsätzlich den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 EMRK berühren;581 diese Vorschrift erfasst also auch Äußerungen im geschäftlichen Bereich und zu Zwecken der kommerziellen Werbung.582 Jedoch kann sich die Zulässigkeit des Verbots aus Art. 10 Abs. 2 EMRK ergeben. 276 Danach kann die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit u.a. Einschränkungen unterworfen werden, „wie sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse … der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer … notwendig sind“. Diese Schrankenbestimmung deckt sich nicht wirklich mit Art. 5 Abs. 2 GG und kann daher unter Umständen im Zusammenhang mit § 1 UWG zu abweichenden Ergebnissen führen. Jedoch geht der Gerichtshof davon aus, dass die Ausgestaltung des § 1 UWG 1909 als Generalklausel mit Art. 10 Abs. 2 EMRK vereinbar ist, da gerade im Bereich des Wettbewerbs wegen der stets in Bewegung befindlichen tatsächlichen Verhältnisse am Markt und im Bereich der Kommunikation eine absolut präzise Fassung der Gesetze nicht möglich sei und die Interpretation solcher Gesetze unvermeidbar eine Frage der Praxis
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577 BGH 6.7.1995 – I ZR 58/93 BGHZ 130, 205, 218 f. = GRUR 1995, 744, 747 – Feuer, Eis & Dynamit I; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 30; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 112. 578 Ähnlich i.Erg. Sevecke S. 151 ff., vgl. auch Lerche Werbung und Verfassung, 1967, S. 89 ff. 579 Maunz/Dürig/Scholz Art. 5 III Rn. 35; ähnlich Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 112; Sevecke S. 155 f. 580 Näher v. Becker GRUR 2001, 1101, 1105; vgl. auch Wünnenberg S. 143 f. 581 EGMR EuGH-MR 3/1988 147/201 EuGRZ 1996, 302, 304 – markt intern; EGMR 17.10.2002 – 37928/97 – NJW 2003, 497, 498 – Stambuk; näher Kulms RabelsZ 99 [1999], 520, 521 ff. m.w.Nachw.; s.a. BK/Degenhart Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 236; Sevecke S. 109. 582 EGMR 28.3.1990 – 14/1988/158/214 = NJW 1991, 615, 616 Tz. 54 f. – Groppera Radio AG; EGMR ÖJBl. 1994, 636, 637 Tz. 35 – Casado Coca.
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sei.583 Zumindest bei Vorliegen einer ständigen Rechtsprechung des zuständigen obersten Gerichtshofs (BGH) vermögen daher auch Generalklauseln „das Verhalten der wirtschaftlichen Akteure und ihrer Ratgeber in der relevanten Sphäre zu leiten“.584 Bei der Beurteilung, ob ein Verbot „in einer demokratischen Gesellschaft notwen277 dig“ zum Schutz der erwähnten Interessen und Rechte ist, gewährt der EGMR den Institutionen der Vertragsstaaten einen Beurteilungsspielraum, sofern die innerstaatliche Maßnahme unter Berücksichtigung der tangierten Interessen verhältnismäßig erscheint.585 Dieser Beurteilungsspielraum, dessen Handhabung nicht unumstritten ist,586 ist schon deshalb notwendig, weil der EGMR andernfalls zur Superrevisionsinstanz würde.587 Er ist einerseits besonders groß, wenn es um das einem ständigen Wandel unterworfene Gebiet des unlauteren Wettbewerbs geht, und andererseits eingeschränkt, wenn eine Äußerung nicht dem rein wirtschaftlichen Raum zuzuordnen ist, sondern in erster Linie der Beteiligung an einer Diskussion von öffentlichem Interesse dient.588 Konkret wurde das Verbot von Berichten über ein Unternehmen, die teils unwahr 278 und auch ansonsten nachteilig waren bzw. ein Unternehmen ohne rechtfertigenden Anlass unnötig herabsetzen, für vom Beurteilungsspielraum gedeckt gehalten.589 Dagegen wurde es als unverhältnismäßig angesehen, wenn der Hinweis eines Freiberuflers auf einen allgemein anerkannten Missstand zugleich eine unvermeidliche Werbewirkung von untergeordneter Bedeutung mit sich bringt:590 Dies ist bei der Deutung des Tatbestandsmerkmals des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs zu berücksichtigen.591 Auch das wettbewerbsrechtliche Verbot von wissenschaftlichen Äußerungen über die Schädlichkeit von Mikrowellengeräten im Zusammenhang mit der Nahrungsherstellung ist nicht unentbehrlich i.S.v. Art. 10 Abs. 2 EMRK;592 ebenso wenig stark restriktive berufsrechtliche Werbeverbote, die sogar eine ausgewogene Berichterstattung mit patienteninformierendem Charakter unter Hinzufügung eines Fotos für unzulässig halten.593 Für den von § 1 UWG gewährleisteten Schutz von Verbraucherinteressen hat Art. 10 279 EMRK bislang, soweit ersichtlich, noch keine besondere Bedeutung erlangt; immerhin hat das OLG Karlsruhe die Vorschrift im Zusammenhang mit irreführender Werbung einmal berücksichtigt, aber nicht für durch ein Verbot verletzt gehalten, da der Schutz vor irreführenden Angaben einem dringenden sozialen Bedürfnis i.S.v. Art. 10 Abs. 2 EMRK diene und die Angabe in erster Linie zu Werbezwecken erfolge.594 Die Norm, die nur im Rang eines einfachen Gesetzes steht,595 ist aber wie Art. 5 Abs. 1 GG insbesondere für den Bereich der Imagewerbung von Bedeutung.
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583 EGMR EuGRZ 1979, 386 Tz. 49 – Sunday Times; EGMR – NJW 1985, 2885 = GRUR Int. 1985, 468, 470 Tz. 47 – Barthold (Tierärztlicher Nachtdienst II); EGMR EuGRZ 1996, 302, 304 Tz. 30 – markt intern; EGMR – NJW 2003, 497, 498 f. – Stambuk. 584 EGMR EuGRZ 1996, 302, 304 Tz. 30 – markt intern. 585 EGMR aaO. – markt intern Tz. 33 ff. m.w.Nachw.; EGMR 23.6.1994 – 7/1993/402/480 = NJW 1995, 857, 858 – Jacubowski Tz. 26; EGMR – NJW 2003, 497, 498 – Stambuk. 586 Vgl. Callies EuGRZ 1996, 293, 294 ff. m.w.N. 587 Krüger GRUR 1996, 252, 253. 588 EGMR 25.8.1998 – 59/1997/843/1049 = GRUR Int. 1999, 156, 159 f. Tz. 47 – Hertel/Schweiz. 589 EGMR aaO. – markt intern Tz. 36; EGMR aaO. – Jacubowski Tz. 25 ff.; näher Vorauflage/Schricker Einl. F Rn. 412 ff. 590 EGMR 25.3.1985 – 10/1983/66/101 = GRUR Int. 1985, 468, 471 Tz. 58 – Barthold. 591 EGMR 25.3.1985 – 10/1983/66/101 = GRUR Int. 1985, 468, 471 Tz. 58 – Barthold; Ring GRUR Int. 1986, 103, 108; vgl. auch OLG Hamburg 17.12.1992 – 3 U 64/92 – WRP 1993, 498, 501 – Werbewirksamer Zeitungsartikel. 592 EGMR 25.8.1998 – 59/1997/843/1049 = GRUR Int. 1999, 156, 160 Tz. 48 ff. – Hertel/Schweiz. 593 EGMR 17.10.2002 – 37928/97 – NJW 2003, 497, 499 – Stambuk. 594 OLG Karlsruhe 21.6.1990 – 4 U 217/88 – NJW 1990, 3093, 3096. 595 Vorauflage/Schricker Einl. F Rn. 412 ff. m.w.N.
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Im Übrigen ist Art. 10 EMRK aber auch von gemeinschaftsrechtlicher Bedeutung: 280 Soweit es im Rahmen der Art. 34, 56 AEUV um die Frage geht, ob eine die Warenverkehrs- bzw. Dienstleistungsfreiheit beschränkende Maßnahme durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt ist, ist die Rechtfertigung im Licht der allgemeinen Rechtsgrundsätze und damit auch der Grundrechte auszulegen, zu denen auch die Grundrechte des Art. 10 EMRK zählen.596 (8.) Kommunikationsgrundrechte des Art. 11 EU-Grundrechtecharta. Die Ent- 281 wicklung ist mit der EMRK für das institutionalisierte Europa nicht abgeschlossen. Auf der Grundlage des Art. 10 EMRK ist ein Art. 11 der EU-Grundrechtecharta entstanden. Dessen Abs. 1 ist wörtlich von Art. 10 Abs. 1 S. 1 und S. 2 EMRK übernommen worden. Nach Art. 52 Abs. 3 EU-Grundrechtecharta hat dieses Recht die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die durch die EMRK garantierte Meinungs- und Informationsfreiheit. Einen besonderen Fortschritt gegenüber Art. 10 EMRK stellt Art. 11 EU-Grundrechtecharta allenfalls insofern dar, als die neue Norm in ihrem Absatz 2 auch ein Mediengrundrecht enthält, dass die Freiheit der Medien und ihre Pluralität garantiert.597 Die gemäß Art. 6 EUV verbindliche Charta der Grundrechte hat für die Anwendung 282 des UWG allenfalls geringe Bedeutung. Denn die Bestimmungen der Charta finden unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips in erster Linie auf die Tätigkeit der Organe und Einrichtungen der EU Anwendung; für die Mitgliedstaaten gelten sie ausschließlich bei der Durchführung des EU-Rechts (Art. 51 Abs. 1 S. 1 EU-Grundrechtecharta). Insofern sind also die Informationsgrundrechte auch bei der Schaffung eines einheitlichen europäischen Wettbewerbsrechts und seiner Umsetzung bzw. Anwendung in den Mitgliedstaaten zu beachten. Darüber hinaus könnte der EuGH zwar der EU-Grundrechtecharta bei der Rechtskontrolle der Gemeinschaftsorgane sowie der Mitgliedstaaten und der Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts zusätzliche Bedeutung beimessen, wie es im Diskriminierungsrecht bereits geschehen ist,598 doch dürfte die Kontrolldichte im Verbraucherschutz bereits so hoch sein, dass dafür wenig Anlass besteht. d) Werbung und Berufs- bzw. Handlungsfreiheit, Art. 12 bzw. 2 Abs. 1 GG. 283 Werbeverbote auf der Grundlage des UWG können auch die von Art. 12 GG geschützte Berufs(ausübungs)freiheit tangieren.599 Denn Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG schützt die wirtschaftliche und berufliche Betätigung und damit auch die Werbung. Das UWG enthält im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG zulässige Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit; auch die konkretisierungsbedürftigen Generalklauseln des § 3 Abs. 1 und 2 UWG sind insofern unbedenklich.600 Allerdings sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit – wie schon bei Art. 5 GG – wiederum ihrerseits im Lichte des Art.12 GG auszulegen.601 Ein Ver-
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596 EuGH 26.6.1997 – C-368/95 Slg. 1991 I-2925 Tz. 43 f. = EuZW 1991, 507 – ERT; EuGH Slg. 1997 I-3689 Tz. 24 f. = GRUR Int. 1997, 829, 831 – Familiapress/Laura. 597 Zur Entstehungsgeschichte eingehend Stock K&R 2001, 289, 297 ff. 598 S. insbes. EuGH 22.11.2005 – C-144/04, EuGH Slg. 2005, I-9981 = EuZW 2006, 17 Tz. 74 ff. – Mangold; Herdegen Europarecht, 15. Aufl. 2013, § 8 Rn. 24 ff., 31 ff. m.w.N., Ansätze hierzu bereits in EuGH Slg. 2001 I-9565 Tz. 80 ff. 599 Dazu etwa BVerfG 8.2.1972 – 1 BvR 170/71 – BVerfGE 32, 311, 317 = NJW 1972, 573; BVerfG 8.11.1983 – 1 BvL 8/81 – BVerfGE 65, 237, 247 = NVwZ 1984, 365; BVerfG 13.7.1992 – 1 BvR 310/90; 1 BvR 238/92 – GRUR 1993, 754 – Großmarkt-Werbung II; BVerfG 7.8.2000 – 1 BvR 254/99 NZS 2000, 548, 550. 600 BVerfG 8.2.1972 – 1 BvR 170/71 – BVerfGE 32, 311, 316 f. = GRUR 1972, 358, 360 – Grabsteinwerbung; BVerfG 13.7.1992 – 1 BvR 310/90; 1 BvR 238/92 – GRUR 1993, 754 – Großmarkt-Werbung II; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 15. 601 BVerfG 4.6.1998 – 1 BvR 2652/95 – GRUR 1999, 247, 249 – Metro.
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bot von Wettbewerbshandlungen auf der Grundlage des UWG ist daher nur dann zulässig, wenn es durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Beschränkung für den Betroffenen zumutbar ist.602Die Berufsfreiheit schützt auch die berufliche Außendarstellung einschließlich der Werbung für die eigene Tätigkeit603 und die Entgegennahme von Werbung für andere Beschäftigungsmöglichkeiten.604 Gesetzliche Beschränkungen der Werbemöglichkeiten sind ihrerseits im Lichte der Berufsfreiheit auszulegen.605 Im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist es in den vergangenen Jahren 284 zumindest zu einer größeren Sensibilisierung für die Grundrechtsrelevanz gekommen, vielleicht sogar zu einer Verschärfung der Anforderungen an die Begründung von Unterlassungsgeboten. Das betrifft vor allem die früher verbreiteten berufs- und standesrechtlichen Werbeverbote, deren Behandlung durch die zuständigen Fachgerichte das BVerfG einer zunehmend606 kritischen Überprüfung unterzogen hat.607 Für den hier interessierenden Bereich des Kundenfangs hat dies insofern Bedeutung, als die Berufsausübungsfreiheit des Werbenden im Rahmen der bei der Anwendung von § 1 UWG notwendigen Abwägung aller betroffenen Interessen ebenfalls angemessen zu berücksichtigen ist. Insofern spielen für den Umfang, der der Berufsausübungsfreiheit zukommt, auch die Interessen Dritter eine Rolle. Das gilt z.B. für Verbraucher, die sich als lästig empfundener Werbung entziehen wollen608 oder für andere Gewerbetreibende, deren Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG Bedeutung erlangt, wenn ihre Betriebsabläufe etwa durch unerwünschte Telefonwerbung eine Störung erleiden.609Außerdem ist die Werbung von Ärzten und anderen Freiberuflern grundsätzlich in jedem Medium zulässig, soweit sie sich im Rahmen des Sachlichen hält. Dies gilt insbesondere für die Werbung im Internet, weil es sich dabei um ein passives Medium handelt, das sich den Patienten nicht aufdrängt, sondern von diesen erst aktiv abgerufen werden muss.610 Darüber hinaus kommt es in erster Linie auf den Inhalt einer Werbung
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602 – BVerfGE 15-12-1987 – 1 BvR 563/85 – BVerfGE 77, 308, 322 = NJW 1988, 1899, 1900 – Bezahlter Bildungsurlaub; BVerfG 4.6.1998 – 1 BvR 2652/95 – GRUR 1999, 247, 249 – Metro. 603 BVerfG 11.2.1992 – 1 BvR 153 1/90 – BVerfGE 85, 248, 256 = GRUR 1992, 866, 868 – Ärztliches Werbeverbot/Hackethal; 94, 372, 389 = GRUR 1996, 899, 902 – Werbeverbot für Apotheker; BVerfG 17.4.2000 – 1 BvR 721/99 – WRP 2000, 720, 721 – Sponsoring; BVerfG 25.4.2001 – 1 BvR 494/00 – NJW 2001, 1926, 1927; BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877, 879 f. – Werbeblocker m. Anm. Fritzsche LMK 2004, 192; s.a. Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 15. 604 Vgl. BGH 4. 3. 2004 – I ZR 221/01 – GRUR 2004, 696, 698 – Direktansprache am Arbeitsplatz. 605 BVerfG 17.4.2000 – 1 BvR 721/99 – WRP 2000, 720, 721 = NJW 2000, 3195, 3196 – Sponsoring. 606 Vgl. aus der früheren Rechtsprechungslinie etwa – BVerfGE 71, 162, 174 (Ärzte); 53, 96, 98 (Apotheker); 60, 215, 231 ff. (Steuerberater); 57, 121, 133 (Rechtsanwälte). – Zur Entwicklung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ärztlicher Werbeverbote eingehend Balzer Standesrechtliche Werbenachteile für Ärzte – ein ungerechter Anachronismus? Aktuelle Rechtsprobleme aus dem Arzt- und Klinikwerberecht, Diss. Regensburg 2002, S. 44 ff. m. zahlr. Nachw.; s.a. Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 54. 607 BVerfG 17.2.1992 – 1 BvR 899/90 – NJW 1992, 1613 f. zur Teilnahme am Anwaltsuchservice; BVerfG 18.10.2001 – 1 BvR 881/00 – WRP 2001, 1437, 1439 ff. – Zahnarztsuchservice; BVerfG, Urt. v. 26.8.2003 – 1 BvR 1003/02, – Implantologie; BVerfG 26.9.2003 – 1 BvR 1608/02 – GRUR 2004, 68, 69 f. – Werbung einer Zahnarzt-GmbH. – Dazu auch Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 55. 608 Vgl. KG MMR 2002, 483, 485 – Fernsehfee; OLG Frankfurt 23.9.1999 – 6 U 74/99 – NJW 2000, 2029, 2030 – Fernsehfee m. Anm. Dörr JuS 2001, 192; s.a. BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877, 880 – Werbeblocker m. Anm. Fritzsche LMK 2004, 192. 609 Vgl. BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01 – GRUR 2004, 696, 698 – Direktansprache am Arbeitsplatz; Köhler FS Koppensteiner, 431, 439 f. 610 Vgl. BVerfG 17.7.2003 – 1 BvR 2115/02 – WRP 2003, 1099, 1101 – Klinikwerbung im Internet; BVerfG 26.8.2003 – 1 BvR 1003/02 – GRUR 2003, 966, 967 – Internetwerbung von Zahnärzten; BGH 9.10.2003 – I ZR 167/01= GRUR 2004, 166, 167 – Arztwerbung im Internet; OLG München 20.12.2001 – 29 U 4592/01 –
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an und nicht auf das Medium, über das sie betrieben wird, so dass z.B. auch Apotheken mit Sportlern oder Zahnarzt-GmbHs in Automobilzeitschriften werben dürfen.611 Inwieweit neben Art. 12 GG auch noch Art. 2 Abs. 1 GG als Grundnorm für die grundsätz- 285 liche Freiheit wirtschaftlicher Betätigung heranzuziehen ist und seinerseits wieder durch allgemeine Gesetze wie das UWG bzw. die Rechte anderer beschränkt wird612 kann dahinstehen. Im Regelfall dürfte Art. 12 GG im Bereich des Lauterkeitsrechts den Vorrang haben.613 e) Werbung und Religionsfreiheit, Art. 4 GG. Werbeverbote auf der Grundlage des 286 § 3 Abs. 1 und 2 UWG müssen schließlich auch die in Art. 4 GG verbürgte Religions- und Weltanschauungsfreiheit beachten. Handelt ein Wettbewerber in Ausübung seiner Religion, indem er etwa von der Kanzel für eine Sammlung zu religiösen Zwecken wirbt, ist die Ausstrahlungswirkung des Art. 4 GG bei der Beurteilung der Unlauterkeit der Handlung zu berücksichtigen.614 Darüber hinaus ist Art. 4 GG im Zusammenhang mit den eher seltenen Fällen der Verwendung religiöser Motive zu Werbezwecken in die Diskussion gebracht worden. Dabei halten Teile der Literatur eine „Trivialisierung“ der Religion und des religiösen Empfindens für eine Beeinträchtigung der Religionsfreiheit, die Vorrang vor der Meinungsfreiheit des werbenden Unternehmens haben soll.615 Selbst wenn man dies akzeptieren will, stellt sich doch die Frage, inwieweit es angesichts von § 1 UWG Aufgabe des Lauterkeitsrechts ist, solche weltanschaulichen Fragen zu regeln. f) Werbung und Schutz von Interessen der Adressaten. Die Grundrechte erlan- 287 gen im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung schließlich auch Bedeutung für den Schutz berechtigter Belange der Werbeadressaten.616 So hat der BGH mehrfach auf die Grundrechte der Werbeadressaten als für die im Rahmen des Unlauterkeitsurteils zu berücksichtigende Kategorie hingewiesen. Der Schutz der Privatsphäre erlangt insbesondere gegenüber belästigenden Werbeformen Bedeutung,617 so namentlich bei der Telefonwerbung oder der unzulässigen Ausspähung von (potentiellen) Werbeadressaten.618 Generell können die Kommunikationsgrundrechte ihre Grenze in Persönlichkeitsrechten anderer Personen finden.619 (1.) Verbraucherpersönlichkeitsrecht. Daraus versucht man zum Teil, ein „Ver- 288 braucherpersönlichkeitsrecht“ zu konstruieren, das als Ausfluss des allgemeinen Selbstbestimmungsrechts den Verbraucher vor unerwünschter Werbung schützt.620 Freilich erscheint es grundrechtsdogmatisch zweifelhaft, ob sich ein solches Recht auf ein „vonWerbung-in-Ruhe-gelassen-zu-werden“ konstruieren lässt, soweit kein konkret-indivi-
_____ NJW 2002, 760, 761; LG Berlin BB 2001, 1434, 1435 f. = NJW-RR 2001, 1643; AG Stuttgart 4.6.2002 – 1 C 2871/02 – NJW 2002, 2572; Steinbeck NJW 2003, 1481, 1482 f. 611 BVerfG 22.5.1996 – 1 BvR 744/88 – BVerfGE 94, 372, 393 = GRUR 1996, 899 – Werbeverbot für Apotheker; BVerfG 26.9.2003 – 1 BvR 1608/02 – GRUR 2004, 68, 70 – Werbung einer Zahnarzt-GmbH. 612 Dazu bereits Nordemann GRUR 1975, 625, 628 f. sowie Rn. 130. 613 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 31 m.N. 614 BVerfG 16.10.1968 – 1 BvR 241/66 – BVerfGE 24, 236, 251 = GRUR 1969, 137, 140 – Aktion Rumpelkammer. 615 Wünnenberg S. 121 ff., 147 ff. 616 Statt aller BK/Degenhart, Art. 5 I, II Rn. 358. 617 Vgl. näher Rn. 140 ff. 618 Vgl. BGH 14.5.1992 – I ZR 204/90 – GRUR 1992, 622, 623 f. – Verdeckte Laienwerbung. 619 Vgl. zur Rundfunkfreiheit etwa BVerfG 24.1.2001 – 1 BvR 2623/95 – BVerfGE 103, 44 = NJW 2001, 1632, 1636 f. m.w.N. 620 Wünnenberg S. 125 ff., insbesondere zum Schutz vor der Benetton-Werbung, vgl. S. 132 ff., unter Hinweis auf ähnliche Äußerungen Henning-Bodewig WRP 1992, 533, 538 f.; s.a. dies. GRUR 1993, 950, 952 f.
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dueller Eingriff in die Privat- oder gar Intimsphäre vorliegt.621 Dabei kann man auch die Wertungen weiterer Grundrechte heranziehen, namentlich die Art. 10 und 13 GG, soweit es um den Schutz der Privatsphäre etwa gegenüber Brief- und Telefonwerbung geht.622 Nimmt man aber die Achtung der Privatsphäre hinzu, so lässt sich darüber durchaus ein Recht darauf, von Werbung generell oder in speziellen Situationen verschont zu bleiben, konstruieren.623 Es handelt sich dabei um eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dass im allgemeinen Deliktsrecht – neben den Grundrechtspositionen Eigentum und berechtigter Besitz bzw. Recht am Gewerbebetrieb624 – eine Abwehr von unerwünschter Werbung analog § 1004 Abs. 1 BGB ermöglicht.625 Ein anderer Ansatz geht dahin, den §§ 1 und 3 UWG die Aufgabe einer Gewährleistung materieller Vertragsfreiheit in Abweichung von der formalen Privatautonomie im Vorfeld des Vertragsanschlusses, also bei der Vertragsanbahnung, zu gewährleisten.626 Verfassungsrechtlich ist dann ein Bezug zu Art. 2 Abs. 1 GG hergestellt.627 289
(2.) Negative Informationsfreiheit. Auch die („negative“) Informationsfreiheit kann zur Rechtfertigung von Werbeverboten über die §§ 3 Abs. 1 und 2 und vor allem § 7 Abs. 1 UWG herangezogen werden. Denn sie bezieht sich auch auf die Entgegennahme von Informationen, zu der niemand gezwungen werden darf.628 Diese negative Informationsfreiheit kann im Rahmen des § 1 UWG für den Verbraucherschutz Bedeutung erlangen: Wenn auch Werbung dem Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit unterliegt, kann man den Schutz vor unerwünschter Werbung unter dem Gesichtspunkt wettbewerbswidriger Belästigung nicht nur über den Schutz der Privatsphäre nach Art. 2 Abs. 1 GG begründen,629 sondern auch über Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG.630 Dieser Aspekt muss bei der Funktionalisierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG insgesamt über die zivilrechtlichen Generalklauseln im Verhältnis der Bürger untereinander631 Berücksichtigung finden. Dabei geht es nicht darum, den einzelnen Werbeadressaten vor der Allgegenwart von Werbung zu schützen, der er als Passant oder bei der Nutzung der Medien ausgesetzt ist, sondern primär um den Schutz vor gezielter, individueller Werbung.632 Die negative Informationsfreiheit lässt sich also insbesondere im Zusammenhang mit der sog. belästigenden Werbung instrumentalisieren633 und ermöglicht eine Begründung dafür, warum es einen Schutz vor unzumutbaren, weil aufgedrängten Belästigungen (§ 7 Abs. 1 UWG) durch Wettbewerbsmaßnahmen geben kann und muss.634 Dies ist zu-
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621 Vgl. Grigoleit/Kersten DVBl. 1996, 596, 604 f.; Sevecke S. 145 ff.; Zabel S. 184. 622 Grigoleit/Kersten aaO. 623 Zum Belästigungsverbot des § 7 UWG s. BGH 22.4.2010 – I ZR 29/09 – GRUR 2010, 1113 Rn. 15 – Grabmalwerbung; BGH 3.3.2011 – I ZR 167/09 – GRUR 2011, 747 Rn. 17 – Kreditkartenübersendung. 624 Vgl. näher die Kommentierungen zu § 7 UWG. Ferner BGH 20.5.2009 – I ZR 218/07 – GRUR 2009, 980 Rn. 10 ff. m.w.N. – E-Mail-Werbung II. 625 Vgl. näher die Kommentierungen zu § 7 UWG. Ferner BGH 11.3.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517 – E-Mail-Werbung I. 626 Drexl in Schricker Neuordnung, S. 163, 169 f. 627 Drexl aaO. S. 170 f.; vgl. auch Nordemann Rn. 130 sowie ders. in – GRUR 1975, 625, 628 f. 628 BK/Degenhart Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 270; Fenchel S. 137 ff.; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 17, 21; Maunz/Dürig/Herzog Art. 5 Abs. I, II Rn. 95; Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 53, 57a; vgl. auch Fikentscher/Möllers NJW 1998, 1337, 1340 f. m.w.N. 629 Vgl. auch OLG Frankfurt 23.9.1999 – 6 U 74/99 – GRUR 2000, 152, 154 – TV-Werbeblocker. 630 Ebenso Köhler FS Koppensteiner, S. 431, 438 f. 631 Dazu Flitsch S. 100 ff. m.w.N.; vgl. auch Apel FS Hertin, 337, 352 ff.; BK/Degenhart Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 358. 632 Vgl. BK/Degenhart Art. 5 Rn. 358; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 21. 633 Ebenso Köhler FS Koppensteiner, S. 431, 438 f.; s.a. unten Rn. 463 ff. 634 Vgl. BK/Degenhart aaO. und Jarass a.a.O. zur E-Mail-Werbung; dazu auch BGH 11.3.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517, 518 f. – E-Mail-Werbung I.
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gleich bei der Beurteilung von Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit durch das UWG im Rahmen der Wechselwirkungstheorie zu bedenken, für die es etwa eine Rolle spielen kann, ob sich jemand im öffentlichen Verkehrsraum bewegt und es um dort übliche Informationsangebote geht.635 7. Tatsächliche Gewährleistung des Verbraucherschutzes. Die tatsächliche Ge- 290 währleistung des in § 1 Satz 1 UWG zum Gesetzeszweck erklärten Verbraucherschutzes erfolgt durch die zivilrechtlichen Ansprüche nach den §§ 8 ff. UWG. Der Verbraucher selbst ist aber bis heute – trotz einer langjährigen rechtspolitischen Diskussion – selbst nach den §§ 8 Abs. 3, 9 S. 1 und 10 Abs. 1 UWG nicht anspruchsberechtigt, sondern wird lediglich durch eine Anspruchsberechtigung Dritter mit geschützt. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher sind Verbraucherverbände als qualifizierte Einrichtungen i.S.v. § 4 UKlaG nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG anspruchsberechtigt, d.h. der Verbraucherschutz erfolgt nicht über eine individuelle, sondern nur über eine kollektive Anspruchsberechtigung. Ferner können die anderen Anspruchsberechtigten des § 8 Abs. 3 UWG den Schutz der Verbraucherinteressen mitverfolgen, soweit ihre eigene Anspruchsberechtigung dies erlaubt. Diese Anspruchsberechtigung ist abschließend, und sie kann deshalb auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass man die Tatbestände der §§ 3 bis 7 UWG als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Verbraucher ansieht.636 Dem stehen die Systematik des UWG und der erklärte Wille des Gesetzgebers entgegen; anders verhält es sich, wie der Gesetzgeber zum UWG 2004 klargestellt hat, bei den Straftatbeständen der §§ 16 bis 19 UWG.637 Ein Verbraucherindividualrecht ist dem UWG somit weiterhin fremd. Neuerdings wird diskutiert, ob zumindest bei unerbetener Telefonwerbung i.S.v. § 7 291 Abs. 2 Nr. 2 UWG eine individuelle Anspruchsberechtigung von Verbraucherinnen und Verbrauchern denkbar oder gar im Wege der richtlinienkonformen Auslegung erforderlich ist.638 Das kann letztlich dahinstehen, da sich eine Anspruchsberechtigung der Verbraucher insofern jedenfalls aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Schutzgesetz des § 20 Abs. 1 UWG ergibt. Eine weitergehende Anspruchsberechtigung von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch in sonstigen Fällen der Belästigung i.S.v. § 7 UWG könnte man zwar in Erwägung ziehen,639 doch besteht dafür neben den Möglichkeiten, die das BGB über Ansprüche wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten bzw. des Rechts am Gewerbebetrieb gibt, an sich nicht.640 Auch bei einer Beeinträchtigung seiner Entscheidungsgrundlagen und Entschei- 292 dungsfreiheit ist der Verbraucher selbst auf die Ansprüche angewiesen, die ihm nach dem bürgerlichen Recht zustehen und die aufgrund ihrer großen Bandbreite einen hinreichenden Schutz gewährleisten.641 Gerade das Vertragsrecht stellt mit Anfechtungsund Widerrufsrechten (§§ 119 ff., 312 ff. BGB), Ansprüchen wegen der Verletzung vorvertraglicher Rücksichtnahmepflichten (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) und diversen Gewähr-
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635 BK/Degenhart aaO. 636 H.M., Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 39 m.w.N. 637 Vgl. Begr. zum RegE UWG 2004, BT-Drucks 15/1487, S. 22 f. 638 Köhler GRUR 2012, 1073, 1078 ff. sowie WRP 2013, 403, 410; ablehnend OLG Köln 7.12.2012 – 6 U 69/12 – WRP 2013, 659, 660 f. – Hausnotruf. 639 Dafür Köhler GRUR 2012, 1073, 1080 ff. sowie WRP 2013, 403, 410. 640 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche² § 9 Rn. 8, 48, 50, 114. 641 BGH 20.5.2009 – I ZR 218/07 – GRUR 2009, 980 Tz. 9 ff. m.w.N. – E-Mail-Werbung II; OLG Oldenburg 23.10.2003 – 1 U 63/03 – GRUR-RR 2004, 209, 210 – Mittelmeerkreuzfahrt; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 39; Harte/Henning/Keller § 2 Rn 208; Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 26; Engels/Salomon WRP 2004, 32, 33; Lettl GRUR 2004, 449, 460; Weiler WRP 2003, 415. – A.A. oder zumindest krit. Sack GRUR 2004, 625, 629 f. sowie WRP 2009, 1330; ferner Fezer/Fezer Einl. E Rn 103; Piper/Ohly4 § 1 Rn. 11; Säcker WRP 2004, 1199, 1219.
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leistungsrechten (vgl. etwa §§ 437, 634 BGB) individuelle Schutzinstrumente für Fälle zur Verfügung, in denen die Entscheidungsfähigkeit des Verbrauchers in unlauterer Weise beeinträchtigt worden ist,642 sodass das UWG sich auf einen kollektiven Interessenschutz der Verbraucherinteressen beschränken kann, der auch den Belangen der Mitbewerber und der Allgemeinheit Rechnung tragen kann.643 IV. Interessen der sonstigen Marktteilnehmer Allgemeininteresse Peukert 293
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1. Unmittelbare und mittelbare Beeinträchtigung der Interessen der sonstigen Marktteilnehmer. Neben Mitbewerbern und Verbrauchern werden gem. §§ 1 S. 1, 3 Abs. 1 UWG die Interessen sonstiger Marktteilnehmer vor einer Beeinträchtigung durch unlautere geschäftliche Handlungen geschützt. Hierzu zählen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind, ohne dabei als Mitbewerber oder Verbraucher zu agieren. Dies sind zum einen Unternehmer, die zum Handelnden nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, weil sie auf einem anderen Markt tätig sind. Zum anderen fallen unter den Begriff juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften, die nicht unternehmerisch am Marktgeschehen teilnehmen, indem sie (z.B. Idealvereine gem. § 21 BGB und die öffentliche Hand) zur Erfüllung nicht wirtschaftlicher Zwecke Waren und Dienstleistungen nachfragen. Im Verhältnis zu demjenigen, der eine geschäftliche Handlung vornimmt, ist in beiden Fällen mithin nicht das horizontale Konkurrenzverhältnis, sondern das Vertikalverhältnis zu Anbietern bzw. Nachfragern angesprochen.644 Wie bei Mitbewerbern und Verbrauchern können die lauterkeitsrechtlich relevanten Interessen sonstiger Marktteilnehmer unmittelbar oder mittelbar betroffen sein. Unmittelbar sind ihre Interessen beeinträchtigt, wenn die unlautere geschäftliche Handlung ihnen gegenüber vorgenommen wird. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Bauunternehmen oder die öffentliche Hand bei der Anschaffung einer Buchhaltungssoftware vom betreffenden IT-Unternehmen irregeführt wird. Mittelbar sind auf anderen Märkten als der Handelnde tätige Unternehmer tangiert, wenn ihre eigenen Lieferanten oder Kunden irregeführt werden und sie deshalb selbst z.B. minderwertige Software anschaffen oder Nachfrageströme auf andere Märkte umgeleitet werden. Ob ein schutzwürdiges Interesse im Einzelfall beeinträchtigt ist, beurteilt sich aus der Sicht eines durchschnittlichen sonstigen Marktteilnehmers, der dem betroffenen Verkehrskreis angehört. § 3 Abs. 2 S. 3 UWG ist nicht analog anwendbar.645 Aus der Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen eines sonstigen Marktteilnehmers folgt wie bei Verbrauchern keine individuelle Klagebefugnis und Aktivlegitimation. Vielmehr muss ein sonstiger Marktteilnehmer die Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen oder eine Industrie-, Handels- oder Handwerkskammer einschalten.646 Individuell zur Wahrung der Lauterkeit des Wettbewerbs aufgerufen und berechtigt sind nur die Mitbewerber des unlauter Handelnden.647 Für diese, letztlich historisch begründete Beschränkung648 lässt sich anführen, dass die
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642 Näher Harte/Henning/Ahrens Einl. G Rn. 142 ff. m.w.N. 643 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 17. 644 Näher § 2 Rn. 329 ff. 645 Gloy/Loschelder/Erdmann/v. Ungern-Sternberg, § 26 Rn. 2. Vgl. auch § 7 Abs. 2 Nr. 2. 646 § 8 Abs. 3 Nr. 2, 4. 647 Zur weiten Auslegung dieses Begriffs unter Einschluss von ad-hoc-Wettbewerbsverhältnissen jenseits der Grenzen eines Marktes siehe § 2 Rn. 424 ff. 648 Zum Mitbewerberschutz im UWG 1896 und im frühen UWG 1909 oben § 1 Rn. 31 ff.
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auf einem Anbieter- oder Nachfragermarkt konkurrierenden Unternehmen die engste Beziehung zu den dort herrschenden „anständigen Gepflogenheiten“ haben, während die Marktgegenseite (Verbraucher und sonstige unternehmerische Marktteilnehmer), die nur gelegentlich und jedenfalls nicht im Rahmen ihrer selbständigen unternehmerischen Tätigkeit auf dem betreffenden Markt tätig ist, diese Normen nur vermittelt über bestimmte Kollektivkläger beeinflussen können soll. 2. Das Interesse an der unverfälschten Entfaltung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit a) Grundsätze. Gemäß dem allgemeinen Schutzzweck des UWG richten sich die 298 lauterkeitsrechtlich relevanten Interessen der sonstigen Marktteilnehmer auf die Wahrung der rechtsgleichen Ausübung ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1, 12 GG bzw. der unternehmerischen Freiheit gem. Art. 16 Charta. Nach dem in § 1 verankerten Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Anwendung des UWG bildet die Angebots- und Nachfragefreiheit der sonstigen Marktteilnehmer den Ausgangspunkt der lauterkeitsrechtlichen Analyse.649 Sie bezieht sich auf sämtliche Aktionsparameter wie zum Beispiel den Preis, die Merkmale der eigenen Leistung, die Zeit, den Ort und die Art des Marktauftritts sowie die Auswahl der Abnehmer, Lieferanten und sonstigen Vertragspartner auf anderen Märkten.650 Im Einzelnen kann wie generell zwischen Irreführungen, wettbewerbsfremder Aggressivität und einer sonstigen Verfälschung des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb unterschieden werden.651 b) Schutz der täuschungsfreien Bildung von Entscheidungsgrundlagen. Die all- 299 gemeinen Irreführungsverbote der §§ 5, 5a Abs. 1 dienen dem Interesse, geschäftliche Entscheidungen auf einer von Täuschung freien Grundlage bilden zu können. Sonstige Marktteilnehmer sollen davor bewahrt werden, dass sie ein Angebot machen oder eine Nachfrageentscheidung treffen, weil sie von einem, auf einem anderen Markt tätigen Zulieferer oder Abnehmer getäuscht wurden. Hierdurch werden ihre eigenen Interessen unmittelbar und die Interessen der Mitbewerber des Anspruchsgegners wie bei einer Irreführung von Verbrauchern mittelbar beeinträchtigt.652 c) Schutz des Entscheidungsprozesses vor wettbewerbsfremder Aggressivität. 300 Ebenso ungestört soll der Entscheidungsprozess ablaufen, ob ein Unternehmen beliefert oder eine Leistung nachgefragt wird. Wird diese Wahlfreiheit durch wettbewerbsfremde Aggressivität der Marktgegenseite beeinträchtigt, sind die schutzwürdigen Interessen sonstiger Marktteilnehmer unmittelbar tangiert. In diesem Sinne erklärt § 4 Nr. 1 geschäftliche Handlungen für unlauter, die geeig- 301 net sind, die Entscheidungsfreiheit sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Während es bei § 4 Nr. 1 um eine als solche, aufgrund ihres Inhalts aggressive ge- 302 schäftliche Handlung geht, betrifft § 7 die Art und Weise des Wettbewerbsverhaltens.653
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649 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 302 („Geschützt werden die Angebotsfreiheit der Wettbewerber und die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher.“). 650 Entsprechend zu Mitbewerbern oben § 1 Rn. 190 ff. 651 Im Einzelnen § 3 Rn. 249 ff. 652 Für Verbraucher ErwGrd. 6 S. 1 UGPRL. 653 Dazu § 3 Rn. 71 ff.
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Belästigt eine geschäftliche Handlung einen sonstigen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise, ist sie unzulässig; dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht (§ 7 Abs. 1). Sonstigen Marktteilnehmern ist es gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt stets unzumutbar, wenn ihnen gegenüber mit einem Telefonanruf geworben wird, ohne dass sie zumindest mutmaßlich eingewilligt haben. Mit diesen Tatbeständen wird das rechtlich relevante Interesse sonstiger Marktteilnehmer geschützt, gezielter Werbung nur ausgesetzt zu sein, wenn sie dies wünschen. Indem sie gewisse, personalisierte Werbeformen ausblenden, gewinnen sie Freiraum und Aufmerksamkeit für andere Angebote. Zudem wird die Freiheit zur Entscheidung gewahrt, wann und wofür die eigenen Ressourcen eingesetzt werden. Diese Interessen zu gewährleisten, dient dem unverfälschten Wettbewerb. Denn 303 wer anderen – seien es Verbraucher oder als juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft agierende, sonstige Marktteilnehmer – seine Leistungen aufdrängt, verfälscht damit potentiell das andernfalls ohne die Aggressivität zu beobachtende Entscheidungsverhalten. Wendet sich die aggressive geschäftliche Handlung nicht unmittelbar an einen sonstigen Marktteilnehmer, sondern an die Mitbewerber des unlauter Handelnden oder an Verbraucher, können die Interessen eines sonstigen Marktteilnehmers gleichwohl mittelbar tangiert sein. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein eigentlich lieferungswilliger Unternehmer von einem seiner Mitbewerber gezielt daran gehindert wird, die Nachfrage eines sonstigen Marktteilnehmers zu bedienen. 304
d) Schutz des Interesses an der Wahrung der institutionellen Funktionsbedingungen des Wettbewerbs. Schließlich haben alle Marktteilnehmer ein Interesse, dass die rechtsgleichen Angebots- und Nachfragechancen nicht verzerrt werden. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen eine geschäftliche Handlung nicht einen bestimmten Marktteilnehmer irreführt oder behindert, aber doch die institutionellen Bedingungen des Wettbewerbs zu verfälschen geeignet ist. Im Vordergrund steht das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb, dessen Wahrung aber zugleich den individuellen Interessen der Marktteilnehmer dient. In diesem Sinne dient das Verbot des Rechtsbruchs gem. § 4 Nr. 11 der Gewähr305 leistung rechtsgleicher Wettbewerbsbedingungen. Jeder Marktteilnehmer ist daran interessiert, dass sich die anderen bei ihrem Marktverhalten rechtstreu verhalten, da sonst kein geordneter Wettbewerb möglich wäre. Dies ist das Interesse, dem die verletzte gesetzliche Vorschrift gem. § 4 Nr. 11 zumindest sekundär dienen muss.654 Die Fallgruppe der allgemeinen Marktstörung stellt sicher, dass keine geschäftlichen 306 Handlungen vorgenommen werden, die den Wettbewerb insgesamt auszuschalten drohen. Geschützt wird hier das Interesse sonstiger Marktteilnehmer, dass auch auf Märkten, auf denen sie selbst nicht tätig sind, geordneter Wettbewerb stattfindet, so dass sie die dort generierten Waren oder Dienstleistungen zu Wettbewerbsbedingungen nachfragen können bzw. dort mehr als einen Abnehmer für ihre eigenen Angebote finden.655 Schließlich ist in diesem Zusammenhang auf die besondere lauterkeitsrechtliche 307 Kontrolle des Wettbewerbsverhaltens der öffentlichen Hand zu verweisen. Parallel zur allgemeinen Marktstörung richtet sich das Interesse sonstiger Marktteilnehmer insoweit darauf, dass Märkte nicht aufgrund struktureller Vorteile des Staates zugunsten der öffentlichen Hand vermachten, so dass dort ggf. nur noch dieser Abnehmer bzw. Lieferant zur Verfügung steht.656
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Zur Realisierung anderweitiger Interessen über §§ 3, 4 Nr. 11 Rn. 155 ff. Dazu § 3 Rn. 455 ff. Dazu § 3 Rn. 488 ff.
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3. Das nicht schutzwürdige Interesse an der Vermeidung wettbewerbskonfor- 308 mer Zwänge. Nicht schutzwürdig ist hingegen das Interesse eines sonstigen Marktteilnehmers, sich den wettbewerbsimmanenten Zwängen mithilfe des UWG zu entziehen. Wettbewerb als wirtschaftlicher Ordnungsmechanismus funktioniert über nicht-rechtliche Sanktionen.657 Wie Verbraucher müssen sich auch und erst recht sonstige, unternehmerisch tätige bzw. als juristische Person/Personengesellschaft verfasste Marktteilnehmer über günstige Angebote informieren, um Preis- und Qualitätsvorteile genießen zu können. Es obliegt ihnen, im Wettbewerb mit ihren Konkurrenten bzw. anderen Nachfragern die besten Lieferanten bzw. Abnehmer auf anderen Märkten zu finden. Fehleinschätzungen müssen sie nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung selbst tragen. Vor diesen wirtschaftlichen Prozessen schützt das UWG nicht. Im Gegenteil, es soll gem. § 1 dazu beitragen, dass diese Zwänge möglichst uneingeschränkt und dauerhaft wirksam sind. Nicht schutzwürdig ist deshalb insbesondere das Interesse, mit Hilfe lauterkeits- 309 rechtlicher Verbote den eigenen Kunden-, Lieferanten- oder Mitarbeiterstamm zu erhalten. Selbiges gilt für den Wunsch, geschäftlichen Handlungen nicht auf dem eigenen Markt tätiger Dritter nicht ausgesetzt zu sein. Schließlich haben sonstige Marktteilnehmer mit Rücksicht auf den Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit kein rechtlich geschütztes Interesse, dass die Marktgegenseite sämtliche Eigenschaften und Defizite eines Produkts dezidiert offenlegt oder gar von sich aus auf bessere Alternativen hinweist. V. Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb 1. Der Zusammenhang zwischen Wettbewerb und Allgemeininteresse. Indem 310 das UWG die Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen schützt, dient es zugleich dem Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb. Dieses in § 1 S. 2 niedergelegte Regelungsziel ist der primäre und bei Interessenkonflikten grundsätzlich maßgebliche Schutzzweck des UWG.658 Es soll die Eigenlogik des wirtschaftlichen Wettbewerbs als des selbststeuernden Ordnungsmechanismus’ der Wirtschaft rechtlich flankieren. Zu den rechtlich geschützten Funktionen des Wettbewerbs zählt es, die Pläne der 311 Marktteilnehmer an die zur Verfügung stehenden Güter und die Bedürfnisse anzupassen und so zu einer effizienten Ressourcenallokation beizutragen (Anpassungs- und Steuerungsfunktion), technisch-wirtschaftlichen Fortschritt zu fördern und Renten nach individueller Leistung zu verteilen. Nicht zuletzt ist Wettbewerb eine mögliche Antwort auf das Problem privater Macht. Diese ökonomischen und normativen Wirkungen liegen im allgemeinen Interesse. Jene Allgemeininteressen erklärt § 1 S. 2 für lauterkeitsrechtlich maßgeblich. Eine geschäftliche Handlung muss dann, aber darf auch nur dann als unlauter verboten werden, wenn sie den Zielerreichungsgrad des selbststeuernden Systems Wettbewerb beeinträchtigt.659 Fast alle geschriebenen Tatbestände und Fallgruppen des UWG lassen sich die- 312 sem wettbewerbsfunktionalen Programm zuordnen. Die Verbote von Irreführungen und wettbewerbsfremder Aggressivität schützen individuelle Entscheidungsfreiheit im Markt und zugleich den an Preis und Leistung orientierten Wettbewerbsprozess. Die Ver-
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Siehe Weber S. 439 f. Zu Ausnahmen oben § 1 Rn. 137 ff. Oben § 1 Rn. 91 ff.
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bote des Rechtsbruchs, der allgemeinen Marktbehinderung sowie die lauterkeitsrechtliche Kontrolle des Marktverhaltens der öffentlichen Hand gewährleisten rechtsgleiche Wettbewerbsbedingungen und systemisch-institutionelle Grundbedingungen unverfälschten Wettbewerbs. Während bei Irreführungen und Aggressivität vom Individualinteresse der Marktteilnehmer zum Allgemeininteresse gedacht wird, verläuft die Argumentation bei den letztgenannten Fallgruppen umgekehrt. Hier steht das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb im Vordergrund, wodurch zugleich die wettbewerbsbezogenen Interessen der Marktteilnehmer gewahrt werden. 313
2. Auswirkungen auf die Klagebefugnis und Aktivlegitimation zur Verfolgung von UWG-Verstößen. Diese Verflechtung individueller und allgemeiner Interessen erlaubt es ferner, die gerichtliche Durchsetzung des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb wiederum den Marktteilnehmern zu überlassen, statt staatliche Institutionen mit dieser Aufgabe zu betrauen. Dabei hat der deutsche Gesetzgeber nur die Mitbewerber mit individuellen Abwehr- und Schadensersatzansprüchen ausgestattet. Zwar werden sie in aller Regel nur aus eigenem Antrieb und Interesse tätig. Wenn Sie aber dafür sorgen, dass eine unlautere Handlung eines Konkurrenten untersagt wird, realisieren sie damit zugleich das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb. Der Gedanke, dass die Anspruchsteller in lauterkeitsrechtlichen Verfahren 314 zugleich das Allgemeininteresse repräsentieren, rechtfertigt es auch, die Klagebefugnis und die Aktivlegitimation für Verstöße gegen das UWG vom Nachweis einer individuellen Interessenbeeinträchtigung zu entkoppeln. Deshalb sind die in § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 genannten Verbände, Einrichtungen und Kammern zur Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen berechtigt.660 Auch der Gewinnabschöpfungsanspruch gem. § 10 beruht auf diesem Konzept. 315 Zwar kann der Anspruch auf Herausgabe des Gewinns, der durch einen vorsätzlichen Verstoß gegen § 3 oder § 7 zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern erzielt wird, von Verbänden, Einrichtungen und Kammern geltend gemacht werden. Der ausgeurteilte Betrag aber fließt an den Bundeshaushalt und nicht an das klägerische Kollektiv, das unmittelbar eben nur einen Ausschnitt aller Marktteilnehmer repräsentiert. Diese eingeschränkte Legitimation genügt nicht, um den zu Lasten des Allgemeininteresses erzielten Gewinn gerade dieser Gruppe von Marktteilnehmern zuzuweisen. 3. Der Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung. Gem. § 1 bezweckt das UWG grundsätzlich nur den Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb. Abgesehen von spezifisch angeordneten Ausnahmen können andere individuelle und öffentliche Belange ein lauterkeitsrechtliches Verbot nicht rechtfertigen. 317 Zu diesen nicht über das UWG realisierbaren Zielen zählt zunächst das dem Wettbewerb als Ordnungsinstrument der Wirtschaft diametral entgegengesetzte Interesse, die Befriedigung von Bedürfnissen nicht der dezentralen Mehrplanwirtschaft zu überlassen, sondern Wettbewerb und Markt zu begrenzen und allenfalls staatliche Zuteilungen zuzulassen. Daher kann ein lauterkeitsrechtliches Verbot nicht mit angeblich schädlichen Wirkungen eines „ungesunden“, „übertriebenen“ oder sonst gemeinschafts-
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Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 50.
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schädlichen Wettbewerbs begründet werden.661 Das deutsche und europäische Lauterkeitsrecht soll den Wettbewerb nicht beschränken, sondern fördern. Ebenso wenig darf der geschäftliche Verkehr mit bestimmten Waren oder Dienstleistungen unter Berufung auf den Tierschutz, 662 die Durchsetzung inländischer Produktionsstandards663 und andere öffentliche Belange auf der Basis des UWG und namentlich der Generalklauseln des § 3 Abs. 1 und 2 unterbunden werden. Diese nicht wettbewerbsbezogenen Allgemeininteressen müssen in speziellen gesetzlichen Vorschriften niedergelegt sein, die zumindest sekundär dem Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb dienen, um über den Tatbestand des Rechtsbruchs lauterkeitsrechtliche Bedeutung zu erlangen.664 Das UWG erlaubt es ferner nicht, eine originär marktbegrenzende Sittlichkeit zu verfolgen, indem Unternehmer verpflichtet werden, alle irgendwie schädlichen Auswirkungen einer Ware oder Dienstleitung auf die Gesundheit, die Umwelt etc. offenzulegen. Die Irreführung durch Unterlassen ist nur dann verbotswürdig, wenn durchschnittliche Marktteilnehmer zu wirtschaftlichen Entscheidungen veranlasst werden können, die sonst unterblieben wären.665 Dies kann zwar auch durch eine – deshalb lauterkeitsrechtlich relevante – Täuschung über sittliche, marktbegleitende Entscheidungsparameter geschehen. Hingegen hat das Transparenzgebot nicht den Zweck, den Gesundheits- oder Umweltschutz etc. zu fördern. Dies geschieht wiederum über spezielle Gesetze und nicht zuletzt den unverfälschten Wettbewerb, wenn und soweit es Marktteilnehmer gibt, die ihre Entscheidungen hierauf in freier Entscheidung ausrichten. Grundsätzlich schließt der Fokus auf das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb auch eine marktbegrenzende, sittlich motivierte Kontrolle kommerzieller Kommunikation aus. So hat die Rechtsprechung geschäftliche Handlungen nicht beanstandet, die sittliche Haltungen durch gemeinwohlorientiertes Sponsoring kommerzialisiert666 oder das Marktgeschehen in die Privatsphäre erstreckt.667 Generell gilt, dass das UWG den Wettbewerb und „den Markt“ mit Blick auf die Eigenlogik und die Funktionsbedingungen dieser Institutionen einhegt. Es tritt hingegen nicht von außen begrenzend an das Marktgeschehen heran. Derartige Regulierungsziele werden nur ausnahmsweise aufgrund spezieller Entscheidungen des Gesetzgebers im UWG, im Übrigen aber in anderen gesetzlichen Vorschriften verfolgt. Diese Differenzierung zum Ausdruck zu bringen, ist der bleibende Beitrag des § 1.
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VI. Ausnahmsweiser Schutz nicht wettbewerbsbezogener Interessen 1. Ausnahmen vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung. Wie bereits 322 mehrfach angeklungen und im Abschnitt über den Schutzzweck des UWG erläutert, gibt es Ausnahmen vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung. Hierdurch werden über das UWG individuelle und öffentliche Interessen realisiert, die von § 1 eigentlich aus dem UWG verwiesen werden. Da allerdings der Gesetzgeber des UWG selbst diese anderweitigen Zielsetzungen in das UWG eingebracht hat, sind die betreffenden
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661 Zur nicht konsumfeindlichen Tendenz der UGPRL in diesem Sinne oben § 1 Rn. 119 ff. 662 Ebenso bereits zum UWG 1909 BGH 6.7.1995 – I ZR 4/93 – BGHZ 130, 182, 187 = GRUR 1995, 817 – Legehennenhaltung; Beater Rn. 997 f. 663 BGH 9.5.1980 – 1 ZR 76/78 – GRUR 1980, 858, 860 f. – Asbestimporte. 664 § 4 Nr. 11 und oben § 1 Rn. 155 ff. 665 Zur Irreführung von Verbrauchern §§ 5a Abs. 2, 3 Abs. 2. 666 BGH 22.9.2005 – I ZR 55/02 – GRUR 2006, 75 – Artenschutz. 667 BGH 6.7.2006 – I ZR 145/03 – GRUR 2006, 949 – Kunden werben Kunden.
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Entscheidungen dogmatisch als Ausnahmen vom wettbewerbsfunktionalen Programm anzuerkennen und offenzulegen.668 2. Rechtsbruch und Dreieckskopplung. Ambivalent erweist sich in diesem Zusammenhang zunächst der Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11. Einerseits gewährleistet das Verbot, gesetzlichen Vorschriften zuwiderzuhandeln, die im Interesse der Marktteilnehmer an rechtsgleichen Wettbewerbsbedingungen das Marktverhalten regeln, den unverfälschten Wettbewerb. Andererseits lässt es die herrschende Meinung in Übereinstimmung mit dem Willen 324 des historischen Gesetzgebers genügen, dass dieser Zweck von der dem UWG externen Marktverhaltensvorschrift nur in zweiter Linie verfolgt wird. Daher können über § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 11 Gesetzesverstöße lauterkeitsrechtlich sanktioniert werden, die primär anderen Allgemeininteressen wie z.B. dem Gesundheitsschutz dienen.669 In ähnlicher Weise fließt ein wettbewerbsexterner Regelungszweck in das UWG ein, 325 wenn die Rechtsprechung in der Fallgruppe der sog. Dreieckskopplung vorrangig die berufsrechtlich vorgesehene Objektivität und Neutralität von Ärzten, Rechtsanwälten usw. im Verhältnis zu ihren Patienten und Mandanten schützt, nicht hingegen deren eigene Entscheidungsfreiheit.670 323
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3. Hartnäckige Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens. Zumindest Bezüge zum Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb weist ferner eine Fallgruppe auf, die nach hier vertretener Auffassung direkt unter § 3 Abs. 1 subsumiert werden kann, nämlich das Verbot hartnäckiger Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt. Vordergründig geht es beim verfassungsrechtlich zulässigen und gesetzgeberisch gewollten Verbot ekelerregender, furchteinflößender und jugendgefährdender geschäftlicher Handlungen um marktbegrenzende Sittlichkeit. Indem aber das UWG die entsprechenden Einschätzungen der Selbstregulierungsorgane der Marktteilnehmer mit rechtlicher Bindung versieht, sichert es zugleich die langfristige gesellschaftliche Akzeptanz des im Übrigen freien Wettbewerbs.671
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4. Grundrechtliche Schutzpflichten im Hinblick auf die Menschenwürde und die Privatheit. Wie zu den drei Kategorien von Marktteilnehmern dargestellt, werden deren individuelle Interessen ebenfalls nur insoweit vom UWG geschützt, als diese mit dem Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb vereinbar sind. Lauterkeitsrechtlich relevant ist daher grundsätzlich nur das Interesse, eine von Täuschung und wettbewerbsfremder Aggressivität freie wirtschaftliche Entscheidung in einem auch sonst nicht strukturell verzerrten Wettbewerb fällen zu können. In zwei Tatbeständen dominieren aufgrund einer wiederum speziellen Entscheidung 328 des UWG-Gesetzgebers jedoch andere individuelle Interessen. Hierzu zählt zunächst die Umsetzung von Art. 13 DatenschutzRL-EK in § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt, Nr. 3 und 4 sowie Abs. 3 zum Schutz der Grundrechte natürlicher Personen auf Achtung ihres Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten gem. Art. 7 und 8 Charta.672 329 Ferner kann auf der Basis des UWG eine menschenverachtende geschäftliche Handlung unabhängig von einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Marktteil-
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Oben § 1 Rn. 137 ff. Oben § 1 Rn. 155 ff. § 3 Rn. 502 ff. § 3 Rn. 515 ff. § 1 Rn. 148 ff.
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nehmer untersagt werden. In diesem Fall wird die staatliche Schutzpflicht für die unantastbare Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG über das UWG realisiert.673 5. Abschließender Charakter der Ausnahmen vom Grundsatz wettbewerbs- 330 funktionaler Auslegung. Die Liste dieser, auf eine gesetzgeberische Entscheidung rückführbaren Ausnahmen vom wettbewerbsfunktionalen Programm des UWG ist abschließend. Im Übrigen gilt gem. § 1, dass das UWG nur auf den unverfälschten Wettbewerb bezogene Interessen schützt.674 Dieser restriktive Ansatz nimmt Rücksicht auf die Harmonisierungswirkung der 331 UGPRL, die autonom-mitgliedstaatliche Regelungen in Fragen der „guten Sitten und des Anstands“ nur dann zulässt, wenn diese Anforderungen „gesetzlich“ verankert sind.675 Das aber ist nur in den oben genannten, auf den Willen des historischen Gesetzgebers rückführbaren Tatbeständen der Fall. Diese dürfen nicht erweiternd oder gar analog angewendet werden. Zudem sind auch in den Ausnahmefällen wettbewerbsbezogene Interessen anderer Marktteilnehmer und der Allgemeinheit stets mit in die Betrachtung einzubeziehen. VII. Verhältnis der geschützten Interessen zueinander 1. Gleichrang wettbewerbsbezogener Individualinteressen. Gem. § 1 S. 1 werden 332 „die Marktteilnehmer, insbesondere die Verbraucher und die Mitbewerber … durch das UWG gleichermaßen und gleichrangig geschützt“.676 Für die Analyse und Beurteilung der geschützten Interessen folgt hieraus zunächst, dass die jeweiligen Interessen der betroffenen Personen(kreise) eigenständig zu erfassen sind. Eine geschäftliche Handlung ist bereits dann gem. § 3 oder § 7 für unzulässig zu erklären, wenn ein schutzwürdiges Interesse eines Personenkreises spürbar bzw. unzumutbar beeinträchtigt wurde.677 Aufgrund des auch in §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 S. 1 niedergelegten, integral-ganzheit- 333 lichen Ansatzes des deutschen Gesetzgebers müssen bei einer lauterkeitsrechtlichen Entscheidung immer die ggf. berührten Interessen aller drei Kategorien von Marktteilnehmern in Betracht gezogen werden. Jedenfalls genügt es nicht, nur auf die Interessen des beeinträchtigten Mitbewerbers, Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers abzustellen. Da zumindest die Interessen des Anspruchsgegners berücksichtigt werden müssen, bedarf es – abgesehen von den Per-se-Verboten des Anhangs zu § 3 Abs. 3 und des § 7 Abs. 2 – stets einer, ggf. durch gesetzliche Regelbeispiele typisierten, umfassenden Interessenabwägung. Bei diesem Abwägungsvorgang darf grundsätzlich keinem, für sich gesehen 334 schutzwürdigen Interesse per se der Vorzug gewährt werden. Nach einer Gegenauffassung ist jeweils derjenige Marktteilnehmer vorrangig zu schützen, dessen Interessen die einschlägige gesetzliche Konkretisierung der Unlauterkeit gewährleistet, so dass bei gezielten Behinderungen die Interessen der Mitbewerber, bei unzumutbaren Belästigungen von Verbrauchern hingegen jene zu schützen seien.678 Eine solch selektive Betrachtung und erst recht eine schematisch unterschiedliche Gewichtung tangierter Interessen
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673 Oben § 1 Rn. 167 ff.; § 3 Rn. 508 ff. 674 RegE UWG 2004 BTDrucks. 15/1487, S. 15 f.; Beater Rn. 2453. 675 Siehe ErwGrd. 7 S. 3 UGPRL und Sosnitza WRP 2006, 1, 4 ff. 676 RegE UWG 2004 BTDrucks. 15/1487, 15 f.; Beater Rn. 2453; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 45 f.; Nordemann Rn. 50; Piper/Ohly/Sosnitza § 1 Rn. 32. 677 Siehe § 3 Abs. 1 („oder“). 678 So aber Lettl § 1 Rn. 117; juris-PK/Ernst § 1 Rn. 13.
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ist mit dem umfassenden Ansatz des deutschen UWG nicht vereinbar. Vielmehr sind alle, nach dem Parteivortrag möglicherweise tangierten Interessen gleichrangig in die Abwägung einzubeziehen. 335
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2. Lösung von Konfliktfällen anhand der gesetzgeberischen Vorgaben im Hinblick auf das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb. Ohnehin im Konflikt zwischen den von den Prozessparteien geltend gemachten Interessen, aber in der Regel auch im Verhältnis zu mittelbar tangierten Drittinteressen ist eine Entscheidung erforderlich, welchem Interesse der Vorzug gebührt.679 So mag die Verbraucherautonomie für hohe Transparenzanforderungen in der Werbung sprechen, während die hiervon betroffenen Unternehmen Kostensteigerungen geltend machen, die ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit und den Markteintritt neuer Mitbewerber beschränken können. Unter Mitbewerbern kann ein weitreichender Schutz vor Nachahmungen das Innovationspotential etablierter Marktteilnehmer gewährleisten, was wiederum für die Konkurrenten und mittelbar die Verbraucher von Nachteil sein kann, weil sich kein Preiswettbewerb einstellt und Marktzutrittshürden errichtet werden.680 Zur Lösung dieser Interessenkonflikte sind mit abnehmendem Konkretisierungsgrad die gesetzgeberischen Vorgaben zur Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen anzuwenden. Durch die im Vergleich zum UWG 1909 höhere Regelungsdichte des europäischen und deutschen Lauterkeitsrechts ist die Bedeutung der Interessenabwägung als Methode der Entscheidungsfindung deutlich zurückgegangen. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob ein Per-se-Verbot gem. Anhang zu § 3 Abs. 3 oder § 7 Abs. 2 einschlägig ist. In diesen Fällen verbietet sich eine über den Tatbestand hinausgehende, allgemeine Interessenabwägung. In einem zweiten Schritt sind die detaillierten Konkretisierungen der Unlauterkeit gem. §§ 4–6 und der unzumutbaren Belästigung gem. § 7 Abs. 1 S. 2 anzuwenden. Diese Normen geben eine vom Gesetzgeber vorgenommene, typisierte Interessenabwägung wieder, die bei der Auslegung der betreffenden Vorschrift zu vollziehen ist.681 Erst im subsidiären Anwendungsbereich der allgemeinen Auffangklauseln des § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 7 Abs. 1 S. 1 beginnt die Prüfung mit einer umfassenden Analyse der tangierten Interessen.682 Aber auch hier besagt die Interessenabwägung für sich betrachtet nicht, welches Interesse inwieweit rechtlich schutz- und im Vergleich zu anderen vorzugswürdig ist.683 Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr grundsätzlich das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb. Für das autonome deutsche Recht folgt dies aus § 1 S. 2; auch das europäische Lauterkeitsrecht unter Einschluss der UGPRL verfolgt diese überwölbende Zielsetzung.684 Eine geschäftliche Handlung muss dann, aber darf auch nur dann als unlauter verboten werden, wenn sie den Zielerreichungsgrad des selbststeuernden Systems Wettbewerb beeinträchtigt.685 Hierbei ist eine langfristige („nachhaltige“) und umfassende Perspektive einzunehmen. Nicht die aktuelle Wettbewerbslage ist vor Veränderungen zu schützen, sondern die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs im Interesse sämtlicher Marktteilnehmer.
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679 Wuttke WRP 2007, 119, 127. 680 Dazu näher mit Beispielen aus der Rechtsprechung Peukert Güterzuordnung, S. 375 f. 681 Zum Verhältnis der §§ 4–6 zu § 3 unten § 3 Rn. 116 ff. 682 § 3 Rn. 234 ff. 683 Anders Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 47. 684 Oben Rn. 119 ff. 685 Schluep FS Kummer, S. 487, 496 f.; Rehberg in Zetzsche, S. 49, 74 ff.; Thouvenin S. 421 ff.; Podszun WRP 2009, 509 ff.
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Definitionen
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Diese Sichtweise kann sich sowohl liberalisierend als auch verbotsbegründend 342 auswirken. So können sehr hohe Transparenzanforderungen oder ein weitreichendes Verbot von Produktnachahmungen für Verbraucher bzw. den betroffenen Originalhersteller kurzfristig günstig sein. Die Auswirkungen auf die wettbewerbsbezogenen Interessen aller Marktteilnehmer aber können in längerfristiger Perspektive dazu Anlass geben, in diesen Fällen von einem Verbot wegen Irreführung durch Unterlassen bzw. unlauterer Produktnachahmung abzusehen. 3. Interessenabwägung im Harmonisierungsbereich der UGPRL. Im Harmoni- 343 sierungsbereich der UGPRL sind Interessenkonflikte anhand einer anderen Methodik zu lösen als nach der integral-ganzheitlichen Konzeption des deutschen Rechts. Denn die Richtlinie betrachtet geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern primär aus der Sicht der wirtschaftlichen Interessen der Konsumenten. Die konfligierenden Interessen anderer Marktteilnehmer sind nicht gleichrangig zu gewichten, sondern erst auf einer zweiten Stufe in die Prüfung der Unlauterkeit einzubringen, wenn zu fragen ist, ob ein Verbot der Geschäftspraktik wegen ihrer wesentlichen Auswirkungen auf die Verbraucher insgesamt verhältnismäßig ist.686 4. Interessenabwägung bei sonstigen Ausnahmen vom Grundsatz wettbe- 344 werbsfunktionaler Auslegung. Diese, vom Gleichrangprinzip abweichende Methodik gilt auch für die weiteren Ausnahmen vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung, wobei hier noch hinzukommt, dass genuin wettbewerbsfremde Interessen in die Betrachtung einfließen. Zunächst ist zu prüfen, ob die nicht wettbewerbsbezogenen Interessen in rechtlich relevanter Weise berührt sind. Erst dann und nur nach Maßgabe des Verbotstatbestands – also nicht im Rahmen der Per-se-Verbote gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 3 und 4 und des abwägungsfreien Gehalts der Menschenwürde – sind die Interessen des Anspruchsgegners an einer freien Ausübung seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit in die Abwägung einzubeziehen. Definitionen § 2 Definitionen § 2 Peukert/Fritzsche
§2 Definitionen 1.
2. 3.
(1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen; „Marktteilnehmer“ neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind; „Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht;
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Siehe ErwGrd. 6 S. 1, 2 UGPRL und oben § 1 Rn. 123 ff.
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Definitionen
4.
„Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird; dies schließt nicht Informationen ein, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit die Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können; 5. „Verhaltenskodex“ Vereinbarungen oder Vorschriften über das Verhalten von Unternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben; 6. „Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt; 7. „fachliche Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten einhält. (2) Für den Verbraucherbegriff gilt § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Art. 2 lit. h) UGPRL: „berufliche Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet; Art. 2 lit. a) UGP-Richtlinie: „Verbraucher“ jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;
Schrifttum Zu § 2 Abs. 1 Nr. 1: Alexander Vertrag und unlauterer Wettbewerb – Eine Untersuchung der wechselseitigen Beziehungen von Vertragsrecht und Wettbewerbsrecht zueinander (2002); ders. Die „Aufforderung zum Kauf“ im Lauterkeitsrecht, WRP 2012, 125; ders. Vertragsrecht und Lauterkeitsrecht unter dem Einfluss der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2012, 515; Alexander/Katz Wettbewerbscharakter und Wettbewerbszweck geschäftlicher Handlungen, NJW 1954, 129; Armgardt Verbraucherschutz und Wettbewerbsrecht: unwirksame AGB-Klauseln im Licht der neueren Rechtsprechung zum UWG und zur UGP-Richtlinie, WRP 2009, 122; Bauer Handeln zu Zwecken des Wettbewerbsrechts (1991); Brinkmann Der äußerungsrechtliche Unternehmensschutz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, GRUR 1988, 516; Diemer Meinungsfreiheit und Wettbewerbsrecht, FS Klaka (1987) 44; Degenhart Staatspresse in der Informationsgesellschaft – Verfassungsrechtliche und wettbewerbsrechtliche Schranken für die Publikationstätigkeit der öffentlichen Hand, AfP 2009, 207; Ellscheid Verbände und Wettbewerbsrecht, GRUR 1972, 284; Engels/Stulz-Herrnstadt Aktuelle Rechtsfragen des Direktmarketings nach der UWG-Reform, WRP 2005, 1218; Federer Das Wettbewerbsverhältnis im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (1990); Fezer Markenrechtliche Produktabgrenzung zwischen Ware und Dienstleistung. Zur markenrechtlichen Produkteigenschaft von Leasing, Computersoftware und Franchising, GRUR Int. 1996, 445; ders. Objektive Theorie der Lauterkeit im Wettbewerb, FS Schricker (2005) 671; P. Fischer Zur Abgrenzung von privatem und unternehmerischem Handeln auf Auktionsplattformen im Internet, WRP 2008, 193; U. Fischer Unlauterer Wettbewerb durch Doping im europäischen Profisport? EuZW 2002, 297; Forst Unterlassungsanspruch bei „versehentlicher“ Nichtportierung von Telekommunikationsanschlüs-
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Definitionen
§2
sen? WRP 2010, 1231; de Franceschi Unlautere Geschäftspraktiken und Luftbeförderungsverträge: Der Fall Ryanair und die Leitlinien der italienischen Rechtsprechung, euvr 2012, 41; Frisinger/Summerer Doping als unlauterer Wettbewerb im Profibereich – Eigene Ansprüche der Mitbewerber gegen den Dopingsünder aus UWG, GRUR 2007, 554; Glöckner Der gegenständliche Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts nach der UWG-Novelle 2008 – ein Paradigmenwechsel mit Folgen, WRP 2009, 1175; Gomille Äußerungsfreiheit und geschäftliche Handlung, WRP 2009, 525; Hefermehl Der Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts, FS Nipperdey (1955) 233; Hemmerich Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Idealvereinen, Diss. Heidelberg 1981; Henning-Bodewig Haften Privatpersonen nach dem UWG? GRUR 2013, 26; Hintz Die Bedeutung des Wettbewerbsverhältnisses für die Anwendung des UWG, GRUR 1988, 173; HoffrichterDaunicht Unlauterer Wettbewerb auf dem Spendenmarkt? FS v. Gamm (1990) 39; Holzgraefe Alles nur ein Spiel? – Rechtsfragen medialer Werbung in Videospielen, UFITA 2011, 519; Hoth Ware und gewerbliche Leistung, WRP 1956, 261; Isele Von der „Wettbewerbshandlung“ zur „geschäftlichen Handlung“: Hat die „Änderung der Voreinstellung“ ausgedient? GRUR 2009, 727; ders. Update: Bearbeitungsfehler im Massengeschäft – „Änderung der Voreinstellung II“, GRUR 2010, 309; Keßler/Micklitz Das neue UWG – auf halbem Wege nach Europa? VuR 2009, 88; Kaumanns/Wießner Vermarktung durch den fingierten Konsumenten K&R 2013, 145; Klöhn Wettbewerbswidrigkeit von Kapitalmarktinformation? ZHR 172 (2008), 388; Köhler Zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2005, 793; ders. „Wettbewerbshandlung“ und „Geschäftspraktiken“ – Zur richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs der Wettbewerbshandlung und zu seiner Definition im künftigen UWG, WRP 2007, 1393; ders. Unrichtige Arztabrechnungen: ein Fall fürs UWG, FS Doepner (2008) 31; ders. Spendenwerbung und Wettbewerbsrecht, GRUR 2008, 281; ders. Unzulässige geschäftliche Handlungen bei Abschluss und Durchführung eines Vertrags, WRP 2009, 898; ders. Die Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln: ein Fall für das UWG, GRUR 2010, 1047; ders. Neujustierung des UWG am Beispiel der Verkaufsförderungsmaßnahmen, GRUR 2010, 767; ders. Richtlinienkonforme Gesetzgebung statt richtlinienkonforme Auslegung: Plädoyer für eine weitere UWG-Novelle, WRP 2012, 251; Kübler/Simitis Presse und Wettbewerb, JZ 1969, 445; Köhler/Bornkamm/ Henning-Bodewig Vorschlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform, WRP 2002, 1317; Kulka Der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, DB 2008, 1548; Kummer Anwendungsbereich und Schutzgut der privatrechtlichen Rechtssätze gegen unlauteren und gegen freitheitsbeschränkenden Wettbewerb (1960); Lehmann Die wettbewerbs- und bürgerlich-rechtlichen Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung von Idealvereinen, WRP 1986, 63; Leible/ Lehmann/Zech Unkörperliche Güter im Zivilrecht (2011); Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007); Lettl Zur Frage der Irreführung bei Kontoauszügen, WuB V B § 5 UWG 1.07; Lindacher Grundfragen des Wettbewerbsrechts, BB 1975, 1311; Luhmann Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997; Lutz Veränderung des Wettbewerbsrechts im Zuge der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2006, 908; Mees Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Verhaltens nach Vertragsschluss, FS Brandner (1996) 473; Messer Wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Presseäußerungen, FS v. Gramm (1990) 95; Mestmäcker Die Abgrenzung von öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Handeln im Wettbewerbsrecht, NJW 1969, 1; Ohly Anmerkung zum BGH-Urteil vom 31.3.2010 (I ZR 34/08, GRUR 2010, 1117) – Der Ausschluss der Sachmangelhaftung als unlautere geschäftliche Handlung und deren Folgen für die wettbewerbsrechtliche Haftung, LMK 2011, 312950; Piper Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Werbeanzeigen und redaktionellen Beiträgen werbenden Inhalts insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, FS Vieregge (1995) 715; ders. Warenproduktion und Lauterkeitsrecht, WRP 2002, 1197; Reimer Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 2. Aufl. (1947); Reuter Wettbewerbsrechtliche Ansprüche bei Konflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern – Terra Incognita? NJW 2008, 3538; Ruhl/Bohner Vorsicht Anzeige! Als Information getarnte Werbung nach der UWG-Reform 2008, WRP 2011, 375; Samwer Die Störerhaftung und die Haftung für fremdes Handeln im wettbewerblichen Unterlassungsrecht, WRP 1999, 67; Scherer Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht – Veränderung des Verhältnisses durch § 2 I Nr 1 UWG? WRP 2009, 761; Schirmbacher UWG 2008 – Auswirkungen auf den E-Commerce, K&R 2009, 433; Schmidtke Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsabschluss (2011); Schünemann Die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand zwischen öffentlichem und privatem Wettbewerbsrecht, WRP 2000, 1001; ders. Handeln „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs“, WRP 2003, 16; Seichter Der Umsetzungsbedarf der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2005, 1087; Sosnitza Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2008, 1014; v. Tuhr Der Allgemeine Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, Band 2/2 (1918/1957); Ullmann SpendenSponsern-Werben, FS Traub (1994) 411; Voigt Idealvereine und andere Nonprofit-Organisationen im Wett-
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§2
Definitionen
bewerbsrecht, Diss. Düsseldorf 2006; ders. Spendenwerbung – ein Fall für das Lauterkeitsrecht? GRUR 2006, 466; ders. Preisangabenverordnung erzwingt mehr Transparenz im Spendenmarkt, WRP 2007, 44; Wilhelm Unlauterer Wettbewerb und Wettbewerbsverhältnis, ZIP 1992, 1139. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 2: Beater Mitbewerber und sonstige unternehmerische Marktteilnehmer – Wandel, Bedeutung und Abgrenzung der unternehmensbezogenen Schutzzwecke des UWG, WRP 2009, 768; Köhler Ist die Regelung der Telefonwerbung im UWG richtlinienkonform? WRP 2012, 1329. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 3: Beater Mitbewerber und sonstige unternehmerische Marktteilnehmer, WRP 2009, 768; Blankenberg Gespaltenes Verständnis des Mitbewerberbegriffs im UWG? WRP 2008, 186; Borck Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis beim Wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch, WRP 1988, 707; Bornkamm Das Wettbewerbsverhältnis und die Sachbefugnis des Mitbewerbers, GRUR 1996, 527; Büchler Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, Diss. Heidelberg 1981; Dieselhorst Der „unmittelbar Verletzte“ im Wettbewerbsrecht nach der UWG-Novelle, WRP 1995, 1; Dreyer Konvergenz oder Divergenz – Der deutsche und der europäische Mitbewerberbegriff im Wettbewerbsrecht, GRUR 2008, 123; Federer Das Wettbewerbsverhältnis im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Diss. München 1989; v. Gierke Grenzen der wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung, WRP 1997, 892; Hadding Die Klagebefugnis der Mitbewerber und Verbände nach § 13 Abs. 1 UWG im System des Zivilprozessrechts, JZ 1970, 305; Hefermehl Das Prokrustesbett „Wettbewerbsverhältnis“, FS Max Kummer (1980) 345; ders. Grenzen der Klagebefugnis der Gewerbetreibenden und Verbände im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, WRP, 1987, 281; Hintz Die Bedeutung des Wettbewerbsverhältnisses für die Anwendung des UWG, GRUR 1988, 173; Knöpfle Zum Erfordernis eines Wettbewerbsverhältnisses bei der Anwendung des UWG, UFITA 93 (1982) 25; Köhler Der „Mitbewerber“, WRP 2009, 499; Nägele Das konkrete Wettbewerbsverhältnis – Entwicklungen und Ausblick, WRP 1996, 997; Rohlfing Unternehmer qua Indizwirkung? MMR 2006, 271; Sack Der Schutzzweck des UWG und die Klagebefugnis des „unmittelbar Verletzten“, in: FS v. Gamm (1990) 161; ders. Der Mitbewerberbegriff des § 6 UWG, WRP 2008, 1141; ders. Individualschutz gegen unlauteren Wettbewerb, WRP 2009, 1330; ders. Neuere Entwicklungen der Individualklagebefugnis im Wettbewerbsrecht, GRUR 2011, 953. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 4: Eckhardt Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation – Auswirkungen auf Werbung mittels elektronischer Post, MMR 2003, 557; Micklitz/Schirmbacher Distanzkommunikation im europäischen Lauterkeitsrecht, WRP 2006, 148; Ohlenburg Die neue EU-Datenschutzrichtlinie 2002/58/EG – Auswirkungen und Neuerungen für elektronische Kommunikation, MMR 2003, 82. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 5: Alexander Verhaltenskodizes im europäischen und deutschen Lauterkeitsrecht, GRUR Int. 2012, 965; Beisheim Gestaltung von Globalisierung durch Selbstverpflichtungen und Verhaltenskodizes, in: Bass/Melchers, Neue Instrumente zur sozialen und ökologischen Gestaltung der Globalisierung (2004) 172; Birk Corporate Responsibility, unternehmerische Selbstverpflichtungen und unlauterer Wettbewerb, GRUR 2011, 196; Buntenbroich Menschenrechte und Unternehmen: Transnationale Rechtswirkungen „freiwilliger“ Verhaltenskodizes (2007); Dreyer Verhaltenskodizes im Referentenentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, WRP 2007, 1294; Hoeren Das neue UWG und dessen Auswirkungen auf den B2B-Bereich, WRP 2009, 789; Keßler/Micklitz Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern, BB Special 13 2005, 1; Lamberti/Wendel Verkäufe außerhalb von Vertriebsbindungssystemen – Bringt die UWG-Reform neue Handlungsmöglichkeiten gegen „Außenseiter“? WRP 2009, 1479; G. Meier Verhaltensregeln der Wirtschaft und „Leistungswettbewerb“, WRP 1978, 514; Messen Internationale Verhaltenskodizes und Sittenwidrigkeitsklauseln, NJW 1981, 1131; Sack Lauterer und leistungsgerechter Wettbewerb durch Wettbewerbsregeln, GRUR 1975, 297; Schirmbacher UWG 2008 – Auswirkungen auf den ECommerce, K&R 2009, 433; Schmidhuber Verhaltenskodizes im nationalen und grenzüberschreitenden elektronischen Geschäftsverkehr – Zur Frage der Integration der Selbstregulierung durch Private in die staatliche Rechtsordnung (2004); ders. Verhaltenskodizes im neuen UWG, WRP 2010, 593; Sosnitza Wettbewerbsregeln nach §§ 24 ff. GWB im Lichte der 7. GWB-Novelle und des neuen Lauterkeitsrechts, FS Bechtold (2006) 515. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 6: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Auflage (2012); Köhler Der „Unternehmer“ im Lauterkeitsrecht, FS Hopt, Band 2 (2010) 2825; Ultsch Der einheitliche Verbraucherbegriff (2005). Zu § 2 Abs. 1 Nr. 7: Alexander Vertragsrecht und Lauterkeitsrecht unter dem Einfluss der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Zugleich Besprechung der Entscheidung EuGH, 15.3.2012 – C-453/10 – Pereničová und Perenič/SOS, WRP 2012, 515; ders. Verhaltenskodizes im europäischen und deutschen Lauterkeitsrecht, GRUR Int 2012, 965; ders. Die Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinie 2005/29/EG bis zum Jahr 2012, WRP 2013, 17; Bärenfänger Symbiotische Theorie zum Kennzeichen- und
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Definitionen
§2
Lauterkeitsrecht, Teil I und II, WRP 2011, 16 bzw. WRP 2011, 160; Berlit Die Zukunft des Preisausschreibens im Lichte der Entscheidung „Millionen-Chance II“, WRP 2011, 1225; Bieber Die Kontrolle des Berufsrechts der Freiberufler – insbesondere der Rechtsanwälte – mit Hilfe von § 4 Nr. 11 UWG, WRP 2008, 723; Böhler Wettbewerbsrechtliche Schranken für Werbemaßnahmen gegenüber Minderjährigen. Einfluss der UGP-RL auf die kinderschützenden Beispielstatbestände des § 4 UWG, WRP 2011, 1028; Boesche Drum kopple, was sich (nicht) ewig bindet. Hohe Hürde der gemeinschaftsrechtlichen Unzulässigkeit von Kopplungsangeboten, WRP 2011, 1345; Dembowski Richtlinienkonformität nationaler Regelungen zum Verbot von Kopplungsangeboten, jurisPR-WettbR 6/2009 Anm. 1; Doepner Selbstwiderlegung der Dringlichkeit in wettbewerbsrechtlichen Verfügungsverfahren: wider eine feste Zeitspanne, WRP 2011; Dohrn Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – ihre Interpretation und Umsetzung, 2008; Dreher/ Ballmaier Die Werbung mit der Rechtsform durch Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, VersR 2011, 1087; Emmerich Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechun, FS Gernhuber, 1993, 857; Fezer Lebensmittelimitate, gentechnisch veränderte Produkte und CSR-Standards als Gegenstand des Informationsgebots im Sinne des Art 7 UGP-RL, WRP 2010, 577; Glöckner Wettbewerbsbezogenes Verständnis der Unlauterkeit und Vorsprungserlangung durch Rechtsbruch, GRUR 2008, 960; ders. Der gegenständliche Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts nach der UWG-Novelle 2008 – ein Paradigmenwechsel mit Folgen, WRP 2009, 1175; ders. Über die Schwierigkeit, Proteus zu beschreiben – die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Deutschland, GRUR 2013, 224; ders. Rechtsbruchtatbestand oder … The Saga Continues! GRUR 2013, 568; Goldhammer Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 2011; Haberkamm/Kühne Ist Glück (im Spiel) nun käuflich? Zur Zulässigkeit der Koppelung von Warenabsatz und Gewinnspiel – „Plus“, EWS 2010, 417; Helm Hohes Verbraucherschutzniveau. Zur Umsetzung der UGP-Richtlinie 2005/29/EG, WRP 2013, 710; Henning-Bodewig UWG und Geschäftsethik, WRP 2010, 1094; dies. Der „ehrbare Kaufmann“, Corporate Social Responsibility und das Lauterkeitsrecht, WRP 2011, 1014; dies. Der Schutzzweck des UWG und die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2013, 238; Hobusch/Ochs Rechtsprechungsübersicht zum Medizinprodukterecht und angrenzenden Gebieten 2009/ 2010, MedR 2011, 553; Hoeren Das neue UWG und dessen Auswirkungen auf den B2B-Bereich, WRP 2009, 789; Köhler „Täter“ und „Störer“ im Wettbewerbs- und Markenrecht – Zur BGH-Entscheidung „Jugendgefährdende Medien bei eBay“, GRUR 2008, 1; ders. Die UWG-Novelle 2008, WRP 2009, 109; ders. Ist der Unlauterkeitstatbestand des § 4 Nr. 6 UWG mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vereinbar?, GRUR 2009, 626; ders. Unzulässige geschäftliche Handlungen bei Abschluss und Durchführung eines Vertrags, WRP 2009, 898; ders. Neujustierung des UWG am Beispiel der Verkaufsförderungsmaßnahmen, GRUR 2010, 767; ders. Die Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln: ein Fall für das UWG. Zugleich Besprechung der BGH-Entscheidungen „Gewährleistungsausschluss im Internet“ und „Vollmachtsnachweis“, GRUR 2010, 1047; ders. Grenzstreitigkeiten im UWG. Zum Anwendungsbereich der Verbotstatbestände des § 3 Abs. 1 UWG und des § 3 Abs. 2 S. 1 UWG, WRP 2010, 1293; ders. Die Kopplung von Gewinnspielen an Umsatzgeschäfte: Wende in der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung. Zugleich Besprechung von BGH, Urt. v. 5. 10. 2010 – BGH Aktenzeichen IZR406 I ZR 4/06 – Millionen-Chance II, GRUR 2011, 478; ders. „Fachliche Sorgfalt“ – Der weiße Fleck auf der Landkarte des UWG, WRP 2012, 22; ders. Dogmatik des Beispielskatalogs des § 4 UWG. Die Ausstrahlung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auf die Tatbestände des § 4 UWG, WRP 2012, 638; ders Zur Mitbewerberklage gegen die Verwendung unwirksamer AGB. Zugleich Besprechung von BGH, Urteil vom 31.5.2012 – I ZR 45/11 – Missbräuchliche Vertragsstrafe, WRP 2012, 1475; ders. Richtlinienumsetzung im UWG – eine unvollendete Aufgabe, WRP 2013, 403; ders. „Haircut“ bei der Preisangabenverordnung am 12.6.2013, WRP 2013, 723; Krüger Die Kopplung von Umsatzgeschäften mit Glücksspielen, GRURPrax 2012, 129; Kulka Der Entwurf eines „Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“, DB 2008, 1548; Leible/Günther „MillionenChance II“ – Das endgültige Aus für § 4 Nr. 6 UWG? GRUR-Prax 2011, 209; Matern Absatzförderung auf nachgeordneten Vertriebsstufen – lauterkeitsrechtliche Bewertung von Verkaufswettbewerben in der Reisebranche, WRP 2008, 575; Meyer Briefkastenwerbung in Plastikfolie und Gratiszeitungen. Zugleich Anmerkung zu OLG Frankfurt, 9.12.2011 – 25 U 106/11, WRP 2012, 788; Möllers/Mederle Werbung von Rechtsanwälten. Moderne Marketingkonzepte und einzelne verfassungs- und europarechtswidrige Normen der BRAO, WRP 2008, 871; Namysłowska Trifft die Schwarze Liste der unlauteren Geschäftspraktiken ins Schwarze? Bewertung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung, GRUR Int 2010, 1033; Obergfell Vollharmonisierung im Lauterkeitsrecht, in: M. Stürner (Hrsg.), Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht, 2009, S. 159; Scherer Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht – Veränderung des Verhältnisse durch § 2 I Nr 1 UWG?, WRP 2009, 761; dies. Die „Verbrauchergeneralklausel“ des § 3 II 1 UWG – eine über-
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Definitionen
flüssige Norm, WRP 2010, 586; Schmidhuber Verhaltenskodizes im neuen UWG. Überlegungen zur Bedeutung für die lauterkeitsrechtliche Praxis in Deutschland, WRP 2010, 593; Schmidtke Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 2011; Sosnitza Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2008, 1014; Steinbeck Irrwege bei der Irreführung durch Unterlassen, WRP 2011, 1221; Tiller Gewährleistung und Irreführung – Eine Untersuchung zum Schutz des Verbrauchers bei irreführender Werbung, 2005; Wollschläger/Baustian „Der Wettstreit um den Kunden“ – Rechtliche Möglichkeiten des Dialogmarketings nach der Novellierung des UWG 2009, IR 2010, 126; Zabel Das Regelungskonzept des § 3 UWG und die lauterkeitsrechtliche Beurteilung von Gewährleistungsausschlüssen in Verbrauchsgüterkaufverträgen – Teil 1 und 2, VuR 2011, 403 und 449. Zu § 2 Abs. 2: Ackermann Die deutsche Umweltrechtsprechung auf dem Weg zum Leitbild des verständigen Verbrauchers? WRP 1996, 502; Adomeit Die gestörte Vertragsparität – ein Trugbild? NJW 1994, 2467; Alexander Vertragsrecht und Lauterkeitsrecht unter dem Einfluss der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Zugleich Besprechung der Entscheidung EuGH, 15.3.2012 – C-453/10 – Pereničová und Perenič/SOS, WRP 2012, 515; ders. Die Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinie 2005/29/EG bis zum Jahr 2012, WRP 2013, 17; Apetz Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 2011; Apel/Grappenhaus Das Offline-Online-Chaos oder wie die Europäische Kommission den grenzüberschreitenden Werbemarkt zu harmonisieren droht, WRP 1999, 1247; Armgardt Verbraucherschutz und Wettbewerbsrecht: unwirksame AGB-Klauseln im Licht der neueren Rechtsprechung zum UWG und zur UGP-RL, WRP 2009, 122; Balzer Arzt- und Klinikwerberecht. Aktuelle Werbechancen für Arzt und Klinik, 2004; Augenhofer Individualrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bei unlauterem Wettbewerbsverhalten des Unternehmers, WRP 2006, 169; Barnert Die formelle Vertragsethik des BGB im Spannungsverhältnis zum Sonderprivatrecht und zur judikativen Kompensation der Vertragsdisparität, zugleich ein Befund judikativer Entwicklungsphasen materieller Vertragsethik im Interzessionsrecht, 1999; Batereau/Barbasch Mitgliedermarketing und Lauterkeitsrecht, ZfgG 62 (2012), 51; Beater Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht, 2000; ders. Verbraucherverhalten und Wettbewerbsrecht, Festschrift Tilmann (2003), S. 87; ders. Mitbewerber und sonstige unternehmerische Marktteilnehmer, WRP 2009, 768; Berneke Zum Lauterkeitsrecht nach einer Aufhebung von Zugabeverordnung und Rabattgesetz, WRP 2001, 615; ders. Absicht und Versehen bei Massengeschäften, Festschrift Doepner (2008), 3; Birk Corporate Responsibility, unternehmerische Selbstverpflichtungen und unlauterer Wettbewerb, GRUR 2011, 196; Böttner 80 Jahre „Gute Sitten“. Zum 80. Geburtstag des UWG, WRP 1989, 433; Bornkamm Das Wettbewerbsverhältnis und die Sachbefugnis des Mitbewerbers, GRUR 1996, 927; ders. Wettbewerbs- und Kartellrechtsprechung zwischen nationalem und europäischem Recht, Festschrift 50 Jahre BGH (2000), 343; Brammsen/Apel Madoff, Phoenix, Ponzi und Co. – Bedarf das „Schneeballverbot“ der progressiven Kundenwerbung in § 16 II UWG der Erweiterung? WRP 2011, 400; Bülow Lauterkeitsrecht oder Unlauterkeitsrecht? GRUR 2012, 889; Bülow/Artz, Fernabsatzverträge und Strukturen eines Verbraucherprivatrechts im BGB, NJW 2000, 2049; Bürglen Die Verfremdung bekannter Marken zu Scherzartikeln, Festschrift Gaedertz (1992), 71; Damm, Privatautonomie und Verbraucherschutz, VersR 1999, 129; Dauses, Die Rechtsprechung des EuGH zum Verbraucherschutz und zur Werbefreiheit im Binnenmarkt, EuZW 1995, 425; Dichtl/Brinkmann/Hardock/Ohlwein/Schellhase/ Wolf Der Deregulierungsbedarf bei für die Wirtschaft relevanten Rechtsnormen, BB Beilage 1995, Nr. 12; Dick Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung. Der Einfluss von Verbraucherschutzkonzeptionen auf die Gerichtsbarkeit am Beispiel der Rechtsprechung zur Verbraucherverschuldung und zur Verbraucherinformation, 1995; Dohrn Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – ihre Interpretation und Umsetzung, 2008; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998; ders. Die Einwirkung der Grundrechte auf die Auslegung der Generalklauseln des UWG, in: Schricker u.a. (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, 1998, S. 163 ff.; ders. Verbraucherschutz und Electronic Commerce in Europa, in Lehmann (Hrsg), Electronic Business in Europa, 2002, 473; Dreyer Verhaltenskodizes im Referentenentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, WRP 2007, 1294; dies. Konvergenz oder Divergenz – Der deutsche und der europäische Mitbewerberbegriff im Wettbewerbsrecht, GRUR 2008, 123; Eck/Ikas Neue Grenzen vergleichender Werbung, WRP 1999, 251; Engels/Stulz-Herrnstadt Aktuelle Rechtsfragen des Direktmarketings nach der UWG-Reform, WRP 2005, 1218; v. Falckenstein Die Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken durch Verbraucherverbände, 1977 (zitiert Verbraucherverbände); ders. Schäden der Verbraucher durch unlauteren Wettbewerb, 1979 (zitiert Schäden); Fezer Die Verteidigung von Marken – Eine Skizze zum neuen Recht, WRP 1995, 617; ders. Objektive Theorie der Lauterkeit im Wettbewerb, Festschrift Schricker (2005), 671; ders. Plädoyer für eine offensive Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche UWG, WRP 2006, 781;
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Definitionen
§2
Fehrenbacher/Herr Die BGB-Gesellschaft – eine natürliche Person im Sinne des Verbraucherschutzrechts? BB 2002, 1006; Glöckner Der gegenständliche Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts nach der UWGNovelle 2008 – ein Paradigmenwechsel mit Folgen, WRP 2009, 1175; Glöckner/Henning-Bodewig EGRichtlinie über unlautere Geschäftspraktiken: Was wird aus dem neuen UWG?, WRP 2005, 1311; Göhre Frischer Wind aus Brüssel? Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt und das Grünbuch der Europäischen Kommission zum Verbraucherschutz in der Europäischen Union, WRP 2002, 36; Gomille Äußerungsfreiheit und geschäftliche Handlung, WRP 2009, 525; Heermann/Ruess Verbraucherschutz nach RabattG und ZugabeVO – Schutzlücke oder Freiheitsgewinn? WRP 2001, 883; Helm Das Verbraucherleitbild des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs im Vergleich, Festschrift Tilmann (2003), 135; ders. Der Abschied vom „verständigen“ Verbraucher, WRP 2005, 931; ders. Hohes Verbraucherschutzniveau. Zur Umsetzung der UGP-Richtlinie 2005/29/EG, WRP 2013, 710; Henning-Bodewig Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken und UWG-Reform, GRUR Int 2004, 183; dies. Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR Int 2005, 629; dies. Haften Privatpersonen nach dem UWG? GRUR 2013, 26; Herresthal Scheinunternehmer und Scheinverbraucher im BGB, JZ 2006, 695; Hoeren Das neue UWG und dessen Auswirkungen auf den B2B-Bereich, WRP 2009, 789; Isele Von der „Wettbewerbshandlung“ zur „geschäftlichen Handlung“: Hat die „Änderung der Voreinstellung“ ausgedient?, GRUR 2009, 727; Kessler/Micklitz Das neue UWG – auf halbem Wege nach Europa?, VuR 2009, 88; Kisseler, Das deutsche Wettbewerbsrecht im Binnenmarkt, 1994, 1; Klein/Insam Telefonische Abwerbung von Mitarbeitern am Arbeitsplatz und im Privatbereich nach neuem UWG, GRUR 2006, 379; Klöhn Wettbewerbswidrigkeit von Kapitalmarktinformation?, ZHR 172 (2008), 388; Köber Rechtsprechungsübersicht 2012 zum Wettbewerbsrecht in der gesetzlichen Krankenversicherung, KrV 2013, 93; Köhler UWG-Reform und Verbraucherschutz, GRUR 1993, 265; ders. Zum Anwendungsbereich der §§ 1 und 3 UWG nach Aufhebung von RabattG und ZugabeVO, GRUR 2001, 1067; ders. Das neue UWG, NJW 2004, 2121; ders. „Wettbewerbshandlung“ und „Geschäftspraktiken“, WRP 2007, 1393; ders. Spendenwerbung und Wettbewerbsrecht, GRUR 2008, 281; ders. Die Unlauterkeitstatbestände des § 4 UWG und ihre Auslegung im Lichte der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2008, 841; ders. Vom deutschen zum europäischen Lauterkeitsrecht – Folgen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken für die Praxis, NJW 2008, 3032; ders. Der „Mitbewerber“, WRP 2009, 499; ders. Unzulässige geschäftliche Handlungen bei Abschluss und Durchführung eines Vertrags, WRP 2009, 898; ders. Die Durchsetzung des Vertragsrechts mit den Mitteln des Lauterkeitsrechts, Festschrift Medicus (2009), 225; ders. Der „Unternehmer“ im Lauterkeitsrecht, Festschrift Hopt (2010), 2825; ders. Die Kopplung von Gewinnspielen an Umsatzgeschäfte: Wende in der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung – Zugleich Besprechung von BGH, Urt. v. 5.10.2010 – I ZR 4/06 – Millionen-Chance II, GRUR 2011, 478; ders. Ist die Regelung der Telefonwerbung im UWG richtlinienkonform? WRP 2012, 1329; ders. Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Deutschland – eine kritische Analyse, GRUR 2012, 1073; ders. Richtlinienumsetzung im UWG – eine unvollendete Aufgabe, WRP 2013, 403; Köhler/Lettl Das geltende europäische Lauterkeitsrecht, der Vorschlag für eine EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und die UWGReform, WRP 2003, 1019; Krebs Verbraucher, Unternehmer oder Zivilpersonen. Zur Einordnung von BGBGesellschaften und anderen „Verbänden“ ohne eigenes Gewerbe oder selbstständige berufliche Tätigkeit, DB 2002, 517; Kulka Der Entwurf eines „Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“, DB 2008, 1548; Kur Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts durch Angleichungsmaßnahmen in angrenzenden Bereichen, in: Schricker u.a. (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, 1998, S. 116 ff.; Lehmler Das Recht des unlauteren Wettbewerbs. Eine systematische Darstellung, 2002; Leisner Der mündige Verbraucher in der Rechtsprechung des EuGH – Zur europarechtlichen Zulässigkeit abstrakter Gefährdungstatbestände (§§ 6a, 6b UWG), EuZW 1991, 498; Lettl Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, 2004; ders. Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor Irreführung in Europa, GRUR Int. 2004, 85; ders. Das neue UWG, GRUR-RR 2009, 41; ders. Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 UWG n.F., WRP 2009, 1315; Mäsch/Hesse Multi-Level-Marketing im straffreien Raum – Veränderungen der strafrechtlichen Beurteilung von Direktvertriebssystemen durch die UWG-Novelle 2004. GRUR 2010, 10; Mees Der Patient als Verbraucher – Ein neuer Topos des wettbewerbsrechtlichen Verbraucherschutzes? Festschrift Ullmann (2006), 755; Messer Wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Presseäußerungen, Festschrift v. Gamm (1990), 95; Meyer Das Verbraucherleitbild des Europäischen Gerichtshofs – Abkehr vom „flüchtigen Verbraucher“, WRP 1993, 215; Micklitz/Keßler Funktionswandel des UWG, WRP 2003, 919; Nägele Das konkrete Wettbewerbsverhältnis – Entwicklungen und Ausblick, WRP 1996, 977; Nippe Belästigung zwischen Wettbewerbshandlung und Werbung, WRP 2006, 951; Ohly Die Bemühun-
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§2
Definitionen
gen um eine Rechtsvereinheitlichung auf EU-Ebene von den Anfängen bis zur Richtlinie über irreführende Werbung von 1984, in: Schricker u.a. (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, 1998, S. 69 ff.; Omsels Kritische Anmerkungen zur Bestimmung der Irreführungsgefahr, GRUR 2005, 548; Pfeiffer Der Verbraucher nach § 13 BGB, in Schulze/Schulte-Noelke (Hrsg.), Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, 177; Quiring Die Abwerbung von Mitarbeitern im Licht der UWG-Reform – und vice versa, WRP 2003, 1181; v Randow Rating und Wettbewerb, ZBB 1996, 85; Rohlfing Unternehmer qua Indizwirkung?, MMR 2006, 271; Sack Auswirkungen der Art. 30, 36, 59 EG-Vertrag auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs, in: Schricker u.a. (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, 1998, S. 139 ff.; ders. Regierungsentwurf einer UWG-Novelle – ausgewählte Probleme, BB 2003, 1073; ders, Die relevante Irreführung im Wettbewerbsrecht, WRP 2004, 521; ders. Der Mitbewerberbegriff des § 6 UWG, WRP 2008, 1141; ders. Individualschutz gegen unlauteren Wettbewerb, WRP 2009, 1330; Scherer Privatrechtliche Grenzen der Verbraucherwerbung, 1996; dies. Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht – Veränderung des Verhältnisses durch § 2 I Nr. 1 UWG?, WRP 2009, 761; dies. Die Verwechslungsgefahr im Marken- und Wettbewerbsrecht – einheitliche Auslegung? WRP 2013, 8; dies. Die Leerformel vom „hohen Verbraucherschutzniveau“, WRP 2013, 977; Schloßer, Unlautere Werbung durch Stellenanzeigen; Schmidhuber Verhaltenskodizes im neuen UWG, WRP 2010, 593; K. Schmidt Verbraucherbegriff und Verbrauchervertrag – Grundlagen des § 13 BGB, JuS 2006, 1; Schmidtke Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsabschluss, 2011; Schubert Fragen der wettbewerbsrechtlichen Aktivlegitimation und des Wettbewerbsverhältnisses, ÖBl 1991, 5; Sosnitza Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2008, 1014; Spliethoff Verkehrsauffassung und Wettbewerbsrecht, 1992; Steindorff Unlauterer Wettbewerb im System des EG-Rechts, WRP 1993, 139; Stuyck/Terryn/van Dyck Confidence through fairness? The new Directive on unfair Businessto-Consumer Commercial Practices in the Internal Market, CML Rev 43 (2006), 107; Tiller Gewährleistung und Irreführung, 2005; Ullmann Der Verbraucher – ein Hermaphrodit, GRUR 1991, 789; ders. Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld von Europa und Deutschland, GRUR 2003, 817; Ultsch Der einheitliche Verbraucherbegriff, 2006; Veelken Kundenfang gegenüber Verbrauchern, WRP 2004, 1; Voigt Spendenwerbung – ein Fall für das Lauterkeitsrecht?, GRUR 2006, 466; Wassermeyer Schockierende Werbung, GRUR 2002, 126; I. Westermann Bekämpfung irreführender Werbung ohne demoskopische Gutachten, GRUR 2002, 403; Wilhelm Unlauterer Wettbewerb und Wettbewerbsverhältnis, ZIP 1992, 1139; ders. Der durch unlauteren Wettbewerb Verletzte, Festschrift Musielak (2004), 675.
Gesetzgebungsmaterialien Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), EG-Abl. L 108/33 (zit.: Rahmenrichtlinie 2002/21) Referentenentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, 23.1.2003, GRUR 2003, 298 (zit.: RefE UWG 2004) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), 18.6.2003, KOM (2003) 356 endgültig, 2003/0134 (COD) (zit.: Vorschlag UGPRL) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 22.8.2003, BTDrucks. 15/1487 (zit.: RegE UWG 2004) Europäisches Parlament, Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (KOM(2003) 356 – C5-0288/2003 – 2003/0134(COD)), 18.3. 2004, A5-0188/2004 (zit.: Europäisches Parlament, Bericht UGPRL) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, – Drucksache 15/1487 – Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 26.3.2004 (zit.: Bericht Rechtsausschuss UWG 2004) Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (KOM (2003) 356 – C5-0288/2003 – 2003/0134
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Definitionen
§2
(COD)), 20.4.2004, P5_TA(2004)0298 (zit.: Europäisches Parlament, Legislative Entschließung UGPRL, 20.4.2004) Europäischer Rat, Entwurf der Begründung des Rates, Gemeinsamer Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr./2004 des Europäischen Parlaments und des Rates („Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“), 29.10.2004, 11630/04 ADD 1 (zit.: Europäischer Rat, Standpunkt UGPRL) Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (11630/2/2004 – C6-0190/ 2004 – 2003/0134 (COD)), 24.2.2005, P6_TA(2005)0048 (zit.: Europäisches Parlament, Legislative Entschließung UGPRL, 24.2.2005) Diskussionsentwurf, Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), BMJ, Referat III B 5, 8.5.2007 (zit.: DiskE UWG 2008) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, 20.8.2008, BTDrucks. 16/10145 (zit.: RegE UWG 2008) Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, EU-ABl. L 304/64 (zit.: VerbraucherR-RL)
A.
B.
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Übersicht Einführung ____ 1 I. Entstehungsgeschichte des Definitionskatalogs ____ 1 II. Bedeutung und Kritik des Definitionskatalogs ____ 4 Die Definitionen im Einzelnen ____ 15 I. Geschäftliche Handlung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 ____ 15 1. Entstehungsgeschichte ____ 15 a) UWG 1909 ____ 16 b) UWG 2004 ____ 19 c) UWG 2008 ____ 23 2. Vergleich zu unionsrechtlichen Begriffen ____ 29 a) Wettbewerbsverhalten gem. Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom IIVO ____ 30 b) Geschäftspraktik gem. Art. 2 lit. d UGPRL ____ 32 c) (Vergleichende) Werbung gem. Art. 2 lit. a, c IrreführungsRL 2006 ____ 43 d) Unerbetene Nachrichten zu Zwecken der Direktwerbung gem. Art. 13 DatenschutzRLEK ____ 46 3. Funktion und Bedeutung ____ 48 a) Anwendungsbereich des Gesetzes ____ 48
b)
Die Unterscheidung zwischen Marktverhalten und nicht-wirtschaftlichem Verhalten ____ 53 c) Vorrang spezieller Regelungen zur Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen ____ 59 d) Tatbestandsvoraussetzungen im Überblick ____ 61 4. Unternehmensbezug des Verhaltens ____ 62 a) Jedes Verhalten ____ 62 b) Einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens ____ 67 aa) Eigennütziges Verhalten eines Unternehmers ____ 69 bb) Private Verhaltensweisen natürlicher Personen ____ 73 cc) Nicht-unternehmerisches Verhalten juristischer Personen und rechtsfähiger Personengesellschaften ____ 79 dd) Hoheitliches Handeln ____ 86 c) Verhalten einer Person zugunsten eines fremden Unternehmens ____ 93
Peukert/Fritzsche
§2
Definitionen
aa) Beauftragte, Mitarbeiter und Vertragspartner eines Unternehmens ____ 95 bb) Förderung fremden Wettbewerbs aus eigener Initiative ____ 102 5. Waren und Dienstleistungen ____ 111 a) Bedeutung des Tatbestandsmerkmals ____ 111 b) Begriff der Ware ____ 115 c) Begriff der Dienstleistung ____ 120 6. Der objektive Zusammenhang ____ 126 a) Bedeutung des Tatbestandsmerkmals: geschäftliches oder außergeschäftliches Verhalten ____ 126 b) Kriterien zur Bestimmung des objektiven Zusammenhangs ____ 136 aa) Anwendungsbereich des UWG und Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen ____ 136 bb) Kausalität? ____ 141 cc) Funktionaler Zusammenhang zum eigenen bzw. geförderten Marktverhalten? ____ 143 dd) Funktionaler Zusammenhang zu geschäftlichen Entscheidungen anderer Marktteilnehmer und zum Schutzzweck des UWG ____ 145 ee) Objektiver, nicht unmittelbarer Zusammenhang ____ 158 ff) Objektiver, nicht subjektiver Beurteilungsmaßstab ____ 160 7. Verhalten vor einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt ____ 174 a) Absatz- oder Bezugsförderung ____ 175 b) Unternehmensinterne Vorgänge ____ 186 c) Außergeschäftliches Verhalten vor einem Geschäftsabschluss ____ 191
Peukert/Fritzsche
aa) Grundsätze ____ 191 bb) Redaktionelle Äußerungen in Presse und Rundfunk ____ 198 cc) Meinungsfreiheit in Bezug auf öffentliche Angelegenheiten ____ 210 dd) Wissenschaftliche Kommunikation ____ 219 ee) Künstlerische Kommunikation ____ 228 ff) Religiöse und weltanschauliche Kommunikation ____ 232 gg) Spendenwerbung ____ 236 hh) Wettbewerb zwischen Idealvereinen, Gewerkschaften und politischen Parteien ____ 242 ii) Äußerungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens: Kommunikation im Rechtssystem ____ 246 jj) Sportliche Wettbewerbe ____ 249 kk) Keine Erweiterung des Anwendungsbereichs des UWG über wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten ____ 254 8. Verhalten bei einem Geschäftsabschluss, das mit dem Abschluss eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt ____ 257 a) Die Rechtslage nach UWG 1909 und UWG 2004 ____ 258 b) Vorgaben der UGPRL und Umsetzung im UWG ____ 260 c) Bei einem Geschäftsabschluss ____ 263 aa) Vertragstypen ____ 264 bb) Geschäft zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens ____ 270 cc) Zeitliche Dimension: Bei einem Geschäftsabschluss ____ 274 d) Objektiver Zusammenhang ____ 277 aa) Vertragsbezogenes Verhalten von besonderem Gewicht ____ 278 bb) Jede Pflichtverletzung/ Leistungsstörung ____ 281
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Definitionen
II.
III.
759
cc) Eignung zur Beeinträchtigung weiterer geschäftlicher Entscheidungen des Vertragspartners? ____ 285 9. Verhalten nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt ____ 292 a) UWG 1909 und UWG 2004 ____ 293 b) Vorgaben der UGPRL und Umsetzung im UWG ____ 295 c) Nach einem Geschäftsabschluss ____ 298 d) Objektiver Zusammenhang ____ 301 aa) Grundsatz: Eignung zur Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen ____ 302 bb) Erfüllungshandlungen und Pflichtverletzungen ____ 310 cc) Sonstiges Verhalten im objektiven Zusammenhang mit der Durchführung eines Produktvertrags ____ 318 Marktteilnehmer, § 2 Abs. 1 Nr. 2 ____ 329 1. Entstehungsgeschichte ____ 329 2. Bedeutung und Tatbestandsmerkmale ____ 332 a) Marktteilnehmer als Oberbegriff ____ 333 b) Sonstige Marktteilnehmer ____ 341 aa) Bedeutung ____ 341 bb) Begriff des sonstigen Marktteilnehmers ____ 349 Mitbewerber, § 2 Abs. 1 Nr. 3 ____ 356 1. Entstehungsgeschichte ____ 356 a) UWG 1896 und UWG 1909 ____ 356 b) UWG 2004 ____ 362 2. Bedeutung und Anwendungsbereich der Legaldefinition ____ 371 a) Übersicht ____ 371 b) Verbotstatbestände und Konkretisierungen der Unlauterkeit ____ 375 aa) Vergleichende Werbung, § 6 ____ 376 bb) Lauterkeitsrechtlicher Schutz vor Verwechslungen gem. § 5 Abs. 2 ____ 386
§2
cc) Anhang Nr. 13 zu § 3 Abs. 3 ____ 390 dd) Schutz von Mitbewerberinteressen gem. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 7–10 ____ 391 ee) Sonstiger Schutz von Mitbewerberinteressen gem. § 1 S. 1 ____ 392 c) Anspruchsberechtigung ____ 394 3. Jeder Unternehmer ____ 399 4. Der mit einem oder mehreren Unternehmern in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht ____ 406 a) Der Begriff des konkreten Wettbewerbsverhältnisses ____ 406 aa) Wortlaut und entstehungsgeschichtlicher Hintergrund ____ 406 bb) Wechselbeziehung zwischen Vorteilen und Nachteilen ____ 410 cc) Verdichtete Wettbewerbsbeziehung ____ 416 dd) Behinderungs- und Substitutionswettbewerb ____ 418 ee) Die besondere Interessenlage von Mitbewerbern ____ 421 ff) Antagonistische, unternehmerische Interessenkollision ____ 424 b) Per-se-Mitbewerber: Unternehmer auf demselben Markt ____ 435 aa) Grundsätze der lauterkeitsrechtlichen Marktabgrenzung ____ 435 bb) Derselbe sachliche Markt ____ 443 (1) Grundsatz ____ 443 (2) Gleichartige/substituierbare Waren oder Dienstleistungen ____ 445 (3) Ungleichartige/nicht substituierbare Waren oder Dienstleistungen ____ 455 cc) Derselbe räumliche Markt ____ 461 dd) Derselbe zeitliche Markt ____ 470 c) Ad-hoc-Mitbewerber: Unmittelbare Beeinträchtigung marktfremder Unternehmer ____ 472
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§2
Definitionen
IV.
V.
aa) Grundsätze ____ 472 bb) Fallgruppen unmittelbarer Beeinträchtigung marktfremder Unternehmer ____ 476 (1) Insbesondere Herabsetzungen und Anschwärzungen gem. § 4 Nr. 7 und 8 ____ 476 (2) Insbesondere unlautere Nachahmungen gem. § 4 Nr. 9 ____ 479 (3) Insbesondere gezielte Behinderungen gem. § 4 Nr. 10 ____ 482 (4) Rechtsbruch gem. § 4 Nr. 11 ____ 485 (5) Andere geschäftliche Handlungen ____ 489 5. Konkretes Wettbewerbsverhältnis bei Förderung fremden Absatzes oder Bezugs ____ 494 Nachricht, § 2 Abs. 1 Nr. 4 ____ 499 1. Bedeutung und Entstehungsgeschichte ____ 499 2. Begriff der Nachricht ____ 510 a) Definition gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 1. Hs. ____ 510 b) Ausnahmeregelung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs. ____ 519 Verhaltenskodex, § 2 Abs. 1 Nr. 5 ____ 525 1. Entstehungsgeschichte ____ 525 2. Bedeutung von Verhaltenskodizes im Lauterkeitsrecht ____ 531 a) Verhaltenskodex und Lauterkeitsmaßstab ____ 531 b) Irreführende geschäftliche Handlungen im Hinblick auf Verhaltenskodizes ____ 537 c) Verhaltenskodizes, die UWGVerstößen Vorschub leisten ____ 541 3. Begriff des Verhaltenskodexes ____ 545 a) Vereinbarungen oder Vorschriften ____ 548 b) Selbstregulierung geschäftlicher Handlungen im Hinblick auf die Lauterkeit des Wettbewerbs ____ 556 c) Wirksamkeit und Verbindlichkeit des Verhaltenskodexes ____ 566 d) Beispiele für Verhaltenskodizes ____ 573
Peukert/Fritzsche
VI.
Unternehmer, § 2 Abs. 1 Nr. 6 ____ 574 1. Entstehungsgeschichte ____ 574 a) UWG 1909 ____ 574 b) UWG 2004 ____ 575 c) UWG 2008 ____ 578 2. Bedeutung des Unternehmerbegriffs im UWG ____ 582 a) Unternehmen und Unternehmer ____ 583 b) Unternehmer als Marktteilnehmer ____ 585 c) Unternehmer und die Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen ____ 589 d) Anspruchsberechtigung ____ 593 e) Unternehmer als Adressaten lauterkeitsrechtlicher Verbote ____ 594 aa) Europäisches Lauterkeitsrecht: nur Gewerbetreibende ____ 595 bb) UWG: Jede Person, die eine gem. § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt ____ 599 3. Unternehmensinhaber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. ____ 605 a) Grundsätze ____ 605 b) Absatz von Produkten ____ 610 c) Planmäßigkeit und Dauer der Absatztätigkeiten ____ 614 d) Entgeltlichkeit ____ 618 e) Selbständigkeit ____ 622 f) Beginn und Ende des Unternehmertums ____ 624 g) Person ____ 629 h) Darlegungs- und Beweislast ____ 641 4. Unternehmergleiche Personen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. ____ 643 a) Unionsrechtlicher Hintergrund und Bedeutung ____ 643 b) Bedeutung des Unternehmerbegriffs gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. im UWG ____ 648 aa) Verhältnis zur Förderung fremden Wettbewerbs gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ____ 648 bb) Verhältnis zu § 8 Abs. 2 ____ 650 cc) Unternehmerbezogene Regelungen im UWG ____ 654 c) Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. ____ 660
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Definitionen
C.
VII. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG ____ 665 1. Einführung ____ 665 a) Entstehungsgeschichte und umgesetzter Tatbestand der UGP-Richtlinie ____ 665 b) Inhalt und Zweck der Regelung ____ 668 c) Anwendungsbereich und Bedeutung ____ 672 2. Elemente der Definition ____ 681 a) Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt ____ 681 aa) Fachkenntnisse ____ 683 bb) Bedeutung der „Sorgfalt“ innerhalb der Definition der fachlichen Sorgfalt ____ 695 b) Im Tätigkeitsbereich des Unternehmers gegenüber Verbrauchern ____ 699 c) Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten ____ 702 aa) (Anständige) Marktgepflogenheiten ____ 703 bb) Treu und Glauben ____ 707 d) Billigerweise zu erwartende Einhaltung ____ 709 3. Fachliche Sorgfalt in Rechtsprechung und Schrifttum ____ 717 Verbraucherbegriff, § 2 Abs. 2 ____ 733 I. Einführung ____ 733 1. Entstehungsgeschichte, Entwicklung des Verbraucherbegriffs und unionsrechtlicher Hintergrund ____ 733 2. Inhalt und Zweck der Regelung ____ 741 II. Elemente des Tatbestands (§ 13 BGB i.V.m. § 2 Abs. 2 UWG) ____ 745 1. Natürliche Person (§ 13 BGB) ____ 747
Alphabetisches Stichwortverzeichnis Abmahnung 248 Abschluss eines Vertrags 61, 134, 257 ff., 296, 562, 746 ff. Ad-hoc-Meldung 140 Adressat 191, 198, 203, 247, 322, 802 ff. Adressatenkreis 742, 764, 773 ff., 802 ff. AGB 670, 680, 722, 728 Aggressive Geschäftspraxis 723 Aktivlegitimation 347, 402, 487, 624, 631 Allgemeine Geschäftsbedingung 487, 553 Allgemeine Geschäftsbedingung s. AGB als Information getarnte Werbung 202, 498, 775
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III.
§2
2. Kein Zusammenhang mit der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit der natürlichen Person ____ 754. 3. Objektiver Zweck der Tätigkeit der natürlichen Person ____ 759 4. Entsprechende Anwendung für Zwecke des Unlauterkeitsrechts ____ 767 5. Maßgeblicher Zeitpunkt ____ 771 Verbraucherleitbild (§ 3 Abs. 2 S. 2 und 3 UWG) ____ 773 1. Die Bedeutung des Verbraucherleitbildes ____ 773 2. Entwicklung und Stand des Verbraucherleitbildes ____ 782 a) Das frühere deutsche Verbraucherleitbild ____ 783 b) Das Verbraucherleitbild des EuG ____ 791 d) Das Verbraucherleitbild der neueren deutschen Rechtsprechung und Gesetzgebung ____ 795 e) Stellungnahme ____ 797 3. Die „Eigenschaften“ des Durchschnittsverbrauchers und ihre Feststellung ____ 802 a) Durchschnittlich informierter Verbraucher ____ 803 b) Situationsadäquate Aufmerksamkeit ____ 805 c) Angemessen verständiger bzw. kritischer Verbraucher ____ 808 d) Durchschnittlich empfindlicher Verbraucher ____ 811 e) Die Feststellung des Verständnisses des Durchschnittsverbrauchers ____ 812
Anfechtung 291 Angebote, private 76 f., 616 f., 761 Angemessen verständiger Verbraucher 808–810 Anhang zu § 3 Abs. 3, Nr. 1, Nr. 3, Nr. 8, Nr. 13 Anhang zu § 3 Abs. 3 672, 675, 685, 713, Anhang zu § 3 Abs. 3 s. UWG-Anhang Anschwärzung 391, 420, 476, 478 Anspruchsberechtigung 394, 593 Anständige Marktgepflogenheiten 667 ff., 702 ff. Anwendungsbereich 48 ff., 136 ff., 254 ff., 371 ff., 672 ff.
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§2
Definitionen
Anzeigengeschäft 201 Arbeitnehmer 95, 100 f., 122 ff., 189, 340, 401, 553, 565, 623, 661, 738, 754 f., 758 Aufforderung zum Kauf 12 Aufklärungspflicht 696, 716 Aufmerksamer Verbraucher 784–790, 795–801, 805–807 Auslegung 760 ff., 772, 790 f., 785, 807 Auslegung – richtlinienkonforme 39, 44, 373, 385 – gespaltene 9, 385 f. Ausreißer 685, 712 außergeschäftliches Verhalten 28, 54, 59, 126, 137, 191 Austauschbarkeit 380 f., 438, 454, 474, 479 Beauftragter 401, 494 f., 550, 578, 584, 601, 623, 638, 650 ff. Bedarfsmarktkonzept 437 Bedeutung des Verbraucherbegriffs 734–740 Behinderung, gezielte 391, 482, 484 Behinderungswettbewerb 418 Beispiele für Verstöße gegen die fachliche Sorgfalt 717 ff. Beispielstatbestände 778 Belästigung 676, 687 Belästigung, unzumutbare 345, 433, 499, 686 Beratung 716 Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren 787 ff. Berufliche Sorgfalt 691, 701, 712, 723 f., 732 Berufsausübung 683, 688 f. Berufsrecht 688 ff., 714 Beschwerdeverfahren 670, 713, 732 Beseitigungsanspruch 403, 579, 650 betriebsinterne Vorgänge 186 ff. Beweiserhebung 794, 812 Beweislast 641 f., 763, 764 BGB 745 ff., 754 ff., 759 ff., 767 ff., 771 f. BGB (§ 13 BGB) 733, 739, 743 f., 745–772, 788 Billigerweise zu erwartende Einhaltung 709 ff. Billigkeit 685, 709 ff. Black List s. UWG-Anhang Branche Branchenüblichkeit 667, 704 ff., 713 business to business (B2B) 41, 159, 270, 382, 558, 670 business to consumer (B2C) 36, 152, 270, 305, 393, 538, 558 consumer to business (C2B) 35, 77, 270 Corporate Governance Kodex 554 Corporate Social Responsibility 565 Darlegungslast 18, 179, 641 f. Datenschutzrecht 7, 47, 346, 503 ff., 520 ff. DatenschutzRL-EK 7, 46 f., 346, 500 ff., 510 ff., 591
Peukert/Fritzsche
Dauerhaftigkeit 615 Dauerschuldverhältnis 315 f. De Landtsheer 378 ff., 389, 394 ff., 418, 451, 478 Definition 681, 695 ff., 705 Deliktsrecht, allgemeines 48 ff., 53 ff., 191 ff. Demoskopie 786, 794, 813 Dienstleistung 120 ff. Direktwerbung 7, 46 ff., 500, 505, 512 Doping 250 ff. Dual-use-Güter 762–765 Durchführung eines Vertrages 26, 36, 293 ff. Durchschnittlich empfindlicher Verbraucher 778, 811 Durchschnittsverbraucher 678, 701, 712, 720, 727, 774–813 Eignung zur Beeinflussung 673 ff., 723, 727 Einwilligung 687, 728 Einzelfallbeurteilung 787, 796 f., 800 Einzelkaufmann 633 elektronische Post 7, 47, 509, 515, 524 E-Mail 7, 138, 241, 334, 414 f., 433 f., 491, 509 ff., 686, 727 Empfänger 133, 287, 325, 346, 433, 499, 520, 523 f., 720 Empfehlungen 692 Entgelt 618 ff. Entsprechende Geltung (von § 13 BGB) 767–770 Erbrecht 267 Erfahrungs-, Such- und Vertrauensgüter 803 Erfüllungsanspruch 319 Erfüllungshandlungen 274 ff., 300, 310 ff. Erstbegehungsgefahr 190, 256, 544, 764 Europarechtliche Vorgaben 736–744, 751, 758, 785–787, 795 Existenzgründer 771 f. Existenzgründung 625 ff., 771 f. Fachanwalt 779 Fachkenntnisse 682, 697–702, 710 fachliche Sorgfalt 665 ff., 681 ff., 717 ff. Fahrlässigkeit 674 Fahrschule 687, 728 Familienrecht 267, 779 Feststellung des Verbraucherverständnisses 812 f. Filmunternehmen 452 Flüchtiger Verbraucher 783, 800 f. Förderung des Absatzes oder des Bezugs 36, 119, 128 ff., 174 ff., 516 Fortbildung 769 Freie Berufe 689 Freizeitgestaltung 769 Fremdsprache 806 Fundstelle 724 Funktionale Betrachtung 667 Funktionsidentität 380, 438
762
Definitionen
Gebot 688 f., 700, 710, 714, 729 Gefühlsbetonte Werbung 778, 783 Geschäft 263 ff. geschäftliche Entscheidung 12, 26, 145 ff., 191 ff., 285 ff., 302 ff., 678, 682, 685 Geschäftliche Handlung 773, 788, 790 ff., 802 ff., 810 ff. Geschäfts- und Betriebsgeheimnis 50, 186 Geschäftsabschluss 174 ff., 257 ff., 292 ff. Geschäftspraktik 32 ff. Gesellschafter 120, 638 f. Gesellschaftsverträge 120, 267 gesetzliche Krankenversicherung 88, 90, 604 gesetzliche Pflicht 178, 300, 554 Gesetzliche Vorschriften 688 Gesundheitswerbung 779, 783, 787, 809 Getarnte Werbung 775 Gewerbetreibender 17, 544, 550, 574, 580, 597, 644 f. Gewerbliche u.ä. Tätigkeit 757, 761–770 Gewerkschaft 28, 55 ff., 81, 99, 125, 242 f. Gewinnerzielungsabsicht 70, 400, 619, 770 Gewinn-/Glückspiel 704, 726, 729 Gewinnspiele 778, 807 Gleichartigkeit 440 f., 445, 451 f., 474 Grundrechtskonformität 792 Grundstück 76, 115 Gründungsphase 70, 402 Gute Sitten 673, 676 Haftungsrecht 729 Handelbarkeit 114 ff., 127, 269, 299, 444 Handeln im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbs 15 f. Handelsbrauch 555, 670, 703 Handelsgeschäft 28, 32 ff., 53, 97, 114, 131, 141 ff., 260 ff., 296, 763 Handelsgewerbe 574 Handelsvertreter 97, 188 ff., 622, 633 Handlung 62 ff. Handlungswille 66 Handwerkskammer 88 Herabsetzung 136, 383, 391, 476 ff. Hersteller 117, 390, 411, 422, 439, 447 ff., 480, 483, 498 Herstellung 188, 560 hoheitliches Handeln 86 f. Holdinggesellschaft 404 Idealverein 242 ff., 753 im Auftrag 643 ff., 661 f. im Namen 643 ff., 653 ff. Image 133, 182 ff., 379 ff., 700, 767 Immobilienmakler 76, 453, 465 Immobilienverwaltung 770 Impressumspflicht Information 670, 679, 682 ff., 711–725
763
§2
Informationsfähigkeit 804 Informationspflicht 680, 684, 722, 726 Informierter Verbraucher 803 f. Innengesellschaft 637 Insolvenzverwalter 640 Interessen – antagonistische 423, 429, 435, 442, 460, 473, 476, 497 – gegenläufige 421, 462 – gleichgerichtete 421 Interessenabwägung 693, 697, 710 interne Vorgänge Internet – Domain 73, 414, 458, 484, 487, 627, 780, 804 – Forum 74, 107 – Netzwerk 74 – Verbraucherbewertung 107, 218 Interview 184, 205 Irreführung 679, 694, 713, 719, 774 f., 778 f., 786, 792, 794, 796, 799 ff. Irreführungsrichtlinie 736, 774 IrreführungsRL 2006 43 ff. Juristische Person 748, 751–753 Kapitalgesellschaft 79, 634, 641 Kartellrecht 266 ff., 299, 437 ff., 535, 567, 688 Kaufkraftwettbewerb 397, 431 Kaufmann 670 Kausalität 141, 303, 312 Kenntnisstand Durchschnittsverbraucher 803–805 Kinder 781, 789 Kirche 55 ff., 238, 337, 405, 492 Klagebefugnis 360 f., 398 Kommunikationsdienst, elektronischer 504 Kommunikationsnetz – elektronisches 519 – öffentliches 521 Konkretisierung 673, 675 Konsumverein 84 Konzern 188, 404, 553 Koppelung 704, 720, 726, 729 Körperschaft 79, 88 ff., 604, 753 Krankenkasse 88 ff., 109, 604, 630, 769 Krankheit 769 Kritischer Verbraucher 798, 808–810 Kulturelle Faktoren 783 Kunde 110, 177 ff., 208, 278, 294, 314 ff., 346, 361, 429, 458, 484, 491, 498, 554, 565 Kundenbeschwerde 326, 676, 732 Kundenzufriedenheit 676 Kundenzufriedenheitsanruf 227, 324, 676 Kunst 54 f., 115, 155, 228 ff., 241, 452, 622 Ladengeschäft 429, 464, 627 Lebensmittel 769, 806, 809 Lebensmittelsicherheit 692
Peukert/Fritzsche
§2
Definitionen
Leistungsstörungsrecht 674, 696 Lernfähigkeit 804 Lohnsteuerhilfeverein 84, 188, 457 Markt – derselbe 443 ff., 461 ff., 470 ff. – sachliche 443 ff. – räumliche 461 ff. – zeitliche 470 ff. Marktabgrenzung 435 ff. Marktforschung 227 Marktgepflogenheiten 667 ff., 676, 703 ff. Marktpartner 675, 684, 710 Marktteilnehmer 329 ff., 585 ff. – Oberbegriff 333 ff. – sonstiger 341 ff., 585 ff. Marktverhaltensregeln 672 ff., 702 ff., 722 ff. Maßgeblicher Zeitpunkt 771 f. Mehrheit von Verbrauchern 749–752 Meinungsforschung 676 Meinungsfreiheit 54 ff., 139, 210 ff. Mitarbeiter 57, 95 ff., 189, 225, 401, 494 f. Mitbewerber 356 ff., 699 – abstrakter 360 Mitgliederwerbung 81, 84, 90, 243 Mitgliedsbeitrag 85, 243 Mitgliedstaatliche Vorschriften 685 Monopolist 21, 27, 72, 407 Multi-Level-Marketing 772 Mündigkeit des Verbrauchers 775 Muttergesellschaft 404 Nachahmung 117, 391, 420, 479 Nachfragemarkt 450, 463 ff., 472 Nachfrager 333 f., 447 Nachfragewerbung 35, 45, 181 ff., 377 Nachlassverwalter 640 Nachricht, elektronische 7, 346, 499 ff. Nationaler Gesetzgeber 675, 683 Natürliche Person 747–753, 771 Nebenerwerbstätigkeit 761, 770 Negative Abgrenzung 755, 763 Nicht-Verbraucher 738 f., 752 Normatives Verbraucherleitbild 774 ff., 791 ff. Nutzer 346, 508 Objektiver Maßstab 671, 674 ff., 680 ff., 697 f., 707 Objektiver Zweck des Handelns 759–766 öffentliche Hand siehe Staat Online-Shop 617, 627 Partei 57, 239, 245 Per-se-Mitbewerber 411, 435 ff. Person – juristische 69, 79 ff., 349 f. – natürliche 69, 73 ff., 333 f., 349 f., 586, 639 – unternehmergleiche 643 Personengesellschaft 79, 82 f., 349, 635, 641 Personengesellschaften 749–753
Peukert/Fritzsche
Pflichtverletzung 144, 281 ff., 310 ff. Planmäßigkeit 57, 68, 607 ff., 614 ff. Preisangaben 687, 712 Preisvergleich 271 Presseerklärung 184 Pressekodex 561 Private Zwecke 751, 754–758, 761 ff., 769 f. privater Konsum 75, 106, 590 Privatsphäre 47, 187, 504 ff., 520 ff. Produkt 54 ff., 112 ff., 127, 200 Professionalität 675 ff., 702 PVÜ 696, 673, 676, 703 ff. Rahmenrichtlinie 2002/21 513 f. Rechnung 259, 320 ff. Rechtsangleichung, vollständige Rechtsanwalt 205, 218, 414, 453, 459, 471 Rechtsbruch 60, 485 ff., 533, 677 f., 689, 728 Rechtsgeschäft 763, 767, 788 redaktionelle Äußerungen 132 f., 198 ff. reglementierter Beruf 12 Reichweite des Verbraucherleitbilds 777 f. Reichweitenforschung siehe Marktforschung Reisebüro 716 Religion 48, 54, 232 ff. Richtlinien 736–744, 784–793, 797 ff. Richtlinienkonforme Auslegung 671, 720 Rom II-VO 30 f., 52 Rücksichtnahme 680, 691 ff., 711 ff., 728 Rufausbeutung 382, 391, 422 Rundfunkanstalt 452, 458 Sanktionsdefizit 240, 253, 434 Schadensersatzanspruch 403, 470, 498 Scheinunternehmer 766 Schneeballsysteme 772 Schriftgröße 724 Schutzbedürftigkeit 739 f., 749 ff., 758, 763, 777, 802 Schutzgesetz 772 Schutzniveau 773, 792 Schutzsubjekt 14, 77, 106, 336 ff., 375, 590, 735, 741 f. Selbständige berufliche Tätigkeit 754 ff., 769 f. Selbständigkeit 622 ff. Selbstregulierung 526 ff., 556 ff. Sendeunternehmen 422 f., 448, 452, 458, 484 Situationsadäquanz 805–808 Sonstige Marktteilnehmer 699 Sorgfalt 665 ff., 681, 695, 710 Spendenwerbung 236 ff. Sport 54 f., 244, 249 ff. Staat Standard 669, 675, 681, 688 Steuerberater 84, 453, 622 Störerhaftung 254, 645 Substituierbarkeit 85, 374, 379 ff., 411, 438 ff., 445 ff. Substitutionswettbewerb 418 ff.
764
Definitionen
Tarifvertrag 565 Tätigkeit – berufliche 69, 77, 453, 580, 606, 622, 644 – gewerbliche 69, 77, 350 f., 400, 577 f., 580, 614 f., 644 – handwerkliche 69, 580, 606, 614 f. Tätigkeit des Unternehmers 699 ff. Täuschung 776, 800 technische Störung 66 Teilnehmer 74, 332, 346, 519, 522 Telekommunikation 480, 504 f., 513 f., 573 Teleologische Auslegung 750 Testamentsvollstrecker 640 Testfoto 218 Transparenz(gebot) 725, 729 Treu und Glauben 667, 697, 702 ff., 707 ff. Typenbezeichnung 685 Typisierte Verstöße 688, 679, 684, 712 Überobligationsmäßiges Verhalten 691, 712 Übertriebenes Anlocken 726, 728 Üblichkeit 705, 708 UGP-Richtlinie 665 ff., 737 ff., 751 f. 756, 784 ff., 798 ff., 808, 811 UGPRL 32 ff., 260 ff., 295 ff. Umsetzung von Richtlinien 736 ff., 746, 752 ff., 781, 786 f., 797 ff. Unionsrecht 671, 684 ff., 698, 722, 724 Unlauterkeit 774 f., 786, 793, 795, 802 Unlauterkeitsdefinition 672 Unlauterkeitstatbestände 685, 691 unmittelbar Verletzter 17 Unterlassen 64 ff., 148, 255, 548 Unterlassungsanspruch 328, 360, 467, 574, 650 Unternehmen 67 ff., 93 ff., 270 ff., 583 ff. Unternehmer 69 ff., 333 ff., 399 ff., 574 ff. Unternehmer, Inhaber, sachverständiger Unternehmerische Tätigkeit 757, 759 ff., 761, 770–772 unzulässige Beeinflussung 12 Urheber eines Kodex 7, 12, 544 UWG 1896 1, 17, 356 ff., 383 UWG 1994 361, 366 f., 398, 445 UWG 2004 19 ff., 258 ff., 293 ff., 362 ff. UWG-Anhang 672, 675, 684, 712 Veräußerungsgeschäft 761 Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen 361 Verbot 672, 687, 722, 727 ff. Verbraucher 8, 57, 77, 105, 272, 350 ff., 586, 616, 668, 672, 680, 682, 700 ff. Verbraucher(leitbild) 668, 672, 680 ff., 699 ff. Verbraucherbegriff/-definition 743, 781 Verbrauchergeneralklausel 668, 672, 734 Verbraucherleitbild 744, 773 ff. Verbraucherrechterichtlinie 738, 752, 763 ff., 789
765
§2
Verbraucherschutz 686, 693, 709 ff. vergleichende Werbung 1, 43, 376 f., 381, 388 Verhaltenskodex 3, 7, 525 ff., 689–691, 732 Verhaltensunrecht 14, 340, 423, 586 Verkaufsförderungsmaßnahme 704, 725 f., 729 Verkehrspflicht 65, 253 ff. Verkehrssitte 689 Vermögensverwaltung 749 f., 761, 769 f. Vermutung für Verbraucherhandeln 755, 763 f. Vernünftigerweise zu erwartende Einhaltung 709 ff. Versicherung 759, 769, 795, 810 Versicherungsunternehmen 74, 90, 459, 477, 493 Verständiger Verbraucher 784 ff., 808–810 Vertragsanbahnung 746, 767 Vertragsdurchführung 694, 700, 708, 721 Vertragspartner 27, 95 ff., 281, 285 ff., 304, 664 Vertragsrecht 26, 254, 284, 318 f. Vertragstypus 694, 700 Vertriebsbindungssystem 449, 563 Verwaltungsvorschrift 531, 545 f., 570 Vollharmonisierung 738 f., 752, 765 vollständige Rechtsangleichung 44, 373, 377, 387, 598 Vorabentscheidungsverfahren 786 Vorgesellschaft 363 Vorgründungsgesellschaft 363 Vorschriftenkatalog 546, 548, 566 Vorsorge 769 Vorvertragliche Pflichten 680, 696 Ware 115 ff. Warentest 217, 724 Wechselbeziehung 359, 364, 410 ff. Werbeagentur 452 Werberichtlinien 690 ff., 715 Werbung 175 ff. – vergleichende 2, 43, 376 f., 381, 388 – irreführende 2, 12, 382 wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers 12, 281 Wesentliche Informationen 679 ff., 712, 718, 721, 724 Wettbewerbsabsicht 18, 21 f., 40, 129, 168 ff., 220 ff. wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung 543, 567 Wettbewerbshandlung 1 ff., 16, 19 ff., 129, 162, 259, 364 ff. Wettbewerbsregel 533, 543 f., 549, 573 Wettbewerbsverbot 639 Wettbewerbsverhalten 30 ff., 359, 411, 603, 632 Wettbewerbsverhältnis – abstraktes 408 – horizontales 36, 152, 355, 399
Peukert/Fritzsche
§2
Definitionen
– konkretes 21, 358 f., 363 ff., 383, 410 ff., 449, 473 f., 484, 659 – potentielles 407 – vertikales 432 Widerruf 275, 288, 291 Wiederholungsgefahr 101, 138, 328 Wirksamkeitsangabe 679 Wirtschaftsstufen 344, 365, 411, 422 f., 448 Wissenschaft 48, 54, 219 ff. Wissenschaftliche Absicherung 679
Zeitpunkt der Beurteilung 771 f. Zeitschriftenbeitrag 184 Zeitung 56, 200, 438, 452 Zugabe 183, 265, 535, 620 Zusammenhang – objektiver 58, 104, 141, 147, 152 f., 158 ff., 175, 302 – unmittelbarer 38, 151, 158 ff. Zweck des Verbraucherhandelns 754–770
Definitionen § 2 Geschäftliche Handlung § 2 Peukert A. Einführung I. Entstehungsgeschichte des Definitionskatalogs 1
Weder dem UWG 1896 noch dem UWG 1909 waren Definitionen wesentlicher Gesetzesbegriffe vorangestellt. Diese Regelungstechnik hat erst im Zuge der Neufassung des UWG im Jahr 2004 Einzug in das Lauterkeitsrecht gefunden. Sie geht zurück auf den privaten Entwurf für eine EU-Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine parallele UWG-Reform, den Helmut Köhler, Joachim Bornkamm und Frauke Henning-Bodewig im Jahr 2002 auf der Basis von Diskussionen einer Arbeitsgruppe „Unlauterer Wettbewerb“ des Bundesministeriums der Justiz vorlegten. Art. 2 des Richtlinien- und wortgleich § 2 des UWG-Entwurfs sollten die „wesentlichen Begriffe“ des Vorschlags definieren, wie dies in Richtlinien üblich sei.1 Hierzu zählten die Begriffe Wettbewerbshandlung,2 unlautere Wettbewerbshandlung, 3 Verbraucher, 4 Mitbewerber, 5 Marktteilnehmer, 6 Werbung,7 vergleichende Werbung8 und irreführende Werbung.9
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1 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1325 f. 2 Definiert als „jede Handlung mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern;“, siehe Köhler/Bornkamm/ Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319. 3 Definiert als „jede Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gepflogenheiten in Handel, Gewerbe, Handwerk oder selbständiger beruflicher Tätigkeit zuwiderläuft;“, siehe Köhler/Bornkamm/HenningBodewig WRP 2002, 1317, 1319. 4 Definiert als „jede Person, die als Partner eines Rechtsgeschäfts in Betracht kommt, das weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist;“, siehe Köhler/Bornkamm/ Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319. 5 Definiert als „jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Nachfrager oder Anbieter von Waren oder Dienstleistungen in Wettbewerb steht;“, siehe Köhler/Bornkamm/HenningBodewig WRP 2002, 1317, 1319. 6 Definiert als „neben Verbrauchern und Mitbewerbern alle Unternehmer, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen auf einem Markt tätig sind;“, siehe Köhler/Bornkamm/ Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319. 7 Definiert als „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder einer selbständigen beruflichen Tätigkeit mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern;“, siehe Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319. 8 Definiert als „jede Werbung, die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönliche oder geschäftliche Verhältnisse von Mitbewerbern vergleicht und die Mitbewerber oder die von ihnen angebotenen Waren oder Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar erkennbar macht;“, siehe Köhler/ Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319. 9 Definiert als „jede Werbung, die in irgendeiner Weise – einschließlich ihrer Aufmachung – die Personen, an die sie sich richtet oder die von ihr erreicht werden, zu täuschen geeignet ist und die aus
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Wie in manch anderer Hinsicht10 beeinflusste dieser Vorschlag für einen Definitions- 2 katalog die UWG-Reform 2004 maßgeblich. „Entsprechend neuerer Gesetzgebungstechnik“11 fanden sich in § 2 UWG 2004 Begriffsbestimmungen für die Wettbewerbshandlung,12 den Marktteilnehmer13 und den Mitbewerber,14 die sich trotz Abweichungen im Detail an den Vorschlägen von Köhler, Bornkamm und Henning-Bodewig orientierten. Für den Verbraucher- und Unternehmerbegriff wurden § 13 und § 14 BGB für entsprechend anwendbar erklärt. Neu hinzu trat lediglich die Definition des Begriffs „Nachricht“. Im Zuge der Umsetzung der UGPRL wurde der Begriff der „Wettbewerbshandlung“ 3 durch „geschäftliche Handlung“ ersetzt, die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 mit abweichendem Wortlaut definiert wird. Ebenfalls geändert wurde die Begriffsbestimmung des Unternehmers, die nunmehr eine eigenständige Formulierung in § 2 Abs. 1 Nr. 6 gefunden hat. Ganz neu hinzugetreten sind die Definitionen der aus der UGPRL stammenden Termini Verhaltenskodex und fachliche Sorgfalt in § 2 Abs. 1 Nr. 5 und 7.15 II. Bedeutung und Kritik des Definitionskatalogs Der Definitionskatalog soll im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit 4 eine verbindliche Grundlage für eine möglichst einheitliche Auslegung und Anwendung des UWG bieten.16 Hierfür werden in Absatz 1 sieben Begriffe eigenständig definiert, während Absatz 2 den Verbraucherbegriff des § 13 BGB für entsprechend anwendbar erklärt.17 Dieses Regelungsziel wird allerdings nur bedingt erreicht: Zunächst sind die De- 5 finitionsnormen ihrerseits in ganz erheblichem Maße auslegungsbedürftig. Das gilt etwa für die wortreiche Bestimmung dessen, was eine geschäftliche Handlung ausmacht, oder für den dogmatischen Begriff des „konkreten Wettbewerbsverhältnisses“ in § 2 Abs. 1 Nr. 3. Diese Auslegung umfasst eine Analyse der §§ 3 ff., die mit den Definitionsvorschriften eine systematische Einheit in Kapitel 1 des Gesetzes bilden. So lässt sich den Konkretisierungen der Unlauterkeit gem. §§ 4 ff. und dem Anhang zu § 3 Abs. 3 entnehmen, welche Verhaltensweisen jedenfalls eine geschäftliche Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 darstellen. Es besteht also ein komplexer Erläuterungszusammenhang zwischen dem Definitionskatalog und den übrigen Vorschriften des UWG, der durch eine Betrachtung des gesamten Gesetzes zu erschließen ist. Das Verständnis und damit die praktische Wirksamkeit der Definitionen werden fer- 6 ner dadurch erschwert, dass § 2 wie das UWG insgesamt sowohl deutsche als auch unionsrechtliche Konzepte des Lauterkeitsrechts kodifiziert. Diese Ansätze unterscheiden sich jedoch zum Teil grundlegend. Insbesondere reguliert das UWG das Marktverhalten aller Marktteilnehmer im Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb,
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diesem Grund ihr wirtschaftliches Verhalten beeinflussen oder Mitbewerber schädigen kann.“, siehe Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319. 10 Zur Zweckklausel des § 1 siehe § 1 Rn. 3 ff. 11 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 303 f.; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 13, 16. 12 Definiert in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 als „jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern“. 13 Definiert in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG 2004 als „neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind;“. 14 Definiert in § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG 2004 als „jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht;“. 15 Gloy/Loschelder/Erdmann § 30 Rn. 2. 16 Gloy/Loschelder/Erdmann § 30 Rn. 4; Götting/Nordemann § 2 Rn. 1. 17 Zu diesem Unterschied siehe Fezer/Fezer § 2 A Rn. 2 ff. (Definitionsnorm und Verweisungsnorm).
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während die UGPRL mit einem Fokus auf den Verbraucherschutz nur Geschäftspraktiken von Gewerbetreibenden (Unternehmern) gegenüber Verbrauchern erfasst.18 Auf den ersten Blick unproblematisch scheint die Umsetzung von Definitionen aus 7 EU-Richtlinien noch zu sein, wenn dies gesondert von autonom-deutschen Begriffen und mit dem genauen Wortlaut der betreffenden Richtlinie erfolgt. So verhält es sich bei Absatz 1 Nr. 4 bis 6, die die Art. 2 lit. d DatenschutzRL-EK, Art. 2 lit. f UGPRL und Art. 2 lit. b UGPRL/Art. 2 lit. d IrreführungsRL 2006 umsetzen.19 Freilich bleiben selbst dann Irritationen nicht aus, da die Richtlinienbegriffe selektiv in das deutsche System übernommen werden. Der Begriff der Nachricht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 ist nur vor dem telekommunikations- und datenschutzrechtlichen Hintergrund der DatenschutzRL-EK verständlich; zudem weicht seine einzige Verwendung in § 7 Abs. 2 Nr. 4 von der Richtlinie ab, die im Kontext verschleierter Direktwerbung eigentlich nur elektronische Post (EMails) und nicht wie die deutsche Regelung alle elektronischen Nachrichten erfasst.20 Während der „Verhaltenskodex“ in § 2 Abs. 1 Nr. 5 gemäß der UGPRL definiert wird, hielt der Gesetzgeber eine Umsetzung der Begriffsbestimmung für den „Urheber eines Kodex“ für überflüssig, obwohl es sich hierbei ebenfalls um ein Element der Verhaltenskodizes im europäischen Lauterkeitsrecht handelt.21 Schließlich führt die wortlautgetreue Umsetzung der Definition des „Gewerbetreibenden“ in § 2 Abs. 1 Nr. 6 im Hinblick auf diejenigen Personen, die im Namen oder Auftrag eines Unternehmers handeln (2. Halbsatz), zu Abstimmungsproblemen im Verhältnis zur Definition geschäftlicher Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, die in deutscher Tradition bereits die Förderung fremden Wettbewerbs durch Nicht-Unternehmer erfasst.22 Der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist es ferner nicht zuträglich, zentrale Be8 griffe wie die „geschäftliche Handlung“ und den „Verbraucher“ abweichend von den entsprechenden Begrifflichkeiten der UGPRL zu definieren. Zwar hat man hierdurch einheitliche Begriffe für das UWG geschaffen, das einen weiteren Anwendungsbereich als die Richtlinie hat. Da die UGPRL aber zu einer vollständigen Rechtsangleichung führt, ist dennoch stets zu prüfen, ob ein Sachverhalt in ihren Harmonisierungsbereich fällt. Diese für das Verbotsniveau und die Letztentscheidungskompetenz (EuGH oder BGH/BVerfG) entscheidende Frage ist innerhalb der nur scheinbar kohärenten Begriffe der geschäftlichen Handlung und des Verbrauchers zu beantworten, aus denen letztlich doch wieder die „Geschäftspraktik“ bzw. der „Verbraucher“ gem. Art. 2 lit. a und b UGPRL herauszuarbeiten sind.23 Ähnliche Abstimmungsschwierigkeiten zum EU-Lauterkeitsrecht wirft die Defi9 nition des Mitbewerbers in § 2 Abs. 1 Nr. 3 auf. Hierbei handelt es sich wiederum nur auf den ersten Blick um eine rein innerdeutsche Angelegenheit, da eine vergleichbare Begriffsbestimmung im europäischen Lauterkeitsrecht fehlt. Indes findet sich der Terminus des Mitbewerbers auch in den vollharmonisierenden Art. 4 lit. d, f., h IrreführungsRL 2006 und Art. 6 Abs. 2 lit. a UGPRL. Deren autonome Auslegung durch den EuGH orientiert sich selbstverständlich nicht an der Definition des UWG. Abweichungen im Begriffsverständnis führen zu einem gespaltenen Mitbewerberbegriff, je nachdem, ob der Sachverhalt vom Harmonisierungsbereich der Richtlinien erfasst ist oder nicht.24
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18 Dazu § 1 Rn. 123 ff. 19 Ebenso zum Begriff vergleichender Werbung § 6 Abs. 1 in Umsetzung Art. 2 lit. c IrreführungsRL 2006/114. 20 Dazu unten § 2 Abs. 1 Nr. 4 Rn. 499 ff. 21 Siehe Art. 2 lit. g UGPRL und Art. 2 lit. e IrreführungsRL 2006/114. 22 Dazu unten § 2 Rn. 93 ff. 23 Dazu § 3 Rn. 148 ff. 24 Dazu § 2 Rn. 375 ff.
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Im Ergebnis wirft daher nur eine von acht Definitionen keine Folgefragen zur richtlinienkonformen Auslegung des UWG auf. Hierbei handelt es sich um die in der Tat rein autonom-deutsche Definition des „sonstigen Marktteilnehmers“, die jedoch eher von akademischem denn von praktischem Interesse ist.25 Im Übrigen verdeckt der Definitionskatalog des § 2 nur die vom Unionsrecht ausgelöste, systematische und teleologische Fragmentierung des Lauterkeitsrechts. Die Vorschrift erleichtert daher eine kohärente Anwendung des Gesetzes nicht, sondern hat eher den gegenteiligen Effekt. Hierzu trägt nicht zuletzt der Umstand bei, dass mehrere Definitionen des EULauterkeitsrechts keinen Eingang in das UWG gefunden haben,26 nämlich zu den Begriffen „Werbung“ und „irreführende Werbung“,27 „Urheber eines Kodex“,28 „Produkt“,29 „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“,30 „Aufforderung zum Kauf“,31 „unzulässige Beeinflussung“,32 „geschäftliche Entscheidung“,33 und „reglementierter Beruf“.34 Insoweit wird der Rechtsanwender von vornherein darauf verwiesen, dass er, „um das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung zu beachten, gleichsam in der einen Hand das UWG, in der anderen die Richtlinie halten“ muss.35 Ein letzter Grund dafür, dass § 2 kaum zur Rechtsklarheit und Rechtssicherheit beiträgt, ist dogmatischer Natur. Vier von acht Definitionen beziehen sich auf Personenkategorien, nämlich auf Marktteilnehmer, Mitbewerber, Unternehmer und Verbraucher. Hierdurch entsteht der Eindruck, das UWG reguliere auf der Basis eindeutig zugeteilter Rollen. Diese werden anhand allgemeiner Kriterien ex ante und somit statisch festgelegt. Ob ein lauterkeitsrechtliches Verbot ergeht, hängt dann unter anderem davon ab, welche Personenkategorie betroffen ist. Aber auch dieser Schein trügt. Richtig ist zwar, dass das UWG im Hinblick auf die Schutzsubjekte, die Aktiv- und die Passivlegitimation zwischen verschiedenen Personenkreisen unterscheidet. Und doch ist das UWG als Verhaltensunrecht konzipiert.36 Es ist anwendbar auf geschäftliche Handlungen, die gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 grundsätzlich von jeder „Person“ vorgenommen werden können: Private können eigeninitiativ den Wettbewerb fremder Unternehmen fördern, während Unternehmer ggf. rein private Nachfragehandlungen vornehmen. Ob das UWG einschlägig ist und eine geschäftliche Handlung untersagt, hängt also nicht von einer vorher zugewiesenen Rolle im Markt, sondern von der konkret in Rede stehenden Verhaltensweise ab. Jene ist maßgeblicher Bezugspunkt der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung. Sie konstituiert den Interessengegensatz, der zu lösen ist. Nur in Bezug auf die streitgegenständliche geschäftliche Handlung kann bestimmt werden, welche Personen und Interessen betroffen sind, und ob ein
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25 Dazu § 2 Rn. 329 ff. 26 Gloy/Loschelder/Erdmann § 30 Rn. 3. 27 Siehe Art. 2 lit. a und b IrreführungsRL 2006/114. Definitionen für Werbung, irreführende und vergleichende Werbung hingegen noch bei Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319. 28 Art. 2 lit. e IrreführungsRL 2006/114, Art. 2 lit. g UGPRL. 29 Art. 2 lit. c UGPRL. 30 Art. 2 lit. e UGPRL. 31 Art. 2 lit. i UGPRL. Dazu und zur Umsetzung in § 5a Abs. 3 UWG Alexander WRP 2012, 125 ff. 32 Art. 2 lit. j UGPRL. 33 Art. 2 lit. k UGPRL. 34 Art. 2 lit. l UGPRL. 35 Siehe Köhler GRUR 2010, 767, 768; Köhler WRP 2012, 251, 252; zu Recht kritisch Götting/Nordemann/ Wirtz § 3 Rn. 2. 36 Siehe § 1 Rn. 83 ff.; Henning-Bodewig GRUR 2013, 26, 27; verfehlt EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 41 („persönlicher Anwendungsbereich“ der UGPRL).
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Verbot zu ergehen hat. Deshalb zählen zu den Mitbewerbern nicht nur diejenigen Unternehmer, die von vornherein im selben Markt wie der unlauter handelnde bzw. geförderte Unternehmer tätig sind, sondern ggf. auch marktfremde Unternehmer, die erst durch die geschäftliche Handlung unmittelbar nachteilig in ihren unternehmerischen Interessen beeinträchtigt werden und hierdurch zu Ad-hoc-Mitbewerbern werden.37 Das konkrete Wettbewerbsverhältnis gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 besteht also nicht im statischen Sinne, sondern wird durch eine geschäftliche Handlung ggf. begründet. Nur diese Betrachtungsweise entspricht der Dynamik des grundsätzlich freien wirtschaftlichen Wettbewerbs, dessen Ergebnis und Teilnehmerkreis nicht vorab feststehen. B. Die Definitionen im Einzelnen Definitionen § 2 Geschäftliche Handlung § 2 Peukert I. Geschäftliche Handlung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 15
1. Entstehungsgeschichte. Die für den Anwendungsbereich des UWG zentrale Definition der geschäftlichen Handlung geht teilweise auf die entsprechenden Begrifflichkeiten des UWG 1909 und des UWG 2004 zurück. Daher sind die Kernelemente des „Handelns im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbs“ (§ 1 UWG 1909) und der „Wettbewerbshandlung“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004) im Rahmen der Entstehungsgeschichte des geltenden Begriffs der geschäftlichen Handlung zu skizzieren.
a) UWG 1909. § 1 UWG 1909 war auf Handlungen anwendbar, die „im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbes“ vorgenommen wurden. Als Handeln im geschäftlichen Verkehr wurde jedes der Förderung eines Geschäftszweckes dienende Verhalten im Gegensatz zu einer rein privaten oder amtlichen Betätigung angesehen.38 Zu Zwecken des Wettbewerbs agierte man, wenn ein objektiv als Wettbewerbshandlung zu beurteilendes Verhalten in der Absicht erfolgte, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen – wie etwa redaktioneller Berichterstattung – zurücktrat.39 In objektiver Beziehung wurde ein Tun verlangt, das äußerlich geeignet ist, den 17 Absatz des eigenen oder eines fremden Unternehmens40 zu fördern, wodurch der Absatz der Mitbewerber beeinträchtigt wird. Es musste also zwischen den erstrebten Vorteilen, die auch in der Abwendung eines Nachteils bestehen konnten, und den dem Verletzten durch das angegriffene Verhalten drohenden Nachteilen eine Wechselwirkung bestehen.41 Diese Wechselwirkungslehre lässt sich bis zum UWG 1896 zurückverfolgen, zu dem der 3. Strafsenat des Reichsgerichts entschied, dass der Begriff des Wettbewerbs bedeutet, dass der Geschäftsbetrieb anderer Gewerbetreibender beeinträchtigt und
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37 Dazu § 2 Rn. 472 ff. 38 RG 27.5.1924 – II 332/23 – RGZ 108, 272 – Merr; RG 18.10.1932 – I 774/32 – RGSt 66, 380; BGH 17.3.1953 – I ZR 118/52 – GRUR 1953, 293, 294 – Fleischbezug; ausführlich Vorauflage/Schünemann Einl. D Rn. 165 ff. m.w.N. 39 Vgl. BGH 27.6.2002 – I ZR 86/00 – GRUR 2002, 1093, 1094 – Kontostandsauskunft m.w.N.; BGH 1.4.2004 – I ZR 317/01 – GRUR 2004, 693, 694 – Schöner Wetten; ausführlich Vorauflage/Schünemann Einl. D Rn. 193 ff. m.w.N. 40 Zur Förderung fremden Wettbewerbs RG 16.2.1899 – 4767/98 – RGSt 32, 27, 29 – Drucktuch (UWG 1896); BGH 17.3.1953 – I ZR 118/52 – GRUR 1953, 293, 294 – Fleischbezug; BGH 7.3.1996 – I ZR 33/94 – GRUR 1996, 798, 800 – Lohnentwesungen. 41 RG 24.6.1930 – II 43/30 – GRUR 1930, 977, 978; BGH 17.3.1953 – I ZR 118/52 – GRUR 1953, 293, 294 – Fleischbezug; BGH 26.2.1960 – I ZR 166/58 – GRUR 1960, 384, 386 – Mampe Halb und Halb; BGH 14.7.1961 – I ZR 40/60 – GRUR 1962, 45, 47 – Betonzusatzmittel m.w.N.
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gerade hierdurch der eigene Absatz gefördert wird.42 Hiermit war der Grundstein gelegt, dass unmittelbar Verletzter des § 1 UWG 1909 nur derjenige sein konnte, der durch das Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beeinträchtigt wurde. Die Verknüpfung von Anwendungsbereich und Mitbewerberstellung ist durch die Unterscheidung zwischen geschäftlicher Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1) und Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) aufgegeben worden.43 Neben der objektiven Eignung einer Handlung, den Wettbewerb zu beeinflussen, 18 wurde in subjektiver Hinsicht eine auf die Förderung des eigenen oder fremden Wettbewerbs gerichtete Absicht des Handelnden verlangt.44 Hierfür genügte es, wenn diese Absicht gegenüber den eigentlichen Beweggründen (etwa redaktioneller oder weltanschaulicher Art) nicht völlig in den Hintergrund trat.45 Handelten Kaufleute im geschäftlichen Verkehr, wurde die Wettbewerbsabsicht vermutet. 46 Bei der Förderung fremden Wettbewerbs musste der Anspruchsteller hingegen die Wettbewerbsabsicht anhand der Umstände und Indizien darlegen und ggf. beweisen.47 b) UWG 2004. Der Anwendungsbereich des UWG 2004 wurde durch den Begriff der 19 „Wettbewerbshandlung“ bestimmt.48 Hierunter war gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 „jede Handlung einer Person mit dem Ziel“ zu verstehen, „zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern.“ Diese Begriffsbestimmung geht auf den Privatentwurf von Köhler, Bornkamm und 20 Henning-Bodewig zurück, der bis auf die Worte „einer Person“ bereits eine gleichlautende Regelung der Wettbewerbshandlung enthielt.49 Zur Erläuterung hieß es, dieser Terminus reiche weiter als der Begriff der Werbung gem. Art. 2 lit. a IrreführungsRL 2006/ 114, da auch das Handeln von Personen (Privatpersonen, Behörden, Organisationen usw.), die den Wettbewerb eines fremden Unternehmens fördern wollen, sowie Hand-
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42 RG 16.2.1899 – 4767/98 – RGSt 32, 27, 28 – Drucktuch. 43 Näher § 2 Rn. 362 ff. 44 RG 19.5.1926 – I 2 57/25 – MuW 1927, 53, 55; RG 27.11.1928 – II 175/28 – MuW 1929, 121, 122; BGH 26.10.1951 – I ZR 8/51 – BGHZ 3, 270, 276, 277 – Constanze I; BGH 17.3.1953 – I ZR 118/52 – GRUR 1953, 293, 294 – Fleischbezug; a.A. Reimer Kap. 67 Anm. 5. 45 St. Rspr. BGH 26.10.1951 – I ZR 8/51 – BGHZ 3, 270, 276, 277 – Constanze I; BGH 17.3.1953 – I ZR 118/52 – GRUR 1953, 293, 294 – Fleischbezug; BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – GRUR 1955, 97, 99 – Constanze II (Wettbewerbsförderung neben kirchlichem Standpunkt nicht völlig nebensächlich); BGH 26.6.1959 – I ZR 81/58 – GRUR 1959, 488, 489 – Konsumgenossenschaft m.w.N.; BGH 15.5.1997 – I ZR 10/95 – GRUR 1997, 761, 763 – Politikerschelte; BGH 6.12.2001 – I ZR 14/99 – GRUR 2002, 987, 993 – Wir Schuldenmacher m.w.N.; BGH 13.2.2003 – I ZR 41/00 – GRUR 2003, 800, 801 – Schachcomputerkatalog; zu § 2 I Nr. 1 UWG 2004 entsprechend BGH 11.1.2007 – I ZR 87/04 – GRUR 2007, 805 Tz. 15 – Irreführender Kontoauszug. 46 St. Rspr.: BGH 26.2.1960 – I ZR 166/58 – GRUR 1960, 384, 386 – Mampe Halb und Halb m.w.N.; BGH 25.6.1992 – I ZR 60/91 – GRUR 1992, 707, 708 – Erdgassteuer; BGH 7.3.1996 – I ZR 33/94 – GRUR 1996, 798, 799 – Lohnentwesungen; BGH 27.6.2002 – I ZR 86/00 – GRUR 2002, 1093, 1094 – Kontostandsauskunft m.w.N.; BGH 13.2.2003 – I ZR 41/00 – GRUR 2003, 800, 801 – Schachcomputerkatalog; BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 17 – Änderung der Voreinstellung II. Zu § 2 I Nr. 1 UWG 2004 entsprechend BGH 11.1.2007 – I ZR 87/04 – GRUR 2007, 805 Tz. 15 – Irreführender Kontoauszug. 47 BGH 26.10.1951 – I ZR 8/51 – BGHZ 3, 270, 276, 277 – Constanze I; BGH 20.3.1981 – I ZR 10/79 – GRUR 1981, 658, 660 – Preisvergleich; BGH 17.2.1983 – I ZR 194/80 – GRUR 1983, 379, 381 – Geldmafiosi; BGH 22.5.1986 – I ZR 72/84 – GRUR 1986, 898, 899 – Frank der Tat; BGH 1.4.2004 – I ZR 317/01 – GRUR 2004, 693, 694 – Schöner Wetten. 48 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16. 49 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319.
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lungen im Nachfragewettbewerb erfasst seien. Damit entspreche der Begriff in der Sache dem Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Sinne von § 1 UWG 1909.50 Während der Referentenentwurf noch davon ausging, dass die erforderliche Wett21 bewerbsabsicht wie zu § 1 UWG 1909 ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten und dem benachteiligten Unternehmen bedinge,51 erläuterte der Regierungsentwurf zum UWG 2004, ein solches Verhältnis sei für die Anwendung des UWG nicht mehr Voraussetzung, so dass auch Unternehmer mit Monopolstellung erfasst würden.52 In der Tat fehlt im Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 der Konnex zwischen der beabsichtigten Wettbewerbsförderung und dem Nachteil eines anderen Mitbewerbers, der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG 2004 gesondert definiert wurde.53 Abgesehen von dieser Unterscheidung zwischen dem Anwendungsbereich des UWG 22 2004 und der nachgeordneten Frage nach der Mitbewerbereigenschaft ging die Rechtsprechung davon aus, dass die Neuregelung keine maßgeblichen Änderungen im Vergleich zum UWG 1909 herbeigeführt habe. Folglich wurden die Tatbestandsvoraussetzungen des Handelns im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs fortgeschrieben – nach herrschender Meinung auch im Hinblick auf die weiterhin erforderliche Wettbewerbsabsicht.54 23
c) UWG 2008. Dieses deutsche Konzept weicht allerdings in verschiedener Hinsicht vom entsprechenden Zentralbegriff der UGPRL, nämlich der „Geschäftspraktik“ gem. Art. 2 lit. d UGPRL ab, so dass die Definition bereits nach kurzer Zeit wieder geändert werden musste.55 Der Diskussionsentwurf zur Umsetzung der UGPRL verfolgte insoweit eine konservative Linie, wonach das gerade neu gefasste UWG so wenig wie möglich modifiziert werden sollte.56 Die Definition der „Wettbewerbshandlung“ sollte demnach „jedes Verhalten einer Person, das zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens unmittelbar mit der Förderung des Absatzes, des Bezugs oder der Lieferung von Waren oder der Erbringung oder des Bezugs von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zusammenhängt“, umfassen.57 Festgehalten wurde am umfassenden Anwendungsbereich des UWG, das nicht zwischen Wettbewerbshandlungen im Verhältnis zu Verbrauchern und im Verhältnis von Unternehmern untereinander unterscheide, und den Nachfragewettbewerb sowie Handlungen, die nicht von Unternehmern vorgenommen werden, erfasse.58 Die Anpassungen betrafen den Austausch des subjektiven Merkmals der „Wettbewerbsförderungsabsicht“
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50 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1325 f.; RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 304; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16. 51 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 304. 52 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16. 53 Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 50; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 5; Fezer FS Schricker S. 671, 675. 54 BGH 26.1.2006 – I ZR 83/03 – GRUR 2006, 428 Tz. 12 – Abschleppkosten-Inkasso; BGH 11.1.2007 – I ZR 87/04 – GRUR 2007, 805 Tz. 12 ff. – Irreführender Kontoauszug; OLG Düsseldorf 13.9.2005 – 20 U 19/05 – GRUR-RR 2006, 99 – Pfandleihunternehmen; OLG Frankfurt a.M. 29.6.2006 – 6 U 103/05 – GRUR-RR 2007, 16, 17 – ÖKO-Test. Zur Kritik der Literatur am Kriterium der Wettbewerbsabsicht vgl. Gloy/Loschelder/ Erdmann § 31 Rn. 47; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 4 Rn. 16 m.w.N. 55 Das UWG 2004 ist ab dem 12.12.2007 richtlinienkonform auszulegen gewesen, vgl. Art. 19 II 1 UGPRL und Köhler/Bornkamm UWG Einl. Rn. 3.64. Zur Rechtslage zwischen dem Ablauf der Umsetzungsfrist am 12.12.2007 und dem Inkrafttreten des UWG 2008 Köhler WRP 2007, 1393 ff. 56 Dazu allgemein § 3 Rn. 32 f. 57 DiskE UWG 2008, S. 2. 58 DiskE UWG 2008, S. 33.
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gegen das objektive Kriterium des „Zusammenhangs“ sowie den Einbezug wettbewerbsrelevanten Verhaltens nach Vertragsabschluss.59 Die schließlich Gesetz gewordene Fassung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 geht auf den Regie- 24 rungsentwurf v. 20.8.2008 zurück, der sich stärker als der Diskussionsentwurf an den Begrifflichkeiten und Konzepten der UGPRL orientierte.60 Schon durch die Ersetzung des überkommenen Begriffs der Wettbewerbshandlung durch den neuen Terminus der „geschäftlichen Handlung“ wurde deutlich, dass die Umsetzung der UGPRL mehr als eine nur geringfügige Änderung im Hinblick auf den Anwendungsbereich des UWG mit sich bringt.61 Zwar wurden die in der Richtlinie verwendeten Begriffe „geschäftliche Praxis“ bzw. „Praktik“ nicht übernommen, weil ihnen in der deutschen Sprache eine abwertende Bedeutung zukomme. Im UWG müsse demgegenüber ein neutralerer Begriff verwendet werden, weil es neben den unlauteren auch die lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstandenden geschäftlichen Handlungen gebe.62 Im Übrigen decke der Begriff „Wettbewerbshandlung“ nicht zweifelsfrei ab, was er im Hinblick auf die UGPRL erfassen solle. Denn Handlungen während und nach Vertragsschluss hätten nach deutscher Tradition nicht notwendigerweise etwas mit Wettbewerb zu tun.63 Zudem müsse das subjektive Merkmal der Wettbewerbsförderungsabsicht gegen das Erfordernis des „objektiven Zusammenhangs“ ausgetauscht werden.64 Festgehalten werde aber am umfassenden Anwendungsbereich des UWG, das nicht auf geschäftliche Handlungen von Unternehmern gegenüber Verbrauchern beschränkt sei, sondern insbesondere auch Verhaltensweisen im Verhältnis „Unternehmen zu Unternehmen“ reguliere.65 In der bisherigen Rechtsprechung zum UWG 2008 wurden die Tatbestandsvoraus- 25 setzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 so ausgelegt, dass der Anwendungsbereich des geltenden UWG im Vergleich zu früheren Fassungen jedenfalls nicht kleiner geworden ist. Was als „Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs“ bzw. als „Wettbewerbshandlung“ angesehen wurde, stellt auch eine „geschäftliche Handlung“ dar.66 Veranlasst durch die UGPRL wurde der Anwendungsbereich des UWG im Vergleich zum früheren deutschen Lauterkeitsrecht vielmehr ausgeweitet. Dies betrifft vor allen Dingen Verhalten bei („während“) und nach einem Ge- 26 schäftsabschluss, das mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Die Praxis zum UWG 1909 und 2004 hatte (nach-)vertragliches Verhalten nur ausnahmsweise am Lauterkeitsrecht gemessen, da man davon ausging, dass der Wettbewerb durch den Geschäftsabschluss
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59 DiskE UWG 2008, S. 15. 60 Dazu allgemein § 3 Rn. 34 ff. Der Rechtsausschuss ersetzte noch die aus der UGPRL stammende Formulierung „während“ eines Handelsgeschäfts (vgl. Art. 3 Abs. 1 UGPRL) aus „grammatikalischen“ Gründen mit dem Wort „bei“ einem Geschäftsabschluss, ohne dass hiermit eine inhaltliche Änderung bezweckt sei; siehe Rechtsausschuss UWG 2008, BTDrucks. 16/11070, S. 5. 61 Zu den Änderungen im Überblick auch Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 6. 62 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 20. Der Begriff „geschäftliche Handlung“ geht auf einen Vorschlag von Köhler zurück. Durch die neuartige Begrifflichkeit sollen die Änderungen durch die UGPRL erkennbar werden; außerdem stelle der Begriff eine angemessenere Übersetzung des englischen Begriffs der „commercial practices“ dar; vgl. Köhler WRP 2007, 1393, 1397. 63 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 20. 64 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 12. 65 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 39 f.; BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 24 – Änderung der Voreinstellung II. 66 Siehe z.B. BGH 15.1.2009 – I ZR 141/06 – GRUR 2009, 881 Tz. 11 – Überregionaler Krankentransport; BGH 22.4.2009 – I ZR 216/06 – GRUR 2009, 845 Tz. 38 – Internet-Videorecorder; BGH 30.4.2009 – I ZR 117/07 – GRUR 2009, 1189 Tz. 12 – Blutspendedienst; BGH 15.4.2010 – I ZR 145/08 – GRUR 2010, 1125 Tz. 17 – Femur-Teil; BGH 14.4.2011 – I ZR 133/09 – GRUR 2011, 638 Tz. 17 – Werbung mit Garantie.
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beendet und im zweiseitigen Verhältnis der Vertragspartner grundsätzlich allein das Vertragsrecht maßgeblich sei. Die UGPRL aber geht davon aus, dass auch Verhalten in diesen Phasen für geschäftliche Entscheidungen der Verbraucher und damit den Wettbewerb insgesamt relevant sind. Folglich kann (nach-)vertragliches Verhalten jedenfalls nicht mehr grundsätzlich als lauterkeitsrechtlich irrelevant außer Betracht bleiben.67 Ebenfalls entfallen ist das Erfordernis einer Wechselbeziehung zwischen den Vortei27 len der „Wettbewerbshandlung“ und den Nachteilen eines Mitbewerbers. § 2 Abs. 1 Nr. 1 verlangt nur noch eine Wettbewerbsförderung („zugunsten“). Der Begriff des Mitbewerbers ist gesondert in § 2 Abs. 1 Nr. 3 definiert. Durch die Entkopplung von geschäftlicher Handlung (Wettbewerbsförderung) und Mitbewerberstellung lässt sich insbesondere das Marktverhalten von Monopolisten ohne Weiteres lauterkeitsrechtlich subsumieren.68 Keine prinzipielle Erweiterung des Anwendungsbereichs des UWG ergibt sich hin28 gegen durch die Ersetzung des Erfordernisses einer subjektiven Wettbewerbsabsicht durch den „objektiven Zusammenhang“ zur Wettbewerbsförderung vor, bei und nach Abschluss eines Handelsgeschäfts. Zwar entfällt das Erfordernis, zur inneren Willensrichtung des Anspruchsgegners vorzutragen. Indes sind die allgemeinen Kriterien und im Prozess die Indizien, die nach früherem Recht für oder gegen eine Wettbewerbsabsicht sprachen, dieselben, die heute ggf. die Annahme eines „objektiven Zusammenhangs“ rechtfertigen. Unverändert ist das UWG ein Sonderdeliktsrecht zur Regulierung geschäftlichen Verhaltens im wirtschaftlichen Wettbewerb. Es erstreckt sich nicht auf nicht wirtschaftliches (außergeschäftliches) Verhalten in anderen Sphären und Kommunikationszusammenhängen der modernen Gesellschaft. Deshalb stellen redaktionelle und weltanschauliche Äußerungen ebenso wenig eine geschäftliche Handlung dar wie die Werbung um karitative Spenden oder der Wettbewerb von Gewerkschaften und anderen Idealvereinen um Mitglieder.69 29
2. Vergleich zu unionsrechtlichen Begriffen. Die begriffliche Vielfalt zur Beschreibung des Verhaltens, das dem Sonderdeliktsrecht UWG unterfällt, ist nicht nur in der Geschichte des deutschen Lauterkeitsrechts groß. Auch das europäische Lauterkeitsrecht operiert insoweit mit unterschiedlichen Formulierungen, deren Verhältnis und Bedeutung im Vergleich zur „geschäftlichen Handlung“ klärungsbedürftig ist.
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a) Wettbewerbsverhalten gem. Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom II-VO. Im europäischen Kollisionsrecht werden außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung von „außervertraglichen Schuldverhältnissen aus unlauterem Wettbewerbsverhalten“ (act of unfair competition/acte de concurrence déloyale) unterschieden. Auf diesen „unlauteren Wettbewerb“ ist gem. Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO in Abweichung von der Generalklausel des Art. 4 Rom II-VO zu unerlaubten Handlungen das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Nach Erwägungsgrund 21 Rom II-VO soll diese „Präzisierung“ der allgemeinen Deliktskollisionsnorm die Wettbewerber, die Verbraucher und die Öffentlichkeit schützen und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft sicherstellen. Beeinträchtigt ein un-
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67 Näher unten § 3 Rn. 257 ff. Zu den erheblichen praktischen, auch rechtspolitischen Implikationen dieser Erweiterung, etwa im Hinblick auf die lauterkeitsrechtliche Kontrolle unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen siehe Ohly LMK 2011, 312950. 68 Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 5. 69 Näher unten § 2 Rn. 191 ff.
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lauteres Wettbewerbsverhalten hingegen ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers, bleibt Art. 4 Rom II-VO maßgeblich.70 Diesen Vorschriften ist zu entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber das Recht gegen 31 unlauteren Wettbewerb als Sonderdeliktsrecht qualifiziert. Sein Anwendungsbereich im Unterschied zum allgemeinen Recht gegen unerlaubte Handlungen wird mit dem Begriff des „Wettbewerbsverhaltens“ markiert. Diesem Begriff entspricht im deutschen Sachrecht der Terminus „geschäftliche Handlung“. b) Geschäftspraktik gem. Art. 2 lit. d UGPRL. Während der internationalprivatrechtliche Begriff des „Wettbewerbsverhaltens“ also wie derjenige der „geschäftlichen Handlung“ den gesamten Anwendungsbereich des UWG beschreibt, betrifft die „Geschäftspraktik“71 (commercial practice/pratique commerciale) im Sinne der UGPRL lediglich einen Ausschnitt des regulierten Marktverhaltens. Gem. Art. 3 Abs. 1 UGPRL gilt die Richtlinie für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Art. 5 UGPRL „von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts.“ Art. 2 lit. d UGPRL definiert die Wendung „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern“ als jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt. Der EuGH versteht unter einer „Geschäftspraktik“ ein Verhalten, das sich in den Rahmen der Geschäftsstrategie eines Wirtschaftsteilnehmers einfügt und unmittelbar mit der Absatzförderung und dem Verkauf seiner Produkte und Dienstleistungen zusammenhängt.72 Im Fokus der UGPRL steht also das Absatzverhalten von Unternehmern („Gewerbetreibenden“) gegenüber Verbrauchern. Der deutsche Gesetzgeber hat auf eine Übernahme des Begriffs „Geschäftspraktik“ verzichtet, weil diese Redeweise in der deutschen Sprache negativ konnotiert sei. Die Umsetzung des Art. 5 UGPRL in § 3 Abs. 2 und 3 erfolgte stattdessen mit der Wendung „geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern“. Hiermit ist wiederum lediglich ein Ausschnitt der vom UWG insgesamt regulierten „geschäftlichen Handlungen“ gemeint.73 Der Begriff der geschäftlichen Handlung ist in dreierlei Hinsicht umfassender als derjenige der Geschäftspraktik: Erstens erfasst das UWG ausweislich des Wortlauts von § 2 Abs. 1 Nr. 1 nicht nur den Absatz, sondern auch den Bezug von Waren oder Dienstleistungen, also den Nachfragewettbewerb bzw. die Nachfragewerbung.74 Hierdurch fällt – über die UGPRL hinaus – etwa das Nachfrageverhalten von Unternehmern gegenüber privaten Anbietern (consumer to business, C2B) in den Anwendungsbereich des UWG. Zweitens erstreckt sich das UWG nicht nur auf Wettbewerbsverhalten im unmittelbaren business-to-consumer (B2C)-Absatzverhältnis, sondern auch auf Absatz- und Nachfrageverhalten gegenüber Mitbewerbern im Horizontalverhältnis sowie gegenüber
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70 Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO. 71 Zur Geschichte des Begriffs im deutschen Recht Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 21 ff. 72 EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 36 – RLvS Verlagsgesellschaft. 73 Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 7; Köhler GRUR 2005, 793, 794; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 8. Dazu und zur Abgrenzung § 3 Rn. 137 ff.; anders Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 32 (es sei der Begriff der Geschäftspraktik zu verwenden). 74 BGH 30.4.2009 – I ZR 117/07 – GRUR 2009, 1189 Tz. 12 – Blutspendedienst.
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unternehmerisch oder nicht unternehmerisch tätigen, sonstigen Marktteilnehmern im Vertikalverhältnis.75 Dieser erweiterte Anwendungsbereich kommt dadurch zum Ausdruck, dass § 2 Abs. 1 Nr. 1 lediglich einen „objektiven Zusammenhang“ des Verhaltens zur Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen, mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren und Dienstleistungen verlangt, während die UGPRL einen „unmittelbaren Zusammenhang“ mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher voraussetzt. Drittens reguliert das UWG anders als die UGPRL nicht nur das geschäftliche Verhalten von Unternehmern gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 (Art. 2 lit. b UGPRL: „Gewerbetreibende“), sondern auch die Förderung fremden Wettbewerbs im eigenen Namen und aus eigener Initiative durch potentiell jede „Person … zugunsten eines fremden Unternehmens.“76 Diese Abweichungen werfen die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit der UGPRL auf. Zum Teil wird pauschal davon ausgegangen, der Begriff der geschäftlichen Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 sei richtlinienkonform im Sinne der UGPRL auszulegen; der Begriff des „objektiven Zusammenhangs“ setze die Formulierung „unmittelbarer Zusammenhang“ gem. Art. 2 lit. d UGPRL um, dessen Verständnis maßgebend sei.77 Letzteres gilt jedoch nur, soweit der streitgegenständliche Sachverhalt überhaupt in den Harmonisierungsbereich der UGPRL fällt.78 Ob dem so ist, richtet sich in der Tat allein nach den Vorgaben der UGPRL, also insbesondere nach dem Begriff der Geschäftspraktik und den in der Richtlinie selbst vorgesehenen Ausnahmen von ihrem Anwendungsbereich. Was eine richtlinienkonforme Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 vor allem sicherstellen muss, ist, dass jedes Verhalten, das unter die UGPRL fällt, auch vom UWG erfasst wird, das der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht dient. Mit anderen Worten muss der Begriff der geschäftlichen Handlung den Harmonisierungsbereich der UGPRL vollständig abdecken.79 Ob das streitgegenständliche Verhalten dann den Maßstäben der UGPRL, anderen Richtlinien oder dem autonom-deutschen Lauterkeitsrecht unterliegt, ist im Rahmen der §§ 3 ff., insbesondere im Zuge der Abgrenzung von § 3 Abs. 1 einerseits und § 3 Abs. 2 und 3 andererseits zu prüfen.80 Um diesen Anforderungen zu genügen, darf insbesondere nicht mehr der Nachweis einer irgend gearteten subjektiven Wettbewerbsabsicht verlangt werden; die UGPRL bestimmt ihren Anwendungsbereich anhand rein objektiver Kriterien.81 Ferner sind wie erläutert auch Verhaltensweisen „während und nach Abschluss eines Handelsgeschäfts“, die mit dem Verkauf oder der Lieferung eines „Produkts“ an Verbraucher unmittelbar zusammenhängen, unter § 2 Abs. 1 Nr. 1 zu subsumieren.82 Dabei müssen zumindest Handlungen von „Gewerbetreibenden“ und in ihrem Namen oder Auftrag Handelnden erfasst werden.83 Diese Vorgaben sind in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 6 sowie Abs. 2 umgesetzt worden. Wie erläutert, bleibt der Anwendungsbereich des UWG aber nicht hinter demjenigen der UGPRL zurück, sondern geht in mehrerer Hinsicht darüber hinaus. Die im Vergleich zum früheren deutschen Recht expansiven Anlagen der UGPRL im Hinblick auf (nach-) vertragliches Verhalten und die rein objektive Bestimmung des Anwendungsbereichs des
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75 76 77 78 79 80 81 82 83
Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 8. Unten § 2 Rn. 93 ff. LG Berlin 10.5.2011 – 16 O 259/10 – juris Rn. 19, 21. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 43. Köhler WRP 2007, 1393, 1395. Dazu § 3 Rn. 137 ff. Köhler WRP 2007, 1393, 1396. Siehe Art. 2 lit. c, d UGPRL; Köhler GRUR 2005, 793, 794. Dazu Art. 2 lit. b UGPRL und § 2 Abs. 1 Nr. 6.
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Lauterkeitsrechts wurden nicht nur umgesetzt, sondern im Interesse einheitlicher Beurteilungsmaßstäbe auf sämtliche geschäftliche Handlungen – z.B. auch solche, die ganz im B2B-Verhältnis verbleiben – erstreckt.84 Diese gewissermaßen überschießende Umsetzung von Konzepten der UGPRL u.a. im Rahmen von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ist richtlinienkonform. Die UGPRL betont ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten nicht unter die Richtlinie fallendes Wettbewerbsverhalten weiterhin unter uneingeschränkter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips im Einklang mit dem Unionsrecht regeln können.85 Eine der zulässigen Regulierungsvarianten besteht darin, insoweit die Maßstäbe der UGPRL anzuwenden. Hieraus folgt, dass nicht eine besonders weite Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ge- 42 gen die UGPRL verstoßen kann, sondern allenfalls eine zu restriktive. Die Richtlinienkonformität einer Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 steht daher vor allem in Rede, wenn ein Verhalten nicht als geschäftliche Handlung eingeordnet werden soll. Denn das heißt zugleich, dass auch keine Geschäftspraktik im Sinne der UGPRL vorliegt und die vollständige Rechtsangleichung durch die Richtlinie nicht zum Tragen kommt. Dies gilt zum Beispiel für die Abgrenzung zwischen geschäftlichen Handlungen einerseits und redaktioneller, weltanschaulicher oder sonstiger, nicht-wirtschaftlicher Kommunikation andererseits. Soweit der Richtlinie wie in dieser Hinsicht keine eindeutigen Vorgaben zu entnehmen sind, ist ggf. ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.86 c) (Vergleichende) Werbung gem. Art. 2 lit. a, c IrreführungsRL 2006. Die Irre- 43 führungsRL 2006 bezieht sich ebenfalls nur auf einen Ausschnitt der im UWG geregelten „geschäftlichen Handlungen“, nämlich auf (vergleichende) Werbung. Werbung ist gem. Art. 2 lit. a IrreführungsRL 2006 „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern.“ Um vergleichende Werbung handelt es sich gem. Art. 2 lit. c IrreführungsRL 2006, wenn die Werbung „unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von einem Mitbewerber angeboten, erkennbar macht.“ Beide, auf die Förderung eigenen Absatzes gerichteten Verhaltensweisen, sind vom Begriff der geschäftlichen Handlung zweifellos umfasst.87 Dass die Richtlinie wie das frühere deutsche Recht ein subjektives Element, nämlich 44 das Ziel der Absatzförderung, aufweist, ist im Ergebnis unproblematisch. Wiederum verlangt eine richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 lediglich, dass jedes Verhalten am UWG gemessen werden muss, das unter die in diesem Gesetz umgesetzten Richtlinien fällt. Äußerungen, die aufgrund objektiver Umstände ersichtlich von der Absicht getragen sind, Waren oder Dienstleistungen abzusetzen, unterfallen dem UWG zweifellos. Es erscheint ausgeschlossen, dass ein Verhalten aufgrund von Indizien oder sogar nachgewiesenermaßen auf Absatzförderung zielen, aber zugleich keinen objektiven Zusammenhang zur Absatzförderung aufweisen soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Begriff des objektiven Zusammenhangs lediglich ausschließt, den positiven Nachweis einer subjektiven Wettbewerbsabsicht zu verlangen. Hingegen ist es nicht
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84 Köhler WRP 2007, 1393, 1397; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 11. 85 EG 6 S. 3 2. Hs. UGPRL. 86 Für einen Gleichlauf der überkommenen deutschen und der unionsrechtlichen Maßstäbe insoweit OLG Hamburg 2.1.2008 – 3 W 224/07 – OLGR Hamburg 2009, 1020, 1022 = juris Rn. 18. Gerade umgekehrt die Fragestellung von BGH 18.1.2012 – I ZR 170/10 – BeckRS 2012, 03229 Tz. 5 ff. – Betriebskrankenkasse. 87 Siehe für vergleichende Werbung § 6 Abs. 1 und Lettl Rn. 162 ff.
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verboten, subjektive Gesichtspunkte bei der Gesamtbeurteilung des objektiven Zusammenhangs mit in Betracht zu ziehen.88 Auch im Hinblick auf die IrreführungsRL 2006 gilt mithin, dass der Anwendungs45 bereich des UWG umfassender ist als derjenige der Richtlinie. Zugleich erstreckt das UWG die sachlichen Verbotsmaßstäbe der IrreführungsRL 2006 auf von der Richtlinie nicht erfasstes Verhalten, insbesondere auf Nachfragewerbung.89 Diese überschießende Umsetzung ist wiederum nicht unionsrechtswidrig. d) Unerbetene Nachrichten zu Zwecken der Direktwerbung gem. Art. 13 DatenschutzRL-EK. Die Regelungen in § 7 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 und 4 sowie Abs. 3 dienen der Umsetzung von Art. 13 DatenschutzRL-EK zu unerbetenen Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung. Letztgenannter Begriff wird in der Richtlinie weder definiert noch näher erläutert.90 Er wird jedoch wie der allgemeinere Begriff der „Werbung“ von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ohne weiteres umfasst, und zwar auch dann, wenn mit der Werbung Waren oder Dienstleistungen nachgefragt und nicht abgesetzt werden sollen.91 47 Auch hinsichtlich der Art und Weise, wie Direktwerbung betrieben wird, ist § 2 Abs. 1 Nr. 1 und damit das UWG offen. Die primär telekommunikations- und datenschutzrechtlich motivierte Richtlinie betrifft Formen der elektronischen Kommunikation wie automatische Anrufsysteme, Faxgeräte und elektronische Post, einschließlich SMS,92 die aufgrund ihrer Nachverfolgbarkeit besonderes Schädigungspotential für das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Teilnehmer aufweisen. § 2 Abs. 1 Nr. 1 erstreckt sich hingegen umfassend auf „jedes Verhalten“, solange es nur in objektivem Zusammenhang namentlich zur Absatzförderung (Werbung) steht. Ob dies über einen elektronischen Kommunikationsdienst oder anderweitig erfolgt, ist erst bei der Prüfung der Unzulässigkeit bestimmter Arten und Weisen der Wirtschaftswerbung gem. § 7 von Belang.
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3. Funktion und Bedeutung a) Anwendungsbereich des Gesetzes. Der Begriff der geschäftlichen Handlung beschreibt den Anwendungsbereich des UWG. Das UWG als Sonderdeliktsrecht reguliert in Abgrenzung zum allgemeinen und sonstigen besonderen Deliktsrecht nicht jedes Verhalten, sondern nur Verhalten, das den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 kodifizierten objektiven Zusammenhang zum Marktgeschehen aufweist.93 Privates, hoheitliches und rein betriebsinternes Handeln sowie Kommunikationsvorgänge in anderen gesellschaftlichen Sphären wie z.B. der öffentlichen Information und Meinung, der Religion und Weltanschauung, der Wissenschaft oder Kultur, unterfallen daher nicht dem auf wirtschaftlichen Wettbewerb und seine im Allgemeininteresse liegenden Funktionen ausgerichteten UWG. Diese zentrale Bedeutung des Begriffs der geschäftlichen Handlung kommt be49 reits in der Zwecknorm des § 1 S. 1 zum Ausdruck, wonach das UWG dem Schutz der Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen dient. Die beiden primären Verbotsnormen des § 3 und des § 7 beziehen sich ebenfalls auf geschäftliche Handlun-
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88 Näher unten § 2 Rn. 160 ff. 89 Unten § 2 Rn. 175 ff. 90 BGH 17.7.2008 – I ZR 75/06 – GRUR 2008, 923 Tz. 10 – Faxanfrage im Autohandel. 91 BGH 17.7.2008 – I ZR 75/06 – GRUR 2008, 923 Tz. 10 – Faxanfrage im Autohandel. 92 Vgl. EG 40 DatenschutzRL-EK. 93 BGH 10.1.2013 – I ZR 190/11 – GRUR 2013, 945 Tz. 17 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 2; Köhler WRP 2007, 1393, 1394. Kritisch zur rechtstechnischen Umsetzung dieser Regelungsfunktion gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Beater Rn. 865.
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gen. Dementsprechend findet der Begriff auch in den Beispielen unlauteren Verhaltens gem. §§ 4–6 Verwendung. Die dort kodifizierten Handlungen stellen jedenfalls geschäftliche Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 dar. Für Verstöße gegen § 3 oder § 7 haftet, wer eine nach diesen Normen unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt oder wem ein solches Verhalten zugerechnet wird (vgl. §§ 8–10). Schließlich ist der Begriff des individuell anspruchsberechtigten Mitbewerbers ausgehend von der angegriffenen geschäftlichen Handlung zu bestimmen. In den straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Bestimmungen der §§ 16–20, 50 die von der Umsetzung der UGPRL unberührt blieben, findet der Begriff der geschäftlichen Handlung keine Verwendung. Gleichwohl gehen auch diese Bestimmungen nicht über den Anwendungsbereich des Gesetzes hinaus, der von § 2 Abs. 1 Nr. 1 abgesteckt wird. Zum einen rekurrieren § 16 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 auf den „geschäftlichen Verkehr“, womit nichts anderes als ein objektivierter Oberbegriff für alle geschäftlichen Handlungen gemeint ist. Zum anderen lassen sich die in den Vorschriften konkret als strafbar aufgezählten Verhaltensweisen unter die allgemeine Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 1 subsumieren. Dies gilt zweifellos für strafbare bzw. bußgeldbewehrte Werbung gem. § 16 und § 20, aber auch für den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, die Verwertung von Vorlagen und das Verleiten und Erbieten zum Verrat gem. §§ 17–19. Zwar sind diese Handlungsweisen dem eigenen Absatz- und Bezugsverhalten am Markt vorgelagert. Um dem UWG nicht unterfallende Betriebsinterna aber handelt es sich nicht, da ja gerade auf die Wettbewerbssituation anderer Unternehmen eingewirkt und insoweit nach außen agiert wird.94 Der dem UWG unterfallende Handlungsbereich wird in Reminiszenz an § 1 UWG 1909 51 häufig noch mit „geschäftlichem Verkehr“ beschrieben. Diese Wendung findet sich in den §§ 6 Abs. 2 Nr. 3, 16 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 und soll auch im Übrigen ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Anwendbarkeit des UWG sein. Hierzu wird jede selbstständige, wirtschaftliche Zwecke verfolgende Tätigkeit gezählt, die irgendwie der Förderung eines beliebigen, auch fremden Geschäftszwecks dient und in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt; den Gegensatz zu dieser geschäftlichen bildet die rein private oder rein amtliche Betätigung.95 Eine alternative, im Vordringen befindliche Kurzformel zur Beschreibung des Regelungsgegenstands des UWG ist das „marktbezogene Verhalten“, welches geeignet ist, sich auf das Markt- und Wettbewerbsgeschehen auszuwirken und das mit der Förderung eines beliebigen – auch fremden – Geschäftszwecks zusammenhängt.96 Gegenstand des UWG als eines Wettbewerbsgesetzes sei nicht allgemein das Handeln eines Unternehmers im geschäftlichen Verkehr, sondern nur das marktbezogene, nach außen in Erscheinung tretende und nicht rein betriebsinterne Verhalten eines Unternehmers.97 Unabhängig davon, welcher dieser dogmatischen Ausdrücke sich in der Sprachpraxis durchsetzen wird, sind in jedem Fall die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 kodifizierten Tatbestandsvoraussetzungen maßgeblich. Der durch den Begriff der geschäftlichen Handlung bzw. im Unionsrecht mit „Wett- 52 bewerbsverhalten“ (Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO) beschriebene Anwendungsbereich des UWG ist die letzte verbindende Klammer des deutschen und europäischen Lauter-
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94 Im Ergebnis auch Harte/Henning2/Keller § 2 Rn. 10 a.E. 95 Siehe KG 19.6.2001 – 5 U 10475/99 – GRUR-RR 2002, 198, 200 – Online-Öffentlichkeitsarbeit; Gloy/ Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 15; Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 4 Rn. 5; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 7; Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 51, 65; skeptisch Götting/Nordemann § 2 Rn. 8. 96 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 24; juris-PK/Ernst § 2 Rn. 8. Für einen Vorrang des Merkmals „geschäftlicher Verkehr“ im Verhältnis zum Merkmal des „Marktbezugs“ hingegen Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 57. 97 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 305; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16; OLG Hamburg 29.6.2006 – 3 U 12/06 – GRUR-RR 2007, 206, 208 – Emissionsprospekt; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 49.
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keitsrechts.98 Das Wettbewerbsverhalten als Teilaspekt des Verhaltens von Personen wird in unterschiedlichen Rechtsakten aus unterschiedlichen Gründen (Wettbewerbs-, Verbraucher-, Gesundheitsschutz usw.) reguliert. Die nur noch anwendungsbezogene Gemeinsamkeit reflektiert die systematische und teleologische Fragmentierung des Lauterkeitsrechts, das sich nur mehr auf diesen kleinen Nenner bringen lässt.99 53
b) Die Unterscheidung zwischen Marktverhalten und nicht-wirtschaftlichem Verhalten. Der Begriff der geschäftlichen Handlung signalisiert bereits, dass das UWG den Bereich der Wirtschaft und hierauf bezogenes Verhalten betrifft.100 Dementsprechend bezieht sich das UWG keineswegs auf alle Verträge, sondern nur auf Geschäftsabschlüsse101 bzw. Handelsgeschäfte über Waren oder Dienstleistungen.102 Regelungsgegenstand ist das Marktverhalten103 bzw. das wirtschaftliche Verhalten104 im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen der Verbraucher,105 der Unternehmer106 und anderer Marktteilnehmer.107 Diese Interessen beziehen sich primär auf die Gewährleistung einer von Irreführung und wettbewerbsfremdem Zwang freien geschäftlichen Entscheidung.108 Primärer Regelungszweck des UWG ist der Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten – wirtschaftlichen – Wettbewerb.109 Dessen Funktionen (effiziente Ressourcenallokation, Innovation, Verteilung der Renditen nach Leistung) sollen vor Manipulationen durch die Marktteilnehmer geschützt werden. Maßstab hierfür sind die „anständigen Marktgepflogenheiten“.110 Aus dem Anwendungsbereich, dem Inhalt und dem Zweck des UWG folgt mithin, dass das UWG nur das wettbewerbliche Verhalten auf dem Markt im wirtschaftlichen Sinn reguliert, auf dem materielle Bedürfnisse durch den Absatz und den Bezug von Waren oder Dienstleistungen gedeckt werden.111 Nicht hingegen erstreckt sich das UWG auf außergeschäftliches Verhalten in 54 anderen Sphären der Gesellschaft, wo nicht Produkte, sondern Informationen und Meinungen, Glaubensinhalte, Wahrheiten etc. ausgetauscht, „beworben“ und hierauf bezogene, ideelle Bedürfnisse befriedigt werden.112 Das deutsche und europäische Lauterkeitsrecht reflektiert mit dieser Selbstbegrenzung auf wirtschaftliche Tätigkeiten die funktionale Differenzierung der modernen Gesellschaft. Verhalten im wirtschaftlichen Bereich unterliegt anderen Bedingungen und hat andere Zwecke als Verhalten in den Sphären von Politik, Religion, Recht, Wissenschaft, Sport usw. Hier geht es um Geschäftsabschlüsse, um zahlen/nicht-zahlen; dort um Macht/keine Macht, Immanenz/Transzendenz, Recht/Unrecht, Wahrheit/Unwahrheit, Sieg und Niederlage im sportlichen
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98 Peukert in Hilty/Henning-Bodewig S. 27, 58. 99 Dazu oben § 1. 100 Siehe auch § 2 Abs. 1 Nr. 5 (Wirtschaftszweige); Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 16; Piper/Ohly/ Sosnitza § 2 Rn. 8; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 48; Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 174. 101 § 2 Abs. 1 Nr. 1. 102 Art. 3 Abs. 1 UGPRL. 103 § 4 Nr. 11. Zum Begriff der kommerziellen Kommunikation siehe Art. 2 lit. f E-Commerce-RL (alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens dienen); Emmerich Unlauterer Wettbewerb, § 4 Rn. 2. 104 Vgl. Art. 2 lit. b IrreführungsRL 2006/114. 105 Art. 1 UGPRL. 106 Art. 1 und EG 4 IrreführungsRL 2006/114. 107 § 1 S. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2. 108 Vgl. Art. 2 lit. k UGPRL. 109 § 1 S. 2 UWG. 110 Art. 2 lit. h UGPRL. 111 Anders Beater Rn. 859 (die Negativabgrenzung des Wettbewerbsrechts zu anderen Rechtsgebieten sei „im Grunde komplett ungeregelt“). 112 Näher unten § 2 Rn. 191 ff.
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Wettkampf usw.113 Die divergierenden Funktionslogiken dieser Sphären ziehen unterschiedliche rechtliche Beurteilungen nach sich. Dies kommt bereits in den Grundrechten zum Ausdruck, in denen namentlich die Berufs- und wirtschaftliche Handlungsfreiheit von anderen Freiheitssphären wie den politischen Freiheitsrechten, der Glaubensfreiheit, den rechtsstaatlichen Garantien, der Meinungs-, Presse, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit unterschieden wird. Das UWG selbst lässt wie gezeigt erkennen, dass es nicht dazu geeignet und bestimmt ist, Interessenkollisionen in nicht wirtschaftlichen Sphären zu regulieren. Streitigkeiten über die rechtliche Zulässigkeit öffentlicher Meinungen und Informationen, über Glaubensinhalte, wissenschaftliche Thesen, über Kunst, über rechtliche Argumente im Prozess, über das Verhalten im Sport etc. sind nach den hierfür ggf. geltenden Sondervorschriften und im Übrigen nach allgemeinem Deliktsrecht zu lösen. Zwar kann man von „Märkten für Ideen“ oder einem „Wettbewerb“ um karitative Spenden, um Kirchen- oder Gewerkschaftsmitglieder und den sportlichen Siegerkranz sprechen. Hierbei aber handelt es sich um einen sprachlichen Imperialismus des Ökonomischen, dem keine Expansion des Wirtschaftsrechts in nicht wirtschaftliche Sphären folgen darf, da sonst die dort geltenden Handlungsbedingungen und -absichten der betreffenden Akteure verfehlt und verzerrt werden. Öffentliche Informationen und Meinungen, Glaubensinhalte oder politische Programme sind keine „Produkte“, die „abgesetzt“ und „bezogen“ werden wie eine Ware oder Dienstleistung. Daher unterliegt zum Beispiel die Presseberichterstattung über Unternehmen auch dann nicht dem UWG, wenn sie immanente Auswirkungen auf den Wettbewerb hat.114 Das Presseunternehmen offeriert mit der Zeitung zwar ein entgeltliches Produkt auf dem Markt für Presseerzeugnisse. Die einzelne Berichterstattung aber soll sich nach den Wertungen der Rechtsordnung primär an der Wahrheit der Information bzw. an der Meinungsbildung in einer offenen Gesellschaft orientieren. Diese gesellschaftliche und rechtliche Differenzierung kann im Ansatz auch personenbezogen erläutert werden. Geschäftliche Handlungen müssen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 einen Unternehmensbezug aufweisen. Im Regelfall werden sie von Unternehmern, ihren Mitarbeitern oder Beauftragten vorgenommen. Nicht-Unternehmer wie private Verbraucher, der Staat, Kirchen, Gewerkschaften, Idealvereine, politische Parteien unterliegen dem UWG nur dann, wenn sie entweder – entgegen ihrer Rechtsform bzw. Zwecksetzung – tatsächlich dauerhaft und planmäßig Produkte anbieten und damit unternehmerisch agieren oder wenn sie mit ihrem Verhalten den Wettbewerb eines fremden Unternehmens fördern. Letzteres ist nicht der Fall, wenn diese Förderung die immanente, notwendige Folge des Handelns im Rahmen der je eigenen, außergeschäftlichen Kommunikationssphäre und -zielsetzung ist. Nur und erst, wenn eine Kirche oder eine Gewerkschaft etc. in einer mehr als für ihre eigenen Zwecke notwendigen Weise den Wettbewerb eines fremden Unternehmens fördert, verlässt sie ihre religiöse, soziale oder sonst nicht wirtschaftliche Sphäre und nimmt zugleich am wirtschaftlichen Wettbewerb teil, so dass sie insoweit die vom UWG aufgestellten Verhaltensregeln beachten muss. In einer solchen Konstellation besteht ein ausreichend „objektiver Zusammenhang“ zum geschäftlichen Verkehr. Hingegen fehlt es hieran bei außergeschäftlichen Handlungen in anderen Kommunikations- und Handlungssphären.
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Luhmann Gesellschaft der Gesellschaft, S. 707 ff., 743 ff. Fezer FS Schricker, S. 671, 677; Götting/Nordemann § 2 Rn. 14.
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c) Vorrang spezieller Regelungen zur Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen. Auch soweit eine geschäftliche Handlung und nicht ein außergeschäftliches Verhalten vorliegt, folgt der maßgebliche Beurteilungsmaßstab nicht notwendigerweise aus dem UWG. Jenes stellt zwar eine Sondermaterie im Verhältnis zum allgemeinen Deliktsrecht dar. Soweit jedoch Marktverhalten in Streit steht, bildet das UWG mit seinen Auffangklauseln zum Inhalt und zur Art und Weise geschäftlicher Handlungen gem. § 3 Abs. 1 und 2 bzw. § 7 Abs. 1 Satz 1 die allgemeinste Regelung. Die Zulässigkeit geschäftlicher Handlungen kann sich wiederum nach speziellen Vorschriften richten.115 Damit ergeben sich drei konzentrische Kreise: Das allgemeine Deliktsrecht er60 fasst prinzipiell alle Verhaltensweisen, das UWG als allgemeines Marktverhaltensrecht die Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen durch sämtliche geschäftliche Handlungen, die Unzulässigkeit bestimmter Formen des Marktverhaltens kann sich aber vorrangig aus weiteren Spezialgesetzen wie etwa dem HWG ergeben, deren Wertungen ggf. über den Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 lauterkeitsrechtlich nachvollzogen und sanktioniert werden können. 61
d) Tatbestandsvoraussetzungen im Überblick. Eine geschäftliche Handlung ist nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 1 unter folgenden Voraussetzungen gegeben: Eine Person muss sich zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens verhalten (dazu 4). Es müssen Waren oder Dienstleistungen in Rede stehen (dazu 5). Das Verhalten muss objektiv zusammenhängen (dazu 6): – vor einem Geschäftsabschluss mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen (dazu 7); – bei einem Geschäftsabschluss mit dem Abschluss eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen (dazu 8); – nach einem Geschäftsabschluss mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen (dazu 9). 4. Unternehmensbezug des Verhaltens
a) Jedes Verhalten. Das UWG erstreckt sich auf „jedes Verhalten“, wobei aus den weiteren Tatbestandsmerkmalen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und dem Gesamtzusammenhang des UWG folgt, dass hiermit nur jedes wirtschaftliche Marktverhalten gemeint ist. Um zum Ausdruck zu bringen, dass als geschäftliche Handlung gleichermaßen ein 63 positives Tun wie auch ein Unterlassen in Betracht kommen kann, wurde im Zuge der Umsetzung der UGPRL der herkömmliche Begriff der Handlung durch die umfassender erscheinende Formulierung „Verhalten“ ersetzt.116 In diesem weiten Sinne definiert auch Art. 2 lit. d UGPRL eine Geschäftspraktik als „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing“. Ein Unterlassen ist nach allgemeinen Grundsätzen nur dann rechtlich relevant, wenn 64 eine Erfolgsabwendungspflicht besteht, die sich aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun ergeben kann. Es muss ein spezifisch lauterkeitsrechtlicher Erfolg abgewehrt werden, namentlich eine Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7. Ein geschäftliches Unterlassen stellt es insbesondere dar, wenn Tatsachen ver65 schwiegen werden und hierdurch geschäftliche Entscheidungen beeinflusst werden (§ 5a), wenn die Wohnung eines Verbrauchers trotz Aufforderung nicht verlassen wird (Anhang 62
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115 Anhang II der UGPRL listet Bestimmungen des Unionsrechts zu Werbung und kommerzieller Kommunikation auf, die gem. Art. 3 Abs. 4 UGPRL den Bestimmungen der UGPRL vorgehen, soweit sie „besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln“. Zu vielfältigen und vorrangig zu beachtenden berufs-, produkt-, absatz- und vertragsbezogenen Regelungen im deutschen Recht siehe § 4 Nr. 11 Rn. 44 ff. 116 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 20 f.
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Nr. 26 zu § 3 Abs. 3) und Verbraucherschreiben systematisch nicht beantwortet werden (Anhang Nr. 27 2. Alt. zu § 3 Abs. 3). Auch die Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht gem. § 3 Abs. 1 besteht häufig darin, dass eine lauterkeitsrechtlich relevante Gefahr nicht verhindert wird, indem z.B. der Betreiber einer Online-Handelsplattform nichts gegen unlautere geschäftliche Handlungen einzelner Anbieter unternimmt.117 Verstößt ein Unterlassen hingegen gegen ein Gesetz, das keine Marktverhaltensregel gem. § 4 Nr. 11 darstellt (z.B. unterlassene Hilfeleistung gem. § 323c StGB), liegt grundsätzlich auch kein lauterkeitsrechtlich relevantes Unterlassen und damit auch keine geschäftliche Handlung vor.118 Tun und Unterlassen müssen von einem natürlichen Handlungswillen getragen 66 sein, um zunächst einer natürlichen Person und dann ggf. einer juristischen Person oder rechtsfähigen Personengesellschaft zugerechnet werden zu können.119 Das ist der Fall, wenn das betreffende Verhalten der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung unterliegt und somit beherrschbar ist. Hieran fehlt es bei Reflexen oder einem Verhalten im Schlaf oder unter Hypnose.120 Auch technische Störungen, die vom Anspruchsgegner weder verursacht noch beherrscht werden konnten, stellen kein zurechenbares Verhalten dar.121 b) Einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens. Das Tun oder Unter- 67 lassen muss dem eigenen oder einem fremden Unternehmen zugute kommen. Ein Verhalten begünstigt ein Unternehmen, wenn es sich in irgendeiner Weise positiv auf den Marktauftritt oder die Marktposition eines Unternehmens auswirkt, indem der Kundenstamm und die Absatz- oder Bezugschancen erhalten oder verbessert werden.122 § 2 Abs. 1 Nr. 1 nimmt nicht auf den Unternehmer, sondern auf das Unternehmen 68 Bezug. Hierbei handelt es sich um eine betriebliche und organisatorische Einheit, mit der dauerhaft und planmäßig Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt vertrieben werden.123 aa) Eigennütziges Verhalten eines Unternehmers. Zugunsten des eigenen Un- 69 ternehmens handelt der Unternehmensinhaber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs., also jede natürliche, juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. Eine solche unternehmerische Tätigkeit ist gegeben, wenn – auch ohne Gewinn- 70 erzielungsabsicht124 – Waren oder Dienstleistungen dauerhaft und planmäßig gegen
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117 Siehe § 3 Rn. 535 ff.; Beater Rn. 878. 118 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 12; Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 62; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 14. 119 Beater Rn. 882. 120 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 11; Beater Rn. 873 f. mit Verweis auf deliktsrechtliche Grundsätze. 121 BGH 29.3.2007 – I ZR 164/04 – GRUR 2007, 987 Tz. 22 – Änderung der Voreinstellung. 122 Ebenso zur Wettbewerbsförderung unter Geltung des UWG 1909 BGH 12.10.1956 – I ZR 34/56 – GRUR 1957, 93, 94 – Jugendfilmverleih; BGH 26.6.1959 – I ZR 81/58 – GRUR 1959, 488, 489 – Konsumgenossenschaft; BGH 17.12.1969 – I ZR 152/67 – GRUR 1970, 465, 467 – Prämixe; schon RG 20.9.1904 – II 580/03 – RGZ 59, 1, 2; RG 28.2.1905 – II 384/04 – RGZ 60, 189, 190; ferner Lettl § 1 Rn. 119; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 67. 123 Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 30. 124 BGH 3.4.1981 – I ZR 4 1/80 – GRUR 1981, 665, 666 – Knochenbrecherin; BGH 19.6.1981 – I ZR 100/79 – GRUR 1981, 823, 825 – Ecclesia-Versicherungsdienst; OLG Hamm 7.2.2008 – 1–4 U 154/07 – MMR 2008, 750, 751 – ungeschwärztes Urteil.
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Entgelt angeboten werden.125 Maßgeblich ist eine tatsächliche Betrachtung unabhängig von der Rechtsform, in der das Unternehmen betrieben wird. Der Zeitraum, in dem zugunsten des eigenen Unternehmens gehandelt wird, erstreckt sich von der Gründungsphase bis zur endgültigen Einstellung des Unternehmens.126 § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. bestimmt zwar, dass auch Personen, die im Namen oder Auf71 trag eines Unternehmers handeln, Unternehmer im Sinne des UWG sind. Allerdings betreiben sie kein eigenes Unternehmen. Sie können daher auch keine eigennützigen geschäftlichen Handlungen vornehmen, sondern nur solche, die ein fremdes Unternehmen (nämlich das des Auftrag- oder Arbeitgebers) fördern.127 72 Anders als unter Geltung des UWG 1909128 ist der Anwendungsbereich des UWG unabhängig davon eröffnet, ob und wenn ja welchem Unternehmen das streitgegenständliche Verhalten einen Nachteil verursacht. Es genügt der Nachweis einer Unternehmensförderung. Dass dies auf Kosten eines bestimmten anderen Unternehmens geschieht, muss nicht dargetan werden.129 Daher ist insbesondere auch das eigennützige Verhalten eines Monopolisten ohne Weiteres vom Begriff der geschäftlichen Handlung erfasst.130 Die Frage, wessen unternehmerische Interessen durch die geschäftliche Handlung beeinträchtigt wurden, ist vielmehr erst für die Prüfung des Mitbewerberbegriffs und damit namentlich die Anspruchsberechtigung gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 von Belang. 73
bb) Private Verhaltensweisen natürlicher Personen. Das nicht unternehmerische, selbstbezügliche Verhalten natürlicher Personen fördert kein „eigenes Unternehmen“ des Akteurs und unterfällt daher nicht dem UWG.131 Hierzu zählt zunächst das Privatleben außerhalb von Gewerbe und Beruf, auch wenn es sich öffentlich in den Medien oder im Internet vollzieht.132 So stellt die Anmeldung und Aufrechterhaltung einer Internet-Domain keine geschäftliche Handlung dar, soweit dies zu außergeschäftlichen Zwecken wie z.B. der präventiven Warnung vor Gefahren der Spielsucht beim Glücksspiel in Spielbanken oder der Verbreitung statistischer Daten zu den vom Anmelder unternehmerisch betriebenen Spielbanken dient.133 Dies gilt ggf. auch für .com-Domains, da auch jene von Privatpersonen für private Zwecke benutzt werden.134
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125 RG 26.4.1937 – I V B 9/37 – RGZ 154, 343, 351; BGH 14.7.1966 – II ZB 2/66 – BGHZ 45, 395, 398; BGH 2.7.1985 – X ZR 77/84 – BGHZ 95, 155, 157 ff. – Deutsche Bundesbahn; BGH 20.2.1997 – I ZR 12/95 – GRUR 1997, 907, 908 – Emil-Grünbär-Klub; BAG 31.5.2005 – 1 AZR 141/04 – GRUR 2006, 244, 245 f. – Mitgliederwerbung von Gewerkschaften. 126 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 30. 127 Dazu § 2 Rn. 643 ff. 128 Z.B. BGH 10.4.1997 – I ZR 3/95 – GRUR 1997, 909, 910 f. – Branchenbuch-Nomenklatur (keine wettbewerbliche Wechselbeziehung zwischen einem Verlag und einem Lohnsteuerhilfeverein). 129 OLG Hamm 7.2.2008 – 1–4 U 154/07 – MMR 2008, 750, 751 – ungeschwärztes Urteil. 130 Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 51 f. 131 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 48; Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 75. Zur Förderung fremden Wettbewerbs unten § 2 Rn. 93 ff. 132 Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 58. 133 OLG München 28.10.2010 – 29 U 2590/10 – juris Rn. 51 – Bayerische Spielbanken. Siehe dazu auch EuGH Rechtssache C-657/11, Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Cassatie van België (Belgien), eingereicht am 21. Dezember 2011 — Belgian Electronic Sorting Technology NV/Bert Peelaers und Visys NV, Amtsblatt Nr. C 073 vom 10/03/2012, 17 („Ist der Begriff „Werbung“ in Art. 2 der Richtlinie 84/450/EWG vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung und in Art. 2 der Richtlinie 2006/114/EG vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung dahin auszulegen, dass er die Registrierung und Nutzung eines Domain-Namens sowie die Nutzung von Metatags in Metadaten einer Website umfasst?“). 134 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 48.
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Gibt hingegen ein Teilnehmer einer an sich privaten, außergeschäftlichen Unterhaltung seinen Aussagen eine geschäftliche Wendung, indem er seinen eigenen oder fremden Wettbewerb fördert (z.B. wirbt oder einen konkreten Geschäftsabschluss tätigt), wechselt er in den geschäftlichen Verkehr und unterliegt insoweit den Vorgaben des UWG.135 Ebenso verhält es sich, wenn ein Personaldienstleister in einem Online-Netzwerk ein geschäftliches Profil erstellt und dort nach Mitarbeitern sucht136 oder wenn eine Person von einer IP-Adresse, die zum Netzwerk eines Versicherungsunternehmens gehört, einen dieses Unternehmen und seine Produkte lobenden ForumBeitrag zu einem Rechtsanwalts-Blog verfasst, in dem dieser Versicherer kritisiert worden war.137 Keine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ist der eigennützige, private Konsum durch Letztverbraucher.138 Dies gilt auch, wenn ein Unternehmer für den privaten Bedarf im eigenen Geschäft einkauft.139 Zwar nehmen Verbraucher am Marktgeschehen teil und beeinflussen durch ihre geschäftlichen Entscheidungen das Wettbewerbsgeschehen maßgeblich. Indes decken sie mit ihren Nachfragehandlungen lediglich ihren privaten Bedarf, nicht aber fördern sie den Wettbewerb eines eigenen Unternehmens. Auch genügt allein der Geschäftsabschluss mit einem bestimmten Unternehmen nicht, um von einer lauterkeitsrechtlich relevanten Wettbewerbsförderung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 auszugehen. Selbiges gilt, wenn eine natürliche Person im privaten Rahmen, also nicht dauerhaft und planmäßig im Rahmen eines Unternehmens, Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbietet, z.B. ihren privaten PKW verkauft oder ihre Arbeitskraft zu Markte trägt. Nicht im geschäftlichen Verkehr agiert daher ein Immobilienmakler, der ein Grundstück aus seinem Privatbesitz in Zeitungsanzeigen zum Verkauf anbietet. Eine durch den Verkauf mögliche Liquiditätsverbesserung im geschäftlichen Bereich reicht zur Annahme eines Handelns im geschäftlichen Verkehr nicht aus.140 All diese Angebotsaktivitäten erfolgen weder zugunsten eines eigenen noch zugunsten eines fremden Unternehmens, auch wenn ein solcher der Abnehmer ist. Sie unterliegen daher nicht dem UWG. Ob bei einem entgeltlichen Angebot von Waren oder Dienstleistungen noch im privaten Rahmen oder bereits im geschäftlichen Verkehr unternehmerisch agiert wird, ist auf Grund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen.141 Streitig ist, zu welcher Kategorie von Schutzsubjekten des UWG nicht unternehmerische Anbieter von Waren oder Dienstleistungen zählen. Nach einer Ansicht sind sie keine Verbraucher,142 und daher wohl als „sonstige Marktteilnehmer“ gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 einzuordnen. Richtig ist zwar, dass die handelnden Personen aus der Rolle der bloßen Konsumenten in diejenige des Anbieters wechseln. Der Wortlaut der Verbraucherdefinition gem. §§ 2 Abs. 2, 13 BGB ist aber offen genug, um auch solches Verhalten zu erfassen. Demnach kommt es nur darauf an, ob eine natürliche Person zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet wer-
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135 BGH 17.3.1953 – I ZR 118/52 – GRUR 1953, 293, 294 – Fleischbezug; BGH 26.2.1960 – I ZR 166/58 – GRUR 1960, 384, 386 – Mampe Halb und Halb. 136 LG Heidelberg 23.5.2012 – 1 S 58/11 – MMR 2012, 607 – Unlauteres Abwerben über XING. 137 LG Hamburg 24.4.2012 − 312 O 715/11 – GRUR-RR 2012, 400 – Beste Rechtsschutzversicherung. 138 OLG München 21.8.1963 – 6 W 834/63 – NJW 1963, 2129; LG Heidelberg 23.5.2012 – 1 S 58/11 – MMR 2012, 607 – Unlauteres Abwerben über XING; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 20. 139 Beater Rn. 894. 140 BGH 22.4.1993 – I ZR 75/91 – GRUR 1993, 761 – Makler Privatangebot. 141 BGH 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871 Tz. 23–25, 33 – Ohrclips. Zur Abgrenzung bei OnlineVerkaufsplattformen unten § 2 Rn. 617. 142 So Beater Rn. 917 ff.
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den können. Dies ist bei privaten Angebotshandlungen der Fall. Auch erscheinen natürliche Personen, die in nicht unternehmerischer Weise am Marktgeschehen teilnehmen, bei ihren privaten Nachfrage- als auch Angebotshandlungen gleichermaßen schutzwürdig. In beiden Konstellationen agieren sie daher als Verbraucher.143 Folge ist vor allen Dingen, dass Unternehmen bei ihrem Nachfrageverhalten gegenüber Verbrauchern (C2B) die verbraucherschützenden Regelungen des UWG einzuhalten haben. 78 Wird auf einer Website mit im Übrigen privater Kommunikation Werbung geschaltet, unterliegt die Werbung dem UWG.144 Ist ein Verhalten nicht in geschäftliche und private Aspekte teilbar – zum Beispiel, wenn ein Unternehmer eine IT-Dienstleistung nachfragt, die er sowohl für das Geschäft als auch privat verwendet –, kommt es darauf an, ob die Marktaktivität im Schwerpunkt unternehmerischer oder privater Natur ist.145 Soweit ein mehr als nur bei Gelegenheit der privaten Anschaffung genutzter, in Quantität und Qualität zu vernachlässigender Unternehmensbezug besteht, liegt eine geschäftliche Handlung vor.146 79
cc) Nicht-unternehmerisches Verhalten juristischer Personen und rechtsfähiger Personengesellschaften. Natürliche Personen handeln nicht im geschäftlichen Verkehr, wenn sie entweder ganz außerhalb des Marktgeschehens in privater, nicht wirtschaftlicher Weise agieren oder als Verbraucher am Markt teilnehmen. Beide Varianten können auch für juristische Personen in Betracht kommen, soweit sie nicht wie Kapitalgesellschaften oder Personenhandelsgesellschaften bereits ihrem Zweck nach zugunsten des eigenen Unternehmens agieren. Dies gilt insbesondere für nicht wirtschaftliche Vereine gem. § 21 BGB (Idealvereine), deren geschäftliche Betätigung aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere des Gläubigerschutzes grundsätzlich verhindert werden soll, soweit es sich nicht lediglich um eine untergeordnete, den idealen Hauptzwecken des Vereins dienende wirtschaftliche Betätigung im Rahmen des sogenannten Nebenzweckprivilegs handelt.147 Auch sonstige Körperschaften, die gem. §§ 51 ff. AO ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, fördern grundsätzlich nicht den eigenen Wettbewerb im geschäftlichen Verkehr.148 80 So erfolgen satzungsgemäße, verbraucherpolitische Aktivitäten von Idealvereinen wie Greenpeace nicht zugunsten des eigenen „Unternehmens“, auch wenn sie das Marktverhalten von Unternehmern gezielt beeinflussen sollen. 149 Das Rundschreiben einer Berufskammer an ihre Mitglieder über den Verlauf einer lauterkeitsrechtlichen Auseinandersetzung stellt einen internen, im Übrigen lediglich die nicht unternehmerischen Aufgaben der Kammer betreffenden Vorgang dar.150 81 Ebenso fördert die eigennützige Spenden-151 und reine Mitgliederwerbung von Idealvereinen kein Unternehmen, sondern eben nur einen nicht wirtschaftlichen Ver-
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143 Köhler FS Hopt, S. 2825, 2830 f.; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 18. Für Arbeitnehmer entsprechend Ultsch S. 235 ff. 144 Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 80 m.w.N. 145 Fezer/Fezer § 2 Nr. 6 Rn. G 34; Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 9. 146 Entsprechend zur Abgrenzung zwischen geschäftlichen Handlungen und nicht-wirtschaftlichem Verhalten unten § 2 Rn. 191 ff. 147 Dazu BGH 29.9.1982 – I ZR 88/80 – GRUR 1983, 120, 123 f. – ADAC-Verkehrsrechtsschutz. 148 BGH 19.6.1981 – I ZR 100/79 – GRUR 1981, 823, 825 – Ecclesia-Versicherungsdienst. 149 OLG Stuttgart 15.9.2005 – 2 U 60/05 – GRUR-RR 2006, 20 – Absperrband-Aktion. 150 OLG Brandenburg 29.9.2005 – 6 U 28/05 – GRUR-RR 2006, 199 f. – Anonymisierung; OLG Brandenburg 25.9.2007 – 6 U 100/06 – GRUR 2008, 356 – Rundschreiben. 151 Dazu unten § 2 Rn. 236 ff.
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ein, der keine Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbietet.152 Dies gilt insbesondere für die Mitgliederwerbung von Gewerkschaften, die vor allen Dingen die Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder, also primär soziale und gesellschaftspolitische Aufgaben wahrnehmen. Kommen die Mitglieder einer Gewerkschaft wie auch diejenigen eines anderen Idealvereins in den Genuss von Waren oder Dienstleistungen, die üblicherweise gegen Entgelt angeboten werden, so bleibt die Mitgliederwerbung gleichwohl außerhalb des geschäftlichen Verkehrs und damit der Regulierung durch das UWG, soweit sich diese Angebote akzessorisch zum nicht wirtschaftlichen Hauptzweck des Vereins verhalten und nicht den Hauptzweck oder gar alleinigen Zweck der Vereinstätigkeit darstellen.153 Keine geschäftliche Handlung stellt es ferner dar, wenn ein Idealverein oder eine 82 andere, satzungsgemäß nicht unternehmerisch agierende juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft für den je eigenen Bedarf Waren oder Dienstleistungen nachfragt. Wie beim privaten Konsum natürlicher Personen (Verbraucher) fördert dieses Verhalten kein Unternehmen. Verwaltet etwa eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts lediglich das eigene Vermögen, ohne hierfür unternehmerisch tätig zu werden, liegt keine geschäftliche Handlung vor.154 Ebenso verhält es sich, wenn Idealvereine etc. wie Privatpersonen im Einzelfall Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten, indem z.B. die Möblierung eines Vereinshauses im Zuge einer Renovierung veräußert wird. Allerdings kommt es für die Entscheidung über das Vorliegen einer geschäftlichen 83 Handlung nicht auf die Rechtsform juristischer Personen und rechtsfähiger Personengesellschaften an, sondern auf ihre tatsächliche Stellung im Wettbewerb.155 So wie eine natürliche Person sowohl rein privat als auch unternehmerisch handeln kann, ist das Verhalten von Idealvereinen etc. dem UWG nicht von vornherein entzogen. Ergibt sich bereits aus der Satzung, dass der Hauptzweck des Vereins etc. nicht 84 etwa die Förderung sozialer, verbraucherpolitischer oder sonstiger, nicht geschäftlicher Zwecke ist, sondern im Austausch für die Mitgliedsbeiträge Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, die auch sonst am Markt gegen Entgelt vertrieben werden, so stellt sich nicht nur dieses Verhalten, sondern auch die Mitgliederwerbung als eine geschäftliche Handlung dar. Denn gefördert wird dann ein in die Rechtsform des Idealvereins gekleidetes Unternehmen. So hat die Rechtsprechung die Mitgliederwerbung von Lohnsteuerhilfevereinen am UWG gemessen, da diese Werbung den primären Zweck habe, die marktmäßige Erbringung von Dienstleistungen an die Mitglieder zu fördern. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise handele es sich bei den Mitgliedsbeiträgen um ein pauschaliertes Leistungsentgelt für die Lohnsteuerberatung, die im Wettbewerb zu Steuerberatern angeboten werde.156 Ebenso zu beurteilen sind Konsum- oder Einkaufsvereine, die den Mitgliedern durch die Errichtung eines Systems von Einkaufsausweisen und die Bündelung der Nachfrage ein preiswertes und günstiges Einkaufen ermöglichen. Da der Mitgliedsbeitrag nichts anderes als ein pauschaliertes Entgelt für bessere Waren-
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152 BGH 15.11.1967 – Ib ZR 137/65 – GRUR 1968, 205, 207 – Teppichreinigung; BAG 11.11.1968 – 1 AZR 16/68 – BGHZ 42, 210, 218; BGH 28.11.1969 – I ZR 139/67 – NJW 1970, 378, 380 – Sportkommission; BGH 14.1.1972 – I ZR 95/70 – GRUR 1972, 427, 428 – Mitgliederwerbung; BGH 20.2.1997 – I ZR 12/95 – GRUR 1997, 907, 908 – Emil-Grünbär-Klub; kritisch dazu, vor allem mit Blick auf die Spendenwerbung, HoffrichterDaunicht FS v. Gamm, S. 39, 42 ff.; Ullmann FS Traub, S. 411, 413 f. 153 Zum Angebot von Rechtsschutz durch Gewerkschaften siehe BAG 31.5.2005 – 1 AZR 141/04 – GRUR 2006, 244, 245 f. – Mitgliederwerbung von Gewerkschaften. 154 BGH 23.10.2001 – XI ZR 63/01 – NJW 2002, 368, 368 ff. 155 BGH 23.1.1976 – I ZR 95/75 – GRUR 1976, 370, 371 – Lohnsteuerhilfevereine I. 156 BGH 23.1.1976 – I ZR 95/75 – GRUR 1976, 370, 371 – Lohnsteuerhilfevereine I.
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§2
Definitionen
angebote darstellt, erfolgt die Mitgliederwerbung und sonstige werbliche Eigendarstellung „zugunsten des eigenen Unternehmens“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1.157 Schließlich agiert ein nicht wirtschaftlicher Verein auch dann zugunsten des eigenen 85 Unternehmens, wenn der Verein tatsächlich und ggf. entgegen der Satzung unternehmerisch agiert und damit in Wettbewerb zu Unternehmern tritt, die substituierbare Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten.158 Eine geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens ist daher zum Beispiel gegeben, wenn ein Verein Nichtmitgliedern gegen Entgelt Vermögensberatung in Erbfällen anbietet159 oder sie außergerichtlich vertritt;160 wenn die an alle Mitglieder verteilte Verbandszeitschrift einer sonst im Pressemarkt angebotenen Fachzeitschrift entspricht;161 oder wenn sich die Zentralstelle für das Versicherungswesen im kirchlich-diakonisch-caritativen Bereich von den Versicherungsgesellschaften, mit denen sie zusammenarbeitet, Vergütungen in Form von Provisionen gewähren lässt.162 dd) Hoheitliches Handeln. Sind Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge privatisiert worden, so agieren die ggf. mit einer staatlichen Genehmigung ausgestatteten Unternehmen im geschäftlichen Verkehr.163 Doch auch soweit eine solche Privatisierung nicht stattgefunden hat, können juristische Personen des öffentlichen Rechts sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch handeln.164 Wie bei natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts hat die Abgrenzung auch hier anhand einer objektiven Gesamtbeurteilung des in Streit stehenden Verhaltens zu erfolgen: Vertreibt die öffentliche Hand über eine gewisse Dauer und planmäßig Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt, agiert sie in diesem Rahmen zugunsten des eigenen Unternehmens als Unternehmer und folglich prima facie im Anwendungsbereich des UWG. Hiervon streng zu unterscheiden ist die nachgeordnete Frage der lauterkeitsrechtlichen Zulässigkeit dieser geschäftlichen Handlung.165 Nicht zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens betätigen sich staat87 liche Stellen, wenn sie aufgrund öffentlich-rechtlicher Ermächtigungsgrundlagen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben hoheitlich tätig werden.166 Hoheitliches Handeln in diesem Sinne liegt auch vor, wenn ein privates Unternehmen im Auftrag der Polizei ein Fahrzeug abgeschleppt und dafür Kostenansprüche geltend macht. Denn der Ab-
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157 A.A. OLG München 21.8.1963 – 6 W 834/63 – NJW 1963, 2129; OLG Celle 23.1.1974 – 13 U 145/73 – WRP 1974, 273, 275. 158 BGH 14.1.1972 – I ZR 95/70 – GRUR 1972, 427, 428 – Mitgliederwerbung; OLG Celle 23.1.1974 – 13 U 145/73 – WRP 1974, 273, 275; OLG Köln 15.5.1985 – 6 U 42/85 – WRP 1985, 660. 159 BGH 20.10.1983 – I ZR 130/81 – GRUR 1984, 283, 284 f. – Erbenberatung. 160 Anders BGH 1.6.2011 – I ZR 58/10 – WRP 2012, 963 Tz. 13 – Rechtsberatung durch Einzelhandelsverband. 161 BGH 21.6.1971 – KZR 8/70 – GRUR 1972, 40, 42 – Feld und Wald I. 162 BGH 19.6.1981 – I ZR 100/79 – GRUR 1981, 823, 825 – Ecclesia-Versicherungsdienst. 163 BGH 15.1.2009 – I ZR 141/06 – GRUR 2009, 881 Tz. 10 – Überregionaler Krankentransport. 164 Die bloße Möglichkeit der Privatisierung öffentlicher Aufgaben genügt aber noch nicht; anders BGH 2.7.1985 – X ZR 77/84 – BGHZ 95, 155, 157 ff. – Deutsche Bundesbahn (ein wirtschaftliches Unternehmen der öffentlichen Hand sei ein solches, das auch von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Erzielung dauernder Einnahmen betrieben werden könne). 165 A.A. OLG Stuttgart 5.8.2010 – 2-U 53/10 – WRP 2011, 1207 ff. – Pflegedienst („Denn ist das Verhalten der öffentlichen Hand sachlich nicht geboten, ist von einer geschäftlichen Handlung auszugehen.“). 166 BGH 17.3.1953 – I ZR 118/52 – GRUR 1953, 293, 294 – Fleischbezug; BGH 26.2.1960 – I ZR 166/58 – GRUR 1960, 384, 386 – Mampe Halb und Halb; BGH 26.1.2006 – I ZR 83/03 – GRUR 2006, 428 Tz. 12 – Abschleppkosten-Inkasso; OLG München 15.5.2003 – 29 U 1703/03 – GRUR 2004, 169, 171 – Städtisches Krematorium.
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schleppvorgang ist eine polizeiliche Vollstreckungsmaßnahme, die einem privaten Unternehmer nur als öffentliches Amt anvertraut wurde.167 Nicht unter das UWG fallen ferner Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine solche liegt vor, wenn durch den Gegenstand des Streits Maßnahmen betroffen sind, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen.168 In Wahrnehmung der ihr nach § 91 HandwO zugewiesenen Aufgaben, nicht aber zugunsten eines eigenen oder fremden Unternehmens handelt schließlich eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts konstituierte Handwerkskammer, wenn sie ihren Mitgliedern und Existenzgründern als potenziellen Mitgliedern kostenlos Beratungsleistungen anbietet.169 Nimmt die öffentliche Hand hingegen im Privatrechtsverkehr am Wirtschaftsleben teil, indem sie sich mit privaten Wettbewerbern auf dem Boden der Gleichordnung um die Nachfrage auf einem bestimmten Markt bewirbt, fördert der Staat einen eigenen Geschäftszweck und verlässt damit den rein amtlichen bzw. hoheitlichen Bereich. Dieses erwerbswirtschaftliche Verhalten des Staates unterliegt der Kontrolle des Lauterkeitsrechts.170 Im geschäftlichen Verkehr handelt demgemäß etwa eine Gemeinde, die Veranstaltungstipps herausgibt, ohne hiermit einen gesetzlichen Auftrag zur Öffentlichkeitsarbeit, etwa im Hinblick auf die Warnung vor Gesundheitsgefahren etc. zu verfolgen.171 Selbiges gilt für eine Gemeinde, die unter der Rubrik „Amtliche Bekanntmachungen und Informationen“ eine Solarinitiative mit zwei namentlich genannten und prominent herausgestellten Unternehmen dieser Branche ankündigt.172 Am UWG gemessen wurde der Betrieb einer Selbstabgabestelle für Brillen, in der eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Allgemeine Ortskrankenkasse in gleicher Weise wie Optiker Gestelle und Gläser an ihre Versicherten ausgab. 173 Ungeachtet ihrer weiterhin öffentlichrechtlichen Organisation und Trägerschaft sozialer Sicherungssysteme stellt ferner die Mitgliederwerbung gesetzlicher Krankenversicherungen, die nach dem Willen des Gesetzgebers wie private Versicherungsunternehmen um Kunden werben sollen, eine geschäftliche Handlung dar.174 Indes kann keinesfalls jede staatliche Aktivität jenseits gesetzlicher Eingriffsermächtigungen als wirtschaftliches Marktverhalten qualifiziert werden.175 Soweit die Daseinsvorsorge dem Staat vorbehalten und nicht marktmäßig organisiert ist, handelt der Staat hoheitlich und nicht geschäftlich. So fehlt es an einem Verhalten zugunsten des eigenen Unternehmens, wenn ein Rentenversicherungsträger eine Software zur Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben erstellt und an andere Hoheitsträger zu diesen Zwecken
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167 BGH 26.1.2006 – I ZR 83/03 – GRUR 2006, 428 Tz. 12 – Abschleppkosten-Inkasso. 168 BSG 31.3.1998 – B 1 KR 9 – 95 R – NJW 1999, 892; BGH 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535 – Gesamtzufriedenheit; OLG Celle 2.4.2009 – 13 W 16/09 – GRUR-RR 2010, 86 – Sonderkündigungsrecht; OLG Celle 9.9.2010 – 13 U 173/09 – WRP 2010, 1548, 1550 – Sonderkündigungsrecht. 169 OLG Koblenz 11.1.2001 – 6 U 1414/98 – GRUR-RR 2002, 114 f. – Handwerkskammer. 170 BGH 21.7.2005 – I ZR 170/02 – GRUR 2005, 960, 961 – Friedhofsruhe; BGH 26.1.2006 – I ZR 83/03 – GRUR 2006, 428 Tz. 12 – Abschleppkosten-Inkasso; OLG Karlsruhe 28.4.1999 – 6 U 6/99 – NJWE-WettbR 2000, 6 f.; KG 19.6.2001 – 5 U 10475/99 – GRUR-RR 2002, 198, 200 – Online-Öffentlichkeitsarbeit. 171 Nordemann Rn. 59. 172 BGH 12.7.2012 – I ZR 54/11 – GRUR 2013, 301 Tz. 21 f. – Solarinitiative. 173 BGH 18.12.1981 – I ZR 34/80 – GRUR 1982, 425, 427 – Brillen-Selbstabgabestellen. 174 BGH 18.1.2012 – I ZR 170/10 – GRURInt 2012, 372 (Vorlagebeschluss zum EuGH); OLG Celle 2.4.2009 – 13 W 16/09 – GRUR-RR 2010, 86 – Sonderkündigungsrecht; OLG Celle 9.9.2010 – 13 U 173/09 – WRP 2010, 1548, 1550 – Sonderkündigungsrecht; Emmerich Unlauterer Wettbewerb, § 4 Rn. 29; Nordemann Rn. 59. 175 So aber dem Obersatz nach BGH 26.1.2006 – I ZR 83/03 – GRUR 2006, 428 Tz. 12 – AbschleppkostenInkasso mit Verweis auf BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 554 – Elternbriefe.
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weitergibt, statt hiermit private Anbieter zu beauftragen.176 So wenig wie der Marktzutritt des Staates mit dem UWG abgewehrt werden kann,177 so wenig kann ein solcher umgekehrt mit dem UWG erzwungen werden. Ohnehin unterfällt die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand nicht § 2 92 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da und soweit sie der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben dient. So wie die private Nachfrage von Verbrauchern und nicht wirtschaftlichen Vereinen fördert solches Verhalten kein Unternehmen, sondern ist auf die Erfüllung nicht geschäftlicher, sondern hoheitlicher Zwecke ausgerichtet. Aussagen in öffentlichen Ausschreibungen sowie Vergabebedingungen stellen daher grundsätzlich keine geschäftlichen Handlungen dar.178 Die Nachfragemacht des Staates hat ihren spezialgesetzlichen Niederschlag im Vergaberecht gefunden. Nur soweit die öffentliche Hand erwerbswirtschaftlich tätig ist und im Rahmen dieser unternehmerischen Betätigung nachfragend am Markt agiert, unterliegt sie wie jeder andere Unternehmer dem UWG. c) Verhalten einer Person zugunsten eines fremden Unternehmens. Der Begriff der geschäftlichen Handlung und damit das UWG insgesamt erfasst nicht nur eigennütziges Verhalten eines Unternehmers zur Förderung des eigenen Wettbewerbs, sondern jedes Verhalten einer Person zugunsten eines fremden Unternehmens, das mit dessen Wettbewerbssituation objektiv zusammenhängt. Der Kreis derjenigen Personen, die diese fremdnützige Wettbewerbsförderung vornehmen können, ist also nicht auf Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. beschränkt. Bereits zum UWG 1909 war anerkannt, dass auch Dritte, die selbst kein Gewerbe betreiben, sich in den Wettbewerb anderer einschalten und dergestalt „zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr“ handeln können.179 Aufgrund der Kontinuität dieser Rechtslage ist die insoweit einschlägige ältere Rechtsprechung weiterhin relevant. Da der Anwendungsbereich des UWG in diesem Zusammenhang über den Kreis der94 jenigen Personen hinausgeht, die als Unternehmer typischerweise für das Wettbewerbsgeschehen und damit auch für die Einhaltung der Lauterkeit des Wettbewerbs verantwortlich sind, ist der Abgrenzung zum nicht wirtschaftlichen Verhalten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Wird einer Person, die selbst kein Unternehmen betreibt, ein Verstoß gegen das UWG vorgeworfen, ist im Einzelnen darzulegen, weshalb das Verhalten einen objektiven, förderlichen Zusammenhang zur Wettbewerbssituation eines Unternehmens aufweist. 93
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aa) Beauftragte, Mitarbeiter und Vertragspartner eines Unternehmens. Die gesetzlichen Vertreter, sonstigen Beauftragten und nicht zuletzt die Mitarbeiter eines Unternehmens sind keine Unternehmensinhaber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. Das sind vielmehr die juristischen Personen, rechtsfähigen Personengesellschaften oder der eingetragene Kaufmann etc., die sie vertreten oder für die sie als Arbeitnehmer tätig sind. Folglich können Beauftragte und Mitarbeiter nicht zugunsten des eigenen Unternehmens geschäftliche Handlungen vornehmen.
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176 OLG Karlsruhe 28.4.1999 – 6 U 6/99 – NJWE-WettbR 2000, 6 f. 177 Siehe dazu § 4 Nr. 11 Rn. 13 (Marktzutrittsregeln keine Marktverhaltensregeln). 178 KG 19.6.2001 – 5 U 10475/99 – GRUR-RR 2002, 198, 200 f. – Online-Öffentlichkeitsarbeit; OLG Hamburg 30.7.2007 – 3 U 126/07 – OLGR Hamburg 2009, 646, 647 = juris Rn. 6; LG Saarbrücken 19.8.2011 – 7 O 33/11; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 25; a.A. ohne nähere Begründung Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 55; juris-PK/Ernst § 2 Rn. 16. 179 OLG Celle 23.1.1974 – 13 U 145/73 – WRP 1974, 273, 275.
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Indes weisen diese Personen eine besondere Nähe zum vertretenen bzw. arbeitgebenden Unternehmer auf. Denn der Erfolg eines Unternehmens kommt zugleich den Vertretern, Beauftragten und Mitarbeitern zugute. Es sind daher typischerweise jene Personen, die zugunsten eines fremden Unternehmens geschäftliche Handlungen vornehmen. Diese Wertung kommt zum einen in § 8 Abs. 2 zum Ausdruck, der impliziert, dass Zuwiderhandlungen gegen das UWG – also geschäftliche Handlungen – in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen werden können. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. erklärt sogar alle Personen zu Unternehmern im Sinne des UWG, die im Namen oder Auftrag eines Unternehmers handeln.180 Fördern Beauftragte oder Mitarbeiter den Absatz oder die Nachfrage, den Abschluss oder die Durchführung von Handelsgeschäften des vertretenen oder arbeitgebenden Unternehmens, liegt in der Regel eine ihnen selbst zuzurechnende, fremdnützige geschäftliche Handlung vor. Dies gilt insbesondere für die Organe juristischer Personen wie den Vorstand einer AG und den Geschäftsführer einer GmbH, darüber hinaus aber auch für Prokuristen und Handelsvertreter sowie für sonstige entgeltlich oder unentgeltlich Beauftragte.181 Auch ein Unternehmensverband und sonstige Wirtschafts- oder Berufsvereinigungen, die satzungsgemäß den Wettbewerb ihrer Mitglieder fördern, weisen eine solche Nähebeziehung zu fremdem Wettbewerb auf.182 Die Verbände bzw. Vereine bieten zwar selbst keine Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt an und unterhalten daher keinen eigenen Geschäftsbetrieb. Soweit sie aber satzungsgemäß das Ziel verfolgen, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern, wird zum Beispiel der Name eines solchen Verbands insgesamt im geschäftlichen Verkehr verwendet und unterliegt daher dem UWG.183 Eine geschäftliche Handlung liegt auch vor, wenn die Mitgliederwerbung zugleich den Wettbewerb der im Verband aktiven Mitglieder fördert;184 ein Verband zugunsten eines von ihm und seinen Untergliederungen getragenen und in der Form der GmbH betriebenen Fachverlags agiert;185 ein Hotelierverband ein Hotel-Klassifizierungssystem aufstellt und organisiert;186 ein Dachverband der Brauereiwirtschaft sich auf seiner Homepage positiv über die Auswirkungen von Bier auf die Gesundheit und den menschlichen Körper äußert;187 oder ein Fachverband der Schloss- und Beschlagindustrie ein Rundschreiben an Schlüsseldienste und Sicherheitsfachgeschäfte richtet, in dem vor möglichen Patent- und Markenrechtsverletzungen durch bestimmte Fräsmaschinen gewarnt wird.188 Vertragspartner eines Unternehmers fördern dessen Wettbewerb vor allem dann, wenn sie für die streitgegenständliche Handlung ein spezielles Entgelt oder einen sonstigen Vorteil in Aussicht gestellt bekommen haben.189 Aber auch ohne dieses Indiz kann sich eine Wettbewerbsförderung eines fremden Unternehmens aus den Gesamtumstän-
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180 Dazu und zum Verhältnis von § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. zu §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 2 § 2 Rn. 650 ff. 181 Vgl. BGH, 19.6.1997 – I ZR 16/95 – GRUR 1997, 916 ff. – Kaffeebohne; OLG München 9.3.2006 – 6 U 5757/04 – GRUR-RR 2006, 268, 271; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 55. 182 Zu solchen Wirtschafts- und Berufsvereinigungen siehe auch § 20 Abs. 6 GWB und Harte/Henning/ Keller § 2 Rn. 51. 183 BGH 10.11.1972 – J ZR 60/71 – GRUR 1973, 371, 372 – Gesamtverband; OLG Stuttgart 19.4.1996 – 2 U 105/95 – NJWE-WettbR 1996, 197, 198 – Christian Chamber of Commerce. 184 BGH 14.1.1972 – I ZR 95/70 – GRUR 1972, 427, 428 – Mitgliederwerbung. 185 BGH 21.6.1971 – KZR 8/70 – GRUR 1972, 40, 42 – Verbandszeitschrift; BGH 29.11.1974 – I ZR 117/73 – GRUR 1975, 377, 378 – Verleger von Tonträgern. 186 LG Berlin 10.8.2010 – 16 O 479/08 – WRP 2011, 131 f. 187 LG Berlin 10.5.2011 – 16 O 259/10, juris Rn. 21. 188 BGH 15.1.2009 – I ZR 123/06 – GRUR 2009, 878 Tz. 11 – Fräsautomat. 189 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 56.
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den ergeben. Schließt eine Gewerkschaft einen Gruppenversicherungsvertrag mit einem Rechtsschutzversicherer ab, durch den die Gewerkschaft ihren Mitgliedern als Versicherten auch ohne deren Zustimmung allein kraft der Satzung Familien- und Wohnungsrechtsschutz mit Mitteln des Beitragsaufkommens verschafft, fördert sie den Wettbewerb des Versicherers, mit dem sie kontrahiert.190 Ebenso fördert ein Mieterverein den Wettbewerb der Rechtsanwälte, die als Prozessvertreter für die Mitglieder bevorzugt werden.191 Stellt ein Interessenverband bestimmte Versicherungsgesellschaften lobend heraus, weil sie auf sein Betreiben besonders günstige Versicherungen für Mitglieder des Verbandes anbieten, betätigt sich der Verband zugunsten eines fremden Unternehmens.192 Schließlich zählen die in einem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu 100 denjenigen Personen, die typischerweise ein Interesse an der Förderung ihres Arbeitgebers als eines fremden Unternehmens haben.193 So handelt ein Arbeitnehmer auch dann zugunsten des Arbeitgeber-Unternehmens im geschäftlichen Verkehr, wenn er unter einem privaten Aliasnamen in einem Internet-Blog negative Berichte über einen Mitbewerber veröffentlicht und hierbei auf seine langjährige Erfahrung in der betreffenden Branche verweist.194 Allerdings kann eine solche Wettbewerbsförderung einem Arbeitnehmer nur als ei101 gene Handlung zugerechnet werden, wenn sich das betreffende Verhalten nicht lediglich als Ausführung einer Weisung von Vorgesetzten darstellt. Auch der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 geforderte Unternehmensbezug der geschäftlichen Handlung impliziert, dass ein gewisser Entscheidungsspielraum bestehen und zur Beeinflussung des Wettbewerbsgeschehens benutzt werden muss. Daher stellt das weisungsgebundene Verhalten untergeordneter Arbeitnehmer keine eigenständige geschäftliche Handlung dar, auch wenn es letztlich stets zugunsten des Arbeitgebers geschieht. Anzuknüpfen ist vielmehr an die zugrundeliegende interne Weisung und die hieraus erwachsende Erst- oder Wiederholungsgefahr, dass das entsprechende Verhalten nach außen praktiziert wird.195 Das UWG adressiert somit diejenigen Arbeitnehmer, denen ein Aufgabenbereich zur selbständigen und eigenverantwortlichen Erledigung zugewiesen ist.196 102
bb) Förderung fremden Wettbewerbs aus eigener Initiative. Indes können nicht nur Vertreter, Beauftragte und Mitarbeiter fremden Wettbewerb fördern. § 2 Abs. 1 Nr. 1 erfasst seinem Wortlaut nach jedes Verhalten einer Person zugunsten eines fremden Unternehmens. Hierunter fällt auch eine im eigenen Namen und aus eigener Initiative vorgenommene Wettbewerbsförderung, die das begünstigte Unternehmen weder in Auftrag gegeben noch sonst initiiert hat.
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190 BGH 25.1.1990 – I ZR 19/87 – GRUR 1990, 522, 524 – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz; OLG Celle 23.1.1974 – 13 U 145/73 – WRP 1974, 273, 275 – Förderung der Vertragshändler einer Endverbraucherorganisation. 191 BGH 26.10.1989 – I ZR 242/87 – GRUR 2005, 877, 878 – Werbung mit Testergebnis. 192 OLG Hamburg 26.4.2001 – 3 U 241/00 – GRUR-RR 2002, 113, 114 – Windkraftanlage. 193 BGH 21.2.1964 – Ib ZR 102 – GRUR 1964, 392, 394 – Weizenkeimöl; BGH 7.3.1996 – I ZR 33/94 – GRUR 1996, 798, 800 – Lohnentwesungen; LG Hamburg 24.4.2012 − 312 O 715/11 – GRUR-RR 2012, 400 – Beste Rechtsschutzversicherung; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 28. 194 OLG Hamm 23.10.2007 – 4 U 87/07 – MMR 2008, 757 – Private Äußerung in Blogs als Wettbewerbshandlung. 195 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 25 m.w.N. (nur wer in einer für das Unternehmen bedeutsamen Funktion in selbstständiger, eigenverantwortlicher Weise Aufgaben erfüllt und hiermit das Unternehmen „repräsentiert“); Lettl § 1 Rn. 124. Zur Abgrenzung zwischen betriebsinternem Verhalten und nach außen gerichtetem Marktverhalten unten § 2 Rn. 186 ff. 196 Vgl. BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09 – GRUR 2011, 340 Tz. 27 – Irische Butter.
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In dieser Hinsicht geht das UWG über die UGPRL und die IrreführungsRL 2006 hinaus, die lediglich Geschäftspraktiken von Gewerbetreibenden erfassen. Hierzu zählen nach den Legaldefinitionen des Gewerbetreibenden zwar auch Personen, die im Namen oder im Auftrag des Gewerbetreibenden handeln.197 Fehlt es aber sowohl an einem Handeln in fremdem Namen als auch an einer Beauftragung, liegt keine Geschäftspraktik gem. UGPRL bzw. keine Werbung gem. der IrreführungsRL 2006 vor, wohl aber ggf. eine geschäftliche Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, die eben auch rein eigeninitiativ erfolgen kann.198 Die Förderung des Wettbewerbs eines fremden Unternehmens im eigenen Namen und aus eigenem Antrieb stellt jedoch einen untypischen Sachverhalt dar. Während Vertreter, Beauftragte und Mitarbeiter typischerweise auch ein Eigeninteresse haben, die Wettbewerbsposition des Vertretenen bzw. des Arbeitgebers zu verbessern, fehlt es hieran prima facie bei sonstigen Dritten. Bei dieser Fallgruppe ist daher besonders sorgfältig zu prüfen, ob ein objektiver Zusammenhang zur Wettbewerbsförderung besteht oder ob der Akteur nicht vielmehr in einem außergeschäftlichen Kontext agiert und lediglich die immanenten Auswirkungen redaktioneller, meinungsbildender, weltanschaulicher oder sonstiger Verhaltensweisen auf das Wettbewerbsgeschehen beklagt werden, die als solche jedoch nicht dem UWG unterliegen.199 Streitig ist, ob und unter welchen Voraussetzungen Verbraucher geschäftliche Handlungen zugunsten fremder Unternehmen vornehmen können. Nach einer Auffassung können nur Unternehmensinhaber und mit der Wahrnehmung der Interessen des geförderten fremden Unternehmens betraute Personen wie namentlich Beauftragte und Mitarbeiter im geschäftlichen Verkehr agieren.200 Nach anderer Meinung erfasst § 2 Abs. 1 Nr. 1 das Verhalten von Privatpersonen prinzipiell uneingeschränkt, wenn sie denn zugunsten fremder Unternehmen agieren.201 Schließlich wird vertreten, dass nur solche Verhaltensweisen von Verbrauchern lauterkeitsrechtlich relevant wären, denen eine gewisse Breitenwirkung für den Wettbewerb zukommt.202 Letztgenannter Auffassung ist im Ansatz zuzustimmen. Keine geschäftliche Handlung ist jedenfalls der private Konsum. Zwar begünstigt jede Nachfrageentscheidung das Unternehmen, mit dem der Verbraucher kontrahiert. Hierin aber erschöpft sich die Relevanz des einzelnen Geschäftsabschlusses. Auch aus der strukturellen Unterscheidung zwischen Unternehmern als den typischen Adressaten des UWG und Verbrauchern als typischen Schutzsubjekten des UWG folgt, dass eine weitergehende Beeinflussung des Wettbewerbsgeschehens vorliegen muss, die es rechtfertigt, einen privaten Marktteilnehmer dem UWG zu unterwerfen. Über eine solche Wettbewerbsrelevanz verfügen zum Beispiel Verbraucherbewertungen von Unternehmensleistungen im Internet. Schon vereinzelte positive oder negative Beurteilungen können in ganz erheblicher Weise den Absatz bestimmter Unternehmen fördern oder beeinträchtigen, da sich andere Verbraucher an Erfahrungsberichten orientieren, die als unabhängig eingeschätzt werden.203 Ist diese Unabhängigkeit aber gegeben, handelt es sich um eine Tatsachen- oder Meinungsäußerung über bestimmte Unternehmen und ihre Produkte, nicht aber um eine Förderung fremden Wett-
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197 Art. 2 lit. b UGPRL, 2 lit. d IrreführungsRL 2006. 198 Vgl. EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 38–42 – RLvS Verlagsgesellschaft. Näher unten § 2 Rn. 643 ff. 199 Näher unten § 2 Rn. 191 ff. 200 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 62; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 28. 201 Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 164. 202 Beater Rn. 919. 203 Anders OLG Köln 8.3.2012 – 15 U 193/11 – MMR 2012, 667 – Bewertungskommentare bei eBay (drei Negativbewertungen bei 11.000 positiven Bewertungen ohne gravierendes Gewicht).
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bewerbs.204 Wie Leserbriefe,205 Testergebnisse und verbraucherpolitische Äußerungen von Verbänden etc.206 ist solches Verbraucherverhalten der Sphäre der öffentlichen Information und Meinungsäußerung über geschäftlichen Verkehr zuzuordnen, nicht dem geschäftlichen Verkehr selbst. Dies gilt insbesondere für negative Beurteilungen, ohne dass ein anderes Unternehmen positiv dargestellt und damit gefördert wird. Die dem außergeschäftlichen Kommunikationszusammenhang angemessene Reaktion auf eine solche Meinungsäußerung von Konsumenten ist ein Gegenkommentar des betroffenen Unternehmens im Online-Forum.207 Prinzipiell ausgeschlossen aber ist die Anwendung des UWG auf das Verhalten von 108 Privatpersonen nicht. Ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls, dass der Akteur die Sphäre der öffentlichen Meinung über unternehmerisches Marktverhalten verlassen hat und objektiv zugunsten eines bestimmten Unternehmens in den Wettbewerb eingreift, liegt eine geschäftliche Handlung vor. Indizien hierfür können sein, dass der Verbraucher ein bestimmtes Unternehmen wiederholt und einseitig lobt oder eine sonstige Geschäftsbeziehung zum geförderten Unternehmen pflegt.208 Der gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 erforderliche Unternehmensbezug fehlt ferner grundsätz109 lich, wenn ein Idealverein oder Verband seinen satzungsgemäßen, nicht wirtschaftlichen Aufgaben nachgeht.209 Wie Verbraucher haben auch diese Marktteilnehmer grundsätzlich kein Interesse, bestimmte Unternehmen im Markt zu fördern, so dass es besonderer Anhaltspunkte für eine Förderung fremden Wettbewerbs bedarf. Nicht dem UWG unterfällt demgemäß eine Greenpeace-Aktion, die Verbraucher vom Erwerb gentechnisch veränderter Produkte abhalten soll und lediglich als Nebeneffekt die Anbieter gentechnikfreier Waren fördert.210 Hingegen wurde als geschäftliche Handlung qualifiziert, dass ein Ärzteverband seinen Mitgliedern empfiehlt, eine Patienteninformation in den Praxen auszulegen, wonach ein Wechsel zu einer bestimmten Krankenkasse angeregt wird, die ärztliche Leistungen in einem größeren Umfang als andere Versicherungen übernimmt, da hiermit im unternehmerischen Interesse der Ärzte auf den Wettbewerb zwischen Krankenkassen eingewirkt werden sollte.211 Schließlich kann auch die öffentliche Hand nach den Umständen des Einzelfalls 110 den Wettbewerb fremder Unternehmen fördern. So fördert eine Gemeinde den Absatz eines Verlags und seiner Anzeigenkunden, wenn bei jeder Eheschließung ein bestimmtes Kochbuch an die Eheleute verschenkt wird und hierüber ein Vertrag mit dem Verlag abgeschlossen wurde.212 Nennt eine Gemeinde nur einen Eigenbetrieb zur ambulanten Pflege unter den „wichtigen Rufnummern“ im Amtsblatt, obwohl es andere Pfle-
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204 So wohl auch Beater Rn. 919 a.E. (Meinungsäußerung), 942; offengelassen von OLG Köln 8.3.2012 – 15 U 193/11 – MMR 2012, 667 – Bewertungskommentare bei eBay. 205 KG 18.8.2009 – 5 W 95/09 – WRP 2009, 1296 (Die Aussage eines Apothekers in einem Leserbrief über ein Pharmaunternehmen („Bundesweit erhält ein Garagenvertrieb mit Kartoffelpresse in Spanien den Zuschlag: K.“) betreffe vorrangig ein öffentliches Anliegen und stelle mangels eigenem wirtschaftlichen Interesse des Handelnden mit Rücksicht auf die Meinungsfreiheit kein Handeln im geschäftlichen Verkehr dar.). 206 Dazu unten § 2 Rn. 210 ff. 207 Siehe OLG Köln 8.3.2012 – 15 U 193/11 – MMR 2012, 667 – Bewertungskommentare bei eBay (kein Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung gegen negative Kommentare, wenn bereits ein Gegenkommentar veröffentlicht wurde). 208 A.A. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 62 (nur bei gewerblichem Charakter des Handelns). 209 Oben § 2 Rn. 79 ff. 210 OLG Stuttgart 15.9.2005 – 2 U 60/05 – GRUR-RR 2006, 20 – Absperrband-Aktion. 211 LG München I 17.6.2009 – 11 HKO 6351/09 – WRP 2009, 1156 Rn. 49. 212 BGH 26.2.2009 – I ZR 106/06 – GRUR 2009, 606 Tz. 12 – Buchgeschenk vom Standesamt.
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gedienste im Ort gibt, agiert sie zugunsten dieses Eigenbetriebs, für dessen Kosten sie aufzukommen hat.213 5. Waren und Dienstleistungen a) Bedeutung des Tatbestandsmerkmals. Das UWG regelt das Marktverhalten. Auf dem Markt im wirtschaftlichen Sinne werden Waren oder Dienstleistungen gehandelt, deren Konsum materielle Bedürfnisse befriedigt. Demgemäß setzt § 2 Abs. 1 Nr. 1 ein Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens voraus, das objektiv mit dem Absatz oder Bezug bzw. dem Abschluss oder der Durchführung von Verträgen über Waren oder Dienstleistungen zusammenhängt. Die UGPRL verwendet als Oberbegriff für Waren und Dienstleistungen einschließlich Immobilien, Rechten und Verpflichtungen den Ausdruck „Produkt“.214 Auf eine Umsetzung dieser Terminologie wurde verzichtet, da sie nicht zur weiteren Präzisierung beitrage und das deutsche Wettbewerbs- und Markenrecht seit jeher mit den Begriffen Ware oder Dienstleistung operiere.215 Indes entschlackt die auch im Folgenden verwendete Rede vom „Produkt“ als Oberbegriff für Waren und Dienstleistungen nicht nur den Gesetzeswortlaut, sondern macht entgegen den wortreichen Differenzierungen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. deutlich, dass es einer Abgrenzung zwischen beiden Kategorien nicht bedarf, da sie lauterkeitsrechtlich gleich behandelt werden.216 Die Begriffe Ware und Dienstleistung sollen generell weit auszulegen sein.217 Maßgeblich sei eine wirtschaftliche Betrachtung unter Berücksichtigung wandelbarer Verkehrsanschauungen.218 Das aber bedeutet nicht, dass die Begriffe „Ware oder Dienstleistung“ bedeutungslos wären.219 Denn auch mit diesen Tatbestandsmerkmalen werden bestimmte Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des UWG ausgegrenzt, nämlich solche, die sich auf generell nicht handelbare Güter beziehen. Die Unterscheidung zwischen handelbaren Produkten und nicht kommerzialisierbaren Gütern folgt nicht der Verkehrsanschauung, sondern ist anhand der Rechtsordnung zu beantworten. Es geht um die Bestimmung der rechtlichen Grenzen des Marktes und damit des Kommerzialisierbaren. Alles, was in rechtlich zulässiger Weise gegen Entgelt abgesetzt und nachgefragt werden kann, stellt ein Produkt dar. Hierauf objektiv bezogenes Verhalten ist Marktverhalten, das vom UWG erfasst wird. Verhalten im Hinblick auf Güter, die aus Rechtsgründen prinzipiell nicht Gegenstand von Handelsgeschäften sein dürfen, ist keine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1.
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b) Begriff der Ware. Der Begriff der Ware wird nicht eigenständig definiert.220 § 2 Abs. 1 115 Nr. 1 2. Hs. stellt lediglich klar, dass „auch Grundstücke“ zu den Waren zählen. Hieraus folgt zunächst, dass namentlich bewegliche Sachen wie zum Beispiel Kunstwerke221 Wa-
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213 OLG Stuttgart 5.8.2010 – 2 U 53/10 – WRP 2011, 1207 ff. – Pflegedienst. 214 Vgl. Art. 2 lit. c UGPRL. 215 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 12. 216 Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 198 u.ö.; Götting/Nordemann § 2 Rn. 27; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 36. 217 Lettl § 1 Rn. 114; Götting/Nordemann § 2 Rn. 27 (im „weitesten Sinne“). 218 Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 34. 219 A.A. Beater Rn. 900 (inhaltsleeres Kriterium). 220 Zu § 2 UWG 1909 und seiner Aufhebung im Jahr 2000 Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 191 f. 221 Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 27.
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ren sein können. Unter den Begriff der Ware fallen ferner sonstige Gegenstände222 wie Elektrizität und Fernwärme, Sachgesamtheiten wie Unternehmen und Unternehmensteile (Betriebe) sowie Immaterialgüter wie nicht patentierte Erfindungen, Know-how, Software als solche, Werbeideen usw. Um eine Ware im Sinne des UWG handelt es sich allerdings nur, wenn über die Sache oder den sonstigen Gegenstand ein wirksames Verpflichtungsgeschäft abgeschlossen werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung ist ein handelbares Wirtschaftsgut gegeben, das unter den Bedingungen des Wettbewerbs produziert und vertrieben werden darf.223 Zu den Waren i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 zählt nach Auffassung des BGH auch ein Präparat, dessen Vertrieb mangels arzneimittelrechtlicher Zulassung im Inland verboten ist. Andere Hersteller hätten ein schutzwürdiges Interesse, gegen den Vertrieb des an sich verbotenen Präparats unter dem Aspekt einer unlauteren Nachahmung vorgehen zu können. Dabei sei zu beachten, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, dass das Präparat als Arzneimittel zugelassen oder so verändert werde, dass der Vertrieb rechtmäßig werde. Lauterkeitsrechtliche Ansprüche schieden nur aus, wenn aus der Art des Gesetzesverstoßes oder der wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeit folge, dass auch die Geltendmachung der auf die Stellung als Wettbewerber gestützten Ansprüche sittenwidrig oder rechtsmissbräuchlich sei.224 Dem ist zunächst insoweit zuzustimmen, als das Anbieten von Waren oder Dienstleistungen auch dann eine geschäftliche Handlung darstellt, wenn – wie insbesondere bei Arzneimitteln – eine hierfür ggf. erforderliche Genehmigung fehlt. Denn in diesem Fall wendet sich die Rechtsordnung nicht prinzipiell gegen eine marktmäßige Kommerzialisierung des Gutes, sondern lässt diese nur unter bestimmten Bedingungen zu. Werden diese Bedingungen nicht eingehalten, liegt ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel vor, der über § 4 Nr. 11 auch lauterkeitsrechtlich sanktioniert ist.225 Keine Ware (und entsprechend auch keine Dienstleistung) im Sinne des UWG ist aber ein Gut, das als solches ausnahmslos nicht verkehrsfähig ist und in Bezug auf das Verpflichtungsgeschäfte stets gem. §§ 134, 138 BGB unabhängig von den Umständen des Einzelfalls nichtig sind. Ein solches generelles Verkehrsverbot gilt spezialgesetzlich etwa für Organe oder Gewebe, die einer Heilbehandlung zu dienen bestimmt sind.226 Ferner zählt zu den anerkannten Fallgruppen des § 138 Abs. 1 BGB die sog. sittenwidrige Kommerzialisierung eines Lebensbereichs, für den sich nach Maßgabe der Rechtsordnung kein Markt entwickeln soll, auch wenn – wie etwa im Hinblick auf Radarwarngeräte, Sterbehilfe oder akademische Titel – durchaus eine Nachfrage bestehen mag.227 Hier
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222 Zu diesem Begriff vgl. § 453 Abs. 1 2. Alt. BGB; Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 14.5.2001, BTDrucks. 15/6040, S. 242; Peukert in Leible/Lehmann/Zech S. 95 ff. 223 Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 202; Köhler WRP 2009, 898, 900. 224 BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex; Gloy/Loschelder/ Erdmann § 31 Rn. 30; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 27. 225 Dazu § 4 Nr. 11 Rn. 98 ff. 226 Siehe § 17 I S. 1 TPG („Es ist verboten, mit Organen oder Geweben, die einer Heilbehandlung eines anderen zu dienen bestimmt sind, Handel zu treiben.“). Die Nichtigkeit von Verpflichtungsgeschäften wegen Gesetzesverstoßes ist zu unterscheiden von Veräußerungsverboten, die sich auf das Verfügungsgeschäft beziehen; dazu v. Tuhr S. 8 ff.; BGH 27.9.1989 – VIII ZR 57/89 – BGHZ 108, 364, 367 ff. (zu § 2 III PbefG als Verbot der Übertragung von Taxikonzessionen); BGH 1.3.2007 – IX ZR 189/05 – NJW 2007, 1196 ff. – Abtretung anwaltlicher Honorarforderungen. 227 BGH 23.2.2005 – VIII ZR 129/04 – NJW 2005, 1490 f. – Kaufvertrag über Radarwarngerät; BGH 10.11.2005 – III ZR 72/05 – NJW 2006, 45 f. – Schenkkreise; OLG Koblenz 16.12.1998 – 7 U 124–98 – NJW 1999, 2904 f. – Titelhandel; LG Köln 20.1.1964 – 7 O 231/63 – MDR 1964, 842 f. – Verpachtung einer Taxikonzession. Zu Exklusivvereinbarungen über persönlichkeitsrechtlich relevante Informationen BGH
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stellt sich die Rechtsordnung aus normativen Gründen gegen das Entstehen eines Marktes. Dieser Grundentscheidung würde es widersprechen, wenn das ausnahmslos rechtswidrig ablaufende Marktverhalten am UWG gemessen würde. Denn ein wirtschaftlicher Wettbewerb mit diesen rechtswidrigen Gütern soll nicht vor Verfälschungen bewahrt und hiermit gefördert werden, sondern gar nicht ablaufen. Dieses generelle Verbot ist durchzusetzen. Verhaltensweisen, die mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von oder mit dem Abschluss oder der Durchführung von Verträgen über solche rechtswidrigen Güter objektiv zusammenhängen, stellen keine geschäftlichen Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 dar und unterfallen nicht dem UWG. c) Begriff der Dienstleistung. Der Begriff der Dienstleistung umfasst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. „auch Rechte und Verpflichtungen“. Mithin liegt eine dienstleistungsbezogene geschäftliche Handlung vor, wenn dingliche Rechte, Immaterialgüterrechte, Forderungen228 und andere subjektive Rechte Gegenstand des Marktverhaltens sind.229 Gesellschaftsverträge, in denen unter anderem die Stammeinlagen der Gesellschafter geregelt werden, beziehen sich zwar auf solche Rechte, sind aber zunächst noch betriebsinterne Verhaltensweisen ohne ausreichenden Marktbezug nach außen.230 Im Übrigen erfasst der Begriff der Dienstleistung jede geldwerte unkörperliche Leistung, ohne dass es auf die rechtliche Qualifikation des zu Grunde liegenden Vertrags als Dienst-, Werk-, Geschäftsbesorgungsvertrag usw. ankommt.231 Im Hinblick auf die Tätigkeit eines Arbeitnehmers ist zu unterscheiden. Innerbetriebliche Tätigkeiten stellen keine geschäftliche Handlung dar. Selbiges gilt für weisungsgebundene Verhaltensweisen von Arbeitnehmern, auch soweit sie nach außen in Erscheinung treten. Ein Arbeitnehmer, der in selbständiger und eigenverantwortlicher Erledigung ihm übertragener Aufgaben den Wettbewerb des Arbeitgeber-Unternehmens fördert, nimmt hingegen eine ihm selbst zuzurechnende, fremdnützige geschäftliche Handlung vor.232 Auch bei der Suche nach einem Arbeitsplatz und dem Abschluss eines Arbeitsvertrags sind Arbeitnehmer als Verbraucher im Sinne des UWG und nicht als Unternehmer in eigener Angelegenheit einzuordnen, denn sie wollen gerade kein selbständig geführtes Unternehmen betreiben.233 Umgekehrt aber stellt es eine geschäftliche Handlung dar, wenn ein Unternehmer Arbeitskräfte234 oder selbständige Vertriebspartner nachfragt und hierfür wirbt.235
_____ 27.10.1967 – Ib ZR 140/65 – GRUR 1968, 209 f. – Lengede; OLG München 20.12.1979 – 6 U 3430/79 – AfP 1981, 347, 348 (keine Sittenwidrigkeit, weil die betroffenen Informationen anderweitig verfügbar waren und der Vertrag gerade den Zweck hatte, eine weitestgehende Breitenwirkung durch Veröffentlichung zu erzielen). Ferner Palandt/Ellenberger § 138 Rn. 56 m.w.N. 228 Zu Bankgeschäften mit Kapitalanlagen und Darlehen BGH 19.4.2007 – I ZR 57/05 – GRUR 2007, 981 Tz. 27 – 150% Zinsbonus. 229 Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 205 f. 230 Köhler WRP 2009, 898, 900. Anders ist es, wenn Forderungen gegen die Gesellschaft oder die Gesellschafter als Vermögensgegenstände marktmäßig gehandelt werden. 231 BGH 19.4.2007 – I ZR 57/05 – GRUR 2007, 981 Tz. 27 – 150% Zinsbonus. Z.B. die Platzierung von Bannerwerbung auf einer Internetseite (BGH 17.7.2008 – I ZR 197/05 – GRUR 2008, 925 Tz. 12 – FC Troschenreuth) oder Arzt- und Softwareleistungen (OLG Karlsruhe 9.7.2009 – 4 U 188/07 – GRUR-RR 2010, 47 f.). 232 Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 38. 233 Dazu § 2 Rn. 605 ff. 234 Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 45. 235 OLG Karlsruhe 10.3.2009 – 4 U 168/08 – GRUR-RR 2010, 51, 52 – Direktmarketing.
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Keine Dienstleistungen im Sinne des UWG sind zunächst solche Tätigkeiten und Leistungen, die ausnahmslos verboten sind. Wie im Hinblick auf rechtswidrige Waren soll der Wettbewerb mit solch per se rechtswidrigen Dienstleistungen nicht vor Verfälschungen geschützt, sondern von vornherein verhindert werden.236 Ebenfalls nicht als Dienstleistungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 zu qualifizieren 125 sind Tätigkeiten, die nicht gegen Entgelt zugunsten eines Unternehmens, sondern zur Erfüllung außergeschäftlicher Zwecke von Idealvereinen, Verbänden usw. vorgenommen werden. Hierzu zählt etwa die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Arbeitnehmern durch Gewerkschaften.237 Auch eine karitative Spende ist kein Entgelt für die Durchführung einer Dienstleistung zum Wohle des Spenders, sondern eine wohltätige Schenkung an den Idealverein, mit der Bedürftigen geholfen werden soll.238 Das Verhalten in diesen nicht wirtschaftlichen Sphären unterliegt nicht dem UWG, sondern vorbehaltlich von Spezialregelungen dem allgemeinen Deliktsrecht. 6. Der objektive Zusammenhang
a) Bedeutung des Tatbestandsmerkmals: geschäftliches oder außergeschäftliches Verhalten. Die Legaldefinition der geschäftlichen Handlung setzt sich aus drei Tatbestandselementen zusammen, denen jeweils eine andere Funktion zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des UWG zukommt. Mit dem erforderlichen Unternehmensbezug werden rein private, vereins- oder verbandsbezogene sowie hoheitliche Verhaltensweisen aus dem UWG ausgegrenzt. Der vorausgesetzte Bezug auf eine Ware oder Dienstleistung im Sinne eines han127 delbaren Produkts soll gewährleisten, dass Verhalten im Hinblick auf per se nicht verkehrsfähige, rechtswidrige Güter (z.B. menschliche Organe, Menschenhandel) gar nicht erst auf seine (Un-)Lauterkeit hin überprüft und dadurch inzident als grundsätzlich zulässig reguliert wird. Geschäftliche Handlungen müssen aber nicht nur das eigene oder ein fremdes Un128 ternehmen fördern und auf verkehrsfähige Waren oder Dienstleistungen bezogen sein, sondern vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängen. Das Tatbestandsmerkmal des objektiven Zusammenhangs führt dazu, dass auch Verhaltensweisen zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens im Hinblick auf verkehrsfähige Wirtschaftsgüter nicht dem UWG unterfallen, weil sie nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt kein Marktverhalten darstellen, sondern vom durchschnittlichen Adressaten anderen Handlungs- und Kommunikationssphären zugeordnet werden. 129 Solch „außergeschäftliches“,239 „wettbewerbsneutrales“240 oder synonym nicht wirtschaftliches Verhalten wurde unter Geltung des UWG 1909 und des UWG 2004 durch das Tatbestandsmerkmal der subjektiven Wettbewerbsabsicht aus dem Lauterkeitsrecht 126
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236 Keine geschäftlichen Handlungen im Sinne des UWG sind demnach z.B. Verhaltensweisen zur Förderung des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung oder zur Ausbeutung von Arbeitskraft gem. §§ 232 f. StGB. 237 BAG 31.5.2005 – 1 AZR 141/04 – GRUR 2006, 244, 246 – Mitgliederwerbung von Gewerkschaften. 238 LG Köln 11.12.2007 – 33 O 195/07 – GRUR-RR 2008, 198 f. – Spendenwerbung; näher unten § 2 Rn. 236 ff. 239 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 50. 240 Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 62 ff.
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ausgeschieden. Demnach stellte es keine Wettbewerbshandlung dar, wenn der Handelnde nicht die Förderung des Wettbewerbs bezweckte, sondern zum Beispiel die Öffentlichkeit informieren oder eine Meinung kundtun wollte.241 An die Stelle dieses Erfordernisses ist das Kriterium des objektiven Zusammenhangs getreten. Dementsprechend heißt es in der amtlichen Begründung zum UWG 2008, weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen und anderen Personen stünden in keinem ausreichenden Zusammenhang zum Marktverhalten und seien daher weiterhin nicht vom UWG erfasst.242 Die Anwendungsbereiche der UGPRL und der IrreführungsRL 2006 sind in entsprechender Weise auf das Marktverhalten von Gewerbetreibenden im Geschäftsverkehr zu Verbrauchern bzw. anderen Gewerbetreibenden beschränkt.243 Auch hier zeigt die Entstehungsgeschichte der UGPRL, dass es an einem unmittelbaren Zusammenhang zur Absatzförderung, zum Abschluss und zur Durchführung von Handelsgeschäften im Sinne von Art. 2 lit. b UGPRL insbesondere im Hinblick auf „Konsumentenjournalismus oder andere Formen redaktionellen Materials“ fehlt.244 Nach gegenteiliger Auffassung von Glöckner soll das UWG auch verbraucherpolitische Aktionen (z.B. gegen Gentechnik) und redaktionelle Äußerungen wie Erfahrungsberichte und Tests erfassen, da und soweit sie sich objektiv auf das Marktgeschehen auswirken. Statt diese Verhaltensweisen von vornherein aus dem UWG auszugrenzen, sei eine Binnen-Differenzierung mit Rücksicht auf die ggf. berührten Kommunikationsgrundrechte erst auf der Ebene des Lauterkeitsmaßstabs vorzunehmen.245 Diese ganz erhebliche Ausweitung des Anwendungsbereichs des UWG ist schon mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 Nr. 1 abzulehnen. Geschieht dies mit dem Ziel, die Anforderungen an zulässige verbraucherpolitische oder redaktionelle Äußerungen mit Auswirkungen auf das Marktgeschehen zu verschärfen, handelt es sich um eine petitio principii. Zudem anerkennt auch Glöckner, dass Aktionen von Umwelt- oder Verbraucherschutzverbänden sowie redaktionelle Beiträge eine ganz andere Wirkung auf die geschäftlichen Entscheidungen von Marktteilnehmern haben als eine Produkt- oder Imagewerbung eines Unternehmens.246 Solchen außergeschäftlichen Äußerungen wird häufig eine höhere Glaubwürdigkeit zugebilligt als den Werbeaussagen eines Unternehmens.247 Aus objektiver Empfängersicht handelt es sich hierbei um Kommunikation über das Marktgeschehen, nicht hingegen um Handlungen im Geschäftsverkehr. Die streitgegenständliche Handlung muss nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 1 alternativ zumindest mit einer der drei Phasen des Marktgeschehens zusammenhängen:248 vor einem Geschäftsabschluss mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Produkten, bei einem Geschäftsabschluss mit dem Abschluss eines Vertrags oder Waren oder Dienstleistungen oder schließlich nach einem Geschäftsabschluss mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen. Diese drei Phasen wer-
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241 Oben § 2 Rn. 19 ff. 242 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 13, 20 f.; DiskE UWG 2008, 34. 243 Köhler WRP 2007, 1393, 1396. 244 Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, 14. 245 Glöckner WRP 2009, 1175, 1183 ff. 246 BGH 3.2.1994 – I ZR 321/91 – GRUR 1994, 441, 442 f. – Kosmetikstudio; so auch Glöckner WRP 2009, 1175, 1186. 247 LG Hamburg 24.4.2012 − 312 O 715/11 – GRUR-RR 2012, 400 – Beste Rechtsschutzversicherung. 248 Verfehlt Beater Rn. 866, 901 ff. (das Merkmal der Förderung des Absatzes oder Bezugs betreffe das Horizontalverhältnis zu Mitbewerbern, die Merkmale des Abschlusses oder der Durchführung eines Vertrags betreffe das Vertikalverhältnis zu Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern).
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den vom Gesetz als je gesonderter Anknüpfungszeitraum für relevant erklärt („oder“).249 Liegt eine unlautere Absatz- oder Bezugsförderung vor, kommt es daher nicht darauf an, ob sich dieses Verhalten vor, bei oder nach Vertragsabschluss ausgewirkt hat.250 Umgekehrt kann eine Person bei oder nach einem Geschäftsabschluss eine geschäftliche Handlung vornehmen, die die streitgegenständliche Ware oder Dienstleistung lauter oder sogar gar nicht beworben hat. 135 Da sich das Marktverhalten in den drei Phasen inhaltlich und im Hinblick auf seine wettbewerbliche Relevanz voneinander unterscheidet, sind die Voraussetzungen des objektiven Zusammenhangs für jeden Zeitabschnitt des Marktgeschehens gesondert darzustellen.251 Zunächst aber gilt es zu klären, welche Kriterien generell für die Prüfung des objektiven Zusammenhangs maßgeblich sind. b) Kriterien zur Bestimmung des objektiven Zusammenhangs aa) Anwendungsbereich des UWG und Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen. In vielen Entscheidungen zum UWG 1909 und zum UWG 2004 wurde die Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts mit Rücksicht auf die qualitative Verbotswürdigkeit des angegriffenen Verhaltens, also die Sittenwidrigkeit bzw. Unlauterkeit beurteilt. So bejahte die Rechtsprechung die nach früherem Recht erforderliche Wettbewerbsabsicht mit der Begründung, dass der irreführende, absatzfördernde Charakter einer Presseveröffentlichung klar und deutlich zu Tage trete;252 dass in Unterrichtsmaterialien Aussagen enthalten seien, die auf die Herabsetzung von Konkurrenzprodukten gerichtet seien oder persönliche Angriffe enthielten;253 oder dass eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG inhaltlich falsch sei.254 137 Ein solcher Rück- und Zirkelschluss von der Verbotswürdigkeit eines Verhaltens auf die Anwendbarkeit des UWG ist abzulehnen.255 Das UWG unterscheidet in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7, § 3 und § 7 eindeutig zwischen der Voraussetzung, dass eine geschäftliche Handlung vorliegt, und den weiteren, gesonderten Merkmalen der Unlauterkeit/ Unzulässigkeit des Marktverhaltens und seiner quantitativen Relevanz (Spürbarkeit).256 Folglich sind diese Prüfungsschritte gedanklich und argumentativ auseinanderzuhalten.257 Geschäftliche Handlungen sind grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise gem. §§ 3–7 zu verbieten. Zugleich kann sich ein außergeschäftliches Verhalten zwar nicht nach Maßgabe des UWG, aber nach allgemeinem Deliktsrecht oder sonstigen Vorschriften als rechtswidrig erweisen. Die Entscheidung über den Anwendungsbereich des UWG nimmt Rücksicht auf die Gesamtsystematik des Wirtschafts- und Deliktsrechts, nicht jedoch auf die Verbotswürdigkeit des Verhaltens.
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249 Köhler WRP 2009, 898, 899; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 80 (bei nachvertraglichem Handeln keine Absatzförderung erforderlich). 250 BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 Tz. 25 – Vollmachtsnachweis; Köhler GRUR 2010, 1047, 1049. 251 A.A. Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 91 (Abgrenzung rechtlich unerheblich). 252 OLG Frankfurt a.M. 29.6.2006 – 6 U 103/05 – GRUR-RR 2007, 16, 17 – ÖKO-Test. 253 OLG Hamburg 29.6.2006 – 3 U 12/06 – GRUR-RR 2007, 206, 208 – Emissionsprospekt. 254 OLG Hamburg 19.7.2006 – 5 U 10/06 – GRUR-RR 2006, 377, 378 – ad-hoc-Mitteilung; Harte/Henning/ Keller § 2 Rn. 28; Klöhn ZHR 172 (2008), 388, 412 ff. 255 OLG Frankfurt a.M. 29.6.2006 – 6 U 103/05 – GRUR-RR 2007, 16, 17 – ÖKO-Test. 256 So auch BGH 11.1.2007 – I ZR 87/04 – GRUR 2007, 805 Tz. 14 – Irreführender Kontoauszug. 257 Verfehlt daher auch aufbaumäßig OLG Hamm 7.2.2008 – 1–4 U 154/07 – MMR 2008, 750, 751 – ungeschwärztes Urteil; Anwendungsbereich des UWG und Unlauterkeit vermengend auch Klöhn ZHR 172 (2008), 388 ff.
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Entgegen der ganz herrschenden Meinung ist die Abgrenzung des UWG zu anderen 138 Tatbeständen des Deliktsrechts auch nicht dem strengen Haftungsregime des Lauterkeitsrechts geschuldet, das keine adäquate Rücksicht auf Grundrechte wie namentlich die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG nehme.258 Richtig ist zwar, dass die Ausdifferenzierung des Deliktsrechts den Zweck hat, divergierende Verbots- und Schutzniveaus für unterschiedliche Handlungssphären und rechtlich geschützte Interessen zu etablieren. Insoweit werden geschäftliche Verhaltensweisen in der Tat zum Teil strengeren Maßstäben unterworfen als nicht wettbewerbsbezogene Handlungen. Beispielsweise bedürfen Werbeanrufe und Werbe-E-Mails der ausdrücklichen vorherigen Einwilligung eines Verbrauchers, während die Regelungen zu politischer Wahlwerbung den Kandidaten weitreichende Möglichkeiten einräumen, für die eigene Person und für ihre politischen Ziele zu werben.259 An die Ausräumung einer Wiederholungsgefahr werden im UWG strengere Anforderungen gestellt als bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.260 Selbstverständlich aber muss eine verfassungs- und europarechtskonforme Aus- 139 legung des UWG auf die Grundrechte und Grundfreiheiten des Anspruchsgegners Rücksicht nehmen. Die Liberalisierung des Lauterkeitsrechts seit den 1990er Jahren hat dazu geführt, dass insbesondere die Meinungsfreiheit des Handelnden einen wesentlich größeren Stellenwert bei der Prüfung der Unlauterkeit einnimmt als zuvor.261 Das UWG kann daher nicht mehr pauschal als ein außerordentlich strenges Regime beurteilt werden.262 Schließlich liefe es der Systematik des UWG und nicht zuletzt rechtspraktischen Bedürfnissen zuwider, bereits die Prüfung des Anwendungsbereichs des UWG mit der Frage nach dem Verbotsniveau des Lauterkeitsrechts im Vergleich zum allgemeinen Deliktsrecht zu vermengen und zu belasten.263 Demgemäß stellt eine öffentliche Ad-hoc-Meldung eines Unternehmens über ge- 140 wonnene Zivilprozesse eine geschäftliche Handlung dar, da diese positive Unternehmensnachricht im objektiven Zusammenhang zur Förderung des eigenen Produktabsatzes und zur Förderung der Nachfrage nach Fremdkapital (steigender Aktienkurs) steht. Trifft die Mitteilung in der Sache zu, ist das Marktverhalten lauter, andernfalls kann eine unlautere Irreführung vorliegen.264 Ebenso ist bei der Beurteilung redaktioneller Äußerungen der Presse zu unterscheiden. Fördert eine solche, grundsätzlich außergeschäftliche Handlung ein Unternehmen in einer mehr als für die öffentliche Information notwendigen Art und Weise, bewegt sich das Presseunternehmen nicht mehr in der Sphäre der Meinungsbildung, sondern im geschäftlichen Verkehr, so dass eine geschäftliche Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 vorliegt. Aus diesem Umstand aber folgt nicht zwangsläufig ein Verbot. Die Unzulässigkeit der Veröffentlichung hängt dann insbesondere davon
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258 So aber weiterhin Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 74 ff.; Beater Rn. 936; Gomille WRP 2009, 525, 527; Glöckner WRP 2009, 1175, 1183 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 35. 259 Vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 mit VG Minden 28.2.2007 – 3 K 620/05 – juris Rn. 74. 260 Vgl. OLG Karlsruhe 9.7.2009 – 4 U 188/07 – GRUR-RR 2010, 47 f. 261 Siehe auch Glöckner WRP 2009, 1175, 1183 f. Zur Liberalisierung des Lauterkeitsrechts siehe § 1 Rn. 2 ff. Zur Auslegung von § 4 Nr. 7 mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Schutz der Meinungsfreiheit siehe z.B. KG 18.8.2009 – 5 W 95/09 – WRP 2009, 1296; zur Berücksichtigung von Art. 5 GG im Rahmen des UWG siehe § 3 Rn. 328 ff. und Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 36; ferner BVerfG 16.10.1968 – 1 BvR 241/66 – BVerfGE 24, 236, 237 = GRUR 1969, 137, 138 – Aktion Rumpelkammer (Religionsfreiheit); BGH 13.2.2003 – I ZR 41/00 – GRUR 2003, 800, 801 – Schachcomputerkatalog. 262 Zutreffend KG 14.8.2012 – 5 U 92/07 – BeckRS 2012, 18880 – International anerkannter Arzt. 263 Insoweit zutreffend Glöckner WRP 2009, 1175, 1183. 264 OLG Hamburg 19.7.2006 – 5 U 10/06 – GRUR-RR 2006, 377, 378 – ad-hoc-Mitteilung; zustimmend Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 5. Diese Grundsätze gelten auch für die Erfüllung anderer gesetzlicher Pflichten im Zuge des Marktverhaltens; siehe Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 49.
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ab, ob der werbende Charakter des Artikels erkennbar ist oder eine sonstige Irreführung oder wettbewerbsfremde Aggressivität kommuniziert wird. Erst in diesem Zusammenhang ist – nicht anders als bei der Beurteilung redaktioneller Äußerungen im Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht – auf die Pressefreiheit Rücksicht zu nehmen.265 bb) Kausalität? Ein objektiver Zusammenhang zum Marktverhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ist nicht schon dann gegeben, wenn das streitgegenständliche Verhalten für die Absatz- oder Bezugsförderung, den Abschluss oder die Durchführung eines Handelsgeschäfts irgendwie kausal war.266 Bereits die Formulierung „objektiver Zusammenhang“ impliziert eine auch teleologisch motivierte, engere Verknüpfung. Würde man lediglich nach einer Verursachung des Marktverhaltens fragen, wäre selbst solches Verhalten unter das UWG zu subsumieren, das für sich betrachtet keinerlei geschäftliche Relevanz aufweist. So stellen die privaten Lebensentscheidungen der Marktteilnehmer keine ge142 schäftlichen Handlungen dar, obwohl sie das Marktgeschehen in ganz erheblicher Weise beeinflussen. Auch die unternehmensinterne Kommunikation und Beschlussfassung ist für den Marktauftritt zwar unmittelbar kausal; das UWG aber soll nach seinem Inhalt und Zweck nur das nach außen gerichtete, als solches das Marktgeschehen beeinflussende Verhalten regulieren. 141
cc) Funktionaler Zusammenhang zum eigenen bzw. geförderten Marktverhalten? Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 1 muss ein objektiver Zusammenhang zum eigenen oder geförderten Marktverhalten von Unternehmen bestehen, die am Markt Produkte absetzen oder beziehen und Geschäftsabschlüsse tätigen und durchführen. Demgemäß wird gefordert, dass das streitgegenständliche Verhalten bei objektiver Betrachtung nicht nur geeignet, sondern auch darauf gerichtet sein muss, eigenen oder fremden Absatz bzw. Bezug zu fördern, Handelsgeschäfte abzuschließen oder durchzuführen.267 Diese Auffassung stellt mithin auf den funktionalen Zusammenhang zwischen dem angegriffenen Verhalten und der eigenen oder fremden, geförderten Wettbewerbsposition ab. Auch diese Deutung ist abzulehnen, da sie das Erfordernis des objektiven Zusammen144 hangs letztlich eliminiert. Verhalten zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens steht praktisch immer mit dem Marktverhalten des betreffenden Unternehmens in einem objektiven Zusammenhang. So prägen unternehmensinterne Verhaltensweisen den sich anschließenden Marktauftritt unmittelbar. Ebenso sind sämtliche Pflichtverletzungen beim Abschluss oder bei der Durchführung eines Handelsgeschäfts direkt auf die Vertragsabwicklung bezogen. Und doch sollen diese weit vorgelagerten bzw. primär vertragsbezogenen Verhaltensweisen nach ganz herrschender Meinung nicht dem UWG unterfallen. Soll das Kriterium des objektiven Zusammenhangs eine eigenständige Bedeutung haben, kann mithin nicht der Zusammenhang zum geförderten Wettbewerb gemeint sein. Stattdessen ist in teleologischer Hinsicht zu fragen, warum unternehmensbezogenes Verhalten überhaupt den Maßstäben des UWG unterworfen wird. 143
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dd) Funktionaler Zusammenhang zu geschäftlichen Entscheidungen anderer Marktteilnehmer und zum Schutzzweck des UWG. Ausweislich der amtlichen Be-
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265 Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 65. 266 OLG Karlsruhe 9.7.2009 – 4 U 188/07 – GRUR-RR 2010, 47 f.; Köhler WRP 2007, 1393, 1396; Köhler/ Bornkamm § 2 Rn. 47. 267 Köhler WRP 2007, 1393, 1394; OLG Hamm 7.2.2008 – 1–4 U 154/07 – MMR 2008, 750, 751 – ungeschwärztes Urteil; Gomille WRP 2009, 525, 529.
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gründung zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 kommt in der Definition der geschäftlichen Handlung „der auch weiterhin geltende, umfassende Schutzzweck des UWG zum Ausdruck, der sich gleichermaßen auf Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer erstreckt.“268 Mithin ist der in § 1 kodifizierte Zweck des UWG auch bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Gesetzes zu beachten.269 Nur ein Verhalten, das die vom UWG verfolgten Schutzzwecke beeinträchtigen kann, soll vom Gesetz erfasst sein. Grundsätzlich dient das UWG dem Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb (§ 1 S. 2). Hierfür werden zum einen die individuellen Entscheidungsfreiheiten der Marktteilnehmer vor Irreführungen und wettbewerbsfremd aggressiven Manipulationen geschützt. Zum anderen werden mit stärker institutioneller Perspektive die rechtsgleichen Wettbewerbschancen der Marktteilnehmer vor Verhaltensweisen bewahrt, die den Wettbewerb insgesamt verfälschen (insbes. allgemeine Marktstörung). In beiden Varianten knüpft das UWG an die rechtsgleiche wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer an. Diese sollen ihre geschäftlichen Entscheidungen frei von wettbewerbsfremden Manipulationen treffen können. Nur dann ist zu erwarten, dass der Wettbewerb die ihm immanenten Funktionen (effektive Ressourcenallokation, Innovationsanreize, Gewinnverteilung nach Leistung) tatsächlich erfüllt.270 Aus diesem wettbewerbsfunktionalen Schutzzweck des UWG folgt, dass ein unternehmens- und produktbezogenes Verhalten nur dann unter das UWG fällt, wenn in den drei Phasen des Marktgeschehens ein objektiver Zusammenhang zu den vom UWG geschützten Entscheidungen anderer Marktteilnehmer besteht.271 Das streitgegenständliche Verhalten muss objektiv geeignet sein, geschäftliche Entscheidungen und hierauf bezogene wirtschaftliche Interessen beeinflussen zu können. An dieser Beeinflussung muss der Handelnde wiederum ein wirtschaftliches Interesse haben.272 Die zentrale Rolle der geschäftlichen Entscheidung als Gegenpart zur geschäftlichen Handlung kommt im UWG nur bedingt zum Ausdruck. Die Wendung findet sich zwar in § 3 Abs. 2 S. 1 für geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern und im Hinblick auf alle geschäftlichen Handlungen in § 5a Abs. 1 zur Unlauterkeit einer Irreführung durch Unterlassen. Eine Legaldefinition der lauterkeitsrechtlich relevanten, geschäftlichen Entscheidung aber fehlt. Die UGPRL hingegen sieht eine solche Begriffsbestimmung in Art. 2 lit. k UGPRL vor. Demnach bezeichnet der Ausdruck geschäftliche Entscheidung „jede Entscheidung eines Verbrauchers273 darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen.“ Anders als der deutsche Gesetzgeber meinte, ist dieses Begriffsverständnis keineswegs aus sich heraus verständlich und damit überflüssig.274 Die Legaldefinition der geschäftlichen Entscheidung ist vielmehr in mehrerer Hinsicht auf den Begriff der
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268 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 21. 269 Vgl. auch Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 6; Beater Rn. 863 (UWG auf alle Konstellationen anwendbar, die Schutzzwecke des UWG berühren). 270 Dazu oben § 1 Rn. 91 ff. 271 BGH 10.1.2013 – I ZR 190/11 – GRUR 2013, 945 Tz. 17 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Köhler WRP 2009, 898, 899; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 48; Ekey Grundriss Rn. 73; zur UGPRL in diesem Sinne Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 112. 272 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 48. 273 Siehe KG 25.1.2008 – 5 W 344/07 – GRUR-RR 2008, 308 ff. 274 So aber RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 13 (Art. 2 lit. k UGPRL müsse nicht umgesetzt werden).
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Geschäftspraktik, den Zweck und den Regelungsinhalt der UGPRL bezogen. Erstens unterscheidet Art. 2 lit. k UGPRL wie Art. 2 lit. d UGPRL und § 2 Abs. 1 Nr. 1 drei Phasen des Marktgeschehens. Vor dem Geschäftsabschluss fördert der Handelnde den Absatz oder Bezug von Produkten, während der Verbraucher zu entscheiden hat, „ob … er einen Kauf tätigen … will.“ Bei einem Geschäftsabschluss muss der Konsument ferner erwägen, „wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen … will.“ Und nach einem Geschäftsabschluss ist zu entscheiden, ob eine Zahlung insgesamt oder teilweise geleistet, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausgeübt werden soll. All diese geschäftlichen Entscheidungen werden geschützt, und zwar unabhängig davon, ob der Verbraucher schließlich handelt oder nicht. Wenn die freie geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers den Schutzgegenstand der UGPRL bildet, dann ist ein Verhalten nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst, das keinen unmittelbaren Zusammenhang zu diesem Regelungszweck aufweist. Die Legaldefinition der Geschäftspraktik gem. Art. 2 lit. d UGPRL präzisiert dies dahingehend, dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher gegeben sein muss. Der Begriff der geschäftlichen Handlung ist zwar in verschiedener Hinsicht umfassender als derjenige der Geschäftspraktik; insbesondere ist das UWG nicht auf das B2C-Verhältnis beschränkt. Die Grundstrukturen der UGPRL aber wurden in das UWG übernommen und im Interesse eines grundsätzlich einheitlichen Lauterkeitsrechts auf den gesamten Anwendungsbereich des Gesetzes erstreckt.275 Folglich gilt auch für den Begriff der geschäftlichen Handlung, dass ein objektiver Zusammenhang zwischen dem unternehmensbezogenen Marktverhalten und den geschäftlichen Entscheidungen anderer Marktteilnehmer (Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer) bestehen muss.276 Es sind diese horizontalen und vertikalen Wettbewerbsbeziehungen, die das UWG reguliert. Ein Verhalten, das keinen objektiven Zusammenhang zu geschäftlichen Entscheidungen und wirtschaftlichen Interessen anderer Marktteilnehmer aufweist, unterfällt dem UWG nicht. Dies gilt auch im Hinblick auf teleologische Ausnahmen vom wettbewerbsfunktionalen Programm des § 1, also für lauterkeitsrechtliche Verbote, die die Menschenwürde schützen oder Marktverhaltensregeln sanktionieren, die primär dem Jugend- oder Gesundheitsschutz dienen.277 Auch diese Schutzzwecke werden vom UWG nur verfolgt, soweit ein objektiver Zusammenhang zu geschäftlichen Entscheidungen von Marktteilnehmern besteht. Nur in diesem wirtschaftlichen, marktbezogenen Kontext ist das UWG anwendbar. Fehlt es hieran, sind das allgemeine Deliktsrecht oder spezielle Rechtsgrundlagen im öffentlichen Recht etc. einschlägig. Vom UWG nicht erfasst ist demnach ein Verhalten, das nicht mit geschäftlichen Entscheidungen vor, bei oder nach Geschäftsabschlüssen zusammenhängt, sondern Entscheidungen in anderen, nicht wirtschaftlichen Handlungs- und Kommunikationssphären adressiert.278 So beeinflussen das redaktionelle Verhalten der Presse und sonstige Meinungsäußerungen zu öffentlichen Angelegenheiten die Haltung der Leser zu allgemeinen gesellschaftlichen und ggf. wirtschaftlichen Fragen, ohne dass ein konkreter Geschäftsab-
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275 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 75. 276 BGH 10.1.2013 – I ZR 190/11 – GRUR 2013, 945 Tz. 19 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Köhler WRP 2009, 898, 899. 277 Dazu § 1 Rn. 137 ff. 278 Siehe auch Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 169 ff. (Funktionsbereich spezifischer Tätigkeitsbereiche).
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schluss in Rede steht. Auch künstlerische, wissenschaftliche und religiöse Kommunikation führt zu Reaktionen und Entscheidungen im Hinblick auf ästhetische bzw. die Wahrheit oder den Glauben betreffende Fragen. Ist der wirtschaftliche Wettbewerb Gegenstand redaktioneller, verbraucherpolitischer und anderer Diskurse, wird über den Geschäftsverkehr gesprochen, nicht aber im Geschäftsverkehr agiert, auch wenn Absatz- oder Nachfrageentscheidungen am Markt hiervon mittelbar beeinflusst werden können. An einem für die Anwendbarkeit des UWG erforderlichen, objektiven Zusammenhang zu geschäftlichen Entscheidungen fehlt es dann. Diese Lesart des Tatbestandsmerkmals „objektiver Zusammenhang“ führt nicht zu 156 einer unzulässigen Vermengung der Frage nach dem Anwendungsbereich und dem sachlichen Verbotsniveau des UWG. Denn allein das Bestehen eines objektiven Zusammenhangs zwischen dem einem Unternehmen förderlichen Marktverhalten vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss und den geschäftlichen Entscheidungen anderer Marktteilnehmer besagt noch nicht, ob sich diese geschäftliche Handlung als wettbewerbskonform oder unlauter darstellt.279 Auch die Frage der Spürbarkeit einer unlauteren geschäftlichen Handlung wird da- 157 mit noch nicht vorweggenommen. An einem objektiven Zusammenhang fehlt es vielmehr nur dann, wenn lediglich eine rein theoretische Möglichkeit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung eines Marktteilnehmers besteht. Für den Begriff der geschäftlichen Handlung ist es ausreichend, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das streitgegenständliche Verhalten für geschäftliche Entscheidungen relevant sein kann. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn ein Arzt seinem IT-Dienstleister mitteilt, dass ein Kollege die Gemeinschaftspraxis „auf Grund einer gerichtlichen Verfügung“ und nicht – wie wahrheitsgemäß – aufgrund eines Vergleichs verlassen hat. Zwar kann diese Aussage die unzutreffende Assoziation hervorrufen, der genannte Kollege und Kläger habe sich rechtswidrig verhalten. Es besteht aber eine allenfalls theoretische Möglichkeit, dass diese Fehlinformation die geschäftlichen Entscheidungen des IT-Dienstleisters im Hinblick auf das Anbieten von Softwarelösungen und die Nachfrage nach Heilbehandlungen tangiert. Mangels geschäftlicher Handlung kommt daher nur eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des betroffenen Arztes in Betracht.280 ee) Objektiver, nicht unmittelbarer Zusammenhang. Die UGPRL und das UWG 158 stimmen darin überein, dass ein Zusammenhang zwischen dem Marktverhalten vor, bei und nach einem Geschäftsabschluss und – in Reaktion hierauf – geschäftlichen Entscheidungen gegeben sein muss. Der Kreis der vom UWG erfassten Handlungen und dementsprechend der hiervon beeinflussten geschäftlichen Entscheidungen reicht aber wesentlich weiter als der Anwendungsbereich der UGPRL. Jene verlangt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts durch Gewerbetreibende und der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern.281 § 2 Abs. 1 Nr. 1 hingegen spricht von einem objektiven Zusammenhang. Ein sol- 159 cher besteht nicht nur im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern im Sinne der UGPRL.282 Das UWG reguliert auch geschäftliche Handlungen von Unternehmern und ihren ggf. eigeninitiativ handelnden Förderern, die geschäftliche Ent-
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Köhler WRP 2009, 898, 899. OLG Karlsruhe 9.7.2009 – 4 U 188/07 – GRUR-RR 2010, 47 f. Siehe Art. 2 lit. d und k UGPRL. Zur Umsetzung siehe RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 20 f.
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scheidungen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern beeinflussen können („B2B“).283 Hierbei handelt es sich zum einen um Verhaltensweisen, die insgesamt im inner-unternehmerischen Bereich verbleiben, als auch um solche, die zwar Verbraucher erreichen und sogar an sie gerichtet sein können, aber noch nicht unmittelbar der Förderung des eigenen Absatzes dienen, sondern zunächst einmal den Marktauftritt eines Mitbewerbers beeinträchtigen sollen, indem dieser gezielt behindert, herabgesetzt oder angeschwärzt wird,284 oder um Handlungen, die allein wegen der Beeinträchtigung von Mitbewerberinteressen für unlauter erklärt werden.285 Ferner erfasst das UWG den Nachfragewettbewerb, sowohl im Verhältnis zwischen Mitbewerbern als auch im Verhältnis zu Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern. Schließlich ist das UWG auf Verhalten anwendbar, auf das sich der Harmonisierungsbereich der UGPRL aufgrund von Ausnahmen in der Richtlinie nicht erstreckt. Der Ausdruck „objektiver“ statt „unmittelbarer“ Zusammenhang signalisiert den umfassenden Regulierungsanspruch des UWG, das sich auf sämtliche Marktbeziehungen erstreckt. 160
ff) Objektiver, nicht subjektiver Beurteilungsmaßstab. Sowohl das UWG 1909 als auch das UWG 2004 waren nur auf Verhalten anwendbar, das in Wettbewerbsabsicht vorgenommen wurde.286 Auch eine Werbung im Sinne von Art. 2 lit. a IrreführungsRL 2006 muss mit dem subjektiven Ziel ausgeübt werden, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern. 161 Die Legaldefinition der Geschäftspraktik gem. Art. 2 lit. d UGPRL verzichtet demgegenüber auf subjektive Tatbestandsmerkmale. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem unternehmerischen Absatzverhalten und geschäftlichen Nachfrageentscheidungen von Verbrauchern. Auch diese Strukturentscheidung wurde vom UWG 2008 in Gestalt des objektiven Zusammenhangs übernommen.287 162 Letztgenannte Voraussetzung tritt funktional an die Stelle der Wettbewerbsabsicht nach UWG 1909 und 2004.288 Demnach ist nicht mehr danach zu fragen, ob ein objektiv als Wettbewerbshandlung zu beurteilendes Verhalten in der Absicht erfolgte, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern oder ob diese Absicht hinter anderen Beweggründen – wie etwa redaktionelle Berichterstattung – zurücktrat. Maßgeblich ist vielmehr allein eine objektive Betrachtung des Verhaltens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.289 Trotz dieses allgemein anerkannten Ausgangspunkts stellt die ganz herrschende 163 Meinung weiterhin darauf ab, ob das Verhalten darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen den Wettbewerb eines Unternehmens zu fördern. An einem „objektiven Zusammenhang“ soll es hingegen fehlen, wenn die Hand-
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283 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 20 f.; BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 24 – Änderung der Voreinstellung II; Berlit Wettbewerbsrecht Rn. 4. 284 Siehe dazu § 3 Rn. 184 ff. sowie RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 20 f. (unberechtigte Abmahnung); Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 8; Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 139; zweifelnd Sosnitza WRP 2008, 1014, 1017. 285 Dies betrifft die Fallgruppen § 4 Nr. 9 lit. b 1. Alt., lit. c; vgl. § 3 Rn. 194. 286 Oben § 2 Rn. 16 ff. 287 Zur richtlinienkonformen Auslegung des UWG 2004 siehe OLG Hamm 7.2.2008 – 1–4 U 154/07 – MMR 2008, 750, 751 – ungeschwärztes Urteil. 288 Siehe DiskE UWG 2008, 34; RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 20; Köhler GRUR 2005, 793, 795. 289 OLG Karlsruhe 9.7.2009 – 4 U 188/07 – GRUR-RR 2010, 47 f.; LG Heidelberg 23.5.2012 – 1 S 58/11 – MMR 2012, 607 – Unlauteres Abwerben über XING.
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lung sich zwar auf geschäftliche Entscheidungen auswirken kann, aber vorrangig anderen Zielen als der Förderung des Absatzes oder Bezuges von Produkten dient. Die Frage, welchen Zielen eine bestimmte Handlung dient, sei dabei in einer objektiven Betrachtungsweise zu entscheiden, bei der vor allem das wirtschaftliche Interesse des Handelnden eine wesentliche Rolle spiele.290 Konsequent werden zum Beispiel versehentliche Vertragsverletzungen wie die fahrlässig nicht erfolgte, technische Umsetzung der Wahl eines bestimmten TK-Anbieters nicht als geschäftliche Handlung qualifiziert.291 Nach gegenteiliger Ansicht soll hingegen allein ausschlaggebend sein, ob das streitgegenständliche Verhalten rein objektiv geeignet ist, unter Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen vor, bei und nach Geschäftsabschluss den Wettbewerb eines Unternehmens zu fördern.292 Maßgeblich sind demnach nur die potentiellen Auswirkungen eines Verhaltens auf das Marktgeschehen, nicht hingegen die hiermit verfolgten Zwecke. Richtigerweise ist zu differenzieren. Einerseits setzt die Anwendung des UWG nicht mehr voraus, dass Feststellungen zu den Absichten des Handelnden getroffen werden. Vielmehr ist nach einem objektiven Zusammenhang zwischen Marktverhalten und geschäftlichen Entscheidungen zu fragen. Andererseits lässt die UGPRL erkennen, dass die subjektive Willensrichtung ein relevanter Gesichtspunkt bei der Prüfung dieser objektiven Voraussetzung sein kann. So bezieht sich die Richtlinie gem. EG 7 S. 2 nicht auf Geschäftspraktiken, die vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung von geschäftlichen Entscheidungen von Verbrauchern dienen, wie etwa bei kommerziellen, für Investoren gedachten Mitteilungen, Jahresberichten und Unternehmensprospekten.293 Auf die Intentionen des Handelnden stellt auch Nr. 11 des Anhangs zu als Information getarnter Werbung ab. Stets unlauter ist demnach ein vom Unternehmer finanzierter Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt.294 Hieraus folgt, dass eine objektiv belegte oder sonst nach außen hervortretende Zielsetzung des Handelnden berücksichtigt werden darf.295 Es handelt sich hierbei um einen lauterkeitsrechtlich weiterhin zulässigen und in Verbindung mit objektiven Umständen296 ggf. sogar hinreichenden Gesichtspunkt zur Bejahung des unmittelbaren Zusammenhangs im Sinne der UGPRL und parallel hierzu des objektiven Zusammenhangs gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1. Nicht aber stellt die Wettbewerbsabsicht ein notwendiges Element des Begriffs der geschäftlichen Handlung dar. Vielmehr ist das UWG auch auf nur versehentliche Beeinflussungen von geschäftlichen Entscheidungen anwendbar, da auch in diesem Fall ein objektiver Zusammenhang zum Wettbewerbsgeschehen besteht.297
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290 OLG Karlsruhe 9.7.2009 – 4 U 188/07 – GRUR-RR 2010, 47 f.; KG 14.8.2012 – 5 U 92/07 – BeckRS 2012, 18880 – International anerkannter Arzt; Köhler WRP 2007, 1393, 1394; Köhler WRP 2009, 898, 899 m.w.N.; Isele GRUR 2009, 727, 729; juris-PK/Ernst § 2 Rn. 18; Nordemann Rn. 64; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 55, 59; Gomille WRP 2009, 525, 530. 291 Isele GRUR 2009, 727, 729 f. 292 Fezer/Fezer § 2 Nr. 1 B Rn. 149 ff. (objektive Finalität); wohl auch Beater Rn. 911, anders aber a.a.O. Rn. 938 (es sei auch auf die Motive des Äußernden abzustellen). 293 Anders Glöckner WRP 2009, 1175, 1180 f. 294 Dazu ausführlich Ruhl/Bohner WRP 2011, 375 ff. 295 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 18. 296 Nicht aber per se: Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 37 (bloße Absicht als Wunschvorstellung genügt nicht). 297 Im Ergebnis auch Köhler WRP 2009, 898, 903; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 81 f.; a.A. Isele GRUR 2009, 727, 729.
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Die Abkehr vom zwingenden Erfordernis der Wettbewerbsabsicht führt nicht dazu, dass nunmehr eine Unterscheidung zwischen geschäftlichem und außergeschäftlichem Verhalten unmöglich würde.298 Diese normative, auf die begrenzten Regelungszwecke des UWG Rücksicht nehmende Unterscheidung orientiert sich nur nicht mehr allein an Handlungszielen, sondern am angegriffenen Verhalten und seinen Auswirkungen. Das UWG ist auf jedes Verhalten anwendbar, das geschäftliche Entscheidungen beeinflussen kann. Dies gilt auch dann, wenn der Akteur (vorgeblich) andere Ziele verfolgte oder die Beeinflussung des Wettbewerbsgeschehens nur versehentlich erfolgte. Nur auf diesem Wege lässt sich sicherstellen, dass alle Verfälschungen des Wettbewerbs unterbunden werden können. Ob das Verhalten im objektiven Zusammenhang zum Marktgeschehen oder zu anderen Handlungs- und Kommunikationssphären steht, ist aus einem objektiven Empfängerhorizont zu entscheiden. Abzustellen ist auf den durchschnittlich verständigen Marktteilnehmer, an den sich das angegriffene Verhalten richtet.299 Bei Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf die Figur des Durchschnittsverbrauchers,300 im Übrigen auf ein durchschnittliches Mitglied der angesprochenen Fachkreise abzustellen. Ist ein Verhalten aufgrund seiner objektiven Bedeutung und seiner potentiellen Auswirkungen dem Marktverhalten zuzuschlagen, ist hiermit noch nichts über seine lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit gesagt. Dies gilt namentlich für versehentliche Beeinflussungen geschäftlicher Entscheidungen. Die herrschende Meinung hält das UWG auf derartige Verhaltensweisen bereits für nicht anwendbar. Nach hier vertretener Ansicht unterfällt eine in Unkenntnis der relevanten Tatumstände vorgenommene geschäftliche Handlung zwar dem UWG, sie ist aber nicht unlauter.301 Die praktische Bedeutung der Ersetzung der Wettbewerbsabsicht durch das Kriterium des objektiven Zusammenhangs ist nach alledem gering. Bereits unter Geltung des früheren Rechts wurde in aller Regel von äußeren Umständen auf die innere Zielsetzung des Handelnden geschlossen.302 Vor allem aber soll sich an der Unterscheidung zwischen geschäftlichen Handlungen auf dem Markt und nicht wirtschaftlichen Aktivitäten wie zum Beispiel redaktionellen Beiträgen der Presse in der Sache nichts ändern.303 Die diesbezügliche Rechtsprechung zum UWG 1909 und zum UWG 2004 behält daher ihre Bedeutung.
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7. Verhalten vor einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. § 2 Abs. 1 Nr. 1 unterscheidet drei Phasen des Marktgeschehens, zu denen das streitgegenständliche Verhalten einen objektiven Zusammenhang aufweisen kann. Die erste Phase betrifft Verhalten vor einem Geschäftsabschluss.
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a) Absatz- oder Bezugsförderung. In diesem Stadium muss ein objektiver Zusammenhang zur Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen bestehen.
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298 299 300 301 302 303
So aber Emmerich Unlauterer Wettbewerb § 4 Rn. 20. Vgl. Art. 2 lit. b IrreführungsRL 2006/114 zu vergleichender Werbung. Siehe § 3 Abs. 2 und Gomille WRP 2009, 525, 530; a.A. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 67. Siehe § 3 Rn. 371 ff. Oben § 2 Rn. 18; ferner z.B. BGH 7.3.1996 – I ZR 33/94 – GRUR 1996, 798, 799 f. – Lohnentwesungen. RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 13.
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§2
Das ist der Fall, wenn das Verhalten des Akteurs geeignet ist, die geschäftliche Entscheidung eines Marktteilnehmers zu beeinflussen, ob er einen Vertrag über Waren oder Dienstleistungen tätigen will, unabhängig davon, ob er beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen.304 Dieses Potential weist jede Handlung oder Unterlassung auf, die geeignet ist, sich irgendwie positiv auf den Marktauftritt oder die Marktposition eines Unternehmens auszuwirken und dessen Absatz- oder Bezugschancen zu erhalten oder zu verbessern.305 Hiervon sind sowohl Maßnahmen zur Erweiterung als auch zur bloßen Erhaltung des Kunden- bzw. Lieferantenstamms erfasst.306 Gleichgültig ist, ob die Aktivität den Geschäftsverkehr zwischen Mitbewerbern oder das Vertikalverhältnis zu Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern betrifft.307 Auch Verhaltensweisen in Erfüllung gesetzlicher Pflichten können den unternehmerischen Absatz oder Bezug fördern. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Tankstelleninhaber seine Kunden darauf hinweist, er führe normgerechtes Benzin;308 wenn ein Unternehmen verpflichtende Kapitalmarktinformationen veröffentlicht und damit den Absatz selbst begebener Wertpapiere oder allgemein den Unternehmenswert und damit die Marktposition fördert;309 wenn eine Unternehmensbezeichnung wie „Buchführungsbüro“ in das Gewerberegister eingetragen wird;310 oder wenn ein gewerblicher Pfandleiher seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, hereingenommene Pfänder spätestens sechs Monate nach Verwertungsreife zu verwerten.311 Von Relevanz für die eigene Marktposition ist auch die Mitteilung eines Versicherungsunternehmens an eine von der Versicherungswirtschaft betriebene Auskunftsstelle über das Ausscheiden eines Versicherungsvertreters.312 Verhaltensweisen eines Unternehmensinhabers sowie seiner Vertreter und eigenverantwortlich handelnder Mitarbeiter, die die Wettbewerbsposition des Unternehmens unter Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen anderer Marktteilnehmer typischerweise fördern, weisen in der Regel einen objektiven Zusammenhang zu diesem vorvertraglichen Marktgeschehen auf, so dass es gesonderter Darlegungen zu diesem Erfordernis nicht bedarf.313 Dies gilt insbesondere für die im UWG aufgeführten Beispiele (ggf. unlauterer) Verhaltensweisen vor einem Geschäftsabschluss.
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304 Vgl. Art. 2 lit. k UGPRL. 305 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 67. 306 RG 20.9.1904 – II 580/03 – RGZ 59, 1, 2; RG 28.2.1905 – II 384/04 – RGZ 60, 189, 190; BGH 12.10.1956 – I ZR 34/56 – GRUR 1957, 93, 94 – Jugendfilmverleih; BGH 26.6.1959 – I ZR 81/58 – GRUR 1959, 488, 489 – Konsumgenossenschaft; BGH 17.12.1969 – I ZR 152/67 – GRUR 1970, 465, 467 – Prämixe; Lettl § 1 Rn. 119. 307 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 69; verfehlt Beater Rn. 866 (nur Horizontalverhältnis zu Mitbewerbern). 308 BGH 19.5.1988 – I ZR 170/86 – GRUR 1988, 832, 834 – Benzinwerbung. 309 Anders Klöhn ZHR 172 (2008), 388, 402 ff. (UWG nur auf evident unrichtige oder nicht veröffentlichungspflichtige Sekunärmarktinformationen anwendbar). 310 OLG Brandenburg 12.7.2005 – 6 U 108/04 – GRUR-RR 2006, 167, 168 – Buchführungsbüro. 311 OLG Düsseldorf 13.9.2005 – 20 U 19/05 – GRUR-RR 2006, 99 – Pfandleihunternehmen. 312 A.A. LG Nürnberg-Fürth 8.11.2012 – 3 HK O 3256/12 – VersR 2013, 716 ff. 313 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 98. Nach früherem Recht bestand bei der Handlung eines Wirtschaftsunternehmens, die objektiv geeignet ist, seinen Absatz oder Bezug zu fördern, eine tatsächliche Vermutung für die zudem erforderliche Wettbewerbsabsicht; vgl. BGH 27.6.2002 – I ZR 86/00 – GRUR 2002, 1093, 1094 – Kontostandsauskunft; BGH 13.2.2003 – I ZR 41/00 – GRUR 2003, 800, 801 – Schachcomputerkatalog m.w.N.; BGH 11.1.2007 – I ZR 87/04 – GRUR 2007, 805 Tz. 15 – Irreführender Kontoauszug.
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Hierzu zählen sämtliche Aktivitäten zur Vermarktung von Waren und Dienstleistungen,314 namentlich die Werbung.315 Hierunter ist gem. Art. 2 lit. a IrreführungsRL 2006 wie auch nach der UGPRL jede Äußerung316 in Wort und Bild317 mit dem Ziel bzw. im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absatzförderung gemeint.318 Beispiele sind die Werbung eines Einzelhandelsunternehmens, bei der die kostenlose Teilnahme des Verbrauchers an einer Lotterie davon abhängig gemacht wurde, dass in bestimmtem Umfang Waren oder Dienstleistungen erworben bzw. in Anspruch genommen werden;319 der Versand von Ankündigungen einer Preisermäßigung durch ein Bekleidungsgeschäft;320 die Nutzung eines Domain-Namens und von Metatags, nicht aber die Eintragung eines Domain-Namens als solche.321 Das UWG erstreckt sich gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 weitergehend auch auf die Förderung 181 des Bezugs von Waren und Dienstleistungen und damit alle Formen der Nachfragewerbung. Die §§ 3–7 sind daher auf unzulässig aggressive, irreführende, vergleichende und unzumutbar belästigende Nachfragewerbung anwendbar.322 Auch wenn es an einem konkreten Produktbezug fehlt, stellt die allgemeine Image182 Werbung eines Unternehmens eine typische geschäftliche Handlung dar, da hiermit letztlich alle Wettbewerbsbeziehungen positiv beeinflusst werden sollen.323 Dies kann auch im Rahmen einer Stellenanzeige324 oder durch ein Schreiben eines Unternehmers an seine Lieferanten geschehen, in dem um kostenlose Lieferungen oder Gutschriften gebeten wird, die anschließend als Spende an einen vom Unternehmer geführten Sportverein weitergeleitet werden.325 Am UWG zu messen sind ferner andere Formen der Verkaufsförderung wie Preis183 nachlässe, Zugaben oder Geschenke,326 Preisausschreiben und Gewinnspiele mit Werbe-
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314 Vgl. § 5 Abs. 2. 315 Siehe §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2, 16, Anhang Nr. 11, 13, 14, 22, 28. Zur Aufforderung zum Kauf gem. Art. 2 lit. i UGPRL siehe EuGH 12.5.2011 – Rs. C-122/10 – Slg. 2011 0000 Tz. 27 ff. – Konsumentenombudsmannen. 316 Dies umfasst insbesondere Äußerungen über bestimmte geschäftliche Umstände (vgl. §§ 5, 5a, Anhang Nr. 1–4, 7, 9, 10, 12, 15-19, 23, 24-27, 29-30), die wesentlichen Merkmale eines Produkts (vgl. §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 5a Abs. 3 Nr. 1), den Anlass und die Bedingungen des Verkaufs (vgl. §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 5a Abs. 3 Nr. 3), die Person des Unternehmers (vgl. §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 5a Abs. 3 Nr. 2); zur Angabe von Kooperationspartnern als Werbung siehe BGH 1.2.1990 – I ZR 45/88 – GRUR 1990, 609 – Monatlicher Ratenzuschlag und BGH 21.1.1993 – I ZR 43/91 – GRUR 1993, 675, 676 – Kooperationspartner, über Sponsoring und Zulassungen (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 4), über die Notwendigkeit der Leistung (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 5), die Einhaltung eines Verhaltenskodexes (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 6), über vertragliche Bedingungen und Verbraucherrechte (vgl. §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7, 5a Abs. 3 Nr. 4, 5) sowie OLG Frankfurt a.M. 14.12.2006 – 6 U 129/06 – GRUR-RR 2007, 56, 57 f. – sprechender Link. 317 Vgl. § 5 Abs. 3. 318 Siehe BGH 9.2.2006 – I ZR 124/03 – GRUR 2006, 875 Tz. 22 – Rechtsanwalts-Ranglisten; BGH 17.7.2008 – I ZR 75/06 – GRUR 2008, 923 Tz. 11 – Faxanfrage im Autohandel. 319 EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010 I-217 Tz. 37-39 – Plus. Zur vergleichenden Werbung eines Lebensmittel-Discounters EuGH 19.9.2006 – C 356/04 – Slg. 2006 I-8501 Tz. 78 – Lidl/Colruyt; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – Slg. 2010 I-11761 Tz. 47 – Lidl/Vierzon. 320 EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – Slg. 2011, 00000 Tz. 31 – Wamo/JBC. 321 EuGH 11.7.2013 – C-657/11 – Slg. 2013 0000 Tz. 42 ff. – Belgian Electronic Sorting Technology. 322 BGH 17.7.2008 – I ZR 75/06 – GRUR 2008, 923 Tz. 12 f. – Faxanfrage im Autohandel; Köhler/ Bornkamm § 2 Rn. 15 a.E., § 6 Rn. 63; i.E. auch Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 13 und Harte/Henning/Sack § 6 Rn. 39 (Anwendung der Generalklausel). 323 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 20 f.; BGH 15.5.1997 – I ZR 10/95 – GRUR 1997, 761, 763 f. – Politikerschelte. 324 BGH 5.12.2002 – I ZR 115/00 – GRUR 2003, 540, 541 – Stellenanzeige. 325 Im Ergebnis verneinend BGH 16.12.1982 – I ZR 163/80 – GRUR 1983, 374 f. – Spendenbitte m. Anm. Tilmann (zw.). 326 § 4 Nr. 4.
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charakter, 327 Kopplungsangebote 328 und Kundenbefragungen zur Zufriedenheit mit einem bestimmten Produkt.329 Auch die bloße Vortäuschung von Qualität330 und das Angebot nachgeahmter Produkte sollen den eigenen Absatz voranbringen.331 Im Gegensatz zu diesen Maßnahmen sind sog. Schneeball- oder Pyramidensysteme, die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Produkte und die Aufforderung zur Rücksendung oder Aufbewahrung nicht bestellter Sachen gegenüber Verbrauchern stets unzulässig.332 Der Absatzförderung dienen jedoch nicht nur klassische Formen der Produkt- oder 184 Imagewerbung sowie weitere Verkaufsförderungsmaßnahmen, sondern auch sonstige Äußerungen im Geschäftsverkehr, die Abnehmer oder Lieferanten zugunsten eines Unternehmens beeinflussen sollen. Am UWG gemessen wurden demgemäß Presseerklärungen von Unternehmen, in denen zu Konkurrenzprodukten und ihrer DIN-Kompatibilität333 oder zu einem gewonnenen Zivilprozess gegen einen Mitbewerber Stellung genommen wurde;334 Interviews in Presse und Rundfunk, die vom Unternehmer oder verantwortlichen Mitarbeitern wie dem Pressesprecher zur Absatzförderung genutzt werden;335 sowie ein Zeitschriftenbeitrag, in dem die Seriosität eines Mitbewerbers in Frage gestellt wird.336 Auch bei fingierten Konsumentenbewertungen handelt es sich um eine Marketingstrategie, die dem UWG unterliegt.337 Anders als die UGPRL und die IrreführungsRL 2006 beschränkt sich die Anwend- 185 barkeit des UWG in der Phase vor einem Geschäftsabschluss nicht auf Maßnahmen der unmittelbaren Absatzförderung. Vielmehr stellen bereits Verhaltensweisen im Vorfeld des eigenen Absatzes geschäftliche Handlungen dar, soweit sie, vermittelt über die negative Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen anderer Marktteilnehmer, zugleich den eigenen Absatz fördern können. Ein objektiver Zusammenhang zur Absatzoder Bezugsförderung in diesem Sinne besteht, wenn Mitbewerber herabgesetzt oder verunglimpft, angeschwärzt oder sonst gezielt behindert werden;338 wenn Testkäufe getätigt bzw. durch die Erteilung hierauf gerichteter Hausverbote verhindert werden sollen;339 sowie in den gem. §§ 17–19 für strafbar erklärten Fällen der Betriebsspionage. b) Unternehmensinterne Vorgänge. Insbesondere die zuletzt genannten, uner- 186 laubten Nutzungen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen stehen nur noch in einem relativ entfernten Zusammenhang zur Förderung des Absatzes oder Bezugs von Produkten. Ob und wann das fremde Geheimnis den Wettbewerb eines anderen Unternehmens fördert, ist häufig noch ungewiss. Gleichwohl ist der erforderliche „objektive“ Zusam-
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327 Vgl. § 4 Nr. 5 und 6, Anhang Nr. 20. Beispiel: EuGH 9.11.2010 – C-540/08 – Slg. 2010 I-10909 Tz. 18 – Mediaprint. 328 EuGH 23.4.2009 – verb. Rs. 261/07 und 299/07 – Slg. 2009 I-2949 Tz. 50 – VTB-VAB und Galatea. Siehe auch Schlussanträge GA Trstenjak 21.10.2008 – verb. Rs. 261/07 und 299/07 – Slg. 2009 I-2949 Tz. 70 – VTB-VAB und Galatea. 329 Vgl. OLG Oldenburg 24.11.2005 – 1 U 49/05 – GRUR-RR 2006, 239 – Pharma-Marktforschung; OLG Köln 30.3.2012 – 6 U 191/11 – WRP 2012, 725 f. – Telefonische Kundenzufriedenheitsabfrage. 330 BGH 10.1.2013 – I ZR 190/11 – GRUR 2013, 945 Tz. 37 – Standardisierte Mandatsbearbeitung. 331 Vgl. §§ 4 Nr. 9, 5a Abs. 3, Anhang Nr. 5, 6, 21. 332 Anhang Nr. 14, 29. 333 OLG Hamburg 6.7.2006 – 3 U 51/06 – WRP 2007, 443, 445. 334 OLG Hamburg 19.7.2006 – 5 U 10/06 – GRUR-RR 2006, 377, 378 – ad-hoc-Mitteilung. 335 Vgl. BGH 9.10.1963 – Ib ZR 28/62 – GRUR 1964, 208, 209 – Fernsehinterview; BGH 4.4.1984 – I ZR 222/81 – GRUR 1984, 823, 824 – Charterfluggesellschaften. 336 BGH 10.11.1994 – I ZR 216/92 – GRUR 1995, 270, 272 – Dubioses Geschäftsgebaren. 337 Kaumanns/Wießner K&R 2013, 145 ff. 338 Vgl. § 4 Nr. 7, 8, 10. 339 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 67.
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menhang zum vorvertraglichen Marktverhalten eines Unternehmens bereits bei der Anstiftung zum Verrat von Geheimnissen gegeben, weil die Handelnden immerhin nach außen agieren und die geschäftlichen Entscheidungen anderer Marktteilnehmer beeinflussen. Demgegenüber stellen unternehmensinterne Vorgänge für sich betrachtet keine 187 geschäftlichen Handlungen dar.340 Da sie in der Außenwelt nicht in Erscheinung treten, können sie keine geschäftlichen Entscheidungen anderer Marktteilnehmer beeinflussen.341 Es ist aber diese Beziehung zwischen Marktteilnehmern, die das UWG reguliert. Zudem gebietet die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Unternehmers und ggf. die Privatsphäre der handelnden Personen, dass die unternehmensinterne Kommunikation in einem geschützten Raum zunächst ohne Rücksicht auf die Interessen Dritter ablaufen kann. Beispielsweise dürfen intern auch solche geschäftlichen Handlungen erwogen werden, deren lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit zweifelhaft und nach rechtlicher Beratung ggf. unzulässig erscheint. Andernfalls bestünde das Risiko, dass die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle durch früh greifende Haftungsrisiken beeinträchtigt wird. 188 Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls sind folgende Verhaltensweisen von der Rechtsprechung als rein betriebsinterne Verhaltensweisen eingeschätzt und als solche daher nicht dem UWG unterworfen worden: der Versand von empfohlenen Werbebehauptungen und sonstigen Informationen an Mitarbeiter, selbständige Handelsvertreter und Vertragshändler;342 ein Rundschreiben an die Mitglieder eines Lohnsteuerhilfevereins;343 der Betrieb eines Werks und die Herstellung von Produkten unter Verstoß gegen gesetzliche Immissionsschutzvorschriften;344 Warenbewegungen innerhalb eines Unternehmens345 und zwischen einer Einkaufsgesellschaft eines Konzerns und anderen Konzerngesellschaften, soweit die Einkaufsgesellschaft nicht mit konzernfremden Anbietern konkurriert.346 Als bereits nach außen gerichtete geschäftliche Handlung qualifiziert wurde hin189 gegen ein Werbeschreiben einer Versicherungsgesellschaft an mit ihr nicht geschäftlich verbundene Fernsehgeräte-Fachhändler.347 Auch ein Brief an die Mitarbeiter eines Unternehmens kann eine geschäftliche Handlung darstellen, wenn hiermit Abwerbeversuchen anderer Arbeitgeber entgegengetreten wird.348 In dieser Konstellation tritt der Unternehmer seinen Arbeitnehmern nicht als Dienstherr bei der Abwicklung interner Vorgänge gegenüber, sondern wendet sich an sie als künftige Mitarbeiter, um die in
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340 BGH 25.9.1970 – I ZR 47/69 – GRUR 1971, 119 f. – Branchenverzeichnis; BGH 11.5.2000 – I ZR 28/98 – GRUR 2000, 1076, 1077 – Abgasemissionen m.w.N. 341 OLG Stuttgart 18.3.1983 – 2 U 187/82 – WRP 1983, 446; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 23. 342 BGH 25.9.1970 – I ZR 47/69 – GRUR 1971, 119 f. – Branchenverzeichnis; OLG München 4.2.1971 – 6 U 1944/70 – WRP 1971, 280 f. – Informationsschreiben; OLG Hamburg 18.4.1985 – 3 U 253/84 – WRP 1985, 651, 652 f. – Rundschreiben (30.000 Mitarbeiter und weitere Vertragshändler); zur Abgrenzung von nach außen gerichteter Werbung siehe BGH 3.5.1974 – I ZR 52/73 – GRUR 1974, 666, 667 f. – Reparaturversicherung. 343 OLG Brandenburg 29.9.2005 – 6 U 28/05 – GRUR-RR 2006, 199 f. – Anonymisierung; OLG Brandenburg 25.9.2007 – 6 U 100/06 – GRUR 2008, 356 – Rundschreiben. 344 BGH 11.5.2000 – I ZR 28/98 – GRUR 2000, 1076, 1077 – Abgasemissionen; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 36; weitergehend Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 14 (unselbständige Teilakte einer geschäftlichen Handlung). Zur nicht nach außen gerichteten Tätigkeit von Arbeitnehmern Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 25. 345 juris-PK/Ernst § 2 Rn. 10. 346 BGH 16.4.1969 – I ZR 59-60/67 – GRUR 1969, 479, 480 – Colle de Cologne; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 25. 347 BGH 3.5.1974 – I ZR 52/73 – GRUR 1974, 666, 667 f. – Reparaturversicherung. 348 OLG München 4.2.1971 – 6 U 1944/70 – WRP 1971, 280 f. – Informationsschreiben; OLG Stuttgart 18.3.1983 – 2 U 187/82 – WRP 1983, 446.
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Konkurrenz zu anderen Nachfragern auf dem Arbeitsmarkt geworben wird. Diese Nachfragewerbung unterliegt dem UWG. Selbst wenn die Umstände des Einzelfalls ergeben, dass ein rein betriebsinterner 190 Vorgang in Streit steht, ist weiter zu prüfen, ob hierdurch bereits eine Erstbegehungsgefahr für anschließende, nach außen gerichtete geschäftliche Handlungen wie etwa die Werbung durch Handelsvertreter oder das Inverkehrbringen von hergestellten Waren begründet wird.349 Denn ein Anspruch auf Unterlassung besteht gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.350 Unter diesem Gesichtspunkt können zwar auch betriebsinterne Vorgänge Gegenstand der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung werden. Der Anspruch aber richtet sich wiederum nur gegen die erstmals drohende geschäftliche Handlung. c) Außergeschäftliches Verhalten vor einem Geschäftsabschluss aa) Grundsätze. Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder ver- 191 braucherpolitische Äußerungen von Unternehmen und anderen Personen weisen keinen objektiven Zusammenhang zum Wettbewerbsgeschehen auf. 351 Sie beeinflussen nicht geschäftliche Entscheidungen im Hinblick auf das Angebot oder den Bezug von Waren oder Dienstleistungen, sondern die Haltung der Adressaten im Hinblick auf religiöse, ästhetische oder die Wahrheit betreffende Fragen sowie politische Einstellungen, ggf. auch zum wirtschaftlichen Wettbewerb. Zwar können derartige Verhaltensweisen und Entscheidungen ganz erhebliche Effekte auf das Marktgeschehen zeitigen. Diese aber entstammen nicht dem Marktverhalten selbst, sondern werden von außen an den Geschäftsverkehr herangetragen. Diese mittelbaren Auswirkungen sind nicht Gegenstand des UWG. Die Abgrenzung zwischen dem vom UWG regulierten Geschäftsverkehr und 192 anderen Kommunikations- und Handlungssphären wird von der Rechtsprechung nicht einheitlich gehandhabt. Bei redaktionellen Beiträgen der Presse soll es darauf ankommen, ob die Förderung des eigenen oder fremden Wettbewerbs eine größere als notwendig begleitende Rolle spielt.352 Private Meinungsäußerungen hingegen werden schon dann am UWG gemessen, wenn der Aspekt der Wettbewerbsförderung nicht völlig hinter außergeschäftliche Gesichtspunkte zurücktritt.353 Diese Unterscheidungen finden im Gesetz keine Stütze. Mit dem Merkmal des objek- 193 tiven Zusammenhangs sollen redaktionelle, meinungsbildende und andere außergeschäftliche Verhaltensweisen gleichermaßen aus dem UWG verwiesen werden. Daher sollte ein einheitlicher Maßstab gelten.354
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349 Vgl. BGH 25.9.1970 – I ZR 47/69 – GRUR 1971, 119 f. – Branchenverzeichnis; BGH 11.5.2000 – I ZR 28/98 – GRUR 2000, 1076, 1077 – Abgasemissionen (Herstellung begründet ggf. Erstbegehungsgefahr für Inverkehrbringen der Ware); OLG Hamburg 18.4.1985 – 3 U 253/84 – WRP 1985, 651, 652 f. – Rundschreiben; OLG Koblenz 28.1.1998 – 6 U 1602/87 – WRP 1988, 557, 558 (Erstbegehungsgefahr auch dann, wenn Handelsvertreter in einem Rundschreiben nicht zur Verwendung einer Werbebehauptung aufgefordert werden); Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 36; weitergehend Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 14 (unselbständige Teilakte einer geschäftlichen Handlung). 350 juris-PK/Ernst § 2 Rn. 11. 351 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 13, 20 f.; DiskE UWG 2008, 34. 352 Unten § 2 Rn. 198 ff. 353 Unten § 2 Rn. 213. 354 Siehe auch BGH 20.3.1981 – I ZR 10/79 – GRUR 1981, 658, 660 – Preisvergleich (Preisvergleiche und redaktionelle Beiträge).
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Abzustellen ist auf das Kriterium der mehr als notwendigen Wettbewerbsförderung. Mit diesem Erfordernis wird anerkannt, dass z.B. redaktionelle Berichte oder verbraucherpolitische Maßnahmen häufig in sehr erheblichem Maße auf das Marktgeschehen einwirken können, indem der Absatz oder Bezug lobend hervorgehobener Unternehmen gefördert, die wettbewerbliche Stellung kritisierter Unternehmen hingegen geschwächt wird. Hierbei aber handelt es sich um mittelbare Effekte nicht wirtschaftlicher Diskurse auf den Wettbewerb. Erst und nur dann, wenn eine Äußerung, die nicht schon ihrem äußeren Erschei195 nungsbild nach eine typische geschäftliche Handlung wie etwa eine Werbeannonce darstellt, sondern als redaktioneller, politischer, religiöser etc. Beitrag aufgemacht ist, unter objektiver Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls recht eigentlich den Absatz oder Bezug von Produkten eines Unternehmens fördert, agiert der Handelnde nicht (mehr) in der Sphäre der öffentlichen Information und Meinung etc., sondern im Wettbewerbsgeschehen. Dieser wettbewerbsbezogene Überschuss einer Äußerung wird durch das Merkmal der „mehr als notwendigen“ Unternehmensförderung anschaulich adressiert. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass der geschäftliche Zusammenhang die 196 außergeschäftliche Dimension der Äußerung überwiegt.355 Hingegen droht der Anwendungsbereich des UWG zu weit ausgedehnt zu werden, 197 wenn jede nicht ganz untergeordnete Einflussnahme auf geschäftliche Entscheidungen von Marktteilnehmern für eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 genügte. Insbesondere verbraucherpolitische Äußerungen sollen häufig gerade die Wirkung entfalten, das Nachfrageverhalten von Konsumenten von bestimmten Unternehmen zu anderen Anbietern zu lenken. Und doch wäre es verfehlt, sie am Lauterkeitsrecht zu messen. Die wettbewerbsfunktionale Teleologie des UWG und seine Fokussierung auf wettbewerblich-ökonomische Prozesse eignen sich nicht zur Regulierung etwa politischer Kommunikation. Auch hat der Gesetzgeber einem solchen Imperialismus ökonomischer Regulierung nicht ökonomischer Handlungssphären eine ausdrückliche Absage erteilt.
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bb) Redaktionelle Äußerungen in Presse und Rundfunk. Redaktionelle Äußerungen in Presse und Rundfunk stellen geradezu das Paradigma solch außergeschäftlicher Handlungen dar. Sie unterfallen nach der erklärten Absicht des historischen Gesetzgebers weiterhin nicht dem UWG, soweit sie nur der Information der Leserschaft dienen.356 Das UWG ist auch in seiner geltenden Fassung „grundsätzlich kein Gesetz, das ein Maßstab für die Beschränkung der Pressefreiheit sein könnte, solange das angegriffene Presseorgan seine publizistische Aufgabe wahrnimmt.“357 Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn ein Beitrag allein der Information und Meinungsbildung seiner Adressaten dient.358 Die Auswirkungen einer im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG/Art. 11 Abs. 2 Charta „funktionsgerechten“ medialen Berichterstattung über Unternehmen und ihre Leistungen – sei sie positiv lobend oder negativ kritisierend – ist typischerweise nur eine unvermeidbare Folge der Erfüllung journalistischer Aufgaben, die für sich betrachtet die Anwendung des UWG nicht rechtfertigt.359
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355 Offengelassen von KG 14.8.2012 – 5 U 92/07 – BeckRS 2012, 18880 – International anerkannter Arzt. 356 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 13. 357 LG München I 14.10.2009 – 1 HKO 3140/09 – juris Rn. 35; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 35 (Funktionsbereich der Medien). 358 BGH 19.5.2011 – I ZR 147/09 – GRUR 2012, 74 Tz. 15 – Coaching-Newsletter. 359 OLG Hamburg 27.1.2005 – 3 U 113/04 – GRUR-RR 2005, 385, 386 – Ladenhüter.
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Geschäftliche Handlung
§2
Die öffentliche Verbreitung von Tatsachenberichten und Meinungen durch Presseund Rundfunkunternehmen steht in einem anderen Kommunikationszusammenhang als geschäftliche Handlungen und Entscheidungen. Es geht nicht um Geschäftsabschlüsse und die Befriedigung materieller Bedürfnisse, sondern um die argumentative Auseinandersetzung über allgemeine politische, soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Belange.360 Es ist weder sinnvoll noch angemessen, Interessenkonflikte in diesem Kontext einer lauterkeitsrechtlichen Beurteilung im Hinblick auf den unverfälschten Wettbewerb zu unterwerfen. Hieran ändert der Umstand nichts, dass die Presse- und Rundfunkberichterstattung von einem Unternehmen betrieben wird, das diese Beiträge als Produkt gegen Entgelt im Wettbewerb zu anderen Medienunternehmen kommerzialisiert. Der entgeltliche Absatz eines Presse- oder Rundfunkprodukts und seine teilweise oder vollständige Finanzierung durch Anzeigen führen nicht dazu, dass auch die Informationen und Meinungskundgaben als solche zur geschäftlichen Handlung werden.361 Insoweit ist zwischen der Zeitung, der Zeitschrift etc. als marktgängigem Produkt und ihrem Inhalt zu unterscheiden. Demnach stellt insbesondere die Werbung für ein mediales Produkt wie jede andere Form der Förderung des Absatzes oder Bezugs eines Medienunternehmens eine geschäftliche Handlung dar.362 Auch das Anzeigengeschäft ist vom meinungsbildenden und informierenden Funktionsbereich zu unterscheiden. Denn hiermit fördert das Presseunternehmen sowohl den eigenen als auch den Wettbewerb desjenigen Unternehmers, der eine Annonce schaltet.363 Eine geschäftliche Handlung ist ferner gegeben, wenn ein Rundfunkunternehmen außerhalb einer Sendung über allgemein interessierende Rechtsfragen einen telefonischen Rechtsberatungsservice einrichtet und hierdurch mit Rechtsanwälten in Konkurrenz tritt.364 Im Einzelfall kann aber auch eine Äußerung, die ihrem Erscheinungsbild nach zur redaktionellen Berichterstattung oder Meinungsbildung zu zählen scheint, eine geschäftliche Handlung darstellen. Das UWG bestätigt diese Möglichkeit ausdrücklich, indem das Verschleiern des Werbecharakters einer geschäftlichen Handlung in § 4 Nr. 3 für unlauter erklärt wird. Gegenüber Verbrauchern stets unzulässig ist gem. § 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang Nr. 11 ein von einem Unternehmer finanzierter Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung). Ob eine öffentliche Äußerung als redaktioneller Beitrag oder als geschäftliche Handlung einzuordnen ist, entscheidet sich anhand einer objektiven Beurteilung des äußeren Erscheinungsbilds der Publikation aus Sicht eines durchschnittlichen Adressaten. Nicht ausschlaggebend ist hingegen die Urheberschaft eines Textes etc., da eine
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360 BVerfG 15.11.1982 – 1 BvR 108/80 u.a. – BVerfGE 62, 230, 232 = GRUR 1984, 357, 359 – Boykottaufruf; BGH 2.2.1984 – I ZR 4/82 – GRUR 1984, 461, 463 – Kundenboykott; BGH 20.3.1986 – I ZR 13/84 – GRUR 1986, 812, 813 – Gastrokritiker; ferner BGH 12.10.1989 – I ZR 29/88 – GRUR 1990, 373, 375 – SchönheitsChirurgie; BGH 20.2.1997 – I ZR 12/95 – GRUR 1997, 907, 908 – Emil-Grünbär-Klub; OLG Hamburg 27.1.2005 – 3 U 113/04 – GRUR-RR 2005, 385, 386 – Ladenhüter. 361 BGH 9.2.2006 – I ZR 124/03 – GRUR 2006, 875 Tz. 24, 28 – Rechtsanwalts-Ranglisten; LG München I 14.10.2009 – 1 HKO 3140/09 – juris Rn. 36. 362 OLG München 2.8.2012 – 29 U 1471/12 – MMR 2012, 824. 363 BGH 26.4.1990 – 1 ZR 127/88 – GRUR 1990, 1012, 1013 – Pressehaftung; BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 54 – Ausländischer Inserent. Zu Branchenbüchern BGH 10.4.1997 – I ZR 3/95 – GRUR 1997, 909, 910 f. – Branchenbuch-Nomenklatur (Grundeinträge aufgrund gesetzlich verpflichtender Meldung keine Wettbewerbshandlung). Verkannt von EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 39 ff. – RLvS Verlagsgesellschaft. 364 BGH 6.12.2001 – I ZR 14/99 – GRUR 2002, 987, 993 – Wir Schuldenmacher.
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§2
Definitionen
Redaktion den Wettbewerb eines Unternehmens sogar aus eigener Initiative fördern und so in den Geschäftsverkehr eingreifen kann.365 Auch die Frage, ob ein Medienunternehmen in gutem Glauben genaue und zuverlässige Informationen in Übereinstimmung mit dem Berufsethos des Journalisten vermitteln möchte, ist lediglich ein subjektives Indiz für eine letztlich rein objektive Beurteilung.366 Nach zutreffender Auffassung der Rechtsprechung ist darauf abzustellen, ob die 204 Einflussnahme auf den wirtschaftlichen Wettbewerb lediglich eine immanente Begleiterscheinung einer funktionsgerechten Berichterstattung über den geschäftlichen Verkehr darstellt (dann kein UWG) oder ob ein bestimmtes Unternehmen in mehr als nur notwendig begleitender Art und Weise gefördert wurde.367 In letztgenannter Konstellation betreibt ein Medienunternehmen unter dem Deckmantel eines redaktionell aufgemachten Beitrags Werbung für ein bestimmtes Unternehmen und hat daher die für geschäftliche Handlungen geltenden Vorgaben zu beachten.368 Nicht dem UWG unterworfen wurden demgemäß eine Titelschlagzeile über die 205 Markteinführung, die Preise, Funktionen und Leistung eines allgemein beachteten Mobiltelefons;369 ein Pressebericht, in dem ein Rechtsanwalt K. Frank in Unterscheidung zu einem Rechtsanwalt Dr. A. Frank als tatkräftig gelobt wurde;370 ein Artikel über Möglichkeiten und Ergebnisse kosmetischer Operationen unter mehrfacher Erwähnung und Abbildung eines Arztes;371 ein Artikel über eine steuerrechtlich günstige Geldanlage mit Hinweis auf weiterführende Ratschläge durch vom Presseunternehmen vermittelte Experten;372 die namentliche Nennung regionaler Unternehmen, die Ausbildungsplätze anbieten;373 ein redaktioneller Beitrag mit der Überschrift „Husten, Schnupfen, Heiserkeit – Erkältungen gezielt behandeln“ und auf derselben Seite eine Werbeanzeige für ein Präparat unter der Überschrift „Erkältung, Halsschmerzen, Heiserkeit“;374 die Angabe der Internetadresse einer bekannten Glücksspielunternehmerin und deren Ausgestaltung als Hyperlink in einem Online-Beitrag über dieses Unternehmen;375 ein anzeigenfinanziertes Handbuch mit einer Rangliste von Rechtsanwälten und dem – in der Sache zutreffenden
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365 Vgl. Ruhl/Bohner WRP 2011, 375 m.w.N. 366 Siehe aber Lettl § 1 Rn. 130. Zum Erfordernis eines „objektiven“ Zusammenhangs zum Geschäftsverkehr oben § 2 Rn. 126 ff. 367 BGH 20.12.1967 – Ib ZR 127/65 – GRUR 1968, 314, 316 – fix und clever; BGH 12.10.1989 – I ZR 29/88 – GRUR 1990, 373, 374 f. – Schönheits-Chirurgie; BGH 3.2.1994 – I ZR 321/91 – GRUR 1994, 441, 442 f. – Kosmetikstudio; BGH 10.11.1994 – I ZR 216/92 – GRUR 1995, 270, 272 – Dubioses Geschäftsgebaren; BGH 28.11.1996 – I ZR 184/94 – GRUR 1997, 473, 474 – Versierter Ansprechpartner; BGH 30.4.1997 – I ZR 196/94 – GRUR 1997, 912, 913 – Die Besten I; BGH 13.4.2000 – I ZR 282/97 – GRUR 2000, 703, 706 – Mattscheibe; BGH 6.12.2001 – I ZR 14/99 – GRUR 2002, 987, 993 – Wir Schuldenmacher; BGH 1.4.2004 – I ZR 317/01 – GRUR 2004, 693, 694 – Schöner Wetten; BGH 9.2.2006 – I ZR 124/03 – GRUR 2006, 875 Tz. 23 – Rechtsanwalts-Ranglisten; OLG Hamburg 27.1.2005 – 3 U 113/04 – GRUR-RR 2005, 385, 386 – Ladenhüter. 368 BVerfG 15.11.1982 – 1 BvR 108/80 u.a. – BVerfGE 62, 230, 232 = GRUR 1984, 357, 359 – Boykottaufruf; BGH 2.2.1984 – I ZR 4/82 – GRUR 1984, 461, 463 – Kundenboykott; BGH 20.3.1986 – I ZR 13/84 – GRUR 1986, 812, 813 – Gastrokritiker; ferner BGH 12.10.1989 – I ZR 29/88 – GRUR 1990, 373, 375 – SchönheitsChirurgie; BGH 20.2.1997 – I ZR 12/95 – GRUR 1997, 907, 908 – Emil-Grünbär-Klub; OLG Hamburg 27.1.2005 – 3 U 113/04 – GRUR-RR 2005, 385, 386 – Ladenhüter; LG München I 14.10.2009 – 1 HKO 3140/09 – juris Rn. 33. 369 OLG Hamburg 2.1.2008 – 3 W 224/07 – OLGR Hamburg 2009, 1020, 1021 f. = juris Rn. 12 ff. 370 BGH 22.5.1986 – I ZR 72/84 – GRUR 1986, 898, 899 – Frank der Tat. 371 BGH 12.10.1989 – I ZR 29/88 – GRUR 1990, 373, 374 f. – Schönheits-Chirurgie. 372 BGH 28.11.1996 – I ZR 184/94 – GRUR 1997, 473, 474 – Versierter Ansprechpartner. 373 BGH 19.2.1998 – I ZR 120–95 – GRUR 1998, 947, 948 – AZUBl ‘94. 374 BGH 23.1.1992 – I ZR l29/90 – GRUR 1992, 463, 464 – Anzeigenplazierung (zw.). 375 BGH 1.4.2004 – I ZR 317/01 – GRUR 2004, 693, 694 – Schöner Wetten; anders im Einzelfall aber OLG Hamm 7.2.2008 – 1-4 U 154/07 – MMR 2008, 750, 751 f. – ungeschwärztes Urteil.
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§2
– Hinweis, dass die Auswahl der Kanzleien auf Interviews der Redaktion beruht;376 ein Beitrag zu einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse, in dem ein bestimmtes Unternehmen in polemisch überspitzter, subjektiv einseitiger und sogar herabsetzender Weise kritisiert wird;377 die herabsetzende Fernsehparodie einer Unternehmenswerbung unter unveränderter Nennung des beworbenen Produkts.378 In all diesen Fällen war die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verhaltensweise nach allgemeinem Deliktsrecht zu beurteilen.379 Zur geschäftlichen Handlung wird ein journalistischer Beitrag hingegen stets dann, 206 wenn ein Unternehmen sich die redaktionelle Äußerung in der Werbung für ein Produkt zu eigen macht.380 In diesem Fall widmet der Unternehmer die Information oder Meinungskundgabe in eine werbliche Anpreisung um. Diese hat dann in vollem Umfang den Vorgaben des UWG zu genügen. Verantwortlich hierfür ist der werbende Unternehmer, nicht das Presseunternehmen, das diesen Kommunikationszusammenhang nicht hergestellt hat. Aber auch die einem Presse- oder Rundfunkunternehmen zuzurechnende Äuße- 207 rung, die ihrem Erscheinungsbild nach zur redaktionellen Berichterstattung zählt, kann in mehr als notwendiger Weise den Wettbewerb eines Unternehmens fördern und damit zur geschäftlichen Handlung werden. Dies ist insbesondere bei verschleierter bzw. als Information getarnter Werbung für namentlich genannte Produkte bestimmter Unternehmen der Fall.381 Eine unzulässige geschäftliche Handlung stellt es dar, wenn ein Presseunternehmen neben der zum Anzeigentarif veröffentlichten Anzeige eine Nebenleistung in Form einer (getarnten) redaktionellen Unterstützung der Anzeigenwerbung gewährt.382 Bejaht wurde die Anwendbarkeit des UWG ferner für pauschal lobende Berichte 208 über Unternehmen neben Anzeigen der betreffenden Unternehmen;383 für eine übermäßig werbende Titelstory über die „500 besten Ärzte“ Deutschlands;384 für die lobende Darstellung eines Epiliergeräts als Gewinn eines Preisrätsels in einer Gesundheitszeitschrift;385 für Zeichnungen eines bekannten Autors und Malers in einer von Apotheken kostenlos verteilten Kundenzeitschrift;386 für einen Wikipedia-Eintrag, in dem die vom Verfasser vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel im Gegensatz zu Konkurrenzprodukten als in inländischen Apotheken erhältlich herausgestellt werden;387 für einen Artikel
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376 BGH 9.2.2006 – I ZR 124/03 – GRUR 2006, 875 Tz. 25, 27 – Rechtsanwalts-Ranglisten. Entsprechend zu Steuerberater-Rankings LG München I – 14.10.2009 – 1 HKO 3140/09 – juris Rn. 33 ff. 377 BGH 10.11.1994 – I ZR 216/92 – GRUR 1995, 270, 272 – Dubioses Geschäftsgebaren. 378 BGH 13.4.2000 – I ZR 282/97 – GRUR 2000, 703, 706 f. – Mattscheibe. 379 Siehe z.B. BGH 22.5.1986 – I ZR 72/84 – GRUR 1986, 898, 899 – Frank der Tat (§§ 824, 826, allgemeines Persönlichkeitsrecht); BGH 10.11.1994 – I ZR 216/92 – GRUR 1995, 270, 272 – Dubioses Geschäftsgebaren (allgemeines Persönlichkeitsrecht). 380 Z.B. BGH 20.2.1997 – I ZR 12/95 – GRUR 1997, 907, 908 – Emil-Grünbär-Klub; ferner BGH 19.5.2011 – I ZR 147/09 – GRUR 2012, 74 Tz. 16, 35 ff. – Coaching-Newsletter. 381 Zu § 4 Nr. 3 und Anhang Nr. 11 siehe BGH 29.3.1974 – I ZR 15/73 – GRUR 1975, 75, 77 – Wirtschaftsanzeigen – public-relations; BGH 10.7.1981 – I ZR 96/79 – BGHZ 81, 247, 250 = GRUR 1981, 835 – Getarnte Werbung I; BGH 18.2.1993 – I ZR 219/91 – GRUR 1993, 565, 566 – Faltenglätter; BGH 20.2.1997 – I ZR 12/95 – GRUR 1997, 907, 908 – Emil-Grünbär-Klub; ferner Ruhl/Bohner WRP 2011, 375 ff. 382 BGH 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471, 473 – Modenschau im Salvatorkeller; BGH 23.10.1997 – I ZR 123/95 – GRUR 1998, 481, 482 – Auto ’94. 383 BGH 3.2.1994 – I ZR 321/91 – GRUR 1994, 441, 442 f. – Kosmetikstudio; vgl. auch BGH 5.6.1997 – I ZR 69/ 95 – GRUR 1998, 489, 492 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III (lobender Bericht neben einer Anzeige). 384 BGH 30.4.1997 – I ZR 196/94 – GRUR 1997, 912, 913 – Die Besten I. 385 OLG Karlsruhe 20.10.2011 – 4 U 160/10 – WRP 2012, 990, 991 – Preisrätsel. 386 BGH 20.2.1997 – I ZR 12/95 – GRUR 1997, 907, 908 – Emil-Grünbär-Klub. 387 OLG München 10.5.2012 – 29 U 515/12 – MMR 2012, 534, 535 – Verschleierte Werbung auf Wikipedia.
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Definitionen
in einem Börseninformationsblatt, in dem es zu einem namentlich genannten, konkurrierenden Presseunternehmen heißt, es publiziere „völlig falsche Argumente“ und sei „nicht eben für Seriosität bekannt“;388 für den Aufruf eines Informationsdienstes des Uhrenfachhandels, den Uhrenhandel eines „Kaffee-Rösters“ zu boykottieren;389 für einen Online-Bericht mit Links auf bestimmte Produktangebote.390 Fraglich ist, inwieweit falsche redaktionelle Informationen über bestimmte Un209 ternehmen und Produkte lauterkeitsrechtlich relevant sind. Kann nachgewiesen werden, dass es sich um bewusst unwahre Angaben zu Produkten handelt, ist dies ein starkes Indiz für das Bestehen eines objektiven Zusammenhangs zur Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens.391 Zwar unterfallen dem UWG nach hier vertretener Auffassung auch versehentliche Eingriffe in das Marktgeschehen. Eine fahrlässige Falschmeldung der Presse über ein Unternehmen, die ggf. den Aktienkurs einbrechen lässt, bleibt ungeachtet ihrer Wirkungen eine außergeschäftliche, eben redaktionelle Handlung. Sie ist nach Maßgabe des allgemeinen Delikts- und Presserechts zu beurteilen. Anders kann sich dies unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise dann darstellen, wenn das Presseunternehmen ein eigenes unternehmerisches Interesse hat, bestimmte Drittunternehmen zu fördern und die Falschinformation diesem Zweck dient. So verhält es sich, wenn eine Programmzeitschrift das von ihr präsentierte Fernsehangebot frei empfangbarer Sender mit dem Hinweis auf „TV-Premieren“ hervorhebt, obwohl die betreffenden Filme bereits im Bezahlfernsehen ausgestrahlt wurden.392 cc) Meinungsfreiheit in Bezug auf öffentliche Angelegenheiten. Redaktionelle Berichte der Presse und des Rundfunks stellen keine geschäftlichen Handlungen dar, da sie nicht im objektiven Zusammenhang zum Marktverhalten eines bestimmten Unternehmens stehen, sondern der öffentlichen Information und Meinungsbildung dienen. Diesen außergeschäftlichen Kommunikationszusammenhang weisen nicht nur Presseund Rundfunkberichte auf, sondern ebenso Meinungskundgaben sonstiger Personen als Mittel zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden, auch wirtschaftspolitischen Frage in Ausübung der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG/11 Abs. 1 Satz 1 Charta. Damit unterliegt die Kommunikation über wirtschaftlichen Wettbewerb in Ausübung der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG/ Art. 11 Charta anders als kommerzielle Kommunikation im Wettbewerb insgesamt nicht dem UWG, unabhängig davon, ob ein Medienunternehmen oder eine sonstige Person handelt. Unter Geltung des UWG 1909 und des UWG 2004 hatte die Rechtsprechung Mei211 nungen und Tatsachenbehauptungen mit wettbewerbsrechtlichem Bezug die erforderliche Wettbewerbsabsicht abgesprochen.393 Dies betraf insbesondere Wettbewerbs- und verbraucherpolitische Äußerungen, die nicht der Erfüllung der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung einzelner Unternehmen dienten, sondern im Interesse der Verbraucher und
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388 BGH 30.10.1981 – I ZR 93/79 – GRUR 1982, 234, 235 f. – Großbanken-Restquoten. 389 BGH 2.2.1984 – I ZR 4/82 – GRUR 1984, 461, 462 – Kundenboykott. 390 OLG Hamm 7.2.2008 – 1-4 U 154/07 – MMR 2008, 750, 751 f. – ungeschwärztes Urteil. 391 Vgl. BGH 29.9.1994 – XII ZB 82/93 – NJW-RR 1995, 1 – Bio-Tabletten; KG 14.8.2012 – 5 U 92/07 – BeckRS 2012, 18880 – International anerkannter Arzt; Ruhl/Bohner WRP 2011, 375, 381. Zur Zulässigkeit der Berücksichtigung subjektiver Umstände bei der Prüfung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 oben § 2 Rn. 165 ff. 392 OLG Köln 7.2.2008 – 6 W 12/08 – GRUR-RR 2008, 404 – TV-Premiere. 393 BGH 25.6.1992 – I ZR 60/91 – GRUR 1992, 707, 708 f. – Erdgassteuer.
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im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse auf die Erreichung allgemeiner wettbewerbspolitischer Zwecke gerichtet waren.394 An die Stelle der subjektiven Wettbewerbsabsicht ist im Zuge des UWG 2008 das Kriterium des objektiven Zusammenhangs getreten.395 An der sachlichen Unterscheidung zwischen geschäftlichen Handlungen und außergeschäftlicher Meinungs- und Tatsachenkundgabe aber hat sich dadurch nichts geändert. Weiterhin sollen „weltanschauliche … oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen“ nicht dem UWG unterfallen.396 Aufgrund dieser inhaltlichen Kontinuität behält die einschlägige ältere Rechtsprechung ihre Bedeutung. Das UWG 1909/2004 wurde von der Rechtsprechung bereits dann für anwendbar erklärt, wenn mit der in Rede stehenden Handlung auch Wettbewerbszwecke verfolgt wurden, die nicht als völlig nebensächlich hinter den eigentlichen Beweggrund der Meinungskundgabe zurücktraten.397 Entsprechend soll eine geschäftliche Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bereits dann vorliegen, wenn etwa eine allgemeinpolitische Äußerung einen nicht völlig nebensächlichen objektiven Zusammenhang zum Marktverhalten eines Unternehmens aufweist.398 Während Meinungsäußerungen sonstiger Personen also bereits bei geringen Bezügen zum geschäftlichen Verkehr am UWG gemessen werden, sollen ihrem äußeren Erscheinungsbild nach redaktionelle Beiträge in Presse und Rundfunk erst dann dem UWG unterliegen, wenn ein bestimmtes Unternehmen in mehr als nur notwendig begleitender Art und Weise gefördert wird.399 Diese Differenzierung zwischen der Meinungsfreiheit einerseits und den Medienfreiheiten andererseits ist abzulehnen. Für alle Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG/11 Charta sollten dieselben Abgrenzungskriterien zum UWG gelten. Zwar kann das redaktionelle Verhalten von Medienunternehmen möglicherweise eindeutiger als solches identifiziert werden als eine Ausübung der Meinungsfreiheit durch andere Unternehmen und sonstige Personen. Und doch geht es um einen und denselben außergeschäftlichen Handlungszusammenhang. Alle Kommunikationsfreiheiten weisen einen Öffentlichkeits- und Demokratiebezug auf. Ihr gemeinsamer Nenner ist der freie Austausch von Informationen und Meinungen zur öffentlichen Meinungsbildung, ggf. im Hinblick auf den wirtschaftlichen Wettbewerb. Nur wenn dieses Verhalten in mehr als nur notwendig begleitender (immanenter) Weise auf den Wettbewerb eines Unternehmens Einfluss nimmt, begibt sich der Äußernde in den geschäftlichen Verkehr. Ob es sich um kommerzielle oder außergeschäftliche Kommunikation handelt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Inhalts der gewählten Äußerung zu entscheiden.400 Je deutlicher auf ein bestimmtes Unternehmen und seine Produkte Bezug genommen wird, desto größer sind in der Regel die Auswirkungen auf den Wettbewerb. Je näher die handelnde Person diesem Wettbewerb – namentlich als Unternehmensinhaber, aber auch als Mitbewerber oder Interessenverband von Mitbe-
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394 Vgl. BGH 9.12.1975 – VI ZR 157/73 – BGHZ 65, 326, 332 = GRUR 1976, 268, 270 – Stiftung Warentest/ Warentest II; BGH 17.2.1983 – I ZR 194/80 – GRUR 1983, 379, 381 – Geldmafiosi. 395 Oben § 2 Rn. 160 ff. 396 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 13. 397 BGH 20.3.1986 – I ZR 13/84 – GRUR 1986, 812, 813 – Gastrokritiker; BGH 25.6.1992 – I ZR 60/91 – GRUR 1992, 707, 708 f. – Erdgassteuer; BGH 15.5.1997 – I ZR 10/95 – GRUR 1997, 761, 763 f. – Politikerschelte; BGH 27.6.2002 – I ZR 86/00 – GRUR 2002, 1093, 1094 – Kontostandsauskunft; BGH 13.2.2003 – I ZR 41/00 – GRUR 2003, 800, 801 – Schachcomputerkatalog m.w.N. 398 KG 18.8.2009 – 5 W 95/09 – BeckRS 2009, 24222; KG 14.8.2012 – 5 U 92/07 – BeckRS 2012, 18880 – International anerkannter Arzt; OLG Hamm 23.8.2011 – I-4 U 67/11 – MMR 2012, 750 f. 399 Oben § 2 Rn. 204. 400 BGH 25.6.1992 – I ZR 60/91 – GRUR 1992, 707, 708 f. – Erdgassteuer.
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werbern – steht, desto eher weist eine Meinungsäußerung mehr als notwendig begleitende, wettbewerbsfördernde Aspekte auf. Wird hingegen kein bestimmtes Unternehmen bzw. Produktangebot namentlich hervorgehoben, fehlt es in der Regel am erforderlichen objektiven Zusammenhang zum Marktverhalten.401 Doch auch wenn eine Äußerung einen konkreten Bezug zu einem Unternehmen 216 herstellt, kann es sich um eine außergeschäftliche Meinungsäußerung mit nur immanenten Nebeneffekten auf den Wettbewerb handeln. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Apotheker in einem Leserbrief zu einer allgemein-gesundheitspolitischen Frage kundtut, das klagende Pharmaunternehmen sei ein „Garagenvertrieb mit Kartoffelpresse in Spanien“.402 Ebenfalls Informationen über und wertende, insbesondere umwelt- und verbraucherschutzpolitische Stellungnahmen zu Unternehmen und den wirtschaftlichen Wettbewerb im Allgemeinen sind gegeben, wenn ein Verbraucherschutzverein eine Telefon-Ansage-Aktion zum Thema „Vorsicht vor Kredithaien“ veranstaltet;403 wenn eine Umweltschutzorganisation zum Boykott eines Molkereiunternehmens aufruft, weil es Milch von Kühen verwende, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert werden;404 wenn ein Verbraucherverband ein nicht rechtskräftiges Urteil in einer Wettbewerbsstreitigkeit veröffentlicht;405 wenn ein „Institut für Bach-Blütentherapie“ neben entgeltlichen Ausbildungsprogrammen auf seiner Internetseite Grundgedanken der Bach-BlütenLehre in allgemeiner Weise erläutert.406 Aus demselben Grund unterfallen Warentests,407 Preisvergleiche408 und Gastro217 kritiken409 nicht dem UWG. Das gilt nicht nur, wenn diese Informationen über wirtschaftlichen Wettbewerb von Unternehmen als kommerzielles Produkt angeboten werden, sondern erst recht, wenn es sich um Verbraucherbewertungen handelt.410 Je näher ein Akteur dem betroffenen Marktsegment und Wettbewerb steht, desto 218 eher dominieren wirtschaftliche Interessen an der Förderung eines oder mehrerer Unternehmen, so dass das UWG anwendbar ist. Dem geschäftlichen Verkehr zugeordnet wurden demgemäß Testfotos eines Wettbewerbsverbands, zu dessen Mitgliedern auch Mitbewerber des mutmaßlichen Verletzers zählen;411 die Klassifizierung von Hotels durch einen Hotelierverband;412 die positive Darstellung des Bierkonsums durch einen Interessenverband von Brauereiunternehmen;413 die Anzeige eines Unternehmens, in der unter auffälliger Verwendung der Firma politische Missstände beklagt werden;414 die als ge-
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401 Vgl. BGH 12.7.2012 – I ZR 54/11 – GRUR 2013 Tz. 21 f. – Solarinitiative. Insoweit zutreffend auch KG 18.8.2009 – 5 W 95/09 – WRP 2009, 1296 (UWG nicht anwendbar, wenn das Unternehmen mit einer Äußerung vorrangig einen im Allgemeininteresse liegende Zweck verfolgt, mag diese sich auch zugunsten eines fremden Unternehmens auswirken). 402 KG 18.8.2009 – 5 W 95/09 – WRP 2009, 1296. 403 BGH 17.2.1983 – I ZR 194/80 – GRUR 1983, 379, 381 – Geldmafiosi. 404 OLG Stuttgart 15.9.2005 – 2 U 60/05 – GRUR-RR 2006, 20 – Absperrband-Aktion. 405 KG 25.1.1977 – 9 U 312/76 – BB 1978, 468. 406 OLG Köln 29.5.2013 – 6 U 220/12 – juris Rn. 232 ff. – Bach-Blüten. 407 BGH 9.12.1975 – VI ZR 157/73 – GRUR 1976, 268 ff. – Stiftung Warentest/Warentest II m. zust. Anm. Schricker; OLG Frankfurt a.M. 29.6.2006 – 6 U 103/05 – GRUR-RR 2007, 16, 17 – ÖKO-Test. 408 BGH 20.3.1981 – I ZR 10/79 – GRUR 1981, 658, 660 – Preisvergleich m. krit. Anm. Schulze zur Wiesche (Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs sei zu bejahen). 409 BGH 20.3.1986 – I ZR 13/84 – GRUR 1986, 812, 813 – Gastrokritiker (trotz Hinweises auf den eigenen Weinhandel); ebenfalls ablehnend zur Anwendung des UWG BGH 12.6.1997 – I ZR 36/95 – GRUR 1998, 167, 168 f. – Restaurantführer. 410 Zu Verbraucherbewertungen im Internet auch oben § 2 Rn. 107. 411 BGH 23.5.1996 – I ZR 122/94 – WRP 1996, 1099, 1100 – Testfotos II. 412 LG Berlin 10.8.2010 – 16 O 479/08 – WRP 2011, 131 f. 413 LG Berlin 10.5.2011 – 16 O 259/10 – juris Rn. 21. 414 BGH 15.5.1997 – I ZR 10/95 – GRUR 1997, 761, 763 f. – Politikerschelte (Imagewerbung).
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sundheitspolitische Meinungsäußerung aufgemachte Anzeige eines Arztes, in der er selbst und die von ihm angebotenen Produkte hervorgehoben werden;415 die Anzeige einer Arbeitsgemeinschaft von Gasversorgungsunternehmen, in der Erdgas im Vergleich zu Heizöl und Kernenergie unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes als optimale Energiequelle herausgestellt wird;416 die Veröffentlichung einer Liste als „trivial“ bezeichneter Patente eines Mitbewerbers;417 die Veröffentlichung eines Kommentars eines Internetnutzers auf der Internetseite eines Rechtsanwalts, in dem das Verhalten eines konkurrierenden Rechtsanwalts als moralisch bedenklich und rechtsmissbräuchlich beurteilt wird.418 dd) Wissenschaftliche Kommunikation. Wissenschaftliche Kommunikation als der nach Inhalt und Form ernsthafte Versuch zur Ermittlung von Wahrheit419 unterliegt ebenfalls nicht dem UWG. Wie bei öffentlichen Informationen und wertenden Stellungnahmen können sich wissenschaftliche Forschung und Lehre auf bestimmte Unternehmen oder das Marktverhalten insgesamt beziehen und auf diesem Wege das Wettbewerbsgeschehen beeinflussen. Gleichwohl handelt es sich lediglich um immanente Reflexwirkungen eines Verhaltens im Wissenschaftssystem. Maßstab dieses Handelns ist nicht die Förderung von Geschäftsabschlüssen, sondern die Ermittlung wahrer Aussagen. In grundrechtlicher Perspektive wird von der Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG/13 Satz 2 Charta und nicht von der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit Gebrauch gemacht. Demgemäß war bereits zum früheren Recht anerkannt, dass bei wissenschaftlichen Aufsätzen oder sonstigen fachlichen Äußerungen in der Regel die für das UWG erforderliche Wettbewerbsabsicht fehlt, es sei denn, die wissenschaftliche Aufmachung der Äußerung dient nur der Tarnung geschäftlichen Verhaltens.420 Ebenso heißt es in der amtlichen Begründung zum UWG 2008, dass „wissenschaftliche Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen“ weiterhin nicht dem UWG unterfallen, soweit sie in keinem objektiven Zusammenhang mit dem Absatz von Waren und den anderen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 genannten Unternehmensaktivitäten stehen.421 Für die Abgrenzung von Wissenschaft und wirtschaftlichem Wettbewerb kommt es wie im Hinblick auf andere außergeschäftliche Handlungskontexte darauf an, ob sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass bei einer dem äußeren Erscheinungsbild nach wissenschaftlichen Äußerung die Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs eine größere als nur notwendig begleitende Rolle gespielt hat.422 In einem solchen Fall wird nicht mehr über Unternehmen oder den Wettbewerb geforscht bzw. über diese Gegenstände gelehrt, sondern im geschäftlichen Verkehr gehandelt. Grundsätzlich nicht ausschlaggebend ist hingegen, ob eine Studie wissenschaftlichen Anforderungen genügt.423 Wissenschaftliches Fehlverhalten ist grundsätzlich anhand wissenschaftsinterner Maßstäbe und Mechanismen zu beurteilen. Fehlerhafte Versuche zur Ermittlung der Wahrheit bleiben (schlechte) Wissenschaft.
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415 KG 14.8.2012 – 5 U 92/07 – BeckRS 2012, 18880 – International anerkannter Arzt. 416 BGH 25.6.1992 – I ZR 60/91 – GRUR 1992, 707, 708 f. – Erdgassteuer (zw.). 417 OLG München 9.3.2006 – 6 U 5757/04 – GRUR-RR 2006, 268 ff. – Trivial-Patente (zw.). 418 OLG Hamm 23.8.2011 – I-4 U 67/11 – MMR 2012, 750 f. 419 BVerfG 1.3.1978 – 1 BvR 333/75, 1 BvR 174/71, 1 BvR 178/71, 1 BvR 191/71 – BVerfGE 47, 327, 347 zu Art. 5 Abs. 3 S. 1 – Hessisches Universitätsgesetz. 420 KG 30.11.2004 – 5 U 55/04 – GRUR-RR 2005, 162, 163 – Arzneimitteleigenschaften kraft Präsentation. 421 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 13. 422 OLG Hamburg 29.6.2006 – 3 U 12/06 – GRUR-RR 2007, 206, 208 – Emissionsprospekt. 423 So aber Götting/Nordemann § 2 Rn. 24.
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Nur wenn wissenschaftliche Studien von Unternehmen in der Werbung benutzt oder vom Wissenschaftler selbst in einen objektiven Zusammenhang zum Marktverhalten gebracht werden, liegt eine geschäftliche Handlung vor. Dies ist etwa der Fall, wenn sich ein pharmazeutisches Unternehmen in seiner Werbung auf einen wissenschaftlichen Beitrag beruft. Da die per se wissenschaftliche Äußerung in einen absatzfördernden, geschäftlichen Kontext gestellt wird, sind dann auch die wettbewerbsrechtlichen Maßstäbe des UWG zu beachten, so dass als Vorfrage der Irreführung zu prüfen ist, ob der fragliche Beitrag wissenschaftlichen Anforderungen genügt.424 Für einen objektiven Zusammenhang zum Marktverhalten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 genügt es hingegen nicht, wenn ein Unternehmen oder ein Produkt in Forschung und Lehre analysiert wird. Auch wenn die Aussagen sachlich falsch sind, handelt es sich um einen Versuch zur Ermittlung bzw. Vermittlung der Wahrheit, der nach allgemeinem Deliktsrecht zu beurteilen ist.425 Ein dem äußeren Erscheinungsbild nach wissenschaftlicher Beitrag wird ferner nicht allein dadurch zur geschäftlichen Handlung, dass es sich um eine entgeltliche Auftragsstudie handelt.426 Wie bei redaktionellen Beiträgen von Medienunternehmen ist zwischen der Vermarktung von Informationen oder hier eben wissenschaftlichen Erkenntnissen als geschäftlicher Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 einerseits und dem grundsätzlich nicht wirtschaftlichen Inhalt dieser Waren andererseits zu unterscheiden. Um als Wissenschaft getarnte Werbung handelt es sich hingegen bei einem Fachaufsatz eines Mitarbeiters, in dem die Produkte des Arbeitgebers als günstiger im Vergleich zu überdies falsch dargestellten Konkurrenzangeboten gelobt werden.427 Ist ein Wissenschaftler am Absatz einer Ware selbst wirtschaftlich interessiert, weisen seine diesbezüglichen Äußerungen auch dann in der Regel einen objektiven Zusammenhang zum geschäftlichen Verkehr auf, wenn sie wissenschaftlichen Gehalt haben.428 Die Forschung über Medienkontakte (sog. Reichweitenforschung) weist in thematischer Hinsicht einen besonders engen Zusammenhang zum geschäftlichen Verkehr und namentlich zur Werbung auf. Dient aber eine solche Studie „nur … der die Anonymität der befragten Personen wahrenden Markt- und Meinungsforschung“, soll es nach der amtlichen Begründung zum UWG 2008 an einem objektiven Zusammenhang zum Warenabsatz fehlen, so dass eine geschäftliche Handlung nicht vorliege.429 Wie bei anderen Umfragen wird dann in der Tat lediglich die allgemeine Marktrealität erforscht. Dass sich Unternehmen in ihrem Marktauftritt an den Forschungsergebnissen einer unabhängigen dritten Stelle orientieren, ändert an der Einordnung als Wissenschaft nichts.430 Doch kommt es auch insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an. Insbesondere die sog. angewandte Produkt- und Marktforschung im Auftrag eines bestimmten Un-
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424 BGH 17.1.2002 – I ZR 161/99 – GRUR 2002, 633, 634 – Hormonersatztherapie. 425 OLG Hamburg 29.6.2006 – 3 U 12/06 – GRUR-RR 2007, 206, 208 – Emissionsprospekt (Emissionsprospekt der Antragsstellerin als Schulfall einer nicht plausiblen Ertragsrechnung im Rahmen einer Lehrveranstaltung, Ansprüche aus § 824 BGB). 426 Gomille WRP 2009, 525, 531. 427 BGH 7.3.1996 – I ZR 33/94 – GRUR 1996, 798, 800 – Lohnentwesungen (auch wenn der Name und die Mitarbeitertätigkeit am Ende des Textes offengelegt werden). 428 KG 30.11.2004 – 5 U 55/04 – GRUR-RR 2005, 162, 163 – Arzneimitteleigenschaften kraft Präsentation (evident bei Herabsetzung von Konkurrenten). 429 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 13. 430 Rechtsausschuss UWG 2008, BTDrucks. 16/11070, S. 5; OLG Köln 12.12.2008 – 6 U 41/08 – MMR 2009, 267, 268; OLG Köln 30.3.2012 – 6 U 191/11 – WRP 2012, 725 f. – Telefonische Kundenzufriedenheitsabfrage.
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ternehmens wird zutreffend als geschäftliche Handlung des Meinungs- bzw. Marktforschungsinstituts eingeordnet. Dies betrifft etwa Kundenzufriedenheitsabfragen431 oder die Aufforderung an Ärzte, sich an einer Befragung zu einer Erkrankung zu beteiligen, wenn der Fragenkatalog insbesondere auf ein Produkt des auftraggebenden Pharmaunternehmens Bezug nimmt.432 Zwar werden in diesen Fällen zunächst Marktparameter mit wissenschaftlichen Methoden ermittelt. Der erforschte Umstand ist aber so eng auf eine bestimme Ware oder Dienstleistung bezogen, dass der Aspekt der Wahrheitsermittlung ganz in den Hintergrund tritt. Umfragen der genannten Art dienen per se dem Erhalt der Kundschaft und der Ermittlung von Informationen zur Verbesserung der Absatzmöglichkeiten. ee) Künstlerische Kommunikation. Wie die Wissenschaft bildet auch die Kunst einen autonomen Kommunikationszusammenhang, der eigenständigen Regeln folgt und als solcher nicht der wettbewerbsfunktionalen Regulierung durch das UWG unterliegt. Die „freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden,“433 stellt als solche keine geschäftliche Handlung dar. Wie bei redaktionellen Beiträgen und wissenschaftlichen Äußerungen ist erneut der nicht dem UWG unterliegende Inhalt der künstlerischen Äußerung von seiner Vermarktung im geschäftlichen Verkehr z.B. durch Werbung in Galerieprospekten zu unterscheiden.434 Als Kunstwerk aufgemachte (getarnte) Werbung aber unterliegt dem UWG, da das Kunstwerk dann in einen geschäftlichen Kontext gestellt wird und den insoweit geltenden Regeln zu gehorchen hat. So liegt eine geschäftliche Handlung vor, wenn in einem Film bestimmte Produkte gegen Entgelt mit werbender Wirkung platziert werden (product placement), ohne dass dies zur Erreichung der künstlerischen Wirkungen veranlasst wäre.435 Die künstlerische Auseinandersetzung mit Unternehmen, Produkten und dem Wettbewerbsgeschehen insgesamt bleibt hingegen der wirtschaftsrechtlichen Regulierung im Hinblick auf die Lauterkeit entzogen. Denn dann wird nicht im, sondern über den geschäftlichen Verkehr kommuniziert. Dies gilt auch und gerade dann, wenn hierfür satirische oder sonst scharf kritisierende Ausdrucksformen gewählt werden.
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ff) Religiöse und weltanschauliche Kommunikation. Ausübungen der Glau- 232 bens- und Gewissensfreiheit gem. Art 4 GG/10 Charta unterfallen grundsätzlich ebenfalls nicht dem UWG. Ergibt eine objektive Betrachtung, dass ein Verhalten Ausdruck des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses ist, wird nicht im geschäftlichen Verkehr gehandelt. Eine weltanschauliche Äußerung befriedigt das Bedürfnis nach bekenntnishafter Orientierung, nicht hingegen werden wirtschaftliche Interessen nach
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431 OLG Köln 12.12.2008 – 6 U 41/08 – MMR 2009, 267, 268; OLG Köln 30.3.2012 – 6 U 191/11 – WRP 2012, 725 f. – Telefonische Kundenzufriedenheitsabfrage. 432 OLG Oldenburg 24.11.2005 – 1 U 49/05 – GRUR-RR 2006, 239 – Pharma-Marktforschung. 433 So zum verfassungsrechtlichen Kunstbegriff BVerfG 24.2.1971 – 1 BvR 435/68 – BVerfGE 30, 173, 188 f. – Mephisto; vgl. auch BVerfG 7.7.1971 – 1 BvR 765/66 – BVerfGE 31, 229, 238 f. – Kirchen- und Schulgebrauch; Maunz/Dürig/Scholz Art. 5 Abs. 3 Rn. 22 ff. m.w.N. 434 Zur Abgrenzung von Kunstfreiheit und wirtschaftlicher Handlungsfreiheit siehe BVerfG 7.7.1971 – 1 BvR 765/66 – BVerfGE 31, 229, 239 f. – Kirchen- und Schulgebrauch; Maunz/Dürig/Scholz Art. 5 Abs. 3 Rn. 16 f. m.w.N. 435 BGH 6.7.1995 – I ZR 58/93 – GRUR 1995, 744, 147 – Feuer, Eis & Dynamit I.
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materiellen Produkten angesprochen.436 Deshalb ist das UWG auch nicht auf den Wettbewerb von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften um Anhänger anwendbar. 233 Von diesem außergeschäftlichen Kommunikationsinhalt ist wie stets die Vermarktung konkreter Produkte (z.B. Bücher) rund um eine Religion oder Weltanschauung zu unterscheiden, bei der die Gebote des lauteren Wettbewerbs zu beachten sind.437 Erst wenn sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass eine dem äußeren 234 Anschein nach weltanschauliche Verhaltensweise in mehr als für ihre Zwecke notwendiger Weise den Wettbewerb eines Unternehmens fördert, liegt eine geschäftliche Handlung vor. In diesem Fall kann von einer als Bekenntnis getarnten Werbung für Waren oder Dienstleistungen gesprochen werden. Religiösen und nicht geschäftlichen Charakter hat demnach eine karitative Alt235 kleidersammlung einer Vereinigung katholischer ländlicher Jugend, die durch Kanzelabkündigungen und Pressehinweise beworben wird und beim Verkauf des Materials einen Millionenumsatz erzielt, wodurch kommerzielle Altkleidersammler in existenzbedrohender Weise Geschäftschancen verlieren. Eine solche Sammlung fördert nicht den Wettbewerb eines Unternehmens, wenn die Spender unentgeltlich und als Ausdruck ihrer religiösen Gesinnung ein Vermögensopfer für mildtätige Zwecke aufbringen. Ob die Spende direkt oder unter Zwischenschaltung von Unternehmern in anderer Form an die Bedürftigen weitergeleitet wird, ist dann nicht von Belang; Sammlung und Verwertung lassen sich insoweit nicht trennen.438 gg) Spendenwerbung. Die Werbung um Spenden und die Durchführung von Spendenprojekten werden von der Rechtsprechung generell nicht am UWG gemessen. Zur Begründung wird angeführt, die Spendenaufrufe und das Versprechen an die Spender, mit dem Geld konkrete Projekte religiöser, wohltätiger oder sonst gemeinnütziger Art durchzuführen, stelle sich nicht als entgeltliche Dienstleistung gegenüber dem Spender dar, sondern sei eine Leistung zu Gunsten eines Dritten, die dem Spendenwerber schenkweise überlassen werde.439 In der Literatur wird die Anwendbarkeit des UWG hingegen jedenfalls für Spen237 denorganisationen bejaht, deren Mitarbeiter nicht rein ehrenamtlich tätig werden, sondern aus dem Spendenaufkommen vergütet werden. Aus wirtschaftlicher Sicht werde in dieser Konstellation eine Dienstleistung gegen Entgelt erbracht.440 Die Spende sei das Entgelt für die Vermittlung eines guten Gefühls/Gewissens. Diese Dienstleistung werde auf einem Markt erbracht, auf dem mehrere Anbieter um Spenden konkurrierten.441 Konsequenz dieser Auffassung ist, dass Spendenwerbung sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich der Art und Weise ihrer Durchführung am UWG zu messen ist. Unzulässig sind demnach unzumutbar belästigende (§ 7) oder sonst unlautere Spendenwerbungen (§ 3). Insbesondere soll eine unlautere Irreführung vorliegen, wenn eine Organisation mehr
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436 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 13 (weltanschauliche Äußerungen). 437 OLG Köln 7.12.2012 – 6 U 69/12 – MMR 2013, 516, 517 (Werbeanruf für den Hausnotruf einer Wohlfahrtsorganisation); LG Berlin 14.2.2013 – 91 D 105/12 – juris Tz. 68 (Ausbildungsveranstaltungen). 438 BVerfG 16.10.1968 – 1 BvR 241/66 – BVerfGE 24, 236, 237 = GRUR 1969, 137, 138 – Aktion Rumpelkammer. 439 BVerfG 16.10.1968 – 1 BvR 241/66 – BVerfGE 24, 236, 237 = GRUR 1969, 137, 138 – Aktion Rumpelkammer; LG Köln 11.12.2007 – 33 O 195/07 – GRUR-RR 2008, 198 f. – Spendenwerbung; LG Berlin 22.7.2011 – 15 O 138/11 – WRP 2012, 237, 238 f. – Gemeinnütziges Festival (Förderung gemeinnütziger oder wohltätiger Zwecke durch das Einwerben von Spenden ggf. keine Wettbewerbshandlung). 440 Köhler GRUR 2008, 281, 283 f. m.w.N.; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 39; Emmerich § 3 Rn. 17. 441 Voigt Idealvereine, S. 71 ff.; Voigt GRUR 2006, 466 ff.; Köhler GRUR 2008, 281 ff.
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verspricht als sie tatsächlich leistet und dadurch die berechtigten Erwartungen der Spender enttäuscht werden.442 Diese ökonomische Betrachtungsweise und Regulierung des karitativen Spen- 238 denwesens vermag nicht zu überzeugen. Um Spenden werbende Kirchen und Idealvereine sind keine Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs.443 Vielmehr handeln sie nach zutreffender Auffassung der Rechtsprechung grundsätzlich außerhalb des geschäftlichen Verkehrs. Zwar kann man das Spendenwesen wie praktisch jeden anderen Lebensbereich mit ökonomischen Begriffen wie dem „Markt für Spenden“ und dem „Wettbewerb der Spendenorganisationen“ analysieren.444 Verfehlt ist dann aber zumindest die normative Folgerung aus dieser ökonomischen Betrachtungsweise, dass nämlich der Spendenmarkt als Markt „rechtlich wie andere Märkte zu behandeln“ sei.445 Wäre diese Aussage zutreffend, würde das UWG sämtliche Handlungssphären regu- 239 lieren, die sich in der Terminologie des Marktes und des Wettbewerbs beschreiben lassen. Auf „Märkte“ für Ideen, für Glaubensinhalte, für politische Inhalte usw. und den dort herrschenden Wettbewerb unter Wissenschaftlern, Religionsgemeinschaften und politischen Parteien aber ist das UWG unstreitig und nach erklärter Absicht des historischen Gesetzgebers nicht anwendbar. Zweck und Regelungsinhalt des UWG sind auf wirtschaftlichen Wettbewerb und seine Funktionen zur effizienten Bedürfnisbefriedigung zugeschnitten. Die Kommunikation über Wahrheit, Glaube, Politik und wohltätige Gaben unterliegt anderen Vorschriften, da es in diesen Bereichen nicht darum geht, einen möglichst intensiven Wettbewerb von Unternehmen vor Verfälschungen zu schützen und im Übrigen rechtlich freizustellen. Im Gegenteil. Diese gesellschaftlichen Sphären sollen nach der Rechtsordnung grundsätzlich nicht auf einem Austausch von Wissen, Glauben, Macht und Gaben etc. gegen Entgelt basieren. Die Anwendung des Lauterkeitsrechts auf das mildtätige Spendenwesen etc. würde hingegen zu einer Ökonomisierung außergeschäftlicher Handlungssphären führen, die hierdurch regulativ und in ihrer Wahrnehmung verzerrt und auf Dauer zersetzt werden können. So würde eine lauterkeits- und verbraucherschutzrechtliche Normierung der Spende als eines Entgelts für eine Dienstleistung dazu beitragen, die Idee der wohltätigen Gabe insgesamt zu unterminieren. Ein vermeintliches Sanktionsdefizit im Bereich der Spendenwerbung rechtfertigt 240 die Anwendung des UWG ebenfalls nicht.446 Straßen- und Haussammlungen bedürfen nach dem Sammlungsrecht der Länder der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis. Hierbei wird insbesondere geprüft, ob Gewähr für die ordnungsmäßige Durchführung der Sammlung und für die zweckentsprechende, einwandfreie Verwendung des Sammlungsertrages gegeben ist und nicht zu befürchten ist, dass die Unkosten der Sammlung in einem offensichtlichen Missverhältnis zum Reinertrag der Sammlung stehen werden.447 Mit dem Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen existiert außerdem eine gesellschaftliche Institution, die die Öffentlichkeit über die Seriosität von Spendenorganisationen informiert und ein Spenden-Siegel erteilt.448
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442 Köhler GRUR 2008, 281, 284 f.; Götting/Nordemann § 2 Rn. 23; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 43; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 27. 443 Dazu § 2 Rn. 81. 444 Voigt GRUR 2006, 466, 469 („Wettbewerb ist sprachlich gesehen der Wettstreit mehrerer Beteiligter um die beste Leistung, um eine führende Stellung.“). 445 Insbesondere Voigt GRUR 2006, 466, 470. 446 So aber insbes. Voigt GRUR 2006, 466, 470. 447 Vgl. z.B. § 1 f. SammlG Rheinland-Pfalz. 448 Dazu Stiftung Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen, www.dzi.de.
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Anwendbar ist das UWG hingegen auf geschäftliche Handlungen im Zuge der Durchführung eines Spendenprojekts. Dies betrifft zum Beispiel den Fall, dass ein Musikverlag per E-Mail Preisanfragen an Hotels sendet, in denen Künstler untergebracht werden sollen, die auf einem vom Verlag veranstalteten Wohltätigkeitsmusikfestival auftreten. 449 Ferner unterliegt der planmäßige, entgeltliche Vertrieb von Produkten durch eine Spendenorganisation dem UWG, auch wenn aus dem Erlös karitative Aufgaben bestritten werden.450 Schließlich kann sich aus den Umständen ergeben, dass ein Unternehmen Absatzförderung unter dem Deckmantel der Werbung um gemeinnützige Spenden betreibt. Ruft ein Unternehmen in einer „Charity-Aktion“ per E-Mail zu Spenden auf und nennt dabei mehrfach und in optisch hervorgehobener Form seinen Namen, ist ein ausreichender, weil mehr als für die Spendenwerbung notwendiger, objektiver Zusammenhang zur Förderung des eigenen Wettbewerbs gegeben.451
hh) Wettbewerb zwischen Idealvereinen, Gewerkschaften und politischen Parteien. Nicht nur der Wettbewerb unter Spendenorganisationen um mildtätige Gaben vollzieht sich außerhalb des UWG. Generell gilt, dass das außergeschäftliche Verhalten nicht wirtschaftlicher Vereine und Organisationen nicht dadurch zu einer geschäftlichen Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 wird, dass diese Institutionen in Konkurrenz zueinander um Mitglieder bzw. Anhänger werben. Demgemäß unterliegt die reine Mitgliederwerbung von Gewerkschaften, Unter243 nehmensverbänden und anderen Idealvereinen nach ständiger Rechtsprechung nicht dem UWG, sondern dem allgemeinen Deliktsrecht.452 Voraussetzung hierfür ist freilich, dass die Mitgliedsbeiträge tatsächlich der Erfüllung außergeschäftlicher, etwa sozialpolitischer Ziele dienen und nicht satzungsgemäß oder in mehr als für die ideellen Zwecke notwendiger Weise faktisch für Unternehmenszwecke verwendet werden. In diesem Fall ist den Bedingungen und Funktionen einer spezifisch koalitionsmäßigen Betätigung i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG/12 Abs. 1 Charta bzw. anderen, nicht wirtschaftlichen Handlungszusammenhängen Rechnung zu tragen. Während das allgemeine Deliktsrecht hierfür die nötige Flexibilität aufweist, ist das UWG auf den wirtschaftlichen Wettbewerb im geschäftlichen Verkehr und damit anders geartete Interessenkonflikte zugeschnitten.453 Neben der Werbung um Mitglieder unterfällt auch die Führung eines bestimmten 244 Vereinsnamens oder einer sonstigen Bezeichnung nicht dem UWG, wenn die Aktivitäten des Idealvereins ganz überwiegend nicht im geschäftlichen Verkehr, sondern etwa im sportlichen Bereich angesiedelt sind. Nur wenn unter dem Deckmantel einer nicht wirtschaftlichen Organisation Absatzförderung betrieben wird, liegt insoweit eine geschäftliche Handlung vor.454 242
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449 LG Berlin 22.7.2011 – 15 O 138/11 – WRP 2012, 237, 238 f. – Gemeinnütziges Festival. 450 BGH 16.1.1976 – I ZR 32/75 – NJW 1976, 753 f. – UNICEF-Grußkarten. 451 Unter Geltung des UWG 1909 offengelassen von AG Hannover 19.2.2003 – 526 C 15759/02 – GRUR-RR 2003, 322, 323 – Spendenaufruf. 452 BGH 6.10.1964 – VI ZR 176/63 – BGHZ 42, 210, 218 = NJW 1965, 156 – Gewerkschaften; BGH 15.11.1967 – Ib ZR 137/65 – GRUR 1968, 205, 207 – Teppichreinigung (Rundschreiben eines Fachverbands an einschlägige Fachbetriebe zu Methoden der Teppichreinigung); BAG 11.11.1968 – 1 AZR 16/68 – NJW 1969, 861, 862; OLG Hamburg 1.2.1983 – 3 W 10/83 – GRUR 1983, 389 – Wettbewerbsvereine; OLG Köln 21.8.1989 – 6 W 72/89 – WRP 1990, 544–545. 453 BGH 6.10.1964 – VI ZR 176/63 – NJW 1965, 29, 32 (öffentliche Auseinandersetzung zweier Gewerkschaften darüber, wer eine umworbene Berufsgruppe in sozialpolitischer Hinsicht besser betreut); BGH 5.2.1980 – VI ZR 174/78 – GRUR 1980, 309 – Straßen- und Autolobby. 454 BGH 28.11.1969 – I ZR 139/67 – NJW 1970, 378, 380 f. – Sportkommission.
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Schließlich unterliegt die Wahlwerbung politischer Parteien nicht dem UWG. Po- 245 litische Überzeugungen und Machtpositionen sind keine kommerzialisierbaren Waren im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1.455 Zudem gelten für Wahlwerbung spezielle Vorschriften, die auf die Besonderheiten des politischen Meinungskampfs Rücksicht nehmen.456 Benutzt eine Partei eine bekannte Marke oder Unternehmensbezeichnung in identischer oder abgewandelter Form, kann ein Eingriff in das Rahmenrecht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegen.457 ii) Äußerungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens: Kommunikation im 246 Rechtssystem. Grundsätzlich außerhalb des geschäftlichen Verkehrs angesiedelt sind ferner Äußerungen im Rahmen eines rechtsförmigen Verfahrens vor Behörden oder Gerichten.458 Die Kommunikation im Rechtssystem über die Frage Recht/Unrecht unterliegt nicht dem Lauterkeits- und sonstigen Deliktsrecht, sondern den speziell einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen. Es wäre mit der rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar, wenn Parteien in einem lauterkeitsrechtlichen Rechtsstreit verurteilt werden könnten, Erklärungen zu widerrufen oder zu unterlassen, die sie in einem anderen Verfahren abgegeben haben. Ob ein Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden.459 Daher stellt zum Beispiel ein rechtsmissbräuchliches Gebot im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens keine geschäftliche Handlung dar.460 Anders ist zu entscheiden, wenn die Äußerung keinen erkennbaren Bezug zum Ver- 247 fahren oder Rechtsstreit aufweist, sondern unter dem Deckmantel verfahrensmäßiger Erklärungen Wettbewerbsförderung betrieben wird.461 Ein in diesem Sinne mehr als für die Rechtsverfolgung notwendiger Zusammenhang zum geschäftlichen Verkehr kann nach den Umständen des Falles zum Beispiel dadurch hergestellt werden, dass ein Schriftsatz an das Gericht im Internet veröffentlicht und darin in der Sache Werbung betrieben wird.462 Für eine als rechtsförmige Erklärung getarnte geschäftliche Handlung kann sprechen, dass die Äußerung offensichtlich oder bewusst unwahr oder unhaltbar ist.463 Freilich darf nicht vom qualitativen Unwerturteil auf die Anwendbarkeit des UWG rückgeschlossen werden. Ob eine geschäftliche Handlung vorliegt, ist anhand ihres objektiven Erklärungsgehalts aus der Sicht eines durchschnittlichen Adressaten zu entscheiden. Die offensichtliche Unwahrheit oder Unhaltbarkeit einer wettbewerbsbezogenen Äußerung in einem rechtsförmigen Verfahren stellt lediglich ein Indiz für einen mehr als für die Rechtsverfolgung notwendigen Konnex zum geschäftlichen Verkehr dar. Der Schriftverkehr im Vorfeld eines rechtsförmigen Verfahrens, insbesondere in 248 Gestalt einer Abmahnung wegen eines vermeintlich rechtswidrigen Verhaltens eines Mitbewerbers oder sonstigen Marktteilnehmers, ist dem UWG hingegen grundsätzlich nicht entzogen. Hier kommt es wie bei anderen unternehmensbezogenen Äußerungen maßgeblich auf den Inhalt der Erklärung an.464 Einer bloßen Bitte um Verlängerung einer von
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455 Vgl. §§ 108b, 108e StGB. 456 VG Minden 28.2.2007 – 3 K 620/05 – juris Rn. 74. 457 OLG Hamburg 12.9.1997 – 3 U 202/97 – NJW-RR 1998, 552. 458 Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 34; Nordemann Rn. 68; Gomille WRP 2009, 525, 526. 459 BGH 11.12.2007 – VI ZR 14/07 – NJW 2008, 996 Tz. 13, 17 – Ehrenschutzklage. 460 LG Augsburg 19.4.2010 – 8 O 4038/09 – juris Rn. 21. 461 Allgemein BGH 11.12.2007 – VI ZR 14/07 – NJW 2008, 996 Tz. 13, 17 – Ehrenschutzklage. 462 Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 34. 463 Siehe Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 34. Allgemein BGH 11.12.2007 – VI ZR 14/07 – NJW 2008, 996 Tz. 13, 17 – Ehrenschutzklage. 464 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 87.
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den Rechtsanwälten der Gegenseite gesetzten Stellungnahmefrist fehlt der erforderliche Marktbezug.465 Selbiges gilt für wahrheitswidrige Angaben im vorprozessualen Schriftverkehr mit der Gegenseite.466 249
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jj) Sportliche Wettbewerbe. Wirtschaftlicher Wettbewerb und seine lauterkeitsrechtliche Regulierung werden seit jeher gern mit Metaphern aus der Welt des Sports erklärt. So wie der gedopte Radfahrer gegen die Regeln der Fairness verstoße, verschaffe sich ein Unternehmer in verbotener Weise Vorteile im wirtschaftlichen Wettbewerb, wenn er Konsumenten täusche oder zum Geschäftsabschluss zwinge.467 Unter dem Eindruck der Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports werden diese begrifflichen Parallelen in jüngerer Zeit zum Anlass genommen, Verhaltensweisen im sportlichen Wettkampf wie namentlich das Doping am UWG zu messen.468 Profisportler böten als Unternehmer gegen Entgelt sportliche Leistungen an. Sportlicher Wettkampf müsse wie der Wettbewerb zwischen Konkurrenten auf anderen Märkten fair und regelkonform ablaufen.469 Eine solche Ausdehnung des Lauterkeitsrechts auf den sportlichen Wettbewerb ist abzulehnen. Zunächst vermengen die Vertreter dieser Auffassung den sportlichen Wettkampf als solchen mit der Vermarktung des Sports.470 Profisportler agieren als Unternehmer zweifellos im geschäftlichen Verkehr, wenn sie etwa auf dem Trikot für fremde Unternehmen werben oder ihre eigene Prominenz vermarkten, indem z.B. Produkte mit dem Namen oder dem Bild des Sportlers vertrieben werden.471 Selbiges gilt für Sportverbände, die Sportereignisse vermarkten. Der Wettstreit unter Sportlern als solcher unterliegt indes nicht dem Lauterkeitsrecht, sondern primär den für das jeweilige Spiel geltenden Regeln und Sanktionen.472 Dabei ist zu beachten, dass sich wirtschaftlicher Wettbewerb im Sinne des UWG und sportlicher Wettkampf prinzipiell unterscheiden. Während Ersterer hinsichtlich der Teilnehmerzahl und der wirtschaftlichen Entscheidungen der Marktteilnehmer grundsätzlich freigestellt wird, sind sportliche Betätigungen vollständig durchreglementiert. Dieses autonome Regelwerk muss vom UWG unberührt bleiben, um die Funktionsweise des Sports als eigenständiger gesellschaftlicher Sphäre zu gewährleisten.473 Würde ein regelwidrig erzieltes und fehlerhaft gewertetes Tor im Fußball lauterkeitsrechtliche Ansprüche auslösen, wäre ein geordneter Spielbetrieb unmöglich, da das endgültige Ergebnis erst Monate später feststünde. Diese Erwägungen gelten entsprechend für die rechtliche Beurteilung des Dopings. Welches Verhalten unerlaubtes Doping darstellt und wie hiergegen vorgegangen werden kann, ist mit Rücksicht auf die Bedingungen und Funktionsweisen
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465 OLG Hamburg 12.9.2007 – 5 U 208/06 – OLGR Hamburg 2008, 76, 76 = juris Rn. 25 f. 466 BGH 10.1.2013 – I ZR 190/11 – GRUR 2013, 945 Tz. 29 – Standardisierte Mandatsbearbeitung. 467 Nordemann Rn. 3 (Tour de France). 468 U. Fischer EuZW 2002, 297 ff.; Frisinger/Summerer GRUR 2007, 554 ff.; zweifelnd Harte/Henning/ Keller § 2 Rn. 29. 469 Zur Rechtfertigung von Anti-Doping-Regeln siehe EuGH 18.7.2006 – C-519/04 P – EuZW 2006, 593, Tz. 45 („Eine solche Beschränkung ist nämlich mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettkampfs untrennbar verbunden und dient gerade dazu, einen fairen Wettstreit zwischen den Sportlern zu gewährleisten“). 470 Beides vermengend Frisinger/Summerer GRUR 2007, 554, 556. 471 Götting/Nordemann § 2 Rn. 9; Nordemann Rn. 64. 472 BGH 28.11.1969 – I ZR 139/67 – NJW 1970, 378, 380 f. – Sportkommission. 473 Gegen Frisinger/Summerer GRUR 2007, 554, 557.
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des Sports durch Sportverbandssatzungen und ggf. spezialgesetzlich zu regeln.474 Etwaige Sanktionsdefizite rechtfertigen die Anwendung des UWG wie generell nicht. Sie zu beheben, ist eine politische Entscheidung, zu der der Wettbewerbsrichter nicht berufen ist. kk) Keine Erweiterung des Anwendungsbereichs des UWG über wettbewerbs- 254 rechtliche Verkehrspflichten. Nach ständiger Rechtsprechung zum UWG 1909 haftete derjenige in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB als Störer, der auch ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten in der Weise beteiligt ist, dass er unter Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkte.475 Zwar setzte die Störerhaftung voraus, dass ein Dritter einen Wettbewerbsverstoß begangen hatte.476 Das Verhalten des Störers aber wurde auch ohne Wettbewerbsförderungsabsicht dem UWG unterworfen, obwohl dieses Merkmal eigentlich zu den Anwendungsvoraussetzungen des Gesetzes zählte. Diese Rechtsprechung ist seit der Entscheidung „Jugendgefährdende Medien bei 255 eBay“ überholt. Demnach begeht derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einer ihm zurechenbaren Weise die Gefahr eröffnet, dass Dritte lauterkeitsrechtlich relevante Interessen von Marktteilnehmern verletzen, selbst eine Zuwiderhandlung gegen das UWG, wenn er diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt. Eine solche täterschaftliche Haftung wegen Verletzung einer lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflicht kommt nur in Betracht, wenn das angegriffene Tun oder Unterlassen eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 darstellt.477 Rein private, hoheitliche oder sonst außergeschäftliche Handlungen (z.B. re- 256 daktionelle Beiträge) unterfallen hingegen auch dann nicht dem UWG, wenn hierdurch die Gefahr eröffnet wird, dass Dritte im geschäftlichen Verkehr gegen das UWG verstoßen. Allenfalls können derartige Verhaltensweisen eine Erstbegehungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 2 auslösen, die dann aber wiederum nur Ansprüche gegen eine erst drohende, unzulässige geschäftliche Handlung nach sich zieht. 8. Verhalten bei einem Geschäftsabschluss, das mit dem Abschluss eines Ver- 257 trags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Die zweite Phase des Marktverhaltens, auf das sich das UWG gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 erstreckt, betrifft jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens bei einem Geschäftsabschluss, das mit dem Abschluss eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Das UWG ist also nicht auf absatz- oder bezugsfördernde Maßnahmen vor Aufnahme konkreter Vertragsverhandlungen beschränkt, sondern reicht in zeitlicher Hinsicht weiter.
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474 Hieran für die lauterkeitsrechtliche Prüfung anknüpfend Fischer EuZW 2002, 297 ff.; Frisinger/ Summerer GRUR 2007, 554 f. 475 BGH 2.5.1991 – I ZR 227/89 – GRUR 1991, 769, 770 – Honoraranfrage; BGH 7.3.1996 – I ZR 33/94 – GRUR 1996, 798, 799 f. – Lohnentwesungen; BGH 10.4.1997 – I ZR 3/95 – GRUR 1997, 909, 911 – Branchenbuch-Nomenklatur. 476 BGH 12.10.1989 – I ZR 29/88 – GRUR 1990, 373, 375 – Schönheits-Chirurgie (eigene Wettbewerbsförderungsabsicht des Störers nicht erforderlich); BGH 28.11.1996 – I ZR 184/94 – GRUR 1997, 473, 474 – Versierter Ansprechpartner. 477 Zur Pressehaftung für getarnte Werbung BGH 3.2.1994 – I ZR 321/91 – GRUR 1994, 441, 442 f. – Kosmetikstudio; BGH 30.6.1994 – I ZR 40/92 – GRUR 1994, 841, 842 – Suchwort; BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – GRUR 2007, 890 Tz. 22, 24 – Jugendgefährdende Medien bei eBay.
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a) Die Rechtslage nach UWG 1909 und UWG 2004. Anders stellte sich die Rechtslage nach früherem Recht dar. Rechtsprechung und herrschende Meinung gingen davon aus, dass der vom UWG regulierte Wettbewerb mit dem erstrebten Geschäftsabschluss sein Ende finde und das Rechtsverhältnis zwischen bestimmten Vertragsparteien grundsätzlich nur anhand des Vertragsrechts zu beurteilen sei. Auf vorvertragliches Verhalten wendete die Rechtsprechung nur dann das UWG an, 259 wenn die streitgegenständliche Handlung vom Unternehmer in einer Mehrzahl von Fällen systematisch, planmäßig und gezielt vorgenommen wurde. Mit dieser Maßgabe wurden etwa Vertragsvordrucke untersagt, die den Vorschriften des Abzahlungsgesetzes widersprachen und so den falschen Eindruck erweckten, die getätigten Vertragsabschlüsse unterlägen keinem gesetzlichen Widerrufsrecht.478 Auch Vertragsangebote, die in irreführender Weise wie Rechnungen aufgemacht waren, wurden als unlauter verboten.479 Unter Geltung des UWG 2004 ging die Rechtsprechung bereits dazu über, etwa die Verwendung inhaltlich unzureichender Widerrufsbelehrungen generell und ohne Rücksicht auf ein systematisches Vorgehen als Wettbewerbshandlung einzuordnen. Ein solches Verhalten wirke sich auch im Einzelfall über die zweiseitige Vertragsbeziehung auf den Wettbewerb aus, da der betreffende Verbraucher davon abgehalten werde, sich für gleichartige Konkurrenzangebote zu interessieren.480 b) Vorgaben der UGPRL und Umsetzung im UWG. Die UGPRL und in ihrem Gefolge das UWG 2008 basieren auf abweichenden wettbewerbstheoretischen Grundannahmen. Demnach gilt, dass nach einem Geschäftsabschluss vor einem Geschäftsabschluss ist. In der Tat erschöpfen sich geschäftliche Handlungen und hierzu korrespondierende geschäftliche Entscheidungen bei und nach dem Abschluss eines Produktvertrags nicht in der Begründung und Erfüllung zweiseitiger, vertraglicher Pflichten. Vielmehr wirkt sich Verhalten in dieser Marktphase auf weitere geschäftliche Handlungen der Vertragsparteien im Verhältnis zu Dritten sowie auf andere Marktteilnehmer aus, denen der Erfolg dieses Geschäftsabschlusses und sich ggf. anschließende Handelsgeschäfte sowie hieraus erwachsende, weitere Wettbewerbsvorteile vorenthalten bleiben. Ein Handelsgeschäft bildet somit keine den Wettbewerb vorübergehend beendende Zäsur, sondern lediglich einen Zwischenschritt in einem prinzipiell unabgeschlossenen, vielseitig verflochtenen Wettbewerb. Jener kann nicht nur vor, sondern eben auch bei und nach einem Geschäftsabschluss verfälscht werden, weshalb das UWG auch in diesen Marktphasen anwendbar ist. Damit ist der Grundsatz des früheren Rechts überholt, dass Verhaltensweisen, die im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses bei oder nach Vertragsschluss erfolgen, nur ausnahmsweise dem UWG unterliegen.481 Erwägungsgrund 13 der UGPRL erläutert die Anwendbarkeit der Richtlinie auf Ver261 halten eines Gewerbetreibenden, das „unmittelbar mit … dem Verkauf … eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“ (Art. 2 lit. d UGPRL) bzw. auf „unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern … während … [des] Abschluss[es] eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“ (Art. 3 Abs. 1 UGPRL) nicht im vorstehend erläuterten, wettbewerbsfunktionalen Sinne, sondern entsprechend der ver-
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478 BGH 7.5.1986 – I ZR 95/84 – GRUR 1986, 816, 818 f. m.w.N. – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. 479 BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 416 –Wirtschaftsregister. 480 OLG Frankfurt a.M. 14.12.2006 – 6 U 129/06 – GRUR-RR 2007, 56, 57 f. – sprechender Link. 481 BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 25 – Änderung der Voreinstellung II (Begr. d. RegE zu § 2 Nr. 2, BTDrucks. 16/10145, S. 40; vgl. auch Sosnitza WRP 2008, 1014, 1017).
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braucherschützenden Perspektive und Teleologie der Richtlinie. Demnach hat die Geltung des Verbots unlauterer Geschäftspraktiken „sowohl außerhalb einer vertraglichen Beziehung zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern als auch nach Abschluss eines Vertrags und während dessen Ausführung“ den Zweck, das Verbrauchervertrauen im Binnenmarkt zu fördern.482 Das UWG erfasst gem. §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 hingegen nicht nur 262 den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern, sondern das gesamte Marktverhalten. Da dieses Marktverhalten grundsätzlich einheitlichen Maßstäben unterliegen soll, kam der deutsche Gesetzgeber nicht umhin, die Grundstrukturen der vollharmonisierenden UGPRL auf sämtliche geschäftlichen Handlungen auszudehnen. Dies betrifft auch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des UWG auf geschäftliche Handlungen „während“ (so Art. 2 lit. d UGPRL) bzw. „bei“ (so § 2 Abs. 1 Nr. 1) einem Geschäftsabschluss.483 Hiermit sind nicht nur Produktverkäufe an Verbraucher gemeint, sondern sämtliche Verträge über Waren oder Dienstleistungen, an denen zumindest ein Unternehmer beteiligt ist. Eine lauterkeitsrechtliche Regulierung vertragsbezogenen Verhaltens schützt nicht nur Verbraucher, sondern gem. § 1 alle Marktteilnehmer im Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb. c) Bei einem Geschäftsabschluss. Das UWG reguliert nicht jedes Verhalten, son- 263 dern nur das Marktverhalten im geschäftlichen Verkehr. Dementsprechend bezieht sich der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 1 nicht auf jeden beliebigen Vertrag, sondern nur auf den Abschluss eines „Geschäfts“ bzw. auf Verträge „über Waren oder Dienstleistungen“. Art. 3 Abs. 1 UGPRL spricht von einem „auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäft“. aa) Vertragstypen. Der Begriff des „Geschäfts“ signalisiert, dass hiermit nicht nur 264 der „Verkauf“ von Waren oder Dienstleistungen im Sinne der §§ 433, 453 BGB gemeint ist.484 Vielmehr sind zunächst alle entgeltlichen Verträge über den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen unabhängig von ihrer vertragstypologischen Einordnung erfasst. Auch unentgeltliche Verträge wie Aufträge, Auslobungen, (gemischte) Schenkun- 265 gen (z.B. Werbegeschenke, Zugaben), Leih- und Garantieverträge werden von oder zugunsten von Unternehmen im geschäftlichen Verkehr abgeschlossen und stellen dann „Geschäfte“ i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 dar.485 Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen betreffen den Absatz oder Bezug 266 von Produkten im geschäftlichen Verkehr und werden zugunsten der beteiligten Unternehmen abgeschlossen. Sie können also durchaus zu den Geschäftsabschlüssen gezählt werden, bezüglich derer das UWG unlautere Verhaltensweisen untersagt. Das gilt jedoch im Interesse der Einheit des Wirtschaftsrechts nur, wenn eine solche Vereinbarung kartellrechtlich unbedenklich, also namentlich gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV, § 2 GWB freigestellt ist. Kartellrechtswidrige und damit nichtige Vereinbarungen sind keine lauterkeitsrechtlich schutzwürdigen Geschäfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1.486
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482 Siehe EG 13 S. 3 UGPRL. 483 Siehe RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 12, 20 f. Zur Wortwahl „bei“ einem Geschäftsabschluss siehe Rechtsausschuss UWG 2008, BTDrucks. 16/11070, S. 5 (Abweichung vom Richtlinienwortlaut aus grammatikalischen, nicht inhaltlichen Gründen). 484 Siehe hingegen Art. 2 lit. d UGPRL. 485 Köhler WRP 2009, 898, 900. 486 Die Anwendbarkeit des UWG generell verneinend Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 33.
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Erb- und familienrechtliche Verträge betreffen hingegen nicht den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen, sofern sie nur die Vermögensnachfolge von Todes wegen oder familiäre Rechtsbeziehungen regeln.487 Gesellschaftsverträge unterliegen typischerweise ebenfalls nicht dem UWG, da sie nur die rechtliche Binnenstruktur eines Unternehmens festlegen, ohne nach außen auf das Marktverhalten einzuwirken.488 Anders kann sich die Sachlage im Einzelfall darstellen, wenn ein Erb-, Ehe- oder Gesellschaftsvertrag Pflichten zur marktmäßigen Lieferung von Produkten durch ein Unternehmen umfasst. Zumindest insoweit kann ein Geschäftsabschluss i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 vorliegen. 268 Grundsätzlich unerheblich ist, ob der Vertrag wirksam zustande kommt.489 Gerade ein Verhalten, das den falschen Eindruck erweckt, es bestehe eine durchsetzbare vertragliche Verpflichtung zum Absatz oder Bezug von Produkten, kann wettbewerbsverfälschende Wirkungen aufweisen. Anders verhält es sich nur bei kartellrechtswidrigen Vereinbarungen und nicht 269 handelbaren Gütern, bezüglich derer jedes Verpflichtungsgeschäft gem. §§ 134, 138 Abs. 1 nichtig ist. In einer solchen Konstellation liegt kein Vertrag über eine „Ware oder Dienstleistung“ vor, sondern eine von der Rechtsordnung per se missbilligte Abrede, die unter keinen Umständen das Siegel der Lauterkeit erhalten kann und deshalb auch nicht lauterkeitsrechtlich relevant ist.490 bb) Geschäft zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens. Das Geschäft muss sich zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens auswirken können. Dies ist typischerweise der Fall, wenn am Vertrag zumindest ein Unternehmer beteiligt ist, der eigene Waren oder Dienstleistungen absetzt oder im eigenen unternehmerischen Interesse Produkte nachfragt. Anders als die UGPRL erfasst das UWG insoweit nicht nur Produktabsatzverträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C), sondern ferner Verträge, mit denen Unternehmer Produkte von Verbrauchern nachfragen (C2B), Geschäfte zwischen Unternehmern (B2B)491 sowie Geschäfte zwischen Unternehmern und nicht unternehmerisch tätigen, sonstigen Marktteilnehmern wie etwa dem Staat oder Idealvereinen. 271 Ist an einem Vertrag über Waren oder Dienstleistungen nur ein Unternehmer beteiligt und agiert dieser ausschließlich zu außergeschäftlichen Zwecken, liegt kein „Geschäft“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 vor, da kein Unternehmen im Wettbewerb gefördert wird.492 272 Sind an einem Vertrag hingegen nur Verbraucher oder nicht unternehmerisch agierende sonstige Marktteilnehmer (z.B. Idealvereine) beteiligt, fehlt es grundsätzlich bereits an einem gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 erforderlichen Unternehmensbezug. Solch gelegentliche, nicht planmäßige Vertragsbeziehungen zählen ebenso wenig zum geschäftlichen Verkehr wie die Werbung eines privaten Anbieters von Waren oder Dienstleistungen.493
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487 Köhler WRP 2009, 898, 900. 488 Köhler WRP 2009, 898, 900. 489 Köhler WRP 2009, 898, 900. 490 § 2 Rn. 116 ff. 491 Ein Geschäft ist auch gegeben, wenn eine Vertragspartei zu außergeschäftlichen Zwecken handelt, z.B., wenn ein Unternehmer eine nicht als Werbung getarnte politische Anzeige bei einem Presseunternehmen schaltet. Die politische Meinungsäußerung stellt als solche keine geschäftliche Handlung dar, wohl aber die hierfür erforderlichen Geschäftsabschlüsse. 492 Z.B., wenn ein Unternehmer von einer Kirchengemeinde Einrichtungsgegenstände zu einem Preis über dem Marktpreis erwirbt und diese Gegenstände zu karitativen Zwecken spendet. 493 Z.B. Privatverkäufe auf Flohmärkten oder im Internet oder der Verkauf einer Schankraumausstattung durch einen Fußballverein an den anderen.
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Ein von einem Nicht-Unternehmer abgeschlossener Produktvertrag kann aber nach 273 Maßgabe der Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise dem UWG unterfallen, wenn hiermit zugleich der Wettbewerb eines fremden, am Vertrag nicht beteiligten Unternehmens gefördert werden soll. Indem dieser Bezug hergestellt wird, wird aus dem rein privaten Vertrag ein „Geschäft“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1. cc) Zeitliche Dimension: Bei einem Geschäftsabschluss. § 2 Abs. 1 Nr. 1 unter- 274 scheidet drei Phasen des Marktverhaltens, nämlich das Verhalten vor, bei und nach einem Geschäftsabschluss. Der mittlere dieser drei Abschnitte erstreckt sich von der Aufnahme von Vertragsverhandlungen494 bis zum Beginn von Erfüllungshandlungen („Durchführung“).495 Während eine invitatio ad offerendum noch der Absatz- oder Bezugsförderung vor 275 einem Geschäftsabschluss angehört,496 fallen in diese zweite Phase Verhaltensweisen im Hinblick auf den Abschluss des Vertrages wie ggf. durch Vertreter oder Boten erklärte bzw. übermittelte Angebote und Annahmen gem. §§ 145 ff. BGB, Widerrufe von noch nicht zugegangenen Willenserklärungen gem. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB, kaufmännische Bestätigungsschreiben sowie Maßnahmen zur Vereitelung der Abgabe oder des Zugangs von Erklärungen.497 Noch den Geschäftsabschluss und nicht die sich anschließende „Durchführung“ des 276 Vertrages betreffen die Zurückweisung einer wirksamen Annahmeerklärung als verspätet und das Angebot zur Änderung, Auflösung oder Rückgängigmachung eines Vertrags.498 Auch derartige Verhaltensweisen ereignen sich lauterkeitsrechtlich noch „bei“ einem Vertragsabschluss. Erst mit Erfüllungshandlungen treten die Parteien in die dritte und letzte Phase des Marktverhaltens „nach“ einem Geschäftsabschluss ein. d) Objektiver Zusammenhang. Nicht jedes irgendwie mit einem Geschäftsab- 277 schluss in Verbindung stehende Verhalten unterliegt dem UWG, sondern nur ein solches, das mit diesem Aspekt des Marktverhaltens objektiv zusammenhängt. Die Bedeutung dieses Kriteriums ist umstritten. aa) Vertragsbezogenes Verhalten von besonderem Gewicht. Nach einer Auffas- 278 sung weist ein Verhalten bei einem Geschäftsabschluss nur dann einen objektiven Zusammenhang zum Marktverhalten auf, wenn hiermit über das einzelne Vertragsverhältnis hinausgehende Effekte auf den Wettbewerb ausgelöst werden.499 Dem vertragsbezogenen Verhalten müsse nach Ausmaß und Umfang ein besonderes Gewicht zukommen,500 zum Beispiel dadurch, dass eine Vielzahl von Kunden betroffen ist bzw. eine ganze Geschäftsstrategie in Streit steht.501 Versehentliche, objektiv geringfügige Vertragsverletzungen, die sich nur auf das zweiseitige Verhältnis auswirken, sollen hingegen nicht dem UWG unterliegen.502 Dem ist nicht zu folgen. Die vorgenannten Kriterien entsprechen den Voraussetzun- 279 gen, unter denen die Rechtsprechung zum UWG 1909 und UWG 2004 ausnahmsweise
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494 495 496 497 498 499 500 501 502
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Vgl. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eingehend Schmidtke S. 99 ff. Köhler WRP 2009, 898, 901. Köhler WRP 2007, 1393, 1396; Köhler WRP 2009, 898, 901. Köhler WRP 2009, 898, 901. Glöckner WRP 2009, 1175, 1181 f. Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 41. Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 35; Beater Rn. 907. Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 41.
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Definitionen
vertragsbezogene Verhaltensweisen am UWG gemessen hat. Diese Rechtspraxis aber ist nach erklärter Absicht des Gesetzgebers überholt.503 In Umsetzung der abweichenden Konzeption der UGPRL unterliegt nunmehr nicht nur Verhalten vor, sondern auch bei und nach Vertragsabschluss dem UWG, ohne dass § 2 Abs. 1 Nr. 1 insoweit unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen formuliert. Folglich ist das Kriterium des objektiven Zusammenhangs in allen drei Phasen 280 des Marktverhaltens einheitlich auszulegen. Eine Auswirkung auf das gesamte Wettbewerbsgeschehen ist weder für vorgeschäftliche noch für vertragsbezogene Verhaltensweisen erforderlich. Dies ergibt sich auch aus dem Erfordernis, dass nur spürbare unlautere geschäftliche Handlungen gem. § 3 unzulässig sind. Dieses quantitative Relevanzkriterium wäre überflüssig, wenn das UWG schon nur auf Handlungen mit besonderem Gewicht für das allgemeine Marktverhalten anwendbar wäre. bb) Jede Pflichtverletzung/Leistungsstörung. Nach entgegengesetzter Auffassung erfasst das UWG jedes Verhalten bei und nach Geschäftsabschluss, insbesondere auch vertragliche Pflichtverletzungen in Gestalt nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistungen.504 Hierfür wird vorgebracht, jede Pflichtverletzung wirke sich zumindest auf die Entscheidung des Vertragspartners aus, ob die Ware behalten oder die Dienstleistung weiter in Anspruch genommen werde. Folglich tangiere jede Pflichtverletzung das Marktverhalten. Auf eine gar wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens von Marktteilnehmern und ihrer geschäftlichen Entscheidungen komme es nicht an, da diese Gesichtspunkte erst im Rahmen der Unlauterkeit zu prüfen seien, während der Begriff der geschäftlichen Handlung die Vorfrage nach dem Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts betreffe.505 282 Diese Meinung ist als zu weitgehend abzulehnen.506 Das UWG erfasst nicht jedes Verhalten bei und nach einem Geschäftsabschluss, sondern nur ein solches, das einen „objektiven Zusammenhang“ zu diesen Vorgängen aufweist. Dieses Tatbestandsmerkmal verliert nach vorgenannter Lesart jede erkennbare Relevanz, was im Zweifel nicht der gesetzgeberischen Regelungsabsicht entspricht. Zudem wird der spezifisch lauterkeitsrechtliche Zweck der Anwendung des 283 UWG auf Verhalten bei und nach einem Geschäftsabschluss verkannt. Grundgedanke hierfür ist, dass sich das Marktverhalten und der Wettbewerb in einer prinzipiell unabgeschlossenen Kette von Verhaltensweisen vor, bei und nach einem Geschäft vollzieht, an das weitere geschäftliche Handlungen vor, bei und nach einem Geschäft usw. anschließen. Keine dieser Phasen darf isoliert von diesen wettbewerblichen Zusammenhängen betrachtet werden. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1, wonach sich die Voraussetzungen der Förderung des eigenen oder eines fremden Unternehmens und des objektiven Zusammenhangs jeweils einheitlich auf die drei Marktphasen beziehen. 284 Dieser übergreifende Ansatz zur Regulierung des Marktverhaltens unterscheidet sich grundlegend vom Vertragsrecht, das vor allem die Rechte und Pflichten der Parteien eines bestimmten Schuldverhältnisses betrifft und hierauf auch grundsätzlich beschränkt ist. Damit mangelt es dem Vertragsrecht an einer über den einzelnen Vertrag 281
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503 Begr. d. RegE zu § 2 Nr. 2, BTDrucks. 16/10145, S. 40; BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 25 – Änderung der Voreinstellung II. 504 Matutis § 2 Rn. 4; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 22; Kulka DB 2008, 1548 ff., 1551; Leistner, S. 597 f. 505 Sosnitza WRP 2008, 1014, 1017; Piper/Ohly/ders. § 2 Rn. 22. Siehe Art. 2 lit. e, lit. k, Art. 5 Abs. 2 lit. b UGPRL, § 3 Abs. 1 und 2 einerseits und Art. 2 lit. d UGPRL, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG andererseits. 506 Ebenso zur Rechtslage in Italien De Franceschi, euvr 2012, 41, 43.
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hinausweisenden, wirtschaftlichen Perspektive auf den unverfälschten Wettbewerb. Diese teleologischen Unterschiede verbieten es, jeden Verstoß gegen zwingende vertragsrechtliche Vorschriften, jede Verletzung vertraglicher Pflichten per se für lauterkeitsrechtlich relevant zu erklären.507 Weder die UGPRL noch im Anschluss hieran das UWG haben den Zweck, vertragsrechtliche Regelungen flächendeckend mit lauterkeitsrechtlichen Sanktionen zu verstärken.508 Wäre dem so, hätte die UGPRL praktisch zu einer vollständigen Rechtsangleichung auch des Verbrauchervertragsrechts geführt. Das ist aber ausweislich von Art. 3 Abs. 2 UGPRL, wonach die Richtlinie das Vertragsrecht unberührt lässt, nicht der Fall.509 Gefragt ist also ein genuin lauterkeitsrechtlicher Maßstab dafür, welches vertragsbezogene Verhalten dem UWG unterliegt. cc) Eignung zur Beeinträchtigung weiterer geschäftlicher Entscheidungen des Vertragspartners. Abzustellen ist wie in der vorangehenden Phase der Absatz- oder Bezugsförderung darauf, ob ein Verhalten bei einem Geschäftsabschluss einen objektiven Zusammenhang zu den lauterkeitsrechtlich geschützten, geschäftlichen Entscheidungen anderer Marktteilnehmer aufweist. Die Handlung muss mit anderen Worten objektiv geeignet sein, geschäftliche Entscheidungen und hierauf bezogene wirtschaftliche Interessen beeinflussen zu können. An dieser Beeinflussung muss der Handelnde wiederum ein wirtschaftliches Interesse haben. Mit diesem Kriterium werden die wettbewerblichen Zusammenhänge adressiert, die den Gegenstand des UWG bilden. Der Begriff der geschäftlichen Entscheidung ist in Art. 2 lit. k UGPRL legaldefiniert und im Interesse eines einheitlichen Lauterkeitsmaßstabs auf sämtliche dem UWG unterfallende Marktbeziehungen zu erstrecken.510 In der Phase „bei“ einem Geschäftsabschluss ist allerdings nicht mehr auf unbestimmte Marktteilnehmer, sondern auf den Empfänger von Angebots- oder Annahmeerklärungen, also den avisierten Vertragspartner abzustellen. Dieser hat bei einem Geschäftsabschluss vor allem noch zu entscheiden, wie und unter welchen Bedingungen er einen Vertrag über Waren oder Dienstleistungen abschließen will (vgl. Art. 2 lit. k UGPRL).511 Ist das streitgegenständliche Verhalten objektiv geeignet,512 diese geschäftlichen Entscheidungen zu beeinflussen, stellt es eine geschäftliche Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 dar. Dabei kommt es entsprechend Art. 2 lit. k UGPRL nicht darauf an, ob der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen.513 Auf die Entscheidung eines anderen Marktteilnehmers über den Inhalt eines Geschäfts kann in vielerlei Weise Einfluss genommen werden. Zuvorderst geschieht dies durch Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, Garantieversprechen514 sowie Vereinbarungen zu einem Rücktritt oder Widerruf, häufig in Gestalt allgemeiner Geschäftsbedingungen.515 Damit unterfällt der gesamte Inhalt geschäftlicher Angebots- und
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507 Köhler WRP 2009, 898, 912. 508 Vgl. Armgardt WRP 2009, 122, 126. 509 Scherer WRP 2009, 761, 762. 510 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 48. 511 Schmidtke S. 228 (Bestand des Vertrags). 512 A.A. Schmidtke S. 226 f. (es komme auf die subjektive Zielsetzung des Handelnden an). 513 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 75. 514 So bereits zum UWG 1909 BGH 20.2.1986 – I ZR 149/83 – GRUR 1986, 615, 618 – Reimportierte Kraftfahrzeuge (aber keine relevante Irreführung gem. § 3 UWG). 515 Vgl. §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7, 5a Abs. 3 Nr. 4 und 5 sowie Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 78.
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Annahmeerklärungen dem UWG.516 Denn gerade hiermit soll eine korrespondierende Entscheidung der Gegenseite herbeigeführt werden. Ob die betreffende Vertragsbedingung für den anderen Marktteilnehmer günstig 289 oder ungünstig ist, spielt keine Rolle. Nicht nur positive (ggf. irreführende) Versprechungen beeinflussen die Entscheidung des angesprochenen Käufers, sondern auch Einschränkungen seiner vertraglichen Rechte, insbesondere durch einen Gewährleistungsausschluss. Auch auf die rechtliche Wirksamkeit einer Klausel oder einer sonstigen Erklä290 rung kommt es nicht an, da das UWG tatsächliche Verhaltenseffekte im geschäftlichen Verkehr regelt. Beispielsweise ist ein nicht durchsetzbarer, weil gegen AGB-Recht verstoßender Gewährleistungsausschluss faktisch geeignet, dem Unternehmer Kosten zu ersparen, da der Vertragspartner davon abgehalten werden kann, seine bestehenden Ansprüche geltend zu machen. Hierdurch wird der künftige Produktabsatz des Klauselverwenders gefördert, so dass eine geschäftliche Handlung vorliegt.517 Die Entscheidung des Vertragspartners über einen Geschäftsabschluss kann schließ291 lich durch weitere Verhaltensweisen herbeigeführt oder aber verhindert werden. Zu denken ist etwa an die Aussage, ein eigentlich wirksamer Widerruf sei unbeachtlich518 bzw. an einen unberechtigten Widerruf oder eine unberechtigte Anfechtung der eigenen Vertragserklärung.519 292
9. Verhalten nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Die dritte und letzte Phase des Marktverhaltens, auf das sich das UWG gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 erstreckt, betrifft jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.
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a) UWG 1909 und UWG 2004. Wie die vorangehende Phase „bei“ einem Vertragsabschluss wurde auch die Durchführung von Verträgen grundsätzlich nicht unter das UWG 1909 und das UWG 2004 subsumiert. Die Förderung des eigenen Wettbewerbs zu Lasten von Mitbewerbern wurde mit einem Geschäftsabschluss als verwirklicht und abgeschlossen betrachtet. Mit der Erfüllung und Durchsetzung individueller vertraglicher Pflichten oder der Abwehr von Gewährleistungsansprüchen oder Reklamationen würden lediglich bereits erlangte Rechtspositionen wahrgenommen, nicht aber der eigene oder fremder Wettbewerb zum Nachteil eines Mitbewerbers gefördert. Das UWG wurde nur auf solche vertraglichen Pflichtverletzungen angewendet, die 294 in Umfang und Ausmaß von besonderem Gewicht waren, so dass sie sich über den einzelnen Vertrag hinaus auf den Wettbewerb insgesamt auswirkten. Hiervon ging die Rechtsprechung zum Beispiel aus, wenn gezielte und planmäßig wiederholte Kundentäuschungen zum Mittel des Wettbewerbs gemacht wurden; versehentliche oder nur vereinzelte, bewusste Vertragsverletzungen wurden hingegen nicht am UWG gemessen.520
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516 Gegen z.B. im Internet veröffentliche AGB kann aufgrund einer Erstbegehungsgefahr für ihren Einsatz bei einem Geschäftsabschluss vorgegangen werden; BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 Tz. 25 – Vollmachtsnachweis; Köhler GRUR 2010, 1047, 1049. 517 BGH 31.3.2010 – I ZR 34/08 – GRUR 2010, 1117 Tz. 18 – Gewährleistungsausschluss im Internet. 518 Bereits zum UWG 1909 bejahend OLG Frankfurt a.M. 21.3.2002 – 6 U 50/01 – GRUR 2002, 727, 728 – Kerosinzuschlag. 519 Schmidtke S. 228. 520 BGH 10.12.1986 – I ZR 136/84 – GRUR 1987, 180, 181 m.w.N. – Ausschank unter Eichstrich II; BGH 26.4.2001 – I ZR 314/98 – GRUR 2001, 1178, 1180 – Gewinn-Zertifikat; BGH 27.6.2002 – I ZR 86/00 – GRUR
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b) Vorgaben der UGPRL und Umsetzung im UWG. Auch diese grundsätzliche 295 Ausgrenzung nachvertraglichen Verhaltens aus dem UWG ist überholt.521 Die UGPRL erfasst Verhaltensweisen von Gewerbetreibenden gegenüber Verbrau- 296 chern „nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“ (Art. 3 Abs. 1 UGPRL), die „unmittelbar mit der … Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängen“ (Art. 2 lit. d UGPRL). Das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken soll „auch nach Abschluss eines Vertrags“ gelten, um das Verbrauchervertrauen zu fördern.522 Ein Beispiel für die Erfassung nachvertraglichen Verhaltens findet sich in Anhang I Nr. 27 UGPRL. Demnach ist es stets unzulässig, einen Verbraucher, der eine Versicherungspolice in Anspruch nehmen möchte, aufzufordern, überflüssige Dokumente vorzulegen oder einschlägige Schreiben systematisch nicht zu beantworten, um den Konsumenten auf diesen Wegen von der Ausübung seiner vertraglichen Rechte abzuhalten.523 Die Einbeziehung nachvertraglichen Verhaltens in den Anwendungsbereich des 297 Lauterkeitsrechts wurde bei der Umsetzung der UGPRL im Interesse eines einheitlichen Lauterkeitsmaßstabs verallgemeinert. Demnach stellt jedes unternehmensbezogene Verhalten, das „nach einem Geschäftsabschluss, … mit … der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt“, eine geschäftliche Handlung dar. c) Nach einem Geschäftsabschluss. Erforderlich ist zunächst ein „Geschäftsab- 298 schluss“, also ein Vertrag über Waren oder Dienstleistungen, der sich zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens auswirken kann. Insoweit gelten dieselben Maßstäbe wie für die vorangehende Phase „bei“ einem Geschäftsabschluss.524 Da das Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht die tatsächliche Funktionsweise des 299 Wettbewerbs gewährleisten soll, ist die Wirksamkeit eines Geschäfts grundsätzlich ohne Belang. Auch und gerade die Durchführung eines objektiv unwirksamen Vertrages kann den Wettbewerb verfälschen, da Verbraucher und andere Marktteilnehmer davon abgehalten werden, mit anderen Unternehmern zu kontrahieren.525 Anders ist es nur, wenn der Vertrag kartellrechtswidrig ist oder ein per se nicht handelbares Gut (wie etwa menschliche Organe) betrifft; es fehlt dann schon an einer Ware oder Dienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1.526 Die zeitliche Phase der „Durchführung“ eines Produktvertrags erstreckt sich vom 300 Vertragsabschluss und der Aufnahme von Erfüllungshandlungen bis zur Beendigung aller Leistungs- und Schutzpflichten gem. § 241 BGB. Erfasst sind damit insbesondere alle Erfüllungshandlungen wie etwa die vereinbarte Durchführung eines Krankentransports.527 Aber auch Verhaltensweisen im Zuge eines Streits um die Rückabwicklung eines Vertrags betreffen noch die Durchführung eines faktische Wirkungen zeitigenden Vertrags.528
_____ 2002, 1093, 1094 m.w.N. – Kontostandsauskunft; BGH 16.10.2002 – IV ZR 307/01 – NJW-RR 2003, 103 f. – Rundschreiben mit geänderten Versicherungsbedingungen. 521 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 20 f., 40; BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 25 – Änderung der Voreinstellung II. 522 Vgl. EG 13 S. 3 UGPRL. 523 Vgl. RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 34. 524 Dazu oben § 2 Rn. 264 ff. 525 Schmidtke S. 227 f. 526 Siehe oben § 2 Rn. 116 ff. 527 BGH 15.1.2009 – I ZR 141/06 – GRUR 2009, 881 Tz. 11 – Überregionaler Krankentransport. 528 Im Ergebnis auch Köhler WRP 2009, 898, 901; ebenso zur Rechtslage in Italien De Franceschi, euvr 2012, 41, 43.
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d) Objektiver Zusammenhang. Nicht jedes irgendwie mit der Durchführung eines Geschäfts in Verbindung stehende Verhalten unterliegt dem UWG, sondern nur ein solches, das mit diesem Aspekt des Marktverhaltens „objektiv zusammenhängt“.
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aa) Grundsatz: Eignung zur Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen. Einerseits besteht ein objektiver Zusammenhang in diesem Sinne nicht erst unter den Voraussetzungen, die die frühere Rechtspraxis aufgestellt hatte; eine Breitenwirkung auf den Wettbewerb muss also nicht dargetan werden.529 Andererseits ist nicht jedes vertragswidrige Verhalten per se lauterkeitsrechtlich relevant, da zwischen Vertrags- und Lauterkeitsrecht zu unterscheiden ist und allein die Kausalität zwischen unternehmensbezogenem Verhalten und Auswirkungen auf das Marktverhalten nicht genügt.530 Vielmehr ist wie generell zur Auslegung des Kriteriums des „objektiven Zusammenhangs“ darauf abzustellen, ob das streitgegenständliche, den Wettbewerb eines Unternehmens fördernde Verhalten objektiv geeignet ist, geschäftliche Entscheidungen des Vertragspartners in Bezug auf die Durchführung des Produktvertrags zu beeinflussen.531 Der Begriff der geschäftlichen Entscheidung ist der Legaldefinition des Art. 2 lit. k UGPRL zu entnehmen. Da § 2 Abs. 1 Nr. 1 jedoch nicht nur den B2C-Geschäftsverkehr erfasst, sondern sich auf alle Verträge über Waren oder Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr erstreckt, sind nicht nur geschäftliche Entscheidungen von Verbrauchern, sondern auch solche von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern relevant. Ferner ist der auf Absatzgeschäfte zugeschnittene Begriff der geschäftlichen Entscheidung gem. Art. 2 lit. k UGPRL auf die Nachfrage von Produkten zu erweitern. Demnach muss das streitgegenständliche Verhalten nach einem Geschäftsabschluss einen objektiven Zusammenhang aufweisen zu einer Entscheidung des Vertragspartners darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen dieser eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten,532 ein Produkt behalten oder abgeben533 oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will. Dabei kommt es entsprechend Art. 2 lit. k UGPRL jeweils nicht darauf an, ob der Marktteilnehmer beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen. Demnach muss das Verhalten nach einem Geschäftsabschluss geeignet sein, Entscheidungen der anderen Vertragspartei im Hinblick auf die weitere Durchführung des Vertrags zu beeinflussen. Dieser Einfluss kann sich entweder auf die Erfüllung der Leistungspflichten oder die Geltendmachung vertraglicher Rechtsbehelfe erstrecken. Diesbezügliche geschäftliche Entscheidungen müssen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit tangiert sein; ein bloß theoretischer, weit hergeholter Zusammenhang zum Marktverhalten des Vertragspartners genügt nicht.534 Soll bereits wieder der künftige Absatz oder die künftige Nachfrage eines Unternehmens gefördert werden, handelt es sich um eine wettbewerbsfördernde Maßnahme vor einem Geschäftsabschluss (1. Phase), die im Zuge der Durchführung eines früheren Produktvertrags (3. Phase) vorgenommen wird.
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529 Köhler WRP 2009, 898, 902; ebenso zur Rechtslage in Italien De Franceschi, euvr 2012, 41, 42. 530 Oben § 2 Rn. 141 ff. 531 Köhler WRP 2007, 1393, 1397; Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 84. 532 Bzw. in Nachfragekonstellationen eine Ware oder Dienstleistung liefern will. 533 Bzw. in Nachfragekonstellationen eine Zahlung behalten will. 534 Vgl. OLG Brandenburg 25.1.2005 – 6 W 8/05 – GRUR-RR 2005, 322; OLG Karlsruhe 9.7.2009 – 4 U 188/07 – GRUR-RR 2010, 47 f.
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bb) Erfüllungshandlungen und Pflichtverletzungen. Erfüllungshandlungen stellen grundsätzlich keine geschäftlichen Handlungen dar.535 Mit Erfüllungshandlungen werden eigene Leistungspflichten des Akteurs und im Ergebnis das gesamte Schuldverhältnis zum Erlöschen gebracht; geschäftliche Entscheidungen des anderen Vertragspartners sind hiermit nicht verbunden. Auch Verletzungen vertraglicher Leistungs- oder Schutzpflichten fehlt ein objektiver Zusammenhang zu weiteren geschäftlichen Entscheidungen der Gegenseite.536 Sie lösen ggf. Ansprüche und das Bedürfnis aus, über die Geltendmachung von Rechtsbehelfen zu entscheiden, aber sie beeinflussen als solche noch keine Entscheidungen.537 Vor einer Pflichtverletzung ist noch keine Entscheidungssituation gegeben. Selbstverständlich wirken sich Pflichtverletzungen wie ggf. auch pflichtgemäße Leistungen auf das weitere Verhalten des Vertragspartners aus. Diese bloße Kausalität genügt aber nicht. Ob eine unproblematische Erfüllung oder eine allenfalls lauterkeitsrechtlich relevante Pflichtverletzung vorliegt, ist anhand des Vertragsinhalts zu beurteilen. Jener wurde von den Parteien im Zuge des Geschäftsabschlusses fixiert. Die Erfüllung des Pflichtenprogramms oder aber die Nicht- oder Schlechtleistung ist daher ein auf vergangene geschäftliche Entscheidungen bezogenes Verhalten. Ihm fehlt ein Zusammenhang zu weiteren geschäftlichen Entscheidungen des Vertragspartners, die über die ursprüngliche Vereinbarung hinausgehen bzw. diese näher konkretisieren und so zugleich Auswirkungen auf das künftige Wettbewerbsgeschehen haben können. Gegen die Einordnung vertraglicher Pflichtverletzungen als geschäftliche Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 spricht zudem, dass das Lauterkeitsrecht das Vertragsrecht unberührt lässt. Wäre jede Pflichtverletzung wegen ihres Potentials, das weitere vertragsbezogene Verhalten des Partners zu tangieren, Gegenstand des UWG, wäre diese Unterscheidung hinfällig, da neben dem Vertragsrecht stets das UWG anwendbar wäre. Eine solch flächendeckende lauterkeitsrechtliche Relevanz vertraglichen Verhaltens ist aber von der vollständigen Rechtsangleichung durch die UGPRL nicht bezweckt.538 Entsprechendes gilt für die Umsetzung der Richtlinie in das UWG. Anhang Nr. 8 zu § 3 Abs. 3 läuft diesem Grundsatz nicht zuwider. Ihrem Wortlaut nach untersagt die Regelung im ersten Halbsatz zwar die Erbringung von Kundendienstleistungen in einer anderen Sprache als derjenigen, in der die Verhandlungen vor dem Abschluss des Geschäfts geführt worden sind. Damit scheint sie sich gegen eine ggf. pflichtwidrige Erfüllungshandlung nach Vertragsabschluss zu richten. Der in der Vorschrift umgesetzte Anhang I Nr. 8 UGPRL verdeutlicht aber, dass hier vielmehr eine irreführende Zusicherung bei einem Geschäftsabschluss reguliert wird, die sich bei der Durchführung des Vertrags nachteilig auf die wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers auswirkt.539 Ausnahmsweise aber kann eine Pflichtverletzung objektiv geeignet sein, weitere geschäftliche Entscheidungen des Vertragspartners im Hinblick auf die Erfüllung seiner Pflichten und die Geltendmachung seiner vertraglichen Rechtsbehelfe zu beein-
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535 Schmidtke S. 229. 536 BGH 10.1.2013 – I ZR 190/11 – GRUR 2013, 945 Tz. 26 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 81; Köhler WRP 2007, 1393, 1397; Schmidtke, S. 106 ff., 229 f.; im Ergebnis wohl auch Keßler/Micklitz VuR 2009, 88, 91 (Vertragsverletzungen könnten „im Einzelfall“ eine unlautere geschäftliche Handlung darstellen); für die Verletzung von Nebenpflichten a.A. Schmidtke, S. 230 (der Verbraucher könne die Verletzung von Nebenpflichten häufig nicht erkennen). 537 Zum Beispiel der Minderausschank von Bier (vgl. BGH 10.12.1986 – I ZR 136/84 – GRUR 1987, 180 – Ausschank unter Eichstrich II); siehe Köhler WRP 2009, 898, 902. 538 Vgl. Art. 3 Abs. 2 UGPRL und Einl. C Rn. 255 ff. 539 Scherer WRP 2009, 761, 763 f.
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flussen.540 Dies kann namentlich bei Dauerschuldverhältnissen der Fall sein, da hier nicht nur die Abwicklung eines fixierten Vertragsprogramms in Rede steht, sondern künftige Entscheidungen über den Leistungsaustausch zu fällen sind. 316 So wirkt sich eine weisungswidrig unterbliebene Änderung einer dauerhaften Voreinstellung (Preselection) eines Teilnehmeranschlusses auf einen bestimmten Verbindungsnetzbetreiber durch den einzigen Teilnehmernetzbetreiber darauf aus, wie oft ein Kunde telefoniert und damit künftig entgeltliche Leistungen in Anspruch nimmt. Dies sind weitere geschäftliche Entscheidungen, die objektiv mit der Durchführung eines Dauerschuldverhältnisses zwischen dem Teilnehmernetzbetreiber und dem Kunden zusammenhängen.541 Ob die Änderung bewusst oder nur versehentlich unterbleibt, ist für den Begriff der geschäftlichen Handlung und damit den Anwendungsbereich des UWG ohne Belang, da insoweit allein auf die objektiven Auswirkungen auf geschäftliche Entscheidungen des Vertragspartners abzustellen ist.542 Subjektive Umstände sind erst im Rahmen der Prüfung Unlauterkeit der geschäftlichen Handlung zu berücksichtigen. Jene ist nicht gegeben, solange der Handelnde die Tatumstände nicht kennt, die die Unlauterkeit begründen.543 Auch eine falsche Kontostandsauskunft durch eine Bank stellt eine geschäftliche 317 Handlung im Zuge der Durchführung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags (§ 675f Abs. 2 BGB) dar.544 Denn die Bankkunden werden in der Annahme eines günstigen Kontostands weitere Abbuchungen und damit geschäftliche Handlungen vornehmen, die Überziehungszinsen auslösen, welche wiederum der Bank zugute kommen.545 Hingegen handelt ein Rechtsanwalt nicht im geschäftlichen Verkehr, wenn er in Schriftsätzen an die Gegenseite wahrheitswidrige Angaben macht, weil die Möglichkeit, dass ein Mandant einen solchen Rechtsanwalt erneut beauftragen oder anderen empfehlen könnte, lediglich eine Reflexwirkung der anwaltlichen Pflichtverletzung darstellt.546 cc) Sonstiges Verhalten im objektiven Zusammenhang mit der Durchführung eines Produktvertrags. Die reale Bewirkung (Erfüllung) des bei Geschäftsabschluss vereinbarten, eigenen Pflichtenprogramms unterfällt somit grundsätzlich nicht dem UWG. Ist ein Verhalten hingegen nicht vorrangig auf die eigenen Leistungspflichten bezogen, sondern geeignet, Entscheidungen des Geschäftspartners im Hinblick auf die Erfüllung seiner Pflichten oder der Geltendmachung seiner Vertragsrechte zu beeinflussen, liegt der für § 2 Abs. 1 Nr. 1 erforderliche, objektive Zusammenhang zur Durchführung eines Produktvertrags vor. Daher stellt die Geltendmachung (vermeintlicher) vertraglicher Erfüllungsan319 sprüche und sonstiger Vertragsrechte547 durch einen Unternehmer bzw. Unterneh-
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540 Scherer WRP 2009, 761, 767. 541 Ebenso Köhler WRP 2009, 898, 902; Forst WRP 2010, 1231, 1233; Keßler/Micklitz VuR 2009, 88, 91; a.A. BGH 29.3.2007 – I ZR 164/04 – GRUR 2007, 987 Tz. 24, 32, 36 – Änderung der Voreinstellung; BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 15 ff. – Änderung der Voreinstellung II; OLG Jena 14.11.2007 – 2 U 654/07 – GRUR-RR 2008, 83 – Kundenreklamation; Isele GRUR 2009, 727, 729; ders., GRUR 2010, 309 ff. 542 Nordemann Rn. 59. Anders ist es nur, wenn kein zurechenbares Verhalten vorliegt, etwa ein nicht vorhersehbarer und kontrollierbarer, technischer Defekt. 543 Dazu § 3 Rn. 371 ff. 544 Köhler WRP 2009, 898, 902. 545 Im Ergebnis ebenso bereits zum UWG 1909 und UWG 2004 BGH 27.6.2002 – I ZR 86/00 – GRUR 2002, 1093, 1094 – Kontostandsauskunft; BGH 11.1.2007 – I ZR 87/04 – GRUR 2007, 805 Tz. 12 ff. – Irreführender Kontoauszug. 546 BGH 10.1.2013 – I ZR 190/11 – GRUR 2013, 945 Tz. 28 f. – Standardisierte Mandatsbearbeitung. 547 Verneinend noch zum UWG 1909 BGH 7.5.1986 – I ZR 95/84 – GRUR 1986, 816, 818 f. – Widerrufsbelebrung bei Teilzahlungskauf.
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mensförderer eine geschäftliche Handlung dar.548 Hiermit wird nicht das eigene Pflichtenprogramm erledigt, sondern in nach außen wirkender Weise die Entscheidung der Gegenseite beeinflusst, ob eine Zahlung geleistet, ein Produkt geliefert oder ein Vertragsrecht ausgeübt wird. Folglich ist eine ggf. unzulässige geschäftliche Handlung gegeben, wenn Rechnungen oder Aufforderungen zu anderen Leistungen ihrem Inhalt nach irreführend549 oder wettbewerbsfremd aggressiv550 sind (§§ 3–5); ferner können unzumutbar belästigende Erfüllungsverlangen abgewehrt werden (§ 7).551 Die in Nr. 22 und 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 kodifizierten Fälle von Zahlungsaufforderungen sind gegenüber Verbrauchern stets unzulässig. Nicht erforderlich ist, dass das angegriffene Verhalten systematisch betrieben wird. Jede einzelne Aufforderung zur Leistung unterfällt dem UWG und ist nach Maßgabe der weiteren Voraussetzungen (insbes. Spürbarkeit) ggf. unzulässig.552 Erst recht liegt eine geschäftliche Handlung vor, wenn ein Angebot für eine Vertragsänderung oder einen neuen Vertragsabschluss als Erfüllungsverlangen getarnt ist.553 Denn dann handelt der Unternehmer oder Unternehmensförderer in Tat und Wahrheit „bei“ einem Geschäftsabschluss und im gezielten Zusammenhang zu einer geschäftlichen Entscheidung des Adressaten, ob, wie und unter welchen Bedingungen der avisierte Vertrag zustande kommen soll.554 Eine geschäftliche Handlung liegt ferner vor, wenn in der Rechnung eines Ratenzahlungskredits unzutreffende Angaben über den effektiven Jahreszinssatz gemacht werden.555 Da der vereinbarte Zinssatz nicht mehr einseitig abänderbar ist, kann diese Äußerung nur auf künftige Entscheidungen des Rechnungsempfängers über neue Ratenzahlungskredite gerichtet sein. Dieser über den Vertrag hinausweisende Einfluss auf das wirtschaftliche Entscheidungsverhalten des anderen Marktteilnehmers rechtfertigt die Anwendung des UWG. Aus diesem Grund unterliegen auch Kundenzufriedenheitsanrufe und vergleichbares Verhalten dem UWG. Sie dienen nicht nur der Abwicklung des bestehenden Vertragsverhältnisses, sondern zugleich der weiteren Absatzförderung.556 Auf die geschäftlichen Entscheidungen des Vertragspartners wird ferner eingewirkt, wenn verhindert wird, dass die Gegenseite vertragliche Rechte im Zusammenhang mit dem Produkt geltend macht (vgl. Art. 2 lit. k UGPRL). Anhang Nr. 27 zu § 3 Abs. 3 erklärt bestimmte Maßnahmen, durch die ein Verbraucher von der Durchsetzung seiner vertraglichen Rechte aus einem Versicherungsverhältnis abgehalten werden soll, für
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548 OLG München 9.7.2009 – 29 U 1852/09 – GRUR-RR 2010, 50 – Besuch durch Inkasso-Team. 549 Siehe Köhler WRP 2009, 898, 901, 906; ders. FS Doepner, 31 ff. (unrichtige und damit irreführende Arztabrechnungen). 550 OLG München 9.7.2009 – 29 U 1852/09 – GRUR-RR 2010, 50 – Besuch durch Inkasso-Team; Köhler WRP 2009, 898, 902 (Drohung mit Anzeige wegen Steuerdelikts). 551 Ablehnend noch OLG Dresden 27.5.1997 – 14 U 2059/96 – NJWE-WettbR 1997, 241, 243 – Städtisches Friedhofs- und Bestattungswesen Dresden. 552 Anders und enger noch BGH 7.10.1993 – I ZR 293/91 – GRUR 1994, 126, 127 – Folgeverträge; BGH 26.1.1995 – I ZR 39/93 – GRUR 1995, 358 – Folgeverträge II. 553 Die Anwendung des UWG 1909 bejahend auch BGH 13.2.1992 – I ZR 79/90 – GRUR 1992, 450, 452 – Beitragsrechnung (als Rechnung aufgemachtes Vertragsangebot); anders zum UWG 1909 aber BGH 16.10.2002 – IV ZR 307/01 – NJW-RR 2003, 103 f. – Rundschreiben mit geänderten Versicherungsbedingungen. 554 Dazu oben § 2 Rn. 274 ff. 555 Vgl. BGH 1.2.1990 – I ZR 45/88 – GRUR 1990, 609 – Monatlicher Ratenzuschlag. 556 OLG Köln 30.3.2012 – 6 U 191/11 – WRP 2012, 725 f. – Telefonische Kundenzufriedenheitsabfrage.
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stets unzulässig.557 Eine geschäftliche Handlung liegt ferner vor, wenn Ansprüche der Gegenseite mit (ggf. falschen) Angaben zur Rechts- oder Sachlage zurückgewiesen werden.558 Wie generell ist nicht erforderlich, dass dies systematisch oder in einer Vielzahl von Fällen geschieht. § 2 Abs. 1 Nr. 1 erfasst auch versehentliches geschäftliches Verhalten im Einzelfall, mit dem nach einem Geschäftsabschluss auf weitere Entscheidungen der Gegenseite eingewirkt wird.559 326 Selbst die Unterlassung einer Reaktion auf Kundenbeschwerden etc. ist grundsätzlich geeignet, eine solche Auswirkung zu zeitigen. Unlauter ist ein Untätigbleiben nach Geschäftsabschluss allerdings nur, wenn eine spezifisch lauterkeitsrechtliche Pflicht zum Handeln besteht;560 allein der Vorwurf eines vertragswidrigen Schweigens trägt den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen das UWG also nicht. Diese durchaus weitgehende Anwendbarkeit des UWG auf Verhalten im Zuge der 327 Durchführung eines Geschäfts muss generell von der Frage unterschieden werden, ob die betreffende geschäftliche Handlung gem. § 3 oder § 7 unzulässig ist. Hierfür kann es insbesondere an der mangelnden quantitativen Spürbarkeit einer vertragsbezogenen, unzulässigen geschäftlichen Handlung fehlen. Für einen Unterlassungsanspruch muss zudem eine Erstbegehungs- oder Wieder328 holungsgefahr gegeben sein. Im Interesse einer wirksamen lauterkeitsrechtlichen Kontrolle geschäftlicher Handlungen nach einem Geschäftsabschluss sollte insofern freilich nicht auf die kaum je relevante Gefahr einer erneuten unlauteren Handlung im Rahmen des konkret streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses abgestellt werden, sondern auf das drohende Risiko, dass sich im Kern identisches Verhalten gegenüber anderen Vertragspartnern wiederholt.561 Definitionen § 2 Marktteilnehmer § 2 Peukert II. Marktteilnehmer, § 2 Abs. 1 Nr. 2 1. Entstehungsgeschichte. Die Legaldefinition des Marktteilnehmers geht zurück auf das UWG 2004. Der hierfür prägende Privatentwurf von Köhler, Bornkamm und Henning-Bodewig hatte als Marktteilnehmer neben Verbrauchern und Mitbewerbern noch alle Unternehmer bezeichnet, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen auf einem Markt tätig sind.562 In den Gesetzentwürfen des Justizministeriums sowie der Bundesregierung für 330 das UWG 2004 wurden dann aber nicht mehr nur Unternehmer als Marktteilnehmer bezeichnet, sondern – wie schließlich in der Gesetz gewordenen Fassung – alle Personen, die neben Mitbewerbern und Verbrauchern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind.563 Hiermit seien im Sinne eines Oberbegriffs Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer erfasst. Unter letztgenannten Begriff fielen diejenigen Marktteilnehmer, die weder Mitbewerber noch Verbraucher sind. Hierzu zählten vor allem die Gewerbetreibenden, soweit sie für den Verbrauch im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit Waren erwerben oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen.564 329
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557 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 85. 558 Köhler WRP 2009, 898, 906. 559 Enger zum früheren Recht noch OLG Frankfurt a.M. 21.3.2002 – 6 U 50/01 – GRUR 2002, 727, 728 – Kerosinzuschlag; OLG Düsseldorf 25.11.2008 – I-20 U 202/07 – MMR 2009, 565. 560 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 85. 561 Anders Köhler WRP 2009, 898, 903; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 86 (zu fragen sei, ob die konkrete Handlung ihrer Art nach wiederholbar sei). 562 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319. 563 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 5. 564 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 305; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16.
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Bei der Umsetzung der UGPRL durch das UWG 2008 blieb § 2 Abs. 1 Nr. 2 unverän- 331 dert. Generell ist die Figur des sonstigen Marktteilnehmers dem europäischen Lauterkeitsrecht fremd. Die UGPRL ist auf das Verhältnis zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern, die IrreführungsRL 2006 auf das Verhältnis zwischen Gewerbetreibenden beschränkt. Marktteilnehmer, die keiner dieser beiden Kategorien angehören, werden von den Richtlinien nicht erfasst. § 2 Abs. 1 Nr. 2 bildet somit die einzige rein autonom-deutsche Begrifflichkeit im Definitionskatalog.565 2. Bedeutung und Tatbestandsmerkmale. Nach der amtlichen Begründung zu § 2 332 Abs. 1 Nr. 2 ist zwischen dem Begriff des Marktteilnehmers als Oberbegriff für sämtliche Teilnehmer am geschäftlichen Verkehr einerseits und der Figur des sonstigen Marktteilnehmers andererseits zu unterscheiden. a) Marktteilnehmer als Oberbegriff. Der Oberbegriff des Marktteilnehmers erfasst Mitbewerber, Verbraucher566 und alle sonstigen natürlichen und sonst rechtsfähigen Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind. Diese Angebots- oder Nachfragetätigkeit muss nicht dauerhaft oder planmäßig zur Bestreitung des Lebensunterhalts erfolgen. Auch wenn eine natürliche Person nur ganz vereinzelt Waren für den privaten Gebrauch anschafft, agiert sie als Verbraucher und ist daher im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 als Nachfrager von Waren „tätig“. Selbiges gilt für juristische Personen wie Idealvereine, die gelegentlich am Markt auftreten, um ihre nicht wirtschaftlichen Vereinszwecke verfolgen zu können. Selbst wer gar nicht aktiv am Marktgeschehen teilnimmt, aber sich zum Beispiel einer unerwünschten Werbe-E-Mail ausgesetzt sieht, ist als potentieller Nachfrager oder Anbieter von § 2 Abs. 1 Nr. 2 erfasst. Damit erstreckt sich der Oberbegriff des Marktteilnehmers letztlich auf alle überhaupt am geschäftlichen Verkehr aktiv oder passiv beteiligten Personen. Das sich zwischen ihnen ereignende Marktverhalten ist Gegenstand des UWG. Der Oberbegriff des Marktteilnehmers beschreibt also, für welche Personen das UWG relevant ist. Dabei ist zwischen potentiell lauterkeitsrechtlich Haftenden und den Schutzsubjekten des UWG zu unterscheiden. Zu den Marktteilnehmern zählen zum einen alle Personen, die geschäftliche Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 vornehmen und hierbei die Vorgaben des UWG zu achten haben. Schon in diesem Zusammenhang sind nicht nur Unternehmer, sondern auch andere Personen erfasst, die ein fremdes Unternehmen fördern.567 Marktteilnehmer sind zum anderen die Schutzsubjekte des UWG. In diesem Sinne wird der Begriff des Marktteilnehmers in § 4 Nr. 11 und § 7 Abs. 1 verwendet. Hierunter fallen die Verbraucher, die Mitbewerber, sonstige Unternehmer außerhalb eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zum geförderten Unternehmen sowie die nicht unternehmerisch agierenden Marktteilnehmer wie Idealvereine, Kirchen oder die öffentliche Hand, soweit sie kein fremdes Unternehmen fördern, sondern zur Erfüllung ihres außergeschäftlichen Zwecks Produkte absetzen oder nachfragen.568 Keine Marktteilnehmer sind hingegen Personen, die nicht als Anbieter oder Nachfrager von Produkten tätig sind. Eine in diesem Sinne abgrenzbare Personengruppe aber gibt es nicht. In normativer Hinsicht garantiert das Grundrecht der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit allen Privatrechtssubjekten, am Marktgeschehen teilnehmen zu kön-
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Gloy/Loschelder/Erdmann § 32 Rn. 1. OLG Düsseldorf 5.6.2007 – 20 U 176/06 – juris Rn. 24. Dazu oben § 2 Rn. 93 ff. Dazu oben § 2 Rn. 81.
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nen. Sie entscheiden, ob, wann, in welchem Umfang und in welcher Hinsicht sie Produkte nachfragen oder anbieten. Auch Hoheitsträgern ist eine geschäftliche Betätigung nicht prinzipiell verboten.569 Folglich können alle rechtsfähigen Personen jederzeit zu Marktteilnehmern werden. Wer gem. § 104 BGB geschäftsunfähig ist, nimmt ggf. durch seine Vertreter am geschäftlichen Verkehr teil. Auch aus praktischer Sicht stellt die Kategorie der Nicht-Marktteilnehmer ein 339 Phantom dar. In einer arbeitsteiligen, modernen Wirtschaft kann sich kaum jemand dem Marktgeschehen auf Dauer entziehen. Kein auch noch so wirtschaftsferner Handlungszweck lässt sich ohne fremde Waren und Dienstleistungen verfolgen. Und wer eigentlich gar nicht am Markt teilnehmen möchte, der kann sich unerwünschter Werbung ausgesetzt sehen und damit doch zum Marktteilnehmer avancieren. Die Konturlosigkeit und praktische Irrelevanz des Oberbegriffs „Marktteil340 nehmer“ beruht auf einer verfehlten dogmatischen und wettbewerbstheoretischen Perspektive des § 2 Abs. 1 Nr. 2 auf das UWG. Das UWG stellt ein Sonderdelikts- und Verhaltensunrecht dar; es richtet sich gegen unzulässige geschäftliche Handlungen, die prinzipiell von jeder Person vorgenommen werden können. Mit dieser Handlungsorientierung ist eine Einteilung in Personenkategorien unvereinbar.570 Einen lauterkeitsrechtlich fixierten Personenstatus gibt es nicht. Entscheidend ist vielmehr der jeweilige Handlungskontext. So agiert ein eingetragener Kaufmann als Verbraucher, wenn er private Geschäfte tätigt, während ein Arbeitnehmer eine geschäftliche Handlung vornimmt, wenn er aus eigener Initiative den Absatz seines Arbeitgebers fördert. Eine Regulierung des wirtschaftlichen Wettbewerbs mit vorab definierten Personenkategorien wäre mit dem Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit unvereinbar. b) Sonstige Marktteilnehmer aa) Bedeutung. Während sich der Oberbegriff des Marktteilnehmers als praktisch bedeutungslose, überdies dogmatisch verfehlte Kategorie erwiesen hat, kommt dem Begriff des sonstigen Marktteilnehmers erhebliche Bedeutung zu. Hiermit sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 alle Personen gemeint, die neben Mitbewerbern und Verbrauchern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind.571 Die Figur des sonstigen Marktteilnehmers beschreibt also eine dritte Kategorie von Marktteilnehmern. 342 In diesem Sinne wird der Begriff des „sonstigen Marktteilnehmers“ in § 1 S. 1 sowie in § 3 Abs. 1 verwendet. Sie sind als Schutzsubjekte von allen Konkretisierungen der Unlauterkeit erfasst, die sich nicht speziell auf Verbraucher oder Mitbewerber beziehen.572 Auch wenn ein gesetzlicher Tatbestand nicht zwischen den drei Gruppen von Markt343 teilnehmern differenziert, kann diese Unterscheidung gleichwohl im Rahmen der Beurteilung einer konkreten geschäftlichen Handlung Bedeutung erlangen. Ob nämlich eine geschäftliche Handlung vorliegt und ob sie irreführend, aggressiv oder sonst unlauter und unzulässig ist, ist aus der objektiven Sicht eines durchschnittlichen Marktteil341
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569 Dazu § 3 Rn. 488 ff. 570 Zur entsprechenden Problematik beim Begriff des Mitbewerbers gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 unten. 571 § 2 Abs. 1 Nr. 2 sollte dahingehend geändert werden, dass mit dieser Definition der „sonstige Marktteilnehmer“ erläutert wird. 572 Siehe § 4 Nr. 3, 4, 5 sowie §§ 5, 5a Abs. 1, 6. Ferner BGH 7.7.2005 – I ZR 253/02 – GRUR 2005, 877, 879 – Werbung mit Testergebnis (durch eine Stellenanzeige angesprochene, an einer (neben-)beruflichen Tätigkeit interessierte Personen als sonstige „Marktteilnehmer“ durch §§ 5, 6 UWG geschützt).
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nehmers zu beurteilen, an den sich das Verhalten richtet. Hierbei können sich signifikante Beurteilungsunterschiede in Abhängigkeit davon ergeben, ob auf das Verständnis eines für unlautere geschäftliche Handlungen besonders anfälligen und daher besonders schutzbedürftigen Verbrauchers, auf einen Durchschnittsverbraucher, auf einen durchschnittlichen Mitbewerber oder auf einen durchschnittlichen sonstigen Marktteilnehmer abzustellen ist.573 Gem. § 4 Nr. 1 handelt insbesondere unlauter, wer geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Diese Konkretisierung der Unlauterkeit wendet sich in Gestalt einer kleinen Generalklausel gegen wettbewerbsfremd aggressives Marktverhalten zum Nachteil von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern. Das Pendant zum Schutz von Mitbewerberinteressen ist § 4 Nr. 10. Bemerkenswerter Weise findet sich in der amtlichen Begründung zu beiden Regelungen derselbe Satz, wonach „auch Handlungen im Verhältnis zweier Unternehmer auf verschiedenen Wirtschaftsstufen“ erfasst sein sollen.574 Die hiermit nahegelegte, identische Bedeutung der Begriffe „sonstiger Marktteilnehmer“ und „Mitbewerber“ steht freilich im Widerspruch zum Gesetz, das beide Kategorien gerade im Kontext von § 4 Nr. 1 und 10 eindeutig unterscheidet. Auf die Figur des „sonstigen Marktteilnehmers“ wird ferner in § 7 Abs. 2 Nr. 2 Bezug genommen. Demnach ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung. Wiederum wird der Schutz sonstiger Marktteilnehmer im systematischen Zusammenhang mit dem Schutz von Verbrauchern reguliert, während für Mitbewerber andere Vorschriften – hier § 7 Abs. 1 – gelten. Die Begriffe „Adressat“ und „Kunde“ gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 dienen der Umsetzung der in Art. 13 Abs. 1, 3 und 4 DatenschutzRL-EK verwendeten Begriffe „Teilnehmer“ bzw. „Nutzer“ eines öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienstes bzw. „Empfänger“ einer elektronischen Nachricht. Diese datenschutzrechtlich motivierten Termini stehen quer zur marktorientierten Begrifflichkeit des UWG.575 Adressat und Kunde im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 ist demnach jede natürliche oder juristische Person, die eine für unzulässig erklärte Form von Werbung erhält. Hierbei kann es sich um Verbraucher, Mitbewerber oder sonstige Marktteilnehmer handeln.576 Wie Verbraucher sind sonstige Marktteilnehmer im Gegensatz zu Mitbewerbern nicht individuell aktivlegitimiert, um lauterkeitsrechtliche Ansprüche geltend zu machen.577 Dafür können sie – wie jede andere Person – geschäftliche Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 vornehmen, indem sie zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens Wettbewerbsförderung betreiben.
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573 Vgl. insbes. § 3 Abs. 2 S. 2 und 3, ErwGrd. 18 f. UGPRL sowie Beater Rn. 2160 ff. 574 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 17 (zu § 4 Nr. 1), 19 (zu § 4 Nr. 10). 575 Siehe dazu auch § 1 Rn. 148 ff. 576 Köhler WRP 2012, 1329 ff; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 89; Gloy/Loschelder/Erdmann § 32 Rn. 7. 577 A.A. Beater WRP 2009, 768, 778 ff.; ders. Rn. 2626 ff. (ungeschriebenes Klagerecht des unmittelbar verletzten, sonstigen Marktteilnehmers).
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bb) Begriff des sonstigen Marktteilnehmers. Wie Verbraucher und Mitbewerber müssen auch sonstige Marktteilnehmer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sein. Hierzu zählen sämtliche Personen, die geschäftliche Handlungen vornehmen oder solchen ausgesetzt sind. In diesem Sinne am geschäftlichen Verkehr beteiligt sind sowohl Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 als auch nicht unternehmerisch agierende, natürliche (Verbraucher) oder juristische Personen bzw. rechtsfähige Personengesellschaften. Konturen gewinnt der Begriff des sonstigen Marktteilnehmers erst in Abgrenzung zu den Legaldefinitionen des Verbrauchers und des Mitbewerbers. Dabei ist von der konkret streitgegenständlichen geschäftlichen Handlung auszugehen. Ist eine natürliche Person im Hinblick auf eine Tätigkeit, die weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, durch eine geschäftliche Handlung betroffen, ist gem. §§ 2 Abs. 2, 13 BGB ein verbraucherbezogener Sachverhalt gegeben. Diejenigen Unternehmer, die zum (unlauter) handelnden oder geförderten Unternehmer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, werden vom UWG als Mitbewerber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 eingeordnet und geschützt. Alle anderen Marktteilnehmer fallen in die Kategorie der „sonstigen Marktteilnehmer“. Hierzu zählen zunächst Unternehmensinhaber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs., also jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, soweit sie in keinem konkreten Wettbewerbsverhältnis zum gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 handelnden oder geförderten Unternehmen stehen. Dies sind alle auf anderen Märkten tätigen und durch die geschäftliche Handlung auch sonst nicht in ihren gegenläufigen unternehmerischen Absatz- oder Nachfrageinteressen unmittelbar beeinträchtigten Unternehmer.578 Personen, die gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. im Namen oder Auftrag eines Unternehmensinhabers handeln, agieren hierbei generell nicht als Mitbewerber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3, da ein konkretes Wettbewerbsverhältnis nur zwischen eigenverantwortlich handelnden Unternehmensinhabern bestehen kann.579 Fördert eine solche unternehmergleiche Person den Wettbewerb ihres Auftrag- oder Arbeitgebers, ist sie insoweit als sonstiger Marktteilnehmer einzuordnen. Anders als noch der Privatentwurf von Köhler, Bornkamm und Henning-Bodewig erstreckt sich der Begriff des sonstigen Marktteilnehmers aber nicht nur auf Unternehmer, sondern auch auf nicht unternehmerisch tätige Personen mit Ausnahme von Verbrauchern. In diese Kategorie fallen juristische Personen des Privatrechts wie insbesondere Idealvereine und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die am Markt nicht planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbieten, sondern außergeschäftlichen (ideellen, hoheitlichen usw.) Zielsetzungen nachgehen.580 Natürliche Personen, die in nicht unternehmerischer Weise Waren oder Dienstleistungen anbieten, zählen hingegen zu den Verbrauchern und nicht zu den sonstigen Marktteilnehmern.581 Insgesamt bilden die sonstigen Marktteilnehmer mit den Verbrauchern die Marktgegenseite des handelnden oder geförderten Unternehmers. Da sie nicht auf demselben Markt wie jener tätig sind, sind sie anders als die in einem horizontalen Wettbewerbsverhältnis stehenden Mitbewerber nicht individuell zur Durchsetzung des
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Dazu unten § 2 Rn. 424 ff. sowie Beater Rn. 2166 f., 2173. § 2 Rn. 406 ff. Anders Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 106 (unternehmerisch tätige Marktteilnehmer). Beater Rn. 2168; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 89.
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Lauterkeitsrechts berufen. Die in § 7 Abs. 2 Nr. 2 zum Ausdruck kommende, geringere Schutzwürdigkeit der sonstigen Marktteilnehmer im Vergleich zu Verbrauchern beruht darauf, dass zu den sonstigen Marktteilnehmern zum einen Unternehmer und zum anderen juristische Personen zählen, die zwar kein Unternehmen betreiben, deren Organe und sonstigen Vertreter aber typischerweise über eine gewisse geschäftliche Erfahrung verfügen, die in geringerem Maße als bei Verbrauchern befürchten lässt, dass geschäftliche Entscheidungen manipulierbar sind. Definitionen § 2 Mitbewerber § 2 Peukert III. Mitbewerber, § 2 Abs. 1 Nr. 3 1. Entstehungsgeschichte a) UWG 1896 und UWG 1909. Weder das UWG 1896 noch das UWG 1909 kannten eine Legaldefinition des Begriffs „Mitbewerber“. Gleichwohl ist § 2 Abs. 1 Nr. 3 nur vor dem Hintergrund der Rechtspraxis zu jenen Gesetzen verständlich. Dies gilt insbesondere für das zentrale Tatbestandsmerkmal des „konkreten Wettbewerbsverhältnisses“. Hierbei handelt es sich um eine dogmatische Begrifflichkeit, die sich bis zum UWG 1896 zurückverfolgen lässt. Das Tatbestandsmerkmal eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs gem. §§ 6, 9 und 10 UWG 1896 legte das Reichsgericht dahingehend aus, dass ein anderer Geschäftsbetrieb beeinträchtigt und gerade hierdurch der eigene Absatz gefördert werden muss.582 Eine solche Korrelation zwischen wettbewerblichen Vor- und Nachteilen wurde in der Folge auch für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs gem. §§ 1, 3 UWG 1909 verlangt.583 Der entsprechende Zusammenhang wurde als „konkretes Wettbewerbsverhältnis“ bezeichnet. Nur einem Mitbewerber, der zu dem Verletzer (oder dem von diesem Geförderten) in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stand, wurde als unmittelbar Verletztem aus § 1 UWG 1909 eine Sachbefugnis zugestanden. Mit dem ungeschriebenen Erfordernis des konkreten Wettbewerbsverhältnisses wurde das Tatbestandsmerkmal des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs „im Blick auf die Klageberechtigung umschrieben“.584 Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis setzte voraus, dass zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann.585 Maßgeblich hierfür war vor allem eine gegenwärtige oder künftige Konkurrenzsituation im Hinblick auf den Absatz oder die Nachfrage von Waren oder Dienstleistungen.586 Richteten sich die Streitparteien mit gleichartigen Produkten an denselben Endverbraucherkreis, ging die Rechtspraxis davon aus, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers
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582 RG 16.2.1899 – 4767/98 – RGSt 32, 27, 28 – Drucktuch. 583 Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 216. 584 BGH 7.12.1989 – I ZR 3/88 – GRUR 1990, 375, 376 – Steuersparmodell; BGH 5.3.1998 – I ZR 229/95 – GRUR 1998, 1039, 1040 – Fotovergrößerungen; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260 – Vielfachabmahner; Voraufl/Schünemann Einl. D Rn. 202 ff.; zur Kritik aus der Literatur Sack GRUR 2011, 953, 954 m.w.N. 585 Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 216 m.w.N. 586 BGH 11.5.1954 – I ZR 178/52 – BGHZ 13, 244, 249 = GRUR 1955, 37 – Cupresa-Kunstseide; BGH 19.10.1966 – Ib ZR 156/64 – GRUR 1967, 138, 141 – Streckenwerbung.
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den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann.587 Die Interessenbeeinträchtigung musste zwar mit einer – sei es auch nur geringen – Wahrscheinlichkeit praktisch in Betracht kommen; eine tatsächliche Behinderung o.ä. musste aber nicht nachgewiesen werden.588 Vom konkreten Wettbewerbsverhältnis wurde das abstrakte Wettbewerbsverhält360 nis und die hieran anknüpfende Klagebefugnis abstrakter Mitbewerber gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG 1909 unterschieden.589 Nach der ursprünglichen Fassung der Vorschrift konnte der Unterlassungsanspruch von allen Gewerbetreibenden geltend gemacht werden, die Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art vertrieben.590 Sie mussten hierfür, anders als unmittelbar verletzte Mitbewerber, keine konkrete Beeinträchtigungsgefahr im Hinblick auf geschützte Interessen dartun.591 Es genügte vielmehr der Umstand, dass die von den Streitparteien vertriebenen Waren oder gewerblichen Leistungen sich derart glichen oder nahestanden, dass der Vertrieb der einen durch den Vertrieb der anderen beeinträchtigt werden konnte.592 1994 wurde diese individuelle Klagebefugnis dahingehend eingeschränkt, dass die 361 Waren oder gewerblichen Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben werden mussten. Zudem musste der Anspruch eine Handlung betreffen, die geeignet war, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Die Klagebefugnis rechtsfähiger Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG 1994 war ebenfalls an die Voraussetzung geknüpft, dass den Verbänden eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehörte, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt anboten. Damit reichte die Klagebefugnis eines Verbandes nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG 1994 nicht weiter als die seiner Mitglieder nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG 1994.593 Die vorgenannten Tatbestandsvoraussetzungen des „abstrakten“ Wettbewerbsverhältnisses finden sich weiterhin in § 8 Abs. 3 Nr. 2. Mit dem Rekurs auf „denselben Markt“, der im Wesentlichen durch die Geschäftstätigkeit des angegriffenen werbenden Unternehmens bestimmt wurde,594 sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass es nicht genügte, wenn auch nur
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587 BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 908 – Filialleiterfehler; BGH 5.10.2000 – I ZR 210/98 – GRUR 2001, 258 – Immobilienpreisangaben; BGH 6.12.2001 – I ZR 214/99 – GRUR 2002, 985, 986 – WISO; BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978, 979 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer; OLG Düsseldorf 13.4.2006 – U 23/05 – GRUR 2006, 782, 783 – Lottofonds; OLG Brandenburg 16.9.2008 – 6 U 6/08 – GRUR-RR 2009, 140, 141 – Steinschlagreparatur; Voraufl/Erdmann § 13 Rn. 13 f. 588 BGH 6.12.2001 – I ZR 214/99 – GRUR 2002, 985, 986 – WISO; OLG Düsseldorf 24.8.1994 – 2 W 88/94 – GRUR 1994, 837 f. – Fliegender Gerichtsstand. Vgl. auch BGH 13.2.1981 – I ZR 63/79 – GRUR 1981, 529, 530 – Rechtsberatungsanschein. 589 BGH 9.10.1959 – I ZR 78/58 – GRUR 1960, 144, 146 – Bambi; BGH 23.3.1966 – Ib ZR 28/64 – GRUR 1966, 445, 446 – Glutamal; BGH 14.4.1988 – I ZR 35/86 – GRUR 1988, 620, 621 – Vespa-Roller; OLG Düsseldorf 24.8.1994 – 2 W 88/94 – GRUR 1994, 837 – Fliegender Gerichtsstand; Voraufl/Erdmann § 13 Rn. 27 f.; Baumbach/Hefermehl § 13 Rn. 11 ff. 590 Vgl. BGH 11.5.1954 – I ZR 178/52 – BGHZ 13, 244, 249 = GRUR 1955, 37, 39 – Cupresa-Kunstseide; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260 – Vielfachabmahner. 591 Voraufl/Erdmann § 13 Rn. 33 m.w.N.; Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 225 (Wettbewerbshandlung, die an unbestimmte Mehrheit von Mitbewerbern gerichtet ist); Dreyer GRUR 2008, 123, 125. 592 BGH 30.4.1997 – I ZR 30/95 – GRUR 1997, 934, 935 – 50% Sonder-AfA; BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 260 – Vielfachabmahner. 593 BGH 27.2.1997 – I ZR 217/94 – GRUR 1997, 478 – Haustürgeschäft II; Baumbach/Hefermehl § 13 Rn. 23a. 594 BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260 – Vielfachabmahner; vgl. BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 GRUR 1996, 804, 805 – Preisrätselgewinnauslobung III; BGH 19.6.1997 – I ZR 72/95 – GRUR 1998, 170 – Händlervereinigung.
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teilweise Waren gleicher oder verwandter Art vertrieben wurden und deshalb eine Beeinträchtigungsmöglichkeit abstrakt möglich erschien. Vielmehr musste eine nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung mit einer gewissen – sei es auch nur geringen – Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden können.595 Die Wettbewerbsmaßnahme des Verletzers musste zumindest auch auf den potentiellen Kundenkreis des Gewerbetreibenden einwirken können.596 b) UWG 2004. Die gegenwärtige Fassung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 geht auf den Vor- 362 schlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform zurück, den Helmut Köhler, Joachim Bornkamm und Frauke Henning-Bodewig im Jahr 2002 vorlegten.597 Demnach sollte der Begriff des Mitbewerbers sowohl im künftigen UWG als auch in der avisierten Richtlinie jeden Unternehmer erfassen, „der mit einem oder mehreren Unternehmern als Nachfrager oder Anbieter von Waren oder Dienstleistungen in Wettbewerb steht.“598 Ausweislich der Erläuterungen zur individuellen Anspruchsberechtigung der Mitbewerber gem. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 des Entwurfs war hiermit der Mitbewerber im Sinne der Rechtsprechung zum „unmittelbar Verletzten“ gem. §§ 1, 3 UWG 1909 gemeint. Die Anspruchsberechtigung der „Gewerbetreibenden“ i.S.v. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG 1909 wurde hingegen beseitigt, da diese nur abstrakt betroffenen Mitbewerber kein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Geltendmachung von Abwehransprüchen hätten. Ihnen stehe vielmehr die Möglichkeit offen, einen Wirtschafts- oder Verbraucherverband zur Bekämpfung des Wettbewerbsverstoßes einzuschalten.599 Der Referentenentwurf des Justizministeriums v. 23.1.2003 übernahm die Formu- 363 lierung des Privatentwurfs von Köhler, Bornkamm und Henning-Bodewig, fügte aber die Wendung „oder durch die Wettbewerbshandlung unmittelbar betroffen ist“, hinzu.600 Unverändert sollte an die Rechtspraxis zum unmittelbar Verletzten nach UWG 1909 angeknüpft werden. Die Einordnung als Mitbewerber setze wie der Begriff der Wettbewerbshandlung ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Zuwiderhandelnden und dem benachteiligten Unternehmen voraus.601 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung kehrte zum Wortlaut des Vorschlags von 364 Köhler, Bornkamm und Henning-Bodewig zurück.602 Zunächst wurde entgegen dem Referentenentwurf klargestellt, dass der Begriff der Wettbewerbshandlung anders als nach früherer Rechtslage nur mehr eine Wettbewerbsförderung, nicht aber ein konkretes Wettbewerbsverhältnis voraussetzt. Anwendungsbereich des Gesetzes und individuelle Klageberechtigung wurden also entkoppelt. Nur für den Mitbewerberbegriff sei zu prüfen, ob zwischen dem Zuwiderhandelnden oder einem Dritten und dem benachteiligten Unternehmen ein konkretes Wettbewerbsverhältnis gegeben sei.
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595 BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 – GRUR 1996, 804, 805 – Preisrätselgewinnauslobung III; BGH 11.7.1996 – I ZR 183/93 – GRUR 1997, 145, 146 – Preisrätselgewinnauslobung IV; BGH 14.11.1996 – I ZR 162/94 – GRUR 1997, 479, 480 – Münzangebot; BGH 30.4.1997 – I ZR 30/95 – GRUR 1997, 934, 935 – 50% SonderAfA; BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – WRP 2000, 389, 391 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge. 596 KG 3.11.1994 – 25 U 4969/94 – GRUR 1995, 157, 159 f. – Fermate-Tee; OLG Karlsruhe 15.1.1995 – 6 U 227/94 – WRP 1995, 413, 414 – Anonymisierte Mitgliederliste; OLG Köln 30.10.1996 – 6 U 185/95 – GRUR 1997, 316, 317 f. – Branchenanzeiger. 597 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317 ff. 598 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319 (§ 2 Nr. 4 UWG-E, Art. 2 Nr. 4 RL-E). 599 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1328. 600 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298 (§ 2 Nr. 3). 601 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 305. 602 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 5.
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Ein solches liege vor, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann. Unternehmen stünden in der Regel dann miteinander im Wettbewerb, wenn sie den gleichen Abnehmerkreis bzw. Lieferantenkreis hätten. Es könne aber auch zwischen Unternehmern verschiedener Wirtschaftsstufen ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen. Dies werde immer dann zu bejahen sein, wenn ein Hersteller oder Großhändler sich nicht auf seine Wirtschaftsstufe beschränke, sondern seine Ware direkt an den Endverbraucher absetze. Entsprechend der Rechtslage zum UWG 1909 genüge also auch weiterhin ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis.603 „Daher“ könnten insbesondere auch Unternehmer verschiedener Branchen durch eine Wettbewerbshandlung in eine wettbewerbliche Beziehung zueinander treten, ohne dass der Absatz der beiderseitigen ungleichartigen Waren beeinträchtigt werde. Das Wettbewerbsverhältnis werde in diesem Fall durch die konkrete Handlung begründet, so beispielsweise unter dem Aspekt der Behinderung, wenn ein Unternehmen für Kaffee als Geschenk mit dem Hinweis „statt Blumen Onko-Kaffee“ werbe.604 Die in § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG 1994 geregelte Anspruchsberechtigung entfalle hingegen, da nur abstrakt betroffene Mitbewerber kein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Geltendmachung von Abwehransprüchen hätten.605 In seiner Stellungnahme regte der Bundesrat an, die Wörter in „Wettbewerb steht“ durch die Wörter in „einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht und durch die Wettbewerbshandlung unmittelbar verletzt ist“ zu ersetzen. Im Entwurfstext komme nicht hinreichend zum Ausdruck, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vorliegen müsse. Ferner sei klarzustellen, dass der Begriff des Mitbewerbers nur den unmittelbar Verletzten im Sinne der Rechtsprechung zum UWG 1909, nicht aber den abstrakt betroffenen Mitbewerber gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG 1994 erfasse.606 Die Bundesregierung stimmte dem Anliegen dieser Stellungnahme zu, schlug hierfür aber die schließlich Gesetz gewordene Fassung607 vor, wonach „Mitbewerber“ jeder Unternehmer ist, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Der Einfügung der Wörter „und durch die Wettbewerbshandlung unmittelbar verletzt ist“, bedürfe es nicht, da ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bereits begrifflich voraussetze, dass zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann.608 Insgesamt bezeugt die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 Nr. 3, dass mit der Legaldefinition des Mitbewerbers die Rechtspraxis zum „unmittelbar Verletzten“ unter Geltung des UWG 1909 kodifiziert werden sollte. Schwierigkeiten bereitete lediglich die Formulierung eines Wortlauts, der diesen allgemein konsentierten Regelungszweck adäquat zum Ausdruck bringt. Einigen konnte man sich schließlich auf die zum UWG
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603 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16 (wie zuvor RefE UWG 2004 zum Begriff der Wettbewerbshandlung). 604 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16 mit Verweis auf BGH 12.1.1972 – I ZR 60/70 – GRUR 1972, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee. 605 RegE UWG 2004, BTDrucks 15/1487, S. 22. 606 Stellungnahme BRat, BTDrucks. 15/1487, S. 29. 607 Siehe Bericht Rechtsausschuss UWG 2004, BTDrucks. 15/2795, S. 3. 608 Gegenäußerung der Bundesregierung BTDrucks. 15/1487, S. 40.
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1909 entwickelte, dogmatische Rede vom „konkreten Wettbewerbsverhältnis“. Hierbei handelt es sich letztlich um einen Pauschalverweis auf die einschlägigen Rechtsprechungsgrundsätze. Im Zuge der Umsetzung der UGPRL durch das UWG 2008 blieb § 2 Abs. 1 Nr. 3 un- 370 verändert. 2. Bedeutung und Anwendungsbereich der Legaldefinition a) Übersicht. Aus der Systematik des UWG und dem Regelungszweck des Definitionskatalogs folgt an sich, dass alle Begriffsverwendungen einheitlich im Sinne des § 2 ausgelegt werden müssen. Dies gilt auch für den Begriff des Mitbewerbers, der mehrfach in Kapitel 1 und 2 des Gesetzes sowie im Anhang Nr. 13 zu § 3 Abs. 3 Verwendung findet. Eine solch einseitige Betrachtung des UWG aus der Perspektive des § 2 genügt aber nicht. Zunächst ist zu beachten, dass die Auslegung der Legaldefinitionen des § 2 wichtige Impulse aus den folgenden Vorschriften empfängt, die mit den in § 2 erläuterten Begriffen operieren.609 So lassen die auf Mitbewerber bezogenen Konkretisierungen der Unlauterkeit erkennen, in welchen Konstellationen typischerweise ein konkretes Wettbewerbsverhältnis anzunehmen ist. Ferner dient das UWG der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien, die überwiegend eine vollständige Rechtsangleichung herbeiführen. In diesem Kontext ist aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts vor allem eine richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs „Mitbewerber“ sicherzustellen. Dies gilt insbesondere für § 6 und § 5 Abs. 2. Es ist daher zu prüfen, inwieweit die ganz an der deutschen Rechtstradition orientierte Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 überhaupt auf unionsrechtlich geprägte Mitbewerberbegriffe anwendbar ist. Dabei ist zwischen zwei Kategorien von Mitbewerbern zu unterscheiden. Per se zu den Mitbewerbern zählen erstens alle Unternehmen, die auf demselben sachlichen, zeitlichen und räumlichen Markt wie das handelnde bzw. geförderte Unternehmen tätig sind und zumindest in gewisser Weise substituierbare Produkte anbieten. Ihre unternehmerischen Interessen sind stets nachteilig betroffen, wenn ein Konkurrent seine Wettbewerbsposition auf dem Markt durch eine unzulässige geschäftliche Handlung fördert.610 Mitbewerber sind zweitens Unternehmer, die durch die konkret streitgegenständliche geschäftliche Handlung in ihren unternehmerischen Absatz- oder Nachfrageinteressen unmittelbar nachteilig betroffen sind. Solche sich ad hoc, durch die angegriffene Handlung konstituierenden, konkreten Wettbewerbsverhältnisse können auch zwischen Unternehmern entstehen, die auf unterschiedlichen Märkten ganz verschiedenartige Produkte anbieten oder nachfragen.611
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b) Verbotstatbestände und Konkretisierungen der Unlauterkeit. Auf den Mit- 375 bewerber als Schutzsubjekt des UWG wird in einer ganzen Reihe von Vorschriften Bezug genommen. Eine Analyse dieser Normen muss wie generell im UWG vom Besonderen zum Allgemeinen voranschreiten.612
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Zu diesem Verweisungszusammenhang oben § 2 Rn. 4 ff. sowie Köhler WRP 2009, 499, 505 ff. Dazu unten § 2 Rn. 435 ff.; Köhler WRP 2009, 499, 507. Dazu unten § 2 Rn. 472 ff. Siehe § 3 Rn. 133 ff.
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aa) Vergleichende Werbung, § 6. Vergleichende Werbung ist gem. § 6 Abs. 1 jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht.613 Eine solche vergleichende Werbung ist unter anderem dann gem. § 6 Abs. 2 Nr. 3–5 unlauter, wenn der Vergleich zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt; wenn der Vergleich den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt; oder wenn der Vergleich die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft.614 § 6 dient der Umsetzung von Art. 4 IrreführungsRL 2006, der für vergleichende 377 Werbung eine vollständige Rechtsangleichung herbeiführt.615 Zwar hat der deutsche Gesetzgeber diese zwingenden Vorgaben über die absatzfördernde Werbung auf von der Richtlinie nicht erfasste Nachfragewerbung erstreckt.616 Doch auch insoweit ist § 6 und der dort verwendete Begriff des Mitbewerbers richtlinienkonform auszulegen.617 Da der deutsche Gesetzgeber vom vollharmonisierenden Verbotsniveau des Art. 4 IrreführungsRL 2006 weder nach oben noch nach unten abweichen darf, sind als Mitbewerber im Sinne des § 6 nur, zugleich aber alle Unternehmer anzusehen, die auch nach der IrreführungsRL 2006 zu den Mitbewerbern zählen. Die Grundsätze zur Auslegung dieses Begriffs hat der EuGH in der Entscheidung 378 De Landtsheer dargelegt.618 Das Vorabentscheidungsersuchen betraf einen Rechtsstreit zwischen (Schaum-)Weinproduzenten aus der Champagne und einem Brauereiunternehmen über die Zulässigkeit der Bezeichnung „Malheur Brut Réserve“ für Bier. Nach Auffassung des EuGH beruht die Einstufung von Unternehmern als Mitbewer379 bern „definitionsgemäß“ und mit Rücksicht auf das Erfordernis, dass Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung verglichen werden müssen, auf der „Substituierbarkeit der Waren oder Dienstleistungen, die sie auf dem Markt anbieten“.619 Die Substituierbarkeit könne nicht unabhängig von den Waren oder Dienstleistungen festgestellt werden, die das in der vergleichenden Werbung erkennbar gemachte Unternehmen anbietet. Ausreichend sei, dass die gegenübergestellten Produkte in gewisser Weise gleichen Bedürfnissen dienen können und daher ein gewisser Substitutionsgrad zwischen ihnen besteht.620 Die konkrete Beurteilung des Substitutionsgrades obliege den nationalen Gerichten. Diese haben anhand von Kriterien zu prüfen, ob „zumindest zwischen einem Teil der von den betreffenden Unternehmen angebotenen Produktpalette ein Wettbewerbsverhältnis besteht.“621 Dabei sei auch auf die im Rahmen des freien Warenverkehrs gegebenen Entwicklungsmöglichkeiten und auf neue Anreize für die Substitution von Erzeugnissen, die sich aus einem verstärkten Handel ergeben können, sowie auf die konkreten Merkmale der beworbenen Produkte, ins-
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613 Mit identischem Wortlaut Art. 2 lit. c IrreführungsRL 2006. 614 Siehe Art. 4 lit. d, f und h IrreführungsRL 2006. 615 Art. 8 Abs. 1 UA 2 IrreführungsRL 2006. 616 Siehe oben § 2 Rn. 181. 617 Im Ergebnis auch Sack WRP 2008, 1141, 1146 (keine abweichende Umsetzung beabsichtigt); Dreyer GRUR 2008, 123, 128 f.; Köhler WRP 2009, 499, 500. 618 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 – De Landtsheer. 619 Siehe Art. 4 lit. b IrreführungsRL 2006; EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 Tz. 28 ff. – De Landtsheer. 620 Vgl. EuGH 27.2.1980 – 170/78 – Slg. 1980, 417 Tz. 14 – Kommission/Vereinigtes Königreich; EuGH 9.7.1987 – 356/85 – Slg. 1987, 3299 Tz. 10 – Kommission/Königreich Belgien. 621 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 Tz. 33 – De Landtsheer.
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besondere das Image einer Ware oder Dienstleistung Rücksicht zu nehmen.622 Nach diesen Vorgaben spricht viel dafür, dass zwischen Champagner und Bier ein gewisser Substitutionsgrad besteht, so dass die jeweiligen Anbieter Mitbewerber im Sinne von Art. 2 lit. c, 4 IrreführungsRL sind. In einer früher ergangenen Entscheidung hatte der BGH ebenfalls bereits auf die Austauschbarkeit bzw. „Funktionsidentität“ der verglichenen Waren aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise abgestellt.623 Das sei nicht der Fall, wenn die Parteien in völlig verschiedenen Branchen tätig sind und völlig unterschiedliche Produkte anbieten, wie eine Lotteriegesellschaft (Gewinnspiele) auf der einen und ein Wirtschaftsverlag (Zeitschriften) auf der anderen Seite.624 Festzuhalten ist, dass für den Begriff des Mitbewerbers im Sinne von § 6 auf die Austauschbarkeit der verglichenen Produkte abzustellen ist. Auch wenn ein gewisser Grad an Substituierbarkeit genügt und auf die konkreten Merkmale, insbesondere das Image der gegenübergestellten Produkte Rücksicht zu nehmen ist,625 wird das erforderliche Wettbewerbsverhältnis nicht erst durch die vergleichende Werbung konstituiert, sondern es besteht unabhängig von der streitgegenständlichen Handlung aufgrund einer zumindest teilweise überlappenden, substituierbaren Produktpalette. Nicht unter § 6 und Art. 4 IrreführungsRL 2006 fallen hingegen insbesondere Fälle von Rufausbeutungen, die völlig verschiedene Produkte – etwa Blumen und Kaffee – betreffen. In einem solchen Fall stehen sich keine Mitbewerber i.S.v. § 6 gegenüber. Andernfalls wäre eine Bezugnahme auf Waren oder Dienstleistungen, die nicht teilweise und in gewisser Hinsicht den gleichen Bedarf decken oder dieselbe Zweckbestimmung aufweisen, schon gem. § 6 Abs. 2 Nr. 1 unlauter und unzulässig.626 Diesen Regelungsanspruch aber erhebt Art. 4 IrreführungsRL nicht. Die vollständige, also tief in die mitgliedstaatlichen Lauterkeitsrechte eingreifende Rechtsangleichung sollte nur den schmalen Bereich „echter“ vergleichender Werbung im Interesse einer marktkonformen Information der Verbraucher legalisieren.627 Im Übrigen sieht die IrreführungsRL 2006 nur eine Mindestharmonisierung für irreführende Werbung im B2B-Bereich vor;628 aggressive geschäftliche Handlungen zwischen Unternehmern sind weiterhin gar nicht vom europäischen Lauterkeitsrecht erfasst. Diese Tatbestände haben denn auch im UWG eine eigenständige Regelung in § 4 Nr. 7–10 sowie §§ 5, 5a Abs. 1 erfahren. Hieran ist eine werbliche Äußerung wie „statt Blumen Onko-Kaffee“ zu messen, die völlig verschiedene Waren oder Dienstleistungen betrifft.629 Kommt es dabei zum Beispiel zu einer Herabsetzung oder Verunglimpfung nicht substituierbarer Produkte, soll nach erklärter Absicht des Gesetzgebers gleichwohl ein konkretes Wettbewerbsverhältnis gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3630 und damit ggf. der Tatbestand des § 4 Nr. 7 vorliegen. Insoweit gilt der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 kodifizierte, an das UWG 1896/1909 anknüpfende, autonom-deutsche Mitbewerberbegriff, der sich auch auf
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622 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 Tz. 39 ff. – De Landtsheer. 623 BGH 17.1.2002 – I ZR 215/99 – GRUR 2002, 828 – Lottoschein. 624 BGH 17.1.2002 – I ZR 215/99 – GRUR 2002, 828, 829 – Lottoschein (zu vergleichender Werbung). 625 Insoweit kritisch Blankenburg WRP 2008, 186, 189 ff. 626 Blankenburg WRP 2008, 186, 189. 627 Beater WRP 2009, 768, 773. 628 Vgl. Art. 8 Abs. 1 IrreführungsRL 2006. 629 Verkannt von Boesche Rn. 54. 630 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16 mit Verweis auf BGH 12.1.1972 – I ZR 60/70 – GRUR 1972, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee.
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marktfremde Unternehmen erstreckt, wenn deren unternehmerische Interessen durch die geschäftliche Handlung ad hoc unmittelbar negativ betroffen sind.631 Folglich ist zwischen dem unionsrechtlichen Begriff des Mitbewerbers gem. § 6 384 und der in der Tradition des deutschen Lauterkeitsrechts stehenden Legaldefinition des Mitbewerbers gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 zu unterscheiden.632 Nur Letzterer erfasst auch Wettbewerbsverhältnisse zwischen Unternehmern, die völlig verschiedene, nicht substituierbare Produkte anbieten. Um eine richtlinienkonforme Auslegung des § 6 zu gewährleisten, ist das Tatbe385 standsmerkmal des „konkreten Wettbewerbsverhältnisses“ in §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 S. 1 nach den Vorgaben der De Landtsheer-Entscheidung des EuGH auszulegen, soweit der Begriff des Mitbewerbers im Kontext vergleichender Werbung in Rede steht. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 3 steht einer solch gespaltenen Auslegung nicht zwingend entgegen, zumal im Rahmen des § 6 auf die konkret verglichenen Produkte abzustellen ist. Die historische Auslegung fördert nur zu Tage, dass der deutsche Gesetzgeber den Unterschied zwischen dem Begriff des unmittelbar Verletzten gem. UWG 1909 und dem vollharmonisierten Begriff des Mitbewerbers gem. § 6 übersehen hat, aber jedenfalls ein europarechtskonformes UWG zu kodifizieren gedachte.633 386
bb) Lauterkeitsrechtlicher Schutz vor Verwechslungen gem. § 5 Abs. 2. § 5 Abs. 2 erklärt geschäftliche Handlungen für irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorrufen. Die Vorschrift setzt Art. 6 Abs. 2 lit. a UGPRL überschießend, nämlich nicht beschränkt auf geschäftliche Handlungen von Unternehmern gegenüber Verbrauchern, in deutsches Recht um. Wie Art. 4 IrreführungsRL 2006 führt die UGPRL eine vollständige Rechtsanglei387 chung herbei. Der Begriff des Mitbewerbers gem. § 5 Abs. 2 muss also gleichbedeutend mit dem von Art. 6 Abs. 2 lit. a UGPRL verwendeten Begriff sein, und zwar im Interesse der Kohärenz der Umsetzungsvorschrift auch, soweit von der UGPRL nicht erfasste geschäftliche Handlungen in Rede stehen. 388 Die UGPRL definiert den Terminus des Mitbewerbers ebenso wenig wie die IrreführungsRL 2006. Dafür bezieht Art. 6 Abs. 2 lit. a UGPRL ausdrücklich vergleichende Werbung in den Anwendungsbereich der Norm mit ein. Diese ist in Art. 2 lit. c, 4 IrreführungsRL 2006 definiert und geregelt. Die Systematik und Einheitlichkeit des europäischen Lauterkeitsrechts sprechen dafür, dass daher auch der Begriff des Mitbewerbers in beiden Regelungen deckungsgleich ist. Für diese Auffassung lässt sich des Weiteren anführen, dass Verwechslungsgefahren zwischen Produkten und Kennzeichen in der Regel nur drohen, wenn eine gewisse Substituierbarkeit – markenrechtlich gesprochen eine „Ähnlichkeit“ – zwischen den betroffenen Waren und Dienstleistungen besteht.634
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631 Näher unten § 2 Rn. 472 ff. 632 Blankenburg WRP 2008, 186, 192 f.; Sack WRP 2008, 1141, 1145 ff.; Dreyer GRUR 2008, 123, 128 f.; Köhler WRP 2009, 499, 500; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 52; dem Grundsatz nach auch Gloy/Loschelder/ Erdmann § 33 Rn. 1; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 109; a.A. Sack GRUR 2011, 953, 958; Boesche Rn. 48 ff. m.w.N. 633 Damit ist der Versuch, den Terminus des Mitbewerbers für das gesamte, zu einem guten Teil europäisierte UWG legal zu definieren, als gescheitert zu betrachten. Es spricht viel für eine ersatzlose Streichung von § 2 Abs. 1 Nr. 3. Allgemein zur Problematik, deutsche UWG-Tradition und europäisches Lauterkeitsrecht in einem Gesetz zu vereinigen, § 3 Rn. 32 ff. 634 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 91; Köhler WRP 2009, 499, 502; a.A. Fezer/Fezer § 2 Nr. 3 Rn. D 14.
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Folglich ist auch der richtlinienkonform auszulegende Begriff des Mitbewerbers 389 i.S.v. § 5 Abs. 2 von der allgemeinen Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 zu unterscheiden. Im Hinblick auf § 5 Abs. 2 ist das Merkmal des „konkreten Wettbewerbsverhältnisses“ allein anhand der Kriterien der De Landtsheer-Entscheidung des EuGH zu bestimmen.635 cc) Anhang Nr. 13 zu § 3 Abs. 3. Gem. Anhang Nr. 13 zu § 3 Abs. 3 ist eine Werbung 390 für eine Ware oder Dienstleistung, die der Ware oder Dienstleistung eines Mitbewerbers ähnlich ist, gegenüber Verbrauchern stets unzulässig, wenn dies in der Absicht geschieht, über die betriebliche Herkunft der beworbenen Ware oder Dienstleistung zu täuschen. Auf diese Verwendung des Begriffs des Mitbewerbers darf § 2 Abs. 1 Nr. 3 nicht angewendet werden. Maßgeblich ist vielmehr die Formulierung in Nr. 13 Anhang I UGPRL, wo statt vom Mitbewerber offener vom Produkt „eines bestimmten Herstellers“ die Rede ist. Auch die amtliche Begründung zum Anhang Nr. 13 zu § 3 Abs. 3 bezieht sich lediglich auf einen „anderen Anbieter“.636 Hierbei muss es sich nicht zwingend um einen Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 oder Art. 6 Abs. 2 lit. a UGPRL handeln.637 dd) Schutz von Mitbewerberinteressen gem. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 7–10. Nicht 391 unionsrechtlich determiniert ist der Begriff des Mitbewerbers hingegen in den in § 4 Nr. 7–10 geregelten Fallgruppen unlauterer geschäftlicher Handlungen, deren Unzulässigkeit aus § 3 Abs. 1 folgt.638 Auf die mitbewerberschützenden Tatbestände639 der Herabsetzung und Verunglimpfung gem. § 4 Nr. 7, der Anschwärzung gem. § 4 Nr. 8, auf das Angebot unlauterer Nachahmungen gem. § 4 Nr. 9 und auf gezielte Behinderungen von Mitbewerbern gem. § 4 Nr. 10 ist daher die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 uneingeschränkt anwendbar. Hier wie in § 3 Abs. 1 kommt daher auch die Figur des marktfremden Ad-hoc-Mitbewerbers zum Tragen, dessen unternehmerische Absatz- oder Nachfrageinteressen durch eine geschäftliche Handlung – wie zum Beispiel eine Rufausbeutung – unmittelbar beeinträchtigt sein können, so dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis etabliert wird.640 ee) Sonstiger Schutz von Mitbewerberinteressen gem. § 1 S. 1. Mitbewerber wer- 392 den aber nicht nur durch Regelungen des UWG geschützt, die ausdrücklich auf diese Kategorie von Marktteilnehmern Bezug nehmen oder wie § 4 Nr. 11 und § 7 Abs. 1 die Interessen aller Marktteilnehmer gewährleisten.641 Nach dem umfassend-integralen Konzept des deutschen Lauterkeitsrechts dienen auch primär verbraucherschützende Verbote mittelbar den wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber. Denn ein auf unlauterem Handeln beruhender Geschäftsabschluss nimmt den Konkurrenten in verbotener Weise die Chance, den betreffenden wettbewerblichen Vorteil für sich zu verbuchen. Der diesbezügliche, in § 1 S. 1 zu verortende Begriff des Mitbewerbers ist vom 393 europäischen Lauterkeitsrecht nicht determiniert. Die UGPRL anerkennt ausdrück-
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Nur diese Per-se-Mitbewerber sind für Verstöße gegen §§ 3, 5 Abs. 2 individuell anspruchsberechtigt. RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 32. Köhler/Bornkamm Anh zu § 3 III Rn. 13.2. Siehe § 3 Rn. 184 ff. Beater WRP 2009, 768, 771 ff. m.w.N. Siehe Dreyer GRUR 2008, 123, 126; Köhler WRP 2009, 499, 505; kritisch Beater WRP 2009, 768, 772. Köhler WRP 2009, 499, 500.
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lich, dass unlautere Geschäftspraktiken im B2C-Geschäftsverkehr die wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder Mitbewerber mittelbar schädigen können. Zugleich verbietet die Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht, diese Auswirkungen bei der Anwendung der verbraucherschützenden Tatbestände zu berücksichtigen.642 Die IrreführungsRL 2006 hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Bestimmungen aufrechtzuerhalten oder zu erlassen, die bei irreführender Werbung einen weiterreichenden Schutz der Gewerbetreibenden und der Mitbewerber als nach der Richtlinie vorsehen.643 Hieraus folgt, dass zumindest Mitbewerber im Sinne der Regelungen zu vergleichender Werbung – also Unternehmer, die in gewissem Grade substituierbare Produkte anbieten – vor Irreführungen gem. §§ 5, 5a Abs. 1 geschützt werden müssen. Der deutsche Gesetzgeber ist aber frei, über diese Mindestharmonisierung hinaus auch Unternehmer als Mitbewerber anzuerkennen und vor den Auswirkungen einer Irreführung zu bewahren, die in ganz anderen Märkten tätig sind als der Handelnde bzw. Geförderte.644 Folglich kann die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 in all diesen Zusammenhängen uneingeschränkt zur Anwendung kommen. c) Anspruchsberechtigung. Die vorstehend erläuterte Offenheit des europäischen Lauterkeitsrechts im Hinblick auf den Schutz von Mitbewerberinteressen und damit auch den Begriff des Mitbewerbers erweist sich vor allen Dingen auf der Ebene der Rechtsdurchsetzung. Insoweit verlangen die Richtlinien lediglich in allgemeiner Weise, dass geeignete und wirksame Mittel bereitgestellt werden. Diese Mittel umfassen gem. Art. 5 Abs. 1 IrreführungsRL 2006, 11 Abs. 1 UA 2 UGPRL Rechtsvorschriften, die es den Personen oder Organisationen, die nach dem nationalen Recht ein berechtigtes Interesse am Verbot irreführender Werbung oder an der Regelung vergleichender Werbung bzw. an der Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken haben, „einschließlich Mitbewerbern“, gestatten, bestimmte Rechtsbehelfe geltend zu machen. Selbst wenn man dem Begriff des Mitbewerbers in diesen Vorschriften einen bestimmten, nämlich den in der De Landtsheer-Entscheidung des EuGH erläuterten Gehalt zuschreibt, steht es den Mitgliedstaaten nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts offen, auch anderen Personen eine individuelle Anspruchsberechtigung zuzuweisen, ggf. durch einen umfassenderen Begriff des Mitbewerbers. Für den Begriff des Mitbewerbers gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 S. 1 gilt daher die in § 2 395 Abs. 1 Nr. 3 kodifizierte, überkommene Figur des „unmittelbar Verletzten“, bei dem es sich auch um ein marktfremdes, ad hoc negativ betroffenes Unternehmen handeln kann.645 Unmittelbar Verletzte einer gem. § 6 oder § 5 Abs. 2 unlauteren geschäftlichen 396 Handlung können nach der De Landtsheer-Entscheidung allerdings nur Unternehmer sein, die zumindest in gewisser Weise austauschbare Produkte anbieten. Daher ist auch der Kreis der individuell anspruchsberechtigten Unternehmer gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 S. 1 auf sie begrenzt. Die abschließende Regelung der Anspruchsberechtigungen gem. §§ 8–10 bestätigt 397 generell,646 dass nicht jeder irgendwie entfernt von einem unzulässigen Verhalten be-
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642 Siehe ErwGrd. 6 und 8 UGPRL. 643 Siehe Art. 8 Abs. 1 UA 1 IrreführungsRL 2006. 644 Dreyer GRUR 2008, 123, 129 f. So zum Beispiel, wenn ein KfZ-Reparaturbetrieb gegenüber Verbrauchern oder anderen Marktteilnehmern falsche Angaben über die Versicherungsleistungen eines KfZ-Versicherers macht; dazu unten § 2 Rn. 477. 645 RegE UWG 2004, BTDrucks 15/1487, S. 22. 646 A.A. Sack WRP 2009, 1330, 1332 ff.
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rührte Unternehmer zu den Mitbewerbern zählt, sondern eben nur ein solcher, der in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zum unzulässig handelnden oder geförderten Unternehmer steht.647 Das gegenteilige Ergebnis ließe sich auf das ökonomische Modell des Kaufkraftwettbewerbs stützen, wonach jede unlautere geschäftliche Handlung allen Unternehmern auf dem vom UWG regulierten inländischen Markt in gewissem, wenn auch geringem Umfang Kaufkraft entzieht, und zwar unabhängig davon, ob sie auf demselben sachlichen, zeitlichen und ggf. räumlich begrenzten Markt agieren wie der Verletzer.648 Die §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 machen aber deutlich, dass ein engeres, eben konkretes Verhältnis zwischen Unternehmern betroffen sein muss, damit von einem Mitbewerber die Rede sein kann. Diese Konkretisierung ergibt sich entweder aus dem Umstand, dass die Unternehmer auf demselben sachlichen, zeitlichen und räumlichen Markt tätig sind, oder aus der streitgegenständlichen Handlung, die ad hoc einen antagonistischen, unternehmerischen Interessenkonflikt auslöst. Aus der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 Nr. 3 und der Systematik des § 8 Abs. 3 398 ergibt sich schließlich, dass Mitbewerber von Unternehmern zu unterscheiden sind, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. In dieser Formulierung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 zur Anspruchsberechtigung von Verbänden lebt der früher sog. abstrakte Mitbewerber fort, dessen individuelle Klagebefugnis gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG 1994 entfallen ist.649 Die diesbezügliche Rechtsprechung darf trotz des Rekurses auf denselben Markt nicht ohne Weiteres zur Begründung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses herangezogen werden.650 3. Jeder Unternehmer. Nur Unternehmer können Mitbewerber sein. Ein konkre- 399 tes Wettbewerbsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ist nur gegeben, wenn hieran zwei oder mehr Unternehmer beteiligt sind. Das Verhältnis zwischen einem Unternehmer einerseits und einem Verbraucher oder einem nicht-unternehmerisch agierenden, sonstigen Marktteilnehmer andererseits ist nie ein horizontales unter Mitbewerbern, sondern ein vertikales zwischen sich gegenüberstehenden Marktteilnehmern. Unternehmer ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. jede natürliche oder juristische Person, 400 die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. Unternehmerisch in diesem Sinne handelt, wer auch ohne Gewinnerzielungsabsicht planmäßig und dauerhaft Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbietet.651 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. gilt ferner jede Person, die im Namen oder Auftrag 401 eines Unternehmers handelt, selbst als Unternehmer. Diese unternehmergleichen Personen betreiben keinen eigennützigen Wettbewerb, sondern fördern als Beauftragte oder Mitarbeiter den Wettbewerb eines fremden Auftraggeber- oder Arbeitnehmer-Unternehmens. In einer solchen Konstellation muss das konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten Unternehmen und dem Anspruchsteller bestehen. Hieraus folgt zugleich, dass Personen, die nur gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. als Unternehmer gelten, ohne selbständig, planmäßig und dauerhaft Produkte gegen Entgelt anzubieten, keine Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 sind. Zu ihnen kann kein konkretes Wettbe-
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647 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 120. 648 Vgl. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 97; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 120. 649 Siehe RegE UWG 2004, BTDrucks 15/1487, S. 22 f. 650 Vgl. Köhler WRP 2009, 499, 500; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 115. 651 Dazu im Einzelnen unten § 2 Rn. 605 ff. sowie OLG Frankfurt a.M. 17.3.2005 – 6 U 195/04 – MMR 2005, 461 f.
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werbsverhältnis bestehen, sondern nur zum von ihnen geförderten, fremden Unternehmen. Die Unternehmer- und damit ggf. Mitbewerberstellung beginnt mit der Beschlussfassung zur Gründung eines Unternehmens und der Aufnahme ernsthafter Vorbereitungsmaßnahmen zur Eröffnung (Gründungsphase) und endet mit der endgültigen Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit. 652 Im Kontext der Anspruchsberechtigung eines Mitbewerbers werden insoweit zum Teil relativ strenge Anforderungen gestellt, um zu verhindern, dass Unternehmer sich eine wettbewerbsrechtliche Aktivlegitimation erschleichen. So wurden erste Vorbereitungen für eine künftige unternehmerische Aktivität, insbesondere in Gestalt von Anträgen auf behördliche Genehmigungen, teilweise noch nicht als ausreichend für die Annahme einer Mitbewerberstellung erachtet.653 Für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche muss die Unternehmerstellung noch zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein; bei Schadensersatzansprüchen kommt es auf den Zeitpunkt der angegriffenen geschäftlichen Handlung an.654 Unternehmerisch agierender Mitbewerber kann auch eine Konzern- oder Holdinggesellschaft sein, soweit sie mit Außenwirkung im Wettbewerb in Erscheinung tritt. Bejaht wurde dies für Franchisegeber655 und eine Muttergesellschaft, die die Geschäftspolitik einer ganzen Unternehmensgruppe sowie deren streitgegenständliches Auftreten in der Öffentlichkeit bestimmt.656 Keine Unternehmer und damit auch keine Mitbewerber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 sind demgegenüber für den privaten Eigenbedarf Produkte nachfragende oder anbietende Verbraucher sowie nicht unternehmerisch agierende sonstige Marktteilnehmer wie Idealvereine, Kirchen und der Staat bei der Erfüllung ihrer außergeschäftlichen Aufgaben. Konkurrieren diese Personen untereinander, um z.B. auf privaten Flohmärkten erfolgreich Verkäufe zu tätigen oder für ihren privaten oder sonst außergeschäftlichen Zweck Produkte beziehen zu können, so liegen weder geschäftliche Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 noch konkrete Wettbewerbsverhältnisse gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 vor. Interessenkonflikte unter Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern unterliegen auch dann nicht dem UWG, wenn sie sich auf wirtschaftliche Erwerbstatbestände beziehen. Einschlägig ist dann vielmehr das allgemeine Deliktsrecht.657 4. Der mit einem oder mehreren Unternehmern in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht a) Der Begriff des konkreten Wettbewerbsverhältnisses
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aa) Wortlaut und entstehungsgeschichtlicher Hintergrund. Aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 3 folgt zunächst, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis nur zwischen Unternehmern im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. bestehen kann.
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652 Näher unten § 2 Rn. 624 ff. Zu gesellschaftsrechtlichen Umwandlungen OLG Hamburg 9.9.2010 – 3 U 58/09 – BeckRS 2010, 26123. 653 KG 11.11.1980 – 5 U 3844/80 – WRP 1981, 461 f. – Linienverkehr; OLG Hamburg 6.5.1982 – 3 U 12/82 – WRP 1982, 533 f. 654 Köhler WRP 2009, 499, 503. 655 BGH 26.11.1992 – I ZR 108/91 – GRUR 1993, 563 – Neu nach Umbau (Franchisegeber). 656 OLG Bremen 9.4.2010 – 2 U 7/10 – BeckRS 2011, 16475 – swb. 657 Köhler WRP 2009, 499, 503.
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Doch schon der Begriff des „Wettbewerbsverhältnisses“ hat nur geringe Aussa- 407 gekraft. Das UWG erfasst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 jedes geschäftliche Verhalten, das sich zugunsten eines Unternehmens auswirken kann. Hierbei kann es sich auch um ein Monopolunternehmen handeln, das gar keinem Wettbewerb ausgesetzt ist.658 Wenn das UWG die geschäftlichen Handlungen eines Monopolisten wirksam regulieren soll, muss es auch in einer solchen Konstellation Mitbewerber geben, die gegen unzulässiges Marktverhalten individuell vorgehen können. Folglich sind jedenfalls diejenigen Unternehmer als Mitbewerber anzuerkennen, die ernsthafte Vorbereitungshandlungen treffen, um in einen noch monopolistisch dominierten Markt als neue Konkurrenten einzutreten. Ein solch potentielles Wettbewerbsverhältnis genügt für die Mitbewerberstellung ebenso wie der Umstand, dass sich die Produktpalette eines über ein gesetzlich abgesichertes Monopol verfügenden Unternehmens mit derjenigen eines anderen Anbieters nur teilweise deckt.659 Aus dem Wort „konkret“ lässt sich immerhin folgern, dass Ausgangspunkt der Be- 408 trachtung die angegriffene geschäftliche Handlung und die hierdurch ggf. konstituierte Wettbewerbsbeziehung zu einem anderen Unternehmer ist. Jedenfalls nicht allein maßgeblich ist hingegen die vom konkreten Fall losgelöste Prüfung, ob die von den Streitparteien angebotenen Produkte substituierbar sind und daher ein Konkurrenzverhältnis auf demselben Markt besteht. Ein solch abstraktes Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmern, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, ist im Rahmen von § 8 Abs. 3 Nr. 2 ausschlaggebend, nicht jedoch für den Begriff des Mitbewerbers gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1. Diese Unterscheidung entspricht der Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers, der mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 die Figur des unmittelbar Verletzten gem. §§ 1, 3 UWG a.F. kodifizieren wollte, während die Anspruchsberechtigung des abstrakten Mitbewerbers gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 ersatzlos entfiel.660 Trotz dieser Anknüpfung an die frühere Rechtspraxis muss als ungeklärt gelten, un- 409 ter welchen Voraussetzungen von einem ausreichend konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmern ausgegangen werden kann. In Rechtsprechung und Literatur werden unterschiedliche Lösungsansätze vertreten. bb) Wechselbeziehung zwischen Vorteilen und Nachteilen. Nach der amtlichen 410 Begründung zu § 2 Abs. 1 Nr. 3 liegt ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vor, „wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann.“661 Diese Wechselwirkungslehre lässt sich bis zu einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1899 zurückverfolgen.662 Die hierauf beruhende Rechtspraxis erweist sich aber bei näherer Prüfung als uneinheitlich und nicht frei von Widersprüchen. In der Regel wird ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 damit 411 begründet, dass die Parteien, wenn auch auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen (Hersteller, Groß- und Einzelhändler), gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen suchen mit der Folge, dass das
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Oben § 2 Rn. 21. BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079, 1081 – Bundesdruckerei. Oben § 2 Rn. 362 ff. RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16. Oben § 2 Rn. 357.
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konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann.663 Diese Per-se-Mitbewerber bieten zumindest zu einem gewissen Grade substituierbare Produkte auf demselben sachlichen, zeitlichen und räumlichen Markt an. Wird die Wettbewerbsposition eines Konkurrenten durch unzulässige Handlungen gefördert, werden die Chancen der anderen, auf diesem Markt tätigen Unternehmer beeinträchtigt. Dies gilt auch dann, wenn die unlautere geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern vorgenommen wird. Denn um deren Gunst wirbt auch der Mitbewerber, der konsequent gegen jede unzulässige geschäftliche Handlung seiner Konkurrenten vorgehen kann. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis kann aber auch zwischen Unternehmern be412 stehen, die nicht auf demselben Markt, sondern in verschiedenen Branchen tätig sind. Das Wettbewerbsverhältnis wird in diesem Fall ad hoc durch die konkrete Handlung begründet, so beispielsweise unter dem Aspekt der Behinderung, wenn ein Unternehmen für Kaffee als Geschenk mit dem Hinweis „statt Blumen Onko-Kaffee“ wirbt. Auf eine Beeinträchtigung des Absatzes der ungleichartigen Waren soll es dann nicht ankommen.664 Auch andere Rechtsprechungsgrundsätze erweisen sich als ambivalent. Einer413 seits werden im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen gestellt. Deshalb, und weil für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung „regelmäßig“ die konkret beanstandete Handlung maßgeblich sei, durch die die Parteien in Wettbewerb treten, müssten die Unternehmen nicht derselben Branche angehören.665 Ausreichend sei es, wenn sich die Unternehmen im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden.666 Die weite Auslegung des Begriffs „konkretes Wettbewerbsverhältnis“ soll einen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellen.667 Andererseits ist immer wieder und in den letzten Jahren verstärkt das Bemühen der 414 Rechtsprechung erkennbar, den Kreis der individuell anspruchsberechtigten Mitbewerber zu begrenzen.668 So soll ein Internetdiensteanbieter, der Suchmaschinenoptimierung betreibt, kein Mitbewerber eines Internetdiensteanbieters sein, der Domainregistrierungen anbietet. Trotz der großen Branchennähe, wenn nicht -identität werde der Anspruchsteller durch einen behaupteten Verstoß gegen verbraucherschützende Marktverhaltensregeln (AGB-Recht) nur potentiell mit einer nur geringen Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt, so dass es an einer „irgendwie konkret fassbaren Beeinträchtigung eige-
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663 Vgl. BGH 29.4.2010 – I ZR 99/08 – GRUR 2011, 82 Tz. 19 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; BGH 28.9.2011 – I ZR 92/09 – WRP 2012, 201, 203 – Sportwetten im Internet II. 664 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16. 665 BGH 10.1.1972 – I ZR 60/70 – GRUR 1972, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee; BGH 29.11.1984 – I ZR 158/82 – BGHZ 93, 96 = GRUR 1985, 550 – DIMPLE; BGH 7.12.1989 – I ZR 3/88 – GRUR 1990, 375 – Steuersparmodell; BGH 30.4.1997 – I ZR 30/95 – GRUR 1997, 934, 935 – 50% Sonder-AfA; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877 – Werbeblocker; BGH 13.7.2006 – I ZR 241/03 – GRUR 2006, 1042 Tz. 16 – Kontaktanzeigen; BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978 Tz. 17 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer; BGH 22.4.2009 – I ZR 216/06 – GRUR 2009, 845 Tz. 40 – Internet-Videorecorder; KG 30.6.2006 – 5 U 127/05 – GRUR 2007, 254 f. – Getarnte Link-Werbung; OLG Hamm 1.3.2007 – 4 U 142/06 – GRUR-RR 2007, 282, 283; OLG Köln 5.6.2009 – 6 U 223/08 – GRUR-RR 2009, 339 ff. 666 KG Berlin 30.3.2009 – 24 U 145/08 – GRUR-RR 2010, 22, 26. 667 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 95 (Grundsatz der weiten Auslegung); Fezer/Fezer § 2 Nr. 3 Rn. D 47 (Rechtsgrundsatz). 668 Gloy/Loschelder/Erdmann § 33 Rn. 17.
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ner wettbewerblicher Interessen“ fehle.669 Eine ebenso restriktive Linie verfolgt der BGH bei Ansprüchen wegen unerwünschter Werbe-E-Mails. Insoweit wurde einer Rechtsanwaltskanzlei die Mitbewerberstellung im Verhältnis zu einem Kapitalanlageberater abgesprochen.670 Diese Beispiele zeigen, dass die Wechselwirkungslehre kein brauchbares Kri- 415 terium zur Bestimmung des Begriffs „konkretes Wettbewerbsverhältnis“ liefert. Der angebliche Grundsatz einer weiten Auslegung im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes wird von der Rechtsprechung in bestimmten Konstellationen mit offenbar gegensätzlicher Zielsetzung nicht befolgt. Diese Differenzierungen können mit dem Erfordernis einer Vorteil-Nachteil-Korrelation nicht erklärt werden.671 Denn eine unverlangte Werbe-E-Mail stellt für den Versender eine ihm günstige, weil effiziente Form der Absatzförderung dar, während sie auch für Unternehmer in anderen Branchen einen Nachteil bedeutet, da IT-Ressourcen und Zeit gebunden werden. Gleichwohl und im Ergebnis zu Recht wird diese Begründung nicht herangezogen, um etwa Rechtsanwälten eine Anspruchsberechtigung gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 gegen unerwünschte Werbe-E-Mails von Kapitalanlageberatern zuzusprechen. cc) Verdichtete Wettbewerbsbeziehung. In der Literatur wird vorgeschlagen, den 416 Begriff des konkreten Wettbewerbsverhältnisses als eine „irgendwie ‚verdichtete‘ Wettbewerbsbeziehung“672 bzw. als gesteigerte Nähebeziehung im Wirtschaftsverkehr aufzufassen, die es wahrscheinlich mache, dass die Vorteile der unternehmerischen Tätigkeit des einen auf Kosten der unternehmerischen Tätigkeit des anderen gehen.673 Auch diese Ansätze führen nicht weiter. Zum einen stellen ihre Vertreter weiter- 417 hin auf die überkommene Vorteil-Nachteil-Korrelation ab. Zum anderen mangelt es an einem Kriterium, anhand dessen vorhersehbar beurteilt werden kann, ob eine ausreichende Verdichtung bzw. Nähe der wirtschaftlichen Beziehungen gegeben ist. dd) Behinderungs- und Substitutionswettbewerb. Nach Auffassung von Köhler 418 hängt der Begriff des konkreten Wettbewerbsverhältnisses und damit das Vorliegen einer Mitbewerberstellung davon ab, ob ein Fall des Behinderungs- oder des Substitutionswettbewerbs gegeben ist. Die in § 4 Nr. 7–10 geregelten Tatbestände beträfen Fälle des unlauteren Behinderungswettbewerbs. Werde ein solcher Vorwurf erhoben, liege ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vor, wenn die streitgegenständliche geschäftliche Handlung objektiv geeignet und darauf gerichtet sei, den Absatz oder Bezug des Handelnden zum Nachteil des Absatzes oder Bezuges eines anderen Unternehmers zu fördern.674 In Anhang Nr. 13 zu § 3 Abs. 3 sowie in § 5 Abs. 2 und § 6 würden Mitbewerber hingegen vor unlauterem Substitutionswettbewerb geschützt. Insoweit sei nach der De LandtsheerEntscheidung des EuGH zu fragen, ob die von den Streitparteien angebotenen Produkte aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise zumindest zu einem gewissen Grade austauschbar sind.675 Der Mitbewerberbegriff gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 S. 1 sei abhängig
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669 OLG München 8.7.2010 – 29 U 2252/10 – MMR 2011, 99 f. 670 BGH 20.5.2009 – I ZR 218/07 – GRUR 2009, 980, 981 – E-Mail-Werbung II; kritisch Sack WRP 2009, 1330, 1332 ff. 671 Insoweit zutreffend die Kritik von Sack WRP 2009, 1330, 1332 ff. 672 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 123. 673 Dreyer GRUR 2008, 123, 126. 674 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 102; Köhler WRP 2009, 499, 506; wohl auch Gloy/Loschelder/Erdmann § 33 Rn. 35 (gezielte Substitutionshinweise). 675 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 103.
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von der geltend gemachten Zuwiderhandlung in der einen oder anderen Weise auszulegen.676 Richtig ist, dass der Begriff des Mitbewerbers gem. § 5 Abs. 2 und § 6 richtlinien419 konform und daher abweichend von der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 kodifizierten deutschen Tradition auszulegen ist. Diese Erkenntnis ist aber von der weitergehenden Frage der Auslegung des Begriffs des konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu unterscheiden, soweit jener nicht unionsrechtlich geprägt ist. Hierfür rekurriert Köhler aber mit der herrschenden Meinung auf die Wechselwirkungslehre, die sich als unbrauchbar erwiesen hat. 420 Hinzu kommt, dass die Kategorien des Behinderungs- und Substitutionswettbewerbs dem UWG fremd sind. Nach dem Vorbild der UGPRL sind vielmehr irreführende, aggressive und sonst das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb beeinträchtigende geschäftliche Handlungen zu unterscheiden.677 Mitbewerber gem. § 4 Nr. 7–10 ist jedenfalls, wer auf demselben Markt tätig ist. Für diese Unternehmer stellt sich eine unlautere Nachahmung oder Anschwärzung nicht nur als verbotene Behinderung, sondern auch und ggf. sogar primär als unlautere Substitution ihrer Produkte dar. Vor allem aber lässt Köhlers Lösungsvorschlag offen, wie der Begriff des Mitbewerbers gem. §§ 8 f. bei Verstößen gegen § 4 Nr. 1–6 und Nr. 11, § 5 Abs. 1, 3 und 4, § 5a Abs. 1 und § 7 zu bestimmen ist. Gerade in Bezug auf diese Tatbestände, insbesondere im Hinblick auf § 4 Nr. 11 und § 7 Abs. 2 Nr. 3, judiziert die Rechtsprechung in einer Art und Weise, die mit der überkommenen Wechselwirkungslehre nicht mehr erklärt werden kann. ee) Die besondere Interessenlage von Mitbewerbern. Beater schlägt vor, die Entscheidung über ein konkretes Wettbewerbsverhältnis von der Interessenlage abhängig zu machen.678 Demnach seien Unternehmen Mitbewerber, „sofern und soweit sie gegenläufige geschäftliche Interessen haben, also insbesondere im eigenen geschäftlichen Interesse auf die ‚Vernichtung‘ des jeweils anderen zielen müssen. Sie sind dagegen keine Mitbewerber, wenn sie gleichgerichtete geschäftliche Interessen haben. Eine solche Gleichrichtung von Interessen kommt namentlich in Betracht, wenn ein Unternehmen aus geschäftlichem Eigeninteresse auf die Belange des anderen Unternehmens Rücksicht nehmen wird, wenn der Erfolg des handelnden Unternehmens auch dem anderen Unternehmen zugutekommen kann und wenn der Schaden des beeinträchtigten Unternehmens auch das handelnde Unternehmen trifft.“679 Demgemäß seien Sendeunternehmen und Anbieter von Werbeblockern oder Unter422 nehmer auf verschiedenen Wirtschaftsstufen wie Hersteller und Großhändler entgegen der herrschenden Meinung nicht als Mitbewerber, sondern als sonstige Marktteilnehmer einzuordnen, da sie aufeinander angewiesen seien oder jedenfalls ein Interesse am dauerhaften Fortbestand des anderen Unternehmens hätten. Rufausbeutungen und Substitutionswettbewerb wie in der Entscheidung „statt Blumen Onko-Kaffee“ könnten hingegen auch im Verhältnis zwischen branchenfremden Unternehmen eine Mitbewerberstellung begründen.680 Dieser Betrachtungsweise ist insoweit zuzustimmen, als für den Begriff des Mit423 bewerbers in der Tat auf die typische, antagonistische Interessenlage im Wettbewerb 421
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Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 104. Vgl. § 3 Rn. 251 ff. Beater WRP 2009, 768, 773 ff.; ders. Rn. 1691 ff. Beater WRP 2009, 768, 776. Beater WRP 2009, 768, 774 ff.
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abgestellt werden sollte. Die jeweiligen Interessen und Rollen im Wettbewerb sind aber – anders als die kategorische Unterscheidung Beaters nahelegt – nicht statisch verteilt, sondern entwickeln sich dynamisch in Reaktion auf das Verhalten der je anderen Marktteilnehmer. Da das UWG als Verhaltensunrecht konzipiert ist, muss auch die Auslegung des Begriffs des Mitbewerbers von der angegriffenen geschäftlichen Handlung und der durch sie ggf. erstmalig konstituierten Interessenbeziehung zwischen den Unternehmen ausgehen. Zudem vermögen die Schlussfolgerungen Beaters nicht zu überzeugen. Unternehmen auf verschiedenen Wirtschaftsstufen oder das von einem Werbeblocker beeinträchtigte Sendeunternehmen nicht als Mitbewerber, sondern als sonstige Marktteilnehmer einzuordnen, ihnen aber dennoch ein eigenständiges Klagerecht als unmittelbar Verletzte zuzugestehen,681 ist weder mit dem Wortlaut und der Systematik des UWG noch mit der Absicht des Reformgesetzgebers vereinbar. ff) Antagonistische, unternehmerische Interessenkollision. Statt also eine der Konzeption des UWG zuwiderlaufende Dogmatik des Mitbewerbers zu entwickeln, ist ein Erklärungsansatz gefragt, der die Spannung, wenn nicht den Widerspruch zwischen status- und handlungsbezogener Regulierung im UWG bewältigt.682 Diese Spannung beruht darauf, dass § 2 einerseits mehrere Personenkategorien definiert. Das erweckt den Eindruck, als könnten Personen ex ante anhand abstrakter Kriterien als Marktteilnehmer, Mitbewerber, Unternehmer und/oder Verbraucher eingeordnet werden. Dieser Eindruck aber täuscht. Denn andererseits besteht der Regelungsgegenstand des UWG darin, unzulässige geschäftliche Handlungen zu untersagen. Diese können gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 von prinzipiell jeder Person vorgenommen werden, so wie in Ausübung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit jede natürlich und juristische Person Marktteilnehmer, Mitbewerber und Unternehmer sein bzw. werden kann, und jede natürliche Person ggf. auch als Verbraucher agiert. Welcher Kategorie eine Person unterfällt, kann nur mit Rücksicht auf die konkret in Rede stehende geschäftliche Handlung beantwortet werden. Hier also muss das Verständnis aller Personenkategorien des § 2 einschließlich derjenigen des Mitbewerbers ansetzen.683 Demnach ist Mitbewerber – jeder Unternehmer, – der durch die angegriffene geschäftliche Handlung (zugunsten des handelnden oder geförderten Unternehmens, § 2 Abs. 1 Nr. 1) – in seinen gegenläufigen Interessen am Absatz der eigenen Waren oder Dienstleistungen oder an der Nachfrage für das eigene Unternehmen – unmittelbar nachteilig betroffen ist. Das konkrete Wettbewerbsverhältnis besteht somit in einer, durch die streitgegenständliche geschäftliche Handlung ausgelösten, antagonistischen, unternehmerischen Interessenlage. Eine solche Konstellation ist typischerweise zwischen Unternehmern gegeben, die austauschbare Produkte auf demselben räumlichen und zeitlichen Markt anbieten. Fördert einer seine Wettbewerbsposition in unzulässiger Weise, reduziert er dadurch die gegenläufigen Absatz- oder Nachfragechancen eines anderen, nicht zum Zuge kommen-
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681 So Beater WRP 2009, 768, 778 ff. 682 Kritisch auch Beater WRP 2009, 768, 773 („Der Gesetzgeber hat dem Wettbewerbsrecht mit der Definition eines einheitlichen Mitbewerberbegriffs einen Bärendienst erwiesen.“). 683 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 126; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 94, 96.
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den Unternehmers in diesem Markt.684 Dieser Zusammenhang zwischen unzulässigen Vorteilen und vom UWG zu verhindernden bzw. auszugleichenden Nachteilen besteht zum einen, wenn ein Unternehmer seine Mitbewerber irreführt, gegen sie mit wettbewerbsfremder Aggressivität vorgeht oder eine sonstige unlautere geschäftliche Handlung ihnen gegenüber vornimmt. Aber auch wenn sich ein Unternehmer gegenüber den auf der Marktgegenseite agierenden Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern in unzulässiger Weise verhält, werden hierdurch typischerweise die wirtschaftlichen Interessen anderer, auf dem Markt tätiger Unternehmer unmittelbar beeinträchtigt. Die auf demselben Markt tätigen Unternehmer sind daher per se Mitbewerber. Das zwischen ihnen bestehende Wettbewerbsverhältnis ist ein konkretes i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3, weil sie auf einem Markt miteinander konkurrieren. Eine antagonistische Interessenlage kann sich aber auch zwischen Unternehmern 429 einstellen, die auf unterschiedlichen Märkten nicht substituierbare Produkte anbieten oder nachfragen.685 Eine solche Situation ist als atypisch einzuschätzen, da auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, weshalb ein Unternehmer in Konflikt mit einem Unternehmer geraten soll, der auf einem ganz anderen Markt agiert. Die Erfahrung lehrt aber, dass Beeinträchtigungen des Absatzes686 marktfremder Unternehmen durchaus häufig vorkommen. So kollidieren unternehmerische Absatzinteressen zum Beispiel, wenn Verbraucher in der Werbung aufgefordert werden, statt Blumen Onko-Kaffee als Mitbringsel zu erwerben; wenn ein Unternehmer Werbeplakate für ganz andere Produkte überklebt; oder wenn ein Unternehmer benachbarte Ladengeschäfte mit anderem Sortiment verunglimpft oder herabsetzt, um Kunden zu gewinnen. In diesen Fällen wird das Wettbewerbsverhältnis durch die angegriffene geschäftliche Handlung ad hoc begründet und konkretisiert. 430 Hierfür ist aber Voraussetzung, dass das streitgegenständliche Marktverhalten die unternehmerische Entfaltungsfreiheit des marktfremden Unternehmens unmittelbar beeinträchtigen kann. Nur theoretisch mögliche oder jeden marktfremden Unternehmer in gleicher Weise tangierende Beeinträchtigungen genügen nicht. Das Unmittelbarkeitserfordernis nimmt Rücksicht auf die aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 S. 1 ableitbare Wertung des Gesetzes, dass nicht alle Unternehmer als Mitbewerber individuell anspruchsberechtigt sein sollen, sondern nur solche, die von einer geschäftlichen Handlung individualisierbar und besonders betroffen sind.687 Zudem soll § 2 Abs. 1 Nr. 3 die frühere Rechtsprechung zum unmittelbar (sic!) Verletzten kodifizieren, die ebenfalls verlangte, dass eine greifbare Beeinträchtigung unternehmerischer Absatzinteressen vorgebracht wird.688 Das Kriterium der Unmittelbarkeit wurde nur deshalb nicht in den Wortlaut des Gesetzes aufgenommen, weil es sich bereits aus dem Erfordernis des konkreten Wettbewerbsverhältnisses ergebe.689 Folglich können unlautere geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern 431 und sonstigen, nicht unternehmerisch agierenden Marktteilnehmern nur von Un-
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684 OLG Hamburg 15.11.2007 – 3 U 231/06 – BeckRS 2008, 08332; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 126, 129; Beater Rn. 1693; vgl. auch Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 220 ff. 685 Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 228 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann § 33 Rn. 23 (andere „Branchen“). 686 Kaum vorstellbar ist hingegen eine Kollision unternehmerischer Nachfrageinteressen, wenn die betreffenden Unternehmer weder auf denselben Absatz- noch denselben Nachfragemärkten tätig sind und daher nicht schon per se zu den Mitbewerbern zählen. 687 Vgl. auch Gloy/Loschelder/Erdmann § 33 Rn. 38. 688 Vgl. BGH 13.2.1981 – I ZR 63/79 – GRUR 1981, 529, 530 – Rechtsberatungsanschein. 689 Oben § 2 Rn. 368.
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ternehmern lauterkeitsrechtlich verfolgt werden, die auf demselben Markt wie der Handelnde tätig sind.690 Denn derartige, auf das Nachfrageverhalten der Marktgegenseite gerichtete Verhaltensweisen betreffen nur deren Absatzinteressen unmittelbar, während Unternehmer auf anderen Märkten hiervon allenfalls mittelbar, im Sinne eines unstreitig nicht genügenden Kaufkraftwettbewerbs tangiert sind. Auch ein Unternehmer, der auf einem Markt, auf dem er selbst nicht als An- 432 bieter tätig ist, Produkte nachfragt und dabei irregeführt oder sonst unlauter in seinen geschäftlichen Entscheidungen manipuliert wird, zählt nicht zu den Mitbewerbern des unlauter Handelnden. Zwar ist er unmittelbar in seinen unternehmerischen Nachfrageinteressen betroffen. Der Interessenkonflikt ist aber kein antagonistischer in dem Sinne, dass die beiden Unternehmer in Verfolgung ihrer parallelen Absatz- oder Nachfrageinteressen aufeinanderprallen. Vielmehr möchte der Handelnde seine Produkte absetzen, während der Betroffene Waren oder Dienstleistungen beziehen möchte. Diese Konstellation ist typisch für ein vertikales Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern oder eben sonstigen Marktteilnehmern als Marktgegenseite. Schon aufgrund dieser Erwägung begründen unzumutbare Belästigungen markt- 433 fremder Unternehmen, z.B. in Gestalt unerwünschter Werbe-E-Mails, die ein Kapitalanlageberater an Rechtsanwälte verschickt, kein Mitbewerberverhältnis. Die Adressaten werden als Abnehmer und nicht als Konkurrenten angesprochen. Zudem betreffen massenhaft versandte Werbe-E-Mails die Empfänger nicht in besonders hervorgehobener, individualisierbarer Weise.691 Ein etwaiges Sanktionsdefizit im Hinblick auf unzulässige, aber gleichwohl häufig 434 oder gar massenhaft vorfallende geschäftliche Handlungen wie unwirksame AGB oder unerwünschte Werbe-E-Mails darf nicht durch eine contra legem erfolgende, uferlose Auslegung des Mitbewerberbegriffs korrigiert werden. Aufgerufen ist dann vielmehr der Gesetzgeber, der ggf. das System der privaten Rechtsverfolgung gem. §§ 8–10 überdenken muss. b) Per-se-Mitbewerber: Unternehmer auf demselben Markt aa) Grundsätze der lauterkeitsrechtlichen Marktabgrenzung. Wie dargestellt, 435 besteht die für Mitbewerber kennzeichnende antagonistische Interessenlage typischerweise zwischen Unternehmern, die auf demselben Markt im Wettstreit miteinander Produkte absetzen oder nachfragen. Unter welchen Voraussetzungen ein solches Per-seMitbewerberverhältnis gegeben ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die überwiegende Rechtsprechung und auch der Reformgesetzgeber des UWG 2004 436 stellen darauf ab, ob die Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen suchen. Im Rahmen von § 8 Abs. 3 Nr. 2 ist ebenfalls zu prüfen, ob Unternehmen Produkte gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. In anderen, vornehmlich jüngeren Entscheidungen wird die Annahme eines kon- 437 kreten Wettbewerbsverhältnisses daran geknüpft, dass sich die beteiligten Unternehmer auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigen.692 Inso-
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690 Zutreffend daher OLG München 8.7.2010 – 29 U 2252/10 – MMR 2011, 99 f. 691 Zutreffend daher i.Erg. BGH 20.5.2009 – I ZR 218/07 – GRUR 2009, 980, 981 – E-Mail-Werbung II; verkannt von Sack WRP 2009, 1330, 1332 ff. 692 BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079, 1081 – Bundesdruckerei.
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weit soll es entsprechend dem im Kartellrecht maßgeblichen Bedarfsmarktkonzept693 darauf ankommen, ob sich die von den beteiligten Unternehmen angebotenen Waren oder Dienstleistungen nach ihren Eigenschaften, ihrem Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass sie der verständige Nachfrager als austauschbar ansieht.694 Auch der Mitbewerberbegriff im Sinne von § 6 wird sowohl vom EuGH als auch vom 438 BGB abhängig von der Substituierbarkeit der angebotenen Produkte beurteilt. Der erforderliche und ausreichende, gewisse Grad an Austauschbarkeit oder Funktionsidentität sei gegeben, wenn Waren oder Dienstleistungen in gewisser Weise gleichen Bedürfnissen dienen können.695 Sind die Parteien hingegen in völlig verschiedenen Branchen tätig, und bieten sie völlig unterschiedliche Produkte wie Gewinnspiele und Zeitungen an, sind sie keine Mitbewerber.696 Zwar können die kartellrechtlichen Grundsätze der Marktabgrenzung nicht un439 verändert auf das Lauterkeitsrecht übertragen werden. Denn die Marktabgrenzung zur Bestimmung von Marktmacht697 hat eine andere normative Funktion als die Frage, ob ein Unternehmen im lauterkeitsrechtlichen Sinn Mitbewerber eines unlauter handelnden oder geförderten Unternehmens und in dieser Rolle besonders geschützt und vor allem individuell anspruchsberechtigt ist.698 Daher schließt der Umstand, dass nach kartellrechtlichen Grundsätzen ein Markt im Allgemeinen nur eine Handelsstufe umfasst, nicht aus, dass Hersteller, Großhändler und Einzelhändler im lauterkeitsrechtlichen Sinne als Mitbewerber aufgefasst werden, wenn und soweit sie sich mit substituierbaren Produkten an dieselben Endabnehmer wenden.699 Gleichwohl spricht viel dafür, die Gleichartigkeit der Produkte entweder durch die 440 Frage nach ihrer Substituierbarkeit zu ersetzen oder zumindest anhand dieses Gesichtspunkts zu entscheiden. Waren oder Dienstleistungen sind mithin gleichartig, wenn sie aus der Sicht des angesprochenen, durchschnittlichen Marktteilnehmers zumindest in gewisser Hinsicht substituierbar sind.700 Maßgeblich sind insoweit die tatsächlichen, objektiven Umstände, nicht die subjektiven Absichten der betreffenden Unternehmer.701
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693 EuGH 9.11.1983 – C-322/81 – Slg. 1983, 3461 Tz. 37 = WuW/E EWG/MUV 642 – Michelin; BGH 13.7.2004 – KZR 40/02 – BGHZ 160, 67, 73 = GRUR 2004, 966, 967 – Standard-Spundfass; BGH 16.1.2007 – KVR 12/06 – BGHZ 170, 299 = NJW 2007, 1823 Tz. 18 – National Geographic II; BGH 4.3.2008 – KVR 21/07 – BGHZ 176, 1 – Soda Club II; BGH 10.12.2008 – KVR 2/08 – GRUR 2009, 514 Tz. 7 – Stadtwerke Uelzen. 694 OLG Koblenz 8.8.2006 – 4 U 2686/06 – GRUR-RR 2006, 380, 381 – Markenparfüms; OLG Braunschweig 27.1.2010 – 2 U 225/09 – MMR 2010, 252. 695 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 Tz. 28 ff. – De Landtsheer, mit Verweis auf EuGH 27.2.1980 – C-170/78 – Slg. 1980, 417 Tz. 14 – Kommission/Vereinigtes Königreich; EuGH 9.7.1987 – 356/85 – Slg. 1987, 3299 Tz. 10 – Kommission/Königreich Belgien. 696 BGH 17.1.2002 – I ZR 215/99 – GRUR 2002, 828, 829 – Lottoschein (zu vergleichender Werbung); Lettl § 1 Rn. 60. 697 Siehe z.B. EuGH 9.11.1983 – 322/81 – Slg. 1983, 3461 Tz. 37 = WuW/E EWG/MUV 642 – Michelin. 698 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 92; Gloy/Loschelder/Erdmann § 33 Rn. 27. Zum Verhältnis zwischen Kartell- und Lauterkeitsrecht allgemein Einl. G Rn. 63 ff. 699 OLG Karlsruhe 15.1.1995 – 6 U 227/94 – WRP 1995, 413, 414 – Anonymisierte Mitgliederliste (zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.). 700 Vgl. EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 Tz. 28 ff. – De Landtsheer; Boesche Rn. 47. 701 Vgl. BGH 23.1.1976 – I ZR 95/75 – GRUR 1976, 370, 371 – Lohnsteuerhilfevereine I; BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex; BGH 28.9.2011 – I ZR 92/09 – WRP 2012, 201, 203 – Sportwetten im Internet II (öffentlich-rechtlicher Glücksspielbetreiber, der Spielsucht begrenzen soll, ist Mitbewerber privater Wettanbieter); Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 122.
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Für diesen Ansatz spricht, dass die abstrakte Prüfung der Gleichartigkeit oder 441 Verwandtschaft von Produkten an einem nachprüfbaren, wettbewerblich relevanten Gesichtspunkt gemessen wird. Wie die jüngere Rechtsprechung rekurriert auch § 8 Abs. 3 Nr. 2 letztlich auf die Frage nach demselben Markt. Kartell- und Lauterkeitsrecht bilden komplementäre Elemente der Wettbewerbsordnung, so dass die Marktabgrenzung zumindest im Ansatz denselben rechtlichen Grundsätzen folgen sollte. Zudem verwendet der EuGH diesen Maßstab zur Auslegung des Begriffs des Mitbewerbers bei vergleichender Werbung.702 Da das UWG auch ausweislich des vor die Klammer gezogenen Definitionskatalogs des § 2 grundsätzlich einheitliche Maßstäbe der Lauterkeit etabliert, sollte der Gesichtspunkt der Substituierbarkeit der angebotenen Produkte für den allgemeinen Mitbewerberbegriff gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 fruchtbar gemacht werden. Ein wirtschaftlicher Markt hat eine sachliche, eine zeitliche und eine räumliche 442 Dimension. In allen drei Hinsichten muss eine ausreichende Überschneidung gegeben sein, damit Unternehmer per se als Mitbewerber eingeordnet werden können. Wer zum selben Zeitpunkt am selben Ort identische Produkte vertreibt, ist Mitbewerber. Dienen die Waren oder Dienstleistungen hingegen nur „in gewisser Weise gleichen Bedürfnissen“, überschneidet sich die Produktpalette der Unternehmen nur zum Teil703 oder liegen zeitliche oder räumliche Abstände zwischen den jeweiligen unternehmerischen Tätigkeiten, ist die konkrete, antagonistische Interessenlage und damit das konkrete Wettbewerbsverhältnis im Einzelnen zu begründen. bb) Derselbe sachliche Markt (1) Grundsatz. Unternehmen sind auf demselben sachlichen Markt tätig, wenn sie 443 gleichartige, und das heißt in zumindest gewisser Hinsicht gleiche Bedürfnisse befriedigende, austauschbare Produkte anbieten. In Betracht kommen insoweit nur handelbare Waren oder Dienstleistungen. 444 Ausnahmslos verbotene, rechtswidrige Gütermärkte unterliegen nicht dem UWG. Wer sich auf einem solchen Markt betätigt, ist auch im Verhältnis zu Unternehmern, die legale, dieselben Bedürfnisse betreffende Produkte anbieten, kein Mitbewerber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3.704 (2) Gleichartige/substituierbare Waren oder Dienstleistungen. § 2 Abs. 1 Nr. 3 soll 445 die Rechtsprechung zum Begriff des unmittelbar Verletzten nach früherem Recht kodifizieren.705 Die entsprechende Rechtspraxis ist also weiterhin von Belang. Allerdings sollten die einschlägigen Ergebnisse nicht unbesehen fortgeschrieben werden, da sich die Orientierung an der Substituierbarkeit von Produkten erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts durchsetzte. Diese Vorbehalte gelten erst recht für Entscheidungen zum Begriff des abstrakten Mitbewerbers gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG 1994. Die Vorschriften stellten zwar ebenfalls auf die Gleichartigkeit bzw. Verwandtschaft von Produkten ab, sollen aber in § 2 Abs. 1 Nr. 3 gerade nicht fortgelten.
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702 Oben § 2 Rn. 378 ff. 703 Vgl. EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 Tz. 28 ff. – De Landtsheer; ebenso BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079, 1081 – Bundesdruckerei. 704 Oben § 2 Rn. 116 ff.; offengelassen von BGH 28.10.2004 – I ZR 59/02 – GRUR 2005, 176, 177 – Nur bei Lotto, m.w.N. Man denke an Organhändler einerseits und Pharmaunternehmen oder Hersteller von Implantaten andererseits. 705 Oben § 2 Rn. 362 ff.
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Unternehmen sind als Mitbewerber auf demselben sachlichen Absatzmarkt tätig, wenn sie gleiche Waren oder Dienstleistungen anbieten, weil hiermit zweifellos dasselbe Bedürfnis durch austauschbare Produkte angesprochen wird.706 Hieran ändert sich nichts, wenn die Unternehmen unterschiedliche Vertriebswe447 ge benutzen, wenn also z.B. ein Hersteller seine Waren über den Groß- und Einzelhandel oder aber direkt über das Internet in Verkehr bringt;707 wenn ein Informationsdienst für Rechtsanwälte im Internet oder als wöchentlicher Rundbrief erscheint;708 oder wenn Verlagsprodukte online, über Buchhandlungen oder Buchgemeinschaften vertrieben werden.709 Denn ausschlaggebend ist die Substituierbarkeit der Produkte aus Sicht des angesprochenen, durchschnittlichen Nachfragers. Aus diesem Grund können auch Unternehmen auf unterschiedlichen Wirt448 schaftsstufen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen.710 Dies gilt zum einen, wenn austauschbare Produkte unterschiedlicher betrieblicher Herkunft in Rede stehen. Der Hersteller einer Ware – etwa eines KfZ – ist durch eine irreführende geschäftliche Handlung eines Händlers, die den Absatz einer anderen, austauschbaren Ware fördert, in seinen antagonistischen Absatzinteressen genau so unmittelbar betroffen, wie wenn der Hersteller der anderen Ware irreführend wirbt.711 In einer solchen Konstellation haben der Hersteller von Ware A und der Händler von Ware B keine komplementären Interessen, wie sie im Verhältnis zwischen Anbietern und Nachfragern identischer Waren typisch sind, sondern es prallen gegenläufige, sich substituierende Absatzinteressen aufeinander, so dass eine Mitbewerberkonstellation gegeben ist. Ebenso ist es, wenn Unternehmer auf verschiedenen Marktstufen austauschbare Dienstleistungen anbieten, etwa der Produzent einer Fernsehsendung und ein Sendeunternehmen 712 oder Prostituierte und der Betreiber einer Bar, in der auch Prostitution stattfindet.713 Hiervon zu unterscheiden ist ein Konflikt zwischen Herstellern und Händlern im 449 Hinblick auf identische Waren, die einem Vertriebsbindungssystem unterliegen. Nach Auffassung der Rechtsprechung zum UWG 1909 bestand zwischen dem Importeur kosmetischer Erzeugnisse und einem unerlaubt mit diesen Waren belieferten Händler ein
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706 Vgl. z.B. BGH 13.12.1963 – Ib ZR 212 – GRUR 1964, 389, 391 – Fußbekleidung (Herstellung orthopädischen Schuhwerks und Lizenzierung neuer Produkte); BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 908 – Filialleiterfehler (Verbrauchermärkte für Elektronikprodukte); BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079, 1081 – Bundesdruckerei (sicherheitsrelevante Druckerzeugnisse); OLG Düsseldorf 24.8.1994 – 2 W 88/94 – GRUR 1994, 837 f. – Fliegender Gerichtsstand (Schwangerschaftstests für den Hausgebrauch). 707 OLG Hamburg 15.11.2007 – 3 U 231/06 – BeckRS 2008, 08332. 708 OLG Hamm 12.1.2006 – 4 U 140/05 – BeckRS 2007, 18447. 709 BGH 12.2.1969 – I ZR 137/66 – GRUR 1969, 413, 414 – Angélique II. 710 Sog. mittelbare Wettbewerbsverhältnis; vgl. RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16; Harte/ Henning/Keller § 2 Rn. 138. 711 BGH 30.10.1956 – I ZR 199/55 – GRUR 1957, 342, 347 – Underberg; BGH 14.4.1965 – Ib ZR 72/63 – GRUR 1965, 612, 615 – Warnschild; BGH 6.10.1983 – I ZR 39/83 – GRUR 1984, 204 – Verkauf unter Einstandspreis II (Hersteller von Elektrogeräten und Elektrogerätehändler); BGH 20.2.1986 – I ZR 202/83 – GRUR 1986, 618, 619 – Vorsatz-Fensterflügel (Hersteller von Fenstern und Glaserei); BGH 14.7.1988 – I ZR 184/86 – GRUR 1988, 916 – PKW-Schleichbezug; BGH 15.7.1999 – I ZR 44/97 – GRUR 1999, 1122 – EG Neuwagen I (KfZ-Hersteller und -Händler); OLG Karlsruhe 15.1.1995 – 6 U 227/94 – WRP 1995, 413, 414 – Anonymisierte Mitgliederliste (zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.); OLG Zweibrücken 9.2.1996 – 2 W 21/95 – GRUR 1997, 77. Zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 sehr weitgehend BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 – GRUR 1996, 804, 805 – Preisrätselgewinnauslobung III (Produzentin von Kosmetikartikeln und Unternehmen, die mit dem Vertrieb von hautpflegenden Mitteln befasst sind). 712 BGH 13.4.2000 – I ZR 282/97 – GRUR 2000, 703, 706 – Mattscheibe. 713 BGH 13.7.2006 – I ZR 241/03 – GRUR 2006, 1042, 1043 – Kontaktanzeigen.
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konkretes Wettbewerbsverhältnis.714 Auch der Reformgesetzgeber des UWG 2004 war der Auffassung, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis insbesondere dann gegeben sei, wenn ein Hersteller oder Großhändler sich nicht auf seine Wirtschaftsstufe beschränkt, sondern seine Ware direkt an den Endverbraucher absetzt.715 Grundsätzlich haben Hersteller und Händler identischer Produkte zwar gleichlaufende und nicht konträre Absatzinteressen. Etabliert ein Hersteller aber ein Vertriebssystem, kollidieren seine unternehmerischen Interessen in antagonistischer Weise mit Händlern, die seine Produkte außerhalb dieses Systems abzusetzen suchen. Daher sind diese Unternehmer im Hinblick auf die konkret in Streit stehende geschäftliche Handlung Mitbewerber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3.716 Auf demselben Absatzmarkt agierende Unternehmer konkurrieren typischerweise 450 auch in antagonistischer Weise beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen, die sie für ihr Unternehmen benötigen. Auf demselben Nachfragemarkt betätigen sich demgemäß Werbeunternehmer, die Gebäudeflächen suchen, die sich für Werbeplakate eignen,717 oder kommerzielle Blutspendedienste, die um Blutspenden werben.718 Auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren häufig auch Unternehmen um dieselben qualifizierten Mitarbeiter, die auf dem Absatzmarkt nicht als Mitbewerber anzusehen wären, da ihre Produkte ganz verschiedene Bedürfnisse befriedigen.719 Die Rechtsprechung zum Begriff des unmittelbar Verletzten nach UWG 1909 bejahte 451 auch dann ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn die Parteien eine „im Kern identische Leistung“ anboten. Diese Frage nach der Gleichartigkeit der Leistungen ist nach dem Vorbild der De Landtsheer-Entscheidung des EuGH davon abhängig zu machen, dass die Produkte zumindest in gewisser Weise gleichen Bedürfnissen dienen können und daher ein gewisser Substitutionsgrad besteht, auch wenn diese Überschneidung nur einen Teil der Produktpalette der Unternehmen betrifft.720 Maßgeblich hierfür sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Eigenschaften und der Verwendungszweck der Waren oder Dienstleistungen. In der Medienbranche liegt Gleichartigkeit/Substituierbarkeit vor bezüglich einer 452 Abonnement-Zeitung und einem Anzeigenblatt721 sowie einem Branchenanzeigenbuch und einem Anzeigenblatt;722 zwischen einer Tageszeitung und einer Werbeagentur im Hinblick auf die Anzeigenakquise;723 Online-Informationsdiensten allgemeiner und speziell verbraucherschützender Themenstellung;724 einer Rundfunkanstalt und einem Filmunternehmen;725 dem Veranstalter künstlerischer Darbietungen und einem Sendeunternehmen;726 zwischen der GEMA und Tonträgerproduzenten und -händlern.727
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714 BGH 5.5.1988 – I ZR 179/86 – GRUR 1988, 826, 827 – Entfernung von Kontrollnummern II; BGH 5.10.2000 – I ZR 1/98 – GRUR 2001, 448 – Kontrollnummernbeseitigung II. 715 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16. 716 A.A. Beater WRP 2009, 768, 774 ff. 717 BGH 19.10.1966 – Ib ZR 156/64 – GRUR 1967, 138, 141 – Streckenwerbung. 718 BGH 30.4.2009 – I ZR 117/07 – GRUR 2009, 1189 – Blutspendedienst. 719 Zu Arbeitgeber-Mitbewerbern auf dem Arbeitsmarkt siehe OLG Karlsruhe 10.3.2009 – 4 U 168/08 – GRUR-RR 2010, 51, 52 – Direktmarketing; LG Heidelberg 23.5.2012 – 1 S 58/11 – MMR 2012, 607 – Unlauteres Abwerben über XING; juris-PK/Ernst § 2 Rn. 38. Beispiel: KfZ-Hersteller und Hersteller von Funkgeräten sind Mitbewerber auf dem Arbeitsmarkt für Elektroingenieure. 720 EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 Tz. 28 ff. – De Landtsheer; BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079, 1081 – Bundesdruckerei. 721 BGH 27.1.1956 – I ZR 146/54 – BGHZ 19, 392, 394 = GRUR 1956, 223, 224 – Wochenbericht. 722 OLG Köln 30.10.1996 – 6 U 185/95 – GRUR 1997, 316, 317 f. – Branchenanzeiger. 723 OLG Hamm 25.1.1979 – 4 U 206/78 – WRP 1979, 477. 724 KG 30.6.2006 – 5 U 127/05 – GRUR 2007, 254 f. – Getarnte Link-Werbung. 725 BGH 27.2.1962 – I ZR 118/60 – BGHZ 37, 1, 13 = GRUR 1962, 470, 474 – AKI. 726 BGH 24.5.1963 – Ib ZR 62/62 – BGHZ 39, 352, 356 = GRUR 1963, 575, 576 – Vortragsabend. 727 BGH 9.10.1964 – I ZR 149/62 – GRUR 1965, 309 – gemafrei.
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Im Beratungssektor besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und einer in einer wirtschafts- und steuerrechtlichen Kanzlei tätigen Steuerberaterin;728 zwischen dem Anbieter eines steuerlich motivierten Immobilienanlagemodells und Steuerberatern;729 zwischen einem Immobilienmakler und Maklern, Bauträgern, Bauunternehmern und Anbietern von Kapitalanlagemöglichkeiten, die gelegentlich Immobilien oder Immobilienanlagen vermitteln. 730 Entgegen dem BGH sind auch ein Immobilienmakler und ein Rechtsanwalt, der nebenberuflich als Bauträger und Altbausanierer tätig ist und Eigentumswohnungen für Kapitalanleger anbietet, als Mitbewerber im Markt für eigen oder fremd genutzte Immobilien tätig.731 Im Übrigen besteht ein ausreichender Grad an Austauschbarkeit und damit ty454 pischerweise ein Mitbewerber kennzeichnendes, antagonistisches Absatzinteresse der jeweiligen Anbieter zwischen dem Betrieb eines Festzeltes durch einen Schützenverein und einem Gastwirt, der Tanzmusik veranstaltet;732 zwischen (Schaum-)Weinproduzenten und einem Brauereiunternehmen;733 zwischen Händlern von Münzen, Medaillen und anderen Wertobjekten wie Silberwaren oder Schmuck;734 zwischen einer Lottogesellschaft und dem Anbieter von Lottodienstleistungen in Gestalt so genannter WinFonds, die auf Zeit für eine oder mehrere Ausspielungen gebildet werden;735 zwischen den Anbietern unterschiedlicher, entgeltlicher oder werbefinanzierter Glücksspiele im Internet;736 zwischen Internet-Access-Providern und dem Anbieter kommerzieller WLAN-Netzwerke;737 zwischen dem Vermieter von Fernsehgeräten und einer Versicherung, die im Benehmen mit dem Elektrofachhandel eine Reparaturversicherung für Fernseher anbietet; 738 zwischen einem Krankentransport- und einem Mietwagenunternehmen; 739 zwischen dem Vertrieb von Arzneimitteln und der Durchführung von Heilbehandlungen in einem Sanatorium;740 zwischen dem Anbieter eines Kräuter-Gewürztees, dem schlankheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben werden, und Pharmaunternehmen, Ernährungsberatern, Getränkeherstellern, Kurkliniken und Lebensmittelfilialbetrieben, die ebenfalls Schlankheitsmittel vertreiben.741 455
(3) Ungleichartige/nicht substituierbare Waren oder Dienstleistungen. Als ungleichartig und nicht zumindest in gewisser Weise austauschbar sind hingegen folgende Waren und Dienstleistungen eingeschätzt worden, deren Anbieter somit auf verschiedenen sachlichen Märkten tätig sind und grundsätzlich nicht in einem antagonistischen Interessengegensatz gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 zueinander stehen:
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728 OLG Dresden 9.6.1998 – 14 U 3245/97 – NJW 1999, 144, 146 – Anwaltliche Werbung in Rundschreiben. 729 BGH 7.12.1989 – I ZR 3/88 – GRUR 1990, 375 – Steuersparmodell. 730 BGH 30.4.1997 – I ZR 30/95 – GRUR 1997, 934, 935 – 50% Sonder-AfA. 731 A.A. BGH 5.10.2000 – I ZR 210/98 – GRUR 2001, 258 f. – Immobilienpreisangaben. 732 OLG Köln 15.5.1985 – 6 U 42/85 – WRP 1985, 660 f. – Schützenfest (zu § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG 1909). 733 Vgl. EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 – De Landtsheer (zu vergleichender Werbung). 734 BGH 14.11.1996 – I ZR 162/94 – GRUR 1997, 479, 480 – Münzangebot. 735 OLG Oldenburg 18.9.2008 – 1 W 66/08 – GRUR-RR 2009, 67, 69; KG Berlin 30.3.2009 – 24 U 145/08 – GRUR-RR 2010, 22, 26. 736 BGH 28.9.2011 – I ZR 92/09 – WRP 2012, 201, 203 – Sportwetten im Internet II. 737 OLG Köln 5.6.2009 – 6 U 223/08 – GRUR-RR 2009, 339 ff. – Gemeinschaftliche Internetnutzung. 738 OLG München 7.7.1988 – 6 U 3573/87 – WRP 1989, 50 f. 739 OLG Hamm 22.3.2011 – I-4 U 186/10 – BeckRS 2011, 08077. 740 BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 –WRP 2000, 389, 391 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge. 741 KG 3.11.1994 – 25 U 4969/94 – GRUR 1995, 157, 160 – Fermate-Tee.
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im Warensektor Möbelbezugstoffe und Polstermöbel, bei denen die Bezugstoffe verarbeitet werden;742 Damen- und Kinderbekleidung einerseits und Herrenunterwäsche und Herrenbademode andererseits;743 Matratzen und Teppiche;744 Messebetreiber und Aussteller745 und entsprechend der Betreiber eines OnlineMarktplatzes und die dort agierenden Unternehmen;746 der Verleger eines Branchenbuchs und ein Lohnsteuerhilfeverein;747 der Verleger eines Hotelführers und ein darin aufgeführtes Hotel;748 im Dienstleistungs- und Medienbereich der Betrieb einer Diskothek und einer Rundfunkanstalt;749 die Vermarktung von Filmrechten und das Angebot eines OnlineVideorekorders; 750 Sendeunternehmen und Anbieter eines elektronischen Werbeblockers;751 Filmverleihunternehmen und Gebrauchsgraphiker; 752 Domainregistrierung für private Endkunden und Suchmaschinenoptimierung;753 Anbieter von Call by Call-Tarifen und Anbieter von Gewinnspielen, auch wenn dieser sich für seine Tätigkeit eines Mehrwertdienstanschlusses bedient;754 eine Lotteriegesellschaft und ein Zeitschriftenverlag;755 im Beratungs- und Versicherungssektor Rechtsanwalt und Kapitalanlageberater;756 Rechtsanwalt und Verlag einer Publikumszeitschrift;757 Rechtsanwalt und (Rechtsschutz-)Versicherungsunternehmen; 758 Kfz-Sachverständiger und Versicherungsunternehmen;759 KfZ-Reparaturwerkstatt und KfZ-Versicherer.760 In all diesen Konstellationen bleibt zu prüfen, ob die für Mitbewerber typische, antagonistische Interessenlage trotz Marktverschiedenheit nicht doch durch die angegriffene geschäftliche Handlung herbeigeführt wird. In diesem Fall wird das konkrete Wettbewerbsverhältnis und die Mitbewerbereigenschaft der Streitparteien gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ad hoc begründet.761
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cc) Derselbe räumliche Markt. Per-se-Mitbewerber müssen nicht nur auf demsel- 461 ben sachlichen, sondern auch auf demselben räumlichen Markt tätig sein. Der räumlich maßgebliche Markt wird im Wesentlichen durch die Reichweite der Geschäftstätigkeit
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742 BGH 26.1.1951 – I ZR 19/50 – GRUR 1951, 283, 284. 743 OLG Braunschweig 27.1.2010 – 2 U 225/09 – MMR 2010, 252, 253. 744 A.A. KG 6.6.2000 – 5 U 1944/99 – WRP 2001, 48, 50 (da auch Teppiche als Schlafunterlage benutzt würden). 745 BGH 24.2.1983 – I ZR 207/80 – GRUR 1983, 467, 468 – Photokina. 746 OLG Koblenz 8.8.2006 – 4 U 2686/06 – GRUR-RR 2006, 380, 381 – Markenparfüms. 747 Z.B. BGH 10.4.1997 – I ZR 3/95 – GRUR 1997, 909, 910 f. – Branchenbuch-Nomenklatur. 748 OLG Frankfurt a.M. 24.1.1974 – 6 U 51/73 – WRP 1974, 212, 213 f. 749 BGH 27.1.1982 – I ZR 61/80 – GRUR 1982, 431, 433 – POINT (zw.). 750 OLG Köln 9.9.2005 – 6 U 90/05 – GRUR-RR 2006, 5, 7 – Personal Video Recorder; ferner OLG Düsseldorf 6.7.2010 – 20 U 8/10 – BeckRS 2010, 17917. 751 BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877, 878 – Werbeblocker. 752 BGH 27.11.1956 – I ZR 57/55 – GRUR 1957, 291, 294 – Europapost. 753 OLG München 8.7.2010 – 29 U 2252/10 – MMR 2011, 99 f. 754 OLG Düsseldorf 14.12.2004 – 20 U 109/04 – GRUR 2005, 523 – Mitbewerbereigenschaft. 755 BGH 17.1.2002 – I ZR 215/99 – GRUR 2002, 828, 829 – Lottoschein (zu vergleichender Werbung). 756 BGH 20.5.2009 – I ZR 218/07 – GRUR 2009, 980, 981 – E-Mail-Werbung II; kritisch Sack WRP 2009, 1330, 1332 ff. 757 BGH 13.2.1981 – I ZR 63/79 – GRUR 1981, 529, 530 – Rechtsberatungsanschein. 758 OLG Brandenburg 25.1.2005 – 6 W 8/05 – NJW 2005, 2091 f.; a.A. LG Hamburg 24.4.2012 − 312 O 715/ 11 – GRUR-RR 2012, 400 – Beste Rechtsschutzversicherung. 759 LG Frankenthal 12.8.2010 – 3 O 288/10 – juris Tz. 23 ff. 760 OLG Brandenburg 16.9.2008 – 6 U 6/08 – GRUR-RR 2009, 140, 141 – Steinschlagreparatur. 761 Näher unten § 2 Rn. 472 ff.
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des handelnden oder geförderten Unternehmens bestimmt. Jene kann örtlich oder regional begrenzt sein. Zu berücksichtigen sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art des beworbenen Produkts, die gängigen Vertriebsweisen und die Form und Reichweite der absatzfördernden geschäftlichen Handlungen.762 Wie generell muss eine gewisse, hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass zwischen den Parteien eine für Mitbewerber kennzeichnende, gegenläufige Interessenlage besteht, so dass jede unzulässige geschäftliche Handlung den jeweils anderen Unternehmer unmittelbar beeinträchtigt. Das ist nicht der Fall, wenn sich die jeweiligen geschäftlichen Aktivitäten auf unterschiedliche Gebiete beschränken und sich die Parteien daher nicht im Markt begegnen.763 Völlig unbedeutende oder nur theoretische Absatzchancen in einem räumlich entfernten Markt rechtfertigen die Annahme einer Mitbewerberstellung nicht.764 Die Reichweite des räumlich relevanten Markts hängt zum einen von der Art der von den Unternehmern angebotenen Leistungen ab. Je seltener angeboten, nachgefragt und zugleich hochpreisig ein Produkt ist, desto größer ist in der Regel der räumlich relevante Markt. Bei Waren des täglichen Bedarfs ist der räumliche Markt hingegen enger zu bemessen, da die Nachfrager typischerweise keinen weiten Weg auf sich nehmen, um wiederkehrende Anschaffungen zu einem relativ geringen Preis zu tätigen. Mitbewerber sind demnach Unternehmer, die in derselben Stadt, wenn auch einige Kilometer voneinander entfernt, Ladengeschäfte für Fotoarbeiten betreiben.765 Hingegen agieren Goldankäufer, deren Geschäfte sich in Baden-Württemberg und Niedersachsen befinden und deren Ankaufagenturen ebenfalls nicht näher als 170 km voneinander entfernt tätig werden, nicht auf demselben Markt. Das Angebot, den Goldankauf bundesweit über den Postweg abzuwickeln, stellt nur eine theoretische, nicht hinreichend wahrscheinliche Aktivität außerhalb des näheren Einzugsbereichs der Ladengeschäfte dar und vermag daher ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ebenfalls nicht zu begründen.766 Der Einzugsbereich von Kraftfahrzeughändlern, Teppich- sowie Elektro-Verbrauchermärkten ist schon aufgrund der Art der vertriebenen Waren größer zu bemessen und erstreckt sich jedenfalls auf benachbarte Ortschaften und ggf. eine ganze Region.767 Eine überregional erschienene Anzeige für eine Immobilie in München richtet sich jedenfalls dann nicht nur an die Käuferschaft im Großraum München, wenn die Immobilie sich als Kapitalanlage eignet oder gar unter Hinweis hierauf beworben wird. Denn in diesem Fall kommt es auf den (avisierten) Wohnsitz des Erwerbers nicht an, so dass auch ein Berliner Immobilienmakler von einer unlauteren Werbung unmittelbar betroffen und als Mitbewerber anspruchsberechtigt ist.768
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762 OLG Celle 8.3.2012 – 13 U 174/11 – WRP 2012, 743 f. – Goldankauf; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 134; juris-PK/Ernst § 2 Rn. 31. 763 OLG Frankfurt a.M. 9.5.2003 – 24 U 15/03 – GRUR-RR 2003, 248, 249 – Hausanwälte. 764 OLG München 28.9.1995 – 6 U 3255/95 – WRP 1995, 1057, 1059 – Derselbe Markt; OLG Celle 8.3.2012 – 13 U 174/11 – WRP 2012, 743 f. – Goldankauf. 765 BGH 5.3.1998 – I ZR 229/95 – GRUR 1998, 1039, 1040 – Fotovergrößerungen. 766 OLG Celle 8.3.2012 – 13 U 174/11 – WRP 2012, 743 f. – Goldankauf I; OLG Celle 2.8.2012 – 13 U 4/12 – WRP 2012, 1427 ff. – Goldankauf II. 767 BGH 19.6.1997 – I ZR 72/95 – GRUR 1998, 170 – Händlervereinigung (Zeitungsanzeigen für KfZ auch für entfernter wohnende Verbraucher relevant); BGH 20.10.1999 – I ZR 167/97 – GRUR 2000, 619, 620 – Orient-Teppichmuster (Markt für Teppichhändler in Berlin auch Brandenburger Umland); BGH 24.5.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78 – Falsche Herstellerpreisempfehlung (Elektro-Fachmärkte). 768 A.A. BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 260 – Vielfachabmahner; ablehnend auch Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 134.
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Bei Rechtsanwälten kommt es ebenfalls auf die Art der angebotenen Rechtsberatung und die Größe der Praxis an.769 Bejaht wurde ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Anwälten, die in Sachsen und Thüringen im Medizin- und Arztrecht tätig sind.770 Verneint wurde eine Mitbewerberstellung hingegen für Rechtsanwälte, die im Raum Flensburg für lokale Mandantschaft bzw. in Berlin mit einem Fokus auf osteuropäische Mandanten Wirtschaftsrechtskanzleien betreiben,771 sowie für in Stuttgart bzw. Köln ansässige, im Privatversicherungsrecht tätige Anwälte.772 Auch Sprachschulen mit Sitz in München bzw. Freiburg i.Br. sollen keine Mitbewerber sein.773 Darf eine Geschäftstätigkeit aus rechtlichen Gründen nur in einem bestimmten Bundesland ausgeübt werden und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der betreffende Unternehmer seine Tätigkeit gleichwohl bundesweit ausübt, ist der räumlich relevante Markt in diesem Fall regional begrenzt, so dass zu Anbietern in anderen Bundesländern kein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht.774 In einer solchen Konstellation ist ein etwaiger Unterlassungsanspruch nicht bundesweit durchsetzbar.775 Die Reichweite des räumlich relevanten Marktes hängt ferner vom Medium ab, mit dem die jeweiligen Leistungen beworben und vertrieben werden. Eine bundesweit erscheinende Anzeige in Printmedien und im Rundfunk stellt ein bundesweites Angebot dar und begründet daher zu allen inländischen Unternehmern auf dem sachlichen Markt ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. 776 Räumlich begrenzt ist hingegen die wettbewerbliche Relevanz einer Annonce in einem lokal vertriebenen Anzeigenblatt.777 Bei Internetauftritten kommt es auf die beworbene Ware oder Dienstleistung an. Werden digitale Güter und Dienstleistungen direkt über das Internet vermarktet, liegt stets eine bundesweite Tätigkeit vor.778 Ebenso verhält es sich bei Angeboten zum bundesweiten Warenversand oder der bundesweiten Durchführung von Dienstleistungen. Anders aber kann der räumliche Markt abzugrenzen sein, wenn die Art der beworbenen Waren eine Tätigkeit außerhalb eines bestimmten Gebiets ausschließt. So ist ein Restaurant, das im Internet einen Bringdienst bewirbt, unverändert nur in einem Umkreis um das Lokal tätig, in dem üblicherweise warme Mahlzeiten geliefert werden. Allein der Umstand, dass im Internet geworben wird, ändert an der räumlichen Begrenzung der Geschäftstätigkeit nichts.
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dd) Derselbe zeitliche Markt. Schließlich müssen die Unternehmer auch in zeitli- 470 cher Hinsicht auf demselben Markt tätig sein. Diese zeitliche Überschneidung muss bei Abwehransprüchen noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben
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769 BGH 27.1.2005 – I ZR 202/02 – GRUR 2005, 520, 521 – Optimale Interessenvertretung. 770 OLG Dresden 9.6.1998 – 14 U 3245/97 – NJW 1999, 144, 145 f. – Anwaltliche Werbung in Rundschreiben. 771 LG Hamburg 27.1.1995 – 5 W 403/95 – GRUR-RR 2001, 95, 96 – Wettbewerbsverhältnis zwischen Anwälten. 772 OLG Frankfurt a.M. 9.5.2003 – 24 U 15/03 – GRUR-RR 2003, 248, 249 – Hausanwälte (in privatversicherungsrechtlichen Streitigkeiten würden in der Regel ortsnahe Anwälte aufgesucht). 773 BGH 28.6.2007 – I ZR 49/04 – GRUR 2007, 884, 887 – Cambridge Institute (zw., da Beklagte expandierte). 774 BGH 14.2.2008 – I ZR 207/05 – GRUR 2008, 438 Tz. 28 – ODDSET. 775 BGH 14.2.2008 – I ZR 207/05 – GRUR 2008, 438 Tz. 28 – ODDSET. Grundsätzlich anders im Interesse einer effektiven Durchsetzung des Lauterkeitsrechts BGH 10.12.1998 – I ZR 141/96 – GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler. 776 juris-PK/Ernst § 2 Rn. 31. 777 OLG München 28.9.1995 – 6 U 3255/95 – WRP 1995, 1057, 1059 – Derselbe Markt. 778 BGH 28.10.2004 – I ZR 59/02 – GRUR 2005, 176, 177 – Nur bei Lotto; BGH 28.9.2011 – I ZR 92/09 – WRP 2012, 201, 203 – Sportwetten im Internet II (Wettunternehmen mit Sitz in Gibraltar); KG Berlin 30.3.2009 – 24 U 145/08 – GRUR-RR 2010, 22, 26; a.A. juris-PK/Ernst § 2 Rn. 32.
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sein, während bei Schadensersatzansprüchen auf den Zeitpunkt der angegriffenen geschäftlichen Handlung abzustellen ist. Auch insoweit genügt allerdings eine konkrete, hinreichende Wahrscheinlichkeit 471 eines Marktzutritts bzw. einer künftigen Konkurrenzsituation zwischen den Parteien.779 Daher ist jedenfalls ein Unternehmer, der ernsthafte Vorbereitungshandlungen für substituierende Angebote unternimmt, bereits als potenzieller Mitbewerber anzusehen.780 Ein Rechtsanwalt ist befugt, seine Beratungstätigkeit jederzeit auf bisher nicht praktizierte Gebiete auszudehnen, so dass es für ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu anderen Rechtsanwälten nicht darauf ankommt, auf welchen Rechtsgebieten die Parteien bisher tätig waren.781 Nicht ausreichend ist hingegen die nur theoretische, noch nicht durch konkrete Erfindungen bestätigte Möglichkeit technischer Entwicklungen und neuer Verwendungsmöglichkeiten von Produkten.782 c) Ad-hoc-Mitbewerber: Unmittelbare Beeinträchtigung marktfremder Unternehmer aa) Grundsätze. Auf demselben Absatz- oder Nachfragemarkt tätige Unternehmer sind per se Mitbewerber. Jede geschäftliche Handlung eines Unternehmers betrifft die Konkurrenten unmittelbar in ihren antagonistischen Absatz- oder Nachfrageinteressen. Deshalb sind Unternehmer, die auf demselben Markt wie der unzulässig Handelnde oder Geförderte tätig sind, im Hinblick auf jede unzulässige geschäftliche Handlung ihrer Konkurrenten gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 S. 1 anspruchsberechtigt, auch wenn diese sich an Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer richtet. Doch auch zwischen Unternehmern, die auf unterschiedlichen Märkten nicht 473 substituierbare, ungleichartige Produkte anbieten, kann im Einzelfall ein konkretes Wettbewerbsverhältnis gegeben sein. Die hierfür kennzeichnende, antagonistische Interessenlage wird dann ad hoc durch die streitgegenständliche geschäftliche Handlung begründet. Die einschlägige Rechtsprechung zum Begriff des unmittelbar Verletzten gem. §§ 1, 3 UWG 1909, der auch bei Marktfremdheit Mitbewerber sein konnte, sollte in Gestalt von § 2 Abs. 1 Nr. 3 kodifiziert werden.783 474 In dieser Konstellation zeigt sich besonders deutlich, dass der Begriff des Mitbewerbers nicht eine statische Rolle beschreibt, sondern dynamisch im Hinblick auf die konkret angegriffene Verhaltensweise zu bestimmen ist. Die Gleichartigkeit bzw. Austauschbarkeit der angebotenen Produkte ist weiterhin hinreichende, nicht aber notwendige Bedingung für ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.784 Die Flexibilität des Mitbewerberbegriffs lässt das Bedürfnis entfallen, die abschließende Regelung der 472
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779 OLG Frankfurt a.M. 9.5.2003 – 24 U 15/03 – GRUR-RR 2003, 248, 249 – Hausanwälte; OLG Braunschweig 27.1.2010 – 2 U 225/09 – MMR 2010, 252, 253; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 96 f.; Harte/Henning/ Keller § 2 Rn. 144. 780 Zur vergleichenden Werbung EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007 I-03115 = GRUR 2007, 511 – De Landtsheer. 781 OLG Dresden 9.6.1998 – 14 U 3245/97 – NJW 1999, 144, 146 – Anwaltliche Werbung in Rundschreiben. 782 A.A. BGH 11.5.1954 – I ZR 178/52 – BGHZ 13, 244, 249 = GRUR 1955, 37 – Cupresa-Kunstseide (Kunstseidenfaden dürfte bei technischer Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg bald als Nähseide verfügbar sein). 783 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16 mit Verweis auf BGH 10.1.1972 – I ZR 60/70 – GRUR 1972, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee. 784 A.A. Sack GRUR 2011, 953, 957 ff. unter Berufung auf BGH 20.5.2009 – I ZR 218/07 – GRUR 2009, 980, 981 – E-Mail-Werbung II.
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Anspruchsberechtigung in §§ 8–10 in Frage zu stellen und contra legem die in § 2 Abs. 1 Nr. 3 aufgegangene Figur des unmittelbar Verletzten wiederzubeleben.785 Wie erläutert, wird ein Unternehmer, der auf einem anderen Markt als der handeln- 475 de oder geförderte Unternehmer tätig ist, ad hoc zu dessen Mitbewerber, wenn er durch die angegriffene geschäftliche Handlung in seinen gegenläufigen Interessen am Absatz der eigenen Waren oder Dienstleistungen oder an der Nachfrage für das eigene Unternehmen unmittelbar nachteilig betroffen ist.786 Ob eine solche wettbewerbliche Interessenkollision gegeben ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist zwischen verschiedenen Fallgruppen unlauteren bzw. unzulässigen Verhaltens gem. §§ 4–7 zu unterscheiden. bb) Fallgruppen unmittelbarer Beeinträchtigung marktfremder Unternehmer (1) Insbesondere Herabsetzungen und Anschwärzungen gem. § 4 Nr. 7 und 8. 476 Die Erfahrung zeigt, dass der Wettbewerb eines Unternehmens gefördert werden kann, indem marktfremde Unternehmer bzw. ihre Leistungen und Kennzeichen negativ beurteilt werden. Während die Äußerung den Absatz oder die Nachfrage des Handelnden fördert, beeinträchtigt sie die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Unternehmer unmittelbar. Es entsteht also eine antagonistische Interessenlage ungeachtet des Umstands, dass die Unternehmer auf unterschiedlichen Märkten nicht substituierbare Produkte anbieten. Als Ad-hoc-Mitbewerber können Unternehmer daher insbesondere individuell dagegen vorgehen, dass sie oder ihre Leistungen gem. § 4 Nr. 7 oder 8 herabgesetzt, verunglimpft oder angeschwärzt werden. Demgemäß entsteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Be- 477 treiber eines Fotokopierwerks und einer Messegesellschaft, wenn der ehemalige Aussteller öffentlich kundtut, er verlasse die Messe aus Protest, weil sein Messestand anderweitig vergeben worden sei.787 Ebenso prallen unternehmerische Absatzinteressen aufeinander, wenn ein KfZ-Reparaturbetrieb gegenüber Verbrauchern äußert, ein Versicherungsunternehmen bezahle möglicherweise Steinschlagreparaturen nicht.788 Diese Grundsätze kommen jedoch nicht zum Tragen, wenn die Äußerung im Rah- 478 men einer vergleichenden Werbung i.S.v. § 6 Abs. 1 getätigt wird. Mitbewerber ist dann nur, wer zumindest in gewisser Hinsicht substituierbare Waren oder Dienstleistungen anbietet.789 Eine Schutzlücke entsteht hierdurch nicht, da Herabsetzungen und Anschwärzungen marktfremder Unternehmer nicht unter § 6 und den engeren Mitbewerberbegriff der De Landtsheer-Entscheidung des EuGH fallen, sondern gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 7 oder 8 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 zu beurteilen sind. (2) Insbesondere unlautere Nachahmungen gem. § 4 Nr. 9. Interessenkonflikte 479 zwischen Unternehmern, die auf unterschiedlichen Märkten tätig sind, können auch durch nicht erlaubte Nachahmungen von Waren oder Dienstleistungen ausgelöst werden. So mag ein Unternehmen eine Ware imitieren, um diese als Vorprodukt für eine ganz andersartige Leistung zu verwenden.790 Obwohl es an der Austauschbarkeit der Pro-
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785 So aber Sack GRUR 2011, 953, 962 ff., der sich damit für just diejenige Lösung einsetzt, die er für das UWG 1909 kritisiert hatte (a.a.O., 954 m.w.N.). 786 Oben § 2 Rn. 424 ff. 787 A.A. BGH 24.2.1983 – I ZR 207/80 – GRUR 1983, 467, 468 – Photokina. 788 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 109; a.A. OLG Brandenburg 16.9.2008 – 6 U 6/08 – GRUR-RR 2009, 140, 141 – Steinschlagreparatur. 789 Oben § 2 Rn. 376 ff.; a.A. Nordemann Rn. 873. 790 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 110 (Nachahmung von Vorprodukten).
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dukte fehlt, sind die Parteien dann Mitbewerber gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 4 Nr. 9, 8 Abs. 3 Nr. 1.791 In vergleichbarer Weise hat die Rechtsprechung zum UWG 1909 Unternehmer als 480 unmittelbar Verletzte betrachtet, deren guter Ruf durch branchenfremde Unternehmer als Vorspann für deren Absatzwerbung ausgenutzt oder ausgebeutet wurde.792 Demgemäß wurden als Mitbewerber angesehen der Betreiber eines Formel 1-Rennstalls und der Hersteller von Spielzeugautos,793 die Hersteller von Kraftfahrzeugen und Whiskey,794 von Whiskey und Herrenkosmetik,795 von Champagner und Mineralwasser,796 von Wintersportgeräten und Tabakwaren, 797 von Schoko-Riegeln und Kondomen 798 sowie eine Musikgruppe und ein Unternehmen der Telekommunikationsbranche.799 Zu beachten ist allerdings, dass diese Rechtsprechung als Reaktion auf die waren481 zeichenrechtlichen Grenzen des Schutzes bekannter Marken zu verstehen ist.800 Da bekannte Marken nunmehr ausdrücklich auch außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen geschützt sind, ist diese Rechtspraxis überholt. Ein über das Markenrecht und § 4 Nr. 9 hinausgehender, lauterkeitsrechtlicher Schutz des guten Rufs eines Unternehmens ist abzulehnen.801 (3) Insbesondere gezielte Behinderungen gem. § 4 Nr. 10. Unternehmer können des Weiteren versuchen, den eigenen Absatz zu fördern, indem sie den Absatz anderer Unternehmer unmittelbar beeinträchtigen, die nicht austauschbare Produkte vertreiben. Der für § 2 Abs. 1 Nr. 3 an sich nicht genügende Wettbewerb aller Unternehmer um die insgesamt verfügbare Kaufkraft wird in einer solchen Konstellation in einem Maße verdichtet, dass von einem konkreten Interessenkonflikt und damit einem konkreten Wettbewerbsverhältnis ausgegangen werden kann. Ein von einer gezielten Behinderung gem. § 4 Nr. 10 betroffener Unternehmer ist daher auch dann Mitbewerber des handelnden bzw. geförderten Unternehmers, wenn dieser in einem ganz anderen Markt tätig ist.802 483 Zu dieser Fallgruppe zählt zunächst das klassische Beispiel einer geschäftlichen Handlung, die zwischen marktfremden Unternehmen einen Interessenkonflikt um den je eigenen Absatz auslöst, nämlich die – damals wie heute zulässige – Werbung eines KaffeeHerstellers mit der Aussage, die Verbraucher könnten doch statt Blumen eine Packung Kaffee verschenken.803 Ungeachtet der Märkte, auf denen die betroffenen Unternehmen tätig sind, wird 484 ein konkretes Wettbewerbsverhältnis durch (gezielte) Behinderungen ferner begrün482
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791 Anders im Kontext vergleichender Werbung, siehe oben § 2 Rn. 376 ff.; a.A. Nordemann Rn. 873. 792 BGH 9.12.1982 – I ZR 133/80 – GRUR 1983, 247, 248 – Rolls-Royce; BGH 8.11.1984 – I ZR 128/82 – GRUR 1985, 876, 878 – Tchibo/Rolex I; BGH 4.6.1987 – I ZR 109/85 – GRUR 1988, 453, 455 m.w.N. – Ein Champagner unter den Mineralwässern; BGH 9.6.1994 – I ZR 272/91 – GRUR 1994, 732, 733 – McLaren. 793 BGH 9.6.1994 – I ZR 272/91 – GRUR 1994, 732, 733 – McLaren; Sack WRP 2008, 1141, 1145. 794 BGH 9.12.1982 – I ZR 133/80 – GRUR 1983, 247, 248 – Rolls-Royce. 795 BGH 29.11.1984 – I ZR 158/82 – BGHZ 93, 96 = GRUR 1985, 550, 552 – DIMPLE. 796 BGH 4.6.1987 – I ZR 109/85 – GRUR 1988, 453, 454 – Ein Champagner unter den Mineralwässern. 797 BGH 29.11.1990 – I ZR 13/89 – GRUR 1991, 465 ff. – Salomon. 798 BGH 10.2.1994 – I ZR 79/92 – GRUR 1994, 808, 811 f. – Markenverunglimpfung. 799 LG Stuttgart 31.10.2005 – 17 O 441/05 – BeckRS 2006, 07096. 800 Vgl. Sack GRUR 2011, 953 ff. m.w.N. 801 Kritisch mit Blick auf den Begriff des Mitbewerbers auch Blankenburg WRP 2008, 186, 193; ablehnend wie hier Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 61; Gloy/Loschelder/Erdmann § 33 Rn. 37. 802 Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 59. 803 BGH 10.1.1972 – I ZR 60/70 – GRUR 1972, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee.
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det, wenn ein Internetdienstleister tausende Internet-Domains für sich registriert, um diese an Inhaber entsprechender Kennzeichenrechte zu veräußern;804 wenn versucht wird, durch sog. Tippfehlerdomains Internetnutzer auf andere Online-Angebote zu lenken;805 wenn der Anbieter eines Spamfilters die Webseite eines Reiseanbieters auf die Liste der spamverdächtigen Seiten setzt;806 wenn technische Geräte wie Werbeblocker807 oder Internet-Video-Rekorder 808 das Geschäftsmodell von Sendeunternehmen beeinträchtigen; wenn eine KfZ-Versicherung ihren Kunden mitteilt, dass sie die Kosten eines bestimmten Schadenssachverständigen nicht übernehmen wird;809 wenn ggf. ganz andere Produkte bewerbende Plakate überklebt werden.810 (4) Rechtsbruch gem. § 4 Nr. 11. Die Regelbeispiele gem. § 4 Nr. 7–10 betreffen unlautere geschäftliche Handlungen, die gegenläufige Absatz- oder Bezugsinteressen anderer Unternehmer beeinträchtigen. Dass die Vorschriften jeweils auf Mitbewerber als Schutzsubjekte Bezug nehmen, bestätigt, dass die antagonistische unternehmerische Interessenlage das maßgebliche Kriterium zur Bestimmung des konkreten Wettbewerbsverhältnisses darstellt. Vor Rechtsbrüchen gem. § 4 Nr. 11 werden hingegen alle Marktteilnehmer gleichermaßen geschützt. Die besondere Stellung als Mitbewerber ist insoweit nur für die Frage nach der individuellen Anspruchsberechtigung in dieser Fallgruppe von Belang. Insoweit kommt es auf den Schutzzweck der verletzten Norm an.811 Schützt die Marktverhaltensvorschrift Verbraucher, nicht unternehmerisch tätige sonstige Marktteilnehmer und/oder die Allgemeinheit, sind nur auf demselben Markt wie der Verletzer bzw. der Geförderte tätige Unternehmer individuell aktivlegitimiert. Denn der Rechtsbruch verfälscht den Wettbewerb nur auf diesem Markt. Unternehmer auf anderen Märkten sind hierdurch nicht unmittelbar in ihren Absatzoder Nachfrageinteressen betroffen. Daher kann ein Anbieter von Suchmaschinenoptimierungen nicht individuell gegen unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Anbieters von Domainregistrierungen vorgehen.812 In diesem Zusammenhang erweist sich, dass es einen Grundsatz der weiten Auslegung des Mitbewerberbegriffs nicht gibt. Anders ist zu entscheiden, wenn die verletzte Norm unternehmerische Absatzoder Nachfrageinteressen schützt und der Ansprüche geltend machende Unternehmer zu diesem Personenkreis zählt. In diesem Fall beeinträchtigt der Rechtsbruch die gesetzlich gewährleisteten, wettbewerblichen Interessen des Unternehmers unmittelbar. Folglich ist der betroffene Unternehmer Mitbewerber, ohne Rücksicht darauf, ob er im Übrigen auf demselben Markt wie der unlauter handelnde oder geförderte Unternehmer tätig ist. Daher sind Rechtsanwälte im Hinblick auf jede, ihrer Ansicht nach unerlaubte Rechtsberatung individuell anspruchsberechtigt, unabhängig davon, ob diese von einem
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804 Sog. Domain-Grabbing, vgl. BGH 19.2.2009 – I ZR 135/06 – WRP 2009, 803, 807 – ahd.de. 805 OLG Köln 10.2.2012 – 6 U 187/11 – MMR 2012, 462 f. – wetteronline.de. 806 OLG Hamm 1.3.2007 – 4 U 142/06 – GRUR-RR 2007, 282, 283 – Google-Spamfilter. 807 BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877 – Werbeblocker. 808 BGH 22.4.2009 – I ZR 216/06 – GRUR 2009, 845, 849 – Internet-Videorecorder. 809 OLG Nürnberg 20.11.2006 – 3 U 1838/06 – WRP 2007, 202, 203; a.A. LG Frankenthal 12.8.2010 – 3 O 288/10 – juris Rn. 23 ff. 810 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 141 mit Fn. 458; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 111; a.A. noch Köhler WRP 2009, 499, 505 (Plakate von Konzertveranstalter auf Plakaten eines Möbelhändlers). 811 Köhler WRP 2009, 499, 507. 812 Siehe OLG München 8.7.2010 – 29 U 2252/10 – MMR 2011, 99 f.
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Kraftfahrzeugversicherer, 813 einem Abschleppunternehmer, 814 einem Zeitschriftenverleger815 oder einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt unternommen wird.816 489
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(5) Andere geschäftliche Handlungen. Auch für alle übrigen, nach Ansicht des klagenden Unternehmens unzulässigen geschäftlichen Handlungen ist zu prüfen, ob durch das angegriffene Verhalten ein für Konkurrenten typischer Interessenkonflikt begründet wird, obwohl die Parteien nicht auf demselben Markt tätig sind. Ist dem so, liegt ein konkretes Wettbewerbsverhältnis gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 vor. Andernfalls ist der marktfremde Unternehmer als sonstiger Marktteilnehmer einzustufen. Keine Mitbewerber sind Unternehmer, die sich im konkreten Fall als Anbieter und Nachfrager gegenüberstehen. Denn in einer solchen Situation verfolgen die Beteiligten sich ergänzende und nicht sich gegenseitig ausschließende unternehmerische Interessen. Zwar werden die jeweiligen unternehmerischen Interessen unmittelbar beeinträchtigt, wenn es in einem solch vertikalen Verhältnis zur Marktgegenseite zu unzulässigen geschäftlichen Handlungen kommt.817 Indes prallen keine gegenläufigen Absatz- oder Nachfrageinteressen aufeinander, sondern ein Unternehmen fördert seinen Absatz, während das andere seine im Prinzip komplementären Nachfrageinteressen verfolgt. Ein solcher Konflikt ist keiner zwischen Mitbewerbern i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3, sondern zwischen sonstigen Marktteilnehmern gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2. Deshalb begründet eine unverlangte Werbe-E-Mail, die ein Kapitalanlageberater an Rechtsanwälte als potentielle Kunden sendet, kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien.818 Gegen solch unzulässige Werbeformen sollen nur die auf dem Markt für Kapitalanlagen tätigen Konkurrenten des Absenders individuell vorgehen können, nicht hingegen die umworbenen Adressaten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Verbraucher oder um sonstige, unternehmerisch oder nicht unternehmerisch agierende Marktteilnehmer handelt.819 Ebenso verhält es sich grundsätzlich bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern und nicht-unternehmerisch agierenden, sonstigen Marktteilnehmern wie Idealvereinen oder Kirchen. Die hiermit einhergehende Wettbewerbsverfälschung im vertikalen Marktverhältnis beeinträchtigt in der Regel nur diejenigen Unternehmer unmittelbar, die auf demselben Markt wie das unlauter handelnde bzw. geförderte Unternehmen agieren.820 Alle anderen Unternehmer können allenfalls eine verbotene Manipulation der generellen Kaufkraftströme geltend machen. Diese reflexhafte Betroffenheit begründet jedoch kein konkretes Wettbewerbsverhältnis gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3. Vielmehr steht wiederum nur das allgemeine Wettbewerbsverhältnis zwischen sonstigen, unternehmerisch tätigen Marktteilnehmern in Rede. Ausnahmsweise kann ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu einem marktfremden Unternehmer aber auch durch eine geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern oder anderen, nicht-unternehmerischen Nachfragern begründet wer-
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813 BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978, 979 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer. 814 OLG Naumburg 26.10.2005 – 5 U 101/05 – GRUR-RR 2006, 169. 815 Vgl. BGH 13.2.1981 – I ZR 63/79 – GRUR 1981, 529, 530 – Rechtsberatungsanschein (im Ergebnis Rechtsbruch verneint); BGH 5.2.1987 – I ZR 100/86 – GRUR 1987, 373 – Rentenberechnungsaktion (Rechtsbruch bejaht). 816 BGH 6.12.2001 – I ZR 214/99 – GRUR 2002, 985, 986 – WISO. 817 Z.B. in Gestalt einer Irreführung gem. §§ 5, 5a Abs. 1 oder einer unangemessen unsachlichen Beeinflussung gem. § 4 Nr. 1. 818 BGH 20.5.2009 – I ZR 218/07 – GRUR 2009, 980, 981 – E-Mail-Werbung II. 819 A.A. Sack WRP 2009, 1330, 1332 ff. 820 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 103.
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den. Ein Beispiel hierfür bildet die ggf. irreführende Aussage eines KfZ-Reparaturbetriebs, ein Haftpflichtversicherer übernehme bestimmte Reparaturen nicht.821 In dieser Konstellation ist das Versicherungsunternehmen in besonderer Weise und anders als alle anderen, nicht auf dem Markt für KfZ-Reparaturen tätigen Unternehmen in seinen wettbewerblichen Interessen betroffen. Während die Äußerung dem Absatz des Akteurs förderlich ist, beeinträchtigt sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Marktchancen des Versicherers. Dieser Interessenkonflikt rechtfertigt die Annahme eines ad hoc durch die geschäftliche Handlung begründeten konkreten Wettbewerbsverhältnisses gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3. 5. Konkretes Wettbewerbsverhältnis bei Förderung fremden Absatzes oder Bezugs. Das UWG erfasst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 nicht nur geschäftliche Handlungen von Unternehmern zugunsten des eigenen Unternehmens, sondern auch jedes Verhalten einer Person zugunsten eines fremden Unternehmens. Diese Person muss ihrerseits nicht selbst Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. sein, sondern kann einen Unternehmer in dessen Namen oder Auftrag oder aus ganz eigener Initiative fördern. Der typische Fall ist der Mitarbeiter, der für seinen Arbeitgeber wirbt. Agiert ein Mitarbeiter oder eine andere Person aber im Namen oder Auftrag eines Unternehmers, gilt er gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. selbst als Unternehmer. Dies könnte den Schluss nahelegen, dass auch für den Begriff des Mitbewerbers gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 auf den im fremden Namen oder Auftrag Handelnden abzustellen ist. Nach zutreffender Auffassung der Rechtsprechung und h.M. ist bei der Förderung fremden Wettbewerbs hingegen stets auf den geförderten Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. abzustellen. Zu jenem und nicht zum Förderer muss ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen.822 Hierfür spricht, dass sich die angegriffene Handlung auf dem Markt auswirkt, auf dem der Geförderte agiert. Unmittelbar betroffen sind die mit dem Geförderten konkurrierenden Unternehmen. Die zu ihnen bestehende bzw. begründete antagonistische Interessenlage ist für das konkrete Wettbewerbsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 maßgeblich. Für die Maßgeblichkeit der wettbewerblichen Beziehungen des geförderten Unternehmers spricht schließlich, dass auch solche Personen fremden Wettbewerb fördern können, die keine Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. sind. Dies gilt etwa für Privatpersonen oder Idealvereine, die aus eigener Initiative geschäftliche Handlungen zugunsten eines fremden Unternehmens vornehmen. Da Mitbewerber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 nur Unternehmer sein können, gäbe es im Verhältnis zu solchen Akteuren gar keine Mitbewerber und somit auch keine individuell Anspruchsberechtigten. Eine solche Rechtsschutzlücke ist mit der Konzeption der §§ 8–10 unvereinbar, die auf der Annahme beruhen, dass jede geschäftliche Handlung ein konkretes Wettbewerbsverhältnis betreffen oder begründen kann. Demzufolge können z.B. Getränkeproduzenten oder Maschinenbauer individuell Abwehr- und Schadensersatzansprüche gegen Presseunternehmen geltend machen, die Getränkehersteller bzw. Maschinenbauer in unlauterer Weise fördern und damit den Wettbewerb auf diesen Märkten verfälschen.823 Hingegen kann das konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen zwei, auf demselben Markt tätigen Verlegern von Kundenzeit-
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821 A.A. OLG Brandenburg 16.9.2008 – 6 U 6/08 – GRUR-RR 2009, 140, 141 – Steinschlagreparatur. 822 BGH 7.12.1989 – I ZR 3/88 – GRUR 1990, 375, 376 – Steuersparmodell; OLG Düsseldorf 13.4.2006 – U 23/05 – GRUR 2006, 782, 783 – Lottofonds; LG Frankenthal 12.8.2010 – 3 O 288/10 – juris Tz. 26 ff. Ebenso zum Mitbewerberbegriff des europäischen Lauterkeitsrechts Dreyer GRUR 2008, 123, 129. 823 Siehe RG 10.1.1902 – II 307/01 – RGZ 50, 107, 110 – Künstliches Mineralwasser; BGH 23.4.1998 – I ZR 2/96 – GRUR 1999, 69 – Preisvergleichsliste II.
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schriften nicht damit begründet werden, dass eine als Information getarnte Werbung den Wettbewerb eines Apothekers fördert, denn jener agiert gerade auf einem anderen Markt als der klagende Verleger. Dessen Mitbewerberstellung folgt vielmehr daraus, dass die angegriffene Anzeige zugleich den eigenen Wettbewerb des beklagten Verlegers fördert, und somit die Konkurrenten auf dem Markt für Kundenzeitschriften unmittelbar betroffen sind.824
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IV. Nachricht, § 2 Abs. 1 Nr. 4 Definitionen § 2 Nachricht § 2 Peukert 1. Bedeutung und Entstehungsgeschichte. Der in § 2 Abs. 1 Nr. 4 definierte Begriff der Nachricht findet nur in einer Vorschrift des UWG Verwendung, nämlich in § 7 Abs. 2 Nr. 4. Demnach ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung mit einer Nachricht, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. § 7 Abs. 2 Nr. 4 dient wie § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 3 der Umsetzung von Art. 13 DatenschutzRL-EK. Die Vorschrift betrifft die Zulässigkeit unerbetener Nachrichten, die für Zwecke der Direktwerbung versandt werden. Diese Form der Absatzförderung war unter dem Aspekt der belästigenden Werbung anhand von § 1 UWG 1909 beurteilt worden, so dass der Gesetzgeber eine Umsetzung der Richtlinienbestimmung im neuen UWG für angezeigt erachtete.825 Der Begriff der Nachricht wird in Art. 2 lit. d DatenschutzRL-EK definiert. Mit Rücksicht auf die Umsetzung von Art. 13 DatenschutzRL-EK im UWG hielt der Gesetzgeber eine ausdrückliche Umsetzung dieser Legaldefinition für erforderlich.826 Der Wortlaut der Definition wurde im Gesetzgebungsverfahren zum UWG 2004 eingehend erörtert. Ministeriums- und Regierungsentwurf hatten noch „Nachrichten“ im Plural definiert, wobei der Regierungsentwurf besonders genau darauf achtete, dass der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 4 sich vollständig mit Art. 2 lit. d DatenschutzRL-EK deckte.827 Der Bundesrat sah sich zum Hinweis bemüßigt, die Wörter „einer endlichen Zahl von“ Kommunikationsteilnehmern seien überflüssig, unverständlich und daher zu streichen.828 Die Bundesregierung hielt dem entgegen, in der Regel sei eine wortgleiche Umsetzung des Richtlinientextes geboten, da sonst Auslegungsschwierigkeiten entstehen könnten. Zudem gewönne die Definition auch durch die vorgeschlagene Streichung kaum an Verständlichkeit.829 Der Rechtsausschuss des Bundestages schließlich ersetzte den Plural des Begriffs „Nachricht“ durch den Singular830 und strich im Interesse einer sprachlichen Verbesserung das Wort „elektronische“ Nachricht aus § 7 Abs. 2 Nr. 4, da bereits die Nachricht so definiert sei, dass sie über einen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht werden muss.831
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824 BGH 20.2.1997 – I ZR 12/95 – GRUR 1997, 907, 908 – Emil-Grünbär-Klub. Verkannt von EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 39–42 – RLvS Verlagsgesellschaft. 825 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 15. 826 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 305; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16. 827 Vgl. RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 305 und RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 5 (dritte Verwendung von „Information“ im Wortlaut im Plural). 828 Stellungnahme BRat, BTDrucks. 15/1487, S. 29. 829 Gegenäußerung BReg, BTDrucks. 15/1487, S. 40. 830 Bericht Rechtsausschuss UWG 2004, BTDrucks. 15/2795, S. 3. 831 Bericht Rechtsausschuss UWG 2004, BTDrucks. 15/2795, S. 21.
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All diese gesetzgeberischen Bemühungen um Transparenz ändern nichts daran, dass § 2 Abs. 1 Nr. 4 im Kontext des UWG unverständlich bleibt. Ursache hierfür ist der Umstand, dass der Begriff der Nachricht ein telekommunikations- und datenschutzrechtlicher Terminus ist, dessen auf Art. 2 lit. d DatenschutzRL-EK zurückgehende Definition keinerlei Bezug zur Regulierung des geschäftlichen Verkehrs im Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb aufweist. Ausweislich ihres Titels betrifft die DatenschutzRL-EK „die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation“. Sie zählt zu den Sekundärrechtsakten im Bereich der Telekommunikation.832 Reguliert wird die Nutzung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste in öffentlichen Kommunikationsnetzen in der EU.833 Die Richtlinie stellt ausdrücklich klar, dass sie nur den Vorgang der Übertragung von Nachrichten (Telekommunikation) betrifft, nicht aber die Inhalte, die über elektronische Kommunikationsdienste und -netze bereitgestellt werden, wie Rundfunkinhalte oder Finanzdienste und bestimmte Dienste der Informationsgesellschaft.834 Vor diesem telekommunikationsrechtlichen Hintergrund erscheint eine Umsetzung von Art. 13 DatenschutzRL-EK in § 7 naheliegend. Zum einen bezieht sich Art. 13 nur auf unerbetene Nachrichten zu Zwecken der Direktwerbung, also auf geschäftliche Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1. Zum anderen erklärt § 7 geschäftliche Handlungen allein wegen der Art und Weise ihrer Übermittlung, unabhängig von ihrem Inhalt für unzulässig und entspricht damit der Begrenzung der DatenschutzRL-EK auf den Übertragungsaspekt der kommerziellen Kommunikation. Diesen Anknüpfungspunkten steht aber der spezifisch datenschutzrechtliche Zweck der Richtlinie entgegen. Die Richtlinie soll gem. Art. 1 Abs. 1 „einen gleichwertigen Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre und Vertraulichkeit, in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation sowie den freien Verkehr dieser Daten und von elektronischen Kommunikationsgeräten und -diensten … gewährleisten.“ Sie stellt eine gesetzgeberische Reaktion auf die Möglichkeiten und Risiken dar, die das Internet und andere elektronisch-digitale Kommunikationsnetze für ihre Nutzer, ihre personenbezogenen Daten und ihre Privatsphäre darstellen.835 Das UWG hingegen koordiniert gem. § 1 die wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer im Hinblick auf das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb. Diese spezifisch wettbewerbsrechtliche, auf die Eigenlogik und die Funktionsbedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs ausgerichtete Zielsetzung stellt ein Aliud im Vergleich zum Telos der DatenschutzRL-EK dar. Deshalb bilden § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., Nr. 3 und 4 sowie Abs. 3 eine echte Ausnahme vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung des UWG.836 Eine entsprechende Sonderrolle nimmt damit auch § 2 Abs. 1 Nr. 4 ein. Die Legaldefinition ist also nur vor ihrem telekommunikations- und datenschutzrechtlichen Hintergrund verständlich, nicht aber im Kontext des UWG. Jenes betrifft gerade nicht „jede Information“ (Art. 2 lit. d DatenschutzRL-EK), sondern nur Handlungen und Äußerungen im geschäftlichen Verkehr. Auch kommt es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung anders als nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 nicht darauf an, ob eine
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Ohlenburg MMR 2003, 82. Vgl. Art. 3 DatenschutzRL-EK. Siehe ErwGrd. 5 und 9 DatenschutzRL-EK. Vgl. ErwGrd. 6 DatenschutzRL-EK. Dazu § 1 Rn. 148 ff.
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Information mit einem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden kann oder nicht. Zu allem Überfluss betrifft der in § 7 Abs. 2 Nr. 4 umgesetzte Art. 13 Abs. 4 Daten509 schutzRL-EK ausweislich der englischen Sprachfassung und seines Regelungsgehalts nicht elektronische Nachrichten jeder Art, sondern nur elektronische Post (E-Mail). Folglich hätte es der Begrifflichkeit im UWG und der Umsetzung von Art. 2 lit. d DatenschutzRL-EK aus unionsrechtlicher Sicht gar nicht bedurft. Betrachtet man die von Art. 13 Abs. 4 DatenschutzRL-EK abweichende Umsetzung nicht als ein unbeachtliches Redaktionsversehen, stellt sich die weitergehende Frage, ob die Richtlinie es überhaupt zulässt, andere Formen der elektronischen Kommunikation als elektronische Post den Vorgaben des Art. 13 Abs. 4 DatenschutzRL-EK zu unterwerfen. In beiden Varianten erscheint § 2 Abs. 1 Nr. 4 verzichtbar.837 2. Begriff der Nachricht 510
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a) Definition gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 1. Hs. Der Begriff der Nachricht steht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 1. Hs. und wortgleich Art. 2 lit. d S. 1 DatenschutzRL-EK für „jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird.“ In Bezug auf den Inhalt der Nachricht ist die Definition offen und keineswegs auf Werbung und andere geschäftliche Handlungen zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 beschränkt. Jede Information kann eine Nachricht sein, auch eine solche mit außergeschäftlichem Gehalt und Zweck, z.B. eine rein private oder redaktionelle Äußerung. Diese Inhaltsneutralität folgt aus dem Umstand, dass die DatenschutzRL-EK als telekommunikationsrechtliche Materie den Vorgang der Übertragung, nicht aber den Inhalt von Nachrichten betrifft. Demgegenüber bezieht sich der im UWG umgesetzte Art. 13 DatenschutzRL-EK nur auf Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung. Schon über diesen, auf Werbung beschränkten Regelungsgehalt von § 7 Abs. 2 Nr. 4 geht § 2 Abs. 1 Nr. 4 hinaus und ist insoweit bedeutungslos. Selbiges gilt für das Kriterium der endlichen Zahl von Beteiligten. Relevant ist hingegen das weitere Erfordernis, wonach eine Nachricht i.S.v. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 7 Abs. 2 Nr. 4 nur vorliegt, wenn die Information „über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst“ übertragen wird. Hierbei handelt es sich gem. der Legaldefinition des Art. 2 lit. c Rahmenrichtlinie 2002/21 um „gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen, einschließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rundfunknetzen, jedoch ausgenommen Dienste, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben.“838 Dienste in diesem Sinne werden insbesondere von Unternehmen betrieben, die den Zugang zum Internet, Sprachtelefonie- und E-Mail-Übertragungsdienste anbieten.839 Diese Kommunikationsdienste funktionieren auf der Basis elektronischer Kommunikationsnetze. Hierunter sind gem. Art. 2 lit. a Rahmenrichtlinie 2002/21 „Über-
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837 So auch Köhler WRP 2012, 251, 258; ders. WRP 2013, 403. 838 Gem. Art. 2 lit. c Hs. 2 Rahmenrichtlinie 2002/21 gehören nicht dazu „die Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 98/34/EG, die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen“. 839 Vgl. ErwGrd. 12 Rahmenrichtlinie 2002/21.
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tragungssysteme und gegebenenfalls Vermittlungs- und Leitwegeinrichtungen sowie anderweitige Ressourcen, die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk, optische oder andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen, einschließlich Satellitennetze, feste (leitungs- und paketvermittelte, einschließlich Internet) und mobile terrestrische Netze, Stromleitungssysteme, soweit sie zur Signalübertragung genutzt werden, Netze für Hör- und Fernsehfunk sowie Kabelfernsehnetze, unabhängig von der Art der übertragenen Informationen“ zu verstehen. Elektronische Kommunikationsnetze stellen mit anderen Worten die Infrastruktur der elektronischen Telekommunikation dar. Diesen Definitionen ist zu entnehmen, dass eine Nachricht i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 nur vorliegt, wenn sie auf eine bestimmte Art und Weise kommuniziert wird, nämlich auf elektronischem Wege über ein elektronisches Netz. Hierunter fallen das Internet, das Fest- und Mobilfunknetz und die hierüber von Telekommunikationsanbietern übertragenen Nachrichten wie Sprach- und Videoanrufe, Faxe, SMS und elektronische Post.840 Lauterkeitsrechtlich relevant sind derartige elektronische Nachrichten aber nur, wenn sie der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dienen, also werbenden Charakter haben. Nicht um eine Nachricht i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4 1. Hs., 7 Abs. 2 Nr. 4 handelt es sich hingegen bei Werbung, die außerhalb der elektronischen Kommunikationsnetze stattfindet, etwa durch Plakate, das Ansprechen in der Öffentlichkeit, Handzettel, Briefe oder Vertreterbesuche.841 Ferner müssen der elektronische Kommunikationsdienst und das elektronische Kommunikationsnetz öffentlich zugänglich sein. Das ist nicht der Fall, wenn der Zugang zum Netz auf eine bestimmte Personengruppe beschränkt ist, wie z.B. bei unternehmensinternen oder privaten Netzwerken.842
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b) Ausnahmeregelung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs. 519 schließt die Definition der „Nachricht“ gem. Hs. 1 „nicht Informationen ein, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit die Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können.“ Während die Begriffsbestimmung der Nachricht im 1. Halbsatz nur vor dem tele- 520 kommunikationsrechtlichen Regelungsgegenstand der DatenschutzRL-EK verständlich ist, beruht die in Halbsatz 2 normierte, mit dem Wortlaut von Art. 2 lit. d S. 2 DatenschutzRL-EK identische Ausnahme auf dem datenschutzrechtlichen Regelungszweck der Richtlinie. Ob eine elektronische Werbenachricht mit einem identifizierbaren Empfänger in Verbindung gebracht werden kann, ist für den Schutz der Privatsphäre dieser Person von hoher Bedeutung, für das Lauterkeitsrecht aber im Prinzip irrelevant. Erwägungsgrund 16 der DatenschutzRL-EK erläutert die Vorschrift dahingehend, dass 521 eine Information, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein öffentliches Kommunika-
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840 Vgl. ErwGrd. 27 und Art. 13 Abs. 2 DatenschutzRL-EK, § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3; ferner RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 305; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16; ferner LG Berlin 13.5.2004 – 16 O 524/03 – MMR 2004, 699 (Versand einer Nachricht an Blöcke von IP-Adressen, die sich auf dem Bildschirm des Empfängers öffnet, nachdem eine Verbindung zum Internet hergestellt ist); Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 149; Fezer/Fezer § 2 Nr. 4 Rn. E 6 (Beiträge in Foren und Chat-Räumen). 841 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 154. 842 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 155; Fezer/Fezer § 2 Nr. 4 Rn. E 18.
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Peukert
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Definitionen
tionsnetz weitergeleitet wird, für einen potenziell unbegrenzten Personenkreis bestimmt sei und keine Nachricht im Sinne der Richtlinie darstelle. Könne jedoch ein einzelner Teilnehmer oder Nutzer, der eine derartige Information erhält, beispielsweise durch einen Videoabruf-Dienst identifiziert werden, so sei die weitergeleitete Information (das Video) als Nachricht im Sinne der Richtlinie zu verstehen. Folglich unterfällt Werbung im digitalen Fernsehen und Rundfunk nicht den §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 7 Abs. 2 Nr. 4, soweit technisch nicht feststellbar ist, wer die Werbung tatsächlich empfangen hat.843 Wie die Richtlinie anerkennt, sind Internetnutzer, die einen Video-Abrufdienst oder 522 ein anderes Online-Angebot mit Werbung abrufen, durchaus identifizierbar. Für diese Teilnehmer realisiert sich die besondere Gefahr für die Privatsphäre, die mit elektronischen Kommunikationsdiensten und -netzen einhergeht und vor der die DatenschutzRLEK schützen soll. Zudem nimmt die Richtlinie ausdrücklich zu datenschutzrechtlich relevanten Aspekten der Gestaltung von Websites Stellung, insbesondere zu Cookies.844 Es vermag daher nicht zu überzeugen, Werbenachrichten auf Internetseiten und im Rahmen von gestreamten Rundfunkprogrammen vom Begriff der Nachricht gem. Art. 2 lit. d DatenschutzRL-EK und § 2 Abs. 1 Nr. 4 auszugrenzen, da technisch feststellbar ist, wer diese Werbung empfangen hat.845 Richtig ist vorgenannte Auslegung aber im Kontext des § 7 Abs. 2 Nr. 4. Die Vorschrift 523 passt offenbar nicht auf Werbung, die auf Internetseiten geschaltet oder in Streamingdienste eingebettet ist, denn diese elektronischen „Nachrichten“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 nennen typischerweise keinen „Absender“ und erst recht keine „gültige Adresse …, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann“. Diese Diskrepanz zwischen Definition und definierter Regelung beruht darauf, dass 524 § 7 Abs. 2 Nr. 4 von Art. 13 Abs. 4 DatenschutzRL-EK abweicht. Anders als der in § 7 Abs. 2 Nr. 2 umgesetzte Art. 13 Abs. 3 DatenschutzRL-EK846 bezieht sich Art. 13 Abs. 4 DatenschutzRL-EK nämlich ausweislich der englischen Sprachfassung nur auf elektronische Post i.S.v. Art. 2 lit. h DatenschutzRL-EK und nicht auf elektronische Nachrichten gem. Art. 2 lit. d DatenschutzRL-EK.847 Bei Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachrichten, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden können, bis sie von diesem abgerufen werden, macht es Sinn, einen eindeutig identifizierbaren Absender zu verlangen, an den man sich mit der Aufforderung zur Einstellung solcher Post wenden kann. Anders aber ist es bei Werbung auf Websites, die vom Internetnutzer selbst aufgerufen werden. Derartige elektronische Kommunikation unterfällt nicht der engeren Definition der elektronischen Post gem. Art. 2 lit. h DatenschutzRL-EK und somit auch nicht Art. 13 Abs. 4 DatenschutzRL-EK sowie seiner Umsetzung in § 7 Abs. 2 Nr. 4.848 Anhaltspunkte dafür, dass der deutsche Gesetzgeber hiervon bewusst und nicht aufgrund eines unbeachtlichen Redaktionsversehens abgewichen ist, sind der amtlichen Begründung allenfalls für Telefonanrufe, nicht aber für Online-Werbung im Allgemeinen zu entnehmen.849
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843 Gloy/Loschelder/Erdmann § 36 Rn. 8. Zum Amateurfunk Fezer/Fezer § 2 Nr. 4 Rn. E 12 (Amateurfunk an nicht begrenzte Empfängerzahl gerichtet). 844 Vgl. ErwGrd. 25 DatenschutzRL-EK; a.A. Fezer/Fezer § 2 Nr. 4 Rn. E 9 f. (nur bei passwortgeschützter Seite). 845 So aber Fezer/Fezer § 2 Nr. 4 Rn. E 8 f., 19; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 153; Gloy/Loschelder/ Erdmann § 36 Rn. 8, 14. 846 Vgl. Ohlenburg MMR 2003, 82, 84. 847 Siehe bereits Eckhardt MMR 2003, 557; ferner Köhler WRP 2012, 251, 258. 848 Micklitz/Schirmbacher WRP 2006, 148, 166 f. Einschlägig ist vielmehr die Auffangklausel des § 7 Abs. 1; vgl. z.B. LG Düsseldorf 26.3.2003 – 2a O 186/02 – MMR 2003, 486 – Exit-Pop-up-Fenster (zu § 1 UWG 1909). 849 Siehe RegE UWG 2004, BTDrucks 15/1487, S. 21.
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Verhaltenskodex
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V. Verhaltenskodex, § 2 Abs. 1 Nr. 5 Definitionen § 2 Verhaltenskodex § 2 Peukert 1. Entstehungsgeschichte. Die Legaldefinition des Verhaltenskodexes gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 dient der Umsetzung von Art. 2 lit. f UGPRL. Die Vorschrift wurde im Zuge des UWG 2008 in den Definitionskatalog aufgenommen, um ein richtlinienkonformes Verständnis des auf Verhaltenskodizes bezogenen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 sicherzustellen. Für die Legaldefinition des „Urhebers eines Kodex“ gem. Art. 2 lit. g UGPRL erkannte der Gesetzgeber hingegen keinen Umsetzungsbedarf.850 Früheren Fassungen des UWG war die Begrifflichkeit „Verhaltenskodex“ unbekannt. Im Zuge der Beratungen der UGPRL nahm die Selbstregulierung des Marktverhaltens durch Verhaltenskodizes eine prominente Rolle ein. Vor allem die EU-Kommission erkannte in EU-weit vereinbarten Verhaltenskodizes von Unternehmen ein geeignetes Instrument zur Etablierung einheitlicher Lauterkeitsmaßstäbe im gemeinsamen Markt. Ursprünglich hatte die Kommission erwogen, eine geprüfte Positivliste von Verhaltenskodizes zu veröffentlichen, deren Einhaltung im Zweifel unionsweit als lauter gegolten hätte.851 In der Begründung des Richtlinienvorschlags führte die Kommission immerhin noch aus, Kodizes könnten den nationalen Behörden die Feststellung erleichtern, welche Anforderungen in der konkreten Branche an die berufliche Sorgfalt zu stellen sind, sofern gewährleistet sei, dass derartige Kodizes nicht ihrerseits den Wettbewerb verhindern, einschränken oder verzerren.852 Diese Form der regulierten Selbstregulierung könne die Inanspruchnahme der Verwaltungsbehörden oder Gerichte unnötig machen und sollte daher gefördert werden.853 Doch blieb bereits der Richtlinientext der Kommission hinter diesen weitreichenden Vorstellungen zurück. Neben Definitionen des Verhaltenskodexes, des Verhaltenskodexes auf Gemeinschaftsebene und des Urhebers eines Kodexes854 sah der Vorschlag lediglich Regelungen zu Irreführungen im Hinblick auf eine angebliche Unterzeichnung, behördliche Billigung bzw. Einhaltung eines Kodexes vor und stellte klar, dass die Richtlinie der Selbstregulierung durch die Unternehmen nicht entgegenstehe, wenn diese zusätzlich zu den staatlichen Verfahren zur Verfügung stehe.855
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850 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 12, 21. Anders noch DiskE UWG 2008, 2 f., 35 und dazu Dreyer WRP 2007, 1294 ff. 851 Siehe Keßler/Micklitz BB Special 13 2005, 1, 20. 852 Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig, S. 3 f., 7 f. (65% der befragten Unternehmen hielten europäische Verhaltenskodizes für einen effizienten Weg zur Erleichterung des Absatzes in der gesamten EU), 19, 25. 853 Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig, S. 25; Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, A5-0188/2004, S. 33 f. 854 Art. 2 lit. g Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig („‚Verhaltenskodex‘ eine Vereinbarung, die das Verhalten der Gewerbetreibenden definiert, die sich in Bezug auf eine oder mehrere spezielle Geschäftspraktiken oder Wirtschaftszweige auf diesen Kodex verpflichten;“), Art. 2 lit. h Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig („‚Verhaltenskodex auf Gemeinschaftsebene‘ ein Verhaltenskodex, der es jedem Gewerbetreibenden aus jedem Mitgliedstaat, der die Anforderungen des Kodex erfüllt, erlaubt, sich ohne jede Diskriminierung an diesem Kodex zu beteiligen, und der geeignete und wirksame Verfahren für die Überwachung und Durchsetzung seiner Bestimmungen enthält;“), Art. 2 lit. i Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig („‚Urheber eines Kodex‘ jedes Rechtssubjekt, einschließlich einzelner Gewerbetreibender oder Gruppen von Gewerbetreibenden, das für die Formulierung und Überarbeitung eines Verhaltenskodex und/oder für die Überwachung der Einhaltung dieses Kodex durch alle diejenigen, die sich darauf verpflichtet haben, zuständig ist;“). 855 Siehe Art. 6 Abs. 2 lit. b, 10, 11 Abs. 1 UA 4, Anhang Nr. 1 und 2 Vorschlag UGPRL 18.6.2003, KOM (2003) 356 endg. Kritisch zur Haftung von Urhebern von Verhaltenskodizes aufgrund der abschreckenden
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Während der Beratungen im Europäischen Parlament setzte sich eine noch skeptischere Haltung zur Selbstregulierung des Marktverhaltens durch Verhaltenskodizes durch, an deren Wirksamkeit zur Etablierung eines hohen, verbraucherschützenden Lauterkeitsstandards im gemeinsamen Markt gezweifelt wurde.856 In der Folge wurde die Definition des gemeinschaftsweiten Verhaltenskodexes gestrichen und der einschlägige Erwägungsgrund weiter abgeschwächt.857 Der Europäische Rat schloss sich dieser zurückhaltenden Linie im Wesentlichen an,858 so dass es nunmehr in ErwGrd. 20 UGPRL nur noch heißt, es sei zweckmäßig, die Möglichkeit von Verhaltenskodizes vorzusehen, die es Gewerbetreibenden ermöglichen, die Grundsätze der Richtlinie in spezifischen Wirtschaftsbranchen wirksam anzuwenden. Selbstregulierung „könnte“ das Eingreifen staatlicher Institutionen unnötig machen. Zugleich „könnten“ Verbraucherverbände an der Ausarbeitung von Verhaltenskodizes beteiligt werden, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Gestrichen wurde hingegen der noch im Kommissionsvorschlag enthaltene Hinweis, Kodizes könnten den nationalen Behörden die Feststellung erleichtern, welche Anforderungen in der konkreten Branche an die berufliche Sorgfalt und damit letztlich die Lauterkeit zu stellen sind.859 Bereits die Entstehungsgeschichte der UGPRL lässt erkennen, dass die unternehme530 rische Selbstregulierung als ein ambivalentes Instrument zur Gewährleistung der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs einzuschätzen ist.860 Einerseits zeigt die Erfahrung, etwa im Hinblick auf die Tätigkeit des Deutschen Werberats, dass privat vereinbarte Regelwerke und Sanktionsverfahren ein sehr wirksames und allseits akzeptiertes Instrument zur Gewährleistung lauteren Marktverhaltens darstellen können. Andererseits wohnt insbesondere Vereinbarungen, an denen nur Unternehmer beteiligt sind, die als Mitbewerber auf demselben Markt agieren, das Potential inne, wettbewerbsbeschränkende und für die Marktgegenseite nachteilige Verhaltensweisen zur Norm zu erklären. Der Zwiespalt zwischen der Effizienz und der begrenzten Legitimität unternehmerischer Selbstregulierung kommt auch in den Vorschriften zu Verhaltenskodizes zum Ausdruck. 2. Bedeutung von Verhaltenskodizes im Lauterkeitsrecht 531
a) Verhaltenskodex und Lauterkeitsmaßstab. Ein Verhaltenskodex wird freiwillig ausgearbeitet, vereinbart oder als verpflichtend anerkannt. § 2 Abs. 1 Nr. 5 stellt ausdrücklich klar, dass sich die diesbezüglichen, privatautonomen Verpflichtungen nicht aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben.
_____ Wirkung dieses Haftungsrisikos Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, A5-0188/2004, S. 35; dem im Wesentlichen zustimmend Europäischer Rat, Standpunkt UGPRL, 11630/04 ADD 1, S. 8. 856 Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, A5-0188/2004, S. 62. 857 Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, A5-0188/2004, S. 15 f. Siehe ErwGrd. 16 Europäisches Parlament, Legislative Entschließung UGPRL, 20.4.2004, P5_TA(2004)0298 („Es ist zweckmäßig, die Möglichkeit von Verhaltenskodizes vorzusehen, die es Gewerbetreibenden ermöglichen, Selbstbeschränkungsregelungen nach den Grundsätzen dieser Richtlinie zu erlassen. Die Aufstellung und die Verwendung dieser Kodizes und der festen Verpflichtungen in derartigen Kodizes sollte unter Achtung der Anforderungen des Wettbewerbsrechts erfolgen. Zur Verfolgung eines hohen Verbraucherschutzniveaus müssen Verbraucherorganisationen unterrichtet und an der Ausarbeitung des Verhaltenskodex beteiligt werden.“). 858 Europäischer Rat, Standpunkt UGPRL, 11630/04 ADD 1, S. 5 ff. 859 Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig, S. 25. 860 Anders Fezer/Fezer § 2 Nr. 5 Rn. F 18 f. („vorzügliches Instrument zur Förderung der Lauterkeit im Geschäftsverkehr“).
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Verhaltenskodex
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Private Vereinbarungen und Regelwerke („Vorschriften“) binden nur diejenigen, die hierzu ihre Zustimmung erklärt haben. Ihren Autoren fehlt die Legitimität, für Dritte bzw. die Allgemeinheit verpflichtende Regeln aufzustellen. Das staatliche Gewaltmonopol darf nur für demokratisch legitimierte Beschlüsse durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt werden (Art. 20 Abs. 2 GG). Freiwillig vereinbarte Verhaltenskodizes erfüllen diese Legitimitätsanforderungen nicht. Es würde daher verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, wenn zur Ausfüllung des Begriffs der Lauterkeit gem. § 3 Abs. 1 und 2 Wettbewerbsregeln oder andere Regelwerke herangezogen würden, denen keine Gesetzesqualität zukommt. Zudem würde der Wettbewerb in bedenklicher Weise beschränkt, wenn das Übliche zur Norm erhoben würde.861 Daher ist eine geschäftliche Handlung, die gegen einen Verhaltenskodex i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 verstößt, nicht ohne Weiteres unlauter.862 Mangels gesetzlicher Vorschrift liegt auch kein Rechtsbruch gem. § 4 Nr. 11 vor.863 Vielmehr entnimmt die Rechtsprechung des BGH Verhaltenskodizes „unter Umständen“ zunächst nur, ob innerhalb der in Rede stehenden Verkehrskreise eine bestimmte tatsächliche Übung herrscht. Für die normative, lauterkeitsrechtliche Bewertung dieser Übung und hiervon abweichenden Marktverhaltens komme privaten Regelwerken „allenfalls eine indizielle Bedeutung“ zu, die aber eine abschließende Beurteilung anhand der sich aus den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ergebenden Wertungen nicht ersetzen könne.864 Da die UGPRL Verhaltenskodizes keine größere Bedeutung zuweist, sind diese Grundsätze auch für den europarechtlichen Begriff der Unlauterkeit gem. §§ 3 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 7 maßgeblich.865 Zuwiderhandlungen gegen einen Verhaltenskodex sind daher vor staatlichen Gerichten allein an den gesetzlichen Maßstäben des UWG zu messen. So ist etwa zu prüfen, ob kodexwidrige Preisgestaltungen und Zugaben einen unangemessenen unsachlichen Einfluss gem. § 4 Nr. 1 ausüben.866 Ist das nicht der Fall, liegt kein unzulässiges Marktverhalten vor. Es stellt sich dann vielmehr die Anschlussfrage, ob der über das gesetzliche Verbotsniveau hinausgehende Kodex wettbewerbsbeschränkende, kartellrechtswidrige Vereinbarungen enthält.867 So wie die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit eines Verhaltens unabhängig von den Regeln eines Verhaltenskodexes anhand des UWG zu beurteilen ist, stehen auch die privaten Verfahren zur Durchsetzung des Kodexes und die staatlichen Verfahren zur Durchsetzung des UWG unabhängig nebeneinander. Die Inanspruchnahme eines von einer Selbstregulierung angebotenen Verfahrens schließt den Rechtsweg zu den Wettbewerbsgerichten nicht aus.868
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861 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 21 – Probeabonnement; BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 14 – FSA-Kodex. 862 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 18 ff. – Probeabonnement; BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 12 ff. – FSA-Kodex; Beater Rn. 1048; Gloy/Loschelder/ Erdmann § 37 Rn. 7. 863 BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 10 – FSA-Kodex. 864 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 18 ff. – Probeabonnement; BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 12 ff. – FSA-Kodex; großzügiger Gloy/Loschelder/Erdmann § 37 Rn. 9 (stärkere Bedeutung als früher). 865 Wie hier wohl Alexander GRUR Int. 2012, 965, 972; anders Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 115 a.E. 866 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 18 ff. – Probeabonnement; BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 15 – FSA-Kodex; Alexander GRUR Int. 2012, 965, 971. 867 § 2 Rn. 567. 868 Vgl. Art. 10 UGPRL, 6 IrreführungsRL 2006; ferner RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 18; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 116. Zur materiellrechtlichen Subsidiarität eines Anspruchs gem. §§ 3 Abs. 1, 8 f.
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b) Irreführende geschäftliche Handlungen im Hinblick auf Verhaltenskodizes. Eigenständige normative Bedeutung zur Begründung der Unzulässigkeit eines Marktverhaltens kommt Verhaltenskodizes demnach nicht zu. Verhaltenskodizes können aber im Sinne eines faktischen, auf den Unternehmer und seine Leistungen bezogenen Umstands wettbewerbliche Relevanz erlangen. Dies gilt insbesondere, wenn im Rahmen einer geschäftlichen Handlung auf einen Verhaltenskodex hingewiesen wird. Diesbezügliche Irreführungen verstoßen ggf. gegen das UWG. Bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern stets unzulässig ist gem. 538 Nr. 1 Anhang zu § 3 Abs. 3 die unwahre Angabe eines Unternehmers, zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodexes zu gehören. Schon aufgrund der bloßen Bezugnahme auf die Unterzeichnereigenschaft erwarten die Verbraucher, dass die im Kodex verankerten Verhaltensstandards eingehalten werden.869 Im B2C-Verkehr gem. Nr. 3 Anhang zu § 3 Abs. 3 ebenfalls stets verboten ist die unwahre Angabe, ein Verhaltenskodex sei von einer öffentlichen oder anderen Stelle gebilligt, da hiermit über eine wesentliche Eigenschaft dieser von der Wirtschaft eingegangenen Selbstverpflichtung getäuscht werde.870 Gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ist eine geschäftliche Handlung unter Berücksichtigung 539 aller Umstände des Einzelfalls als irreführend einzustufen, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält über die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist. Die Vorschrift setzt den wesentlich wortreicheren Art. 6 Abs. 2 lit. b UGPRL in deutsches Recht um. Demnach gilt eine Geschäftspraxis ggf. als irreführend, die die Nichteinhaltung von Verpflichtungen beinhaltet, die der Gewerbetreibende im Rahmen von Verhaltenskodizes, auf die er sich verpflichtet hat, eingegangen ist, sofern i) es sich nicht um eine Absichtserklärung, sondern um eine eindeutige Verpflichtung handelt, deren Einhaltung nachprüfbar ist, und ii) der Gewerbetreibende im Rahmen einer Geschäftspraxis darauf hinweist, dass er durch den Kodex gebunden ist.871 540 Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass Verhaltenskodizes mittelbare lauterkeitsrechtliche Relevanz erlangen, wenn sich ein Marktteilnehmer auf sie beruft. Diese Bezugnahme darf nicht irreführend sein. Falsche Angaben zur Beteiligung an bzw. zur behördlichen oder sonstigen Billigung von Verhaltenskodizes sind gegenüber Verbrauchern stets verboten, weil hiermit besonderes Vertrauen erweckt und missbraucht wird. Der Inhalt eines Verhaltenskodexes ist hingegen nur im Rahmen der Prüfung von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von Belang, und auch dies nur dann, wenn auf eindeutige, nachprüfbare Verpflichtungen hingewiesen wurde. Allerdings geht das UWG in diesem Zusammenhang insoweit über die Vorgaben der UGPRL hinaus, als § 5 auf jede geschäftliche Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 anwendbar ist, nicht nur auf Geschäftspraktiken im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern. 541
c) Verhaltenskodizes, die UWG-Verstößen Vorschub leisten. Die UGPRL betrachtet unternehmerische Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes grundsätzlich positiv. Diese Einstellung beruht auf der Annahme, dass derartige Regelwerke die Grundsätze der Richtlinie wirksam werden lassen und ihr nicht etwa zuwiderlaufen.872
_____ wegen hartnäckiger Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt, wenn Selbstregulierungsmechanismen vorhanden sind, siehe aber § 3 Rn. 515 ff. 869 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 31. 870 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 31. 871 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 17, 24. 872 Vgl. ErwGrd. 20 S. 1 UGPRL.
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Verhaltenskodex
Das europäische Lauterkeitsrecht anerkennt zugleich aber auch, dass privatauto- 542 nome Selbstregulierung „der Nichteinhaltung rechtlicher Vorschriften Vorschub“ leisten kann. In einer solchen Konstellation können die Mitgliedstaaten auch Sanktionen gegen den Urheber eines rechtswidrigen Verhaltenskodexes vorsehen.873 Gedacht ist hier offenbar an Vereinbarungen und Regelwerke, die die beteiligten 543 Unternehmer zu geschäftlichen Handlungen verpflichten, die gegen § 3 oder § 7 verstoßen. Praktisch häufiger anzutreffen sind Verhaltenskodizes, die über den gesetzlichen Lauterkeitsmaßstab hinausgehen und zur Unterlassung von erlaubten geschäftlichen Handlungen verpflichten. Solch wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen finden sich sogar in Wettbewerbsregeln, die das Bundeskartellamt gem. § 26 GWB auf eindeutige und offensichtliche Verstöße gegen das GWB, das UWG und andere Rechtsvorschriften hin überprüft hat.874 Gebilligt wurden zum Beispiel Wettbewerbsregeln des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger, in denen Probeabonnements als übertriebenes Anlocken untersagt wurden, obwohl dieses Verhalten anders als nach früherer Rechtslage keinen durchgreifenden lauterkeitsrechtlichen Bedenken mehr unterliegt. 875 Die optionale Prüfung und Anerkennung durch das Bundeskartellamt bindet aber nur die Behörde selbst und schließt eine Überprüfung der Wettbewerbsregel durch die Zivilgerichte nicht aus.876 Insoweit kann auch geltend gemacht werden, dass die Vereinbarung des Verhal- 544 tenskodexes bzw. der Wettbewerbsregel eine Erstbegehungsgefahr für unlautere geschäftliche Handlungen der beteiligten Unternehmen erzeugt. Die Legaldefinition zum „Urheber eines Kodex“ gem. Art. 2 lit. g UGPRL, 2 lit. e IrreführungsRL 2006 bestimmen, wer hierfür lauterkeitsrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, nämlich „jede Rechtspersönlichkeit, einschließlich einzelner Gewerbetreibender oder Gruppen von Gewerbetreibenden, die für die Formulierung und Überarbeitung eines Verhaltenskodex und/oder für die Überwachung der Einhaltung dieses Kodex durch alle diejenigen, die sich darauf verpflichtet haben, zuständig ist.“ Gemeint ist jeder, der den Inhalt und die Einhaltung des Kodexes in verantwortlicher Weise kontrolliert.877 Dass der deutsche Gesetzgeber insoweit keinen Umsetzungsbedarf erkannte,878 schließt nicht aus, den unionsrechtlichen Begriff des „Urhebers eines Kodex“ bei der Prüfung der Passivlegitimation in richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen. 3. Begriff des Verhaltenskodexes. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 bezeichnet der Begriff 545 Verhaltenskodex im UWG „Vereinbarungen oder Vorschriften über das Verhalten von Unternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben.“
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873 Vgl. Art. 11 Abs. 1 S. 5 UGPRL, 5 Abs. 2 UA 2 IrreführungsRL 2006. Zur Entstehungsgeschichte der Vorschriften siehe Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, A5-0188/2004, S. 35; dem im Wesentlichen zustimmend Europäischer Rat, Standpunkt UGPRL, 11630/04 ADD 1, S. 8 (Änderungen 64 und 65). 874 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 20, 27 – Probeabonnement (Prüfung, ob „in etwa“ die Grenzen des lauterkeitsrechtlich Zulässigen beschrieben werden); dazu Sosnitza FS Bechtold, S. 515 ff.; Bechtold/Bechtold § 26 GWB Rn. 4. 875 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 27 – Probeabonnement. Weitere Beispiele bei Sosnitza FS Bechtold, S. 515, 522 ff. m.w.N. 876 Vgl. § 24 Abs. 3 GWB und BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 20 – Probeabonnement. 877 Vgl. DiskE UWG 2008, 2 f., 35; Fezer/Fezer § 2 Nr. 5 Rn. F 17. 878 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 12.
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Definitionen
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Der hiermit umgesetzte Art. 2 lit. f UGPRL definiert den Begriff Verhaltenskodex mit etwas abweichendem Wortlaut als „eine Vereinbarung oder ein Vorschriftenkatalog, die bzw. der nicht durch die Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates vorgeschrieben ist und das Verhalten der Gewerbetreibenden definiert, die sich in Bezug auf eine oder mehrere spezielle Geschäftspraktiken oder Wirtschaftszweige auf diesen Kodex verpflichten.“ 547 Aus dem Wortlaut dieser Legaldefinitionen, ihrer systematischen Stellung im Lauterkeitsrecht und ihrem entstehungsgeschichtlich dokumentierten Zweck ergibt sich, dass für einen Verhaltenskodex i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 folgende Voraussetzungen gegeben sein müssen: Es muss sich um Vereinbarungen oder Vorschriften (dazu a) im Hinblick auf die Gewährleistung der Lauterkeit des geschäftlichen Verkehrs (dazu b) handeln, zu denen sich mehrere Unternehmer wirksam und überprüfbar verpflichtet haben (dazu c).
a) Vereinbarungen oder Vorschriften. Die Begriffe „Vereinbarung“ einerseits und „Vorschrift“ bzw. „Vorschriftenkatalog“ (Art. 2 lit. f UGPRL) andererseits beziehen sich lediglich auf die rechtstechnische Ausgestaltung von Verpflichtungsinhalten. Diese können die Form gegenseitiger vertraglicher Verpflichtungen (dann „Vereinbarung“) oder die äußere Gestalt allgemeiner Regelungen annehmen (dann „Vorschrift“). In beiden Fällen beruhen die Verpflichtungen zu einem Tun oder Unterlassen auf der freiwilligen Zustimmung der beteiligten Unternehmer.879 Welche Begriffe die Beteiligten wählen, ist ohne Belang.880 Ein spezielles Sanktionsregime ist ebenfalls nicht erforderlich.881 549 Ein Verhaltenskodex kann auf unterschiedliche Weise zustande kommen. Die Verbindlichkeit und Legitimität der Selbstregulierung ergibt sich in jedem Fall nicht aus dem UWG oder sonstigen Hoheitsakten, sondern aus der privatautonomen Zustimmung der beteiligten Unternehmer. Einer behördlichen oder sonstigen Anerkennung bedarf ein Verhaltenskodex nicht.882 Verbraucherverbände können gem. ErwGrd. 20 UGPRL informiert und an der Ausarbeitung von Verhaltenskodizes beteiligt werden. Anders als zwischenzeitlich vom Europäischen Parlament gefordert883 und durch § 25 GWB für Wettbewerbsregeln gewährleistet, müssen Verbraucher- und andere Wettbewerbsverbände aber nicht einbezogen werden. 550 Im Idealfall der regulierten Selbstregulierung verpflichten sich mehrere Unternehmer freiwillig zu einem bestimmten Verhalten.884 Nur Unternehmer können sich zu einem Verhaltenskodex i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 verpflichten („diese sich“ bzw. „die sich“). Hiermit regeln sie ihr je eigenes geschäftliches Verhalten. Ob sie auf demselben oder auf unterschiedlichen Märkten tätig sind, ist ohne Belang. Zugunsten des eigenen Unternehmens agieren nur selbständige Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs., nicht hingegen andere Personen, die im Namen oder Auftrag eines Unternehmers handeln. Diese Personen gelten zwar gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. als Unternehmer. Diese Gleichstellung betrifft aber nur das außervertragliche Verhältnis gegenüber Dritten, nicht die Frage, wer als Unternehmer Verhaltenskodizes vereinbaren kann. Das sind nur die im eigenen Namen und Interesse handelnden Unternehmer, die ggf. von Mitarbeitern oder Beauftragten vertreten werden.
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879 Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig, S. 18. 880 Alexander GRUR Int. 2012, 965. 881 Alexander GRUR Int. 2012, 965, 970. 882 Aber eine diesbezügliche Irreführung ist gem. Nr. 3 Anhang zu § 3 Abs. 3 gegenüber Verbrauchern stets unzulässig. 883 Siehe ErwGrd. 16 Europäisches Parlament, Legislative Entschließung UGPRL, 20.4.2004, P5_TA (2004) 0298. 884 Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, A5-0188/2004, S. 11.
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§2
Wie sich aus der Legaldefinition des „Urhebers eines Kodex“ gem. Art. 2 lit. g UGPRL ergibt, kann ein Verhaltenskodex aber generell von jeder „Rechtspersönlichkeit“, also jeder rechtsfähigen Person, „einschließlich einzelner Gewerbetreibender oder Gruppen von Gewerbetreibenden“ formuliert, überarbeitet bzw. überwacht werden. Folglich kann eine Vorschrift über das Marktverhalten auch von einer einzelnen natürlichen oder juristischen Person, insbesondere einem Unternehmensverband, oder von einer staatlichen Institution ausgearbeitet werden.885 Zu einem Verhaltenskodex i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 und Art. 2 lit. f UGPRL wird das betreffende Regelwerk aber erst dann, wenn sich wenigstens zwei Unternehmer verpflichtet haben, die entsprechenden Vorgaben einzuhalten.886 Zuvor existiert lediglich eine einseitige Erklärung, auf die die Irreführungsvorschriften des Anhangs Nr. 1 und 3 zu § 3 Abs. 3 sowie § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 nicht anwendbar sind, weil noch kein ausreichender Vertrauenstatbestand im Hinblick auf eine mehrseitige unternehmerische Selbstregulierung begründet wurde. Von einem Unternehmer oder einer anderen Person einseitig formulierte Regeln, zu denen sich noch kein weiterer Unternehmer verpflichtet hat, stellen folglich keinen Verhaltenskodex i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 dar. Dies gilt etwa für Bestimmungen, die ein Unternehmer unter Bezeichnungen wie Compliance-Regeln, Unternehmensleitsätze, Code of Ethics oder auch Verhaltenskodex für das Verhalten der eigenen Mitarbeiter aufstellt;887 für konzerninterne Vorgaben etwa zum Arbeitnehmerschutz oder zur Gestaltung von Franchiseverträgen durch die Konzernunternehmen; 888 für Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. § 305 Abs. 1 BGB;889 für Regelungen zur Nutzung unternehmenseigener Ressourcen durch Dritte wie etwa Hausordnungen oder „Verhaltenskodizes“ für soziale Netzwerke.890 Ergeben sich die Verpflichtungen aus gesetzlichen Vorschriften, liegt kein Verhaltenskodex vor. Demzufolge unterfällt auch der Deutsche Corporate Governance Kodex nicht § 2 Abs. 1 Nr. 5.891 Zwar weist der Kodex einen ausreichenden Bezug zum geschäftlichen Verkehr auf, indem die darin niedergelegten Regeln insbesondere das Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger sowie der Kunden in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften fördern sollen. Indes wird der Kodex nicht freiwillig vereinbart bzw. anerkannt, sondern durch eine „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ ausgearbeitet. Zu den im Bundesanzeiger bekannt gemachten Empfehlungen müssen sich Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften gem. § 161 AktG auch dann jährlich erklären, wenn sie mit dem Kodex nicht einverstanden sind. Handelsbräuche gehen aus dauerhaften Übungen hervor, während die freiwillige Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes auf der Zustimmung mindestens zweier Unternehmer beruht. Handelsbräuche fallen daher nicht unter § 2 Abs. 1 Nr. 5.892
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885 Alexander GRUR Int. 2012, 965. 886 Siehe § 2 Abs. 1 Nr. 5 („Verhalten von Unternehmern, zu welchem diese sich … verpflichtet haben“), Art. 2 lit. f UGPRL („Verhalten der Gewerbetreibenden“); a.A. Alexander GRUR Int. 2012, 965 (es genüge die Möglichkeit, sich anzuschließen). 887 Im Ergebnis auch Alexander GRUR Int. 2012, 965, 968 (betriebsinterne Regelungen). 888 Birk GRUR 2011, 196, 199 ff.; Alexander GRUR Int. 2012, 965, 968; a.A. Dreyer WRP 2007, 1294, 1296. 889 Anders ist es, wenn sich Unternehmer auf Muster-AGB verpflichten; vgl. Alexander GRUR Int. 2012, 965, 968. 890 Z.B. Verhaltenskodex SchülerVZ, http://www.schuelervz.net/l/rules; a.A. Schirmbacher K&R 2009, 433. 891 Birk GRUR 2011, 196, 199; im Ergebnis auch Alexander GRUR Int. 2012, 965, 968 (innerbetriebliche Angelegenheit); http://www.corporate-governance-code.de/index.html. 892 Alexander GRUR Int. 2012, 965, 970.
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b) Selbstregulierung geschäftlicher Handlungen im Hinblick auf die Lauterkeit des Wettbewerbs. Nicht jede Vereinbarung bzw. Vorschrift stellt einen Verhaltenskodex i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 dar. Vielmehr müssen sich die beteiligten Unternehmer zu einem „Verhalten … in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen“ verpflichten. Der Regelungsgegenstand des Kodexes muss also auf den geschäftlichen Verkehr und damit den Anwendungsbereich des UWG bezogen sein.893 557 Dies betrifft zunächst den räumlichen Geltungsbereich des UWG. Es kommt zwar nicht darauf an, ob die Vereinbarung von in- und/oder ausländischen Unternehmern geschlossen wurde. Allerdings muss der Verhaltenskodex zumindest auch die inländischen Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der inländischen Verbraucher regulieren.894 Eine nur auf ausländische Märkte bezogene Selbstregulierung des Marktverhaltens fällt nicht unter § 2 Abs. 1 Nr. 5.895 Die UGPRL erfasst lediglich Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber 558 Verbrauchern beim Absatz von Produkten. Dementsprechend bezieht sich auch Art. 2 lit. f UGPRL auf „eine oder mehrere spezielle Geschäftspraktiken“. Zwar soll ein Kodex auch allgemein das Verhalten von ganzen „Wirtschaftszweigen“ betreffen können. Doch auch hiermit ist nur der B2C-Geschäftsverkehr in diesem Sektor gemeint, denn geschäftliche Handlungen im B2B-Bereich liegen außerhalb des Anwendungsbereichs der UGPRL und damit auch des Begriffs des Verhaltenskodexes gem. Art. 2 lit. f UGPRL. Nach Auffassung der EU-Kommission sind für diesen Begriff „ausschließlich“ Regelungen von Verhaltensweisen zu berücksichtigen, „die das Wirtschaftsverhalten eines verständigen Verbrauchers in Bezug auf das Produkt tatsächlich wesentlich beeinflussen oder hierzu geeignet sind. Fragen des Geschmacks, des Anstands oder der sozialen Verantwortung fallen … somit nicht hierunter, es sei denn, der Gewerbetreibende stellt im Rahmen seiner Marketingunterlagen einen konkreten Bezug zwischen seinen einschlägigen Verpflichtungen und seinen Produkten her.“896 Gem. Art. 3 Abs. 8 lässt die UGPRL ferner alle berufsständischen Verhaltenskodizes unberührt, damit die strengen Integritätsstandards, die die Mitgliedstaaten den im Beruf tätigen Personen bzw. diese sich selbst nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen können, gewährleistet bleiben.897 Der Anwendungsbereich des UWG und damit auch der Begriff des Verhaltensko559 dexes gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 ist hingegen in verschiedener Hinsicht weiter. Zum einen erstreckt sich das UWG auf alle geschäftlichen Handlungen potentiell jeder Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, unabhängig davon, ob der Absatz oder der Bezug von Produkten gefördert wird und ob dies gegenüber Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern geschieht. All diese geschäftlichen Verhaltensweisen sind tauglicher Gegenstand eines Verhaltenskodexes gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5. Erst im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit kommt es darauf an, ob gegenüber Verbrauchern oder gegenüber anderen Marktteilnehmern auf einen Verhaltenskodex hingewiesen wurde. Während Nr. 1 und Nr. 3 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 auf geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern beschränkt sind, gilt § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 für alle Arten geschäftlicher Handlungen gegenüber allen Marktteilnehmern.898
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893 BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 13 – FSA-Kodex; Alexander GRUR Int. 2012, 965, 967 f. 894 Vgl. Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO. 895 Siehe Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig, S. 18; Dreyer WRP 2007, 1294, 1297. 896 Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig, S. 18. 897 Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, A5-0188/2004, S. 19 f. Zum Terminus „berufsständische“ Verhaltenskodizes siehe Europäisches Parlament, Legislative Entschließung UGPRL, 24.2.2005, P6_TA(2005)0048, Konsolidierter Text, Art. 3 Abs. 8. 898 Zu dieser Unterscheidung siehe § 3 Rn. 148 ff.
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§2
Schließlich unterfallen § 2 Abs. 1 Nr. 5 auch berufsständische Verhaltenskodizes, etwa über das Marktverhalten von Rechtsanwälten.899 Der für einen Verhaltenskodex erforderliche Bezug auf den geschäftlichen Verkehr fehlt bei rein produktbezogenen Vereinbarungen zwischen Unternehmern, etwa über die betriebliche oder geografische Herkunft, die Art, die Qualität oder sonstige Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen.900 Verpflichtungen im Hinblick auf derartige Produktmerkmale betreffen den betriebsinternen Herstellungsprozess, noch nicht hingegen das vom UWG regulierte geschäftliche Verhalten mit Außenwirkung am Markt.901 Demgemäß unterscheidet Anhang Nr. 2 zu § 3 Abs. 3 die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung von irreführenden geschäftlichen Handlungen unter Hinweis auf einen Verhaltenskodex gem. Anhang Nr. 1 und 3 zu § 3 Abs. 3. Ebenso wenig wie außergeschäftliches, nichtwirtschaftliches Verhalten von Unternehmen vom UWG erfasst wird,902 stellen entsprechende Selbstregulierungsregimes Verhaltenskodizes gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 dar.903 Diese Unterscheidung betrifft vor allem die Selbstverpflichtungen von Presse- und Rundfunkunternehmen im Hinblick auf redaktionelles Verhalten. Folglich fällt etwa der Pressekodex des Deutschen Presserats nicht unter § 2 Abs. 1 Nr. 5.904 Anders ist dies nur im Hinblick auf Verpflichtungen zu beurteilen, die die Lauterkeit geschäftlicher Handlungen betreffen, etwa die Verpflichtung zur Trennung von Werbung und Redaktion905 oder Kennzeichnungspflichten beim Vertrieb von Medienprodukten.906 Wirbt ein Presseunternehmen für seine Produkte wahrheitswidrig damit, stets die Vorgaben des Pressekodexes für redaktionelle Inhalte einzuhalten, kann eine Irreführung über ein Merkmal der Ware oder eine Eigenschaft des Unternehmers gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 3 vorliegen. Zwar kann auch der Abschluss eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen zwischen zwei oder mehreren Unternehmern eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 darstellen. Diese geschäftliche Handlung ist aber von einem Verhaltenskodex „in Bezug auf“ solche und gleichartige geschäftliche Handlungen zu unterscheiden. Im Verhaltenskodex verpflichten sich Unternehmer zu bestimmten Regeln bei der Vornahme weiterer geschäftlicher Handlungen, nicht aber darf eine einzelne geschäftliche Handlung mit einem Verhaltenskodex gleichgesetzt werden.907 Schon deshalb sind Vertriebsverträge und Vertriebsbindungssysteme nach zutreffender Ansicht nicht als Verhaltenskodex i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 einzuordnen.908 Die Gegenauffassung909 verwechselt geschäftliche Handlungen mit ihrer privaten Selbstregulierung durch vorgeschaltete Vereinbarungen oder Vorschriften. Dies erweist sich etwa daran, dass es jedenfalls praktisch ausgeschlossen ist, Verbraucherverbände in die Ausarbeitung von Vertriebsverträgen einzubeziehen. Diese Möglichkeit setzt ErwGrd. 20 S. 4 UGPRL aber vor-
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899 Dreyer WRP 2007, 1294, 1298. 900 Vgl. § 97 Abs. 1 MarkenG. 901 Dazu oben § 2 Rn. 186 ff. 902 Oben § 2 Rn. 191 ff. 903 Siehe auch Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig, S. 18. 904 Siehe Pressekodex, Deutscher Presserat (3.12.2008); Alexander GRUR Int. 2012, 965, 968. 905 Siehe z.B. Ziff. 6 Verhaltenskodex Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (17.11.2010), http://www.fsm.de/de/verhaltenskodex#6. 906 Siehe z.B. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK); Dreyer WRP 2007, 1294, 1296; Fezer/ Fezer § 2 Nr. 5 Rn. F 43, 46, 47; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 113; Alexander GRUR Int. 2012, 965, 968. 907 Alexander GRUR Int. 2012, 965, 971. 908 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 114; Schmidhuber WRP 2010, 593, 597 ff.; Birk GRUR 2011, 196, 199. 909 Hoeren WRP 2009, 789, 793 f.; Lamberti/Wendel WRP 2009, 1479, 1482 ff.
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aus. Schon gar nicht kann aus §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ein im UWG sonst gerade nicht angelegtes, ausnahmsloses Verbot des Schleichbezugs und des Ausnutzens eines Vertragsbruchs zum Nachteil selektiver Vertriebsbindungssysteme abgeleitet werden.910 Schließlich müssen Verhaltenskodizes i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 das geschäftliche Verhalten 564 der beteiligten Unternehmer gerade im Hinblick auf die Lauterkeit des Marktverhaltens regulieren.911 Gem. ErwGrd. 20 S. 1 UGPRL sollen Verhaltenskodizes es Gewerbetreibenden ermöglichen, die Grundsätze der Richtlinie in spezifischen Wirtschaftsbranchen wirksam anzuwenden. Ihrem Sinn und Zweck nach sollen Verhaltenskodizes das gesetzliche Verbot unlauteren Wettbewerbs im Wege der privaten Selbstregulierung flankieren.912 Entsprechend § 4 Nr. 11 muss ein Verhaltenskodex zumindest auch dazu bestimmt sein, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Verfolgt eine unternehmerische Vereinbarung hingegen nicht zumindest eine sekundäre wettbewerbsbezogene, und das heißt auf die Zwecke des UWG ausgerichtete Schutzfunktion, unterfällt sie § 2 Abs. 1 Nr. 5 nicht. Nach diesen Grundsätzen ist etwa zu entscheiden, inwieweit eine unternehmerische 565 Selbstregulierung im Hinblick auf den Umgang mit persönlichen Daten von Kunden einen Verhaltenskodex gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 darstellt.913 Gesetzliche Regelungen zum Arbeitnehmer-, Tier- und Umweltschutz werden mangels Marktbezugs nicht als Marktverhaltensvorschriften gem. § 4 Nr. 11 eingeordnet.914 Dementsprechend sind Tarifverträge,915 sog. Corporate Social Responsibility-Initiativen zu sozialen und ökologischen Standards916 wie der UN Global Compact917 oder der Verhaltenskodex der Business Social Compliance Initiative918 keine Verhaltenskodizes gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5.919 Das bedeutet freilich nicht, dass derartigen Vereinbarungen und Regelwerken keine lauterkeitsrechtliche Bedeutung zukäme. Wirbt ein Unternehmer entgegen der Wahrheit oder in sonstiger, zur Täuschung geeigneter Weise damit, diese außerwettbewerblichen Standards einzuhalten, kann eine unlautere Irreführung vorliegen – nur eben nicht im Hinblick auf den Spezialfall des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.920 566
c) Wirksamkeit und Verbindlichkeit des Verhaltenskodexes. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 muss ein Verhaltenskodex die mindestens zwei beteiligten Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs.) zu einem Marktverhalten verpflichten. Auch nach Art. 2 lit. f UGPRL „definiert“ eine Vereinbarung oder ein Vorschriftenkatalog das Verhalten von Gewerbetreibenden.
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910 Birk GRUR 2011, 196, 199; gegen Lamberti/Wendel WRP 2009, 1479, 1486 f. („Insoweit kann es bereits ausreichend sein, dass der Händler Produkte vertreibt, die der Geschäftsverkehr besonderen Händlergruppierungen zuweist.“) 911 Siehe entsprechend § 24 Abs. 2 GWB für Wettbewerbsregeln von Wirtschafts- und Berufsvereinigungen: Wettbewerbsregeln sind Bestimmungen, die das Verhalten von Unternehmen im Wettbewerb regeln zu dem Zweck, einem den Grundsätzen des lauteren oder der Wirksamkeit eines leistungsgerechten Wettbewerbs zuwiderlaufenden Verhalten im Wettbewerb entgegenzuwirken und ein diesen Grundsätzen entsprechendes Verhalten im Wettbewerb anzuregen. A.A. Alexander GRUR Int. 2012, 965, 969 (Inhalt des Kodexes irrelevant). 912 Fezer/Fezer § 2 Nr. 5 Rn. F 3. 913 Z.B. Datenschutz-Kodex für Geodatendienste, http://www.bitkom.org/de/themen/50792_66098. aspx. 914 Siehe § 4 Nr. 11 Rn. 34. 915 Alexander GRUR Int. 2012, 965, 968. 916 Allgemein dazu Beisheim in Bass/Melchers, Neue Instrumente, 172 ff. 917 http://www.unglobalcompact.org/. 918 http://www.bsci-intl.org/. 919 Birk GRUR 2011, 196, 199 ff.; a.A. Alexander GRUR Int. 2012, 965, 969. 920 Birk GRUR 2011, 196, 201 ff.; a.A. Alexander GRUR Int. 2012, 965, 969.
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Hieraus folgt, dass die freiwillige Vereinbarung rechtswirksam sein muss. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn es sich um eine kartellrechtlich verbotene, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung handelt.921 Im Zuge der Entstehungsgeschichte wurde mehrfach klargestellt, dass Verhaltenskodizes wettbewerbsrechtlich unbedenklich sein müssen.922 Es würde der Einheit des Wirtschaftsrechts zuwiderlaufen, die Einhaltung von Vereinbarungen lauterkeitsrechtlich zu schützen, die kartellrechtlich verboten sind.923 Streitig ist, welchen Konkretisierungsgrad diese Verpflichtungen erreichen müssen. Nach einer Auffassung genügen unternehmerische Initiativen, die lediglich allgemeine Grundsätze und Zielbestimmungen formulieren, generell nicht.924 Zwar muss für eine Irreführung über die Einhaltung eines Verhaltenskodexes auf verbindliche bzw. eindeutige Verpflichtungen hingewiesen worden sein; auf bloße Absichtserklärungen kann ein Irreführungsvorwurf in dieser Hinsicht nicht gestützt werden.925 Aus Art. 6 Abs. 2 lit. b i folgt aber, dass auch nicht eindeutige Absichtserklärungen, deren Einhaltung nicht nachprüfbar ist, relevante unternehmerische Selbstverpflichtungen darstellen. Dem Grunde nach handelt es sich daher auch bei derartig allgemeinen Vereinbarungen um Verhaltenskodizes i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5.926 In Bezug auf sie können immerhin noch Irreführungen nach Nr. 1 und 3 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 begangen werden, indem unwahr angegeben wird, zu den Unterzeichnern zu gehören oder eine unternehmerische Absichtserklärung sei von Dritten gebilligt worden. Ein Verhaltenskodex zeichnet sich gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 schließlich dadurch aus, dass sich die von den Unternehmern eingegangenen Verpflichtungen nicht aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben. Hiermit sind die auf den inländischen geschäftlichen Verkehr anwendbaren Gesetze und Verwaltungsakte gemeint.927 Mit diesem Tatbestandsmerkmal wird zunächst klargestellt, dass private Selbstregulierungsregimes von hoheitlicher Regulierung zu unterscheiden sind und aus sich heraus einen Unlauterkeitsvorwurf nicht zu rechtfertigen vermögen.928 Ferner können Verhaltenskodizes strengere Maßstäbe für geschäftliche Handlungen aufstellen als das UWG. Hierbei handelt es sich um den praktisch relevanten, zugleich aber ambivalenten Aspekt privater Selbstregulierung des Wettbewerbs. Einerseits kann der Staat auf zwingende Vorschriften – etwa zu geschmackloser Werbung – verzichten, wenn die Unternehmer bereits freiwillig bestimmte geschäftliche Handlungen unterlassen. Andererseits kommt gerade solchen Vereinbarungen, die über das gesetzliche Verbotsniveau hinausgehen, wettbewerbsbeschränkendes Potential zu. Allerdings folgt aus dem Verweis auf das überschießende Regulierungspotential von Verhaltenskodizes nicht, dass eine Vereinbarung zwingend über das gesetzliche Schutz-
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921 § 1 GWB, Art. 101 AEUV. Zu Fällen der Teilnichtigkeit Bechtold/Bechtold § 26 Rn. 6. A.A. Alexander GRUR Int. 2012, 965, 970. 922 Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig, S. 19 („sofern gewährleistet ist, dass derartige Kodizes den Wettbewerb nicht verhindern, einschränken oder verzerren“); Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, A5-0188/2004, S. 11 („Die Aufstellung und die Verwendung dieser Kodizes und der festen Verpflichtungen in derartigen Kodizes sollte unter Achtung der Anforderungen des Wettbewerbsrechts erfolgen.“). 923 Dreyer WRP 2007, 1294, 1302. 924 Birk GRUR 2011, 196, 199; zur UGPRL Keßler/Micklitz BB Special 13 2005, 1, 20. 925 Vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. b UGPRL, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 6. 926 Dreyer WRP 2007, 1294, 1297 f.; Alexander GRUR Int. 2012, 965, 969. 927 Alexander GRUR Int. 2012, 965, 969 (auch Verwaltungsakte und Allgemeinverfügungen, nicht aber verwaltungsinterne Vorschriften). 928 DiskE UWG 2008, 35.
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niveau hinausgehen muss, um unter § 2 Abs. 1 Nr. 5 zu fallen. Erstens ist nicht für alle geschäftlichen Handlungen eindeutig, wo die Grenzen der Unzulässigkeit verlaufen. Gerade in solch ungeklärten Bereichen vermögen Verhaltenskodizes verhaltenssteuernd zu wirken. Stellt sich nachträglich fest, dass sich vereinbarte Regel und Lauterkeitsmaßstab decken, verliert die Verpflichtung nicht ihren Charakter als lauterkeitsrechtlicher Verhaltenskodex. Zweitens entfalten auch solche Verhaltenskodizes, die lediglich die Rechtslage abbilden, Wirkungen im Wettbewerb. Die Unterzeichner haben in der Regel eine geringere Neigung, Verstöße zu begehen, wenn sie sich ausdrücklich zu bestimmten Verhaltensnormen verpflichten und einem besonderen Sanktionsregime unterwerfen. Für Außenstehende hat ein werbender Hinweis auf einen gesetzesidentischen Verhaltenskodex häufig keine geringere, vertrauensbildende Wirkung als ein Bekenntnis zu einem besonders strengen Kodex.929 573
d) Beispiele für Verhaltenskodizes. Zu den Verhaltenskodizes i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 zählen zum Beispiel die verschiedenen Verhaltensregeln des Deutschen Werberats,930 die Wettbewerbsregeln des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) für den Vertrieb von abonnierbaren Publikumszeitschriften,931 die Richtlinien des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) für redaktionell gestaltete Anzeigen,932 die Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft,933 der Kodex Deutschland für Telekommunikation und Medien des Deutschen Verbands für Telekommunikation und Medien,934 der Werbekodex des Deutschen Zigarettenverbands935 sowie der Kodex für den Fahrzeughandel im Internet.936 Definitionen § 2 Unternehmer § 2 Peukert VI. Unternehmer, § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Entstehungsgeschichte
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a) UWG 1909. Das UWG 1909 operierte noch nicht mit dem Begriff „Unternehmer“, sondern sprach insbesondere im Kontext der Anspruchsberechtigung vom „Gewerbetreibenden“. Gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG a.F. konnte der Unterlassungsanspruch unter anderem von Gewerbetreibenden, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, sowie von rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Mit Rücksicht darauf, dass das UWG 1909 den gesamten geschäftlichen Verkehr unter Einschluss etwa der Freiberufler regulieren sollte, wurde dieser Begriff weit ausgelegt. Gewerbetreibender war nicht nur, wer ein Handelsgewerbe gem. § 1 Abs. 2 HGB oder ein Gewerbe gem. § 1 GewO betrieb, sondern jeder, der sich für eine gewisse Dauer und auf Erwerb abzielend wirtschaftlich betätigte.937
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Dreyer WRP 2007, 1294, 1298; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 113. http://www.werberat.de/; dazu auch § 3 Rn. 530 ff. BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 – Probeabonnement. Abgedruckt in Köhler/Bornkamm Anhang III Nr. 18. Abgedruckt in Köhler/Bornkamm Anhang III Nr. 19. http://www.dvtm.net/. http://www.zigarettenverband.de. http://www.wettbewerbszentrale.de/media/getlivedoc.aspx?ID=28377. Voraufl/Erdmann § 13 Rn. 28, § 24 Rn. 16.
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b) UWG 2004. Im Privatentwurf von Köhler, Bornkamm und Henning-Bodewig, der 575 gerade für den Definitionskatalog des § 2 prägend war, fand sich der Begriff des Unternehmers noch nicht,938 ebenso wenig wie im Referentenentwurf des Justizministeriums für das UWG 2004.939 Erst § 2 Abs. 2 des Regierungsentwurfs für das UWG 2004 besagte, dass für den 576 Verbraucherbegriff und den Unternehmerbegriff die §§ 13 und 14 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend gelten sollten.940 Die Ersetzung des Begriffs „Gewerbetreibender“ durch „Unternehmer“ wurde mit einer sprachlichen Anpassung an § 14 BGB begründet; eine inhaltliche Änderung sei hiermit aber nicht verbunden.941 Demnach galt als Unternehmer gem. § 2 Abs. 2 UWG 2004 i.V.m. § 14 BGB jede na- 577 türliche oder juristische Person, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Die Rechtsprechung legte den Begriff des Unternehmers weiterhin funktional aus. Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb wurde nicht verlangt. Unternehmer war vielmehr jeder, der am Markt selbständig, planmäßig und auf eine gewisse Dauer angelegt Leistungen gegen Entgelt anbot.942 c) UWG 2008. Die derzeitige Fassung von § 2 Abs. 1 Nr. 6 geht zurück auf die Umset- 578 zung der UGPRL durch das UWG 2008. Art. 2 lit. b UGPRL definiert den Gewerbetreibenden als „jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne der Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt“. Der primär auf Bewahrung des damals geltenden Rechtszustandes ausgerichtete 579 Diskussionsentwurf des Justizministeriums v. 8.5.2007943 erkannte in dieser Begriffsbestimmung noch keinen sachlichen Unterschied zum Begriff des Unternehmers gem. § 2 Abs. 2 UWG 2004 i.V.m. § 14 BGB. Dass Art. 2 lit. b UGPRL auch Personen, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handeln, als Gewerbetreibende einordne, erzeuge ebenfalls keinen Umsetzungsbedarf, da dieses erweiterte Begriffsverständnis von § 8 Abs. 2 UWG 2004 mit abgedeckt sei. Hiernach würden unlautere Wettbewerbshandlungen eines Gehilfen (Mitarbeiter oder Beauftragte) dem Unternehmensinhaber zugerechnet, so dass Handlungen und Unterlassungen dieser Personengruppe die im Gesetz vorgesehenen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in gleicher Weise auslösen könnten wie das Verhalten des Unternehmers selbst.944 Der Regierungsentwurf v. 22.8.2003 gab diese in der Tat verfehlte dogmatische 580 Einordnung von Art. 2 lit. b 2. Hs. UGPRL auf und plädierte für eine neue Legaldefinition, wie sie nun in § 2 Abs. 1 Nr. 6 kodifiziert ist. Art. 2 lit. b UGPRL erfasse auch unselbständige berufliche Tätigkeiten und Personen, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handeln. Der Begriff sei daher weiter als der im UWG 2004 verwendete Begriff des Unternehmers im Sinne des § 14 BGB, so dass Umsetzungsbedarf bestehe.945 Statt des Wortes „Gewerbetreibender“ werde jedoch in § 2 Abs. 1 Nr. 6 der Begriff „Unternehmer“ verwendet, da der Begriff „Gewerbetreibender“ nicht mit Art. 2 lit. b UGPRL über-
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938 Siehe Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1319. 939 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298. 940 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 5. 941 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 27; Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 3. 942 BGH 29.3.2006 – VIII ZR 173/05 – NJW 2006, 2250 Tz. 14; BGH 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871 Tz. 33 – Ohrclips; OLG Frankfurt a.M. 27.7.2004 – 6 W 80/04 – GRUR 2004, 1043 f. – Cartier-Stil; LG Berlin 5.9.2006 – 103 O 75/06 – MMR 2007, 401; aus der Literatur nur etwa Jestaedt Rn. 88. 943 Dazu allgemein § 3 Rn. 32 f. 944 DiskE UWG 2008, 14 f. 945 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 12.
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einstimme. Die Definition erfasse nämlich nicht nur gewerbliche, sondern auch handwerkliche und berufliche Tätigkeiten.946 Die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 1 Nr. 6 erweist damit zum einen eine 581 durchgängige Kontinuität, die vom Begriff des Gewerbetreibenden gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG 1909 über den Begriff des Unternehmers gem. § 2 Abs. 2 UWG 2004 i.V.m. § 14 BGB bis hin zur Definition des Unternehmers gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. verläuft. Kaum Anhaltspunkte sind der Entstehungsgeschichte des UWG 2008 zum anderen aber für die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. zu entnehmen, wonach auch Personen als Unternehmer gelten, die im Namen oder Auftrag eines Unternehmers handeln. Diese Regelung wurde aus Art. 2 lit. b UGPRL übernommen, ohne dass ihre Bedeutung im Gefüge des UWG geklärt worden wäre. 582
2. Bedeutung des Unternehmerbegriffs im UWG. Wie alle anderen Definitionen steht auch § 2 Abs. 1 Nr. 6 in einem Erklärungszusammenhang zu den Regelungen der §§ 3 ff., in denen der Begriff des Unternehmers Verwendung findet.947 Aus diesen Vorschriften ergibt sich die Bedeutung, die dem Begriff im UWG zukommt. Dabei ist insbesondere auf die bisher ungeklärte Einordnung der unternehmergleichen Personen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. einzugehen.
a) Unternehmen und Unternehmer. Zunächst ist zwischen dem Unternehmen als der betrieblichen und organisatorischen Einheit, mit der dauerhaft und planmäßig Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt vertrieben werden,948 und der Person des Unternehmers zu unterscheiden. Auf das Unternehmen und nicht seinen Inhaber verweisen § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 8, § 8 Abs. 2 und § 17 Abs. 1 und 2. 584 Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass der Unternehmer und seine Mitbewerber zugunsten des je eigenen Unternehmens handeln (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 Nr. 8) und dass Mitarbeiter, Beauftragte, Beschäftigte und auch die Mitglieder der Unternehmensleitung zwar in einem Unternehmen agieren, aber vom Inhaber des Unternehmens zu unterscheiden sind (vgl. §§ 4 Nr. 8, 8 Abs. 2, 17 Abs. 1 Satz 1). Damit spiegelt das UWG die Differenzierung zwischen den eigentlichen Unternehmern (Unternehmensinhabern) gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. und diesen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. nur gleichgestellten weiteren Personen wider. Welche dieser beiden Kategorien einschlägig ist, ist für jede Verwendung des Begriffs „Unternehmer“ im UWG zu prüfen. 583
b) Unternehmer als Marktteilnehmer. Der Begriff des Unternehmers steht in einem komplexen Gefüge unterschiedlicher Personenkategorien, die in § 2 legal definiert werden. Wer als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig ist, zählt gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 zu den Marktteilnehmern. Dieser Oberbegriff umfasst Verbraucher (§ 2 Abs. 2 i.V.m. § 13 BGB), Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) und sonstige Marktteilnehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 2). Aber auch Unternehmer und unternehmergleiche Personen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 nehmen am geschäftlichen Verkehr teil und sind daher Marktteilnehmer im Sinne des allgemeinen Oberbegriffs. 586 Wer im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit handelt, kann nicht zugleich als Verbraucher agieren.949 Die Abgrenzungsfrage stellt sich nur für natürliche Personen. Entweder eine natürliche Person nimmt geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer 585
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RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 21; kritisch Sosnitza WRP 2008, 1014, 1015 f. Dazu oben § 2 Rn. 4 ff. Oben § 2 Rn. 605 ff. EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 33 – BKK Mobil Oil.
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gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vor oder sie nimmt am geschäftlichen Verkehr zu einem Zwecke teil, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Welche Rolle eine natürliche Person einnimmt, ist anhand einer objektiven Beurteilung des konkreten Verhaltens aus Sicht eines durchschnittlichen Marktteilnehmers zu beurteilen, an den sich die Handlung wendet. Eine Person kann zwar sowohl ein Unternehmen betreiben als auch private Anschaffungen tätigen. Eine bestimmte Verhaltensweise im geschäftlichen Verkehr kann aber nur entweder im unternehmerischen oder im privaten Rahmen erfolgen.950 Hier zeigt sich, dass das UWG als Verhaltensunrecht primär auf die einzelne (geschäftliche) Handlung bezogen ist und keine festen Status zuweist. 951 Es ist daher konzeptionell verfehlt, den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts „persönlich“ und nicht konkret handlungsbezogen zu bestimmen.952 Wer als Unternehmer am Marktgeschehen teilnimmt, agiert im Verhältnis zu man- 587 chen anderen Unternehmern als Mitbewerber, im Verhältnis zu den übrigen Unternehmern als sonstiger Marktteilnehmer. Unternehmer, zwischen denen ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Mitbewerber. Dies ist der Fall, wenn die Beteiligten gegenläufige Absatz- oder aber Nachfrageinteressen verfolgen. Stehen sich Unternehmer hingegen als Anbieter und Nachfrager gegenüber, verfolgen sie komplementäre Interessen. In dieser Konstellation treffen Unternehmer als sonstige Marktteilnehmer aufeinander (§ 2 Abs. 1 Nr. 2).953 Die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 6 erschließt diese Mehrdimensionalität des 588 Unternehmerbegriffs nicht. Die dargestellte Komplexität rührt zum einen daher, dass das UWG auf der Basis des Grundsatzes der Wettbewerbsfreiheit bestimmte Verhaltensweisen untersagt, ohne Personen fixe Rollen zuzuteilen. Dieser Ansatz kommt auch in § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. zum Ausdruck, wonach sich ein Unternehmer dadurch auszeichnet, dass er geschäftliche Handlungen im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit vornimmt. Zum anderen stellen die Legaldefinitionen des Unternehmers und des Verbrauchers auf das Verhalten der betroffenen Personen ab, während die Begriffe des Mitbewerbers und des sonstigen Marktteilnehmers Relationen zwischen Unternehmern beschreiben und daher eine ganz andere Struktur als § 2 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 aufweisen. c) Unternehmer und die Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen. Sowohl die 589 beiden primären lauterkeitsrechtlichen Verbotsnormen § 3 und § 7 als auch die Konkretisierungen der Unlauterkeit gem. §§ 4–6 operieren mit den Begriffen Unternehmer bzw. Unternehmen. Dies geschieht wiederum zu unterschiedlichen Zwecken. Zum einen zählen Unternehmer zu den Schutzsubjekten des UWG. In § 4 Nr. 8 590 werden Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. gesondert angesprochen; im Übrigen werden Unternehmer in ihrer Rolle als Mitbewerber oder sonstige Marktteilnehmer geschützt. Wie sich insbesondere aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 ergibt, stuft der Gesetzgeber Unternehmer als weniger schutzbedürftig ein als Verbraucher. In der Tat agieren Unternehmer
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950 Bei Verhaltensweisen, die sowohl im objektiven Zusammenhang zum geschäftlichen Verkehr als auch rein privater Natur sind (z.B. Anschaffung eines KfZ, das von einem Freiberufler auch privat genutzt wird), kommt es darauf an, ob der geschäftliche (dann Handeln als Unternehmer) oder private (dann Handlung als Verbraucher) Zweck überwiegt; vgl. auch ErwGrd. 17 VerbraucherR-RL. 951 Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 9; Köhler FS Hopt, S. 2825, 2828; Henning-Bodewig GRUR 2013, 26, 27. 952 So aber EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 24, 41 – BKK Mobil Oil, in Verkennung bzw. Abänderung der explizit handlungsbezogenen Vorlagefrage des BGH. 953 Oben § 2 Rn. 349 ff.; ferner Köhler FS Hopt, S. 2825, 2828 (in der Hauptsache Unternehmer); a.A. Emmerich § 3 Rn. 17.
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im Markt typischerweise mit einem höheren Maß an Erfahrung und kritischer Rationalität als die nur für private Bedürfnisse konsumierenden bzw. gelegentlich etwas verkaufenden Verbraucher.954 Zum anderen haften insbesondere Unternehmer, die zugunsten des eigenen Un591 ternehmens agieren, und unternehmergleiche Personen, die den Wettbewerb ihres Arbeitgebers oder Auftraggebers fördern, für Zuwiderhandlungen gegen § 3 oder § 7. Hier nimmt das UWG Unternehmer nicht als Schutzsubjekte, sondern als Täter unzulässiger geschäftlicher Handlungen in Blick. In diesem Kontext regelt das UWG insbesondere Aussagen über einen Unternehmer, die irreführend und damit unlauter sein können.955 Die betreffenden Vorschriften dienen teilweise der Umsetzung der UGPRL (insbes. 592 §§ 5, 5a Abs. 3), teilweise der Umsetzung der DatenschutzRL-EK (insbes. § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 2), teilweise beruhen sie auf einer autonomen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers (insbes. § 4 Nr. 8). Schon deshalb muss mit dem Begriff des Unternehmers nicht zwingend auch eine nur unternehmergleiche Person gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. gemeint sein. Aus dem Sinn und Zweck der Regelungen ergibt sich vielmehr, dass das UWG in den genannten Vorschriften überwiegend nur den Unternehmensinhaber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. als Schutzsubjekt bzw. als Täter anspricht. 593
d) Anspruchsberechtigung. Nur bestimmte Unternehmer, nämlich die Mitbewerber des handelnden bzw. geförderten Unternehmers, sind gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 Satz 1 individuell anspruchsberechtigt. Andere Unternehmer, die im Verhältnis zum angegriffenen Verletzer als sonstige Marktteilnehmer einzustufen sind, sind darauf angewiesen, dass die von ihnen ggf. gegründeten Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen gegen unzulässige geschäftliche Handlungen vorgehen.956 „Sachverständige“ Unternehmer können ferner neben Verbrauchern als beisitzende Personen an den Einigungsstellen gem. § 15 mitwirken.957 In all diesen Fällen ist ausschließlich der Unternehmensinhaber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. gemeint.
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e) Unternehmer als Adressaten lauterkeitsrechtlicher Verbote. Im Hinblick auf die Frage, wer die lauterkeitsrechtlichen Verbote zu beachten hat und ggf. für Zuwiderhandlungen haftet, weichen das europäische und das deutsche Lauterkeitsrecht grundlegend voneinander ab. In diesem Zusammenhang steht die Figur der unternehmergleichen Personen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs.
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aa) Europäisches Lauterkeitsrecht: nur Gewerbetreibende. Sowohl die UGPRL als auch die IrreführungsRL 2006 adressieren nur Gewerbetreibende.958 So definiert Art. 2 lit. d UGPRL den Begriff der Geschäftspraktik als „jede Handlung … eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“. „Werbung“ bedeutet gem. Art. 2 lit. a IrreführungsRL 2006 „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern“.
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Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 221. Vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 und Nr. 6; § 5 a Abs. 3 Nr. 2; § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 2. Vgl. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 10 Abs. 1. Vgl. § 15 Abs. 2 S. 2, Abs. 11 S. 1. Zur UGPRL EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 27 ff. – BKK Mobil Oil.
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In Umsetzung von Art. 5 Abs. 1–4 UGPRL heißt es dementsprechend in § 3 Abs. 2 596 Satz 1, dass geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern „der für den Unternehmer“ geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen müssen. Hiermit ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt gemeint, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass „ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich“ gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten einhält. Auf die Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds einer besonders schutzbedürftigen Gruppe von Verbrauchern ist gem. § 3 Abs. 2 Satz 3 abzustellen, wenn „für den Unternehmer“ vorhersehbar ist, dass „seine“ geschäftliche Handlung nur diese Gruppe betrifft. Schließlich beziehen sich mehrere Fallgruppen des Anhangs zu § 3 Abs. 3 ausdrücklich auf Verhaltensweisen von Unternehmern.959 Der zentralen Bedeutung des Begriffs des Gewerbetreibenden im europäischen 597 Recht tragen die Legaldefinitionen in Art. 2 lit. b UGPRL, 2 lit. d IrreführungsRL 2006 Rechnung. Gewerbetreibender ist demnach „jede natürliche oder juristische Person, die im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt.“ Nur das Verhalten dieses Personenkreises wird von den Richtlinien erfasst, wobei sich die UGPRL wiederum nur auf einen Ausschnitt des unternehmerischen Geschäftsverkehrs bezieht, nämlich auf den Produktabsatz gegenüber Verbrauchern.960 Diese europäische Begrifflichkeit ist in § 2 Abs. 1 Nr. 6 unter dem moderneren To- 598 pos des Unternehmers umgesetzt worden.961 Die Vorschrift ist daher richtlinienkonform auszulegen.962 Und zwar muss das UWG alle Personen erfassen, die zu den Gewerbetreibenden i.S.d. europäischen Lauterkeitsrechts zählen. Anderenfalls würden die vollständige Rechtsangleichung durch Art. 4 IrreführungsRL 2006 und die UGPRL bzw. das Niveau der Mindestharmonisierung durch die sonstigen Vorschriften der IrreführungsRL 2006 missachtet. bb) UWG: Jede Person, die eine gem. § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt. Die Gefahr eines zu engen Anwendungsbereichs besteht nach der Konzeption des UWG aber nicht. Im Gegenteil. Das UWG erstreckt sich auf geschäftliche Handlungen, also gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 auf jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens usw. Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, haftet nach §§ 8–10. Passivlegitimiert sind demnach zum einen Personen, die zugunsten des eigenen Unternehmens unzulässige geschäftliche Handlungen vornehmen. Hierbei handelt es sich um den Unternehmensinhaber, also den Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. Passivlegitimiert sind zum anderen auch Personen, die zugunsten eines fremden Unternehmens gegen das UWG verstoßen. Fremden Wettbewerb kann grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person fördern. Hierzu zählen jedenfalls Personen, die im Namen oder Auftrag eines Unternehmers handeln, also diejenigen Personen, die § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. zu Unternehmern erklärt. Darüber hinaus erfasst das UWG auch noch die Förderung fremden Wettbewerbs im eigenen Namen aus eigener Initiative.963 Personen, die selbst kein Unternehmen
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Vgl. Nr. 1, 5, 6, 8, 11, 15, 23, 30 Anhang zu § 3 Abs. 3. Vgl. Art. 2 lit. b („im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie“), Art. 3 Abs. 1 UGPRL. Zur Übereinstimmung dieser Begriffe EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 31 – BKK Mobil Insoweit zutreffend BGH 18.1.2012 – I ZR 170/10 – GRUR 2012, 288, 289 – Betriebskrankenkasse. Oben § 2 Rn. 102 ff.
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betreiben und auch nicht im Namen oder Auftrag eines Unternehmers handeln, unterliegen also ggf. dem UWG. Sie zählen aber nicht zu den unternehmensgleichen Personen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. Damit verfügt das UWG über einen größeren Anwendungsbereich als das europäische Lauterkeitsrecht. Diese Erstreckung des harmonisierten Lauterkeitsmaßstabs auf Personen und 603 Verhaltensweisen, die das Sekundärrecht nicht erfasst, wird zutreffend als unproblematisch erachtet. Die UGPRL stellt ausdrücklich klar, dass die Mitgliedstaaten Wettbewerbsverhalten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie im Einklang mit dem Unionsrecht weiterhin uneingeschränkt regeln können.964 Es steht ihnen mit anderen Worten frei, ob sie insoweit die Maßstäbe der Richtlinie entsprechend anwenden oder andere Vorgaben machen. Der deutsche Gesetzgeber hat von der ersten Variante in vielerlei Hinsicht Gebrauch gemacht; verwiesen sei nur auf den Begriff des Verbrauchers nach § 2 Abs. 2 i.V.m. § 13 BGB, der umfassender ist als derjenige des Unionsrechts.965 Daher ist auch die Anwendung des auf den Richtlinien basierenden Lauterkeitsrechts auf Verhalten von Personen, die keine Gewerbetreibenden gem. Art. 2 lit. b UGPRL, 2 lit. d IrreführungsRL 2006 sind, mit dem Unionsrecht grundsätzlich vereinbar.966 Die UGPRL macht insoweit eben keine Vorgaben. Anders und nicht überzeugend argumentierte der BGH in einem Vorabentschei604 dungsverfahren zur Einordnung des werblichen Verhaltens von Betriebskrankenkassen gegenüber Versicherten, die erwägen, die Krankenkasse zu wechseln.967 Der BGH sah es als ungeklärt an, ob Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 lit. b und d UGPRL eine Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 erlaubt, nach der die beanstandete Handlung als Geschäftspraktik im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern anzusehen ist und die Beklagte, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt, bei Vornahme der beanstandeten Maßnahme als Gewerbetreibende gehandelt hat.968 Die Beantwortung dieser Frage wäre wie erläutert aber nur dann gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV erforderlich gewesen, wenn der BGH die Krankenkasse nicht als Gewerbetreibende bzw. Unternehmerin einordnen und überdies den von der UGPRL vorgesehenen Lauterkeitsmaßstabs nicht anwenden wollte. Hierin könnte eine richtlinienwidrige Unterschreitung des Anwendungs- und Verbotsniveaus der UGPRL liegen. Indes ging der BGH in seinem Beschluss wie die Vorinstanzen gerade davon aus, dass die Betriebskrankenkasse als Unternehmerin gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Alt. eine geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern vorgenommen habe, für die die Maßstäbe der UGPRL gelten sollten.969 Das ist unproblematisch, wenn das Verhalten der Beklagten in den Anwendungsbereich der UGPRL fällt. Die Richtlinie verwehrt es den Mitgliedstaaten aber wie erläutert auch nicht, das Verhalten weiterer Personen entsprechend zu regulieren. Zu allem Überfluss beantwortete der EuGH die Vorlagefrage nicht nur im Sinne der Anwendbarkeit der UGPRL auf das konkret streitgegenständliche Verhalten, sondern formulierte einen viel zu weitgehenden Leitsatz, wonach eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe wie der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist, in den „persönlichen Anwendungsbereich“ der UGPRL falle.970
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964 Vgl. ErwGrd. 6 S. 3 UGPRL. 965 Siehe § 3 Rn. 198 f. 966 Siehe nur Köhler GRUR 2005, 793, 795. 967 BGH 18.1.2012 – I ZR 170/10 – GRUR 2012, 288, 289 – Betriebskrankenkasse. 968 BGH 18.1.2012 – I ZR 170/10 – GRUR 2012, 288, 289 – Betriebskrankenkasse. 969 Vgl. BGH 18.1.2012 – I ZR 170/10 – GRUR 2012, 288, 290 – Betriebskrankenkasse. 970 EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 24, 41 – BKK Mobil Oil, in Verkennung bzw. Abänderung der explizit handlungsbezogenen Vorlagefrage des BGH.
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3. Unternehmensinhaber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. a) Grundsätze. Sämtliche Vorschriften des UWG, die auf den Unternehmer Bezug nehmen, meinen hiermit jedenfalls den Unternehmensinhaber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs., also jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. Art. 2 lit. b 1. Hs. UPGRL und Art. 2 lit. d 1. Hs. IrreführungsRL 2006 setzen ebenfalls eine gewerbliche, handwerkliche oder berufliche Tätigkeit voraus, in deren Rahmen gehandelt wird.971 Geschäftliche Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 können auch von Personen vorgenommen werden, die keine Unternehmer sind.972 Dieses Tatbestandsmerkmal ist daher für einen Unternehmer nicht kennzeichnend. Ausschlaggebend ist vielmehr die „gewerbliche, handwerkliche oder berufliche Tätigkeit“, die den äußeren Rahmen für einzelne geschäftliche Handlungen bildet. Eine solche unternehmerische Tätigkeit wird nach ständiger deutscher Rechtsprechung von demjenigen ausgeübt, der am Markt selbständig, planmäßig und auf eine gewisse Dauer angelegt Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbietet.973 Der EuGH versteht unter einem Unternehmen eine Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.974 Eine wirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt angeboten werden.975 Zutreffend geht der BGH davon aus, dass zwischen dem europäischen und dem deutschen Unternehmerbegriff keine relevanten Unterschiede bestehen. Beide Rechtsordnungen verlangen eine absatzbezogene, wirtschaftliche Tätigkeit von gewisser Dauer und Planmäßigkeit.976 Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist anhand der Umstände des Einzelfalls objektiv zu beurteilen; auf den inneren Willen des Handelnden kommt es nicht an.977 Auch der objektive Eindruck, den ein Marktverhalten beim durchschnittlichen Marktteilnehmer auslöst, ist für den Begriff des Unternehmers – und das heißt für seine selbständige geschäftliche Tätigkeit – nicht maßgeblich. Diese Betrachtungsweise gilt nur für die Frage, ob eine einzelne Handlung eine geschäftliche i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder aber eine private bzw. außergeschäftliche (z.B. redaktionelle) ist.978 Ob hingegen eine Person planmäßig und dauerhaft Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbietet,
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971 Siehe ferner Art. 2 Nr. 2 VerbraucherR-RL („‚Unternehmer‘ jede natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob letztere öffentlicher oder privater Natur ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen selbst oder durch eine andere Person, die in ihrem Namen oder Auftrag handelt, zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.“). 972 Oben § 2 Rn. 105 ff. 973 BGH 29.3.2006 – VIII ZR 173/05 – NJW 2006, 2250 Tz. 14; BGH 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871 Tz. 33 – Ohrclips; OLG Frankfurt a.M. 27.7.2004 – 6 W 80/04 – GRUR 2004, 1043 f. – Cartier-Stil; LG Berlin 5.9.2006 – 103 O 75/06 – MMR 2007, 401; aus der Literatur nur etwa Jestaedt Rn. 88. 974 EuGH 11.12.2007 – C-280/06 – Slg. 2007 I-10893 Tz. 38 = WuW/E EU-R 1353 – Ente tabacchi italiani/ ETI u.a.; EuGH 3.3.2011 – C-437/09 – Slg. 2011 I-00000 = WuW/E EU-R 1929 Tz. 41 – AG2R Prévoyance/ Beaudout. 975 EuGH 11.7.2006 – C-205/03 P – Slg. 2006 I-6295 Tz. 25 = WuW/E EU-R 1213 – FENIN/Kommission; EuGH 3.3.2011 – C-437/09 – Slg. 2011 I-00000 = WuW/E EU-R 1929 Tz. 41 – AG2R Prévoyance/Beaudout. 976 BGH 18.1.2012 – I ZR 170/10 – GRUR 2012, 288, 289 – Betriebskrankenkasse; EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 32 – BKK Mobil Oil (weites Konzept entgeltlicher Tätigkeit). 977 Vgl. BGH 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871 Tz. 23 ff., 33 – Ohrclips; BGH 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435; BGH 24.2.2011 − 5 StR 514/09 – NJW 2011, 1236 Tz. 24 – Schneeballseminare. 978 A.A. EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 33 ff. – BKK Mobil Oil (Perspektive des Verbrauchers zur Bestimmung des „persönlichen Anwendungsbereiches“ der UGPRL maßgeblich).
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hängt nicht vom Eindruck ab, den die Person im geschäftlichen Verkehr erweckt, sondern von den wirklichen Gegebenheiten. Daher agiert eine Person unverändert als Unternehmer, wenn sie sich als Verbraucher ausgibt,979 so wie umgekehrt als Verbraucher am Marktgeschehen teilnimmt, wer nur den Schein erweckt, ein Unternehmen zu betreiben.980 610
b) Absatz von Produkten. Der Begriff der geschäftlichen Handlung und damit das UWG erstrecken sich nicht nur auf den Absatz von Waren oder Dienstleistungen, sondern auch auf die Förderung und Durchführung des Bezugs von Produkten, also auf den Nachfragewettbewerb. Hieraus wird teilweise gefolgert, dass Unternehmer sei, wer planmäßig und dauerhaft gegen Entgelt Produkte absetzt oder bezieht.981 Damit kann aber nicht gemeint sein, dass als Unternehmer auch agiert, wer nichts 611 anderes tut als Waren oder Dienstleistungen zu beziehen. Vielmehr muss die betreffende Person stets in einem ausreichend planmäßigen und dauerhaften Maße am Absatzwettbewerb teilnehmen. 612 Das europäische Lauterkeitsrecht erstreckt sich schon gar nicht auf das Nachfrageverhalten im Wettbewerb. Aber auch der traditionelle deutsche Begriff des Unternehmers, der in § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. fortgelten soll, bezieht sich nur auf eine Absatztätigkeit.982 Hierin kommt eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck. Nur Produkte nachzufragen, stellt kein dauerhaftes Geschäftsmodell dar. Eine Person, die nur entgeltliche Produkte nachfragt, wird die hierfür erforderlichen Mittel jedenfalls nicht dauerhaft aus dem wirtschaftlichen Wettbewerb generieren können. Es zeichnet den Unternehmer aus, sich aktiv wertschöpfend und nicht nur konsumierend am Marktgeschehen zu beteiligen. Daher rechtfertigt auch eine sehr umfangreiche, planmäßige und dauerhafte 613 Nachfragetätigkeit nicht die Annahme, die betreffende Person agiere als Unternehmer. Beim bloßen Bezug von Waren und Dienstleistungen zur Erfüllung ihrer außergeschäftlichen Ziele handeln insbesondere die öffentliche Hand und Idealvereine vielmehr als sonstige, nicht-unternehmerische Marktteilnehmer.983
614
c) Planmäßigkeit und Dauer der Absatztätigkeiten. Bereits aus der Gegenüberstellung einer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen984 Tätigkeit und der in ihrem Rahmen vorgenommenen geschäftlichen Handlung ergibt sich, dass Unternehmer nicht schon ist, wer einmalig oder nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt absetzt. Der im UWG ebenfalls verwendete Begriff des Unternehmens signalisiert, dass ein gewisses Maß an betrieblich-organisatorischer Verfestigung erforderlich ist. Schließlich basieren die vor allem an Unternehmer gerichteten Verhaltensanforderungen des UWG und ihre im Vergleich zu Verbrauchern und nicht-unternehmerischen, sonstigen Marktteilnehmern geringere Schutzwürdigkeit darauf, dass sie aufgrund intensiver geschäftlicher Betätigung über größere Erfahrung und Aufmerksamkeit im geschäftlichen Verkehr verfügen.985
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979 Siehe Anhang Nr. 23 zu § 3 Abs. 3; Köhler FS Hopt, S. 2825, 2831. 980 A.A. Köhler FS Hopt, S. 2825, 2831 f. (auch diese Person greife störend in den Wettbewerb ein). 981 Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 9. 982 Vgl. BGH 2.7.1985 – X ZR 77/84 – BGHZ 95, 155, 157 ff. = NJW 1985, 3063 – Deutsche Bundesbahn. Zum handelsrechtlichen Unternehmensbegriff in diesem Sinne Baumbach/Hopt § 1 Rn. 16. 983 Köhler FS Hopt, S. 2825, 2829 f.; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 25; zur öffentlichen Hand OLG München 28.10.2010 – 29 U 2590/10 – MMR 2011, 243 f. – bayerischespielbank.de. 984 Dazu Fezer/Fezer § 2 Nr. 6 Rn. G 31. 985 Siehe OLG Frankfurt/M. 7.4.2005 – 6 U 149/04 – MMR 2005, 458 f. – Markenplagiat.
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Unternehmer
§2
Diese Gesichtspunkte schlagen sich in den Erfordernissen der Planmäßigkeit und 615 Dauerhaftigkeit der unternehmerischen Tätigkeit nieder. Planmäßig handelt, wer durchdacht und zielbewusst am Markt gegen Entgelt Produkte abzusetzen sucht. Dauerhaft agiert, wer über einen gewissen Zeitraum und nicht nur gelegentlich aus einzelnem Anlass – wie z.B. bei Verkäufen im Zuge einer Haushaltsauflösung – Waren oder Dienstleistungen offeriert.986 Dabei kann es sich auch um einen Nebenerwerb handeln. Nicht erforderlich ist ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb gem. § 1 Abs. 2 HGB.987 Die Abgrenzung zwischen planmäßig-dauerhafter, unternehmerischer Tätig- 616 keit und gelegentlichen Privatverkäufen durch Verbraucher spielt vor allen Dingen für Verkaufsplattformen im Internet eine Rolle, die beide Personenkreise gleichermaßen nutzen können. Allein der Umstand, dass eine Ware über das Internet einer Vielzahl von Personen zum Kauf angeboten wird, ändert am ggf. nur privaten, nicht geschäftlichen und damit schon gar nicht dem UWG unterliegenden Charakter des Vorgangs nichts.988 Im Übrigen ist anhand einer Gesamtschau der Umstände zu beurteilen, ob die 617 betreffende Person im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit handelt. Abzustellen ist insbesondere auf die Dauer der Verkaufstätigkeit, die Zahl der Verkaufs- bzw. Angebotshandlungen im fraglichen Zeitraum, die Art der Waren,989 ihre Herkunft, den Anlass des Verkaufs und die Präsentation des Angebots.990 Für eine planmäßige, dauerhafte Absatztätigkeit spricht,991 dass der Betreffende einen eigenen Online-Shop betreibt, der 476 Mal bewertet wurde;992 dass er wiederholt mit gleichartigen, insbesondere auch neuen Gegenständen handelt993 oder innerhalb eines Monats 51 Gegenstände der verschiedensten Art anbietet;994 dass er hinsichtlich der angebotenen Waren auch sonst gewerblich tätig ist;995 dass die angebotenen Produkte erst kurz zuvor erworben wurden.996 d) Entgeltlichkeit. Unternehmerisch agiert nur, wer planmäßig und dauerhaft Wa- 618 ren oder Dienstleistungen gegen Entgelt vertreibt. Ob dieses Entgelt in weitere unternehmerische Aktivitäten investiert oder für rein private oder sonstige, außergeschäftliche Zwecke verwendet wird, ist ohne Belang.997
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986 Jestaedt Rn. 90. 987 Ultsch Verbraucherbegriff, S. 226 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 11. 988 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 Tz. 41 – Internet-Versteigerung III. 989 Vgl. Fischer WRP 2008, 193, 196 ff. m.w.N. (Verkauf von drei KfZ anders zu beurteilen als Verkauf von drei Kleidungsstücken). 990 BGH 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871 Tz. 23 ff., 33 – Ohrclips; OLG Frankfurt/M. 7.4.2005 – 6 U 149/04 – MMR 2005, 458 f. – Markenplagiat. 991 Zu diesen und weiteren Indizien siehe Fischer WRP 2008, 193, 196 ff. m.w.N. 992 OLG Frankfurt a.M. 27.7.2004 – 6 W 80/04 – GRUR 2004, 1043 f. – Cartier-Stil; siehe auch OLG Frankfurt/M. 7.4.2005 – 6 U 149/04 – MMR 2005, 458 f. – Markenplagiat. 993 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 Tz. 43 – Internet-Versteigerung III; LG Berlin 5.9.2006 – 103 O 75/06 – MMR 2007, 401. 994 BGH 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871 Tz. 23 ff., 33 – Ohrclips. 995 BGH 19.4.2007 – I ZR 35/04 – BGHZ 172, 119 = GRUR 2007, 708 Tz. 23 – Internet-Versteigerung II; BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 Tz. 43 – Internet-Versteigerung III. 996 BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236, 249 = GRUR 2004, 860, 863 – Internet-Versteigerung I; BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 Tz. 43 – Internet-Versteigerung III. 997 BGH 2.7.1985 – X ZR 77/84 – BGHZ 95, 155, 157 ff. – NJW 1985, 3063 – Deutsche Bundesbahn; BAG 31.5.2005 – 1 AZR 141/04 – GRUR 2006, 244, 245 f. – Mitgliederwerbung von Gewerkschaften; BGH 29.3.2006 – VIII ZR 173/05 – NJW 2006, 2250 Tz. 19 m.w.N.; vgl. auch Baumbach/Hopt § 1 Rn. 16 m.w.N.
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§2
Definitionen
Schon deshalb muss keine Gewinnerzielungsabsicht dargetan werden.998 Auch wer durch einen planmäßigen, dauerhaften und entgeltlichen Vertrieb von Produkten nur die Unkosten eines außergeschäftlichen Vorhabens decken möchte, übt eine unternehmerische Tätigkeit aus. Die subjektiven Zielsetzungen eines Unternehmers sind den übrigen Marktteilnehmern in der Regel unbekannt. Eine gegen das UWG verstoßende geschäftliche Handlung eines solchen Unternehmers verfälscht den Wettbewerb nicht anders als das entsprechende Verhalten eines profitorientierten Mitbewerbers. Daher gebietet es der Schutzzweck des UWG, einen Akteur auch dann als Unternehmer zu betrachten, wenn er atypischer Weise keine Gewinne anstrebt. 620 Die Angebotstätigkeit muss sich in einer Gesamtschau als entgeltlich darstellen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die angegriffene geschäftliche Handlung gegen Entgelt vorgenommen wurde. Kostenlose Zugaben zählen zu den typischen unternehmerischen Strategien. Ebenfalls irrelevant ist, mit welchem Geschäftsmodell ein Umsatz erwirtschaftet wird. Insbesondere ist gleichgültig, ob die Zahlung für das einzelne Produkt oder als Pauschalbetrag für wiederkehrende Leistungen erfolgt. Daher ist ein Idealverein als Unternehmer einzustufen, der seinen Mitgliedern gegen Zahlung eines laufenden Mitgliedsbeitrags Beratungsdienstleistungen zur Verfügung stellt, die auf dem Markt gegen Entgelt offeriert werden.999 Unentgeltlich ist hingegen die Tätigkeit karitativer Spendenorganisationen. Die 621 Spenden werden der Organisation schenkweise überlassen. Weder vom Spender noch von demjenigen, zu dessen Gunsten die Spenden verwendet werden, fordert oder erhält eine Spendenorganisation ein Entgelt. Sie agiert daher nicht als Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs.1000 Werbung um Spenden stellt keine geschäftliche Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 dar.1001 619
e) Selbständigkeit. Gewerbe- und Handwerksbetriebe werden von ihrem Inhaber selbständig geführt.1002 Hieraus und im Umkehrschluss aus § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. folgt, dass mit der „beruflichen“ Tätigkeit ebenfalls nur der selbständig ausgeübte Beruf gemeint ist.1003 Selbständig in diesem Sinne agieren insbesondere Land- und Forstwirte, Freiberufler wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und Künstler1004 sowie Handelsvertreter gem. § 84 Abs. 1 HGB.1005 Weisungsabhängige Arbeitnehmer1006 und Beauftragte sind keine selbständigen 623 Unternehmensinhaber. Deshalb bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Fiktion (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs.), um sie Unternehmern gleichzustellen. 622
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f) Beginn und Ende des Unternehmertums. Eine geschäftliche Handlung wird nur dann von einem Unternehmer vorgenommen, wenn die betreffende Person zu diesem
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998 BGH 2.7.1985 – X ZR 77/84 – BGHZ 95, 155, 157 ff. – NJW 1985, 3063 – Deutsche Bundesbahn; zu § 14 BGB siehe BGH 24.6.2003 – XI ZR 100/02 – BGHZ 155, 240, 246 = NJW 2003, 2742; BGH 29.3.2006 – VIII ZR 173/05 – NJW 2006, 2250 Tz. 16 ff. m.w.N.; zur UGPRL EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 33 – BKK Mobil Oil. 999 BAG 31.5.2005 – 1 AZR 141/04 – GRUR 2006, 244, 245 f. – Mitgliederwerbung von Gewerkschaften. 1000 A.A. Voigt Idealvereine, S. 124 ff.; Köhler FS Hopt, S. 2825, 2832. 1001 Oben § 2 Rn. 236 ff. 1002 Siehe Köhler FS Hopt, S. 2825, 2827; juris-PK/Ernst § 2 Rn. 45. 1003 Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 12; Köhler FS Hopt, S. 2825, 2827. 1004 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 29. 1005 OLG Karlsruhe 10.3.2009 – 4 U 168/08 – GRUR-RR 2010, 51 – Direktmarketing. 1006 Auch beim Abschluss eines Arbeitsverhältnisses werden Arbeitnehmer als Verbraucher und nicht als Unternehmer in eigener Sache angesehen; vgl. BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – NJW 2007, 286, 287; BGH 24.2.2011 − 5 StR 514/09 – NJW 2011, 1236 Tz. 24 – Schneeballseminare.
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Zeitpunkt schon oder noch eine unternehmerische Tätigkeit ausübt.1007 Dieser zeitliche Rahmen ist von erheblicher praktischer Relevanz sowohl im Hinblick auf die Frage, ob ein Anspruchsteller schon als Unternehmer und damit ggf. Mitbewerber gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 Satz 1 aktivlegitimiert ist, als auch im Hinblick auf die Passivlegitimation und die Frage, ob zugunsten eines noch existierenden Unternehmens im Wettbewerb gehandelt wird. Noch nicht unternehmerisch tätig ist, wer eine Existenzgründung erwägt und die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer solchen kommen soll, erst vorbereitet. Aktivitäten in dieser Sondierungsphase wie der Besuch von Seminaren zur Beratung von Existenzgründern betreffen daher Verbraucherhandeln.1008 Ist die Entscheidung über die Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit gefallen und wird die ernstliche Absicht, ein Unternehmen zu eröffnen, durch Verhalten im geschäftlichen Verkehr in die Tat umgesetzt, agiert der Betreffende als Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. Bereits in dieser Phase der planmäßigen Existenzgründung können die in greifbare Nähe gerückten, vom UWG geschützten Interessen beeinträchtigt und hierdurch der Wettbewerb verfälscht werden.1009 Als ausreichende Indizien für eine ernstliche Absicht, ein Unternehmen gründen zu wollen, hat es die Rechtsprechung angesehen, wenn eine Person ein Gewerbe anmeldet, ein Geschäftslokal anmietet und die baldige Eröffnung des Ladengeschäfts öffentlich ankündigt.1010 Bei leichter und kostengünstiger zu initiierenden Online-Aktivitäten kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Wird ein auch für Privatpersonen verfügbarer Online-Shop auf einer Verkaufsplattform im Internet eingerichtet, spricht dies anders als bei der Eröffnung eines Ladenlokals zumindest dann noch nicht für eine ausreichende unternehmerische Tätigkeit, wenn die betreffende Internetseite keine Kontaktdaten enthält und keine Aktivitäten außerhalb des Internets dargetan werden.1011 Zum Nachweis einer Existenzgründung genügt es ebenfalls nicht, nur Computerausdrucke einer Homepage und eine Gewerbeanmeldung1012 oder die Anmeldung von InternetDomains und Markenrechten1013 darzutun, wenn ggf. über längere Zeit keine weiteren Schritte zum Start des Online-Geschäfts unternommen wurden. Auch die Anmeldung und Eintragung einer Marke rechtfertigen als solche noch nicht die Einordnung einer Person als Unternehmer, wenn unter dem Zeichen weder Produkte angeboten noch Lizenzen erteilt und insofern auch keine weiteren Vorbereitungshandlungen dargetan werden.1014 Das Unternehmertum endet mit der endgültigen Aufgabe der Geschäftstätigkeit.1015 Nach diesem Zeitpunkt können auch Dritte keine geschäftlichen Handlungen mehr zugunsten eines ehemaligen Unternehmens vornehmen. Ihr Verhalten unterfällt dem UWG daher nur, wenn sie ihr eigenes oder ein anderes, schon oder noch aktives Unternehmen fördern.
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1007 BGH 24.2.2011 − 5 StR 514/09 – NJW 2011, 1236 Tz. 25 – Schneeballseminare; Jestaedt Rn. 96. 1008 BGH 24.2.2005 – III ZB 36/04 – BGHZ 162, 253, 256 = NJW 2005, 1273 m.w.N.; BGH 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435; BGH 24.2.2011 − 5 StR 514/09 – NJW 2011, 1236 Tz. 24 – Schneeballseminare. 1009 BGH 24.2.2011 − 5 StR 514/09 – NJW 2011, 1236 Tz. 24 – Schneeballseminare. 1010 OLG Hamm 13.3.1986 – 4 U 10/86 – NJW-RR 1987, 34. 1011 OLG Zweibrücken 2.6.2005 – 4 U 256/04 – BeckRS 2005, 07387. 1012 BGH 12.7.1995 – I ZR 85/93 – GRUR 1995, 697, 699 – FUNNY PAPER. 1013 KG 30.6.2006 – 5 U 127/05 – GRUR 2007, 254 f. – Getarnte Link-Werbung; vgl. auch EuGH 11.7.2013 – C-657/11 – Slg. 2013 0000 Tz. 44 – Belgian Electronics Sorting Technology. 1014 BGH 12.7.1995 – I ZR 85/93 – GRUR 1995, 697, 699 – FUNNY PAPER. 1015 BGH 12.7.1995 – I ZR 85/93 – GRUR 1995, 697, 699 – FUNNY PAPER; KG 11.11.1980 – 5 U 3844/80 – WRP 1981, 461, 462; OLG Zweibrücken 2.6.2005 – 4 U 256/04 – BeckRS 2005, 07387.
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g) Person. Jede natürliche oder juristische Person kann gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. Unternehmer sein. Person ist, wer fähig ist, Träger von Rechten und Pflichten zu sein.1016 Diese Rechtsfähigkeit ist erforderlich, damit das Unternehmen als betrieblich-organisatorische Einheit1017 und in seinen einzelnen Gegenständen einem Unternehmensinhaber zugeordnet werden kann. Für den lauterkeitsrechtlichen Begriff des Unternehmers kommt es nicht auf die Rechtsform und den satzungsgemäßen Zweck einer juristischen Person, sondern auf eine wirtschaftliche Betrachtung der tatsächlichen Umstände an. Auch nicht wirtschaftliche Vereine gem. § 21 BGB, gemeinnützige Stiftungen, der Staat usw. können – wenngleich ggf. rechtswidrig – planmäßig und dauerhaft Produkte gegen Entgelt anbieten. So verhält es sich im Hinblick auf gesetzliche Krankenkassen, wenn sie außerhalb ihrer Aufgabe rein sozialer Art im Rahmen der Verwaltung des deutschen Systems der sozialen Sicherheit im Wettbewerb mit anderen gesetzlichen und privaten Krankenkassen Geschäftstätigkeiten ausüben, die keinen sozialen, sondern einen wirtschaftlichen Zweck haben.1018 In diesem Fall sind sie als Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. einzustufen.1019 Hingegen ist es verfehlt, gesetzliche Krankenkassen unabhängig von der konkret angegriffenen Geschäftspraktik dem „persönlichen“ Anwendungsbereich der UGPRL zu unterwerfen.1020 Umgekehrt ist eine Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG, die selbst keine eigene Geschäftstätigkeit nach außen entfaltet, sondern lediglich finanziell an aktiv tätigen Betreibern (den KGs) beteiligt ist, kein Unternehmer und damit auch kein aktivlegitimierter Mitbewerber.1021 Das UWG ist auf unlauteres Wettbewerbsverhalten anwendbar, wenn inländische Wettbewerbsbeziehungen oder die inländischen kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt oder wahrscheinlich beeinträchtigen werden.1022 Auf das Personalstatut der mit Auswirkungen auf den inländischen Wettbewerb handelnden natürlichen oder juristischen Person kommt es nicht an. Daher sind auch ausländische Gesellschaften, die nach dem für sie maßgeblichen Recht rechtsfähig sind, potentiell Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs.1023 Werden im Handelsregister eingetragene Einzelkaufleute und selbstständige Handelsvertreter1024 im geschäftlichen Verkehr tätig, handeln sie im Zweifel zugunsten des eigenen Unternehmens.1025 Im Übrigen muss im Einzelnen dargetan werden, dass eine natürliche Person ein Unternehmen betreibt und dieses oder ein drittes Unternehmen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 fördert.
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1016 Palandt/Ellenberger vor § 1 BGB Rn. 1. 1017 Zivilrechtlich gesprochen ein sonstiger Gegenstand gem. § 453 Abs. 1 2. Alt. BGB. 1018 BGH 18.1.2012 – I ZR 170/10 – GRUR 2012, 288, 290 – Betriebskrankenkasse; OLG Celle 9.9.2010 – 13 U 173/09 – WRP 2010, 1548, 1550. Siehe auch EuGH 16.3.2004 – C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01 – Slg. 2004 I-2493 Tz. 58 – AOK Bundesverband u.a./Ichthyol-Gesellschaft Cordes Hermani u.a.; EuGH 5.3.2009 – C-350/07 – Slg. 2009 I-1538 Tz. 42 = WuW/E DE-R 1543 – Kattner Stahlbau/MaschinenbauBerufsgenossenschaft. 1019 OLG München 28.10.2010 – 29 U 2590/10 – MMR 2011, 243 f. – bayerischespielbank.de; Köhler/ Bornkamm § 2 Rn. 21. 1020 So aber EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 24, 41 – BKK Mobil Oil, in Verkennung bzw. Abänderung der explizit handlungsbezogenen Vorlagefrage des BGH. 1021 OLG Hamburg 12.8.2004 – 3 U 55/04 – GRUR-RR 2005, 167 f. – Mitbewerbereigenschaft. 1022 Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO. 1023 Voraufl/Erdmann § 13 Rn. 30. 1024 OLG Karlsruhe 10.3.2009 – 4 U 168/08 – GRUR-RR 2010, 51, 52 – Direktmarketing. 1025 Zu privaten Anschaffungsvorgängen von Unternehmern (die insofern als Verbraucher tätig sind) oben § 2 Rn. 73 ff.
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Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, SE, KGaA) und eingetragene Genossenschaften agieren ebenfalls im Zweifel im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit, während bei anderen juristischen Personen wie einem Idealverein oder einer Stiftung dargetan werden muss, dass tatsächlich planmäßig und für eine gewisse Dauer Produkte gegen Entgelt auf dem Markt angeboten werden. Der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. bezieht sich zwar nur auf juristische Personen und nicht auf rechtsfähige Personengesellschaften gem. § 14 Abs. 2, die nach deutscher Dogmatik von juristischen Personen verschieden sind.1026 Der Begriff der juristischen Person stammt aber aus dem europäischen Lauterkeitsrecht, wo ihm eine weitere, nämlich funktionale Bedeutung zukommt. Daher können alle rechtsfähigen Personengesellschaften Unternehmer sein.1027 Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG, GmbH & Co. KG) werden im Zweifel im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit am Markt aktiv; selbiges gilt für die deutsche EWIV und Partnerschaften, in denen sich Angehörige Freier Berufe zur Ausübung ihrer (selbständigen) Berufe zusammenschließen. Bei einer rechtsfähigen Außengesellschaft gem. §§ 705 ff. kommt es darauf an, ob die Gesellschaft unternehmenstragend oder zu anderen Zwecken tätig wird.1028 Soweit Vorgesellschaften und Vorgründungsgesellschaften Rechtsfähigkeit zuerkannt wird, können sie Unternehmer sein.1029 Der Abschluss des Gesellschaftsvertrags läutet die Existenzgründerphase ein und indiziert im Zweifel, dass ernstlich beabsichtigt ist, unternehmerisch tätig zu werden. Bei erst auf den Abschluss eines Gründungsvertrags gerichteten Vorgründungsgesellschaften ist näher darzutun, ob bereits die Phase der bloßen Sondierung verlassen wurde. Innengesellschaften wie insbesondere die stille Gesellschaft gem. §§ 230 ff. HGB können schon mangels Rechtsfähigkeit nicht Unternehmensträger und damit Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. sein.1030 Gesellschafter, gesetzliche und vertragliche Vertreter (Beauftragte) sowie Mitarbeiter einer juristischen Person oder rechtsfähigen Personengesellschaft sind ebenfalls keine Unternehmer, da das Unternehmen der juristischen Person bzw. Personengesellschaft zugeordnet ist. Soweit sie im Namen oder Auftrag des Unternehmers handeln, gelten sie lediglich gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. als Unternehmer.1031 Selbiges gilt für bloße Vertragspartner eines Unternehmers.1032 Ein Streit über ein persönliches Wettbewerbsverbot betrifft hingegen die avisierte Gründung eines Unternehmens durch eine natürliche Person. Jene agiert insoweit als selbständiger Existenzgründer und nicht mehr als Gesellschafter, Mitarbeiter usw., so dass der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. gegeben ist.1033 Ist das Recht, ein Unternehmen zu verwalten und über es zu verfügen, auf einen Insolvenz-, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker übergegangen, so agieren diese Organe als Unternehmer.1034
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h) Darlegungs- und Beweislast. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unter- 641 nehmereigenschaft einer Person trifft den Anspruchsteller, der hieraus eine für sich güns-
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Vgl. § 14 Abs. 1 BGB und Sosnitza WRP 2008, 1014, 1015. Siehe nur juris-PK/Ernst § 2 Rn. 44. Für die Rechtsfähigkeit kommt es auf diese Frage nicht an; vgl. nur Palandt/Sprau § 705 Rn. 24 m.w.N. Fezer/Fezer § 2 Nr. 6 Rn. G 23. Fezer/Fezer § 2 Nr. 6 Rn. G 22; Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 6. Dazu OLG Stuttgart 3.11.1995 – 2 U 114/95 – WRP 1996, 63 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 7. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 125 (Lizenzgeber); Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 6. OLG Köln 28.2.2011 – 6 W 35/11 – GRUR-RR 2011, 370 f. – Gesellschafter-Unternehmer. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 121; Götting/Nordemann § 2 Rn. 53.
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Definitionen
tige Rechtsfolge, nämlich seinen Schutz als Unternehmer und Mitbewerber eines anderen Unternehmers, ableitet.1035 Unternehmer ist im Zweifel, wer in einer für Unternehmen i.S.d. UWG vorgesehenen Rechtsform, also namentlich als Kapitalgesellschaft, eingetragene Genossenschaft, Personenhandelsgesellschaft oder Partnerschaft konstituiert ist. Hat der Anspruchsteller substanziiert zur Unternehmereigenschaft des Anspruchs642 gegners vorgetragen, trifft diesen eine sekundäre Darlegungs- und ggf. Beweislast im Hinblick auf Umstände, die gegen seine Unternehmerstellung sprechen.1036 4. Unternehmergleiche Personen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. a) Unionsrechtlicher Hintergrund und Bedeutung. Unternehmer ist nicht nur der derjenige, der planmäßig und dauerhaft in selbständiger Tätigkeit Produkte gegen Entgelt anbietet, sondern gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. auch „jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person“ – soll heißen eines Unternehmensinhabers wie einer GmbH oder eines eingetragenen Kaufmanns – „handelt.“ Die Regelung zu unternehmergleichen Personen1037 geht zurück auf Art. 2 lit. b UGPRL und Art. 2 lit. d IrreführungsRL 2006, die mit identischem Wortlaut bestimmte Personen zu Gewerbetreibenden im Sinne der Richtlinien erklären. Der deutsche Gesetzgeber hat sich zum Sinn und Zweck dieser Vorschrift und ihrer 644 Einpassung in die Dogmatik des UWG nicht geäußert. Aufschlussreich sind hingegen die Dokumente zur Entstehung der UGPRL. Nach Art. 2 lit. c des Richtlinienentwurfs der Kommission sollte „Gewerbetreibender“ nur jede natürliche oder juristische Person sein, „die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt“.1038 Gemeint sind die selbständig und eigenverantwortlich agierenden Unternehmensinhaber. Die Regelung zu unternehmergleichen Personen lässt sich auf einen Vorschlag des 645 Europäischen Parlaments zurückführen. Demnach sollten die Begriffe „Verkäufer oder Lieferant“ bzw. „Gewerbetreibender“ bezeichnen: „– jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit oder im Hinblick auf die Verwirklichung ihres satzungsmäßigen Ziels handelt; eine Handlung, die der Gewerbetreibende bewusst durch eigenes Verhalten fördert oder bewusst ermöglicht, wird ihm zugerechnet; – der Staat oder die juristische Person, an der der Staat einen Mehrheitsanteil hat, die eine gewerbliche, finanzielle oder industrielle Tätigkeit ausübt und die Produkte oder Dienstleistungen anbietet oder verkauft; – die Personen, die entweder in eigenem Namen, oder im Namen oder auf Rechnung eines Dritten mit oder ohne Rechtspersönlichkeit, mit oder ohne Verfolgung eines Erwerbszwecks eine gewerbliche, finanzielle oder industrielle Tätigkeit ausüben und Produkte oder Dienstleistungen anbieten oder verkaufen.“1039 Zur Begründung hieß es, es sei sicherzustellen, „dass die Förderung fremden Wettbewerbs durch die Richtlinie erfasst wird, da in der Praxis immer häufiger unlautere Praktiken von 643
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1035 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 Tz. 46 – Internet-Versteigerung III. 1036 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 Tz. 46 f. – Internet-Versteigerung III; OLG Koblenz 17.10.2005 – 5 U 1145/05 – NJW 2006, 1438 – Powerseller; Fischer WRP 2008, 193, 196 m.w.N. 1037 Fezer/Fezer § 2 Nr. 6 Rn. G 40 ff.; anders die Terminologie von Köhler FS Hopt, S. 2825, 2833 („Unternehmensförderer“). 1038 Siehe Art. 2 lit. c UGPRL, Art. 2 Abs. 2 IrreführungsRL gem. Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig. 1039 Europäisches Parlament, Legislative Entschließung UGPRL, 20.4.2004, P5_TA (2004) 0298, konsolidierter Text, Art. 2 lit. d.
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Dritten gesetzt werden, die zu einem Gewerbetreibenden in einem Auftragsverhältnis stehen. Auch durch das Zusammenspiel zahlreicher Unternehmen (Werbung, Vertrieb, Versand) ist oftmals der unmittelbare Störer nicht ermittelbar.“1040 Aus dem Wortlaut und der Begründung des Vorstoßes ergibt sich, dass das europäi- 646 sche Parlament mehrere Aspekte der lauterkeitsrechtlichen Passivlegitimation regeln wollte. Der erste Spiegelstrich betrifft Unternehmensinhaber und die Frage, unter welchen Voraussetzungen ihnen ein Verhalten Dritter zugerechnet werden kann. Der zweite Spiegelstrich bezieht sich auf unternehmerische Aktivitäten der öffentlichen Hand. Der dritte Spiegelstrich schließlich regelt, unter welchen Voraussetzungen sonstige Personen, darunter auch solche, die „im Namen oder auf Rechnung eines Dritten“ handeln, als Gewerbetreibende einzuordnen sind. Aus den Ratsdokumenten ist zu entnehmen, dass der Europäische Rat diesen Vor- 647 schlag zwar in der Sache übernahm, allerdings unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Richtlinie keine Haftungsfragen („liability“) regele, womit wohl insbesondere die im ersten Spiegelstrich angesprochene Zurechnung fremden Verhaltens gemeint ist.1041 Hingegen soll das europäische Lauterkeitsrecht auch nach Auffassung des Rates die Förderung fremden Wettbewerbs durch Personen erfassen, die selbst nicht unternehmerisch tätig sind. Hierzu musste der Begriff des Gewerbetreibenden erweitert werden, da die UGPRL und die IrreführungsRL 2006 nur das Verhalten von Gewerbetreibenden betreffen.1042 b) Bedeutung des Unternehmerbegriffs gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. im UWG aa) Verhältnis zur Förderung fremden Wettbewerbs gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1. Das 648 UWG ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 auf das geschäftliche Handeln „jeder Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens“ anwendbar. Die Verbotsnormen des § 3 und des § 7 richten sich also anders als das europäische Lauterkeitsrecht nicht nur an Gewerbetreibende bzw. Unternehmer. Vielmehr kann prinzipiell jede Person fremden Wettbewerb fördern und hierbei dem UWG unterliegen. Damit kommt es zu einer Doppelregelung der Förderung fremden Wettbewerbs 649 im UWG:1043 Erstens kann jede Person gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 zugunsten eines fremden Unternehmens eine geschäftliche Handlung vornehmen, für die sie täterschaftlich haftet, wenn sie hierbei gegen § 3 oder § 7 verstößt. Fremden Wettbewerb fördern zweitens insbesondere Personen, die im Namen oder Auftrag eines Unternehmensinhabers agieren (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs.). Sie gelten dann als Unternehmer, was jedoch anders als im europäischen Lauterkeitsrecht keine Voraussetzung für eine Inanspruchnahme nach UWG ist. Der Umsetzung der Vorschrift zu unternehmergleichen Personen gem. Art. 2 lit. b 2. Hs. UGPRL, 2 lit. d 2. Hs. IrreführungsRL 2006 hätte es daher nicht bedurft. bb) Verhältnis zu § 8 Abs. 2. Werden Zuwiderhandlungen gegen § 3 oder § 7 in 650 einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch gem. § 8 Abs. 2 auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. Ungeachtet der im Einzelnen umstrittenen Rechtsnatur der Vorschrift stellt sie jedenfalls keine Anspruchsgrundlage gegen Mitarbeiter oder Beauftragte dar. Ihr Zweck ist es nicht, die unzulässige Förderung fremder
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Europäisches Parlament, Bericht UGPRL, A5-0188/2004, S. 14, 65. Europäischer Rat, Standpunkt UGPRL, 11630/04, ADD. 1, S. 6, 13 (Wortlaut der Richtlinie). Vgl. auch EuGH 17.10.2013 – C-391/12 – Slg. 2013 0000 Tz. 38 – RLvS Verlagsgesellschaft. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 123 („Doppelregelung“).
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Definitionen
Unternehmer zu sanktionieren. Vielmehr handelt es sich um eine Erfolgshaftung des Unternehmensinhabers für Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter oder Beauftragten ohne die Möglichkeit einer Entlastung. 651 Regelungsgegenstand und -zweck des § 8 Abs. 2 unterscheiden sich daher grundlegend von § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs.1044 Als autonome deutsche Regelung zu den Rechtsfolgen eines UWG-Verstoßes besagt § 8 Abs. 2 nicht, wer im unionsrechtlichen Sinne den Unternehmern gleichzustellen ist. Schließlich unterscheiden sich die Tatbestandsvoraussetzungen beider Vor652 schriften. Zwar ist jeder Mitarbeiter und Beauftragte i.S.v. § 8 Abs. 2 im Auftrag des Unternehmensinhabers tätig und erfüllt somit zugleich den Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. Eine unzulässige Förderung des Wettbewerbs des Arbeitgebers/Auftraggebers durch diese Personen zieht daher sowohl Ansprüche gegen sie selbst als handelnde „Unternehmer“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6 2. Hs.) als auch gem. § 8 Abs. 2 gegen den Unternehmensinhaber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. nach sich. Einem Unternehmer gleichgestellt wird nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. 653 eine Person auch dann, wenn sie nur im Namen, nicht aber („oder“) im Auftrag eines Unternehmensinhabers agiert. Ein solch eigenmächtiges Verhalten ist dem ungewollt Geförderten nicht gem. § 8 Abs. 2 zurechenbar. Die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche richten sich in dieser Konstellation nur gegen den Handelnden. cc) Unternehmerbezogene Regelungen im UWG. Mit den Begriffen „Unternehmer“ und „Mitbewerber“ ist stets der Unternehmensinhaber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. gemeint. Die diesen selbständigen Unternehmern nur gleichgestellten Personen werden von 655 den betreffenden Vorschriften hingegen nur erfasst, wenn der begrenzte Regelungszweck des § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. dies gebietet. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass die Förderung fremden Wettbewerbs durch Personen, die im Namen oder Auftrag eines Unternehmers handeln, dem UWG unterliegt. Dieser Regelungszweck ist insbesondere bei Tatbeständen zu gewährleisten, die der Umsetzung der UGPRL und der IrreführungsRL 2006 dienen. 656 Explizit auf unternehmergleiche Personen Bezug nimmt nur § 5a Abs. 3 Nr. 2 1. Alt., und zwar mit der Formulierung, dass ein Unternehmer für einen anderen Unternehmer handelt.1045 Auch der Unternehmerbegriff in § 5 Abs. 3 Nr. 31046 und Nr. 41047 umfasst Personen, die im Namen oder Auftrag eines Unternehmensinhabers handeln und dabei über ihre Qualifikationen etc. oder Zulassungen irreführende Angaben machen. Ob der Unternehmerbegriff in § 2 Abs. 1 Nr. 7 und § 3 Abs. 2 auch unternehmerglei657 che Personen meint, erscheint fraglich. Einerseits dienen die Vorschriften der Umsetzung von Art. 2 lit. h, 5 Abs. 1–4 UGPRL, die nur auf Gewerbetreibende i.S.v. Art. 2 lit. b UGPRL unter Einschluss der Gewerbetreibenden gleichgestellten Personen anwendbar sind. Andererseits stellt die Richtlinie auf die anständigen Marktgepflogenheiten ab, die unter selbständig agierenden Gewerbetreibenden herrschen. Die in ihrem Auftrag Handelnden vermögen keine entsprechenden Übungen zu prägen; sie sind daher keine Unternehmer i.S.v. §§ 2 Abs. 1 Nr. 7, 3 Abs. 2. Anders sind Personen zu beurteilen, die, ohne selbst Inhaber eines Unternehmens zu sein, einen fremden Unternehmer in dessen Na-
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1044 A.A. DiskE UWG 2008, 14 f. (aufgrund von § 8 Abs. 2 sei eine Umsetzung von Art. 2 lit. b 2. Hs. UGPRL nicht erforderlich); Jestaedt Rn. 86; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 220. 1045 Gerade umgekehrt Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 121. 1046 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 121. 1047 A.A. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 121.
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men fördern, ohne von ihm beauftragt worden zu sein.1048 Sie müssen die anständigen Marktgepflogenheiten genau so berücksichtigen wie das von ihnen ungewollt geförderte Unternehmen. Die übrigen Bezugnahmen auf Unternehmer im UWG meinen gemäß ihrer Tatbe- 658 standsmerkmale nur Unternehmensinhaber oder betreffen den Zweck des § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. nicht, so dass sie teleologisch auf den eigentlichen Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. zu reduzieren sind. Von vornherein nur auf selbständige Unternehmer passen die meisten Regelungen zu Verhaltenskodizes, zu denen sich nur selbständige Unternehmer und nicht ihre Vertreter oder Beauftragten verpflichten können,1049 § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 21050 sowie bis auf eine Ausnahme die Vorschriften zu Unternehmern im Anhang zu § 3 Abs. 3.1051 Seinem Sinn und Zweck nach auf selbständig im Markt agierende Unternehmer beschränkt ist ferner § 4 Nr. 8.1052 Schon aus der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 folgt schließlich, dass das UWG mit 659 Mitbewerbern stets nur die Unternehmensinhaber anspricht. Es sind jene, die in Ausübung ihrer unternehmerischen Handlungsfreiheit entscheiden, ob und mit welchen anderen Unternehmern sie als verantwortliche Anbieter oder Nachfrager von Produkten in ein konkretes Wettbewerbsverhältnis treten wollen. Wer nur Kraft der Fiktion des § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. als Unternehmer gilt, ist kein Mitbewerber i.S.d. UWG.1053 Folglich sind unternehmergleiche Personen als solche nicht individuell anspruchsberechtigt. Interessenkonflikte unter Mitarbeitern und Beauftragten unterliegen dem Deliktsrecht des BGB. c) Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. 660 bezieht sich auf „jede Person, die im Namen oder Auftrag“ eines Unternehmensinhabers handelt. Die Person muss rechtsfähig sein. Ob sie selbst Inhaber eines Unternehmens gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 1. Hs. ist oder nicht, ist ohne Belang. Zu den unternehmergleichen Personen zählen zunächst alle, die im fremden Na- 661 men und im Auftrag eines Unternehmensinhabers dessen Wettbewerb fördern. Der Wortlaut spricht zwar vom Handeln im Namen „oder“ Auftrag. Sinn und Zweck der Norm gebieten aber, diejenigen Personen zu subsumieren, die typischerweise und besonders wirksam den Wettbewerb eines fremden Unternehmens unterstützen können, indem sie in dessen Namen und Auftrag agieren. Hierzu zählen namentlich Mitarbeiter, gesetzliche Vertreter1054 sowie sonstige, ggf. ihrerseits unternehmerisch agierende Beauftragte.1055 Weisungsabhängige Arbeitnehmer, die über keinen eigenen Entscheidungsspielraum verfügen, können Unternehmern hingegen nicht gleichgestellt werden. Ihr Verhalten ist allein dem verantwortlichen Arbeitgeber zuzurechnen.1056
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1048 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. (im Namen „oder“ Auftrag). 1049 Siehe §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 5 Abs. 3 Nr. 6, Anhang Nr. 1 zu § 3 Abs. 3; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 121. Eine unternehmergleiche Person kann aber unwahr angeben, ein Verhaltenskodex sei von einer öffentlichen oder anderen Stelle gebilligt (Anhang Nr. 3 zu § 3 Abs. 3). 1050 Siehe § 7 Abs. 3 Nr. 2 („eigene … Waren oder Dienstleistungen“). 1051 Nur Unternehmensinhaber betreffen Anhang Nr. 5, 6, 8, 11, 15, 23 („sein Geschäft“) zu § 3 Abs. 3. Auch unternehmergleiche Personen meint Anhang Nr. 30 zu § 3 Abs. 3; vgl. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 121. 1052 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 122. 1053 Siehe Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 122; anders noch ders. FS Hopt, S. 2825, 2835. 1054 Fezer/Fezer § 2 Nr. 6 Rn. G 46. 1055 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 121. 1056 Fezer/Fezer § 2 Nr. 6 Rn. G 42 (da Tätigkeit in arbeitsrechtlicher Abhängigkeit vorgenommen wird), 45 (qualifiziertes Vertreter- oder Auftragsverhältnis erforderlich). Zur Förderung fremden Wettbewerbs gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 entsprechend oben § 2 Rn. 100 f.
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Unternehmern gleichzustellen sind erst recht Personen, die fremden Wettbewerb zwar im Auftrag eines Unternehmers fördern, dabei aber nach außen im eigenen Namen auftreten.1057 Selbiges gilt im umgekehrten Fall, wenn eine Person zwar im Namen eines ande663 ren Unternehmers agiert, hierzu aber nicht beauftragt war.1058 Allerdings ist solch eigenmächtiges Verhalten dem ungewollt Geförderten nicht zurechenbar, so dass dieser nicht gem. § 8 Abs. 2 in Anspruch genommen werden kann. Schließlich kann der Wettbewerb eines Unternehmers auch durch eine Person ge664 fördert werden, die weder im Namen des Geförderten auftritt noch in dessen Auftrag agiert. Verwiesen sei etwa auf die Äußerungen eines Lieferanten über einen angeblich besonders zuverlässigen Vertragspartner.1059 Seinem Wortlaut nach erfasst § 2 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. diese Konstellation nicht, da über einen anderen Unternehmer, aber nicht in dessen Namen gesprochen wird. Das Verhalten stellt aber eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 dar und unterfällt somit dem UWG. Dass die Passivlegitimation nach UWG weiter reicht als nach der UGPRL und der IrreführungsRL 2006, ist unbedenklich, da die Richtlinien insoweit keine abschließende Regelung vorsehen.1060 Definitionen § 2 Fachliche Sorgfalt § 2 Peukert/Fritzsche VII. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG 1. Einführung a) Entstehungsgeschichte und umgesetzter Tatbestand der UGPRL. Der Begriff der fachlichen Sorgfalt ist in das UWG erst bei der Umsetzung der UGPRL, welcher er entstammt, aufgenommen worden. Nach Art. 5 Abs. 2 UGPRL ist der Verstoß gegen die Sorgfalt eine der beiden Voraussetzungen der Unlauterkeit, wobei in der deutschen, englischen und französischen Fassung der Richtlinie allerdings nicht von fachlicher, sondern von beruflicher Sorgfalt die Rede ist. Die abweichende Formulierung erklärt die Gesetzesbegründung damit, dass ein Beruf nach deutschem Verständnis (oder deutscher Rechtsterminologie) nur von einer natürlichen Person ausgeübt werden könne, während die Sorgfaltspflichten des Lauterkeitsrechts auch für juristische Personen gelten sollten.1061 Man wird diese in der Begrifflichkeit abweichende Umsetzung gleichwohl als richtlinienkonform ansehen können, da es auf die gewählte Begrifflichkeit nicht ankommt, solange die Vorgabe des EU-Rechts ihrem Inhalt nach im nationalen Recht korrekt abgebildet wird, woran man hier kaum zweifeln kann. Inhaltlich geht es allerdings eher um eine Art von „unternehmerischer“ Sorgfalt, weshalb es möglicherweise besser wäre, die gesetzliche Definition de lege ferenda entsprechend zu fassen.1062 Der Begriff der beruflichen bzw. fachlichen Sorgfalt war dem deutschen Lauterkeits666 recht bis zur Schaffung der UGPRL unbekannt,1063 und so ist er zunächst auf ein nachvollziehbares allgemeines Unverständnis gestoßen, dass teils bis heute andauert.1064 Inzwischen beginnen Rechtsprechung und Lehre, den Begriff mit Leben zu erfüllen und 665
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1057 Gloy/Loschelder/Erdmann § 35 Rn. 6. 1058 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 121 (Wirksamkeit des Auftrags irrelevant). 1059 Fezer/Fezer § 2 Nr. 6 Rn. G 42. 1060 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 119, 121, 123. 1061 Begr. zum RegE, BT-Drs. 16/10145, S. 21 f.; krit. Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 127. 1062 So Köhler WRP 2013, 403, 405 (mit Neuformulierungsvorschlag auf S. 412). 1063 Juris-PK/Ernst § 2 Rn. 47; juris-PK/Ullmann § 3 Rn. 20. 1064 Vor allem Henning-Bodewig WRP 2010, 1094, 1099 sowie WRP 2011, 1014, 1016 f. und GRUR 2013, 238, 242 mN.
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ihm die Rolle beizumessen, die er – wenn auch bislang nur für verbraucherbezogene geschäftliche Handlungen – nach Art. 5 Abs. 2 UGPRL und § 3 Abs. 2 UWG eigentlich haben sollte (dazu unten Rn. 717 ff.). Der Begriff der beruflichen Sorgfalt war in Art. 2 lit. j) des Richtlinienvorschlags vom 667 18.6.2003 noch als „das Maß an Fachkenntnissen und Sorgfalt, das den Erfordernissen der im Binnenmarkt im Tätigkeitsbereich des Gewerbetreibenden üblichen Handelspraxis entspricht“, definiert.1065 Daran war kritisiert worden, dass das Abstellen auf das am Markt übliche Verhalten auch solche Geschäftspraktiken zulässig hätte machen können, die nach der Rechtstradition mehrerer Mitgliedstaaten und bei funktionaler Betrachtung als unlauter angesehen werden sollten.1066 Diese Gefahr ist durch die endgültige Definition, welche auf die anständigen Marktgepflogenheiten und den Grundsatz von Treu und Glauben verweist, in der Richtlinie vermieden worden, während die Formulierung des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG diese Klarstellung nicht in gleicher Weise zum Ausdruck bringt.1067 Gleichwohl besteht bei richtlinienkonformer Auslegung Einklang mit der in Deutschland schon seit längerem vorherrschenden Ansicht, dass das in einer Branche Übliche für die Beurteilung im Wettbewerbsrechts zwar von Bedeutung ist, aber allein nicht zur Unlauterkeit führen kann.1068Fritzsche b) Inhalt und Zweck der Regelung. Die Definitionsnorm legt fest, was im UWG 668 unter dem Begriff der fachlichen Sorgfalt zu verstehen ist. Die fachliche Sorgfalt spielt gemäß § 3 Abs. 2 UWG vor allem für die Unlauterkeit geschäftlicher Handlungen von Unternehmern gegenüber Verbrauchern eine Rolle und ist insofern Teil einer aus Art. 5 Abs. 2 UGPRL (etwas halbherzig) übernommenen Definition der Unlauterkeit. Ein Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt allein reicht gemäß § 3 Abs. 2 UWG (Art. 5 Abs. 2 UGPRL) allerdings noch nicht aus, um die Unlauterkeit zu begründen.1069 Soweit eine geschäftliche Handlung einen spezielleren Unlauterkeitstatbestand erfüllt, gibt es wenig Anlass, auf den Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt einzugehen, weil dieser dann in den spezielleren Tatbeständen von Gesetz und Richtlinie näher typisiert ist.1070 Insgesamt glaubte der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund wohl nicht ganz zu Unrecht, dass sich durch die von der Richtlinie geforderte Einführung des neuen Begriffs im Rahmen der Unlauterkeit geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht viel ändern würde.1071 In Art. 2 lit. h) UGPRL findet sich die Definition der beruflichen Sorgfalt, die der 669 deutsche Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG nicht wörtlich, sondern sinngemäß übernommen hat. Denn nach der Richtliniendefinition meint die fachliche bzw. berufliche Sorgfalt den „Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet“. Der deutsche Gesetzgeber
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1065 KOM (2003) 256 endg. 1066 Harte/Henning/Glöckner (1. Auflage) Einl. B Rn. 189; Scherer WRP 2009, 761, 764 f. 1067 Ebenso Helm WRP 2013, 710, 713 (Rn. 12–15). 1068 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 Tz. 19 m.w.N. = GRUR 2006, 773 – Probeabonnement. 1069 BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 15 m.w.N. – FSA-Kodex I; OLG München 9.6.2011 – 29 U 2026/08 – WRP 2012, 347, 349 – Arzt-Seminare. 1070 Köhler WRP 2012, 638, 639; ähnlich Steinbeck WRP 2011, 1221, 1223 f. Vgl. auch den Hinweis von Alexander WRP 2012, 515, 517 zum Urteil und den Schlussanträgen in der Sache EuGH 15.3.2012 – C-453/10 – Slg. 2012, I-0000 = GRUR 2012, 639 – Pereničová und Perenič/SOS. 1071 Begr. des RegE zum 1. UWG-ÄndG, BT-Drs. 16/10145, S. 27.
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hat, ohne dies zu begründen, bei der Umsetzung auch den Hinweis auf die anständigen Marktgepflogenheiten weggelassen,1072 also eigentlich den Kern der traditionellen Definition der Unlauterkeit eliminiert, wie er in der Formel der Rechtsprechung und dem ihr zugrundeliegenden Art. 10bis Abs. 2 PVÜ traditionell zum Ausdruck kommt. Offenbar hat er sich also mehr von den im Kontext des Lauterkeitsrechts nicht ganz passenden Formulierungen in den §§ 157 und 242 BGB leiten lassen.1073 Vielleicht wollte man auch einen Rückfall in einen als antiquiert empfundenen Sprachgebrauch vermeiden, von dem man sich erst mit dem UWG 2004 verabschiedet hatte.1074 Insgesamt kann man die Umsetzung der Definition aus Art. 2 Abs. 1 lit. h) UGPRL 670 damit als zwar wohl noch richtlinienkonform, aber dennoch wenig gelungen bezeichnen. Nimmt man den Inhalt der Definition, hätte es sich wohl angeboten, von „unternehmerischer Sorgfalt“ zu sprechen.1075 Dies gilt umso mehr, als § 347 Abs. 1 HGB seit jeher auf die „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ verweist, was in eine ähnliche Richtung deutet,1076 wenn man von der rechtspolitisch seit langem umstrittenen Beschränkung des HGB auf ein Kaufmanns- anstelle eines echten Unternehmensrechts absieht. Gleichwohl zeigt der überlieferte Sorgfaltsmaßstab des HGB, dass ein Begriff wie die fachliche oder berufliche Sorgfalt dem deutschen Recht nicht völlig unbekannt ist und deshalb auch im Rahmen des UWG fruchtbar gemacht werden kann.1077 Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass er für das deutsche Lauterkeitsrecht relatives Neuland darstellt, auch wenn der BGH den Gedanken des Verstoßes gegen kaufmännische Sorgfaltspflichten bereits deutlich früher bei der Beurteilung einer nicht ausreichenden Bevorratung von Aktionswaren herangezogen hatte.1078 Ansonsten finden sich Ansätze in diese Richtung allenfalls noch im Kontext der Werbung mit Testergebnissen.1079 Auch die Kommission hat in ihrem Richtlinienvorschlag ganz ähnliche Erwägungen angestellt und Bezug auf „den Begriff des ordnungsgemäßen Geschäftsgebarens, den man in den Rechtssystemen der meisten Mitgliedstaaten finden kann“, genommen, und diesen Begriff erläutert als „das Maß an Sorgfalt und Sachkenntnis, das von einem ordentlichen Kaufmann gemäß den allgemein anerkannten Regeln des Handelsbrauchs in seiner besonderen Branche zu erwarten ist.“1080 Versteht man die fachliche Sorgfalt in diesem Sinne, erlangt sie aber im Ergebnis auch Bedeutung für den von der UGPRL an sich nicht erfassten B2B-Bereich, etwa wenn es um die unzutreffende oder fehlende Information über Kundenbeschwerdesysteme geht, deren Fehlen nicht nur nach § 5a Abs. 4 UWG, sondern auch nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 5a Abs. 1 UWG irreführend sein kann,1081 oder wenn ein Unternehmen seinen Kunden Leistungen eines Mitbewerbers anbietet, da-
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1072 Bedauernd auch Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 177. 1073 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 128. 1074 Vgl. insofern Begr. zum RegE des UWG 2004, BT-Drs. 15/1487, S. 16; krit. zur Wortwahl von Gesetz und Richtlinie Boesche WRP 2011, 1345, 1352 (allerdings ohne Idee, wie man sonst formulieren könnte). 1075 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 127. 1076 KG 30.3.2009 – 24 U 145/08 – WRP 2010, 129, 141 f. = GRUR-RR 2010, 22 – JACKPOT!; KG 12.8.2009 – 24 U 40/09 – WRP 2010, 142, 148; jeweils im Anschluss an Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 40; ebenso Köhler GRUR 2010, 767, 773. 1077 Ähnlich Emmerich § 5 Rn. 30; s. auch Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 179. Eingehend Peukert § 3 Rn. 276 ff. m.w.N. 1078 BGH 27.5.1982 – I ZR 35/80 – GRUR 1982, 681 – Skistiefel, BGH 21.4.1983 – I ZR 15/81 – GRUR 1983, 582 – Tonbandgerät; BGH 18.4.1985 – I ZR 155/83 – GRUR 1985, 980 – Tennisschuhe; BGH 25.6.1992 – I ZR 136/90 – GRUR 1992, 858 – Clementinen; BGH 16.3.2000 – I ZR 229/97 – GRUR 2002, 187, 188 f. – Lieferstörung. 1079 OLG Frankfurt 30.10.2008 – 16 U 237/07 – LMuR 2008, 155, 158. 1080 Richtlinienvorschlag der Kommission v 18.6.2003, KOM (2003) 356 endg, Rn. 53. 1081 Hoeren WRP 2009, 789, 792.
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bei entgegen § 5a Abs. 3 Nr. 4 UWG aber die AGB des Mitbewerbers nicht zugänglich macht.1082 Der Begriff der fachlichen Sorgfalt bedarf einer richtlinienkonformen Auslegung, da 671 er der Vorgabe in Art. 2 lit. h UGPRL nicht vollständig entspricht.1083 Dagegen spricht nicht etwa, dass der Sorgfaltsbegriff des Unionsrecht, soweit er der Rechtsprechung des EuGH zu verschiedenen Rechtsgebieten entnommen worden kann,1084 im Ergebnis funktional zu bestimmen ist.1085 Gleichwohl mag sich aus dem Gesamtkontext des UWG im Grundsatz ergeben, in welchem Sinne die Definition der beruflichen Sorgfalt zu verstehen ist und worauf sich der objektive Begriff der Sorgfalt bezieht. c) Anwendungsbereich und Bedeutung. Nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut gilt 672 die Definitionsnorm nur für geschäftliche Handlungen von Unternehmern gegenüber Verbrauchern, wie es auch dem Anwendungsbereich der UGPRL entspricht. In § 3 Abs. 2 UWG bildet die fachliche Sorgfalt den einen Teil der Unlauterkeitsdefinition, die aus Art. 5 Abs. 2 UGPRL übernommen worden ist. Gleichwohl spricht viel dafür, dass der Begriff der fachlichen Sorgfalt auch außerhalb des B2C-Bereichs in Zukunft Bedeutung erlangen könnte.1086 Zwar ist in der Literatur auch die Ansicht vertreten worden, die berufliche bzw. fachliche Sorgfalt statuiere keine Verhaltenspflichten von Unternehmern gegenüber Verbrauchern, sondern solle (im Rahmen von § 3 Abs. 2 UWG) lediglich bestimmte Handlungen vom Unlauterkeitsverdikt ausnehmen.1087 Dagegen spricht aber die Formulierung in § 3 Abs. 2 S. 1 UWG, der in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 2 UGPRL die fachliche bzw. berufliche Sorgfalt zum maßgeblichen Unlauterkeitskriterium aufwertet.1088 Dem entspricht es, wenn der EuGH zu pauschalen nationale Verboten, die weder in den Art. 5 bis 9 noch im Anhang der UGPRL eine Entsprechung finden, auf die Notwendigkeit hinweist, die Unlauterkeit im Einzelfall festzustellen und dabei auch zu überprüfen, ob die Geschäftspraxis den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt entspricht.1089 Gleichwohl beschränkt die nationale Rechtsprechung sich bislang darauf, der fachlichen Sorgfalt nur bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern beizumessen, selbst wenn ein Verstoß gegen Marktverhaltensregeln vorliegt.1090 Nimmt man die Zentralnorm des europäischen Lauterkeitsrechts, also Art. 5 Abs. 1 673 und 2 UGPRL zum Maßstab, so besteht die Unlauterkeit aus zwei Elementen (vgl. dazu § 3 Rn. 98 ff., 608 ff.), nämlich dem Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt und seiner (zusätzlich erforderlichen1091) Eignung, das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnittsadressaten wesentlich zu beeinflussen.1092 Dem folgt die etwas halbherzige Umsetzung der
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1082 OLG Hamburg 24.10.2012 – 5 U 38/10 – juris Rn. 245 = BeckRS 2012, 22946. 1083 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 128, § 3 Rn. 33 ff.; ferner Helm WRP 2013, 710, 713 (Rn. 13–15). 1084 So eingehend Dohrn Rn. 259 ff., 287 ff. 1085 Dohrn Rn. 320 ff., 519 ff. 1086 Ebenso Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 175; Harte/Henning/Podszun § 3 Rn. 60; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 126; Köhler WRP 2012, 22, 31. 1087 Scherer WRP 2009, 761, 765. 1088 Köhler WRP 2009, 898, 909 Fn. 69. 1089 Besonders deutlich EuGH 9.11.2010 – C-540/08 – Slg 2010, I-10909 = GRUR 2011, 76 Tz. 46 – Mediaprint/Österreich-Zeitungsverlag; weniger deutlich EuGH 23.4.2009 – C-261/07, C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 = GRUR 2009, 599 Tz. 52 ff., 54, 65 – VTB/Total Belgium und Galatea/Sanoma; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg 2010, I-217 = GRUR 2010, 244 Tz. 43 ff., 47, 53 – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – Slg 2011, I-5835 = GRUR Int. 2011, 853 Tz. 35 ff., 38 f. – Wamo/JBC und Modemakers Fashion. 1090 Vgl. OLG Köln 31.5.2010 – 6 U 150/09 – GRUR-RR 2011, 113, 116 – Dithianon. 1091 Fezer WRP 2010, 677, 681; Harte/Henning/Keller § 2 Rn.180; Köhler WRP 2012, 22, 25. 1092 Ebenso Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 180.
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UGPRL in § 3 Abs. 2 S. 1 UWG für verbraucherbezogene geschäftliche Handlungen. Die Unlauterkeit besteht damit auch auf nationaler Ebene heute in erster Linie aus dem Verstoß gegen die berufliche bzw. fachliche Sorgfalt, gepaart mit der Eignung zur Beeinflussung einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers.1093 Damit hat der europäische Gesetzgeber einen modernen Begriff zur Umschreibung der Unlauterkeit geprägt: Es kommt nicht mehr auf den Verstoß gegen die heute als antiquiert geltenden „guten Sitten“ an, den § 1 UWG 1909 zum Unlauterkeitstatbestand erhob.1094 Zu diesem Begriff hat es zahlreiche Versuche einer Konkretisierung gegeben,1095 die aber für die Rechtsanwendung wenig Fortschritt gebracht haben: Als sicher konnte am Ende wohl gelten, dass die guten Sitten im Kontext des UWG eine andere Funktion und damit Bedeutung haben müssen als in § 138 Abs. 1 BGB für die Rechtsgeschäftslehre, während zu § 826 BGB immerhin ein gewisser historischer Bezug herzustellen war.1096 Ansonsten hat sich die überwiegende Auffassung zuletzt mit einem Verweis auf die bereits in Art. 10bis PVÜ zu findende Anstandsformel und die Bildung von Fallgruppen beschränkt, die den unbestimmten Rechtsbegriff der guten Sitten im Hinblick auf die Schutzzwecke des UWG konkretisierten.1097 Insofern verwundert es nicht, dass im UWG 2004 eine Definition der Unlauterkeit fehlte, weil man sich nicht einigen konnte, sodass letztlich einfach in § 3 UWG 2004 unlautere Wettbewerbshandlungen (bei Hinzutreten einer gewissen Erheblichkeit für die nach § 1 UWG geschützten Interessen) für unzulässig erklärt wurden, ohne den unerklärbaren Begriff inhaltlich festzulegen. Vor diesem Hintergrund kann man es durchaus als Fortschritt empfinden, dass dem europäischen Gesetzgeber eine moderner wirkende Umschreibung gelungen ist, wenn er die Unlauterkeit in erster Linie an den Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt kennzeichnet. Natürlich kann man dagegen einwenden, der Begriff „passe“ aus deutscher Sicht nicht oder sei zumindest ungewöhnlich, doch wird jeder Versuch einer Definition der Unlauterkeit Kritik heraufbeschwören; insofern sei auf die für die Rechtsanwendung weithin fruchtlosen Bemühungen zur Sittenwidrigkeit in § 1 UWG 1909 verwiesen.1098 Überdies erweist sich der Begriff der beruflichen bzw. fachlichen Sorgfalt auch für andere Rechtsordnungen als fremd oder jedenfalls im Kontext des Marktverhaltens ungebräuchlich.1099 Somit hat er als Vorgabe für die Rechtsvereinheitlichung im Lauterkeitsrecht den nicht zu unterschätzenden Vorteil, in keiner Rechtsordnung mit einem Vorverständnis oder einer Rechtspraxis in Zusammenhang zu stehen, die möglicherweise mit Intentionen des Richtliniengebers und dem objektiven Regelungsgehalt der UGPRL in Widerspruch stehen könnten. 674 Von der Wortwahl abgesehen mag man an der beruflichen bzw. fachlichen Sorgfalt als Ansatzpunkt für die Beurteilung eines Marktverhaltens zweierlei kritisieren: Zum
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1093 Ähnlich OLG Frankfurt 25.3.2010 – 6 U 219/09 LMRR 2010, 81 – Whiskey-Cola (am Ende); Berlit WRP 2011, 1225, 1228; Köhler GRUR 2010, 767, 773 f.; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 10 f.; Kulka DB 2008, 1548, 1553; Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 79 ff. 1094 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 15; siehe dazu auch Einl. A Rn. 26, 124 sowie Einl. C Rn. 286 ff. 1095 Dazu jeweils m.w.N. umfassend Schünemann (Voraufl.) Einl. D Rn. 1 – 116; ferner Baumbach/Hefermehl Einl. UWG a.F. Rn. 66 ff., 84 ff.; Einl. B Rn. 32 ff. 1096 Vgl. zuletzt BGH 14.5.1998 – I ZR 10/96 – GRUR 1998, 945, 946 f. m.w.N. – Co-Verlagsvereinbarung; vgl. auch BGH 26.4.2001 – I ZR 314/98 – BGHZ 147, 296, 303 = GRUR 2001, 1178 – Gewinn-Zertifikat; Schünemann (Voraufl.) Einl. D Rn. 1, 7 m.w.N.; Köhler/Piper Einf. UWG a.F. Rn. 262 m.w.N. 1097 S. etwa BGH 3.12.1998 – I ZR 119/96 – BGHZ 140, 134, 138 f., 145 f. = GRUR 1999, 1128– Hormonpräparate; BGH 6.10.1999 – I ZR 46/97 – GRUR 2000, 237, 238 – GiftnotrufBox; BGH 26.4.2001 – I ZR 314/98 – BGHZ 147, 296, 303 = GRUR 2001, 1178 – Gewinn-Zertifikat; näher jeweils m.w.N. Baumbach/Hefermehl Einl. UWG aF Rn.109 ff. sowie § 1 UWG a.F. Rn. 2 f., 4 ff.; Emmerich FS Gernhuber, S. 857, 859; Köhler/Piper Einf. UWG a.F. Rn. 271 ff., § 1 UWG a.F. Rn. 9. 1098 Dazu ausführlich insbesondere Schünemann (Vorauflage) Einl. D Rn. 1 – 136 m.w.N. 1099 Vgl. Dohrn Rn. 442 ff., 519 m.w.N.
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einen deutet – jedenfalls aus Sicht der deutschen Rechtssprache – der Begriff der beruflichen bzw. fachlichen Sorgfalt in die Richtung des Haftungs- und des Leistungsstörungsrechts.1100 Dass muss aber nicht bedeuten, dass man das Kriterium – angepasst an die dortigen Funktionen und Schutzzwecke – nicht auch im Lauterkeitsrecht fruchtbar machen könnte. Natürlich verbleibt für den deutschen Juristen das Problem, dass die „berufliche Sorgfalt“ eher noch an die Fahrlässigkeitsdefinition des § 276 Abs. 2 BGB erinnert und somit zwangsläufig einen gewissen Verschuldensbezug erhält, auf den es für die Feststellung eines objektiven Wettbewerbsverstoßes nicht ankommen kann. Indes bleibt zu hoffen, dass der deutsche Jurist in der Lage ist, mit dem neuen Begriff der fachlichen Sorgfalt im Unlauterkeitsrecht umzugehen. Zum anderen kann man gegen den Maßstab der fachlichen Sorgfalt einwenden, dass er 675 höchst unklar bleibt, weil seine Definition wegen der in ihr enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe keine allzu große Konkretisierung mit sich bringt.1101 Dies ist sicherlich nicht falsch, liegt aber in der Natur der Sache: Ein Lauterkeitsrecht muss, wie die Erfahrungen mit dem UWG 1896 gezeigt haben, auf unbestimmte Rechtsbegriffe und eine Generalklausel zurückgreifen. Die nähere Konkretisierung erfolgt entweder durch Beispielstatbestände wie in den Art. 6 bis 9 UGPRL und dem Richtlinien-Anhang1102 bzw. in den §§ 4 bis 7 UWG sowie dem UWG-Anhang1103 oder durch die Fallgruppenbildung in Rechtspraxis und Rechtswissenschaft. Die Bezugnahme auf eine berufliche bzw. fachliche Sorgfalt zeigt aber immerhin, welche Aspekte für die Unlauterkeit überhaupt relevant sein können, nämlich die Einhaltung professioneller Standards, die auf die Belange des jeweiligen Marktpartners – insbesondere Verbrauchers – Rücksicht nehmen.1104 Insofern kann man nicht ernsthaft annehmen, der Begriff der fachlichen Sorgfalt sei nicht operational,1105 denn dies könnte man für den Begriff der Unlauterkeit an sich ohne Konkretisierung auch behaupten, und die Konkretisierungen, die Art. 5 Abs. 5 und 6 bis 9 UGPRL geben, helfen über die zunächst aufgetretene Irritation über den neuen Begriff hinweg. Auch der nationale Gesetzgeber hat grundsätzlich die Möglichkeit, die fachliche Sorgfalt durch zumutbare Verhaltenspflichten für Unternehmer zu konkretisieren, die den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Rechnung tragen, soweit er sich dabei an den Handlungsrahmen hält, den ihm das Unionsrecht belässt,1106 also vor allem im nicht harmonisierten Bereich.1107 Insbesondere darf der nationale Gesetzgeber also nur die fachliche Sorgfalt näher ausgestalten, nicht aber eine per-se-Unlauterkeit ohne Klärung der Eignung zur Beeinflussung der Verbraucherentscheidung im Einzelfall vorsehen.1108 Letztlich spricht deshalb viel dafür, dem Begriff der fachlichen Sorgfalt zentrale 676 Bedeutung für die Beurteilung der Unlauterkeit solcher geschäftlicher Handlungen beizumessen, denen weder die UGPRL noch das UWG konkretere Tatbestände widmet.
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1100 So Gloy/Loschelder/Erdmann § 38 Rn. 4; Harte/Henning/Glöckner, UWG 2004, Einl. B, Rn. 180; Harte/Henning/Podszun § 3 Rn. 62; Goldhammer S. 42 f.; Henning-Bodewig WRP 2011, 1014, 1017; Scherer WRP 2009, 761, 765. 1101 So oder ähnlich Böhler WRP 2011, 1028, 1034; Emmerich § 5 Rn. 30; Götting/Nordemann § 2 Rn. 56; Henning-Bodewig WRP 2011, 1014, 1017; Kulka DB 2008, 1548, 1553 f. 1102 So letztlich EuGH 23.4.2009 – C-261/07 (u.a.) – Slg. 2009, I-2949 = GRUR 2009, 599 Tz. 54 ff. – VTB/Total Belgium u. Galatea/Sanoma; Köhler GRUR 2009, 626, 631. 1103 Köhler GRUR 2009, 626, 631 und WRP 2012, 22, 29. 1104 Ähnlich Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 177. 1105 So jedoch Harte/Henning2/Schünemann § 3 Rn. 190. 1106 BGH 5.6.2008 – I ZR 4/06 – GRUR 2008, 807 Tz. 20 – Millionen-Chance I; Köhler WRP 2012, 22, 25 ff., 30 f. 1107 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 36. 1108 St. Rspr., zuletzt EuGH 17.1.2013 – C-206/11 – GRUR 2013, 297 Tz. 35 ff., 49 – Köck, m.w.N.; ebenso Glöckner GRUR 2013, 224, 232 f.
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Letztlich bietet es sich an, den Maßstab nicht nur, wie die Gesetzesfassung in § 3 Abs. 1 und 2 UWG es heute nahelegt, für die Beurteilung verbraucherbezogener geschäftlicher Handlungen heranzuziehen, sondern die Unlauterkeit allgemein als einen Verstoß gegen die im konkreten Umfeld geltende fachliche Sorgfalt eines Unternehmers zu begreifen.1109 Soweit es um ein Verhalten geht, dass die Interessen der Marktgegenseite beeinträchtigen kann, erfordert die Unlauterkeit dann zusätzlich die in § 3 Abs. 2 S. 1 UWG (Art. 5 Abs. 2 lit. b) UGPRL) geforderte Eignung, eine Entscheidung der Marktgegenseite wesentlich zu beeinflussen. In zahlreichen Konstellationen ergeben sich hinsichtlich der Interessenlage zwischen Verbrauchern und Unternehmern keine nennenswerten Unterschiede, man denke nur an irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken. So spielt es bei einem Anruf durch ein Meinungsforschungsunternehmen zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit letztlich für die Frage der Belästigung keine ausschlaggebende Rolle, ob ein Verbraucher oder ein Unternehmer befragt werden soll.1110 Insgesamt kann der objektive Maßstab der fachlichen Sorgfalt in einzelnen Konstellationen wohl auch dazu führen, dass geschäftliche Handlungen über das früher in Deutschland übliche Maß hinaus als unlauter anzusehen sein könnten. Dass die Definition der fachlichen Sorgfalt als für die Unlauterkeit zumindest gegenüber Verbrauchern zentrales Tatbestandsmerkmal durch sehr unbestimmte Rechtsbegriffe gekennzeichnet ist, mag man zwar als unbefriedigend ansehen, doch werden immerhin gewisse Kriterien genannt, die für die Unlauterkeit maßgeblich sind, was über die Situation unter § 3 UWG 2004 hinausgeht, der es beim reinen Begriff der Unlauterkeit beließ (wie heute § 3 Abs. 1 UWG auch). Dabei sind die Elemente der fachlichen Sorgfalt im Vergleich zu den guten Sitten des § 1 UWG 1909 oder den anständigen Marktgepflogenheiten des Art. 10bis PVÜ immerhin weniger antiquiert und zumindest etwas besser geeignet, den entscheidenden Gesichtspunkt zum Ausdruck zu bringen: Es geht im Unlauterkeitsrecht nicht etwa um Fragen der allgemeinen Moral geht, sondern um ein professionelles Verhalten bei der Marktteilnahme, um eine europäische Geschäftsethik als Teil eines Systems unverfälschten Wettbewerbs.1111 Der auf den ersten Blick für das deutsche Lauterkeitsrecht noch neue Begriff eignet 677 sich zudem, altbekannte Rechtsinstitute aus der Zeit des UWG 1909 mit neuem Leben zu füllen. Namentlich ist hier an den sog. Rechtsbruch zu denken, der wegen der von § 1 UWG vorgegebenen Schutzzwecke in § 4 Nr. 11 UWG tatbestandlich enger kodifiziert worden ist, als er in früheren Jahrzehnten gehandhabt wurde.1112 Die sog. Marktverhaltensregeln des § 4 Nr. 11 UWG werden typischerweise die fachliche Sorgfalt widerspiegeln, die in bestimmten Bereichen unternehmerischer Betätigung zu beachten sind. Naturgemäß kann die im Einzelfall gebotene fachliche Sorgfalt aber auch noch über das hinausgehen, was Gesetze, Berufsordnungen usw. vorschreiben. Marktverhaltensregelnde Gesetze können also im Einzelfall die fachliche Sorgfalt des Unternehmers erweitern.1113
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1109 Ebenso für Handlungen gegenüber Verbrauchern bzw. sonstigen Marktteilnehmern Köhler WRP 2012, 22, 23 ff., 31; ähnlich Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 175, 180; Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 78. – A.A. Kulka DB 2008, 1548, 1554, der aus der Unlauterkeit auf den Sorgfaltsverstoß schließen will. 1110 Vgl. die Ausführungen in OLG Köln 30.3.2012 – 6 U 191/11 – WRP 2012, 725, 727 f. – Telefonanruf durch Meinungsforschungsinstitut. 1111 Zu letzterem s. Emmerich § 5 Rn. 32. 1112 Zum Verständnis der früheren Rspr. und h.L. s. etwa jeweils m.w.N. zuletzt BGH 3.12.1998 – I ZR 119/96 – BGHZ 140, 134, 138 f = GRUR 1999, 1128 – Hormonpräparate; BGH 6.10.1999 – I ZR 46/97 – GRUR 2000, 237, 238 – Giftnotrufbox Baumbach/Hefermehl (22. Aufl. 2001) § 1 Rn. 609 ff.; Köhler/Piper UWG (3. Aufl. 2002) § 1 Rn. 727 ff., 745 ff., 785 ff. 1113 So auch Köhler WRP 2012, 22, 25.
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Namentlich stellt sich die Frage, ob der Verstoß gegen sonstige, also nicht das 678 Marktverhalten regelnde Gesetze ebenfalls unlauter sein kann, wie es der früheren Rechtsprechung und Lehre entsprach. Die Erzielung eines „Vorsprungs durch Rechtsbruch“ könnte theoretisch gegen die fachliche Sorgfalt verstoßen, sodass diese bei manchen Autoren immer noch beliebte Rechtsfigur1114 einstweilen zumindest im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 UWG wieder auferstehen könnte. Glücklicherweise spricht dagegen zumindest, dass die Unlauterkeit noch die Eignung voraussetzt, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Insofern wird man wohl sagen können, dass etwa die Einhaltung von Umweltstandards den Durchschnittsverbraucher regelmäßig nur dann in relevanter Weise beeinflussen wird, wenn der Aspekt für seine geschäftliche Entscheidung von Belang ist. Sollte das ethische Bewusstsein des Durchschnittsverbrauchers allerdings in Zukunft ein entsprechendes Ausmaß erreichen, müsste man über den (Vorsprung durch) Rechtsbruch auch über § 4 Nr. 11 UWG hinaus nochmals nachdenken, und dann bei der Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 UWG verorten,1115 neben welcher der Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG – außer für den Mitbewerberschutz – keine Bedeutung mehr haben dürfte bzw. im harmonisierten Bereich unter Umständen nicht mehr anwendbar sein, zumindest nicht ohne zusätzliche Heranziehung von § 3 Abs. 2 S. 1 UWG.1116 Vor diesem Hintergrund kann man de lege ferenda zwar in Erwägung ziehen, den alten Vorsprung durch Rechtsbruch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 2 UWG wieder als Unlauterkeitstatbestand einzuführen,1117 doch ist kaum von der Hand zu weisen, dass es einen erheblichen Rückschritt in der Dogmatik des Unlauterkeitsrechts und einen gewissen Widerspruch zur Wertung des § 1 Satz 2 UWG bedeuten würde, auch Verstöße gegen beliebige nicht marktverhaltensregelnde Normen wieder über das UWG zu bekämpfen. Insbesondere wäre im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorgaben aber der Vorsprung durch Rechtsbruch auch nur dann unlauter, wenn er eine Verstoß gegen die im konkreten Fall geltende fachliche Sorgfalt darstellt, und dies kann man nicht bei jedem Rechtsverstoß annehmen.1118 Nicht ganz klar ist auch, wie sich die allgemeine Definition der fachlichen Sorgfalt 679 und der daran anknüpfende Unlauterkeitstatbestand des § 3 Abs. 2 UWG zu den spezielleren Regelungen insbesondere in §§ 5, 5a bzw. 4 Nr. 1 und 7 UWG verhalten. Hier wird man – auch im Hinblick auf die Systematik der Art. 5 bis 9 UGPRL – sagen müssen, dass irreführende (und aggressive) Geschäftspraktiken bzw. geschäftliche Handlungen klassische und im Gesetz austypisierte Beispiele für Verstöße gegen die beruflichfachliche Sorgfalt darstellen, so dass aus dem Vorliegen einer irreführenden oder aggressiven Geschäftspraxis ohne weiteres ein Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt folgt, der keiner darüber hinausgehenden Begründung mehr bedarf.1119 Besonders naheliegend erscheint dies beim Unterlassen von nach Art. 7 Abs. 2 bis 5 UGPRL bzw. § 5a Abs. 2 bis 4 UWG wesentlichen Informationen, die nach der Vorstellung der Richtlinienverfasser
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1114 Vor allem Glöckner GRUR 2008, 960, 965 ff. m.w.N. sowie ders. GRUR 2013, 568, 573 ff. m.w.N. 1115 Ebenso Glöckner WRP 2009, 1175, 1182; Tüngler/Ruess WRP 2009, 1336, 1341. 1116 So LG Frankfurt/M. 4.1.2012 – 3-08 O 113/11 – WRP 2012, 868, 869. 1117 So nun Glöckner GRUR 2013, 568, 576. 1118 Ebenso bereits öOGH 11.3.2008 – 4 Ob 225/07b – GRUR Int 2009, 342, 345 ff. – Stadtrundfahrten, allerdings mit einem angesichts des objektiven Kriteriums der fachlichen Sorgfalt nicht überzeugenden Abstellen auf die Frage der Vertretbarkeit einer Auslegung. 1119 Ebenso OLG Hamburg 12.7.2012 – 3 U 65/10 MD 2012, 1121, 1138 – 40 #1 hits The Sixties; Heidinger in: Wiebe/G. Kodek, UWG [2009] § 1 Rn. 13; Köhler WRP 2010, 1293, 1298; Scherer WRP 2010, 586, 589; Zabel VuR 2011, 403, 405 ff.
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ohne weiteres einen Verstoß gegen die berufliche Sorgfaltspflicht darstellen sollen.1120 Gleichwohl hat der öOGH den EuGH angerufen, um klären zu lassen, ob dem wirklich so ist oder ob ein Unternehmer sich darauf berufen kann, eine irreführende oder aggressive Geschäftspraktik entspreche im Einzelfall der beruflichen Sorgfalt.1121 Maßgebend für die Vorlage war dabei neben der systematischen Erwägung, dass die Art. 6 bis 9 UGPRL letztlich Konkretisierungen der Unlauterkeit i.S.v. Art. 5 Abs. 2 UGPRL darstellten, der Umstand, dass in der deutschen Instanzrechtsprechung der Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt auch in Irreführungsfällen teils gesondert geprüft worden ist1122 und in der Literatur vereinzelt der Sorgfaltsverstoß als Tatbestandsmerkmal auch des Irreführungstatbestands angesehen werde.1123 Die Vorlage erscheint angesichts der doch recht eindeutigen Gesamtsystematik der Art. 5–9 UGPRL eher übertrieben. 1124 Man wird den Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die fachliche Sorgfalt wohl nur in Fällen ergänzend heranziehen können bzw. müssen, in denen es weder um unwahre Tatsachenbehauptungen noch um die in Beispielstatbeständen konkretisierte Irreführungseignung geht. So könnte man etwa bei der Arzneimittelwerbung die Qualifikation von nicht wissenschaftlich erwiesenen Wirkungen als irreführend1125 durchaus damit begründen, dass der notwendige Schutz des Verbrauchers es gebiete, in der Patienteninformation auf eine fehlende wissenschaftliche Absicherung bzw. Anerkennung bestimmter Wirksamkeitsangaben hinzuweisen.1126 Insofern dürfte dem Kriterium der fachlichen Sorgfalt in nicht eindeutigen Fällen also auch für Auslegung der Tatbestände irreführender und aggressiver Geschäftspraktiken eine mittelbare Bedeutung,1127 auch im Rahmen sonstiger Unlauterkeit i.S.v. § 3 Abs. 2 UWG bzw. Art. 5 Abs. 1 und 2 UGPRL eine zentrale Bedeutung zukommen. Schließlich stellt sich die Frage, ob der rein objektive Begriff der fachlichen Sorgfalt 680 von Unternehmern gegenüber Verbrauchern nicht einen größeren Gleichlauf zwischen UWG und BGB nahelegt, weil ein Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt im Sinne einer Rücksichtnahmepflicht zugleich regelmäßig die Verletzung einer Pflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB darstellt.1128 Dies bedarf noch näherer Klärung, liegt aber im Bereich der Verletzung von Informationspflichten vor Vertragsschluss und vielleicht auch danach sicherlich nahe. Damit wäre zugleich die leidige Kontroverse um die Notwendigkeit einer Anspruchsberechtigung der Verbraucher für UWG-Verstöße obsolet.1129 Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Verbraucher nun aus unionsrechtlichen Gründen zwingend entgegen dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 UWG selbst berechtigt wäre, Ansprüche wegen Wettbewerbsverstößen geltend zu machen. Er könnte aber unter Umständen wegen der Verletzung vorvertraglicher (oder nach einem Vertragsschluss vertraglicher) Rücksichtnahmepflichten eigene Ansprüche auf anderer Grundlage haben, die an dasselbe Verhalten anknüpfen. Zwar lässt die UGPRL gemäß ihrem Art. 3 Abs. 2 das Ver-
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1120 So bereits die Begründung zum Richtlinienvorschlag KOM (2003) 256 endg. Rn. 52, 56 ff.; ebenso Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 126; Köhler WRP 2009, 109, 116. 1121 ÖOGH 5.7.2011 – 4 Ob 27/11s – GRURInt 2012, 268, 270 – Exklusivbuchung. 1122 Vom OLG Jena 8.7.2009 – 2 U 983/08 MD 2010, 177 = NJOZ 2010, 1216, 1221. – Weitere Beispiele s. Rn. 717 ff. 1123 Götting/Nordemann § 5 Rn. 0.33. 1124 S. auch Henning-Bodewig GRUR 2013, 238, 242. 1125 Dazu etwa OLG Hamburg 20.9.2012 – 3 U 53/11 – WRP 2013, 196, 199 f. – Überlegen wirksam; näher dazu Sachs WRP 2010, 26, 27 f., 34 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung. 1126 So zum Parallelproblem in der Kosmetikwerbung zumindest ansatzweise Sachs WRP 2010, 26, 27, 36 f. 1127 So bereits Gloy/Loschelder/Erdmann § 38 Rn. 2. 1128 So auch Bärenfänger WRP 2011, 16, 24. 1129 Im Ansatz ähnlich Bärenfänger WRP 2011, 16, 24.
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tragsrecht grundsätzlich unberührt, sodass man aus der Unlauterkeit etwa nicht ohne weiteres auf die Missbräuchlichkeit von AGB-Klauseln schließen kann oder umgekehrt,1130 doch gibt es sicherlich eine gemeinsame Schnittmenge von Beurteilungskriterien, die im Einzelfall zu einer parallelen Beurteilung führen kann, wenn auch nicht zwangsläufig muss. 2. Elemente der Definition a) Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt. In Übereinstimmung mit der Defi- 681 nition in der Richtlinie besteht die fachliche Sorgfalt aus einem Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, der von einem Unternehmer in einem bestimmten geschäftlichen Kontext zu beachten ist. Damit sollen die Anforderungen an das Verhalten beschrieben werden, die ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher bei einer geschäftlichen Handlung zu beachten hat. Somit geht es im Hinblick auf die Unlauterkeit i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG letztlich um die Grenzen einer zulässigen Einflussnahme auf eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers. aa) Fachkenntnisse. Der Begriff der Fachkenntnisse in der Definition der beruflichen 682 bzw. fachlichen Sorgfalt ist im Schrifttum auf viel Unverständnis gestoßen, da der relevante Zusammenhang zwischen Fachkenntnissen und Lauterkeitsrecht nicht ohne weiteres ersichtlich ist.1131 Immerhin hat die Fremdartigkeit – aus der Sicht des Richtliniengebers – sicherlich den Vorteil, dass es in den Rechtsordnungen kein tradiertes und nur schwer zu überwindendes Vorverständnis gibt, was damit gemeint sein könnte. Allgemein wird man deshalb zu dem Kriterium auch nicht viel sagen können; es ist aber festzuhalten, dass von einem Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt die Rede ist, es sich also letztlich nur um ein Einzelelement aus einem zusammengesetzten Begriff handelt, dessen eigenständige Bedeutung möglicherweise nicht überschätzt werden darf. Immerhin deuten Fachkenntnisse aber – wie erwähnt – auf einen objektiven Maßstab hin, und wenn man an die Schutzzwecke der zugrundeliegenden UGPRL denkt, mögen die Fachkenntnisse durchaus von Bedeutung dafür sein, welche Informationen man einem Verbraucher zur Ermöglichung einer informierten geschäftlichen Entscheidung geben sollte. Darüber hinaus zählen zu den Fachkenntnissen aber sicherlich die gesetzlichen Vorschriften,1132 die für die Berufsausübung allgemein oder in einer bestimmten Branche gelten. Soweit diese Pflichten ihre Grundlage im Unionsrecht haben und für kommerziel- 683 le Kommunikation einschließlich Werbung angeordnet sind, gelten sie nach Art. 7 Abs. 5 UGPRL bzw. § 5 Abs. 4 UWG als wesentlich; man denke etwa an die Impressumspflichten aus § 5 TMG.1133 Andere im Unionsrecht angeordneten Informationspflichten können gleichwohl wesentliche Informationen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 UGPRL bzw. § 5a Abs. 1 UWG darstellen,1134 im Übrigen aber die fachliche Sorgfalt beeinflussen. Letzteres gilt aber
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1130 Vgl. EuGH 15.3.2012 – C-453/10 – Slg. 2012, I-0000 = GRUR 2012, 639 Tz. 42 ff. – Pereničová und Perenič; Alexander WRP 2013, 17, 20 f.; s. auch Tüngler/Ruess WRP 2009, 1336, 1341 f. 1131 Vgl. etwa Dohrn Rn. 607 ff. m.w.N. – S. ferner bereits oben § 2 Rn. 666 f., 674 f. 1132 Ebenso Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 182. 1133 Dazu etwa OLG Naumburg 13.8.2010 – 1 U 28/10 – MMR 2010, 760, 761. 1134 A.A. offenbar Köhler WRP 2012, 638, 646 f., der annimmt, Art. 3 Abs. 4 UGPRL stehe einer Anwendung der Richtlinie insofern entgegen. Das gilt aber nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur im Verhältnis zu Vorschriften, welche speziellere Regelungen über unlautere Geschäftspraktiken enthalten, wie beispielsweise Irreführungsverbote im Lebensmittel-, Health-Claims- und Arzneimittelbereich. Sonstige Vorschriften des Verbraucherrechts sind also nicht durch Art. 3 Abs. 4 UGPRL aus deren Anwendungsbereich ausgeschlossen, sondern können im Rahmen der fachlichen Sorgfalt nach Art. 5
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auch für nationale Vorschriften ohne Grundlage im EU-Recht, zumindest soweit sie nach diesem zulässig (also nicht ausgeschlossen) sind.1135 Für die Auslegung aller im Unionsrecht basierten Anforderungen an die fachliche Sorgfalt ist grundsätzlich der EuGH zuständig, doch kommt auch den nationalen Gerichten eine Konkretisierungsbefugnis zu,1136 da bei der Anwendung der in der UGPRL enthaltenen Begriffe auf das jeweilige Verbraucherverständnis im konkreten Einzelfall abzustellen ist, das u.a. von kulturellen Gegebenheiten abhängig ist. Deshalb bedarf es einer Vorlage an den EuGH nicht, wenn das nationale Gericht die notwendige Auslegung selbst vornehmen kann. 1137 684 Was zum jeweils relevanten Standard an Fachkenntnissen und Sorgfaltspflichten gegenüber Marktpartnern gehört, lässt sich nicht pauschal sagen, sondern ist im Einzelfall zu ermitteln. Entgegen Befürchtungen des Schrifttums1138 bereitet dies der Praxis allerdings weniger Schwierigkeiten, als man angesichts des für das deutsche Unlauterkeitsrecht neuen Begriffs hätte erwarten können. Ein erster Anhaltspunkt dafür findet sich, was die Werbung angeht, etwas etwas versteckt in Art. 5 Abs. 3 S. 2 UGPRichtlinie, der übertriebene und andere nicht wörtlich zu nehmende Behauptungen als „rechtmäßige Werbepraxis“ bezeichnet; im UWG wird dies nicht erwähnt (näher dazu § 3 Rn. 655). Weitere Anhaltspunkte bieten die nach Art. 5 Abs. 4 UGPRL als unlauter anzusehenden irreführenden und aggressiven Geschäftspraktiken i.S.d. Art. 6 bis 9 der Richtlinie und ihres Anhangs.1139 Auf der Ebene des deutschen UWG bieten sich daher die im Anhang1140 und in den §§ 4 bis 6 und 7 UWG enthaltenen konkreten Unlauterkeitstatbestände als Anhaltspunkte an,1141 wenn auch mit der Einschränkung, dass es auf die jeweilige Richtlinienkonformität ankommt.1142 Deshalb müssen z.B. die für eine geschäftliche Entscheidung relevanten Informationen nur in dem von § 5a Abs. 2 UWG und den weiteren Absätzen vorgegebenen Rahmen erteilt werden. Wird ein Preisnachlass von 500 € über einen Gutschein beworben, zwingt dies nicht zur Angabe des Listen- oder Grundpreises für das Produkt, auf das man den Rabatt erhalten kann.1143 Werden einem Verbraucher Angaben im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG vorenthalten, liegt ohne weiteres ein Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt vor, so etwa bei einer unklaren
_____ Abs. 2 UGPRL für die Unlauterkeit von Bedeutung sein, gelten aber nicht ohne weiteres als wesentlich im Sinne von Art. 7 Abs. 1 UGPRL. 1135 A.A. Köhler WRP 2012, 638, 648 f. 1136 Vgl. BGH 14.4.2011 – I ZR 133/09 – GRUR 2011, 638 Tz. 20 – Werbung mit Garantie; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 194. 1137 Vgl. BGH 14.4.2011 – I ZR 133/09 – GRUR 2011, 638 Tz. 20 – Werbung mit Garantie; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 194. 1138 Etwa Götting/Nordemann § 2 Rn. 57. 1139 Köhler WRP 2010, 1293, 1296, 1298; ähnlich Berlit WRP 2011, 1225, 1227 ff. – Seiner Kritik an der Entscheidung BGH 14.10.2010 – I ZR 212/08 – GRUR 2011, 546 – Mega-Kasten-Gewinnspiel ist allerdings entgegenzuhalten, dass es im Kontext der Frage, ob sich ein Mandant das Verschulden seines Anwalts im Jahr 2004 zurechnen lassen musste, kaum auf das erst später eingeführte Kriterium der fachlichen Sorgfalt ankommen kann und der I. Zivilsenat demzufolge wenig Anlass hatte, dieses heranzuziehen. 1140 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 187. 1141 So Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 186, 189 f., ohne klar zu berücksichtigen, dass dies im Verhältnis von Unternehmern zu Verbrauchern nur gelten kann, sofern die deutschen Tatbestände auch richtlinienkonform sind, was aber in Rn. 188 eher zum Ausdruck kommt. 1142 Ähnlich Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 126. – Dass zusätzlich noch das Relevanzerfordernis des § 3 Abs. 2 S. 1 UWG (bzw. ggf. des § 3 Abs. 1 UWG) erfüllt sein muss, spielt für den Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt noch keine Rolle, sondern lediglich für die richtlinienkonforme Ausgestaltung der Unlauterkeit i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG bzw. Art. 5 UGPRL, vgl. Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 186. 1143 BGH 21.7.2011 – I ZR 192/09 – GRUR 2012, 402 Tz. 29 ff. – Treppenlift.
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bzw. unzutreffenden Typenbezeichnung einer beworbenen Ware, die dem Verbraucher den Vergleich mit konkurrierenden Angeboten erschwert,1144 oder bei der Werbung für einen Pkw, bei dem nur der Kaufpreis blickfangartig genannt wird, während zusätzlich anfallende Kosten für die Überführung nur in einem Sternchenhinweis zu finden sind, der keine Angabe des Gesamtpreises enthält.1145 – Zum Verhältnis der fachlichen Sorgfalt zu typisierten Unlauterkeitstatbeständen s. oben Rn. 679 sowie § 3 Rn. 116 ff. Die fachliche Sorgfalt und ihr jeweils gebotener Grad sind zunächst der Rechtsord- 685 nung zu entnehmen.1146 Zum allgemein für jeden Unternehmer geltenden fachlichen Standard zählen sicherlich insbesondere alle im Unionsrecht zu findenden Vorschriften des Verbraucherschutzes bzw. die seiner Umsetzung dienenden mitgliedstaatliche Vorschriften sowie in zulässiger Weise darüber hinausgehende oder gänzlich autonome nationale Vorschriften, also etwa die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie und die sie umsetzenden §§ 474 ff. BGB1147 oder die Klausel-Richtlinie mit ihrer Umsetzung in den §§ 305 ff. BGB.1148 Dazu zählen ferner die Vorschriften der PAngV, die der Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien dienen, und deren Einhaltung von einem Unternehmer zu erwarten ist.1149 Ob das im Einzelfall für kleinere Unternehmen eine erhebliche Belastung darstellt, ist für die einzuhaltende fachliche Sorgfalt zunächst einmal unerheblich,1150 könnte aber unter Umständen bei dem weiteren Tatbestandsmerkmal berücksichtigt werden, dass die Einhaltung der an sich bestehenden fachlichen Sorgfalt zu erwarten sein muss.1151 Auf diese Weise dürfte sich die Problematik der sog. Ausreißer auch auf unter Berücksichtigung des EU-Rechts lösen lassen, da unverhältnismäßige Sanktionen1152 nicht notwendig sind. Auch die Vorgaben des Unlauterkeitsrechts selbst und der es ergänzenden Vor- 686 schriften enthalten zwangsläufig Vorgaben für die einzuhaltende fachliche Sorgfalt. So verbietet § 7 UWG in teilweiser Umsetzung der Art. 8 und 9 UGPRL unzumutbare Belästigungen nicht nur von Verbrauchern, was auch dafür spricht, die fachliche Sorgfalt als allgemeineres Kriterium aufzufassen. Dabei kann man § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG das Erfordernis ansehen, vor einer Telefon- bzw. E-Mail-Werbung (etc.) eine (ausdrückliche) Einwilligung des (Verbraucher-)Adressaten einzuholen, was zu der Obliegenheit führt, das Vorliegen und die Einzelheiten der Einwilligung zu dokumentieren; ferner ist im Umfeld der Telefonwerbung etwa das Verbot des § 102 Abs. 2 TKG zu beachten, bei Werbeanrufen die Telefonnummer zu unterdrücken.1153
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1144 LG Stuttgart 3.5.2012 – 11 O 2/12, BB 2012, 1421, 1422 (Kurzwiedergabe). 1145 KG 4.9.2012 – 5 U 103/11 – WRP 2012, 1424, 1427. 1146 Juris-PK/Ullmann § 3 Rn. 20. 1147 BGH 31.3.2010 – I ZR 34/08 – GRUR 2010, 1117 Tz. 19, 26 ff. – Gewährleistungsausschluss im Internet; BGH 14.4.2011 – I ZR 133/09 – GRUR 2011, 638 Tz. 20 – Werbung mit Garantie. 1148 BGH 31.3.2010 – I ZR 34/08 – GRUR 2010, 1117 Tz. 19, 26 ff. – Gewährleistungsausschluss im Internet; BGH 31.5.2012 – I ZR 45/11 – GRUR 2012, 949 Tz. 42 – Missbräuchliche Vertragsstrafe; Alexander WRP 2012, 515, 520 f.; zweifelnd Tüngler/Ruess WRP 2009, 1336, 1341 f. 1149 Zu unionsrechtlichen Zweifeln an den Normen der PAngV eingehend Köhler WRP 2013, 723 ff. 1150 Ebenso OLG Köln 19.10.2012 – 6 U 46/12 – WRP 2013, 370, 371 f. – Grundpreisangabe bei Amazon; für großzügigere Maßstäbe Buchmann K&R 2013, 122, 123 f. 1151 Wohl a.A. OLG Köln 19.10.2012 – 6 U 46/12 – WRP 2013, 370, 372 – Grundpreisangabe bei Amazon. 1152 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt Buchmann K&R 2013, 122, 123 f., dem es um die Problematik der mehr oder weniger unvermeidlichen Verwirkung von Vertragsstrafen bei Preisangabenverstößen im Internet geht. Dies ist allerdings keine Frage der Unlauterkeit an sich, sondern eher ein Problem der strafbewehrten Unterwerfung, bei der es wenig Raum für die Berücksichtigung von Ausreißern gibt, was es in der Tat nahelegt, in derartigen Fällen eher einen Titel des Gläubigers (im Wege des Anerkenntnisses oder der Säumnis) abzuwarten. 1153 Vgl. Wollschläger/Baustian IR 2010, 126, 129.
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Zum fachlichen Standard zählen darüber hinaus alle (sonstigen) gesetzliche Vorschriften, die das Marktverhalten (zugleich i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG) zwingend regeln1154 oder darüber ggf. hinausgehend Standards für die Berufsausübung in einem bestimmten Gebiet setzen. Herangezogen wurden u.a. bereits § 19 Abs. 1 S. 2 bis 4 FahrlG für die Preisangabe in einer Gutscheinwerbung einer Fahrschule.1155 Ferner wurde im Kontext der fachlichen Sorgfalt Bezug genommen auf § 66a Abs. 6 TKG für fehlende Preisangaben bei Angabe einer Telefonhotline-Nummer1156 und § 5 PKW-EnVK für fehlende Angaben zu CO2-Emissionen von PKWen,1157 wobei diese Fälle § 5 Abs. 4 UWG zuzuordnen sind, da die fraglichen Angaben ihre Grundlage in Art. 20 Abs. 1 lit. d) der Universaldienste-Richtlinie 2002/22/EG bzw. Art. 6 Richtlinie 1999/94/EG haben. Ähnlich verhält es sich bei sonstigen Preisangaben,1158 etwa notwendigen Grundpreisangaben im Online-Handel,1159 bei der die Vorgaben der EGGrundpreis-Angaben-Richtlinien 98/6/E den unionsrechtlichen Hintergrund bilden. Bei Import und Handel mit Elektro- und Elektronikgeräten zählen die Vorschriften des ElektroG zu den beachtenden Kenntnissen und damit zur fachlichen Sorgfalt.1160 Auch das Recht der freien Berufe stellt Anforderungen an die Berufsausübung und 688 die dabei zu beobachtende Sorgfalt,1161 definiert also ebenfalls die fachliche Sorgfalt. Deshalb sind berufsrechtliche Werbeverbote und Werbebeschränkungen,1162 sofern sie nicht grund- oder kartellrechtswidrig sind, ebenfalls zu beachten. Gleichwohl besteht die „fachliche Sorgfalt“, wie der von Art. 2 lit. h) UGPRL abweichende Begriff immerhin einigermaßen klarstellt, nicht nur (aber eben auch) aus den Maßstäben des Rechts eines selbständigen Berufs.1163 Naheliegend ist insbesondere, dass Werberichtlinien von Berufs- und Branchen689 verbänden – also Verhaltenskodizes i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG bzw. Art. 2 lit. f) UGPRL1164 – zur fachlichen Sorgfalt gezählt werden und somit doch noch eine größere Bedeutung erlangen könnten.1165 Bislang spielten sie nur eine untergeordnete Rolle, da die Rechtsprechung sie im Zusammenhang des Rechtsbruchtatbestands des § 4 Nr. 11 UWG zutreffend als wegen ihres fehlenden Gesetzescharakters als unerheblich angesehen hat.1166 Die fachliche Sorgfalt eines Unternehmers dürfte es auch Dritten gegenüber gebieten, dass er die Werbe- und sonstigen Wettbewerbsregeln eines Verbandes einhält, dem er angehört.1167 Weniger sicher ist dagegen, ob solche Verbandsregeln in Zukunft auch von Außenseitern als Teil der fachlichen Sorgfalt zu beachten sind. Man wird Verbandsregeln und Verhaltenskodizes mit der ganz h.M. lediglich im Sinne einer In-
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1154 Alexander WRP 2012, 515, 520 und GRUR Int 2012, 965, 966; Köhler WRP 2010, 1293, 1302. 1155 LG Frankfurt/M. 21.9.2011 – 3-08 O 101/11 – WRP 2012, 866, 867. 1156 LG Frankfurt/M. 4.1.2012 – 3-08 O 113/11 – WRP 2012, 868, 869. 1157 LG Erfurt 3.6.2010 – 2 HK O 24/10 juris = BeckRS 2011, 00607; LG Erfurt 13.1.2011 – 2 HK O 121/10 juris = BeckRS 2011, 10372. 1158 Beachte aber zu unionsrechtlichen Problemen mit den Vorschriften der PAngV die Hinweise von Köhler WRP 2013, 723 ff. 1159 Dazu OLG Köln 19.10.2012 – 6 U 46/12 – WRP 2013, 370, 371 f. – Grundpreisangabe bei amazon; eher zustimmende Anm. Buchmann K&R 2013, 122, 123. 1160 Vgl. OLG Hamm 30.8.2012 – I-4 U 59/12 – CR 2013, 251, 253 (insofern gekürzt in MMR 2013, 95). 1161 Vgl. dazu etwa Bieber WRP 2008, 723, 727 ff. m.w.N. 1162 Dazu etwa Möllers/Mederle WRP 2008, 871, 873 ff. m.w.N. 1163 Kulka DB 2008, 1548, 1553. 1164 Dazu eingehend Alexander GRUR Int 2012, 965 ff. 1165 So Alexander GRUR Int 2012, 965, 972 f.; Fezer WRP 2010, 577, 585; im Grundsatz auch Dreher/Ballmaier VersR 2011, 1087, 1088 f.; ähnlich Schmidhuber WRP 2010, 593, 596 m.w.N. 1166 BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 15 f. – FSA-Kodex I, m. Anm. Ullmann jurisPRWettbR 4/2011; BGH 16.6.2011 – I ZR 200/09 – GRUR-RR 2011, 391 L – FSA-Kodex II. 1167 Ähnlich Fezer/Fezer § 2 Nr. 5 Rn. 4, 36 sowie § 2 Nr. 7 Rn. 9 f.; vorsichtiger Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 164. im Anschluss an Schmidhuber WRP 2010, 593, 596; vgl. auch Gloy/Loschelder/Erdmann § 37 Rn. 8.
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dizwirkung annehmen können,1168 welche umso stärker anzusetzen ist, als der Verband für die jeweiligen Branche über eine gewisse Repräsentantenstellung verfügt, weil ihm – ähnlich § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG – eine erhebliche Anzahl von Unternehmern angehört, die ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben; auf den räumlichen Markt dürfte es für die fachliche Sorgfalt hingegen weniger ankommen. Denn wichtig ist auch, dass nach der gesetzlichen Definition der fachlichen Sorgfalt das Vorhandensein eines Verhaltenskodex allein noch nichts darüber aussagt, ob eine Abweichung von seinen Inhalten gegen die fachliche Sorgfalt verstößt und deshalb als unlauter anzusehen ist. Denn der Sorgfaltsverstoß setzt auch voraus, dass die Einhaltung des Kodex nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte erwartet werden kann.1169 Das wird man bei Außenseitern deshalb weiterhin nur unter besonderen Umständen erwarten können. Schließlich darf man im Kontext der Verhaltenskodizes nicht übersehen, dass auch 690 ein Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt nur dann unlauter ist, wenn die geschäftliche Handlung zugleich geeignet ist, den Verbraucher zu einer Entscheidung zu veranlassen, die er bei Einhaltung der Sorgfaltsanforderungen nicht getroffen hätte. 1170 Letztlich kommt es immer darauf an, ob das in einem Verhaltenskodex missbilligte Verhalten zugleich gegen § 3 Abs. 2 S. 1 UWG oder einen der spezielleren Unlauterkeitstatbestände verstößt, weil der Kodex die fachliche Sorgfalt zutreffend beschreibt.1171 Sofern das Berufsrecht, Werberichtlinien und andere Verhaltenskodizes allerdings 691 für das Marktverhalten Maßstäbe aufstellen, die über das billigerweise einzuhaltende Maß an Fachkenntnissen und Sorgfalt (Rücksichtnahme) gegenüber der Marktgegenseite hinausgehen (und damit letztlich nach Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen enthalten), wird man sie für unerheblich erachten müssen,1172 da billigerweise nicht damit gerechnet werden kann, dass ein überobligationsmäßiges Verhalten allgemeine Beachtung findet.1173 Zum Standard an Fachkenntnissen, die ein Unternehmer grundsätzlich einhalten 692 muss, dürften neben Empfehlungen usw. von Fachverbänden auch solche von anerkannten Sachverständigengremien zählen, sofern sie im Grundsatz allgemein zugänglich sind, wofür eine leichte Recherchierbarkeit im Internet ausreichen sollte. Angenommen wurde dies etwa für die Beratungsergebnisse der Arbeitsgruppe „Wein und Spirituosen“ des Arbeitskreises der lebensmittelchemischen Sachverständigen der Länder und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, die durch das Rundschreiben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
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1168 So BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 15 f. – FSA-Kodex I; BGH 16.6.2011 – I ZR 200/09 – GRUR-RR 2011, 391 L = BeckRS 2011, 17762 – FSA-Kodex II; Dreher/Ballmaier VersR 2011, 1087, 1089. – Aus der Zeit vor Umsetzung der UGPRL bereits BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 Tz. 19 = GRUR 2006, 773 – Probeabonnement; BGH 8.11.1990 – I ZR 48/89 – GRUR 1991, 462, 463 – Wettbewerbsrichtlinie der Privatwirtschaft; letztlich auch BGH 13.7.2006 – I ZR 234/03 – GRUR 2006, 953 Tz. 17 – Warnhinweis II: „Anhalt … für die als redlich angesehenen Verkehrsgepflogenheiten”. – Aus dem Schrifttum etwa Alexander GRUR Int 2012, 965, 972; Gloy/Loschelder/Erdmann § 37 Rn. 8; Spickhoff/Fritzsche Medizinrecht (2011), § 4 UWG Rn. 34; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 115; ähnlich Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 162. – Wohl noch vorsichtiger für eine bloße Funktion von Verhaltenskodizes als „Orientierungshilfe” Dohrn S. 166; Heidinger in: Wiebe/G. Kodek, UWG [2009] § 1 Rn. 13; § 1 Rn. 43. 1169 Alexander GRUR Int 2012, 965, 972 f. 1170 Alexander GRUR Int 2012, 965, 973. 1171 Ähnlich BGH 9.9.2010 – I ZR 157/08 – GRUR 2011, 431 Tz. 11, 16 – FSA-Kodex I; BGH 16.6.2011 – I ZR 200/09 – GRUR-RR 2011, 391 L = BeckRS 2011, 17762 – FSA-Kodex II. 1172 Dohrn Rn. 556 ff. m.w.N. 1173 Harte/Henning/Keller § 2 Rn.182; vgl. auch Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 47.
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braucherschutz vom 16.12.2009 bekannt gemacht wurden.1174 Hält der Unternehmer sich an solche Gutachten oder an ihm unmittelbar erteilte Auskünfte eines entsprechenden Fachgremiums oder einer Fachbehörde, hält er die fachliche Sorgfalt ein, selbst wenn objektiv gesehen doch ein anderes Verhalten geboten wäre.1175 Auch Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterworfen hat, zählen zu der von ihm zu beachtenden fachlichen Sorgfalt. 693 Lassen sich in der Rechtsordnung und auch in Verhaltenskodizes keine konkreteren Vorgaben für die gebotene fachliche Sorgfalt finden, muss man einerseits auf das Können und Wissen des Unternehmers und andererseits auf die Interessen und die Schutzbedürftigkeit der jeweils angesprochenen Verbraucherkreise abstellen. Insofern spielen die Branche, in welcher der Unternehmer tätig ist, und seine konkrete Geschäftspolitik eine Rolle. Beispiele: Geht es um die Irreführung über die „Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur“ i.S.v. § 5 I 2 Nr. 5 UWG, so beurteilt sich die Frage der Notwendigkeit nach dem Können und Wissen, das die angesprochenen Verkehrskreise in der betreffenden Branche (z.B. Kfz-Branche) oder Berufszweig (z.B. Ärzte) von einem Unternehmer billigerweise erwarten dürfen. Soweit es um die Durchführung von Verträgen geht, soll auch der jeweilige Ver694 tragstyp von Bedeutung für die fachliche Sorgfalt sein.1176 Das dürfte zumindest insofern richtig sein, als es um die Frage geht, welchen allgemeinen Leistungsinhalt der Unternehmer schuldet und inwieweit er davon vertraglich abweichen darf. Unter Berücksichtigung des sonstigen EU-Rechts wird man hier allerdings vorsichtig sein müssen, weil dieses die Verwendung von missbräuchlichen Klauseln durch Unternehmer gegenüber Verbrauchern einer Kontrolle nach der Klauselrichtlinie unterwirft. Nicht mehr zur fachlichen Sorgfalt dürfte aber die Einhaltung individueller vertraglicher Absprachen zählen, da das Lauterkeitsrecht nicht allgemein dazu dient, die Einhaltung des Vertragsrechts zu überwachen.1177 695
bb) Bedeutung der „Sorgfalt“ innerhalb der Definition der fachlichen Sorgfalt. Der Begriff der Sorgfalt deutet in der deutschen Rechtssprache bislang in die Richtung des Haftungs- und des Leistungsstörungsrechts.1178 Die dort geltenden Maßstäbe können jedoch im Kontext des Unlauterkeitsrechts nicht oder allenfalls stark modifiziert verwendet werden, sodass es für die Anwendung der §§ 2 Abs. 1 Nr. 7 und 3 Abs. 2 UWG eines eigenständigen Sorgfaltsbegriffs bedarf, der im Hinblick auf die Zwecke des Unlauterkeitsrecht zwangsläufig rein objektiver Natur sein muss und im Sinne allgemeiner Verhaltensanforderungen zu verstehen ist.1179 Bestätigt wird dies durch die von Köhler herausgearbeitete Schwäche der deutschen 696 Sprachfassung von Art. 2 lit. h) UGPRL und deren Umsetzung in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG, die an dem Manko leiden, dass in der Definition der fachlichen Sorgfalt neben den Fachkenntnissen jeweils wiederum der Begriff der Sorgfalt auftaucht, während die englische und die französische Sprachfassung („standard of special skill and care“; „le niveau de compétence spécialisée et de soins“) dafür sprechen, eher von „Rücksichtnahme“ zu
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1174 So OLG Frankfurt 25.3.2010 – 6 U 219/09 LMRR 2010, 81 – Whiskey-Cola (am Ende, Verstoß aber verneint, Entscheidung bestätigt im Hauptsacheverfahren, s. OLG Frankfurt 21.4.2011 – 6 U 43/11 BeckRS 2012, 15705 und 1.6.2011 – 6 U 43/11 BeckRS 2012, 10661). 1175 LG Wiesbaden 30.3.2012 – 13 O 49/11 juris. 1176 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 130. 1177 Juris-PK/Ullmann § 3 Rn. 20. 1178 So Gloy/Loschelder/Erdmann § 38 Rn. 4; Harte/Henning/Glöckner, UWG 2004, Einl. B, Rz. 180; Goldhammer S. 42 f.; Scherer WRP 2009, 761, 765. 1179 Zutreffend Gloy/Loschelder/Erdmann § 38 Rn. 4, 6.
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sprechen.1180 Die italienische und die polnische Variante (attenzione, staranności) deuten ebenfalls in diese Richtung, während etwa die dänische, schwedische oder spanische Formulierung dies nicht direkt bestätigen. Ein passender Begriff scheint „Achtsamkeit“ zu sein, was eher auf das Erfordernis einer Aufmerksamkeit hindeutet und somit indirekt doch wieder für den Begriff der Rücksichtnahme spricht. Dieser Begriff deutet zudem in die Richtung der Pflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, die im Rahmen der Vertragsanbahnung (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB) eine Rolle spielen können;1181 somit ließe sich auf nationaler Ebene ein gewisser Gleichlauf mit vorvertraglichen (und vertraglichen) Aufklärungspflichten herstellen, die auch im Rahmen des § 5a UWG von erheblicher Bedeutung sind.1182 Die ebenfalls in der Definition sowohl des UWG als auch der UGPRL enthaltenen weiteren Wendungen von „Treu und Glauben“ und (anständigen) Marktgepflogenheiten sowie der Umstand, dass als dies gegenüber dem Verbraucher zu berücksichtigen ist, spricht ebenfalls für eine solche Deutung,1183 mag sie auch mit dem früheren, heute aber zumindest im B2- C-Bereich nicht mehr maßgeblichen Verständnis der Unlauterkeit nicht wirklich zu vereinbaren sein. Bestätigt werden diese Überlegungen durch das Unionsrecht. Denn in anderen 697 Rechtsakten des Unionsrechts und der Rechtsprechung des EuGH steht die Sorgfalt stets in einem Zusammenhang mit objektiven Verhaltenspflichten, die aus einer unternehmerischen Tätigkeit folgen oder die der Gesetzgeber an sie anknüpft.1184 Die Einhaltung der Sorgfalt soll dabei auch einem Interessenausgleich zwischen den Marktbeteiligten dienen.1185 Damit hat die Sorgfalt in der Tat auch etwas mit einer Rücksichtnahme gegenüber anderen Marktbeteiligten zu tun. Der Begriff der Sorgfalt deutet zugleich auf einen objektiven Maßstab zur Beurtei- 698 lung der Unlauterkeit hin.1186 Dies gilt umso mehr, als die Sorgfalt in der Definition dem Standard an Fachkenntnissen kombiniert wird, bei denen dies aufgrund ihres normativen Charakters noch deutlicher ist.1187 Aber auch davon abgesehen zeigt ein Blick auf das Verständnis der Sorgfalt in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen, das für die autonome Auslegung der Richtlinienbegriffe von Bedeutung sein kann, dass „Sorgfalt“ typischerweise ein objektives Kriterium darstellt.1188 b) Im Tätigkeitsbereich des Unternehmers gegenüber Verbrauchern. Entspre- 699 chend dem Anwendungsbereich der UGPRL bezieht sich auch die Definition der beruflichen Sorgfalt in Art. 2 lit. h) UGPRL auf das Verhalten von Unternehmern in ihrem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern. Bei der Umsetzung ins deutsche Recht hat der Bundesgesetzgeber diese Beschränkung übernommen,1189 obwohl nach § 1 UWG auch der Schutz von Mitbewerbern, sonstigen Marktteilnehmern und gewissen Allgemeininteressen Aufgabe des Gesetzes ist. Die enge Definition entspricht zwar dem Willen des Gesetzgebers des Ersten UWG-Änderungsgesetzes, die UGPRL umzusetzen, und steht auch nicht in einem direkten Widerspruch zur weitergehenden Schutzzwecktrias des deutschen Gesetzes. Gleichwohl ist kaum zu leugnen, dass man auf diese Beschränkung
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1180 1181 1182 1183 1184 1185 1186 1187 1188 1189
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Köhler GRUR 2010, 767, 773 und WRP 2012, 22, 24. Zustimmend Emmerich § 5 Rn. 30. Deshalb ablehnend Boesche WRP 2011, 1345, 1353: schuldrechtliche „Obliegenheiten“. Vgl. BGH 21.7.2011 – I ZR 192/09 – GRUR 2012, 402 Tz. 29 – Treppenlift. So bereits Köhler GRUR 2010, 767, 773. Dohrn Rn. 264 ff., 277, 279 ff. m.w.N. Dohrn Rn. 277. Dohrn Rn. 287 ff. Dohrn Rn. 300 ff. Dohrn Rn. 499 ff. m.w.N. JurisPK/Ernst § 2 Rn. 47.
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Definitionen
ohne weiteres hätte verzichten können, da der Begriff der fachlichen Sorgfalt an sich für die allgemeine Beschreibung der Unlauterkeit von Bedeutung ist.1190 Daher sollte man das Kriterium der fachlichen Sorgfalt im jeweiligen Tätigkeitsbereich künftig für alle geschäftlichen Handlungen heranziehen, bei denen es in gleicher Weise geeignet ist, die Unlauterkeit zu umschreiben. Gegenüber Verbrauchern ist es auf nationaler Ebene durch die Anordnung in § 3 Abs. 2 S. 1 UWG ohnehin auch in Bereichen anzuwenden, die von der UGPRL nicht erfasst werden.1191 Es passt aber auch bei geschäftlichen Handlungen gegenüber sonstigen Marktteilnehmern1192 als Adressaten geschäftlicher Handlungen, wie sie auch gegenüber Verbrauchern möglich sind. Bei Mitbewerbern gilt dies nicht in gleicher Weise, jedenfalls soweit es um die Grenzen der Wettbewerbsfreiheit im Kampf um den Kunden geht.1193 Nicht passend dürfte das Kriterium der fachlichen Sorgfalt vor allem im Bereich der individuellen Behinderung i.S.v. § 4 Nr. 10 UWG sein, während man bei den Tatbeständen des § 4 Nr. 7, 8 und 9 UWG durchaus einen Zusammenhang zur fachlichen Sorgfalt im jeweiligen Tätigkeitsbereich herstellen.1194 Das Verhalten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher muss, um für das 700 UWG überhaupt relevant zu sein, eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellen. Es muss sich also um ein Verhalten des Unternehmers „vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss“ mit einem Verbraucher handeln (Art. 3 Abs. 1 UGPRL), das einen unmittelbaren Zusammenhang (Art. 2 lit. d) UGPRL) mit der Absatzförderung oder der Vertragsdurchführung aufweist. Insofern versteht es sich eigentlich von selbst, dass es für die Frage eines Verstoßes gegen die berufliche Sorgfalt nur auf solche Gebote ankommen kann, die den Unternehmer in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern treffen. Doch vermeidet die Wiederholung in der Definition Unklarheiten, die ansonsten hätten auftreten können. Der Hinweis auf den „Tätigkeitsbereich“ des Unternehmers gegenüber Verbrauchern hat bislang nur begrenzte Aufmerksamkeit erfahren und ist letztlich auf die konkrete geschäftliche Handlung des Unternehmers im o.g. Sinne bezogen worden, sodass es etwa bei der Durchführung von Verträgen auf den jeweiligen Vertragstypus und die sonst dafür geltenden Regelungen usw ankommt, ferner auf die Branche, in welcher der Unternehmer tätig ist.1195 Bei einer Imagewerbung sollen daher alle relevanten Branchen maßgeblich sein, beim Autoverkauf unter Kreditgewährung die Gepflogenheiten im Automobilhandel und zusätzlich diejenigen bei der Kreditvergabe.1196 Daraus wird man aber auch ableiten können, dass ein Subunternehmer, der gegenüber dem Verbraucher nur aufgrund seiner Beziehung zum Hauptunternehmer tätig ist, auch nur diejenige Sorgfalt schuldet, die für seinen Tätigkeitsbereich maßgeblich ist. Der Subunternehmer muss also den Verbraucher z.B. ungefragt nicht über Missverständnisse aufklären, denen der Verbraucher beim Vertragsschluss mit dem Hauptunternehmer unterlegen ist, auch wenn sie sich ihm aufdrängen mögen, weil das nicht zu seinem Tätigkeitsbereich zählt. Das Kriterium, das sich die Sorgfaltsanforderungen nach dem Tätigkeitsbereich des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher richtet, ist insofern also funktional und in gewisser Weise einschränkend zu verstehen.
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1190 Ähnlich Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 129; Harte/Henning2/Schünemann § 3 Rn. 3 Rn. 5, 9 ff., Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 78. 1191 Köhler WRP 2012, 22, 30 f. 1192 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 129 sowie WRP 2012, 22, 31; ebenso Harte/Henning/Podszun § 3 Rn. 60. 1193 Daher ganz ablehnend Köhler WRP 2012, 22, 31. 1194 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 188. – Für eine Gleichbehandlung zur Vermeidung widersprüchlicher Ergebnisse auch GRUR 2013, 224. 1195 Vgl. Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 42; s. ferner Dohrn Rn. 686 f. 1196 Dohrn Rn. 687.
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Der Verbraucher, auf dessen objektiven Erwartungshorizont es hinsichtlich der Ein- 701 haltung von beruflichen Standards (s. nachfolgenden Abschnitt) ankommt, ist der sog. Durchschnittsverbraucher (dazu Rn. 773 ff., insb. 802 ff.). Dies spielt insbesondere eine Rolle für die Frage, ob die Beachtung bestimmter Fachkenntnisse und die Einhaltung einer bestimmten Sorgfalt bei konkreten geschäftlichen Handlungen erwartet werden kann (unten Rn. 709 ff.).1197 c) Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten. Für die 702 einzuhaltende fachliche Sorgfalt spielt ferner der Grundsatz von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten eine Rolle. Dabei beeinflussen die Marktgepflogenheiten wohl das, was Treu und Glauben gebieten.1198 Es geht also weder um allgemeine Fragen von Moral oder Geschmack, sondern eher um eine Professionalisierung im positiven Sinne, um eine Art von Geschäftsethik.1199 Deshalb deuten die miteinander verknüpften Maßstäbe von anständigen Marktgepflogenheiten und Treu und Glauben nur auf den ersten Blick und aus der Sicht eines nationalen Vorverständnisses in unterschiedliche Richtungen.1200 aa) (Anständige) Marktgepflogenheiten. Der Gesetzgeber hat darauf hingewiesen, 703 dass bestehende „Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel“ auch schon vor der Umsetzung der UGPRL bei der Beurteilung einer Unlauterkeit Bedeutung erlangen konnten.1201 Das ist zutreffend und entspricht der traditionellen, bereits in Art. 10bis PVÜ zu findenden Anstandsformel zur Unlauterkeit,1202 auf die der BGH auch unter der Geltung von § 1 UWG 1909 häufiger und unter dem tatbestandlich stärker ausdifferenzierten UWG 2004 gelegentlich1203 zurückgegriffen hat. Vor diesem Hintergrund verdeutlicht der Verweis auf Treu und Glauben sowie die Marktgepflogenheiten immerhin ein wenig, welche Maßstäbe in etwa anzulegen sein könnten, wenn er auch wenig konkret ist.1204 Es geht um Verhaltensweisen, die den Übungen in einer Branche, den Verkehrssitten oder den Handelsbräuchen entsprechen, sich aber auch aus Wettbewerbsregeln und Verbandsrichtlinien ergeben können.1205 Man mag diese Maßstäbe bzw. die Wortwahl für etwas antiquiert halten,1206 doch eigenen sie sich durchaus bis heute für die Rechtsanwendung. Allerdings könnte der Hinweis auf die Marktgepflogenheiten ohne den zusätzlichen 704 Hinweis auf Treu und Glauben sogar in die Irre führen, wenn in einer Branche bislang als unlauter angesehene Praktiken üblich sind.1207 Denn den Marktgepflogenheiten entspricht, was üblich ist, sofern man eine Üblichkeit feststellen kann.1208 Üblich sind aber
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1197 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 47. 1198 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 128, 131; OLG Jena 8.7.2009 – 2 U 983/08 NJOZ 2010, 216, 221 = MD 2010, 177. 1199 Vgl. Henning-Bodewig WRP 2011, 1014, 1018 f., 1021, 1022 f. m.w.N. 1200 So Fezer/Fezer § 2 Rn. 15; zustimmend Obergfell S. 159, 172. 1201 BT-Drucks. 16/10145, S. 15. – Zu dem Gesichtspunkt ausführlich Peukert § 3 Rn. 276 ff. 1202 Ebenso Dohrn Rn. 655 ff. m.w.N.; ähnlich Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 177. 1203 Etwa BGH 13.7.2006 – I ZR 241/03 – BGHZ 168, 314 Tz. 29 = GRUR 2006, 1042 – Kontaktanzeigen. 1204 Daher krit. etwa Götting/Nordemann § 2 Rn. 57 im Anschluss an Sosnitza WRP 2008, 1014, 1018; Henning-Bodewig WRP 2011, 1014, 1017. 1205 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 45; ebenso Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 183; Henning-Bodewig WRP 2011, 1014, 1019. 1206 So etwa Boesche WRP 2011, 1345, 1353. 1207 Ähnlich Boesche WRP 2011, 1345, 1353; ferner Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 183; Henning-Bodewig WRP 2011, 1014, 1019. 1208 Emmerich § 5 Rn. 31; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 183; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 45 f.; s. ferner Boesche WRP 2011, 1345, 1353; Krüger GRURPrax 2012, 129, 131. – Sofern es auf die tatsächliche
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z.B. Werbegewinnspiele und Koppelungsaktionen, sodass sich ggf. die Frage stellt, in welcher Ausgestaltung diese üblichen Verkaufsförderungsmaßnahmen gleichwohl unzulässig sein könnten.1209 Dies wiederum ist mit Hilfe der weiteren Tatbestandsmerkmale der fachlichen Sorgfalt zu klären und kann nicht vom nationalen Gesetzgeber autonom bestimmt werden; die Auffassung insbesondere des deutschen Gesetzgebers bei der Umsetzung der UGPRL zur Vereinbarkeit des § 4 Nr. 6 UWG mit der UGPRL1210 erweist sich insbesondere nach den klärenden Entscheidungen des EuGH1211 als nicht haltbar.1212 Vor diesem Hintergrund ist es also durchaus zweckmäßig, wenn Gesetz und Richtli705 nie nicht die Marktgepflogenheiten allein, sondern zusätzlich auch Treu und Glauben für die Einhaltung der fachlichen Sorgfalt für maßgeblich erklärt werden.1213 Dazu gibt allerdings die Definition der beruflichen Sorgfalt in Art. 2 lit. h) UGPRL wesentlich weniger Anlass als ihre Umsetzung in Deutschland, die im Wortlaut leicht, aber mit erheblichem Verfälschungspotential umgesetzt worden ist: Während in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG von „Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten“ die Rede ist, werden in der Richtlinie die „anständigen Marktgepflogenheiten“ und der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben explizit mit „und/oder“ verknüpft.1214 Damit trägt die Richtlinie wohl dem Umstand Rechnung, dass es in neuen Branchen zunächst einmal keine „Gepflogenheiten“ gibt1215 bzw. die Gepflogenheiten auch sonst oft nicht leicht feststellbar sind1216 und es insofern nur auf Treu und Glauben ankommen kann. Ohnehin spricht Art. 2 lit. h) der UGPRL von „anständigen“ Marktgepflogenheiten und knüpft damit an die Definition der Unlauterkeit in Art. 10bis PVÜ an, sodass der Bezug zur Lauterkeit durchaus eindeutig wird1217 und sich eine Diskussion um neue Branchen erübrigt. Auch in der nationalen Rechtsprechung zum Unlauterkeits- und Kennzeichenrecht ist bislang bereits von „Gepflogenheiten“ mit verschiedenen Attributen die Rede gewesen.1218 Dass die bisherige Richtlinienumsetzung in Deutschland durch den Verzicht auf das Adjektiv „anständig“ bei den Marktgepflogenheiten verzichtet, ist allerdings zumindest bedauerlich,1219 da hierdurch wieder ein lästiger Blick in die Richtlinie erforderlich wird.1220 Da die gebotene fachliche Sorgfalt auch durch Treu und Glauben und die Marktge706 pflogenheiten beeinflusst wird, verbietet sie es, das jahrelang angegebene Gründungs-
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Feststellbarkeit ankäme, müsste man diese aber im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 UWG im Bestreitensfalle durch Sachverständigenbeweis klären, was bislang nicht üblich ist. Doch dürfte dies entbehrlich sein, weil man zusätzlich die Vereinbarkeit des „Üblichen“ mit „Treu und Glauben“ oder auch der Anständigkeit der Marktgepflogenheiten berücksichtigen muss. So wird der Maßstab der beruflichen Sorgfalt doch wieder zu einem funktionalen Kriterium, ebenso Emmerich § 5 Rn. 31. 1209 Vgl. Köhler GRUR 2009, 626, 631; ferner Boesche WRP 2011, 1345, 1345 ff., 1353. 1210 Begr. zum RegE eines Ersten Änderungsgesetzes zum UWG, BT-Drs. 16/10145, S. 33, zu Anhang Nr. 17. 1211 EuGH 23.4.2009 – C-261/07 und C-299/07 – Slg. 2009, I-02949 = GRUR 2009, 599 Tz. 52 ff. – VTB/Total Belgium u. Galatea/Sanoma; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg 2010, I-217 = GRUR 2010, 244 Tz. 41 ff., 50 f. – Plus Warenhandelsgesellschaft. 1212 Dembowski jurisPR-WettbR 6/2009 Anm. 1, sub C. 1213 Ähnlich Emmerich § 5 Rn. 31. 1214 Zutreffend Henning-Bodewig WRP 2011, 1014, 1019 sowie die h.M., etwa Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 44; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 183. 1215 A.A. Dohrn Rn. 663, der hier eine Lücke sieht, weil er Treu und Glauben an dieser Stelle ausblendet. 1216 So Emmerich § 5 Rn. 31. 1217 Ebenso bereits Gloy/Loschelder/Erdmann § 38 Rn. 9. 1218 So der Hinweis von Gloy/Loschelder/Erdmann § 38 Rn. 10 m.w.N. 1219 Zutreffend Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 178. 1220 I.E. ebenso und kritisch Helm WRP 2013, 710, 713 (Rn. 12–15).
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jahr des eigenen Unternehmens um ein paar Jahre nach hinten zu verlegen, wenn die historischen Quellen zwar in die Richtung deuten, aber zugleich etwas widerspiegeln, was nicht der Verbraucherwartung entspricht.1221 bb) Treu und Glauben. Was das Kriterium von Treu und Glauben angeht, so ist der 707 Kritik an der Formulierung von Richtlinie und Gesetz zuzugeben, dass es für die Beurteilung der Lauterkeit in der Vergangenheit in den meisten Rechtsordnungen wenig Bedeutung hatte und deshalb gerade auch in Deutschland eher im Kontext des Vertragsrechts und der Vertragsanbahnung mit einem Vorverständnis besetzt ist. Auch das Europäische Parlament hat beim Erlass der Richtlinie vertragsrechtliche Gedanken nicht ausblenden können.1222 Insgesamt spricht dennoch viel dafür, dass die Bedeutung des Kriteriums „Treu und Glauben“ neben den „anständigen Marktgepflogenheiten“ aus der Richtliniendefinition sehr gering sein dürfte, da es sich lediglich um ein weiteres Gerechtigkeitspostulat handelt.1223 Im Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG klingt dies freilich anders, da hier in Anlehnung an den Wortlaut des § 157 BGB der Grundsatz von Treu und Glauben noch viel stärker in den Mittelpunkt gerückt ist als in der Richtlinienvorgabe. Da die Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG überdies nur von den (anständigen) Marktgepflogenheiten (an sich) spricht, ermöglicht erst deren Unterordnung unter den Grundsatz von Treu und Glauben die Erkenntnis, dass das in einer Branche übliche Verhalten nicht ohne weiteres zulässig ist, sondern nur dann, wenn es auch den legitimen Interessen der Verbraucher in angemessener Weise Rechnung trägt (vgl. oben Rn. 596, 705).1224 Dies entspricht auch der früheren Rechtsprechung des BGH, die sowohl zum UWG 1909 als auch zum UWG 2004 nicht nur auf die „Üblichkeit“ eines Marktverhaltens, sondern auch auf seine Vereinbarkeit mit einem objektiven Maßstab achtete.1225 Bedenkt man nochmals, dass die UGPRL eine Vollharmonisierung des lauterkeits- 708 rechtlichen Verbraucherschutzes herbeiführen sollte, kann man für die Verwendung des Begriffs Treu und Glauben allerdings durchaus Sympathie aufbringen. Denn wiederum wird ein Begriff verwendet, der in nationalen Lauterkeitsrechten überwiegend keine Tradition aufweist.1226 Gleichzeitig handelt es sich um einen Begriff, der aus einem anderen Kontext bekannt ist und dort – ebenso wie der Lauterkeitsbegriff für das Marktverhaltensrecht – nichts anderes zum Ausdruck bringt, als dass die Beteiligten Rücksicht auf die Interessen des jeweils anderen zu nehmen haben. Vielleicht liegt darin sogar eine Andeutung, dass Beurteilungsmaßstäbe aus dem Bereich der Vertragsanbahnung und Vertragsdurchführung unter Umständen auch für die Frage der Lauterkeit Bedeutung erlangen können.1227 Im Übrigen dürfte der kumulativ und alternativ erwähnte Grundsatz von Treu und Glauben insbesondere dann Bedeutung erlangen, wenn es in einem (noch) keine als Maßstab geeigneten Marktgepflogenheiten gibt, weil entweder der
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1221 Vgl. OLG Jena 8.7.2009 -2 U 983/08 NJOZ 2010, 216, 221 = MD 2010, 177. 1222 Näher Dohrn Rn. 664 ff. m.w.N. 1223 So Gloy/Loschelder/Erdmann § 38 Rn. 14. 1224 Zutreffend Emmerich § 5 Rn. 31. 1225 Vgl. zum unlauteren Wettbewerb BGH 30.03.1971 – I ZR 130/69 – GRUR 1971, 320 f. – Schlankheitskur; BGH 8.11.1990 – I ZR 48/89 – GRUR 1991, 462, 463 – Wettbewerbsrichtlinie der Privatwirtschaft; BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 19 – Probeabonnement; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 46. – Vgl. entsprechend zum zivilrechtlichen Namensschutz gegenüber der Verwendung zu Werbezwecken BGH 18.3.1959 – IV ZR 182/58 – BGHZ 30, 7, 15 = GRUR 1959, 430 (m. Anm. Bußmann) – Caterina Valente. 1226 Vgl. Dohrn Rn. 667. 1227 Ablehnend insofern Dohrn Rn. 672 ff. m.N. zur Gegenposition.
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gesamte Geschäftszweig, das Produkt oder die konkrete Absatzstrategie völlig neu ist1228 oder die existierenden Marktgepflogenheiten nicht anständig sind. 709
d) Billigerweise zu erwartende Einhaltung. Die Formulierung, dass es auf Fachkenntnisse usw. ankommen soll, deren Einhaltung vom Unternehmer im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern billigerweise zu erwarten sei, ist in der Literatur ebenfalls auf Kritik gestoßen: Es sei „auch sprachlich nicht klar“, „wie ein Unternehmer ‚Fachkenntnisse‘ gegenüber einem Verbraucher ‚einhalten‘“ solle.1229 In der Tat ist die Formulierung wenig geglückt; man hätte wohl von „beachten“ sprechen müssen, was aber unter Umständen weniger als einhalten sein könnte. Gleichwohl lässt sich festhalten, dass (auch) diese Wendung deutlich zum Ausdruck 710 bringt, dass die Beurteilung von einem Interessenausgleich abhängig sein und (wie stets) den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten soll.1230 Der Unternehmer muss also nicht jeglichen Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt einhalten, der für seine Tätigkeit von Belang sein mag; er braucht seine eigenen Interessen, die durchaus in einem Gegensatz zu den Interessen des Marktpartners stehen können, nicht völlig hintanzustellen. denn er muss nur das beachten, was billigerweise von ihm erwartet werden kann. Er braucht also z.B. nicht von sich aus den Kaufinteressenten darauf hinzuweisen, dass es dasselbe Produkt bei einem Mitbewerber in der Nähe gerade im Sonderangebot gibt. Die Begründungen, die im Laufe des Richtliniengebungsverfahrens für die Hinzufügung des einschränkenden Merkmals „billigerweise“ gegeben wurden, zeigen recht deutlich, dass es um eine Begrenzung der Sorgfaltspflichten und eine Entlastung der Unternehmer ging,1231 denen sonst möglicherweise ein stets idealtypisches Verhalten hätte abverlangt werden können, wenn man das Gebot eines hohen Verbraucherschutzniveaus aus Art. 38 EU-GRCharta und Art. 169 Abs. 1 AEUV zu ernst nehmen bzw. daraus eine zu hohe Gewichtung der Verbraucherinteressen bei der notwendigen Abwägung ableiten würde. Letztlich schränkt die Passage also die Sorgfaltspflichten des Unternehmers ein, 711 da er nur die billigerweise zu erwartende berufliche Sorgfalt schuldet. Das Rücksichtnahmegebot besteht mit anderen Worten nur gegenüber legitimen Interessen der Verbrauchers, die ein System unverfälschten Wettbewerbs in der jeweiligen Situation anerkennt, um dem konkreten Verbraucher eine informierte Entscheidung zu ermöglichen.1232 Welches Maß an Rücksicht und Sorgfalt im Einzelfall zu erwarten ist, beurteilt sich aus der Sicht des relevanten Durchschnittsverbrauchers i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 2 und 3 UWG.1233 Dabei ist auch zu beachten, dass etwa nach der englischen, französischen, italienischen, niederländischen und spanischen Sprachfassung nicht darauf ankommt, ob die Einhaltung der fachlichen Sorgfalt „billigerweise“ zu erwarten ist, sondern ob dies „vernünftigerweise“ der Fall ist.1234 Die Bedeutungsunterschiede dürften sich in Grenzen halten, doch mag der „vernünftigerweise“ ein etwas höheres Maß an Objektivität zum Ausdruck bringen und insofern verdeutlichen, dass nicht einseitig auf die Interessen der Verbraucher abzustellen ist, sondern auch auf das, was für den Unternehmer tragbar erscheint.
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1228 1229 1230 1231 1232 1233 1234
Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 43. Sosnitza WRP 2008, 1014, 1018; zust. Götting/Nordemann § 2 Rn. 57. Zutreffend Dohrn Rn. 312 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann § 38 Rn. 14. Näher Dohrn Rn. 644 ff. m.w.N. Zutreffend Emmerich § 5 Rn. 30. Ebenso Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 47. Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 47.
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Der Hinweis, dass es nur auf eine Sorgfalt ankommt, deren Einhaltung billigerwei- 712 se bzw. vernünftigerweise zu erwarten ist, belegt mit anderen Worten, dass auch das europäisch-unionsrechtlich geprägte verbraucherschützende Unlauterkeitsrecht mit Augenmaß zu handhaben ist. So ist es selbst dem aufmerksamsten Unternehmer im Zweifel nicht möglich, jede Eigenmächtigkeit eines Außendienstmitarbeiters durch Schulungen, Ermahnungen und Kontrollmaßnahmen zu verhindern. 1235 Damit deckt sich die Erwägung der Kommission, es könne nur um das normale Maß an beruflichfachlicher Sorgfalt gehen, das für einen Unternehmern in der jeweiligen Branche gelte und von ihm erwartet werden könne.1236 Auf diese Weise dürfte es auch möglich sein, dem Entstehen übertriebener Sorgfaltsanforderungen vorzubeugen und beispielsweise in Einzelfällen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass selbst ein penibel auf die Einhaltung aller Vorschriften und fachlichen Standards bedachtes Unternehmen gelegentliche Ausreißer nicht wird vermeiden können.1237 Überobligationsmäßiges Verhalten sollte also, auch wenn es bei einem einzelnen Unternehmer oder vielleicht sogar in Teilen einer Branche üblich sein sollte, nicht der fachlichen Sorgfalt zugeordnet werden.1238 Doch wird man hier abwarten müssen, ob der EuGH bereit ist, dies im Ausgangspunkt anzuerkennen, mag auch die Beurteilung im Einzelfall zwangsläufig den mitgliedstaatlichen Gerichten obliegen. Überdies dürfte dieser Weg bei typisierten Verstößen gegen die fachliche Sorgfalt, also in den Fällen des UWG-Anhangs sowie bei irreführenden und aggressiven Verhaltensweisen i.S.d. Art. 6 bis 9 UGPRL, wohl nicht gangbar sein. Das spielt bei fehlenden Preisangaben eine Rolle, da hier gebotene (wesentliche) Informationen nicht gegeben werden. Ist hingegen die Preis- oder Grundpreisangabe vorhanden, aber unzutreffend, handelt es sich um einen Fall der Irreführung durch positives Tun. Der fachlichen Sorgfalt entspricht in der Regel das Branchenübliche,1239 weshalb § 5 713 Abs. 3 Nr. 4 UWG in Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 lit. d) UGPRL den Unternehmer dazu verpflichtet, davon abweichende „Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie Verfahren zum Umgang mit Beschwerden“ anzugeben. Anders würde es sich verhalten, wenn etwa irreführende Geschäftspraktiken in einem Wirtschaftszweig üblich sein sollten, da vom Unternehmer erwartet werden kann, die allgemein übliche Rücksicht auf Verbraucher zu nehmen. Zudem bildet bei der Beurteilung der Unlauterkeit nach § 3 Abs. 2 S. 1 UWG grundsätzlich der jeweilige Durchschnittsadressat (Satz 2) den Maßstab für die einzuhaltende Rücksichtnahme, während es nach Satz 3 bei geschäftlichen Handlungen, die bestimmte besondere schutzbedürftige Verbrauchergruppen besonders beeinflussen können, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe ankommt. Das kann z.B. bei der Beurteilung von Werbemaßnahmen mit aleatorischen Reizen eine erhebliche Rolle spielen, bei der man untersuchen muss, welches Maß an Rücksicht auf die jeweils angesprochenen Verbrauchergruppen redlicherweise erwartet werden kann. Die Einhaltung von berufsrechtlichen Regelungen, Werberichtlinien und sonsti- 714 gen Verhaltenskodizes ist billigerweise zu erwarten, soweit sie der beruflichen Sorgfalt nach den oben geschilderten Grundsätzen zuzurechnen sind. Werden darin übermäßig strenge Maßstäbe aufgestellt, kann ihre Einhaltung billigerweise nicht mehr erwartet
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1235 So ein Hinweis von Doepner WRP 2011, 1384, 1389 im Kontext der Abmahnung. 1236 Vgl. Dohrn Rn. 605 f. 1237 Vgl. – allerdings wesentlich allgemeiner – Buchmann K&R 2013, 122, 123 f.; a.A. wohl OLG Köln 19.10.2012 – 6 U 46/12 – WRP 2013, 370, 372 – Grundpreisangabe bei Amazon. 1238 Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 182, 183. 1239 BGH 14.4.2011 – I ZR 133/09 – GRUR 2011, 638 Tz. 34 – Werbung mit Garantie.
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werden,1240 zumal es sich dann um nach Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen handeln kann. Billigerweise zu erwarten ist jedenfalls, dass der Unternehmer geschäftliche Hand715 lungen – wie in § 4 Nr. 3 UWG gesondert verboten – nicht verschleiert und tarnt, sondern sie offen als solche zu erkennen gibt; tut er dies, hält er die fachliche Sorgfalt ein.1241 Von einem Internethändler, der ein riesiges Warensortiment anbietet, ist gleichwohl zu erwarten, dass die Angaben zu den einzelnen Produkten zutreffend und nicht irreführend sind, denn sein Interesse an einer Kostenersparnis überwiegt nicht gegenüber den schutzwürdigen Verbraucherinteressen an richtigen und klaren Produktbeschreibungen;1242 daher kann der Händler sich nicht darauf berufen, die Angaben des Herstellers ungeprüft übernommen zu haben, sodass er zumindest einen Hinweis auf Zweifel anbringen muss, der aber den Sorgfaltsverstoß auch nicht in jedem Fall ausschließen kann.1243 716 Bei der Beratung durch ein Reisebüro kann der Verbraucher erwarten, dass er mehr erhält als die rein technische Buchungsleistung, die er heute meist auch selbst über das Internet vornehmen könnte.1244 Insofern schuldet das Reisebüro also die Einhaltung gewisser Sorgfaltsmaßstäbe, wie sie in der Reisebranche als üblich anzusehen sein könnten. Freilich dürfte dies bis zu einem gewissen Grad zugleich die vertraglichen oder vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten berühren. 3. Fachliche Sorgfalt in Rechtsprechung und Schrifttum. Verstöße gegen die fachliche Sorgfalt liegen in den verschiedenen Beispielstatbeständen der UGPRL und des UWG vor, die ein Verhalten als unlauter kennzeichnen. Das gilt insbesondere für die Tatbestände aus den Anhängen zur Richtlinie und zu § 3 Abs. 3 UWG, aber auch bei sonstigen irreführenden und aggressiven Geschäftspraktiken im Sinne der Art. 6 bis 9 UGPRL und der diesen entsprechenden Normen des UWG, also den §§ 4 bis 7 UWG. Beispielsweise widerspricht es der fachlichen Sorgfalt, die Bezeichnung TÜV/GS718 geprüft für Produkte zu verwenden, die nicht von einer Stelle untersucht worden sind, welche dieses Zeichen vergeben darf;1245 darin liegt allerdings zugleich ein Verstoß gegen Nr. 2 des UWG-Anhangs und eine Irreführung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, sodass man die Grundnorm des § 3 Abs. 2 UWG zur Begründung der Unlauterkeit an sich nicht benötigt, auch wenn sie in der Rechtsprechung gelegentlich – wohl zur Absicherung – auch noch herangezogen wird.1246 Anders verhält es sich bei der Irreführung durch Unterlassen, da § 5a Abs. 2 UWG ausdrücklich auf § 3 Abs. 2 UWG verweist; zudem kann man den Begriff der fachlichen Sorgfalt heranziehen, um in zweifelhaften Fällen zu klären, welche Informationen als wesentlich anzusehen sind.1247 Außerhalb des UWG-Anhangs kann es allerdings bei Irreführungen auch vorkommen, dass sie – in Übereinstimmung mit der bisherigen anders begründeten Rechtsprechung des BGH – ausnahmsweise nicht geeignet sind, die Entscheidungsfähigkeit des Verbrauchers negativ zu beeinflussen, 717
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1240 Dohrn Rn. 556 ff. m.w.N. 1241 Vgl. BGH 1.7.2010 – I ZR 161/09 – GRUR 2011, 163 Tz. 21 ff. – Flappe; etwas deutlicher die Vorinstanz OLG Düsseldorf 22.9.2009 – I-20 U 15/09 AfP 2009, 607, 608. – Gegenbeispiel etwa OLG Karlsruhe 7.6.2013 – 4 U 7/12 – WRP 2013, 1053, 1055, wo zusätzlich zu § 4 Nr. 3 UWG die wettbewerbliche Relevanz erwähnt wird (Rn. 16). 1242 OLG Hamburg 12.7.2012 – 3 U 65/10 MD 2012, 1121, 1139 – 40 #1 hits The Sixties. 1243 OLG Hamburg 12.7.2012 – 3 U 65/10 MD 2012, 1121, 1139 – 40 #1 hits The Sixties. 1244 So zutreffend Matern WRP 2008, 575, 587 f. 1245 Vgl. LG Berlin 2.5.2012 – 16 O 598/11 BB 2012, 1421, 1422. 1246 LG Stuttgart 24.11.2010 – 39 O 71/10 – WRP 2011, 382, 384 f. 1247 Ähnlich Köhler WRP 2009, 898, 909, 910.
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oder auf der vorgelagerten Prüfungsebene die fachliche Sorgfalt wahren, so etwa bei nicht vermeidbaren Herkunftstäuschungen.1248 Auch bei der Anwendung des (an sich überflüssigen Irreführungstatbestands in) § 4 719 Nr. 3 UWG zur verschleierten Werbung verweist die Rechtsprechung teils ergänzend auf den Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt, doch ist der Hinweis auf § 3 Abs. 2 UWG angesichts der Unklarheiten über die Vereinbarkeit der bereits seit 2004 im UWG vorhandenen spezielleren Tatbestände zur UGPRL nachvollziehbar.1249 Dennoch ist das an sich entbehrlich, weil § 4 Nr. 3 UWG im Hinblick auf die Richtlinie ganz unproblematisch erscheint:1250 Nach Art. 7 Abs. 2 UWG gilt das Verschweigen des kommerziellen Zwecks einer Geschäftspraxis als irreführende Unterlassung, sofern es den Durchschnittsverbraucher zu einer sonst nicht getroffenen Entscheidung veranlasst hätte; hinzutreten für speziellere Fälle noch Nr. 11 S. 1 des Anhangs zur UGPRL sowie Art. 9 Abs. 1 lit. a) Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste. Das Relevanzerfordernis vermisst man zwar auf den ersten Blick in § 4 Nr. 3 UWG, doch ergibt es sich aus § 3 Abs. 1 und Abs. 2 UWG, der durch die Beispiele in § 4 UWG nach der Vorstellung des Gesetzgebers lediglich konkretisiert wird und somit über die „eigentliche“ Unlauterkeit hinaus immer noch eine Relevanz fordert. Ähnlich verhält es sich bei der Ausübung eines unangemessenen unsachlichen 720 Einflusses auf andere Marktteilnehmer i.S.v. § 4 Nr. 1 UWG1251 oder bei einer belästigenden Werbung i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Abs. 1 S. 2 UWG, die gegen den erkennbaren Willen ihres Empfängers erfolgt, weil in der Missachtung dieses Willens bereits der Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt liegt.1252 Bei nach der UGPRL unzulässigen per-se-Verboten wie dem Koppelungstatbestand des § 4 Nr. 6 UWG1253 oder § 4 Nr. 11 UWG muss der Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des UWG zusätzlich positiv festgestellt werden, sofern man nicht gleich § 3 Abs. 2 S. 1 UWG als zutreffenden Prüfungsmaßstab anwenden will.1254 Die Rechtsprechung hat die fachliche Sorgfalt mittlerweile als Begründungsmög- 721 lichkeit für die Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung gegenüber Verbrauchern entdeckt: so widerspricht insbesondere ein Verstoß gegen Unionsrecht umsetzende Vorschriften des nationalen Rechts wie insbesondere § 475 Abs. 1 BGB oder § 477 BGB der fachlichen Sorgfalt.1255 Nichts anderes gilt nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung für die Verwendung unwirksamer AGB,1256 die man auch als Fall der Irre-
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1248 Bärenfänger WRP 2011, 160, 162. 1249 Absichernd etwa auch LG Düsseldorf 24.8.2011 – 12 O 329/11 – WRP 2011, 1665, 1667; weniger deutlich OLG Düsseldorf 7.9.2010 – I-20 U 129/09 – WRP 2011, 127, 128; s.a. OLG Düsseldorf 22.9.2009 -I-20 U 15/09 AfP 2009, 607, 608 als Vorinstanz zu BGH 1.7.2010 – I ZR 161/09 – GRUR 2011, 163 Tz. 21 ff. – Flappe. 1250 Ebenso Dohrn Rn. 343; Glöckner GRUR 2013, 224, 233. 1251 Köhler WRP 2012, 638, 641. 1252 Meyer WRP 2012, 788, 793 f. 1253 Dazu EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg 2010, I-217 = GRUR 2010, 244 Tz. 49 bis 51 – Plus Warenhandelsgesellschaft; s. zusätzlich EuGH 9.11.2010 – C-540/08 – Slg 2010, I-10909 = GRUR 2011, 76 Tz. 29 ff. – Mediaprint. 1254 Vgl. Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 53a m.w.N.; ferner Boesche WRP 2011, 1345, 1353 (zur Koppelung). 1255 BGH 31.3.2010 – I ZR 34/08 – GRUR 2010, 1117 Tz. 17 – Gewährleistungsausschluss im Internet; BGH 14.4.2011 – I ZR 133/09 – GRUR 2011, 638 Tz. 20 – Werbung mit Garantie; verweisend auch BGH 5.12.2012 – I ZR 88/11 – WRP 2013, 1027 Tz. 13 – Herstellergarantie bei eBay; BGH 5.12.2012 – I ZR 146/11 – GRUR 2013, 851 Tz. 14 – Herstellergarantie II; Zabel VuR 2011, 449, 451 ff. 1256 BGH 31.5.2012 – I ZR 45/11 – GRUR 2012, 949 Tz. 42 – Missbräuchliche Vertragsstrafe; deutlich zuvor bereits öGH 23.2.2010 – 4 Ob 99/09a K&R 2010, 687 L m. Anm. Schröder = BeckRS 2010, 24332 (zum Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt unter 3.1 der Gründe); ferner i.Erg. ebenso, aber allein auf der Grundlage von § 4 Nr. 11 UWG OLG Frankfurt/M. 27.7.2011 – 6 W 55/11 – MMR 2011, 800; OLG
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führung über den Vertragsinhalt wird ansehen können, falls sich der Verwender nach Vertragsschluss dem Vertragspartner gegenüber auf solche Klauseln beruft, um berechtigte Ansprüche abzuwehren.1257 Verallgemeinernd kann man auf der Basis dieser Entscheidungen festhalten, dass der Verstoß gegen marktverhaltensregelnde Vorschriften i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG der fachlichen Sorgfalt widerspricht (vgl. die zuvor genannten Entscheidungen), sofern man sich nicht auf den Standpunkt stellt, dass eine Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf verbraucherrelevante Sachverhalte als per-se-Verbot mit der UGPRL unvereinbar sei.1258 Soweit es um das Vorenthalten wesentlicher Informationen i.S.v. § 5a UWG geht, führt dies allerdings nicht dazu, dass gewissermaßen vorrangig § 4 Nr. 11 UWG anzuwenden wäre,1259 denn dieser enthält ein per-se-Verbot und dürfte in verbraucherrelevanten Fällen daher tendenziell in seiner vorliegenden Fassung richtlinienwidrig sein, wie zahlreiche Andeutungen in der Rechtsprechung zu der Frage nahelegen, warum die Richtlinie der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG im konkreten Fall gerade nicht entgegensteht.1260 Da § 4 Nr. 11 UWG zugleich aber aus den oben dargelegten Gründen neben den §§ 3 Abs. 2 und 5a UWG in verbraucherrelevanten Fällen an sich überflüssig sein dürfte, spielt dies keine Rolle, zumal man § 4 Nr. 11 UWG – ähnlich wie § 4 Nr. 6 UWG1261 –durch zusätzliche Heranziehung des § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG (respektive des Art. 5 Abs. 2, 4 und 5 UGPRL) richtlinienkonform auslegen1262 könnte. Bei im Unionsrecht festgelegten Informationspflichten ist der Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt ohnehin nicht gesondert zu prüfen, da hier bereits aus der Wertung in § 5a Abs. 4 UWG bzw. Art. 7 Abs. 3 UGPRL folgt, dass ohne weiteres ein Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt vorliegt, der deshalb nicht näher begründet zu werden braucht.1263 Soweit ausnahmsweise keine Irreführung durch Unterlassen vorliegt, ist der Prüfungsmaßstab auf unionsrechtlicher Ebene aber der Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt i.S.v. Art. 5 Abs. 2 lit. a) UGPRL und daher im nationalen Recht § 3 Abs. 2 UWG und nicht § 4 Nr. 11 UWG.1264 Verweilt man bei der – mit dem Gewährleistungsausschluss indirekt bereits ange722 sprochenen – Frage, welche fachliche Sorgfalt der Unternehmer bei der Durchführung von Verträgen zu beachten hat, könnte dem allgemeinen Leistungsstörungs- und dem Gewährleistungsrecht Bedeutung zukommen.1265 Hier ist vieles ungeklärt: Teils wird dafür plädiert, die Leistungsstörungen als solche aus dem Anwendungsbereich des UWG herauszuhalten, damit das Unlauterkeitsrecht das Vertragsverhältnis nicht stört.1266 Inwieweit hier ein echtes Problem liegt, wird man abwarten müssen. Das Unlauterkeits-
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Karlsruhe 9.5.2012 -6 U 38/11 – GRUR-RR 2012, 396; OLG München 12.1.2012 -29 U 3926/11 – GRUR-RR 2012, 395 – Personenbezogene Daten, m. Anm. Schröder ZD 2012, 331. – Aus der Lit. zustimmend etwa Köhler WRP 2012, 1475, 1477, der dies bereits in NJW 2008, 177, 179 f. und WRP 2009, 898, 910 begründet hatte. 1257 So Köhler GRUR 2010, 1047, 1049 f.; weitergehnd jurisPK-Internetrecht/Heckmann Kap. 4.3 OnlineAuktionen Rn. 236. 1258 So etwa LG Frankfurt/M. 4.1.2012 – 3-08 O 113/11 – WRP 2012, 868, 869. 1259 So eine Tendenz in Rechtsprechung und Lehre, vgl. OLG Köln 19.10.2012 – 6 U 46/12 – WRP 2013, 370, 371 f. – Grundpreisangabe bei amazon; Steinbeck WRP 2011, 1221, 1223 f. m.w.N. 1260 Vgl. etwa BGH 22.11.2012 – I ZR 72/11 – GRUR 2013, 739 Tz. 17 – Barilla. 1261 Dazu BGH 5.10.2010 – I ZR 4/06 – BGHZ 187, 231 = GRUR 2011, 532 Tz. 25 ff. – Millionen-Chance II, m. Bespr. u.a. von Emmerich JuS 2011, 1036 f.; Köhler GRUR 2011, 478, 480 ff., Peifer jurisPR-WettbR 5/2011 Anm. 1; s. ferner Köhler GRUR 2010, 767, 771, 775; Leible/Günther GRUR-Prax 2011, 209, 211. 1262 Zu diesem Erfordernis bei anderen UWG-Normen Köhler GRUR 2010, 767, 771, 775. 1263 Im Ergebnis ebenso OLG Köln 19.10.2012 – 6 U 46/12 – WRP 2013, 370, 371 – Grundpreisangabe bei amazon. 1264 Zutreffend Alexaander WRP 2012, 515, 521 sowie WRP 2013, 17, 21. 1265 Dazu umfassend Goldhammer insb. S. 51 – 126, 159 ff., 180 ff. 1266 Vgl. Leistner S. 583 ff., 590 ff., 597 ff.; Tiller S. 176 ff.; s. a. Goldhammer S. 147 f. m.w.N.
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recht sollte an sich, wie Art. 3 Abs. 2 UGPRL für die Harmonisierung klarstellt, das Vertragsrecht insbesondere im Hinblick auf die Wirkungen des Vertrags unberührt lassen. Indes wird der Inhalt eines Vertrags nicht dadurch geändert, dass bestimmte Verhaltensweisen eines Unternehmers bei der Vertragsdurchführung als unlautere geschäftliche Handlungen angesehen werden. Auch seine Wirkungen werden nicht beeinflusst, wenn ein Dritter gegen unlauteres Verhalten bei der Vertragsdurchführung vorgehen kann, da ihm keine vertraglichen Anspruche auf Erfüllung oder dergleichen eingeräumt werden, sondern lediglich die gesetzlichen Ansprüche nach den §§ 8 ff. UWG auf Unterlassung von z.B. irreführenden Angaben und Beseitigung von deren Folgen.1267 Zudem wird man nicht jede Nicht- oder Schlechtleistung ohne weiteres als Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt ansehen können; zumindest folgt darauf allein nicht die Unlauterkeit i.S.v. § 3 Abs. 2 UWG, weil dazu zusätzlich die Eignung zur Beeinflussung einer Verbraucherentscheidung erforderlich ist, und die bloße Nicht- oder Schlechtleistung ist dazu allein nicht geeignet.1268 Insgesamt spricht einiges dafür, den Begriff der fachlichen (bzw. beruflichen) Sorgfalt im Hinblick auf die Schutzzwecke des Unlauterkeitsrechts einschränkend auszulegen und im Bereich der Vertragsdurchführung einen Verstoß i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG bzw. Art. 5 Abs. 2 lit. a) UGPRL nur dann anzunehmen, wenn über die Pflichtverletzung i.S.v. § 280 Abs. 1 BGB hinaus einen „Marktbezug“ zu fordern, wie er in der Definition der geschäftlichen Handlung zum Ausdruck kommt, und die Handlung deshalb als Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt gegenüber Verbrauchern für das Unlauterkeitsrecht relevant wird, weil es sich entweder um eine im UWG-Anhang beschriebene Verhaltensweise (etwa Nr. 26, 27) handelt oder um eine sonstige irreführende oder aggressive Geschäftspraxis oder um eine bei objektiver Betrachtung systematische Missachtung vertraglicher Rechte von Verbrauchern (arg. Nr. 27 UWG-Anhang).1269 Marktverhaltensregeln finden sich für dessen Anwendungsbereich auch im HWG, 723 dessen Tatbestände zumindest teilweise auf unionsrechtlichen Vorgaben1270 beruhen. Aus § 7 HWG lässt sich beispielsweise der Schluss ziehen, dass auch in der Heilmittelwerbung nicht jede finanzielle Zuwendung von vornherein gegen die berufliche Sorgfalt verstößt und somit verboten ist.1271 Beim Handel mit Büchern legen die §§ 3 ff. BuchPrG die Preisbindung als Maßnahme der beruflichen Sorgfalt fest, was aber wegen der in § 9 BuchPrG enthaltenen zivilrechtlichen Ansprüche auch ohne Rückgriff auf das UWG durchgesetzt werden kann.1272 Nicht anders verhält es sich im Arzneimittelpreisrecht.1273 Auch die Angabe von Fundstellen für einen Warentest, mit dessen Ergebnissen 724 geworben wird, gilt als Gebot der fachlichen Sorgfalt, wobei die Angabe nicht nur eindeutig, sondern auch ohne übermäßige Mühe lesbar sein und das leichte Auffinden des Tests ermöglichen muss.1274 Gleiches gilt bei der Werbung mit Leserumfragen, bei denen
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1267 Ebenso Svigac NJOZ 2013, 721, 725 f.; a.A. Goldhammer S. 148; Schmidtke S. 32. 1268 Zutreffend Svigac NJOZ 2013, 721, 725 f.; ähnlich bereits Tiller S. 176 ff. 1269 So der Vorschlag von Goldhammer S. 188 ff. mit S. 203 f.; ähnich berreits Leistner S. 590 ff. 1270 RL 2001/83/EG vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311/67, 28.11.2001. 1271 OLG Düsseldorf 7.9.2010 – I-20 U 52/10 BeckRS 2010, 25157 (gegen Ende); zustimmend Hobusch/Ochs MedR 2011, 553, 555. 1272 Vgl. LG Hamburg 19.1.2010 – 312 O 258/09 ZUM-RD 2010, 352, 353. 1273 Vgl. offenlassend OLG München 2.7.2009 – 29 U 3992/08 – GRUR-RR 2010, 53, 56 – Treuebonus II. 1274 BGH 16.7.2009 – I ZR 50/07 – GRUR 2010, 248 Tz. 31 – Kamerakauf im Internet; dem folgend etwa KG 11.2.2011 – 5 W 17/11 – WRP 2011, 497 – Lesbarkeit; OLG Karlsruhe 17.2.2012 – 4 U 232/11 MD 2012, 523 f.; OLG Köln 4.4.2012 – WRP 2013, 535, 536 – Konsumententest III; OLG Stuttgart 7.4.2011 – 2 U 170/10 MD 2011, 543 546; LG Kiel 18.1.2012 – 14 O 88/11 MD 2012, 457 f.; LG Tübingen 29.11.2010 – 20 O 86/10 MD 2011, 207, 208; Müller-Bidinger jurisPR-WettbR 6/2012 Anm. 5 (zu LG Köln 6.10.2011 – 31 O 205/11 – WRP 2012, 490, wo aber nur auf § 5 UWG abgestellt wird); Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 190.
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neben den positiven Antworten auch die gestellten Fragen angegeben werden müssen, damit die positive Werbebotschaft nicht aufgrund unzureichender Informationen eine Verbraucherentscheidung herbeiführt.1275 Zudem gebietet es die fachliche Sorgfalt, für Pflichtangaben nach § 4 HWG, Testfundstellen, nähere Preisinformationen (§ 5a Abs. 3 UWG) usw. in Printmedien und auf Verpackungen in einer gut lesbaren Schrift mit einer Größe von mindestens 6pt zu formatieren.1276 Im Supermarktregal genügt für die Grundpreisangabe hingegen eine Schrifthöhe von 2 mm, wenn sie kontrastreich und übersichtlich dargestellt ist, da es sich um eine kurze Angabe handelt. weshalb die Rechtsprechung zu § 4 HWG nicht übertragbar ist.1277 725 Praktisch bedeutsam ist ferner die Frage, welche fachliche Sorgfalt bei Verkaufsförderungsmaßnahmen1278 zu beachten ist, also bei Sonderangeboten, Preisnachlässen, Zugaben und anderen Koppelungsangeboten.1279 Hier geben zunächst die der Irreführung zuzurechnenden Tatbestände in § 4 Nr. 4 und 5 sowie in § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bzw. § 5a Abs. 2 bis 4 UWG Anhaltspunkte vor allem in Richtung auf die Transparenz.1280 In diesem Kontext hat der BGH den Aspekt der fachlichen Sorgfalt herangezogen, um die Frage einer Irreführung durch Verlängerung einer befristeten Verkaufsförderungsmaßnahme zu klären: Hier soll der Werbende darlegen müssen, warum die Gründe für eine Verlängerung der Aktion für ihn nicht vorhersehbar waren,1281 wenn er die Irreführungseignung widerlegen möchte. Gleiches gilt für die nicht ausreichende Bevorratung von Aktionswaren.1282 Schließlich gebietet es nach Ansicht des Gutachterausschusses die fachliche Sorgfalt bei einer Werbung mit einer prozentualen Preissenkung, dass der Verbraucher im Sortiment eine Auswahl entsprechender Produkte findet, ohne dass man klarere Angaben zum Anteil der herabgesetzten Produkte am Gesamtsortiment machen könnte.1283 In den Beispielstatbeständen des § 4 Nr. 4 und 5 UWG sind weitere Informationspflichten enthalten, welche die fachliche Sorgfalt bei Verkaufsförderungsmaßnahmen konkretisieren; allerdings würde sich bei unzutreffenden Angaben aus § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG bzw. bei fehlenden Angaben aus § 5a Abs. 2 UWG nichts anderes ergeben. Alle anderen im Kontext von Verkaufsförderungsmaßnahmen, insb. Koppelungsangeboten, diskutierten Unlauterkeitskriterien haben letztlich mit der Koppelung an sich zu tun, sondern mit ihrer Verbindung mit einem anderen für die Unlauterkeit relevanten Umstand wie einer Irreführung oder einer besonders kurzen Befristung usw.1284
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1275 LG Ulm 30.9.2011 – 10 O 102/11 KfH MD 2011, 1041, 1043 f. 1276 KG 11.2.2011 – 5 W 17/11 – WRP 2011, 497 m.w.N. zur Schriftgrößenproblematik; zustimmend OLG Nürnberg 7.11.2011 – 3 U 1394/11 MD 2011, 1017, 1018; ebenso OLG Stuttgart 7.4.2011 -2 U 170/10 MD 2011, 543, 547 f. 1277 BGH 7.3.2013 – I ZR 30/12 – GRUR 2013, 850 Tz. 13 ff. – Grundpreisangabe im Supermarkt, dies allerdings ohne Bezug zur fachlichen Sorgfalt. 1278 Zum Begriff der Verkaufsförderungsmaßnahme s. die Kommentierung zu § 4 Nr. 4 UWG; ferner BGH 11.3.2009 – I ZR 194/06 GRUR 2009, 1064 Tz. 22 – Geld-zurück-Garantie II; Köhler GRUR 2010, 767, 768 m.w.N.; Ullmann/Seichter § 4 Nr. 4 Rn. 16.1. 1279 Zur Zulässigkeit von letzten eingehend Boesche WRP 2011, 1345, 1345 ff. 1280 Näher Köhler GRUR 2010, 767, 770 f. 1281 BGH 7.7.2011 – I ZR 173/09 – GRUR 2012, 208 Tz. 22 – 10% Geburtstags-Rabatt; BGH 7.7.2011 – I ZR 181/10 – GRUR 2012, 213 Tz. 21 ff., 25 – Frühlings-Special. 1282 BGH 27.5.1982 – I ZR 35/80 – GRUR 1982, 681 – Skistiefel, BGH 21.4.1983 – I ZR 15/81 – GRUR 1983, 582 – Tonbandgerät; BGH 18.4.1985 – I ZR 155/83 – GRUR 1985, 980 – Tennisschuhe; BGH 25.6.1992 – I ZR 136/90 – GRUR 1992, 858 – Clementinen; BGH 16.3.2000 – I ZR 229/97 – GRUR 2002, 187, 188 f. – Lieferstörung. 1283 Gutachten des Gutachterausschusses für Wettbewerbsfragen März 2012, WRP 2012, 924, 926 f. 1284 Deutlich in den Erwägungen von Boesche WRP 2011, 1345, 1353.
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Als vom nationalen Gesetzgeber konkretisierten Fall der Verletzung der fachlichen 726 Sorgfalt kann man die Ausübung eines unangemessenen unsachlichen Einflusses in § 4 Nr. 1 UWG ansehen, der gem. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG i.V.m. Art. 5 ff. UGPRL allerdings nur im Falle seiner Entscheidungsrelevanz unlauter ist. Mit dieser Maßgabe entspricht § 4 Nr. 1 UWG den Vorgaben von Art. 8 und 9 lit. a) UGPRL. Demnach kann ein Sorgfaltsverstoß dann vorliegen, wenn der Unternehmer den Verbraucher zeitlich stark unter Druck setzt, ohne dass dafür ein sachlicher Grund ersichtlich ist, arg Nr. 7 UWG-Anhang.1285 Die bloße Angebotsbefristung genügt dazu zwangsläufig nicht, und bei der Angemessenheit der für die Entscheidung zur Verfügung stehenden Zeit ist auf den Angebotsbeginn abzustellen, da sonst der Verbraucher am Ende der Angebotsfrist immer einem unzulässigen Druck ausgesetzt wäre. Von daher wird man hier nur in seltenen Ausnahmefällen zu einer Unlauterkeit kommen, die man in Anlehnung an Nr. 7 des UWG-Anhangs (ohne die dort vorausgesetzte unwahre Angabe) wird bestimmen müssen, weil man einen Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt feststellen muss, der darüber hinaus eine besondere Anlockwirkung haben muss, weil es sonst an der zusätzlich erforderlichen Eignung zur Beeinflussung der Verbraucherentscheidung (§ 3 Abs. 2 S. 1 UWG) fehlt. Nimmt man dies zum Maßstab, gibt es über das Beispiel der nicht erforderlichen zeitlichen Drucks hinaus bislang in der Diskussion kein Beispiel für eine Verkaufsförderungsmaßnahme, die gegen die fachliche Sorgfalt verstößt.1286 Da die UGPRL ein generelles Koppelungsverbot nicht kennt, sind entsprechende nationale Regelungen nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des EuGH zu verschiedenen Varianten (einschließlich § 4 Nr. 6 UWG) unzulässig;1287 allerdings kann man wohl im Umkehrschluss aus dieser Rechtsprechung folgern, dass der nationale Gesetzgeber Koppelungsgeschäft durchaus verbieten könnte, sofern das Verbot von der im konkreten Fall festgestellten Eignung abhängig gemacht wird, Entscheidungsfähigkeit und Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen. Dafür bedarf es allerdings noch klarer Kriterien,1288 die kaum in Sicht sind: Zwar drängen sich im Zusammenhang mit Verkaufsförderungsmaßnahmen traditionelle Argumentationsfiguren des BGH auf, die heute bei § 4 Nr. 1UWG zu verorten sind, namentlich das berüchtigte übertriebene Anlocken.1289 So hat es der BGH nicht ausgeschlossen, dass eine Verkaufsförderungsmaßnahme wie ein Gewinnspiel dann gegen die fachliche Sorgfalt verstößt, wenn sie eine so starke Anlockwirkung auf Verbraucher ausübt, dass die Rationalität ihrer Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt.1290 Diese überkommene Argumentationslinie weist allerdings im Hinblick auf § 3 Abs. 2 S. 1 UWG bzw. Art. 5 Abs. 2 UGPRL die Schwäche auf, dass sie allein auf die besonders starke Eignung zur Beeinflussung der Verbraucherentscheidung abstellt, ohne den für die Unlauterkeit aber vorrangig erforderlichen Verstoß gegen die fachliche
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1285 Köhler GRUR 2010, 767, 774; s. ferner zu Koppelungen Boesche WRP 2011, 1345, 1353 m.w.N. – Vgl. als Beispiel die i.Erg. bzgl. des Zeitdrucks aber fragwürdige Entscheidung OLG Hamm 19.3.2009 – 4 U 200/08 – GRUR-RR 2009, 313, 314 f. – Europameisterschaft. 1286 Vgl. auch die Ausführungen von Köhler in GRUR 2010, 177, 180 f., GRUR 2010, 767, 774 und GRUR 2011, 478, 482 f., 485 sowie WRP 2012, 22, 27 f., die sich allesamt auf den unnötigen zeitlichen Druck, die Koppelungsproblematik bei Gewinnspielen und den Schutz besonderer Verbrauchergruppen beschränken. 1287 EuGH 23.4.2009 – C-261/07, C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 = GRUR 2009, 599 Tz. 52 ff., 54, 65 – VTB/Total Belgium und Galatea/Sanoma; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg 2010, I-217 = GRUR 2010, 244 Tz. 49 bis 51 – Plus Warenhandelsgesellschaft; EuGH 9.11.2010 – C-540/08 – Slg 2010, I-10909 = GRUR 2011, 76 Tz. 29 ff. – Mediaprint; EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – Slg 2011, I-5835 = GRUR Int. 2011, 853 Tz. 35 ff., 38 f. – Wamo/JBC und Modemakers Fashion; EuGH 15.12.2011 – C-126/11 – BeckRS 2012, 80286 Tz. 21 ff. – Inno. 1288 Ebenso Boesche WRP 2011, 1345, 1353. 1289 Köhler GRUR 2011, 478, 482; ebenso Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 191. 1290 BGH 5.10.2010 – I ZR 4/06 – BGHZ 187, 231 = GRUR 2011, 532 Tz. 26 – Millionen-Chance II.
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§2
Definitionen
Sorgfalt zu benennen1291 – die starke Anlockwirkung eines besonderes guten Angebots ist auch nach Ansicht der Rechtsprechung wettbewerbskonform1292 und somit kein Sorgfaltsverstoß i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG. Dafür spricht ferner, dass ein Koppelungsangebot für den Unternehmer nur Sinn macht, wenn es für die angesprochenen Verbraucher auch interessant ist,1293 sodass die bloße „Attraktivität“ des Angebots im Regelfall eher Ausdruck einer Leistung im Wettbewerb als Beleg für den Einsatz wettbewerbsfremder Mittel ist.1294 Somit bedarf es zusätzlicher Umstände, um einen Sorgfaltsverstoß zu begründen.1295 Solche Umstände können sich unter Umständen aus einer Koppelung ergeben, wie OLG Köln im Jahr 2012 für ein mit dem Warenabsatz gekoppeltes Gewinnspiel angenommen hat, bei dem man durch Erwerb von fünf Packungen Süßigkeiten zum Preis von je ca. 1 € und anschließendem Einsenden der Kaufbelege an einem Gewinnspiel teilnehmen konnte, bei dem 100 „Goldbärenbarren“ im Wert von je 5.000 € ausgelobt waren.1296 Allerdings hat das Gericht dabei dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich um eine Ware handelte, die auch für einen besondere schutzbedürftigen Personenkreis im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 3 UWG von Interesse war, der von einer Gewinnaussicht zwangsläufig stärker beeinflusst werden kann als der allgemeine Durchschnittsverbraucher, nämlich für Kinder und Jugendliche.1297 Freilich bedeutet dies auch, dass die Koppelung von Waren- und Dienstleistungsabsatz nicht generell einen Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt bedeutet, sondern eben nur in diesem Sonderfall. Alles andere wäre mit der Rechtsprechung des BGH, der selbst in den Zeiten von Rabatt- und Zugabeverbot Gewinnspiele stets großzügig zugelassen hat, kaum vereinbar, zumal der BGH erst kurz zuvor offengelassen hatte, ob eine übertriebene Anlockwirkung stets einen Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt darstelle, weil eine solche Anlockwirkung jedenfalls von einem an den Warenabsatz gekoppeltes Gewinnspiel nicht ausgehe, bei dem man kostenlos an einer Ziehung des deutschen Lottoblocks teilnehmen konnte.1298 Im Schrifttum wird bei Gewinnspielen eine gegen die fachliche Sorgfalt verstoßende Anlockwirkung teils generell angenommen, insbesondere wenn der Gewinn in der Teilnahme an einem als suchtgefährlich eingestuften Glücksspiel besteht,1299 teils aber auch verneint,1300 und letzteres zurecht: Eine rationale Verbraucherentscheidung kann auch beinhalten, eine Ware zu kaufen, bei der man an einem Gewinnspiel teilnehmen kann, denn wenn die beworbene Ware bekanntermaßen von geringer Qualität ist, wird man sie in der Regel gleichwohl nicht kaufen oder nur dann, wenn sich der Qualitätsmangel für die konkrete Verwendung nicht auswirkt. Gleichwohl hinterlässt die Fruchtgummi-
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1291 Besonders deutlich erkennbar in BGH 8.11.2007 – I ZR 60/05 – GRUR 2008, 530 Tz. 13 – Nachlass bei der Selbstbeteiligung, m.w.N. (zum Rabatt); ferner in BGH 29.10.2009 – I ZR 180/07 – GRUR 2010, 455 Tz. 17 – Stumme Verkäufer II; anders hingegen BGH 24.6.2010 – I ZR 182/08 – GRUR 2010, 851 Tz. 13 – Brillenversorgung II, wo auf die Einwirkung des Arztes auf den Patienten abgestellt wird. 1292 Zutreffend etwa (zu Rabatten) BGH 8.11.2007 – I ZR 60/05 – GRUR 2008, 530 Tz. 13 – Nachlass bei der Selbstbeteiligung, m.w.N. 1293 BGH 2.9.2005 – I ZR 28/03 – GRUR 2006, 161 Tz. 17 – Zeitschrift mit Sonnenbrille (m. Anm. Steinbeck). 1294 In diesem Sinne etwa BGH 9.6.2004 – I ZR 187/02 – GRUR 2004, 960 f. – 500 DM-Gutschein für Autokauf; BGH 2.9.2005 – I ZR 28/03 – GRUR 2006, 161 Tz. 16 ff. – Zeitschrift mit Sonnenbrille (m. Anm. Steinbeck). 1295 Zutreffend Köhler GRUR 2010, 767, 774, 775 sowie Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 53a. 1296 OLG Köln 21.9.2012 – 6 U 53/12 – WRP 2013, 92, 93/94 f. – Fruchtgummi-Glückswochen. 1297 So OLG Köln 21.9.2012 – 6 U 53/12 – WRP 2013, 92, 93 – Fruchtgummi-Glückswochen; ähnlich wohl Dönch GRURPrax 2012, 588 sowie allgemein Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 130 für Werbemaßnahmen mit aleatorischen Reizen. 1298 BGH 5.10. 2010 – I ZR 4/06 – BGHZ 187, 231 Tz. 26 = GRUR 2011, 532 – Millionen-Chance II. 1299 Hecker Anm. WRP 2011, 560, 561; Krüger GRURPrax 2012, 129, 133. 1300 Bejahend Haberkamm/Kühne EWS 2010, 417, 419 (zu § 4 Nr. 1 UWG); ablehnend Köhler GRUR 2010, 767, 775.
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§2
Fachliche Sorgfalt
Glückwochen-Entscheidung des OLG Köln1301 gewisse Zweifel: Letztlich könnte man bei nicht ganz unerheblichen Gewinnen über § 3 Abs. 2 S. 3 UWG doch wieder zu einem faktischen generellen Verbot der Koppelung von Gewinnspielen mit dem Warenabsatz und ein Rückfall in restriktive Wertungen gelangen, die man bis vor kurzem noch für überwunden halten durfte, sofern es nur um eine Ware oder Dienstleistung geht, die jedenfalls auch in nennenswertem Umfang für Kinder und Jugendliche von Interesse ist. Die Anbieter spezieller Produkte für diesen Verbraucherkreis müssten dann im Ergebnis auf Gewinnspiele mit wertvolleren Preisen verzichten, wobei noch die Frage wäre, wo man die Grenze ziehen will. Im Zusammenhang mit der belästigenden Werbung wurde der Gedanke der fachli- 727 chen Sorgfalt für die Unzulässigkeit einer vorformulierten und bereits angekreuzten Einwilligung in E-Mail- und ähnliche Werbung herangezogen: Da eine solche Werbung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nur mit vorheriger ausdrücklicher Einwilligung des Werbeadressaten zulässig ist, verstößt es gegen die fachliche Sorgfalt eines Unternehmers, wenn er die Einwilligung in AGB bereits vorsieht bzw. auf einer Internetseite voreinstellt, sodass der Verbraucher gezwungen wird, die Option abzuwählen, denn dadurch wird aus der gesetzliche vorgesehenen Opt-in- eine Opt-out-Lösung.1302 Inwiefern auch Handlungen, die gegen allgemeine Ge- oder Verbote verstoßen, 728 einen Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt im Sinne des Lauterkeitsrechts darstellen und somit eine Unlauterkeit begründen können, ist noch nicht endgültig geklärt und hängt zwangsläufig von den jeweiligen Normen ab, um die es geht. Bei marktbezogenen Vorschriften i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG wird man dies in der Regel bejahen können, bei anderen Normen wie etwa Genehmigungserfordernissen für die Ankündigung von Ausverkäufen hingegen nicht.1303 In Deutschland dürfte das Problem auch daher rühren, dass der deutsche Gesetzgeber den Hinweis auf die anständigen Marktgepflogenheiten unterschlagen hat. So hat das LG Siegen etwa angenommen, der Verstoß gegen die §§ 2 Abs. 15 und 21 Abs. 1 StVG könne gegen die fachliche Sorgfalt eines Fahrlehrers verstoßen,1304 was im Grundsatz und etwa in einem haftungsrechtlichen Sinne (§ 823 Abs. 2 BGB) richtig sein dürfte. Ob dies im Kontext der Unlauterkeit ebenfalls ausreicht, erscheint zweifelhafter. Zwar dient die fragliche Handlung sicherlich geschäftlichen Zwecken und sie dürfte auch geeignet sein, eine geschäftliche Handlung potentieller Fahrschüler zu beeinflussen, doch erscheint es zweifelhaft, ob gerade der Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt geeignet war, ihre Fähigkeit zu beeinflussen, auf der Grundlage von Informationen eine Entscheidung zu treffen, wie das LG Siegen dies unter Hinweis auf verschiedene ältere Entscheidungen angenommen hat, welche dies aber entweder so nicht aussagen1305 oder deren Begründung im Rahmen von § 3 Abs. 2 UWG kaum mehr haltbar sind, namentlich weil sie die Gedanken des Vorsprungs durch Rechtsbruch bzw. des übertriebenen Anlockens und psychologischen Kaufzwangs verwenden.1306 Ähnlich verhält es sich, wenn im Rahmen einer geschäftlichen Handlungen Rechte Dritter verletzt werden, so etwa bei der Verwendung eines fremden Bildnisses zu Werbezwecken: An sich kann man darin zwar einen Verstoß gegen die unternehmerischen Sorgfaltspflichten sehen, doch spricht gegen einen Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG, dass
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1301 OLG Köln 21.9.2012 – 6 U 53/12 – WRP 2013, 92 – Fruchtgummi-Glückswochen. 1302 LG Frankfurt/M. 11.5.2011 – 3-08 O 140/10 BeckRS 2011, 20152 (insoweit nicht in K&R 2011, 678). 1303 EuGH 17.1.2013 – C-206/11 – GRUR 2013, 297 Tz. 35 ff., 47 ff. – Köck. 1304 LG Siegen 23.2.2012 -1 O 194/10 – WRP 2012, 870 f. 1305 Wie OLG Hamm 14.8.2007 – 3 Ss 259/07 NStZ-RR 2008, 321 = VD 2007, 291 (unter III. 1 b). 1306 So die Entscheidungen OLG Braunschweig 26.8.1983 – 2 U 63/832 – WRP 1984, 147 f. bzw. OLG Hamm 30.10.1986 – 6 U 1174 und 1175/85 – NJW-RR 1987, 1124, 1125.
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§2
Definitionen
ein solcher Vorgang wenig mit der gegenüber Verbrauchern (oder sonstigen Marktteilnehmern) zu erwartenden Rücksichtnahme zu tun hat; damit liegt das Verhalten außerhalb der Schutzzweck des Unlauterkeitsrechts,1307 solange daraus nicht z.B. eine Irreführung über Rechte des Unternehmers (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG) folgt. Auch das Schrifttum zieht das Kriterium der fachlichen Sorgfalt zunehmend bei der 729 Beurteilung geschäftlicher Handlungen heran. So ist mehrfach vorgeschlagen worden, dieses Kriterium im Zusammenhang mit Glücksspielkoppelungen heranzuziehen, wobei sich konkrete Maßstäbe jeweils aus dem GlüStV ableiten ließen.1308 Im Übrigen lassen sich für die gebotene fachliche Sorgfalt bei der Ankündigung und Durchführung von verkaufsfördernden Gewinnspielen nur wenige Kriterien finden, die über das Transparenzgebot des § 4 Nr. 5 UWG hinausgehen.1309 Der seit Jahrzehnten übliche Vertrieb von Glücksspielen und anderen Waren, namentlich Süßwaren oder auch Zeitschriften und Schreibwaren, in einem Verkaufsraum ohne klare räumliche Trennung stellt keinen Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt dar.1310 Selbst die Koppelung des Gewinnspiels an den Waren- oder Dienstleistungsabsatz ist nicht mehr per-se unlauter, wie es § 4 Nr. 6 UWG suggeriert, sondern nur bei Hinzutreten eines Verstoßes gegen die fachliche Sorgfalt (und Eignung zur Beeinflussung der Verbraucherentscheidung). Vor diesem Hintergrund kann man weiterhin davon ausgehen, dass Aktionen, die vor der Umsetzung der UGPRL als zulässig angesehen wurden, weil sie eine rationale Entscheidung nicht ausschließen, heute nicht gegen die fachliche Sorgfalt verstoßen.1311 Gleichwohl ist im Hinblick auf § 3 Abs. 2 S. 3 UWG Vorsicht geboten, zumal diese Vorschrift die Vorgabe aus Art. 5 Abs. 3 UGPRL nur verfälscht umsetzt. Damit kann man eine gewisse Gefahr nicht leugnen, dass die Möglichkeit einer stärkeren Beeinflussung bestimmter schutzbedürftiger Verbrauchergruppen zu einer restriktiveren Handhabung u.a. der Werbung mit Gewinnspielen führen könnte. Schließlich wird die fachliche Sorgfalt auch noch dazu funktionalisiert, um einen 730 Gleichlauf zwischen dem Marken- und dem Lauterkeitsrecht konstruieren zu können und ihr Verhältnis zueinander zu klären: Nach dem MarkenG zulässige Dispositionen über die Marke (oder ein anderes Kennzeichenrecht) sollen der fachlichen Sorgfalt stets entsprechen und selbst dann keine Ansprüche nach den §§ 8 ff. UWG auslösen können, wenn sie zu einer Irreführung des Verbrauchers führen könnten.1312 Ob die Dinge wirklich so einfach sind, mag man bezweifeln, da die Schutzzwecke von Kennzeichenund Lauterkeitsrecht doch stark unterschiedlich sind und es naheliegt, dass die bewusste Irreführung von Verbrauchern durch eine an sich zulässige Markenverwendung nach §§ 3 Abs. 2, 5 UWG doch unzulässig sein dürfte. Ein ganz anderer Aspekt lässt sich schließlich auch noch mit der fachlichen Sorgfalt 731 in einen Zusammenhang stellen, nämlich die Haftung für das unlautere Verhalten Dritter wegen der Verletzung von Verkehrspflichten im Wettbewerb: Bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern soll der Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt die Begründung dafür liefern, warum ein selbst nicht als Täter oder Teilnehmer handelnder
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1307 Im Ergebnis ebenso Piper/Ohly/Sosnitza § 3 Rn. 83 mN. 1308 Boesche WRP 2011, 1345, 1353; Krüger GRURPrax 2012, 129, 131 ff. 1309 Näher Berlit WRP 2011, 1225, 1228 ff. unter Auswertung der Rechtsprechung der letzten Jahre. 1310 KG 30.3.2009 – 24 U 145/08 – WRP 2010, 129, 141 f. = GRUR-RR 2010, 22 – JACKPOT!; KG 12.8.2009 – 24 U 40/09 – WRP 2010, 142, 148; i. Erg. ebenso ohne Bezug zur fachlichen Sorgfalt etwa OLG Koblenz 6.5.2009 – 9 U 117/09 GRUR-RR 2010, 20, 22 – Süßwaren in Annahmestelle. 1311 Berlit WRP 2011, 1225, 1229 f. m.w.N. 1312 So Bärenfänger WRP 2011, 160, 173.
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Verbraucherbegriff
§2
Unternehmer für den Verstoß eines Dritten einstehen muss.1313 Allerdings bedarf es dieses Gedankens an sich nicht, da die Haftung für die Verletzung von Verkehrspflichten im allgemeinen Deliktsrecht anerkannt ist und somit an sich keine Bedenken bestehen können, sie auch im Lauterkeitsrecht heranzuziehen. Dass in der Verletzung von Verkehrspflichten ein Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt liegt, übersetzt das Phänomen letztlich in die Diktion der UGPRL und belegt somit, dass die Rechtsfigur mit den Grundsätzen des Art. 5 Abs. 2 UGPRL in Einklang steht. Das Gleiche gilt für die Haftung aus der unterlassenen Sicherung geschäftlicher Einrichtungen, namentlich von ebay-Konten,1314 die sich ebenfalls als Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt in das System der UGPRL einordnen lässt,1315 an sich aber die in der Richtlinie eher nicht geregelte Frage der Zurechnung fremden Verhaltens regelt. Darüber hinaus ist der Gesichtspunkt aber kaum geeignet, eine weitergehende Haftung zu begründen. So trifft zwar den Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich die berufliche Sorgfaltspflicht, den Geschäftsbetrieb in Einklang mit der Rechtsordnung auszugestalten und die Einhaltung der Gesetze organisatorisch zu überwachen, doch besteht diese Pflicht nicht gegenüber Dritten, sodass eine persönliche Haftung des Geschäftsführers nur bei Hinzutreten besonderer Umstände denkbar ist und im Regelfall ausscheidet.1316 Ein Unternehmer, der Werbeflyer für sein Unternehmen anfertigen lässt, damit diese verteilt werden können, verletzt dadurch allein nicht die fachliche Sorgfalt, wenn es später zu einem Missbrauch durch Dritte kommt, weil dieser nie auszuschließen und ohne konkrete Anhaltspunkte auch kaum zu verhindern ist.1317 Immerhin mag aber der Bezug zu den Verkehrspflichten im Wettbewerb auch ein Mosaikstein sein, der grundsätzlich vermittelt, worum es bei der fachlichen Sorgfalt geht. Die allgemeine Bedeutung von Verhaltenskodizes wurde bereits oben erläutert 732 (vgl. Rn. 689 ff.). Soweit ein Unternehmen an einen Verhaltenskodex gebunden ist, stellt seine Nichtbeachtung im Regelfall einen Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt dar, wobei man einschränkend wird hinzufügen müssen, dass dies wohl nur gilt, wenn die Abweichung zum Nachteil des Verbrauchers erfolgt. Ähnlich verhält es sich, wenn der Unternehmer selbst eingerichtete Kundenbeschwerdesysteme nicht beachtet;1318 informiert er den Verbraucher darüber unzureichend oder falsch, liegt sogar eine Irreführung i.S.v. §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 5a Abs. 1 UWG vor,1319 ebenso beim systematischen Verstoß gegen das System.1320 Definitionen § 2 Verbraucherbegriff § 2 Fritzsche
C. Verbraucherbegriff, § 2 Abs. 2 I. Einführung 1. Entstehungsgeschichte, Entwicklung des Verbraucherbegriffs und unions- 733 rechtlicher Hintergrund. In § 2 Abs. 2 UWG wird der Verbraucherbegriff für das UWG
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1313 Köhler/Bornkamm § 8 Rn.2.8; Köhler GRUR 2008, 1, 3 und WRP 2012, 359 sowie WRP 2012, 22, 26 ff.; zustimmend Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 195; aufgegriffen von OLG Hamm 12.6.2012 – I-4 U 9/12, BeckRS 2012, 16361, gegen Ende der Gründe unter cc); ebenso das Vorbringen in LG Hamburg 19.1.2010 – 312 O 258/09 ZUM-RD 2010, 352, 353, doch hat das Gericht darauf in seiner Begründung nicht zurückgegriffen. 1314 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – GRUR 2009, 597 – Halzband. 1315 Köhler WRP 2012, 22, 26 f.; ebenso Harte/Henning/Podszun § 3 Rn. 64. 1316 KG 13.11.2012 – 5 U 30/12 – WRP 2013, 354, 355, 356 ff.; zust. Köhler WRP 2013, 359. 1317 OLG Hamm 12.6.2012 – I-4 U 9/12, BeckRS 2012, 16361, gegen Ende der Gründe unter cc). 1318 Köhler WRP 2009, 898, 910. 1319 Hoeren WRP 2009, 789, 792. 1320 Köhler WRP 2009, 898, 910.
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§2
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Definitionen
durch einen Verweis auf § 13 BGB festgelegt. Nach dieser Vorschrift ist „Verbraucher“ jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Diese Definition gilt gemäß § 2 Abs. 2 UWG „entsprechend“. Der Verbraucherbegriff hat im geltenden UWG eine erhebliche Bedeutung, da zahlreiche Vorschriften explizit an die Vornahme einer geschäftlichen Handlung gegenüber einem Verbraucher anknüpfen. Dies gilt zum einen sowohl für die sog. Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 UWG als auch für die „Schwarze Liste“ im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, zum anderen aber auch für weitere Vorschriften, nämlich die §§ 4 Nr. 2 und Nr. 6, 5a Abs. 2 bis 4, 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 sowie 16 Abs. 2 und 20 Abs. 1 UWG. In § 4 Nr. 1 UWG ist die Verbrauchereigenschaft hingegen nicht konstitutiv, und in § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG werden lediglich die Rechte von Verbrauchern als möglicher Gegenstand einer irreführenden Angabe erwähnt. Die Regelung des § 2 Abs. 2 UWG existiert seit der UWG-Reform 2004, die erstmals in § 1 S. 1 UWG den Verbraucher explizit als Schutzsubjekt benannt und somit eine Definition nahegelegt hat. Zuvor war zwar bereits seit längerem anerkannt, dass das UWG 1909 auch den Verbraucher schützte, doch spielte der Begriff im Gesetzeswortlaut nur eine ganz untergeordnete Rolle. So verbot § 6a UWG 1909 die Werbung mit der Eigenschaft als Hersteller oder Großhändlern gegenüber „letzten Verbrauchern“, und § 6b UWG 1909 untersagte die Ausgabe von Berechtigungsscheinen u.ä. zum Warenbezug. Beide Normen meinten allerdings mit dem „letzten Verbraucher“ jeden, der Waren nicht mehr zu betrieblichen Zwecken einsetzen konnte,1321 und unterschied sich möglicherweise1322 vom heutigen Verbraucherbegriff. Notwendig wurde die Definition des Verbraucherbegriffs, weil das UWG 2004 nicht nur der Umsetzung von Art. 13 Datenschutzrichtlinie-EK diente, auf die es in der amtlichen Fußnote verwies, sondern an sich auch der Umsetzung der damaligen Irreführungsrichtlinie 84/450/EG in der Fassung der Richtlinie über vergleichende Werbung 97/55/EG, was die Fußnote zum UWG 1909 noch anführte, die darüber hinaus auch die Fernabsatz- und die Unterlassungsklagen-RL 97/7/EG und 92/28/EWG in Bezug nahm. Von Bedeutung ist das insofern, als die Überprüfung der Vereinbarkeit nationaler Vorschriften mit EU-Richtlinien sich nicht auf Normen beschränkt, die ausdrücklich der Umsetzung einer Richtlinie dienen, sondern auch alle anderen (und ggf. älteren) Vorschriften erfasst, die geeignet sind, die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem jeweils geltenden EU-Recht zu gewährleisten1323 oder auch zu beeinträchtigen.1324 Dass der Verbraucherschutz im deutschen bürgerlichen Recht seinen Durchbruch gerade den genannten und anderen Richtlinien verdankt, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung.1325 Heute dient die Regelung in § 2 Abs. 2 UWG zugleich der Umsetzung von Art. 2 lit. a) UGP-Richtlinie. Nach dieser Vorschrift ist Verbraucher „jede natürliche Person,
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1321 S. nur Köhler/Piper UWG, 3. Aufl. 2002, § 6a Rn. 13 ff., § 6b Rn. 7 m.w.N. 1322 Die Erläuterungen bei Köhler/Piper UWG, 3. Aufl. 2002, § 6a Rn. 17 ff. sprechen eher dagegen, zumindest soweit man die Sichtweise der damals h.M. zugrunde legt (s. Rn. 14), doch mag dies heute dahinstehen. – Zur Unschärfe des Begriffs des „letzten Verbrauchers“ s. auch Fezer/Fezer § 2 Rn. 4 m.w.N. 1323 EuGH 23.4.2009 – C-261/07, C-299/07 – Slg. 2009, I-2949 = GRUR 2009, 599 Tz. 35 ff. – VTB/Total Belgium und Galatea/Sanoma. 1324 Ebenso Alexander WRP 2013, 17, 18 f. 1325 Vgl. zur Entwicklung im BGB-Verbraucherschutz jeweils m.w.N. etwa Bamberger/Roth/SchmidtRäntsch BGB, § 13 Rn. 1 ff.; MüKoBGB/Micklitz 6. Aufl., Vor §§ 13, 14 Rn. 23 ff. und 90 ff.; Soergel/Pfeiffer BGB, 13. Aufl., § 13 Rn. 1, 3 ff.; Staudinger/Weick BGB (2004), Vor §§ 13, 14 Rn. 14 ff.
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Verbraucherbegriff
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die im Geschäftsverkehr zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“. Nach dieser Richtliniendefinition schließt jede berufliche Tätigkeit die Verbrauchereigenschaft aus, während § 2 Abs. 2 UWG i.V.m. § 13 UWG nur Personen als Verbraucher ansieht, die außerhalb des Rahmens einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handeln. Dabei erweist es sich als unschädlich, dass die handwerkliche Tätigkeit nicht gesondert erwähnt wird, da sie in Deutschland den Gewerben oder zumindest den selbständigen beruflichen Tätigkeiten zugeordnet werden kann.1326 Auch zahlreiche andere EG- bzw. EU-Richtlinien, die sich mit dem Verbraucher- 738 schutz beschäftigen und aufgrund ihres marktverhaltensregelnden Charakters für das Unlauterkeitsrecht1327 von Bedeutung sind, enthalten eine inhaltsgleiche Definition. Dies gilt etwa für Art. 2 Nr. 1 Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU als Nachfolgeregelung zu Art. 2 Nr. 1 Fernabsatz-RL 97/7/EG und zu Art. 2 Spiegelstrich 1 Haustürgeschäfte-RL 577/85/EWG, wobei der Verbraucherbegriff aus dem Zweck abgeleitet wird, zu dem eine natürliche Person einen Vertrag abschließt. Die Verbrauchereigenschaft ist nach der Verbraucherrechterichtlinie ausgeschlossen, wenn die Person „zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“. Damit kommt deutlicher als in den Vorgängerregelungen zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer als solcher ebenfalls kein Verbraucher ist. Ähnlich definiert auch Art. 2 lit. e) E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG, doch fehlt hier – wie in der UGP-Richtlinie – wegen des nicht auf den Verbraucherschutz beim Vertragsschluss begrenzten Anwendungsbereichs – die Bezugnahme auf den Abschluss eines Vertrages. Insgesamt erweist sich somit der Verbraucherbegriff im Recht der EU als typischerweise enger als der im deutschen Verbraucherschutz- und Lauterkeitsrecht verwandte Begriff, was für letzteren durchaus nicht unproblematisch ist.1328 Doch hat der europäische Gesetzgeber in Erwägungsgrund 13 der Verbraucherrechte-Richtlinie ausdrücklich betont, dass es den Mitgliedstaaten trotz der angestrebten Vollharmonisierung freistehe, den Schutz auf Nicht-Verbraucher zu erstrecken. Dies wäre auch ohne die klarstellenden Hinweise des Richtliniengebers möglich, da der Schutz von Nicht-Verbrauchern durch das EU-Lauterkeitsrecht nur teilweise und nicht abschließend geregelt ist. Nichts anderes gilt letztlich für die UGP-Richtlinie und die Umsetzung der darin 739 enthaltenen Verbraucherdefinition durch den deutschen Gesetzgeber: Die Vollharmonisierung des verbraucherschützenden Unlauterkeitsrechts hindert den nationalen Gesetzgeber bislang nicht daran, den nur für Verbraucher zwingend vorgeschriebenen Schutz vor unsachlicher Beeinflussung auch auf ähnlich schutzbedürftige NichtVerbraucher zu übertragen.1329 Denn insoweit sperrt die UGP-Richtlinie nicht, wie sich zumindest indirekt auch ihren Erwägungsgründen 6 bis 8 entnehmen lässt. Gleichwohl erweist sich der Verzicht auf eine eigene Verbraucherdefinition im UWG als etwas hinderlich, da die primär anderen Zwecken dienende Definition des § 13 BGB, auf die § 2 Abs. 2 UWG verweist, nur entsprechende Geltung beanspruchen kann. Vorzugswürdig wäre, den Verbraucherbegriff in Übereinstimmung mit der Richtlinienvorgabe in § 2
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1326 Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 86. 1327 Zur Vorzugswürdigkeit dieser Bezeichnung anstelle des verbreiteteren Begriffs „Lauterkeitsrecht“ Bülow GRUR 2012, 889 f. 1328 In diesem Sinne Fezer/Fezer § 2 Abs. 2 Rn. 38 m.w.Nachw. zur Verbrauchereigenschaft bzw. zum Verbraucherschutz von Arbeitnehmern. 1329 Ebenso im Ergebnis Gloy/Loschelder/Erdmann § 34 Rn. 5; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 142; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 89 aE.
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Definitionen
UWG selbst zu definieren;1330 dass man davon bei der Umsetzung der UGP-Richtlinie Ende 2008 abgesehen hat, obwohl man den Unternehmerbegriff in § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG einer eigenen Definition im UWG zugeführt hat, sodass man nur noch das „Gegenteil“ hätte formulieren müssen, ist kaum nachvollziehbar. Ob man dabei auch eine Klarstellung aufnehmen sollte, was unter dem durchschnittlichen Verbraucher zu verstehen ist, auf den § 3 Abs. 2 UWG abstellt,1331 erscheint weniger sicher, da auch die UGP-Richtlinie insofern keine Definition enthält. Schon lange vor Erlass und Inkrafttreten der UGP-Richtlinie ist der Verbraucher 740 in Literatur und Rechtsprechung als besonders schutzbedürftiger Markteilnehmer1332 erkannt worden. Diesem Schutzbedürfnis tragen heute die UGP-Richtlinie und die ihrer Umsetzung sowie einige autonome Normen im UWG Rechnung, namentlich § 3 Abs. 2 und 3 UWG mit dem Anhang sowie § 5a Abs. 2 bis 4 UWG, aber auch § 4 Nr. 1, 2 und 6 UWG sowie § 7 Abs. 2 und 3 oder § 16 Abs. 2 UWG. 2. Inhalt und Zweck der Regelung. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 UWG definiert für die Zwecke des UWG den Inhalt des Begriffs „Verbraucher“ und setzt zugleich – wie dargelegt – Art. 2 lit. a) UGP-Richtlinie um. Die Definition ist immer heranzuziehen, wenn im UWG der Begriff des Verbrauchers Verwendung findet. Dies ist nicht nur in zahlreichen Tatbeständen der Fall, die der Definition der Unlauterkeit oder der konkretisierenden Beschreibung unlauterer geschäftlicher Handlungen dienen, sondern bereits bei der Festlegung der Schutzzwecke des UWG in § 1 S. 1 UWG. Dort werden die Verbraucherinnen und Verbraucher als Schutzsubjekte des Gesetzes genannt. Die Definition des Verbrauchers dient dazu, diesen als Schutzsubjekt im Sinne von 742 § 1 S. 1 UWG festzulegen. Der Verbraucher als solcher ist nicht Normadressat des UWG, kann aber gleichwohl Ansprüchen nach den §§ 8 ff. UWG ausgesetzt sein, wenn er selbst eine geschäftliche Handlung vornimmt (vgl. § 1 Rn. 290 ff., § 2 Rn. 601 f.). Dafür spielt die Verbraucherdefinition des § 2 Abs. 2 UWG keine Rolle, und auch der Umstand, dass eine Person ihre Merkmale erfüllt, schließt es keineswegs aus, dass sie eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vornimmt und dafür haftbar gemacht werden kann.1333 743 Fasst man die Definition zusammen, die sich aus § 13 BGB und seiner in § 2 Abs. 2 UWG angeordneten entsprechenden Geltung für die Zwecke des Unlauterkeitsrechts ergibt, so lautet sie ungefähr: „Verbraucher“ ist jede natürliche Person, die am Markt auftritt und dabei zu Zwecken handelt, die weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen sind.1334 Letztlich würde sich diese Definition wohl auch aus einem Umkehrschluss zu § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ergeben, der die Voraussetzungen für die Unternehmereigenschaft im Sinne des UWG festlegt, der die unselbständige Tätigkeit als solche nicht erfasst,1335 und der im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 2 lit. b UGP-Richtlinie durch die UWG-Novelle von 2008 erst geschaffen wurde (dazu oben Rn. 578 ff.). Für die Anwendung des UWG von noch größerer Bedeutung als die Verbraucher744 definition selbst dürfte das sog. Verbraucherleitbild sein: Dieses Verbraucherleitbild 741
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1330 So Köhler WRP 2013, 403, 405 (mit Formulierungsvorschlag auf S. 411 f.). 1331 Dafür Köhler WRP 2013, 403, 405 (mit Formulierungsvorschlag auf S. 411 f.). 1332 § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG. 1333 Näher dazu Henning-Bodewig GRUR 2013, 26, 1334 So oder ganz ähnlich Fezer/Fezer § 2 Abs. 2 Rn. 30; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 134 aE; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 85; i. Erg. auch Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 205 f. 1335 Vgl. Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 196.
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beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Frage, wie der Verbraucher geschäftliche Handlungen von Unternehmern wahrnimmt, wie er insbesondere ihre Aussagen versteht (dazu unten Rn. 773 ff.). Das Verbraucherleitbild ist weder § 2 Abs. 2 UWG i.V.m. § 13 BGB noch in Art. 2 der UGP-Richtlinie festgelegt, sondern ergibt sich nur aus der Gesetzesbegründung(en) zum UWG1336 bzw. den Erwägungsgründen zur UGP-Richtlinie, die es jeweils in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH und inzwischen auch des BGH festlegen. Die Gesetzgeber hatten somit zwar eine klare Vorstellung vom maßgeblichen Verbraucherleitbild, haben es aber durch die Bezugnahme auf die Rechtsprechung insbesondere des EuGH letztlich auch für Änderungen offengehalten. II. Elemente des Tatbestands (§ 13 BGB i.V.m. § 2 Abs. 2 UWG) Der Gesetzgeber hat von einer echten Definition des Verbraucherbegriffs im UWG 745 abgesehen und stattdessen auf die Definition in § 13 BGB verwiesen. Eine eigenständige Regelung enthält § 2 Abs. 2 UWG nur insofern, als die entsprechende Geltung des Verbraucherbegriffs des § 13 BGB angeordnet wird. Damit kommt es zunächst auf den Tatbestand des § 13 BGB an. Da diese Norm die 746 Verbrauchereigenschaft von dem Zweck abhängig macht, der eine natürliche Person zum Abschluss eines Rechtsgeschäft veranlasst, erweist sie sich bereits im Kontext vorvertraglicher Informationspflichten und vorvertraglichen Verbraucherschutzes des BGB als zu eng;1337 nichts anderes gilt im Hinblick auf den Begriff der geschäftlichen Handlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG und damit den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts, weil der Verbraucherbegriff für jegliche kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung bis hin zur Vertragsanbahnungsphase eine Rolle spielt.1338. Die entsprechende Anwendung, die § 2 Abs. 2 UWG 2004 bereits vor der Umsetzung der UGP-Richtlinie anordnete, trägt heute zugleich dazu bei, dass die Regelung insofern als richtlinienkonform angesehen werden kann, da Art. 2 lit. a) UGP-Richtlinie lediglich auf ein Handeln im Geschäftsverkehr zu Zwecken abstellt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. 1. Natürliche Person (§ 13 BGB). Nach der Regelung des § 13 BGB kann Verbraucher 747 grundsätzlich nur eine natürliche Person sein, also ein Mensch, der gem. § 1 BGB mit der Vollendung der Geburt seine Rechtsfähigkeit erlangt. Dies deckt sich mit der Beurteilung in bestimmten Teilen des Verbraucherschutzrechts der EU, namentlich der restriktiven Rechtsprechung des EuGH zur Klauselrichtlinie.1339 Danach sind Verbraucher ausschließlich einzelne natürliche Personen. Dies gilt unabhängig von ihrem Alter und einer besonderen Schutzbedürftigkeit,1340 auch wenn diese Aspekte im Rahmen insbesondere der §§ 3 Abs. 2 S. 3, 4 Nr. 2 UWG oder von Nr. 28 des UWG-Anhangs eine Rolle spielen.
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1336 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), BT-Drs. 15/1487, S. 19; Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drs. 16/10145, S. 30. 1337 NK-BGB/Ring § 13 Rn. 35; MünchKommBGB/Micklitz § 13 Rn. 69 ff. m.w.N.; Staudinger/Kannowski § 13 Rn. 24 ff.; mit abweichender Begründung i. E. ebenso Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch BGB § 13 Rn. 13. 1338 Fezer/Fezer § 2 Rn. 19; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 206: Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 134; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 85. 1339 EuGH 22.11.2001 – verb. Rs. C-541/99 und C-542/99 – Slg. 2001, I-9049 = NJW 2002, 205 Tz. 15 ff. – Idealservice. 1340 Vgl. Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 204.
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Ausgenommen vom Verbraucherbegriff sind damit jedenfalls juristische Personen,1341 auch soweit sie gar nicht im engeren Sinne unternehmerisch tätig sind (wie etwa gemeinnützige Gesellschaften oder Stiftungen) oder außerhalb ihres eigentlichen Geschäftsgegenstandes; insbesondere steht letzteres der Unternehmereigenschaft i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG bzw. § 14 Abs. 1 BGB nicht entgegen, arg §§ 343, 344 Abs. 1 HGB.1342 Juristische Personen sind damit in der Terminologie des UWG zwangsläufig „sonstige Marktteilnehmer“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG. Das gilt auch für qualifizierte Einrichtungen i.S.v. § 4 UKlaG, also sog. Verbraucherverbände.1343 Schwierigkeiten bereitet, zumindest im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 13 749 BGB, die Behandlung von Personenmehrheiten, die nur aus natürlichen Personen bestehen, also insbesondere von Gesellschaften bürgerlichen Rechts i.S.v. § 705 BGB. Im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit werden diese im bürgerlichen Recht etwa im Mietrecht oder im Verbraucherdarlehensrecht1344 teils wie natürliche Personen behandelt. So hat der BGH, in einem gewissen Widerspruch zu der in Rn. 747 erwähnten Rechtsprechung des EuGH, zu § 1 VerbrKrG a.F. entschieden, dass Verbraucher jede Person sein kann, die nicht juristische Person ist, mithin auch Personengesellschaften bzw. jedenfalls Gesellschaften bürgerlichen Recht, die ausschließlich aus natürlichen Personen bestehen, sofern ihre Schutzbedürftigkeit derjenigen einzelner natürlicher Personen entspricht, was regelmäßig zu bejahen ist, wie namentlich bei einer gemeinsamen Vermögensverwaltung mehrerer Verbraucher.1345 Dies kann man grundsätzlich auf die Beurteilung im Rahmen des § 2 Abs. 2 UWG übertragen.1346 Die dagegen geäußerte Kritik, derzufolge die Beurteilung von Personengesellschaf750 ten im Unionsrecht und die Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer Außen-GbR durch den BGH die Gleichstellung einer nicht unternehmerisch tätigen GbR mit einer natürlichen Person nicht zuließen,1347 lässt an sich die notwendige teleologische Betrachtungsweise außer Acht.1348 Zuzugeben ist ihr allerdings, dass man bei einer im weitesten Sinne vermögensverwaltenden GbR durchaus die Frage stellen muss, ob die klassische Unterscheidung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Betätigung in jedem Einzelfall gerechtfertigt ist. Dies gilt aber nicht nur bei der Einbringung des Vermögens in eine GbR, sondern auch bei der Vermögensverwaltung durch eine einzelne natürliche Person, die zumindest bei größerem Umfang und professioneller Durchführung in Ermangelung jeglicher Schutzbedürftigkeit als unternehmerisch qualifiziert werden sollte (vgl. auch § 36 Abs. 3 GWB und Art. 3 Abs. 1 lit. b) FusionskontrollVO [EG] 139/2004). – Dazu näher Rn. 770. Eine andere Frage ist, ob die Verbraucherdefinitionen des EU-Richtlinienrechts 751 so explizit eine (einzelne) natürliche Person fordern, dass man bei einer „echten“ Ver-
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1341 EuGH 22.11.2001 – verb. Rs. C-541/99 und C-542/99 Slg 2001, I-9049 = NJW 2002, 205 Tz. 15 ff. – Idealservice. 1342 BGH 9.12.2008 – XI ZR 513/07 – BGHZ 179, 126 Rn. 14 ff., 22 = NZG 2009, 273 (zu § 491 Abs. 1 BGB): BGH 13.7.2011 – VIII ZR 215/10 – NJW 2011, 3435 Rn. 18 ff. mwN (zu § 474 Abs. 1 BGB). 1343 BGH 23.2.2010 – XI ZR 186/09 – NJW-RR 2010, 1712 Rn. 8 m.w.N.; zust. Anm. Schabenberger GRURPrax 2010, 182. 1344 BGH 23.10.2001 – XI ZR 63/01 – BGHZ 149, 80, 83 = NJW 2002, 368. 1345 BGH 23.10.2001 – XI ZR 63/01 – BGHZ 149, 80, 83 = NJW 2002, 368 m.w.N. 1346 Ebenso etwa Beater Rn. 1078; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 137; Fezer/Fezer § 2 Rn. 15. 1347 So etwa vor allem zum Verbraucherdarlehensrecht Fehrenbacher/Herr BB 2002, 1006, 1008 ff.; Krebs DB 2002, 517, 518; weitere Nachweise im o.g. BGH-Urteil. Zum Lauterkeitsrecht ebenso Fezer/Fezer § 2 Rn. 11 ff. m.w.N., 14. 1348 Für deren Berücksichtigung Fezer/Fezer § 2 Rn. 15, 18.
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braucher-GbR wohl nur eine analoge Anwendung der verbraucherschützenden Vorschriften erwägen kann. 1349 Sicherlich spricht die Rechtsprechung des EuGH zum Verbraucherbegriff etwa der Klausel-Richtlinie für eine solche Notwendigkeit, da der Gerichtshof lediglich auf den (auf den ersten Blick) eindeutigen Wortlaut der Verbraucherdefinition in der Richtlinie und das Erfordernis einer natürlichen Person abstellt.1350 Doch ändert dies wenig an dem Umstand, dass auch mehrere natürliche Personen, die sich zu privaten Zwecken verbunden haben, nicht zwangsläufig weniger schutzbedürftig sind, als sie es bei einem jeweils individuellen Handeln wären.1351 Wie bereits oben dargelegt, kann das gemeinsame Handeln zu einer „Professionalisierung“ führen, doch muss dies nicht zwangsläufig der Fall sein. Auch der EuGH hat letztlich nur die Verbrauchereigenschaft von juristischen Personen im engeren Sinne ausgeschlossen, 1352 sich mit „unprofessionellen“ Zusammenschlüssen natürlicher Personen aber nicht näher beschäftigt. Die Verbraucherdefinition in Art. 2 lit. a) der UGP-Richtlinie stellt vom Wortlaut her auf „jede natürliche Person“ ab, was zwar ein individuelles Handeln nahelegt, aber nicht zwingend bedeuten muss, dass nicht auch mehrere natürliche Personen gemeinschaftlich als Verbraucher handeln könnten. Man denke nur an ein Ehepaar, das gemeinsam einen Pkw oder einen Haushaltsgegenstand erwirbt. Hier liegt immerhin keine juristische Personen vor, sondern ein Handeln als Gemeinschaft, unter Umständen auch als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ohne dass man ernsthaft wird annehmen können, dass die Verbrauchereigenschaft hier ausgeschlossen sein könnte, nur weil es um mehr als eine natürliche Person geht. Vor diesem Hintergrund dürfte die geschilderte Rechtsprechung des BGH zur Ver- 752 brauchereigenschaft von nicht professionell agierenden bzw. strukturierten Verbrauchermehrheiten auch nach dem EU-Recht zulässig sein. So hat der europäische Gesetzgeber in Erwägungsgrund 13 der Verbraucherrechte-Richtlinie ausdrücklich betont, dass es den Mitgliedstaaten trotz der angestrebten Vollharmonisierung der darin geregelten Verbraucherrechte freistehe, den Schutz auf Nicht-Verbraucher zu erstrecken, und dabei u.a. neu gegründete sowie kleine und mittlere Unternehmen erwähnt. Diese Klarstellung dürfte ohne weiteres auch auf andere Richtlinien mit vergleichbarer Funktion und grundsätzlich vollharmonisierendem Charakter übertragbar sein, insbesondere also auf die UGP-Richtlinie, wie bereits in anderem Kontext ausgeführt worden ist (oben Rn. 739). Im Übrigen scheidet eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über Ver- 753 braucher auf juristische Personen und Personengesellschaften nach zutreffender h.M. aus, da die Vorschriften über Verbraucher abschließender Natur sind.1353 Anders könnte es sich allenfalls bei juristischen Personen, die weder gewerbliche (etc.) Zwecke verfolgen noch in sonstiger Weise „geschäftlich“ organisiert sind, also namentlich Idealvereinen,1354 die aber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13 BGB und der EU-Richtlinien an sich nicht Verbraucher sein können;1355 will man sie gleichwohl in den Schutzbereich zumindest des § 2 Abs. 2 UWG einbeziehen, dürfte es allerdings darauf ankommen, ob der konkrete Verein gewissermaßen als dauerhaftere Rechtsformalternative zur GbR
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1349 So bereits Fezer/Fezer § 2 Rn. 11 ff., 14 f., 18. 1350 EuGH 22.11.2001 – C-541/99 – Slg. 2001, I-9049 = NJW 2002, 205 Tz. 15 ff. – Idealservice. 1351 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 135; MüKoUWG/Veil/Müller § 2 Rn. 353; i. Erg. ebenso Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 204. 1352 S. EuGH 22.11.2001 – C-541/99 – Slg. 2001, I-9049 = NJW 2002, 205 Tz. 15 ff. – Idealservice. 1353 BGH 23.2.2010 – XI ZR 186/09 – NJW-RR 2010, 1712 Rn. 8; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 135; Erman/Saenger BGB, 13. Aufl., § 13 Rn. 19. 1354 Vgl. jurisPK-BGB/Martinek § 13 Rn. 17. 1355 Näher Staudinger/Kannowski § 13 Rn. 31, 37; Erman/Saenger § 13 Rn. 5; jurisPK-BGB/Martinek § 13 Rn. 19 f.
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fungiert und nicht aufgrund seiner körperschaftlichen Struktur doch bereits ein aliud zu dieser darstellt, was man regelmäßig – auch bei nicht eingetragenen Vereinen1356 – wird annehmen müssen. 2. Kein Zusammenhang mit der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit der natürlichen Person. Entscheidend für die Verbrauchereigenschaft einer natürlichen Person ist nach dem Wortlaut des § 13 BGB, dass sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihren selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Insofern geht der Gesetzgeber über den Wortlaut diverser unionsrechtlicher Vorschriften hinaus, welche – wie auch Art. 2 lit. a) UGP-Richtlinie – die Verbrauchereigenschaft bereits bei einem Zusammenhang mit jeglicher beruflicher Tätigkeit ausschließen und somit zumindest im Grundsatz auch Arbeitnehmer nicht als Verbraucher ansehen. Die Abgrenzung der Verbrauchereigenschaft erfolgt in § 13 BGB – ebenso wie in 755 den zugrundeliegenden Richtlinienvorschriften – negativ: Es wird nicht positiv festgelegt, wer Verbraucher ist, also nicht ein entsprechender Status begründet, sondern darauf abgestellt, dass eine natürliche Person im konkreten Geschehen nicht zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken handelt. Daraus hat der BGH für das Vertragsrecht wegen der negativen Formulierung im zweiten Halbsatz des § 13 BGB eine Vermutung für ein Handeln als Verbraucher abgeleitet, die allerdings durch objektive Umstände widerlegt sein kann, die ein Handeln als Unternehmer nahelegen,1357 also bei Leistungen, für welche die natürliche Person nur in ihrer Eigenschaft als Unternehmer Verwendung haben kann. Aus dem Umstand allein, dass eine natürliche Person ein Geschäft mit einem Unternehmer über eine berufliche Anschrift abwickelt, ergeben sich solche Umstände nach Ansicht des VIII. Zivilsenats allerdings noch nicht, da dies zumindest bei Arbeitnehmern oder freiberuflichen Mitarbeitern auch allein darauf zurückzuführen sein kann, dass sie während ihrer Arbeitszeit zu Hause nicht erreichbar sind.1358 756 Davon abgesehen richtet sich die Verbrauchereigenschaft nach § 13 BGB an sich nach dem Zweck eines abzuschließenden Rechtsgeschäfts, was aus den oben genannten Gründen im Rahmen des UWG nicht passt. Insofern ist es konsequent, dass der Gesetzgeber hier nur eine entsprechende Geltung des § 13 BGB angeordnet hat. Dies führt im Ergebnis dazu, dass jegliches Handeln außerhalb gewerblicher oder selbständiger beruflicher Zwecke die Verbrauchereigenschaft begründet und somit ein weitgehender Gleichlauf mit den Vorgaben des Art. 2 lit. a) UGP-Richtlinie gewährleistet ist, sieht man von der Frage der Selbständigkeit der beruflichen Tätigkeit einmal ab. Auch die Definition des Unternehmers, wie sie in § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG unter zusätzlicher Erwähnung handwerklicher Tätigkeiten enthalten ist, deutet in diese Richtung.1359 Zu den Begriffen des Unternehmers und der „gewerblichen“, „handwerklichen“ und 757 (selbständigen) „beruflichen Tätigkeit s. oben die Kommentierung zu § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG Rn. 605 ff.1360 – Zu Nebenerwerbstätigkeiten s. Rn. 761. – Bei branchenfremden Geschäf-
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1356 So jedenfalls Erman/Saenger § 13 Rn. 8; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch § 13 Rn. 6; Staudinger/Kannowski § 13 Rn. 37. 1357 BGH 30.9.2009 – VIII ZR 7/09 – WRP 2010, 103 Tz. 10 f. – „Abschluss eines Rechtsgeschäfts zu privaten Zwecken“ m.w.N. 1358 BGH 30.9.2009 – VIII ZR 7/09 – WRP 2010, 103 Tz. 12 – „Abschluss eines Rechtsgeschäfts zu privaten Zwecken“ m.w.N. 1359 Dazu etwa Fezer/Fezer § 2 Rn. 31. 1360 Ferner Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 216 ff., 219; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 120 ff.; ferner etwa Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch BGB § 14 Rn. 7 ff.; eingehend MünchKommBGB/Micklitz § 14 Rn. 16 ff. und Staudinger/Habermann BGB (2013), § 14 Rn. 36 ff., jeweils m.w.N.
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ten handelt der Unternehmer als solcher, sofern er sie nur im Zusammenhang seiner Erwerbstätigkeit vornimmt. Dagegen kann man zwar mit einer gewissen Berechtigung einwenden, dem Unternehmer fehle bei außerhalb seiner Branche die Geschäftskompetenz,1361 doch hätte dies letztlich zur Konsequenz, dass eine Person letztlich nur noch im Kernbereich ihrer Tätigkeit als Unternehmer anzusehen wäre, was mit der geltenden Verbraucherschutzkonzeption nicht in Einklang steht1362 und permanenten Abgrenzungsprobleme mit sich bringen würde. Entsprechend ist die Unternehmenserweiterung in andere Branchen ebenfalls keine Tätigkeit, bei der eine Person als Verbraucher handelt.1363 Arbeitnehmer als solche sind von der europäischen Verbraucherdefinition 758 nicht erfasst, da sie zu beruflichen Zwecken handeln. Sie sind Leistungserbringer1364 und insofern eher Anbieter von Leistungen, also Unternehmern nicht unähnlich. In der Terminologie des UWG sind sie damit „sonstige Marktteilnehmer“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. die Kommentierung dazu …) und für den Schutz gegenüber unlauteren geschäftlichen Handlungen als solche zu behandeln,1365 und zwar auch dann, wenn ihnen in ihren privaten Räumen ein neuer Arbeitsplatz angeboten wird, da es auf ihre Funktion ankommt und nicht auf die Situation, in der sie sich gerade zufällig befinden.1366 Für Geschäfte im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis ist dies in der Rechtsprechung des BAG jedenfalls bis zu einem gewissen Grad anerkannt.1367 Das legt allerdings nahe, dass Arbeitnehmer beim Erwerb von (echter) Arbeitskleidung und anderen beruflichen Gegenständen entgegen der ganz h.M. auch nicht als Verbraucher anzusehen sind. Doch hat sich der Gesetzgeber in § 13 BGB entschieden, Arbeitnehmer insofern in den Verbraucherbegriff einzubeziehen, den sie nach den EU-rechtlichen Vorgaben nicht erfüllen würden. Wie bereits dargelegt (Rn. 738), ist dies EU-rechtlich auch mit Wirkung für das Unlauterkeitsrecht zulässig. Gleichwohl bedarf dies im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern gelegentlicher Korrekturen, da sie im Grundsatz auch Leistungserbringer und als solche nicht in gleicher Weise schutzbedürftig gegenüber geschäftlichen Handlungen etwa von potentiellen Arbeitgebern sind.1368 Ferner ist zu beachten, dass Arbeitnehmer bei geschäftlichen Handlungen für ihren aktuellen Arbeitgeber nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 Hs. 2 UWG als Unternehmer anzusehen sein können; eine andere Frage ist dann wieder, wann sie sie geschäftlich für das Unternehmen ihres Arbeitgebers handeln und wann sie außerhalb ihrer Berufstätigkeit als „Privatperson“ tätig sind, was insb. bei Äußerungen in Blogs und Sozialen Medien mit Bezug zu Unternehmen und Produkten entschieden werden muss.1369 Ebenso einzuordnen sind Prominen-
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1361 Vgl. m.w.N. MünchKommBGB/Micklitz § 13 Rn. 58 ff. und Soergel/Pfeiffer § 13 Rn. 1362 I.E. ebenso EuGH v 14. 3. 1991, Rs C-361/89, Slg 1991, I-1189 = juris Tz. 16–18 – di Pinto (zur Haustürgeschäfte-RL); Staudinger/Kannowski § 13 Rn. 61. 1363 Soergel/Pfeiffer § 13 Rn. 37. 1364 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 140; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 90; ähnlich wohl Palandt/Ellenberger § 13 Rn. 3. 1365 So auch Harte/Henning/Schöler § 7 Rn. 237, 265; Piper/Ohly/Sosnitza § 7 Rn. 46 m.w.N.; Quiring WRP 2003, 1181, 1183; i.E. auch Klein/Insam GRUR 2006, 379, 382; differenzierend Lettl WRP 2009, 1315, 1324. 1366 Ebenso OLG Jena 23.10.2002 – 2 U 282/02 – GRUR-RR 2003, 158 f. – Häusliche Kontaktaufnahme; OLG Karlsruhe 24.1.2001 – 6 U 167/00 – GRUR 2002, 459, – Ausspannen von Beschäftigten; OLG Stuttgart: OLG Stuttgart 17.12.1999 – 2 U 133/99 – GRUR 2000, 1096, 1098 – Headhunter; Piper/Ohly/Sosnitza § 7 Rn. 46 m.w.N.; Quiring WRP 2003, 1181, 1185; i.E. auch Klein/Insam GRUR 2006, 379, 382; a.A. Lettl WRP 2009, 1315, 1323 f. für Anrufe unter der Privatnummer wegen Eingriffs in die Privatsphäre. 1367 BAG 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 – NJW 2005, 3164, 3167 (zu § 312 BGB). 1368 BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01 – BGHZ 158, 174 = GRUR 2004, 696, 699 – Direktansprache am Arbeitsplatz I; BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426 Tz. 19 – Direktansprache am Arbeitsplatz II; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 140, § 7 Rn. 141. 1369 OLG Hamm 23.10.2007 – 4 U 87/07 – MMR 2008, 757; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 28.
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§2
Definitionen
te, die für andere Unternehmen auf vertraglicher Basis Werbung machen.1370 – Dass Arbeitnehmer bei der Deckung ihres persönlichen Bedarfs außerhalb ihrer Berufstätigkeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 Hs. 2 UWG) wegen der Zweckrichtung des Verhaltens Verbraucher sind, versteht sich von selbst. Insofern gilt nichts anderes wie für Unternehmer i.S.v. Unternehmensinhabern oder auch Prominente. 759
3. Objektiver Zweck der Tätigkeit der natürlichen Person. Aus der Formulierung in § 13 BGB folgt – wiederum mit der Richtliniendefinition konform – die Abhängigkeit der Verbrauchereigenschaft einer natürlichen Person von den Zwecken ihres konkreten Verhaltens. Eine Person kann je nach den verfolgten Zwecken sowohl Unternehmer als auch Verbraucher sein, so etwa ein Rechtsanwalt oder Arzt in Abhängigkeit davon, ob das konkrete Geschäft – oder im Kontext des § 2 Abs. 2 UWG: das konkrete Verhalten – nach objektiven Gesichtspunkten der beruflichen oder der privaten Sphäre zuzuordnen ist. Das Angebot einer (Beratung zur) privaten Krankenversicherung erreicht daher auch einen Freiberufler als Verbraucher.1371 760 Soweit in § 13 BGB auf den Zweck abstellt, ist dies also nicht im Sinne eines subjektiven Tatbestandsmerkmals zu verstehen. Daher kommt es nicht auf die tatsächlichen Motive der Person, also auf ihren inneren Willen und ihre Vorstellungen an; vielmehr ist der Zweck ihres Verhaltens anhand der Begleitumstände im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv zu ermitteln.1372 Dies ähnelt der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen aus dem objektivierten Empfängerhorizont nach den §§ 133, 157 BGB, sodass entscheidend ist, welchen Zwecken das Verhalten aus der Sicht eines vernünftigen Dritten dient. Bestellt eine natürliche Person Gegenstände, bei denen die Verwendung zu privaten Zwecken naheliegt, so spricht dies für eine Bestellung als Verbraucher; 1373 im Bereich des Lauterkeitsrechts gilt entsprechendes dann, wenn die Person sich über von einem Unternehmer angebotene Waren oder Dienstleistungen im weitesten Sinne informiert bzw. darüber Informationen anfordert. Von einem Verbraucherhandeln ist im Ergebnis auch auszugehen, wenn weder die in Frage stehende Leistung (z.B. Lampe) noch die Umstände des Interesses der natürlichen Person eine eindeutige Verwendung zu privaten oder gewerblichen Zwecken ermöglicht.1374 761 In erster Linie wird die Verbrauchereigenschaft im Kontext des § 13 BGB für die Nachfrage einer natürlichen Person nach Waren, Rechten oder Dienstleistungen diskutiert. Gleichwohl ist eine natürliche Person auch dann Verbraucher, wenn sie Gegenstände veräußert oder im Vorfeld anbietet, die sie zu nicht gewerblich-beruflichen Zwecken erworben hat und verwendet, also z.B. beim Verkaufsangebot über einen privaten Pkw an
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1370 Henning-Bodewig GRUR 2013, 26, 29 f. m.w.N.; ähnlich Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 16 und Rn. 19 Fn. 52; allg. Gloy/Loschelder/Erdmann § 31 Rn. 78; Fezer/Fezer § 2 Rn. 39. Anders Köhler/Bornkamm, der eine geschäftliche Handlung eines Sportlers, der gegen Bezahlung die Mütze seines Sponsors trägt, ausdrücklich verneint und sie wohl nur bei einer eigenen gewerblichen Betätigung des Sportlers (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 Alt. 1. UWG) annimmt. 1371 BGH 10.2.2011 – I ZR 164/09 – GRUR 2011, 936 Tz. 29 ff. – Double-opt-in-Verfahren; deutlicher LG Münster 4.2.2005 – 23 O 3/05 – WRP 2005, 639 f. – Telefonwerbung für Versicherungsberatung. 1372 BGH 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435 Tz. 6 m.w.N. – „Existenzgründungsbericht“; BGH 24.2.2011 – 5 StR 514/09 – BGHSt 56, 174 = GRUR 2011, 941 Tz. 24 – Schneeballseminare; Götting/Nordemann § 2 Rn. 62. – Offengelassen von BGH 30.9.2009 – VIII ZR 7/09 – WRP 2010, 103 Tz. 9 ff. – „Abschluss eines Rechtsgeschäfts zu privaten Zwecken“ m.w.N. 1373 BGH 30.9.2009 – VIII ZR 7/09 – WRP 2010, 103 Tz. 10 ff., 12 – „Abschluss eines Rechtsgeschäfts zu privaten Zwecken“ m.w.N.; ähnlich wohl Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 137. 1374 BGH 30.9.2009 – VIII ZR 7/09 – WRP 2010, 103 Tz. 10 ff. – „Abschluss eines Rechtsgeschäfts zu privaten Zwecken“ m.w.N.; ähnlich Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 137.
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Verbraucherbegriff
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einen Gebrauchtwagenhändler.1375 Denn insofern liegt keine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor,1376 weil es an einem Handeln zugunsten eines Unternehmens fehlt. Damit stehen die Begriffe der geschäftlichen Handlung, des Unternehmers und des Verbrauchers in einer Wechselbeziehung zueinander. Gerade hier gibt es bekannte Zweifelsfälle, namentlich bei Nebenerwerbstätigkeiten,1377 wie sie unter anderem bei sehr aktiven ebay-Verkäufern vorkommen, die in größerem Stil Sachen verkaufen, oder auch bei einer professionelleren Vermögensverwaltung (dazu unten Rn. 770). Auch hier ist maßgeblich, welchem Zweck die Tätigkeit objektiv dient.1378 Dabei wird man nicht bereits aus einer großen Anzahl verkaufter Gegenstände allein darauf schließen können, dass der Verkäufer bereits zu gewerblichen Zwecken handelt; so kann beispielsweise ein Verbraucher im Zuge einer Haushaltsauflösung (auch im Gefolge eines Erbfalls) oder vor einem Umzug zahlreiche Gegenstände veräußern, ohne dass man daraus auf eine gewerbliche bzw. berufliche Tätigkeit schließen könnte.1379 Ein starkes Indiz gegen ein Handeln als Verbraucher, also zu nicht gewerblichen Zwecken, stellt es insofern dar, wenn der Handelnde eine höhere Stückzahl von gleichen und neuen Produkten anbietet,1380 insbesondere solche Waren, die ein echter Verbraucher nicht in diesem Ausmaß ohne Weiterverkaufsabsicht erworben haben dürfte wie z.B. 250 Handy-Akkus.1381 Weitere Indizien sind die Einordnung als PowerSeller, eine relativ hohe Zahl von Bewertungen in einem kürzeren Zeitraum,1382 das Betreiben eines Web-Shops usw.1383 Bei Produkten oder Dienstleistungen, die eine natürliche Person sowohl für private 762 als auch für unternehmerische Zwecke einsetzen kann, tritt die sog. dual-use-Problematik auf. Nach der Rechtsprechung des EuGH zum Prozessrecht (EuGVÜ) liegt ein Verbrauchergeschäft nur vor, wenn die Marktteilnahme der natürlichen Person ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend zu privaten Zwecken erfolgt,1384 was anhand der bereits erwähnten objektiven Umstände zu ermitteln ist. Dies wird in gleicher Weise für den Verbraucherbegriff im materiellen Recht zu gelten gaben, da eine unterschiedliche Beurteilung zu unerwünschten Ergebnissen führen dürfte und daher kaum zu erwarten ist. Da alle Verbraucherdefinitionen des Unionsrechts letztlich insoweit identisch sind, als sie auf ein Handeln zu nicht gewerblichen bzw. selbständig-beruflichen Zwecken abstellen, ist auch für die Zwecke der Unlauterkeitsrichtlinie davon auszugehen, dass der gleiche enge Maßstab anzulegen ist. Somit kann auch für das nationale (Unlauterkeits-)Recht nichts anderes gelten,1385 jedenfalls soweit das Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung gilt. Letztlich kommt es also im Hinblick auf die Zwecke des Lauterkeitsrechts und die nur entsprechende Geltung des § 13 BGB darauf an, ob eine
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1375 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 139; Lettl WettbR § 1 Rn. 90; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 88. 1376 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 139. 1377 Dazu auch MünchKommBGB/Micklitz § 13 Rn. 57; Soergel/Pfeiffer § 13 Rn. 39; Staudinger/ Kannowski § 13 Rn. 61. 1378 Soergel/Pfeiffer § 13 Rn. 39 m.w.N. 1379 BGH 19.4.2007 – I ZR 35/04 – BGHZ 172, 119 = GRUR 2007, 708 Tz. 23 m.w.N. – InternetVersteigerung II. 1380 BGH 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871 Tz. 23 – Ohrclips, s. ferner BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236, 249 = GRUR 2004, 860 – Internet-Versteigerung I; BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 Tz. 43 – Internet-Versteigerung III. 1381 OLG Hamm 17.1.2013 – 4 U 147/12 – juris = BeckRS 2013, 06548. 1382 BGH 19.4.2007 – I ZR 35/04 – BGHZ 172, 119 = GRUR 2007, 708 Tz. 46 – Internet-Versteigerung II: 26 bis 75 „Feedbacks“ zu einzelnen Auktionen; BGH 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871 Tz. 25 – Ohrclips: 74 Bewertungen in 10 Monaten. 1383 Vgl. Henning-Bodewig GRUR 2013, 26, 28 f. m.w.N. 1384 EuGH 20.1.2005 – C-464/01 – Slg. I-2005, 439 = NJW 2005, 653 Tz. 35 ff. – Gruber/BayWa AG. 1385 MünchKommUWG/Veil/Müller § 2 Rn. 194.
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§2
Definitionen
natürliche Person in ihrer geschäftlichen oder ihrer privaten Sphäre mit der geschäftlichen Handlung eines Unternehmers konfrontiert wird. Gleichwohl plädiert die überwiegende Auffassung zum deutschen Unlauterkeits763 recht dafür, bei dual-use-Gegenständen darauf abzustellen, welcher Verwendungszweck unter mehreren überwiegt. 1386 Das dürfte mit der Wertung der §§ 343, 344 HGB,1387 soweit sie eingreifen,1388 nicht ganz übereinstimmen, weil danach im Zweifel von einem Handelsgeschäft und somit von einem unternehmerischen Handeln auszugehen ist, von dem – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH (Rn. 762) – auch ein Teil des Schrifttums in dual-use-Fällen ausgeht.1389 Auch in Erwägungsgrund 17 der Verbraucherrechte-Richtlinie wird die Auffassung vertreten, dass es bei dual useGegenständen auf den Schwerpunkt der Verwendung ankomme und die Verbrauchereigenschaft nur bei einem Überwiegen der gewerblichen Verwendung ausgeschlossen sei. Auch wenn eine vergleichbare Aussage in den Erwägungsgründen zur UGPRichtlinie nicht zu finden ist, wird man sich gleichwohl auch bei ihrer Anwendung und im Rahmen der sie umsetzenden nationalen Vorschriften daran orientieren können, da die Problematik und die Frage der Schutzbedürftigkeit sich nicht unterscheiden. Demgegenüber hat der BGH allerdings im (vor-)vertraglichen Verbraucherschutz aus dem Wortlaut des § 13 BGB, namentlich der negativen Formulierung des zweiten Halbsatzes, eine Vermutung für ein Handeln als Verbraucher abgeleitet.1390 Darin liegt keine wirkliche Abweichung, sondern im Ergebnis eine Beweiserleichterung, denn an sich trägt die Beweislast der Kläger, der sich auf die Verletzung von Verbraucherschutzvorschriften beruft.1391 Die Literatur folgt dieser Ansicht insbesondere zum UWG und geht somit ebenfalls davon aus, dass bei dual-use-Gegenständen nur eine (geplante) überwiegende berufliche Verwendung die Verbrauchereigenschaft hindert.1392 Daran kann auch festgehalten werden, wenn § 13 BGB im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL ab 14.5.2014 um das Wort „überwiegend“ ergänzt wird.1393 Damit wäre, solange das UWG sich mit dem Verweis auf § 13 BGB begnügt, auch für seine Anwendung geklärt, dass es bei geschäftlichen Handlungen im Zusammenhang mit dual-use-Gütern auf den Schwerpunkt ihrer Verwendung ankommt. Dabei ist allerdings zu betonen, dass die dual-use-Problematik im Anwendungsbe764 reich des UWG, insbesondere in der Werbung, kaum eine große Rolle spielt, da es hier für die Anwendung verbraucherschützender Tatbestände genügt, dass die Maßnahme nicht mehr oder weniger ausschließlich an unternehmerische Kreise adressiert ist. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, wenn im Schrifttum teils die Vermutungs-
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1386 Fezer/Fezer § 2 Rn. 179; Lettl WettbR § 1 Rn. 87; MünchKommUWG/Sosnitza § 2 Rn. 243. – Ebenso zum BGB OLG Celle 11.8.2004 – 7 U 17/04 – NJW -RR 2004, 1645, 1646; NK-BGB/Ring §§ 13, 14 Rn. 31; Palandt/Ellenberger § 13 Rn. 4; Soergel/Pfeiffer § 13 Rn. 38; Staudinger/Weick § 13 Rn. 47. 1387 Vgl. dazu Baumbach/Hopt HGB, 35. Aufl. 2012, § 344 Rn. 1, 3; Oetker/Pamp HGB, 3. Aufl. 2013, § 344 Rn. 2 ff. m.w.N. 1388 Zur Überlagerung durch Verbraucherschutzvorschriften Koller/Roth/Morck HGB, 7. Aufl. 2011, § 344 Rn. 2. 1389 Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch § 13 BGB Rn. 12 m.w.N.; Jauernig/Jauernig BGB § 13 Rn. 3; Koller/Roth/Morck HGB, 7. Aufl. 2011, § 343 Rn. 5a m.w.N. – A.A. NK-BGB/Ring §§ 13, 14 Rn. 31: keine Anwendung des § 344 HGB. 1390 BGH 30.9.2009 – VIII ZR 7/09 – WRP 2010, 103 Rn. 10 ff. – „Abschluss eines Rechtsgeschäfts zu privaten Zwecken“ m.w.N. 1391 Götting/Nordemann § 2 Rn. 63; juris-PK/Ernst § 2 Rn. 50. 1392 Juris-PK/Ernst § 2 Rn. 54 m.w.N. zur BGB-Literatur. 1393 So die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf der BReg in BT-Drs. 17/ 13951, S. 6, mit Begründung, S. 96, die explizit auf Erwägungsgrund 17 der Richtlinie verweist. Im Regierungsentwurf BT-Drs. 13/12637 war dies noch nicht vorgesehen.
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rechtsprechung des BGH zu § 13 BGB übertragen und ein Handeln als Verbraucher angenommen wird, sofern die Tätigkeit nicht ausschließlich dem unternehmerischen Bereich einer natürlichen Person zuzuordnen ist.1394 Dies überzeugt angesichts der oben geschilderten Rechtsprechung des EuGH nicht; doch ist die Bedeutung des Problems gering, da bei kommerzieller Kommunikation gegenüber der Allgemeinheit zwangsläufig die verbraucherschützenden Tatbestände des UWG zur Anwendung kommen, sodass sich die Abgrenzungsfrage wohl allenfalls bei geschäftlichen Handlungen eines Unternehmers stellt, welche dieser gegenüber einer einzelnen natürlichen Person in einem individuellen Kontext vornimmt,1395 also z.B. bei einer wirklich zielpersonenorientierten Werbung, in einem Verkaufs- oder Beratungsgespräch oder einer entsprechenden Korrespondenz. Aber auch in solchen Fällen wird man im Zweifelsfall die Verbraucherschutztatbestände des UWG anwenden müssen, zumindest wenn man es vom Standpunkt des Rechtsschutzes und des § 8 Abs. 1 UWG her betrachtet: Die Frage des Verstoßes gegen Vorschriften des UWG stellt sich in der Praxis nicht abstrakt, sondern bezogen auf konkrete geschäftliche Handlungen. Wer eine geschäftliche Handlung vornimmt, die gegenüber Verbrauchern in der konkreten Ausgestaltung unzulässig ist, begründet damit im Regelfall die Wiederholungsgefahr für ein entsprechendes künftiges Verhalten. Scheitert der Verstoß möglicherweise nur daran, dass der Adressat im dual-use-Bereich agiert, entsteht aber zumindest eine Erstbegehungsgefahr dafür, dass die Verhaltensweise in Zukunft gegenüber Verbrauchern stattfinden wird. – Soweit sich eine geschäftliche Handlung gleichzeitig an mehrere Adressaten wendet, weil sich mehrere Interessenten für eine Ware oder Dienstleistung interessieren, sei es nun unabhängig voneinander oder gemeinsam, findet stets Verbraucherschutzrecht Anwendung.1396 Dem steht auch nicht entgegen, dass die UGP-Richtlinie eine Vollharmonisierung 765 herbeigeführt hat und auch den Begriff des Verbrauchers definiert. Denn grundsätzlich steht es den Mitgliedstaaten frei, im nicht von der UGP-Richtlinie erfassten Bereich den von ihr gewährten Schutz auch auf andere Marktteilnehmer zu erstrecken, wie es in Erwägungsgrund 13 der Verbraucherrechte-Richtlinie für deren Vorschriften ausgeführt ist. Somit erweist es sich im Ergebnis als unionsrechtlich bedenklich, dass im Rahmen von § 2 Abs. 2 UWG i.V.m. § 13 BGB ein weiterreichender Verbraucherbegriff Verwendung findet, der über die Rechtsprechung des EuGH hinausgeht. Im Bereich des (vor-)vertraglichen Verbraucherschutzes nach dem BGB ist schließ- 766 lich anerkannt, dass ein Verbraucher, der sich wahrheitswidrig als Unternehmer ausgibt, etwa um überhaupt zu einem Vertragsschluss zu gelangen oder aus anderen Gründen, sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an diesem Auftreten festhalten lassen muss und sich nicht später auf Verbraucherschutzvorschriften berufen kann.1397 Diese Rechtsprechung dürfte für das UWG zwar nur geringe Bedeutung haben, doch ist sie gleichwohl übertragbar. Der Unternehmer schuldet nur gegenüber Verbrauchern eine besondere fachliche Sorgfalt i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG, und auch wenn die Verbrauchereigenschaft für die Zwecke des UWG grundsätzlich objektiv zu bestimmen ist, so fehlt es jedenfalls an einem Sorgfaltsverstoß des Unternehmers, wenn er einen anderen Markt-
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1394 Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 137. 1395 Vgl. auch juris-PK/Ernst § 2 Rn. 54; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 137. 1396 So zutreffend für den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 13 BGB und das gemeinsame Kaufinteresse BambergerRoth/Schmidt-Räntsch BGB § 13 Rn. 8; NK-BGB/Ring §§ 13, 14 Rn. 33; Palandt/ Ellenberger § 13 Rn. 4 a.E. 1397 BGH 22.12.2004 – VIII ZR 91/04 – NJW 2005, 1045 f.; zust. etwa Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch BGB § 13 Rn. 16. Ebenso bereits Soergel/Pfeiffer BGB, 13. Aufl., § 13 Rn. 28.
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Definitionen
teilnehmer ebenfalls für einen Unternehmer hält, weil dieser sich als solcher ausgibt. Der Scheinunternehmer wird somit nicht als Verbraucher behandelt. 767
4. Entsprechende Anwendung für Zwecke des Unlauterkeitsrechts. In § 2 Abs. 2 UWG wird die entsprechende Geltung der Definition des § 13 BGB im Lauterkeitsrecht angeordnet. Dies ist sachgerecht, da die Beurteilung des Marktverhaltens von Unternehmen nicht davon abhängig sein kann, ob eine Person ein Rechtsgeschäft zu einem bestimmten Zweck abschließt. Darauf beschränkt sich aber die Definition des § 13 BGB, die selbst für die Zwecke des Verbraucherschutzes im BGB teils als zu eng angesehen wird,1398 da die Verbraucherschutzvorschriften des BGB und des EGBGB oftmals vorvertragliche Informationspflichten vorsehen. Wie bereits die Definitionen der geschäftlichen Handlung bzw. Geschäftspraxis in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG bzw. Art. 2 lit. e) UGPRichtlinie zeigen, beschränkt sich das Unlauterkeitsrecht nicht auf die Kontrolle des unternehmerischen Verhaltens beim Abschluss von Verträgen, sondern erfasst jegliche kommerzielle Kommunikation einschließlich (Image- usw.) Werbung, die zumindest mittelbar der Absatzförderung dient.1399 Das Unlauterkeitsrecht entfaltet seinen Schwerpunkt also eher bei der Anbahnung von Verträgen als bei ihrer Durchführung,1400 auch wenn es letztere heute ebenfalls erfasst. Damit wäre es unvereinbar, wenn die Verbrauchereigenschaft vom Zweck eines Vertrages abhängen sollte, der später vielleicht einmal geschlossen werden könnte. Aus diesem Grunde bedeutet die entsprechende Anwendung des § 13 BGB nach § 2 768 Abs. 2 UWG, dass ein Verbraucher eine Person ist, die selbst keine gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecke verfolgt, wenn der Unternehmer ihr bei seiner geschäftlichen Handlung gegenübertritt.1401 Verbraucher ist demnach eine natürliche Person immer dann, wenn sie gegenüber 769 Unternehmern zu rein privaten Zwecken handelt, also im nicht gewerblichen und nicht beruflichen Bereich konsumiert, ihren persönlichen Bedarf in beliebiger Hinsicht deckt. Neben der Versorgung mit Lebensmitteln, Getränken und anderen Bedarfsgegenständen zählen dazu der Kontakt zu Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen1402 bzw. privaten Versicherungen1403 im Umfeld von Krankheit, Rehabilitation und Gesundheitsvorsorge.1404 In Betracht kommen Handlungen im Bereich bzw. wegen § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch im Vorfeld der Freizeitgestaltung,1405 sei es in sportlicher, kultureller oder sonstiger Hinsicht, im Bereich der Fortbildung1406 bzw. bei der Vorsorge in allen denkbaren Lebensbereichen (Kranken-,1407 Renten-, Lebens-, Haftpflicht- und andere Versicherungen für private Risiken).
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1398 Wohl unstr., vgl. etwa jurisPK-BGB/Martinek 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 44; Palandt/Ellenberger BGB § 13 Rn. 5; Staudinger/Weick BGB (2004), § 13 Rn. 40; i.E. ähnlich aufgrund abweichenden Auslegungsansatzes Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch BGB, § 13 Rn. 13 m.w.N.; jurisPK-BGB/Martinek § 13 Rn. 44. 1399 Götting/Nordemann § 2 Rn. 58. 1400 Lettl WRP 2009, 1315, 1322 f.; ähnlich Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 179. 1401 Unstr., etwa Götting/Nordemann § 2 Rn. 58. 1402 Dazu Köber KrV 2013, 93, 94 ff. m.w.N. 1403 BGH 10.2.2011 – I ZR 164/09 – GRUR 2011, 936 Tz. 29 ff. – Double-opt-in-Verfahren; deutlicher LG Münster 4.2.2005 – 23 O 3/05 – WRP 2005, 639 f. – Telefonwerbung für Versicherungsberatung. 1404 Dazu Mes FS Ullmann, S. 755 ff. mit zahlreichen Beispielen. 1405 Zu dem Begriff im Kontext des Verbraucherschutzes s. OLG Hamm 21.2.2013 – I-4 U 135/12 – MMR 2013, 441, 442. – S. ferner Götting/Nordemann § 2 Rn. 60. 1406 Hier kann auch das FernUSG eine Rolle spielen, sofern es nicht um Kurse zur Freizeitgestaltung geht, vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 FernUSG, dazu OLG Hamm 21.2.2013 – I-4 U 135/12 – MMR 2013, 441, 442. 1407 BGH 10.2.2011 – I ZR 164/09 – GRUR 2011, 936 Tz. 29 ff. – Double-opt-in-Verfahren; deutlicher LG Münster 4.2.2005 – 23 O 3/05 – WRP 2005, 639 f. – Telefonwerbung für Versicherungsberatung.
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Nach bislang wohl einhelliger Auffassung sind auch die private Vermögensanlage 770 und -verwaltung grundsätzlich dem nicht-unternehmerischen Bereich zuzuordnen,1408 was man aber nicht zu absolut sehen, sondern von der konkreten Ausgestaltung abhängig machen sollte (s. bereits oben Rn. 749 und Rn. 761).1409 So ist auch der Geschäftsführer einer GmbH oder Genossenschaft, der den Geschäftsanteil in seinem Privatvermögen hält, hinsichtlich der Haltung seines Anteils als Verbraucher anzusehen.1410 Erst recht sind Verbraucher nicht unternehmerische Mitglieder von Genossenschaften (z.B. Banken), sodass bei Werbemaßnahmen ihnen gegenüber die speziellen Vorschriften zum Schutz der Verbraucher Anwendung finden.1411 Auch der Erwerb und das Halten von Immobilien zu Zwecken der Vermietung sind nach dieser überkommenen Auffassung nicht unternehmerischer Art und somit der Verbrauchereigenschaft zuzuordnen,1412 obwohl gerade bei der Vermietung durchaus eine Gewinnerzielungsabsicht ebenso wenig zu leugnen ist wie der Umstand, dass hier außerhalb eines Arbeitsverhältnisses auf dem Markt eine Leistung angeboten wird. Gleichwohl würde die Einordnung jedweder Vermögensverwaltung als unternehmerisch zu sachwidrigen Ergebnissen führen. Sie würde es beispielsweise ausschließen, eine geschäftlich unerfahrene Person, die ein beträchtliches Vermögen erbt und sich nun auf die Suche nach einem professionellen beruflichen Vermögensverwalter macht, als Verbraucher anzusehen und ihr den notwendigen Schutz zukommen zu lassen. Deshalb verbieten sich bei der Vermögensverwaltung allzu pauschale Aussagen. Im Grundsatz erweist sich die traditionelle Formel als richtig, dass auch die Verwaltung eines beträchtlichen Vermögens (oder einer gewissen Anzahl von Wohnungen1413) zunächst einmal nicht-unternehmerisch erfolgen kann. Maßgeblich für die Unternehmereigenschaft kann aber nicht nur die Zuordnung zu einer bestimmten Tätigkeit sein, sondern es entscheiden die überkommenden Merkmale für eine selbständige berufliche Tätigkeit (eingehend dazu oben Rn. 607 ff. m.w.N.). Anerkannt ist jedenfalls auch von der h.M., dass die Vermögensverwaltung z.B. durch Vermietung von Immobilien dann als unternehmerisch zu qualifizieren ist, wenn sie einen organisierten Geschäftsbetrieb erfordert, der sich zwar nicht unbedingt bereits in der Unterhaltung eines Büros zeigen dürfte, wohl aber bei einer auch noch darüber hinaus gehenden und auf Dauer angelegten geschäftsmäßigen Organisation, z.B. Buchhaltung, Hilfspersonal bzw. Einsatz von Subunternehmern in einem Ausmaß, welches über das auch bei selbst genutzten Immobilien übliche Maß hinausgeht.1414 Letztlich wird hier der Rechtsgedanke bzw. die Wertung des § 1 Abs. 2 Hs. 2 HGB in den Unternehmerbegriff der §§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG bzw. 14 Abs. 1 UWG übernommen, um bestimmte Personen bzw. Betätigungen aus dem unternehmerischen Bereich herauszuhalten; aus den dargelegten Gründen ist das für die Abgrenzung zwischen der privaten Vermögensverwaltung von Verbrauchern zu einer unternehmerischen Betätigung sinnvoll. Letztlich handelt es sich um eine ähnliche Frage wie bei der Nebenerwerbstätigkeit (dazu oben Rn. 761).
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1408 Bislang wohl unstr., vgl. nur BGH 12. 4.2011 – XI ZR 341/08 – NJW-RR 2011, 1287 Tz. 25 m.w.N. zur st.Rspr.; Palandt/Ellenberger § 13 Rn. 3; Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 86. 1409 Zutreffend MünchKommUWG/Veil/Müller (1. Aufl.) § 2 Rn. 194. 1410 So zu Genossenschaften Batereau/Barbasch ZfgG 62 (2012), 51, 54. 1411 Vgl. die Hinweise zur Mitgliederwerbung bei Batereau/Barbasch ZfgG 62 (2012), 51, 55 f., 58 ff. 1412 OLG Düsseldorf 12.1.2010 – 24 U 72/09 – ZEV 2010, 417 m.w.N.; MünchKommBGB/Micklitz § 13 Rn. 45. 1413 LG Waldshut-Tiengen 30.4.2008 – 1 S 27/07 – ZMR 2009, 372. 1414 Vgl. BGH 25.4.1988 – II ZR 185/87 – BGHZ 104, 205, 208 = NJW 1988, 2039; BGH 23.9.1992 – IV ZR 196/91 – BGHZ 119, 252, 256 = NJW 1992, 3242; BGH NJW 1967, 2353; Erman/Saenger § 13 Rn. 14; MünchKommBGB/Micklitz § 13 Rn.45; Staudinger/Habermann (2013) § 14 Rn. 42.
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5. Maßgeblicher Zeitpunkt. Da das UWG auf Verhaltensweisen vor, während und nach einem Geschäftsabschluss Anwendung findet (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG), spielt der Zeitpunkt, in dem die Verbrauchereigenschaft ggf. vorliegen muss, auf den ersten Blick keine allzu große Rolle. Zumindest bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Existenzgründern kann es aber anders sein, denn die Existenzgründung an sich und die sie vorbereitenden Maßnahmen zählen nach h.M. bereits zur unternehmerischen Tätigkeit.1415 Zur Begründung wird u.a. auf einen Umkehrschluss aus § 512 BGB verwiesen,1416 der die entsprechende Geltung der Vorschriften über Verbraucherdarlehen und andere Finanzierungshilfen zum Schutz von Existenzgründern ausdrücklich anordnet, weil dieser Personenkreis genauso schutzbedürftig sei wie Verbraucher.1417 Im Kontext des BGB ist dies folgerichtig, und es entspricht wohl der Rechtsprechung des EuGH,1418 jedenfalls aber der Definition des Verbrauchers in Art. 2 lit. a) UGP-Richtlinie, die jegliche berufliche Tätigkeit erfasst. Dagegen ist die Verbrauchereigenschaft noch zu bejahen, solange eine natürliche Person die Entscheidung für eine Existenzgründung noch nicht getroffen hat, sodass man sie noch nicht als Unternehmer ansehen kann.1419 Beispiele sind etwa die Ermittlung der steuerlichen Situation des potentiellen Existenzgründers und seiner betriebswirtschaftlichen Perspektive, die der Entscheidung über die Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit vorausgeht,1420 oder die Teilnahme an einem Seminar zur Aufklärung über Möglichkeiten zur Existenzgründung.1421 Hingegen ist der Erwerb von zu vertreibender Ware bereits der Durchführung der Existenzgründung und damit der unternehmerischen Tätigkeit zuzuordnen, sofern es sich nicht um ganz geringe Mengen handelt, wie man sie etwa für die Prüfung des Geschäftsmodells im Vorfeld der Entscheidung über die Existenzgründung benötigt.1422 Erst recht sind der Erwerb von Geschäftsanteilen an einer Gesellschaft bzw. Gemeinschaftspraxis und die Anmietung von Geschäftsräumen oder der Abschluss eines Franchisevertrags bereits Ausdruck der Existenzgründung und somit unternehmerischer Natur.1423 – Zu weiteren Indizien für die Aufnahme unternehmerischen Handelns bzw. zu noch nicht ausreichenden Verhaltensweisen s. oben Rn. 624 ff. m.w.N. Mit der geschilderten Rechtsprechung dürfte auch dem Schutzzweck des § 16 Abs. 2 772 UWG hinreichend Rechnung getragen sein.1424 Im Kontext des problematischen Multi-
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1415 BGH 24.2.2005 – III ZB 36/04 – BGHZ 162, 253, 256 = NJW 2005, 1273 m.w.N.; BGH 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435 Tz. 6 f.; BGH 24.2.2011 – 5 StR 514/09 – BGHSt 56, 174 Tz. 24 = GRUR 2011, 941 – Schneeballseminare; Erman/Saenger § 13 Rn. 16; Palandt/Ellenberger § 13 Rn 3 f.; Staudinger/Kannowski (2013) § 13 Rn. 59 ff. (m.w.N. zu Entwicklung und Streitstand in Rn. 55 ff.); a.A. MünchKommBGB/Micklitz § 13 Rn. 54; Nachw. zum Streitstand bei MünchKommLKR/Veil/Müller (1. Aufl.) § 2 Rn. 243 m.w.N. 1416 OLG Hamm 9.12.2008 – 2 Ws 312/08 – NStZ-RR 2009, 155 L mit redaktionellem Hinweis; Köhler/Bornkamm § 2 Rn. 137; MünchKommUWG/Veil/Müller § 2 Rn. 243. 1417 S. etwa Bamberger/Roth/Möller BGB, 3. Aufl. 2012, § 512 Rn. 2 f. m.w.N. 1418 Jedenfalls zum EuGVÜ, EuGH 3.7.1997 – Rs C-269/95 – Slg. 1997, I-3767 = EWS 1997, 270 Rn. 17 – Benincasa/Dentalkit. – Dennoch a.A. MünchKommBGB/Micklitz § 13 Rn. 54 f. 1419 BGH 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435 Tz. 6 m.w.N.; BGH 24.2.2011 – 5 StR 514/09 – BGHSt 56, 174 Tz. 30 = GRUR 2011, 941 – Schneeballseminare, wenn auch explizit zu § 16 Abs. 2 UWG; Götting/Nordemann § 2 Rn. 62. 1420 BGH 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435 Tz. 7 – „Existenzgründungsbericht“. 1421 BGH 24.2.2011 – 5 StR 514/09 – BGHSt 56, 174 Tz. 30 = GRUR 2011, 941 – Schneeballseminare, wenn auch explizit zu § 16 Abs. 2 UWG. 1422 OLG Hamm 9.12.2008 – 2 Ws 312/08 – NStZ-RR 2009, 155 L mit redaktionellem Hinweis (= Gründe II. 2. b) dd), Tz. 29 ff.). 1423 BGH 24.2.2005 – III ZB 36/04 – BGHZ 162, 253, 257 = NJW 2005, 1273 m.w.N. 1424 Krit. zu einschränkenden Tendenzen in der Instanzrechtsprechung Brammsen/Apel WRP 2011, 400, 403 f. m.w.N. – Generell für einen Schutz von Existenzgründern als Verbraucher MünchKommBGB/Micklitz § 13 Rn. 54 m.w.N. zum Streitstand in Rn. 52 f.
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Level-Marketing wird von Teilen der Literatur ein abweichender Verbraucherbegriff propagiert, um den Schutz angeworbener Vertriebspartner zu stärken.1425 Doch dürfte dies angesichts der Definition in § 2 Abs. 2 BGB i.V.m. § 13 BGB, die einen einheitlichen Verbraucherbegriff für das gesamte UWG festlegen soll, kaum möglich sein. Eine erweiternde Auslegung erscheint zudem gerade bei einem Straftatbestand zumindest problematisch;1426 außerdem sollte man nicht übersehen, dass in Nr. 14 UWG-Anhang sowie des Anhangs zur UGP-Richtlinie Schneeballsysteme für per se unlauter erklärt werden und sich der Verbraucherschutz nach EU-Recht gerade nicht auf die Existenzgründung als Beginn unternehmerischer Tätigkeit bezieht. Andererseits sollte man nicht verkennen, dass die in Nr. 14 der Anhänge beschriebene unlautere Handlung sich unter anderem auf den (gesamten) Betrieb eines Schneeball- oder ähnlichen Systems bezieht, sodass der Schutz im Sinne eines Unternehmensdelikts doch sehr weitgehend ist: Selbst wenn der angeworbene Existenzgründer selbst nicht mehr Verbraucher ist, ändert dies doch wenig daran, dass der Betrieb des Systems an sich unlauter bleibt und somit seine Beendigung über Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG herbeigeführt werden kann. Da der angeworbene Existenzgründer zumindest vor seiner Entscheidung zum Eintritt in das System durch § 16 Abs. 2 UWG geschützt war, dürfte er auch nach seinem Beitritt noch geschützt sein. Denn der Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 Abs. 2 UWG setzt nur voraus, dass jemand im geschäftlichen Verkehr einen Verbraucher durch das Versprechen besonderer Vorteile für das Anwerben weiterer Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten veranlasst. Ist dies einmal geschehen, mag zwar der Verbraucher durch die weitere Teilnahme am System zum Unternehmer werden. Gleichwohl muss der Veranstalter (oder sonstige Vormann) ihm alle durch die ursprüngliche Handlung adäquat-kausal verursachten Schäden ersetzen, also ggf. auch die Verluste aus einer Existenzgründung auf der Grundlage des ursprünglichen Vorteilsversprechens. III. Verbraucherleitbild (§ 3 Abs. 2 S. 2 und 3 UWG) 1. Die Bedeutung des Verbraucherleitbildes. In einem nahen Zusammenhang mit 773 dem Begriff des Verbrauchers steht das sog. Verbraucherleitbild, das aber mit der Frage, wer als Verbraucher anzusehen ist, nichts zu tun hat. Das sog. Verbraucherleitbild1427 beeinflusst unmittelbar das Schutzniveau von Verbraucherinteressen, denn es legt fest, wie sich der Verbraucher gegenüber geschäftlichen Handlungen verhält, wie er auf sie reagiert. Damit ist das Verbraucherleitbild unmittelbar dafür von Bedeutung, wie Unternehmen sich Verbrauchern gegenüber im geschäftlichen Verkehr verhalten müssen, um den Normen des UWG zu entsprechen.1428 Nach § 3 Abs. 2 S. 2 UWG ist bei der Beurteilung der Unlauterkeit i.S.v. Satz 1 der Vor- 774 schrift auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Damit hat der Gesetzgeber das sog. normative Verbraucherleitbild akzeptiert, das der EuGH in seiner Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten und zur Irreführungsrichtlinie entwickelt hatte. Das Leitbild gilt aber nicht stets in
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1425 So etwa Mäsch/Hesse GRUR 2010, 10, 15. 1426 Für Unzulässigkeit wegen des strafrechtlichen Analogieverbots Mäsch/Hesse GRUR 2010, 10, 15. 1427 Das Verbraucherleitbild spielt allerdings nicht nur im Wettbewerbsrecht eine Rolle, vgl. etwa Dick S. 10 ff. m.w.N. 1428 MünchKommUWG/Veil/Müller § 2 Rn. 196.
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seiner allgemeinen Form, sondern ggf. bezogen auf einen spezifischen Adressatenkreis (vgl. § 3 Abs. 2 S. 2 und 3 UWG). Die potentielle „Mündigkeit“ des Verbrauchers beeinflusst zunächst seine Irreführungsanfälligkeit i.S.v. § 5 und § 5a UWG bzw. jegliche Anfälligkeit für die unsachliche Beeinflussung durch Werbung. Im Rahmen des UWG-Anhangs ist seine Bedeutung etwas begrenzter, aber trotz der in § 3 Abs. 3 UWG angeordneten per-se-Unlauterkeit nicht zu unterschätzen: Zwar spielt es in Tatbeständen, die explizit eine unwahre Angabe voraussetzen (u.a. Nr. 1, 3, 4, 7, 9, 10, 12 UWG-Anhang) oder auf eine fehlende Aufklärung abstellen (z.B. Nr. 5 UWG-Anhang), in der Regel keine Rolle. Andere Tatbestände sind aber weniger eindeutig, so insbesondere die als Information getarnte Werbung (Nr. 11 UWGAnhang), bei der es darauf ankommt, ob sich der Zusammenhang zwischen Werbung und Finanzierung aus dem Inhalt oder der Art der Darstellung ergibt. Wie bereits oben Rn. 795 erwähnt, ist die UGP-Richtlinie auch für die Anwendung der §§ 3, 4 UWG im Bereich der spezielleren Täuschungstatbestände von Bedeutung. Gerade die Annahme einer Täuschung bzw. Täuschungseignung wird aber maßgeblich vom Verbraucherleitbild beeinflusst.1429 Soweit es um das Verständnis des zugrunde zu legenden Durchschnittsverbrauchers geht, wird dieser genauere Aussagen in der Werbung, welche besondere Eigenschaften eines Produktes näher schildern, grundsätzlich eher in einem wörtlichen Sinne verstehen und vom Vorhandensein entsprechender Besonderheiten gegenüber anderen Produkten1430 bzw. einer besonderen Haltbarkeit oder erweiterten Verwendungs- bzw. Anwendungsmöglichkeiten ausgehen. Gleichwohl darf man nicht übersehen, dass das Verbraucherleitbild allein noch nichts darüber aussagt, wie der konkrete Einzelfall zu beurteilen ist. Denn auch wenn man von einem normal informierten, situationsadäquat aufmerksamen und angemessen verständigen bzw. kritischen Verbraucher ausgeht, kann dieser eine geschäftliche Aussage richtig oder falsch verstehen oder ihre Missverständlichkeit erkennen oder dies nicht tun.1431 Insofern bedarf dieses Verbraucherleitbild, das für die Konkretisierung des in der UGP-Richtlinie festgeschriebenen hohen Verbraucherschutzniveaus1432 notwendig ist,1433 der Anwendung auf den konkreten Einzelfall. Das Verbraucherleitbild hat aber auch darüber hinaus maßgebliche Bedeutung für fast alle Beispielstatbestände der §§ 4 bis 6 UWG, insbesondere für den Verbraucherschutz, aber auch darüber hinaus. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Wertreklame, in der sich die Beurteilungskriterien in den letzten Jahren ebenso geändert haben wie im Bereich der Irreführung. So beurteilt der I. Zivilsenat Gewinnspiele bislang sehr großzügig,1434 und auch die fragwürdige Figur des übertriebenen Anlockens hat er zwar nicht aufgegeben, aber seit längerem kaum mehr zur Begründung für die Annahme eines unlauteren Verhaltens verwendet.1435 Das hängt zwar sicherlich auch mit der Aufhebung
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1429 Ebenso bereits Heße Wettbewerbsrecht, 1998, S. 31. 1430 Vgl. etwa OLG Karlsruhe 27.2.2013 – 6 U 36/12 – MD 2013, 438, 444 f., 447 f. – WALKMAXX-Schuhe. 1431 Zutreffend Emmerich § 14 Rn. 23. 1432 Vgl. Erwägungsgründe 1, 5, 11, 20, 34, 24 sowie Art. 1 UGP-Richtlinie. 1433 So Scherer WRP 2013, 977, 978 f. (Rn. 18 ff.). 1434 Vgl. etwa BGH 17.2.2000 – I ZR 239/97 – GRUR 2000, 820, 821 ff. – Space Fidelity Peep Show m.w.N. 1435 Vgl. jeweils m.w.N.: deutlich zur Rechtsprechungsänderung BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 27 – Probeabonnement, unter Hinweis auf BGH 13.6.2002 – I ZR 173/01 – BGHZ 151, 84 = GRUR 2002, 976, 977 f. – Koppelungsangebot I; ferner jeweils die unzulässige Anlockwirkung verneinend etwa BGH 14.12.2000 – I ZR 147/98 – GRUR 2001, 752, 754 – Eröffnungswerbung; BGH 22.5.2003 – I ZR 185/00 – GRUR 2003, 804, 805 – Foto-Aktion; BGH GRUR 2004, 960 f. – 500 DM-Gutschein für Autokauf; BGH 22.1.2009 – I ZR 31/06 – GRUR 2009, 875 Tz. 12 – Jeder 100. Einkauf gratis; BGH 29.10.2009 – I ZR 180/07 – GRUR 2010, 455 Tz. 17 f. – Stumme Verkäufer II; BGH 31.3.2010 – I ZR 75/08 – GRUR 2010, 1022 Tz. 14 ff. m.w.N.
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von RabattG und ZugabeVO zusammen, aber nicht nur. Ob eine unsachliche Beeinflussung droht, hängt davon ab, wie der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Verbraucher auf eine Wettbewerbshandlung reagiert.1436 Dieser Durchschnittsverbraucher kann auch in emotionale Zwangslagen geraten. Eine andere Frage ist, wie er darauf oder auf Belästigungen oder gefühlsbetonte Werbung reagiert. Auch Art. 5 Abs. 2 lit. b) und Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 und 4 sowie Art. 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 8 Abs. 1 UGP-RL gehen davon aus, dass der moderne Verbraucher Opfer von Belästigungen und ähnlichen Verhaltensweise werden kann. Was die Belästigung angeht, so kann man auch auf den „durchschnittlich empfindlichen“ Verbraucher abstellen.1437 Das Verbraucherleitbild spielt auch eine Rolle, wenn im Rahmen der vergleichen 779 Werbung zu klären ist, ob sich der Vergleich auf Waren für denselben Verwendungszweck (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG) bzw. auf typische und relevante Eigenschaften (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG) bezieht oder ob der Mitbewerber herabgesetzt wird (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG).1438 Gleiches gilt, wenn im Rahmen des Rechtsbruchs (§ 4 Nr. 11 UWG) außerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie zu klären ist, wie der Verbraucher zum Beispiel die Werbung von Mitgliedern reglementierter Berufe versteht oder wie er eine Produktbezeichnung interpretiert, die positive gesundheitliche Wirkungen im Sinne der HealthClaims-Verordnung erzeugen soll oder gar an ein Arzneimittel erinnert.1439 Letztlich geht es dabei oft um speziell geregelte Fragen der Irreführung, sodass sich im Ergebnis keine echten Unterschiede zur Anwendung des Verbraucherleitbildes im Rahmen von § 5 UWG ergeben werden. So vermag der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der einen Anwalt sucht, in dieser Situation auch mit angemessener Aufmerksamkeit nicht hinreichend zwischen einem Fachanwalt und einem Spezialisten zu unterscheiden, weshalb sich (zumindest) ein Nicht-Fachanwalt in der Werbung nicht ohne weiteres als „Spezialist für Familienrecht“ bezeichnen darf;1440 anders soll es sich aber nach der Rechtsprechung des BVerfG bei echten Spezialisten verhalten.1441 Das Verbraucherleitbild – respektive verallgemeinernd: Adressatenverständnis – 780 spielt aber auch bei der Frage eine Rolle, ob eine Äußerung einen Mitbewerber i.S.v. § 4 Nr. 7 UWG herabsetzt,1442 und sie ist sogar für die Beurteilung der Konkurrentenbehinderung von Einfluss, wenn zu entscheiden ist, ob die in einem jeglichen Wettbewerbsverhalten liegende Beeinträchtigung von Wettbewerbschancen anderer Wettbewerber durch eine bestimmte Maßnahme unlauter ist, also z.B. bei der Frage, ob die Kanalisierung von Kundenströmen durch Reservierung von Gattungsbegriffen als Domainnamen im Internet einem gezielten Abfangen potentieller Kunden gleichzusetzen ist.1443 Darüber
_____ – Ohne 19% Mehrwertsteuer; BGH 5. 10. 2010 – I ZR 4/06 – BGHZ 187, 231 = GRUR 2011, 532 Tz. 25 ff. – Millionen-Chance II; zur Anlockwirkung von Gewinnspielen Köhler GRUR 2011, 478, 481 ff. 1436 Ebenso Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 1.7. 1437 So Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 37. – Der Sache nach ebenso BGH 22.4.2010 – I ZR 29/09 – GRUR 2010, 1113 Tz. 15 – Grabmalwerbung; BGH 3.3.2011 – I ZR 167/09 – GRUR 2011, 747 Tz. 17 – Kreditkartenübersendung; OLG München 17.1.2008 – 29 U 4576/07 – GRUR-RR 2008, 355, 356 m.w.N. – Friedhofswerbung; Fezer/Mankowski § 7 Rn. 61 m.w.N. 1438 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 36; vgl. auch BGH 17.1.2002 – I ZR 215/99 – GRUR 2002, 828, 830 – Lottoschein. 1439 Vgl. zu „Rescue-Tropfen“ usw. OLG München 31.1.2013 – 6 U 4189/11 – LMuR 2013, 87, 96 f., 98. 1440 OLG Karlsruhe 1.3.2013 – 4 U 120/12 – GRUR-RR 2013, 171, 172 – Spezialist für Familienrecht. 1441 BVerfG 28.7.2004 – 1 BvR 159/04 – NJW 2004, 2656, 2658 – Spezialist für Verkehrsrecht; näher zu dieser Problematik Fritzsche WRP 2013, 272, 280 f. m.w.N. 1442 S. nur BGH 19.5.2011 – I ZR 147/09 – GRUR 2012, 74 Tz. 22 ff. m.w.N. – Coaching-Newsletter. 1443 Vgl. BGH 17.5.2001 – I ZR 216/99 – BGHZ 148, 1 = GRUR 2001, 1061, 1063 – Mitwohnzentrale.de.
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hinaus war es z.B. auch für die Frage von Bedeutung, ob eine nach § 7 Abs. 1 UWG 1909 unzulässige Sonderveranstaltung angekündigt wird.1444 Jedoch darf man dann nicht vom Leitbild des Durchschnittsverbrauchers ausgehen, 781 wenn sich eine Werbung gezielt an Verbraucherkreise wendet, die nicht zum Durchschnitt zählen und besonders schutzwürdig sind,1445 wie insbesondere Kinder und Jugendliche.1446 Dieser Gedanke hat nun auch Eingang in das Unionsrecht gefunden, wie Art. 5 Abs. 2 lit. b) und Abs. 3 UGP-RL sowie die zugehörigen Erwägungsgründe 18 f. bezeugen. Der deutsche Gesetzgeber hat dem in § 3 Abs. 2 S. 3 UWG Rechnung getragen (dazu § 3 Rn. 657 ff.). 782
2. Entwicklung und Stand des Verbraucherleitbildes. Um das Verbraucherleitbild ist im Schrifttum eine – mittlerweile überholte – Debatte geführt worden, deren Ausgangspunkt die ursprünglich unterschiedlichen Verbraucherkonzeptionen von BGH und EuGH waren. Heute ist dies nur noch von historischem Interesse und von Belang für das Verständnis älterer Grundsatzentscheidungen.
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a) Das frühere deutsche Verbraucherleitbild. Jahrzehntelang gingen die deutsche (und österreichische) Rechtsprechung und die ihr folgende h.L. vom Leitbild eines flüchtigen Verbrauchers aus, also von einem Durchschnittsverbraucher, der Werbung und Produktaufmachungen insbesondere bei Waren des täglichen Bedarfs unaufmerksam und oberflächlich gegenübertritt.1447 Dies löste eine teils polemische Kritik von den Vertretern der Gegenauffassung aus.1448 Dieses Verbraucherleitbild eines Verbrauchers, der mit Informationen ungezwungen und flüchtig umging, also nur mit einem ganz erheblichen Aufwand sachgerecht informiert werden konnte, beeinflusste die verbraucherschützenden Fallgruppen des § 1 UWG 1909 in starkem Maße und führte dazu, dass viele einfallsreiche Werbestrategien aus Gründen des Verbraucherschutzes untersagt wurden. Besonders streng war die Beurteilung bei der irreführenden Werbung i.S.v. § 3 UWG a.F. (heute §§ 5, 5a UWG), aber auch bei der gefühlsbetonten und der Gesundheitswerbung.1449
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b) Das Verbraucherleitbild des EuGH und der Verbraucherschutz-Richtlinien. Der EuGH geht in ständiger Rechtsprechung vom Leitbild des durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers aus; teilweise wird dieser Durchschnittsverbraucher auch noch als aufmerksam bezeichnet. Auf dieses Leitbild nimmt Erwägungsgrund 18 der UGP-Richtlinie Bezug, sodass bei ihrer Anwendung ebenfalls vom Leitbild eines – vielleicht sogar stets – aufmerksamen Verbrauchers auszugehen ist. Entwickelt hat der EuGH dieses Verbraucherleitbild bereits in Entscheidungen zur Warenverkehrsfreiheit; bereits relativ früh hat er darauf hingewiesen, dass nach der Politik
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1444 OLG Frankfurt 13.2.2002 – 6 W 5/02 – GRUR 2002, 460 – 10% Barzahlungsrabatt. 1445 BGH 13.6.2002 – I ZR 173/01 – BGHZ 151, 84, 92 = GRUR 2002, 976, 979 – Koppelungsangebot I. 1446 OLG Hamburg 10.4.2003 – 5 U 97/02 – WRP 2003, 1003, 1006 – Klingeltonwerbung in Jugendzeitschriften. 1447 S. etwa BGH 23.1.1959 – I ZR 14/58 – GRUR 1959, 365, 366 – Englisch-Lavendel; BGH 29.04.1982 – I ZR 111/80 – GRUR 1982, 564, 566 m.w.N. – Elsässer Nudeln; vgl. näher Lettl Schutz, S. 173 ff. m.w.N. – Ebenso die frühere Sicht in Österreich, vgl. etwa öOGH 17.10.1978 – 4 Ob 359/78 – GRUR Int. 1979, 164, 165 – Feldmühle Melkzitze, passend für Alfa; öOGH 14.1.1986 – 4 Ob 408/85 – GRUR Int. 1986, 735, 738 – Hotel Sacher; öOGH 23.11. 1999 – 4 Ob 259/99p – ZUM-RD 2000, 367, 368 f. m.w.N. zur st. Rspr.; Wiebe/Heidinger Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht, 2010, S. 174 f. m.w.N. 1448 S. etwa EuGH 13.3.1984 – 16/83 – Slg. 1984, 1299, 1306 – Prantl = GRUR Int 1984, 291, 293 – Bocksbeutel (insofern in GRUR 1984, 343 nicht abgedruckt). 1449 Vgl. etwa BGH 23.3.1966 – IB ZR 28/64 – GRUR 1966, 445, 449 – Glutamal.
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der (damaligen) Gemeinschaft ein Zusammenhang zwischen Verbraucherinformation und Verbraucherschutz bestehe.1450 Dieses Verbraucherleitbild gilt im Zusammenhang mit dem irreführenden Charakter 785 von Bezeichnungen, Marken und Werbeaussagen sowohl für die Überprüfung anhand des AEU-Vertrags als auch anhand des Sekundärrechts.1451 Die deutsche Wiedergabe dieses Verbraucherleitbildes weicht allerdings von der in anderen Sprachen ab, da etwa die englische, französische und italienische Fassung von einem durchschnittlich informierten, in vernünftigem Maße aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher sprechen.1452 In der deutschen Übersetzung sind die Attribute stark zusammengezogen worden, was zu einigen Missverständnissen in der Diskussion der vergangenen Jahre beigetragen haben dürfte. Insbesondere gibt es keine erkennbare Divergenz zum Verbraucherleitbild des BGH mehr, da sich dieser dem europäischen Maßstab mittlerweile angeschlossen hat. Denn auch der EuGH geht davon aus, dass der durchschnittliche Verbraucher keineswegs stets in gleichem Maße aufmerksam ist, sondern dass seine Aufmerksamkeit von der konkreten Situation abhängt.1453 Dabei hat der EuGH immer wieder auf zwei Aspekte hingewiesen: Zum einen haben 786 die nationalen Gerichte bei der Feststellung einer Irreführung bzw. Unlauterkeit auf die Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen.1454 Zum anderen ist die Feststellung einer tatsächlichen Irreführung(seignung) Sache des nationalen Gerichts.1455 Das gilt insbesondere für die Frage, ob die geschäftliche Handlung geeignet ist, den Verbraucher von einer informierten Entscheidung abzuhalten und ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.1456 Dieser Aspekt ist in gleicher Weise bei der Feststellung der Unlauterkeit nach Art. 5 Abs. 2 lit. b) UGP-Richtlinie von Bedeutung und auch hier dem nationalen Gericht überlassen.1457 Das versteht sich eigentlich von selbst, da der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV lediglich das Unionsrecht auslegt. Wenn aber die Feststellung der Irreführung(seignung) von den nationalen Behörden und Gerichten zu treffen ist, relativiert dies die Bedeutung des europäischen Verbraucherleitbildes doch ganz erheblich. Zwar haben die nationalen Gerichte darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher eine Werbung wahrscheinlich auffassen wird. Doch können sie selbst und ggf. nach einer Beweisaufnahme nach ihrem nationalen Recht beurteilen, ob eine Irreführung des Durchschnittsverbrauchers vorliegt oder nicht. Das europäische Verbraucherleitbild ist dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, starr und 787 undifferenziert zu sein und außer Acht zu lassen, dass auch der informierte und verstän-
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1450 EuGH 7.3.1990 – C-362/88 – Slg. 1990 I 667 = GRUR Int. 1990, 955 Tz. 14 ff. 18 – GB-INNO-BM, m. Anm. Hakenberg/Harles; dazu auch Leisner EuZW 1991, 498; Meyer WRP 1993, 215. 1451 So ausdrücklich EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 = GRUR Int. 1998, 795 Tz. 30 f. – Gut Springenheide, m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs. 1452 Ebenso Lettl S. 93 f. sowie GRUR Int. 2004, 85, 87. 1453 Vgl. besonders deutlich EuGH 22.6.1999 – C-342/97 – Slg. 1999, I-3819 = GRUR Int. 1999, 734 Tz. 26 – Lloyd Schuhfabrik Meyer – zur Verwechslungsgefahr im Markenrecht. 1454 EuGH 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 = GRUR 2007, 69 Tz. 78 – Lidl Belgium/Colruyt; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – Slg. 2010, I-11761 = GRUR 2011, 159 Tz. 47 – Lidl/Vierzon Distribution; EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – Slg. 2011, I-3903 = GRUR 2011, 930 Tz. 23 – Konsumentombudsmannen/Ving Sverige. 1455 Etwa EuGH 16.1.1992 – C-129/91 – Slg. 1992 I-131 = GRUR Int. 1993, 951 Tz. 15 f. – Nissan; besonders deutlich EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 = GRUR Int. 1998, 795 Tz. 33 ff. – Gut Springenheide. 1456 EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – Slg. 2011, I-3903 = GRUR 2011, 930 Tz. 65 ff., 71 – Konsumentombudsmannen/Ving Sverige. 1457 Vgl. EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – Slg. 2011, I-3903 = GRUR 2011, 930 Tz. 48, 58, 65 ff., 71 – Konsumentombudsmannen/Ving Sverige.
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dige Verbraucher nicht in jeder Situation gleich aufmerksam ist. Die Aufmerksamkeit, die er einer Werbung oder der Darbietung einer Ware oder gewerblichen Leistung widmet, kann nämlich von verschiedenen Faktoren abhängig sein, namentlich dem Preis, einer eventuellen gesundheitlichen Relevanz, usw. Von daher scheint es bedenklich, wenn der EuGH in manchen Urteilen explizit nicht nur auf den informierten und verständigen Durchschnittsverbraucher abstellt, sondern ihm zusätzlich auch noch die Eigenschaft „aufmerksam“ zugesprochen hat.1458 Jedoch geht auch der Gerichtshof davon aus, dass der Verbraucher nicht stets gleich aufmerksam ist, wenn er in der Entscheidung Lifting-Creme die letztendliche Entscheidung dem nationalen Gericht überlässt, obwohl „auf den ersten Blick wenig dafür spricht, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher“ in concreto irregeführt werden könnte.1459 In diesem Zusammenhang will es der Gerichtshof auch nicht ausschließen, dass „soziale, kulturelle oder sprachliche Eigenheiten es rechtfertigen können, dass das für eine Hautstraffungscreme verwendete Wort Lifting von den deutschen Verbrauchern anders verstanden wird als von den Verbrauchern in anderen Mitgliedstaaten“.1460 Ohnehin hängt die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auch von der Art der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen ab.1461 Auch der Richtlinienvorschlag für die UGP-Richtlinie beinhaltete in Art. 2 lit. b) die 788 übliche Definition des „Durchschnittsverbrauchers“, der demzufolge in der deutschen Fassung wiederum verkürzt durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig ist, während er z.B. in der englischen Fassung genauer als „reasonably well informed and reasonably observant and circumspect“ beschrieben wird.1462 Die endgültige UGPRichtlinie hat sich davon leider entfernt1463 und verwendet in Art. 2 lit. a) die Verbraucherdefinition, die aus diversen Verbraucherschutzrichtlinien bekannt und in § 13 BGB umgesetzt ist, die aber für die Zwecke des Lauterkeitsrechts kaum brauchbar ist, weil sie auf rechtsgeschäftliches Handeln zugeschnitten ist, in die Richtlinie aber wohl deshalb Eingang gefunden hat, weil sich ihr Anwendungsbereich ihrem Titel nach und gem. Art. 3 Abs. 1 auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern beschränkt. Das hat zwar den Vorteil, dass § 2 Abs. 2 UWG 2004 bei der Umsetzung der Richtlinie nicht geändert werden musste, ist für die Anwendung der Richtlinie aber eher störend. Dennoch hat das bisherige Verbraucherleitbild des EuGH auch unter der UGP789 Richtlinie weiterhin Bestand, lediglich modifiziert durch den Umstand, dass nach den Erwägungsgründen 18 und 19 alle Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken geschützt werden sollen, so dass bei einer Werbung gegenüber speziellen Gruppen wie z.B. Kindern auf den durchschnittlichen angehörigen dieser Verbrauchergruppe abzustellen ist1464, was in Art. 5 Abs. 2 lit. b) und Abs. 3 UGP-RL nochmals aufgegriffen wird. Freilich
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1458 So insbesondere in EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 = GRUR Int. 1998, 795 Tz. 31 – Gut Springenheide; EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. I 2, 117 = GRUR Int. 2, 354 Tz. 27 ff., 30 – Estée Lauder/ Lancaster (Lifting Creme). 1459 Vgl. EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000 I- 117 = GRUR Int. 2000, 354 Tz. 30 – Estée Lauder/ Lancaster [Lifting Creme]. 1460 Vgl. EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117 = GRUR Int. 2000, 354 Tz. 29 – Estée Lauder/ Lancaster [Lifting Creme]. 1461 So zur Verwechslungsgefahr im Markenrecht EuGH 22.6.1999 – C-342/97 – Slg. 1999, I-3819 = GRUR Int. 1999, 734 Tz. 26 – Lloyd Schuhfabrik Meyer. 1462 Zu weiteren Sprachfassungen bzgl. des Apektes „verständig“ s. Scherer WRP 2013, 977, 978 (Rn. 20 ff.). 1463 Zur Entwicklung s. Helm WRP 2005, 931, 933 f. 1464 Dazu eingehend Helm WRP 2005, 931, 935 ff.
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ist kaum vorstellbar, dass der EuGH dies anders gesehen hätte, wenn er darüber zu befinden gehabt hätte. Auch in anderen neueren Richtlinien wird auf den aufmerksamen Verbraucher abgestellt, so namentlich in Erwägungsgrund 39 der VerbraucherrechteRichtlinie, wo die Notwendigkeit betont wird, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers bei Bestellvorgängen auf deren Entgeltlichkeit zu lenken. Der EuGH hat bei der Auslegung der UGP-Richtlinie inzwischen mehrfach betont, 790 was er auch früher zum Verbraucherleitbild gesagt hat. Es gilt demnach weiterhin das Leitbild eines Verbrauchers, der „angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren als Maßstab.“1465 Die Wahrnehmung dieses „normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ ist bei der Beurteilung geschäftlicher Handlungen zugrunde zu legen.1466 c) Die Haltung des Schrifttums. Das Schrifttum, das dem restriktiven Verbraucher- 791 leitbild der deutschen Rechtsprechung zunächst ganz überwiegend folgte, die Rechtsprechung vielleicht teils sogar noch übertraf, spiegelt den mittlerweile erledigten Konflikt zwischen den Leitbildern ebenfalls wider. Zahlreiche Autoren haben schon relativ frühzeitig für ein rein normatives Konzept der Verkehrsauffassung plädiert1467 und die Schwächen der früheren deutschen Rechtsprechung aufgezeigt.1468 Bis in die jüngste Zeit finden sich immer wieder Stellungnahmen, die sich mit dem europäischen Verbraucherleitbild beschäftigen, und teils Unterschiede zwischen der Rechtsprechung des EuGH und der angepassten Rechtsprechung des BGH herauszuarbeiten versuchen, die es mutmaßlich nicht (mehr) gibt und deren scheinbare Existenz sich einfach aus dem Umstand erklärt, dass der BGH das Recht konkret anwendet, ohne formalen Definitionsversuchen dabei jedes Mal genau zu entsprechen. Demgegenüber waren die Aussagen des EuGH oftmals allgemeinerer Natur. Doch hat sich dies gerade in den letzten Jahren und konkret bei der Auslegung der UGP-Richtlinie geändert (s.o. Rn. 785 ff.). Bedenken am Maßstab des EuGH sind wegen des von der Gemeinschaftsordnung zu 792 gewährleistenden Grundrechts der Chancengleichheit geäußert worden. Der Irreführungsmaßstab des EuGH missachte das Grundrecht derjenigen Verbraucher, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden können.1469 Diese Kritik ist sicherlich zu weit hergeholt, denn ihre Beachtung würde zu einer dramatischen Einschränkung der Werbemöglichkeiten führen. Gleichwohl weisen auch andere Stimmen darauf hin, dass das „moderne“ Verbraucherleitbild das Schutzniveau gerade zulasten besonders schutzwürdiger Verbraucherkreise verschoben habe.1470 Damit verwandt ist die Frage, ob der „skeptische und wachsame“ Verbraucher ein „unrealistisches, keineswegs repräsentatives Bild des Verbrauchers in unserer Wettbewerbsordnung darstellt“.1471 Freilich sind diese
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1465 EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – Slg. 2011, I-3903 = GRUR 2011, 90 Tz. 22 – Konsumentombudsmannen/ Ving Sverige. 1466 EuGH 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 = GRUR 2007, 69 Tz. 78 – Lidl Belgium/Colruyt; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – Slg. 2010, I- 11761 = GRUR 2011, 159 Tz. 47 – Lidl/Vierzon Distribution; EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – Slg. 2011, I-03903 = GRUR 2011, 90 Tz. 23 – Konsumentombudsmannen/Ving Sverige. 1467 Emmerich § 14 Rn. 24 ff.; Fezer WRP 1995, 617, 672 ff.; Meyer WRP 1993, 215, 221 ff., 225 m.w.N.; Spliethoff S. 232 ff.; Steindorff WRP 1993, 139, 144. 1468 S. etwa Dichtl/Brinkmann/Hardock/Ohlwein/Schellhase/Wolf BB-Beilage 1995, Nr 12, 1, 10 ff. 1469 Reuthal WRP 1997, 1154, 1160. 1470 Vgl. Berneke WRP 2001, 615, 617, 620; Köhler GRUR 2001, 1067, 1069 f.; Lange/Spätgens Rn. 172, 422; s. aber Heermann/Ruess WRP 2001, 883, 885 f. 1471 Scherer S. 65.
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Erwägungen, deren Berechtigung schon immer zweifelhaft war, spätestens durch Art. 5 Abs. 2 lit. b) und Abs. 3 UGP-RL überholt, der die Notwendigkeit des Schutzes spezieller Adressatenkreise berücksichtigt.1472 Kritisch beurteilen muss man die verbreitete Charakterisierung des Verbraucherleit793 bildes des EuGH als „normativ“,1473 denn gesetzlich verankert ist es gerade nicht.1474 Eine Art von „normativer Verankerung“1475 bilden lediglich die Aussagen des Gesetzgebers bei den Reformen der letzten Jahre sowie Erwägungsgrund 18 der UGP-Richtlinie, der die Formeln des EuGH aufgreift. Denn letztlich hat der EuGH zwar eine Art von Definition vorgegeben, welche Eigenschaften der für die unlauterkeitsrechtliche Beurteilung maßgebliche Verbraucher haben soll. Der Gerichtshof hat aber daraus keine allzu weitreichenden allgemeinen Folgerungen abgeleitet, sondern die Notwendigkeit betont, im konkreten Einzelfall zu beurteilen, wie der relevante „Durchschnittsverbraucher“ eine Werbung oder sonstige geschäftliche Handlung auffasst. Von daher hatte das Verbraucherleitbild, auch wenn der EuGH dies vielleicht nicht stets betont hat, neben seinem „normativen“ Kern stets zwangsläufig auch eine empirische Komponente. 794 Auf dieser Grundlage kann der Richter bei einer (zumindest auch) an Verbraucher gerichteten geschäftlichen Handlung nach ständiger Rechtsprechung selbst entscheiden, wie sie vom Durchschnittsverbraucher verstanden bzw. gedeutet werden wird.1476 Man wird hier aber Einschränkungen machen müssen. Dies gilt zum einen dann, wenn nicht klar ist, wie missverständlich eine Aussage ist bzw. welcher Anteil sog. Durchschnittsverbraucher eine Aussage mit zutreffendem Kern abweichend und falsch versteht. In diesen Fällen ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass wohl auch die Rechtsprechung des EuGH dafür spricht, hier durch ein demoskopisches Sachverständigengutachten Beweis zu erheben. Wegen der damit verbundenen Risiken, also der Fehleranfälligkeit schon bei der Formulierung der zu erhebenden Fragen, geschieht dies praktisch gesehen nicht allzu oft, sodass der Richter letztlich selbst entscheidet, ob die sog. Irreführungsquote (oder allgemeiner Beeinflussungsquote) erreicht ist oder nicht. Unabhängig von der Frage, wie hoch diese Quote sein muss, wie viele Prozent der Durchschnittsverbraucher also irregeführt oder sonst unzulässig beeinflusst werden, besteht hier unter Umständen das Problem, dass niemand sagen kann, welcher Anteil der Verbraucher zum falschen Verständnis neigt.1477 Zum anderen mag es gelegentlich Fälle geben, in denen der Richter infolge seiner häufigen Beschäftigung mit einer Materie nicht mehr als Durchschnittsverbraucher anzusehen ist, sondern eine Person mit überdurchschnittlichen Kenntnissen darstellt. Auch in diesem Fall kann er seine eigene Beurteilung nicht mehr ohne weiteres an die des echten Durchschnittsverbrauchers setzen, sondern muss berücksichtigen, dass viele Verbraucher weniger informiert sein werden, so etwa bei Facharzt- und Fachanwaltsbezeichnungen1478 oder Rechtswahlklauseln in AGB.1479
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1472 Dazu Helm WRP 2005, 931, 936 ff. 1473 So etwa Emmerich § 14 Rn. 25 f.; Helm FS Tilmann, S. 135, 140 f. sowie WRP 2005, 931; Sack WRP 2004, 521, 522 f., Ullmann GRUR 1991, 789, 791. 1474 Zutreffend Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 98. 1475 So Piper/Ohly/Sosnitza § 2 Rn. 98. 1476 Dazu etwa Emmerich § 14 Rn. 30 m.w.N. 1477 Vgl. Emmerich § 14 Rn. 29–31. 1478 Vgl. Fritzsche WRP 2013, 272, 274 ff., 280 f. m.w.N., zum Problem der Durchschnittskenntnis S. 281 oben. 1479 A.A. KG 7.5.2013 – 5 U 32/12 – WRP 2013, 1058, 1059 (Rn. 14 ff.) – Online-Kontaktformular, m. Anm. Deutsch GRUR-Prax 2013, 320.
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d) Das Verbraucherleitbild der neueren deutschen Rechtsprechung und Ge- 795 setzgebung. Die deutsche Rechtsprechung ging jahrzehntelang vom Leitbild des „flüchtigen“ und „unkritischen“, also unaufmerksamen und nicht informierten Verbrauchers aus.1480 Nach jahrelangem Zögern hat der BGH in den letzten Jahren das europäische Verbraucherleitbild zunächst im verbalen Ausgangspunkt, mittlerweile aber auch inhaltlich übernommen und stellt seit einigen Jahren ebenfalls auf den verständigen und informierten Durchschnittsverbraucher ab.1481 Dieses Leitbild gilt nicht nur im Rahmen des Verbots irreführender Werbung nach §§ 5, 5a UWG,1482 sondern auch bei der Anwendung der §§ 3, 4 UWG1483 und dort insbesondere bei der Anlockwirkung einer Werbung.1484 Diese Rechtsprechung kann man mittlerweile als ständige ansehen, die mittlerweile auch von der Instanzrechtsprechung akzeptiert wird, so etwa bei der Anwendung von § 5 UWG,1485 aber
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1480 Vgl. etwa BGH 23.1.1959 – I ZR 14/58 – GRUR 1959, 365, 366 – Englisch-Lavender; BGH 21.6.1967 – IB ZR 159/64 – GRUR 1968, 200, 202, 204 – Acryl-Glas; BGH 29.4.1970 – I ZR 123/68 – GRUR 1970, 425, 426 m.w.Nachw. – Melitta-Kaffee; BGH 8.10.1987 – I ZR 184/85 – GRUR 1988, 130, 132 – Verkaufsfahrten II; BGH 22.10.1992 – I ZR 284/90 – GRUR 1993, 127 – Teilzahlungspreis II; zuletzt wohl BGH 19.10.1994 – I ZR 130/92 – GRUR 1995, 57, 60 – Markenverunglimpfung II; Baumbach/Hefermehl 19. Aufl. 1996, § 3 a.F. Rn. 33, 36 m.w.N.; Köhler/Piper, 2. Aufl. 2001, § 3 a.F. Rn. 80 m.w.N. 1481 Vgl. etwa BGH 24.10.2002 – I ZR 50/00 – GRUR 2003, 163, 164 – Computer II; BGH 28.11.2002 – I ZR 110/00 – GRUR 2003, 249 – Irreführende Werbung für Computer-Komplettsysteme; besonders deutlich für den Übergang BGH 18.6.1998 – I ZR 15/96 – GRUR 1998, 942, 943 – ALKA-SELTZER; zu den Ansätzen der Entwicklung vgl. Drexl in Schricker Neuorientierung, S. 163, 183 ff. m.w.N. 1482 St. Rspr., etwa BGH 15.2.1996 – I ZR 9/94 – GRUR 1996, 910, 912 – Der meistverkaufte Europas m.zust.Anm. Doepner; BGH 13.1.2000 – I ZR 253/97 – GRUR 2000, 914, 915 – Tageszulassung II; BGH 19.4.2001 – I ZR 46/99 – GRUR 2002, 81, 83 – Anwalts- und Steuerkanzlei; BGH 3.5.2001 – I ZR 318/98 – GRUR 2002, 182, 183 – Das Beste jeden Morgen; BGH 24.10.2002 – I ZR 100/00 – GRUR 2003, 361 – Sparvorwahl; BGH 20.1.2005 – I ZR 96/02 – GRUR 2005, 442, 443 – Direkt ab Werk; BGH 16.12.2004 – I ZR 222/02 – GRUR 2005, 438, 440 – Epson-Tinte. 1483 BGH 10.2.2000 – I ZR 97/98 – GRUR 2000, 528, 529 – L-Carnitin zur Einordnung eines Produkts als Arznei- oder Lebensmittel; BGH 7.12.2000 – I ZR 158/98 – GRUR 2001, 450, 451 – Franzbranntwein-Gel zur Abgrenzung als Arzneimittel oder Kosmetikum; BGH 14.12.2000 – I ZR 147/98 – GRUR 2001, 752, 753 f. – Eröffnungswerbung – zum Verständnis der Werbeaussage „Willy säht: Bis 17.4. kein Wäschmaschin kaufe jon.“; BGH 17.5.2001 – I ZR 216/99 – BGHZ 148, 1 = GRUR 2001, 1061, 1063 – Mitwohnzentrale.de; BGH 2.12.2004 – I ZR 30/02 – BGHZ 161, 204 = GRUR 2005, 349, 353 – Klemmbausteine III – zur Nachahmung fremder Leistung. Vgl. auch BGH 19.9.1996 – I ZR 72/94 – GRUR 1997, 304, 305 f. – EnergiekostenPreisvergleich II. 1484 BGH 17.2.2000 – I ZR 239/97 – GRUR 2000, 820 Ls. 2, 821 f. – Space Fidelity Peep Show; BGH 13.3.2003 – I ZR 212/00 – GRUR 2003, 626, 627 – Umgekehrte Versteigerung II; BGH 9.6.2004 – I ZR 187/02 – GRUR 2004, 960 m.w.N. – 500 DM-Gutschein für Autokauf sowie im Markenrecht (s. etwa BGH 16.12.2004 – I ZR 177/02 – GRUR 2005, 419, 421 m.w.N. – Räucherkate; BGH 3.2.2005 – I ZR 45/03 – GRUR 2005, 414, 416 – Russisches Schaumgebäck). 1485 Vgl. OLG Dresden 6.7.1999 – 14 U 3647/98 – GRUR 2000, 88, 90; OLG Frankfurt 28.11.2002 – 6 U 85/02 – GRUR-RR 2003, 192 f. – 10 frische Eier; OLG Frankfurt a.M. 15.6.2000 – 6 U 115/99 – GRUR-RR 2001, 67, 68 – Eschweger Klosterbräu; OLG Hamburg 25.7.2002 – 3 U 236/00 – GRUR-RR 2002, 395, 396 – Konfitüre „naturrein“; OLG Hamburg 10.10.2001 – 5 U 11/01 – GRUR-RR 2002, 260, 261 – Talenttest; OLG Hamm 11.2.2003 – 4 U 148/02 – NJW-RR 2003, 997, 998; OLG Jena 14.5.2003 – 2 U 1234/02 – NJW-RR 2003, 1199, 1200; OLG Karlsruhe 14.11.2001 – 6 U 105/01- GRUR-RR 2002, 168 – Zwei Knaller; OLG Köln 23.3.2001 – 6 U 214/00 – NJW-RR 2002, 334 f.; OLG Köln 21.3.2003 – 6 U 130/02 – NJW-RR 2003, 782; OLG Köln 6.2.2002 – 6 U 143/01 – MMR 2002, 465 – Free & Easy; OLG München 18.4.2002 – 29 U 1573/02 – MMR 2002, 614, 615 = NJW 2002, 2113; OLG Nürnberg 7.11.2000 – 3 U 2239/97 – NJOZ 2001, 2169, 2170 f.; OLG Saarbrücken 3.11.2004 – 1 U 125/04-23 – WRP 2005, 759 = NJW-RR 2005, 550, 551 – Brandschutzwerbung; OLG Schleswig 30.8.2000 – 4 U 158/98 – K&R 2000, 151, 152; OLG Schleswig 5.12.2000 – 6 U 63/2 – MMR 2001, 313, 314 m.krit.Anm. Beese = WRP 2001, 322 – Gutschein über 100 Gesprächsminuten; OLG Stuttgart 10.2.2005 – 2 U 153/04 – GRUR 2005, 608, 609 – Gleitsichtgläser; LG Berlin 24.4.2001 – 15 O 391/00 – NJWRR 2001, 1643, 1644; LG Berlin 20.2.2001 – 15 O 519/00 – NJW-RR 2001, 1719, 1720; LG Essen 20.6.2002 – 43 O 50/02 – MMR 2003, 343; LG Braunschweig 13.11.2003 – 21 O 1563/03 – GRUR-RR 2004, 30 – VW Touareg;
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Definitionen
auch der der §§ 3, 4 UWG1486 bzw. § § 6 UWG1487 sowie im Markenrecht,1488 das überdies mit dem Unlauterkeitsrecht einheitlich ausgelegt werden muss, soweit es um den Begriff der Verwechselung geht,1489 bei dem wiederum das Verbraucher- bzw. Adressatenverständnis von ausschlaggebender Bedeutung ist.1490 Schließlich hat es sich auch der Gesetzgeber sowohl bei der Aufhebung von RabattG und ZugabeVO1491 als auch bei der Schaffung des UWG 20041492 ausdrücklich zu Eigen gemacht. – Dieses moderne Verbraucherleitbild findet auch im AGB-Recht1493 sowie de facto bereits seit langem bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen Anwendung.1494 Zu beachten ist, dass der BGH in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 796 EuGH keinen absolut normativen Maßstab des durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers verwendet. Denn die Aufmerksamkeit bzw. das Verständnis dieses Durchschnittsverbrauchers hängt nach Auffassung des Gerichts maßgeblich von der jeweiligen Situation ab, weshalb sich also letztlich die Attribute „flüchtig“ und „verständig“ nicht wirklich ausschließen sollen.1495 Der BGH setzt sich
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LG Frankfurt a.M. 18.4.2001 – 3/8 O 165/00 – GRUR-RR 2002, 80, 81 – Tipp-Ex Rapid; LG Hamburg 11.4.2001 – 315 O 22/01 – NJOZ 2001, 1431, 1432. 1486 Vgl. EuGH 6.10.2005 – C-120/04 – Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042 Tz. 28 – THOMSON LIFE; EuGH 22.9.2011 – C-323/09 – GRUR 2011, 1124 Tz. 50 – Interflora; BGH 27.3.2013 – I ZR 100/11 – GRUR 2013, 631 Tz. 64 – AMARULA/Marulablu; OLG Düsseldorf 25.11.2002 – 13 U 62/02 – MMR 2003, 177, 178; OLG Frankfurt a.M. 19.4.2001 – 6 U 184/00 – NJW-RR 2002, 40, 42; OLG Hamm 11.2.2003 – 4 U 148/02 – NJW-RR 2003, 997, 998; OLG München 10.4.2003 – 29 U 1883/03 – MMR 2003, 533, 534; OLG München 27.3.2003 – 29 U 4292/0 – NJW 2003, 1534, 1536; OLG Hamburg 25.7.2002 – 3 U 236/00 – GRUR-RR 2002, 395, 396 – Konfitüre „naturrein“; OLG Hamburg 23.1.2003 – 5 U 176/02 – GRUR-RR 2003, 249, 251 – „orgelndes“ Auto; OLG Hamburg 19.8.1999 – 3 U 61/99 – NJWE-WettbR 2, 57, 58; OLG Karlsruhe 14.11.2001 – 6 U 52/01 – GRUR 2002, 909 – Geburtstagsgutschein; OLG Oldenburg 28.11.2002 – 1 U 107/02 – NJOZ 2003, 130, 130 f.; OLG Oldenburg 23.10.2003 – 1 U 63/03 – GRUR-RR 2004, 209, 210 – Mittelmeerkreuzfahrt; OLG Saarbrücken 24.3.2004 – 1 U 549/03 – WRP 2004, 785 = GRUR-RR 2004, 366, 367 – Parfümerie-Schriftzug; OLG Zweibrücken 16.5.2002 – 4 U 162/01 – GRUR-RR 2003, 13 – Cockpitspray; LG Berlin 24.4.2001 – 15 O 391/00 – NJW-RR 2001, 1643, 1644; LG Berlin 20.2.2001 – 15 O 519/00 – NJW-RR 2001, 1719, 1720; LG Essen 20.6.2002 – 43 O 50/02 – MMR 2003, 343; LG Frankfurt a.M. 18.4.2001 – 3/8 O 165/00 – GRUR-RR 2002, 80, 81 – Tipp-Ex Rapid; LG Karlsruhe 12.3.2002 – 13 O 179/01 – NJOZ 2002, 2009, 2011; LG Memmingen 5.4.2000 – 2 H O 269/00 – NJWE-WettbR 2000, 261. – Zu § 7 UWG LG Duisburg 19.2.2003 – 25 O 3/03 – NJOZ 2003, 1803, 1804 f. = GRUR-RR 2003, 292 (Ls.). 1487 Vgl. OLG Frankfurt 1.7.2004 – 6 U 126/03 – GRUR-RR 2004, 359, 361 – Markenparfüm; OLG München 27.3.2003 – 29 U 4292/00 – NJW 2003, 1534, 1536; OLG München 10.4.2003 – 29 U 1883/03 – MMR 2003, 533, 534. 1488 Vgl. OLG Düsseldorf 25.11.2002 – 13 U 62/02 – MMR 2003, 177, 178; OLG Hamburg 14.12.2000 – 3 U 115/00 – GRUR 2001, 838, 840 – 1001buecher.de; OLG Hamburg 13.12.2001 – 3 U 168/01 – GRUR-RR 2002, 231 – Tigertom; OLG Jena 18.9.2002 – 2 U 244/02 – GRUR-RR 2003, 77, 78 – Halberstädter Art; OLG Köln 19.1.2001 – 6 U 119/00 – GRUR 2002, 264, 267 – Dona/Progona; OLG Köln 13.9.2002 – 6 U 58/02 – GRUR -RR 2003, 71 – Fiorini; OLG München 26.7.2001 – 29 U 2361/97 – GRUR-RR 2001, 303, 304 – DreiStreifen-Kennzeichnung; OLG Nürnberg 31.12.2002 – 3 U 904/00 – GRUR-RR 2003, 206, 207 – FrühstücksDrink. 1489 EuGH 12.06. 2008 – C-533/06 – Slg. 2008, I-4231 = GRUR 2008, 698 Tz. 49 – O2 und O2 (UK)/H3G; Sack WRP 2013, 8, 16. 1490 Sack WRP 2013, 8, 10. 1491 BT-Drs. 14/5441, S. 7 f.; BT-Drs. 14/5594, S. 7 f. 1492 BT-Drs. 15/1487, S. 19. 1493 BGH 12.6.2001 – XI ZR 274/00 – BGHZ 148, 74 = MMR 2001, 806, 808 – „Befristung von Telefonkarten“. 1494 Vgl. etwa BGH 23.6.1993 – IV ZR 135/92 – BGHZ 123, 83, 85 = NJW 1993, 2369 f. m.w.N.; BGH 22.3.2000 – IV ZR 23/99 – NJW 2000, 2103, 2104; BGH 22.11.2000 – IV ZR 235/99 – NJW 2001, 1132, 1134; BGH 19.4.2001 – I ZR 283/98 – NJW 2001, 2406; BGH 8.5.2013 – IV ZR 84/12 – VersR 2013, 995 Tz. 10 ff. m.w.N. 1495 BGH 20.10.1999 – I ZR 167/97 – GRUR 2000, 619, 621 – Orient-Teppichmuster; BGH 19.4.2001 – I ZR 46/99 – GRUR 2002, 81, 83 – Anwalts- und Steuerkanzlei; BGH 17.5.2001 – I ZR 216/99 – BGHZ 148, 1 =
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hierbei nicht in Widerspruch zum unionsrechtlichen Verbraucherleitbild, sondern präzisiert dieses lediglich.1496 Bei geringwertigen Waren und Leistungen des täglichen Bedarfs und der ersten Durchsicht bloßen Werbematerials1497 ist nach diesen Entscheidungen die Aufmerksamkeit des Verbrauchers geringer als bei höherwertigen Waren und Dienstleistungen, die man nicht täglich braucht, also z.B. bei hochwertigen Orientteppichen oder Anwalts- und Steuerberaterdienstleistungen und ähnlichen Dingen.1498 Gleichwohl reicht es auch bei geringwertigen Waren und Leistungen grundsätzlich nicht mehr aus, dass einzelne flüchtige Verbraucher eine Aussage oder Angabe missverstehen können, wenn die Aussage insgesamt für den interessierten Verbraucher notwendige und klar verständliche Angaben enthält;1499 die notwendige Irreführungs- oder Beeinflussungsquote muss jedenfalls deutlich höher als 11% plus Sicherheitszuschlag liegen.1500 e) Stellungnahme. Das heutige Verbraucherleitbild des BGH stimmt letztlich mit 797 dem des EuGH überein,1501 sieht man einmal von Abweichungen im Einzelfall ab, die angesichts der Notwendigkeit einer Wertung im Einzelfall1502 kaum vermeidbar sind. Insbesondere verwendet der BGH häufig die korrekte Übersetzung der Ausführungen des EuGH und spricht vom durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbraucher.1503 Man sollte künftig – auch bei der Übersetzung der Entscheidungen des EuGH und von Richtlinien – diese zutreffende Übersetzung der Formel vom „Durchschnittsverbraucher“ wählen, die den Fassungen auch des Art. 2 b) Richtlinien-Entwurf in anderen Sprachen entspricht, und die in Deutschland bislang übliche verkürzte Wiedergabe vermeiden, die ihrerseits leicht irreführend ist. Es ist erstaunlich, dass dies in Deutschland erst spät erkannt worden ist.1504 In jüngster Zeit hat der EuGH ausgesprochen, die UGP-Richtlinie nehme den Durch- 798 schnittsverbraucher, der „angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch (...), unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren“ als Maßstab an.1505 Darin ist in der deutschen Literatur gleich eine „fundamentale Änderung des Verbraucherleitbildes“ gesehen worden, weil „von ‚Verständigkeit‘ des Durchschnittsverbrauchers ... nicht mehr die Rede“ sei.1506 Nachvollziehbar ist dies ange-
_____ GRUR 2001, 1061, 1063 – Mitwohnzentrale.de; BGH 13.3.2003 – I ZR 212/00 – GRUR 2003, 626, 627 – Umgekehrte Versteigerung II; s. bereits früher BGH 26.1.1962 – I ZR 84/60 – GRUR 1962, 411, 412 unter 2. – Watti; in der Sache anders dann OLG Celle 3.9.1969 – 13 U 172/69 – GRUR 1970, 473, 477 – Fertighäuser. 1496 Vgl. Bornkamm WRP 2000, 830, 384 f.; Helm, FS Tilmann, 2003, 135, 143 ff.; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 35. 1497 Dazu BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung; vgl. auch EuGH 22.6.1999 – C-342/97 – Slg. 1999, I-3819 = GRUR Int. 1999, 734 Tz. 26 – Lloyd Schuhfabrik Meyer. 1498 Vgl. BGH 2.10.2003 – I ZR 252/01 – GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung; BGH 11.12.2003 – I ZR 50/01 – GRUR 2004, 605, 606 – Dauertiefpreise. 1499 Vgl. BGH 19.9.1996 – I ZR 72/94 – GRUR 1997, 304, 305 f. – Energiekosten-Preisvergleich II; s.a. BGH 24.5.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisangabe; BGH 8.11.2001 – I ZR 139/99 – GRUR 2002, 627, 628 – Umgekehrte Versteigerung II. 1500 BGH 15.2.1996 – I ZR 9/94 – GRUR 1996, 910, 913 f. – Der meistverkaufte Europas. 1501 Immer noch zweifelnd Ulbrich WRP 2005, 940, 943 ff. m.w.N. 1502 Vgl. EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 = GRUR Int. 1998, 795 Tz. 30 ff. – Gut Springenheide. 1503 BGH 8.11.2001 – I ZR 139/99 – GRUR 2002, 627, 628 – Umgekehrte Versteigerung II. 1504 Vgl. Helm WRP 2005, 931, 933. 1505 EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – Slg. 2011, I-3903 = GRUR 2011, 930 Tz. 14 und 22 – Konsumentombudsmannen/Ving Sverige. 1506 Helm WRP 2013, 710, 714 f. (Rn. 10, 19).
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sichts der nur leicht geänderten und sehr ähnlichen Wortwahl kaum,1507 doch setzt sich damit ein Trend fort, der bereits einige Jahre zuvor zu beobachten war. Es liegt auf der Hand, dass zwischen dem „verständigen“ und dem „kritischen“ Durchschnittsverbraucher mutmaßlich kein echter Unterschied besteht,1508 zumal der Gerichtshof dabei selbst auf ein früheres Urteil1509 verweist und die darin enthaltene bislang übliche Formel auch im angeblich abweichenden Urteil wörtlich wiedergibt, ohne auf Unterschiede hinzuweisen.1510 Insbesondere ist die Wendung auch nicht wirklich neu, sondern bereits in Erwägungsgrund 18 der UGP-Richtlinie zu finden, wo sie in einen unmittelbaren Bezug zur Rechtsprechung des EuGH gesetzt wird. Letztlich handelt es sich bei der Abweichung im Wesentlichen um ein Problem der deutschen Sprachfassung eines EuGH-Urteils,1511 die angesichts der Vielschichtigkeit der in den verschiedenen sprachlichen Versionen verwendeten Begriffe nicht verwundert.1512 Letztlich ist der Begriff des informierten, aufmerksamen und kritischen Verbrauchers allerdings vorzugswürdig, weil zumindest der Verf. immer gewisse Probleme hatte, die Relevanz einer allgemeinen „Verständigkeit“ des Verbrauchers zu erkennen, und das Abstellen auf die Kritikfähigkeit den Kern des Anliegens eher treffen dürfte.1513 Der neueren Rechtsprechung des EuGH und des BGH ist zuzustimmen. Aufmerk799 samkeit und Verständnis des informierten, aufmerksamen und angemessen verständigen i.S.v. kritischen Durchschnittsverbrauchers hängen in starkem Maße von der jeweiligen Situation ab. So ist der Verbraucher im Zusammenhang mit Waren und Leistungen von höherem Wert und längerer Lebensdauer sicherlich grundsätzlich aufmerksamer und wird deshalb nicht so leicht in die Irre geführt, wie dies bei geringwertigen Waren und Leistungen des täglichen Lebens und der ersten Durchsicht von Werbematerial der Fall sein kann.1514 Die Gefahr der Irreführung kann sich auch aus der Werbung ergeben, so etwa, wenn die Werbung für einen Telefontarif plakativ den günstigsten Preis herausstellt, der nur zu bestimmten Zeiten gilt, und ihr die zu anderen Zeiten verlangten höheren Preise nicht zu entnehmen sind.1515 800 Diese differenzierte Betrachtungsweise stand noch nie in Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH, der schon lange deutlich darauf hingewiesen hat, dass es Sache der nationalen Gerichte ist, im Einzelfall zu beurteilen, wann der verständige und aufmerksame Verbraucher in die Irre geführt wird (s.o. Rn. 786). Daher ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die deutsche Rechtsprechung davon ausgeht, auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher könne bei einer bestimmten Art von Werbung leichter irregeführt werden.1516 Misslich ist freilich, dass der BGH dies in der
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1507 Ebenso i.E. Scherer WRP 2013, 977, 978 f. (Rn. 20 ff., 23, 2835 f.). 1508 Ebenso Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 36 mit der Gleichstellung: „Kritikfähigkeit (= Verständigkeit = Umsichtigkeit)“; ähnlich Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 1.54; Harte/Henning/Dreyer § 5 Rn. 34. 1509 EuGH 19.9.2006 – C-356/04 – Slg. 2006, I-8501 = GRUR 2007, 69 Tz. 78 – Lidl Belgium; EuGH 18.11.2010 – C-159/09 – Slg. 2010, I- 11761 = GRUR 2011, 159 Tz. 47 – Lidl/Vierzon Distribution. 1510 EuGH 12.5.2011 – C-122/10 – Slg. 2011, I-3903 = GRUR 2011, 930 Tz. 23 – Konsumentombudsmannen/Ving Sverige. 1511 Ebenso Scherer WRP 2013, 977, 978 (Rn. 23, 28) und letztlich auch Helm WRP 2013, 710, 715 (Rn. 20). 1512 Dazu näher Scherer WRP 2013, 977, 978 (Rn. 20 – 25). 1513 So zutreffend Scherer WRP 2013, 977, 978 (Rn. 28). 1514 Zutreffend BGH 20.10.1999 – I ZR 167/97 – GRUR 2000, 619, 621 – Orient-Teppichmuster; BGH 19.4.2001 – I ZR 46/99 – GRUR 2002, 81, 83 – Anwalts- und Steuerkanzlei; vgl. auch BGH 5.10.2000 – I ZR 210/98 – GRUR 2001, 258, 259 – Immobilienpreisangaben. 1515 OLG Schleswig 30.8.2000 – 4 U 158/98 – K&R 2000, 151 f. 1516 Vgl. BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung.
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Entscheidung Scanner-Werbung ausgerechnet in einem Fall angenommen hat, in dem damit beim besten Willen nicht zu rechnen war und den die Vorinstanz dementsprechend auch anders entschieden hatte: Neben der kaum zu übersehenden Angabe des Herstellers mit kleiner gedruckter Typenangabe war das Bild eines höherwertigen Konkurrenzprodukts eines anderen Herstellers abgedruckt. Zwar mag auch der aufmerksame Durchschnittsverbraucher bei Werbematerial zur Flüchtigkeit (also zur Unaufmerksamkeit) neigen und eine in einem zentralen Punkt objektiv unrichtige Werbung in hohem Maße zur Irreführung geeignet sein, wie der BGH in seinen beiden ersten Leitsätzen formuliert.1517 Doch ist die der Beurteilung im fraglichen Fall zugrundliegende Prämisse des BGH, der an einem Scannerkauf interessierte Werbeadressat identifiziere das abgebildete Modell sofort richtig und habe auch dessen zweieinhalb Mal höheren Preis im Kopf, fragwürdig. Zwar gibt es auch bei Flachbettscannern mittlerweile erkennbare Unterschiede im Design, doch mag man zweifeln, ob das abgebildete Modell wirklich so übermäßig prägnant war. Die prägenden Merkmale vermögen sich nur dem Verbraucher einzuprägen, der das fragliche Modell bereits intensiv betrachtet oder zumindest mehrfach Abbildungen davon gesehen und sich die Gestaltung dann auch noch gemerkt hat. Insofern hat die Gestaltung des abgebildeten Scanners zwar einen gewissen Wiedererkennungswert, der sich aber nur bei genauerem Hinsehen offenbart; insofern wäre es kaum anders, wenn es in concreto um ein Autoradio mit CD-Player oder eine Waschmaschine gegangen wäre – manche Geräte sehen nun einmal bei flüchtiger Betrachtung irgendwie gleich aus. Deshalb ist auch die Prämisse des BGH nicht mit der Annahme vereinbar, auch der Durchschnittsverbraucher begegne dem Werbeprospekt flüchtig. Selbst der wirklich flüchtige Betrachter wird beim Durchblättern eines Werbeprospekts kaum davon ausgehen, ein Modell erkannt zu haben, sondern er wird auf den ersten Blick allenfalls glauben, das Modell gesehen zu haben. Um sicher zu gehen, muss und wird er noch einmal hinschauen. Dann wird aber dem aufmerksamen und informierten Durchschnittsverbraucher der Widerspruch zwischen Abbildung und deutlich sichtbarer Herstellerangabe ohne weiteres auffallen, und er wird folglich der Herstellerangabe und den nachfolgenden Detailangaben entscheidenden Charakter zubilligen. Zudem geht der BGH auch davon aus, dass eine Irreführungsgefahr nur für den „besonders wichtigen Teil“ der Verbraucherschaft besteht, „der – ohne Fachmann zu sein – schon einmal einen Scanner erworben hat oder sich mit dem Gedanken eines solchen Erwerbs trägt und deswegen den verschiedenen auf dem Markt befindlichen Geräten mit genauerem Blick begegnet“.1518 Damit wirft der BGH zum einen zwei Verbrauchergruppen in einen Topf, die nicht vergleichbar sind – wer vor drei oder mehr Jahren einen Scanner gekauft hat, wird zumeist keinen Überblick über die aktuellen (ständig wechselnden) Geräte der Hersteller haben. Zum anderen beschreibt der BGH damit auch keinen durchschnittlich informierten, sondern einen überdurchschnittlich informierten Verbraucher, für den sich natürlich auch die Frage stellt, ob er vor Irreführungen zu schützen ist.1519 Und schließlich stellt sich die Frage, ob überhaupt ein hinreichender Anteil von Verbrauchern die vorausgesetzten Kenntnisse hat. Insofern war also der fragliche Sachverhalt denkbar ungeeignet, um der schon länger in obiter dicta geäußerten Annahme, auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher sei
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1517 BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung. 1518 BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung. 1519 Dafür Omsels GRUR 2005, 548, 552 f. unter krit. Auseinandersetzung mit BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft, wo allerdings auf S. 246 nichts Gegenteiliges behauptet wird.
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gelegentlich flüchtig, endlich ein praktisches Beispiel folgen zu lassen, in dem das bejaht wird. Gleichwohl ist der Auffassung des BGH im Grundsatz beizupflichten; das Irreführungsverbot als andere Form eines allgemeinen Täuschungsverbots muss in der Lage sein, Schutz vor „dreister Lüge“ zu gewähren. Dann sollte man das Täuschungsverbot aber als solches benennen und Ausführungen zum Verkehrsverständnis vermeiden. Gleichwohl bleibt eine ganz andere Frage, die vom Verbraucherleitbild unabhängig zu beachten ist. Denn nach dem in § 5 UWG umgesetzten, dessen Wortlaut aber in wichtigen Teilaspekten nicht abbildenden Art. 6 Abs. 1 UGP-Richtlinie gilt eine Geschäftspraxis, selbst wenn „sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist …“ nur dann als irreführend, wenn sie den Durchschnittsverbraucher „in jedem Fall tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte“. Für den Durchschnittsverbraucher dürfte das Aussehen eines Scanners eher von untergeordneter Natur sein. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass es aus mehreren Gründen zur Vermei801 dung einer irreführenden Rechtsprechung hilfreich wäre, von einer weiteren Verwendung der Formulierung vom „flüchtigen Verbraucher“ abzusehen. Zum einen erscheint es schon fast als Widerspruch in sich, den definitionsgemäß aufmerksamen Verbraucher als flüchtig zu bezeichnen, denn dies bedeutet nichts anderes, als dass er eben unaufmerksam ist. Zum anderen erweckt die Begrifflichkeit beim nicht durchschnittlich aufmerksamen Rechtsanwender den Eindruck, das alte Verbraucherleitbild sei entgegen dem Eindruck der letzten Jahre doch nicht ad acta gelegt. Schließlich bleiben natürlich immer noch ungeklärte Fragen hinsichtlich der Informiertheit, Aufmerksamkeit und angemessenen Verständigkeit des Durchschnittsverbrauchers.1520 Hierzu lassen sich gewisse Anhaltspunkte in der Rechtsprechung finden, die bei den Einzeltatbeständen des Lauterkeitsrechts eine Rolle spielen und dort im Bereich der Irreführung sicherlich das größte Maß an Ausprägung erfahren haben. 802
3. Die „Eigenschaften“ des Durchschnittsverbrauchers und ihre Feststellung. Abschließend ist noch auf die einzelnen „Eigenschaften“ einzugehen, die der durchschnittliche Adressat einer geschäftlichen Handlung aufweist, auf den es nach § 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 UWG bei der Beurteilung der Unlauterkeit ankommt. Dies ist im Regelfall nach § 3 Abs. 2 S. 2 UWG der Durchschnittsverbraucher bzw. der durchschnittliche Angehörige einer bestimmten Gruppe von Verbrauchern, wenn sich die geschäftliche Handlung nur an einen solchen Kreis wendet. Nach § 3 Abs. 2 S. 3 UWG ist schließlich auf das durchschnittliche Mitglied einer eindeutig identifizierbaren Gruppe besonders schutzbedürftiger Verbraucher abzustellen, wenn für den Unternehmer absehbar ist, dass seine Handlung nur die Interessen dieser Gruppe beeinträchtigen kann.
803
a) Durchschnittlich informierter Verbraucher. Bei der Beurteilung geschäftlicher Handlungen ist auf den „durchschnittlich“, „normal“ oder „angemessen gut“ informierten Verbraucher bzw. Angehörigen der relevanten Verbrauchergruppe (§ 3 Abs. 2 S. 2 und 3 UWG) abzustellen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass an sich jeder Verbraucher einen unterschiedlichen Informationsstand haben wird. Der durchschnittliche Informationsstand ist für den Unternehmer bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern wichtig1521 und beeinflusst die fachliche Sorgfalt i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 i.V.m.
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1520 1521
Vgl. dazu etwa Omsels GRUR 2005, 548, 549 ff.; Ulbrich WRP 2005, 940, 948 ff. Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 26 im Anschluss an Lettl S. 93.
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§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG bzw. die Frage der Irreführungseignung.1522 Der relevante Durchschnittsverbraucher hat einen Wissensstand, der gewissermaßen dem Üblichen entspricht, während bei spezielleren Gruppen von Adressaten geschäftlicher Handlungen auch ein höheres oder niedrigeres Kenntnisniveau vorauszusetzen sein kann. Außerdem beeinflusst die Art des Produkts bzw. der Dienstleistung den durchschnittlichen Wissensstand, worauf die betriebswirtschaftliche Unterscheidung zwischen sog. Erfahrungs-, Such- und Vertrauensgütern abstellt.1523 So soll der Durchschnittsverbraucher wissen, dass die Angabe „naturrein“ bei Erdbeerkonfitüre nicht eine Freiheit von jeglichem Schadstoff, insbesondere von Cadmium- und Bleirückständen, bedeuten kann, weil diese Stoffe infolge der Verschmutzung von Luft und Wasser in der natürlichen Umwelt vorhanden sind.1524 Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher ist in der Lage, sich ggf. selbst mit den 804 notwendigen Informationen zu versorgen.1525 Er weiß beispielsweise, dass auf Produkten oftmals nähere Angaben über ihre Zusammensetzung, ihren Hersteller und seinen Sitz usw. zu finden sind.1526 Gleichwohl kann es auch vorkommen, dass er sich über einen Gesichtspunkt eines Angebots keine Gedanken macht, weil sie sich ihm nicht aufdrängen; in einer solchen Situation spielt das Gebot des § 5a Abs. 2 UWG eine erhebliche Rolle, dem Verbraucher alle für seine geschäftliche Entscheidung wesentlichen Informationen auch unaufgefordert zur Verfügung zu stellen.1527 Grundsätzlich kennt der Verbraucher aber im Telekommunikationsbereich Möglichkeiten wie das Telefonieren Callby-Call oder über eine Preselection und die Unterschiede zwischen beidem,1528 ebenso wohl im Mobilbereich den Unterschied zwischen Pre- und Post-Paid-Verträgen. Bucht der Durchschnittsverbraucher auf der internationalen Website einer ausländischen Fluggesellschaft einen Auslandsflug in deutscher Sprache, erscheint es jedoch zweifelhaft, ob ihm wirklich klar ist, dass die AGB des Anbieters die Anwendung ausländischen Rechts vorsehen; dies liegt bei einem Juristen nahe, aber nicht beim maßgeblichen Durchschnittsverbraucher, der über solche Kenntnisse nicht verfügt. 1529 Der Durchschnittsverbraucher ist ferner lernfähig; so hat er sich im Laufe der Jahre z.B. an das Internet und die dort üblichen Domainbezeichnungen gewöhnt und weiß daher inzwischen, dass jede Bezeichnung nur einmal vergeben werden kann und Unterscheidungsmerkmale wie geographische Zusätze in Domainnamen nicht ohne weiteres als Alleinstellungsbehauptung zu verstehen sind.1530
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1522 Vgl. etwa EuGH 4.4.2000 – Rs. C-465/98 – Slg. 2000, I-2297 = WRP 2000, 489 Tz. 20 ff. – Darbo/naturrein; EuGH 23.1.2003 – C-421/00 (u.a.) – Slg. 2003, I-1065 = GRUR Int. 2003, 540 Tz. 44 – Sterbenz und Haug. 1523 Dazu Beater Rn. 1189 ff., 1403 ff. m.w.N. 1524 EuGH 4.4.2000 – Rs. C-465/98 – Slg. 2000, I-2297 = WRP 2000, 489 Tz. 25 ff. – Darbo/naturrein. 1525 Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 34 a.E. ordnet dies erst der Verständigkeit zu, was aber nicht überzeugt, da dieser Aspekt die Verwertung der Informationen betrifft. Indes kann es sein, dass der Umgang mit vorhandenen Informationen das Bedürfnis nach weiteren Details weckt, sodass eine gewisse Wechselwirkung besteht. 1526 Vgl. etwa BGH 19.9.2001 – I ZR 54/96 – GRUR 2002, 160, 162 – Warsteiner III (zu Informationen auf Etiketten auf Bierflaschen). 1527 Dazu BGH 9.2.2012 − I ZR 178/10 – GRUR 2012, 943 Tz. 13 f. – Call-by-Call. 1528 BGH 20.12.2007 – I ZR 51/05 – GRUR 2008, 729 Tz. 16 – Werbung für Telefondienstleistungen; BGH 20.1.2011 – I ZR 28/09 – GRUR 2011, 846 Tz. 23 – Kein Telekom-Anschluss nötig; BGH 9.2.2012 − I ZR 178/10 – GRUR 2012, 943 Tz. 13 f. – Call-by-Call. 1529 A.A. KG 7.5.2013 – 5 U 32/12 – WRP 2013, 1058, 1059 (Rn. 14 ff.) – Online-Kontaktformular, m. Anm. Deutsch GRUR-Prax 2013, 320. – Eine andere Frage wäre, ob das wettbewerbliche Relevanz besitzt. 1530 LG Ulm 7.9.2012 – 10 O 71/12 KfH – ITRB 2013, 106.
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Fritzsche
§2
Definitionen
805
b) Situationsadäquate Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit, mit welcher der Verbraucher auf geschäftliche Handlungen des Unternehmers reagiert, ist für die Beurteilung der Gefahr einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG ebenfalls von erheblicher Bedeutung. Es geht hier um die Frage, in welchem Ausmaß der Verbraucher ihm dargebotene Informationen über Waren oder Dienstleistungen und sonstige Umstände des Angebots wahrnimmt, um sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung zu berücksichtigen.1531 Dabei ist davon auszugehen, dass der Verbraucher die ihm zur Verfügung gestellten Informationen – z.B. in einer Werbung, auf einer Verpackung usw. – auch tatsächlich wahrnimmt und bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigt.1532 Nimmt der Verbraucher die ihm angebotenen Informationen nicht zur Kenntnis oder berücksichtigt er sie aus Desinteresse, Zeitnot oder anderen Gründen bei seiner geschäftlichen Entscheidung nicht, spielt dies keine Rolle; dem Verbraucher wird also ein Mindestmaß an Selbstverantwortung nicht abgenommen.1533 Bei der Aufnahme von Informationen darf der Unternehmer von einer „angemesse806 nen“ Aufmerksamkeit ausgehen, die der jeweiligen Situation entspricht. Deshalb spricht man auch vom situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher,1534 um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass selbst der vernünftigste Verbraucher nicht stets das gleiche Maß an Aufmerksamkeit an den Tag legt. Mit dieser Aufmerksamkeit versteht der Verbraucher beispielsweise gebräuchliche Abkürzungen bei Nährwertangaben auf Lebensmitteln.1535 Er nimmt auch die Angaben über Inhaltsstoffe wahr;1536 ist z.B. angegeben, dass eine Konfitüre ein Geliermittel enthält, nimmt der Verbraucher dies zur Kenntnis und weiß die Angabe „naturrein“ dahin einzuordnen, dass sie sich auf die sonstigen Zutaten beschränkt.1537 Bei Angaben über kosmetische und ähnliche Produkte liegen die Dinge allerdings anders, da hier oft lateinische oder latinisierte englische Begriffe und chemische Bezeichnungen Verwendung finden, die der Durchschnittsverbraucher – zumindest ohne Recherche im Internet, die ihm aber selbst heute beim Kauf im Geschäft nicht zumutbar ist – nicht versteht.1538 Beim Angebot eines subventionierten Mobiltelefons in Verbindung mit einem Netzkartenvertrag ist dem Verbraucher bewusst, dass beides eine funktionelle Einheit bildet und dass ein besonders günstiger Preis für das Gerät in der Regel über die Grundgebühren und Nutzungsentgelte mitfinanziert werden wird.1539 Im Übrigen nimmt der Verbraucher sogar Informationen in einer Fremdsprache jedenfalls dann wahr und ordnet sie grundsätzlich richtig ein, wenn die Sprache für ihn
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1531 Lettl S. 93; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 27. 1532 Vgl. etwa BGH 19.9.2001 – I ZR 54/96 – GRUR 2002, 160, 162 – Warsteiner III (zu Informationen auf Etiketten auf Bierflaschen). 1533 Köhler GRUR 2001, 1067, 1069. 1534 Seit BGH 20.10.1999 – I ZR 167/97 – GRUR 2000, 619, 621 – Orient-Teppichmuster; BGH 19.4.2001 – I ZR 46/99 – GRUR 2002, 81, 83 – Anwalts- und Steuerkanzlei; BGH 3.5.2001 – I ZR 318/98 – GRUR 2002, 182, 183 – Das Beste jeden Morgen; BGH 17.5.2001 – I ZR 216/99 – BGHZ 148, 1 = GRUR 2001, 1061, 1063 – Mitwohnzentrale.de; BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe; BGH 28.11.2002 – I ZR 110/00 – GRUR 2003, 249 – Preis ohne Monitor; BGH 13.3.2003 – I ZR 212/00 – GRUR 2003, 626, 627 – Umgekehrte Versteigerung II; BGH 2.10.2003 – I ZR 252/01 – GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung; BGH 11.12.2003 – I ZR 50/01 – GRUR 2004, 605, 606 – Dauertiefpreise; ferner die in den nachfolgenden Fußnoten zitierte Rechtsprechung. 1535 BGH 22.11.2012 – I ZR 72/11 – GRUR 2013, 739 Tz. 21, 28 – Barilla. 1536 EuGH 4.4.2000 – Rs. C-465/98 – Slg. 2000, I-2297 = WRP 2000, 489 Tz. 22 – Darbo/naturrein. 1537 EuGH 4.4.2000 – Rs. C-465/98 – Slg. 2000, I-2297 = WRP 2000, 489 Tz. 22 – Darbo/naturrein. 1538 LG Hamburg 21.12.2012 – 312 O 96/12 – WRP 2013, 543, 548 f. – Pure & Natural. 1539 BGH 8.10.1998 – I ZR 7/97 – GRUR 1999, 261, 263 – Handy-Endpreis.
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Verbraucherbegriff
§2
leicht verständlich oder seine Unterrichtung durch andere Maßnahmen gewährleistet ist.1540 Bei italienischen Angaben soll dies aber nach Ansicht des BGH – trotz der Beliebtheit italienischer Nahrungsmittel – nicht der Fall sein,1541 so dass wohl letztlich nur englische Angaben als verständlich gelten dürften, da sie sehr verbreitet sind. Der situationsadäquat aufmerksame Verbraucher erkennt bei einem Gewinnspiel in 807 einer Zeitung oder Zeitschrift, dass es sich dabei um eine Form von Eigenwerbung der Zeitung bzw. Zeitschrift handelt.1542 Bei der Wahrnehmung von Werbung ist der Verbraucher im Regelfall weniger aufmerksam (s. bereits oben Rn. 796 m.w.N.) als beim Kauf insbesondere von teureren Produkten1543 oder der Entscheidung für eine bedeutsame Dienstleistung.1544 Bei einer Anzeige, die eine Lieferung innerhalb von 24 Stunden im Versandhandel verspricht, berücksichtigt der aufmerksame Verbraucher, dass dies eine Bestellung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tag voraussetzen wird, sodass entsprechende Einschränkungen zulässig sind. 1545 Insbesondere bei der Behauptung einer Marktführerschaft in Anzeigen wird sich der Verbraucher keine allzu vertieften Gedanken über den näheren Sinngehalt machen und eine für ihn naheliegende Auslegung wählen, die aber oft unterschiedlich ausfallen kann.1546 Dennoch bemerkt er, dass die Anzeige eines „Mietwagen“-Unternehmens nicht von einem Taxiunternehmen ausgehen wird1547 und dass das Angebot eines Gebrauchtfahrzeugs in einer falschen Suchrubrik erfolgt ist, wenn dies aufgrund von Rubrik und Fahrzeugtyp ohne weiteres erkennbar ist.1548 c) Angemessen verständiger bzw. kritischer Verbraucher. In die Beurteilung ist 808 ferner einzubeziehen, wie der Durchschnittsverbraucher mit den für ihn verständlichen Informationen bei einer geschäftlichen Entscheidung (i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG bzw. Art. 5 Abs. 2 lit. b) i.V.m. Art. 2 lit. k) UGP-Richtlinie) umgeht. Diesem Aspekt ist das Attribut „verständig“ oder neuerdings auch „kritisch“ zugedacht, dem also die Aufgabe zukommt, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob und wie der Verbraucher die ihm gegebenen Informationen in der konkreten Situation würdigt, also ob er insbesondere Vor- und Nachteile eines Angebots sachgerecht abwägt.1549 Dies hängt in starkem Maße von der konkreten Situation, in welcher der Verbraucher sich befindet, und der wirtschaftlichen Bedeutung seiner geschäftlichen Entscheidung ab. Allerdings umfasst die Verständigkeit auch die Bereitschaft des Verbrauchers, bei neu auf den Markt kommenden Produkten zu lernen und umzudenken.1550
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1540 EuGH 18.6.1991 – Rs. C-369/89 – Slg. 1991, I-2971 = EuZW 1992, 701 Tz. 31 – Piageme I; EuGH 12.10.1995 – C-85/94 – Slg. 1995, I-2955 = EuZW 1996, 14 Tz. 31 – Piageme II; EuGH 12.9.2000 – Rs. C-366/98 – Slg. 2000, I-6579 = EuZW 2001, 16 Tz. 23, 28 – Geffroy; BGH 22.11.2012 – I ZR 72/11 – GRUR 2013, 739 Tz. 29 – Barilla. 1541 BGH 22.11.2012 – I ZR 72/11 – GRUR 2013, 739 Tz. 22, 23, 28 – Barilla. 1542 BGH 31.10.2012 – I ZR 205/11 – GRUR 2013, 644 Tz.. 17 m.w.N. – Preisrätselgewinnauslobung V. 1543 S. etwa BGH 13.3.2003 – I ZR 212/00 – GRUR 2003, 626, 627 – Umgekehrte Versteigerung II; BGH 17.3.2011 – I ZR 170/08 – GRUR 2011, 1050 Tz. 24 m.w.N. – Ford-Vertragspartner; BGH 6.10.2011 – I ZR 42/10 – GRUR 2012, 286 Tz. 20 – Falsche Suchrubrik. 1544 BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10 – GRUR 2012, 184 Tz. 19 ff., 29 – Branchenbuch Berg, m. Anm. Heil; BGH 9.6.2011 – I ZR 113/10 – GRUR 2012, 215 Tz. 14 ff., 16 – Zertifizierter Testamentsvollstrecker. 1545 BGH 12.5.2011 – I ZR 119/10 – GRUR 2012, 81 Tz. 12 ff. – Innerhalb 24 Stunden. 1546 BGH 8.3.2012 – I ZR 202/10 – GRUR 2012, 1053 Tz. 19 ff. m.w.N. – Marktführer Sport. 1547 BGH 24.11.2011 – I ZR 154/10 – GRUR 2012, 645 Tz. 13 f. – Mietwagenwerbung. 1548 BGH 6.10.2011 – I ZR 42/10 – GRUR 2012, 286 Tz. 20 ff. – Falsche Suchrubrik. 1549 Lettl S. 93. 1550 EuGH 12.3.1987 – 178/84 – Slg. 1987, 1227 = GRUR 1987, 245 Tz. 32 – Reinheitsgebot; EuGH 19.4.2007 – C-381/05 – Slg. 2007, I-3115 = GRUR 2007, 511 Tz. 37 ff. – de Landtsheer; Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 28; Steindorff WRP 1993, 139, 147.
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§2
Definitionen
809
Wird ein kosmetisches oder ähnliches Produkt mit einer Bezeichnung beworben oder unter ihr vertrieben, die eine besondere Natürlichkeit suggeriert, so wird der Durchschnittsverbraucher aus diesem Umstand darauf schließen, das Produkt habe eine entsprechende Zusammensetzung, mag man dies bei solchen Produkten auch generell in Zweifel ziehen können.1551 Trägt ein Schokoladenriegel den Aufdruck „+ 10%“, der flächenmäßig größer ist als die Mengensteigerung, vermag der „verständige“ Verbraucher zwischen der Größe eines solchen Werbeaufdrucks und dem Ausmaß der tatsächlichen Inhaltssteigerung zu unterscheiden, ohne einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen beidem herzustellen.1552 Bei Lebensmitteln und Getränken hat der relevante Verbraucher ein Erfahrungswissen gesammelt, dass hier häufig Begriffe wie „bio“ oder „natürlich“ Verwendung finden, ohne dass ihm die Existenz und der genaue Inhalt von Voraussetzungen für den Gebrauch dieser Bezeichnungen bekannt wären; deshalb geht er davon aus, dass hier jedenfalls weniger Schadstoffe als üblich vorhanden sind, auch wenn es keine gesetzliche Regelung geben sollte.1553 Bei der Kennzeichnung von Werbung als solcher geht der Verbraucher davon aus, dass er diese ohne nähere inhaltlich-analysierende Betrachtung mehr oder weniger auf den ersten Blick wird erkennen können.1554 Werden bei einem homöopathischen Arzneimittel sechs Wirkstoffe mit ihren Anwendungsgebieten genannt, so wird der verständige Verbraucher daraus ableiten, damit auch den Anwendungsbereich des Kombinationsarzneimittels selbst zu kennen.1555 Insbesondere zu Versicherungsbedingungen und sonstigen AGB hat der BGH judi810 ziert, dass das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers dann nicht maßgeblich ist, wenn vom Unternehmer verwendete Begriffe einen davon abweichenden, klar definierten juristischen Bedeutungsgehalt aufweisen.1556 Ist dies nicht der Fall, kommt es auf das allgemein übliche Verständnis an, das die Allgemeinheit bzw. ein redlicher Vertragspartner davon hat.1557 Lässt sich ein solches nicht feststellen, muss der Unternehmer darüber ausklären, was er mit einem Begriff (wie z.B. „Effekten“) meint.1558 Dies Grundsätze wird man auf geschäftliche Handlungen aller Art übertragen können, wobei aber – wegen des Situationsbezugs – z.B. in einer allgemeinen Publikumswerbung natürlich weniger strenge Anforderungen gelten als in auf Anfrage übermittelten bzw. öffentlich zugänglich gemachten Informationsblättern bzw. Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 811
d) Durchschnittlich empfindlicher Verbraucher. Schließlich wird für den Bereich aggressiver Geschäftspraktiken, also insbesondere in Fällen der Belästigung, vorgeschlagen, als weiteres Kriterium die Empfindlichkeit des durchschnittlichen Verbrauchers zu verwenden:1559 Maßstab ist also weder ein besonders feinfühliger noch ein be-
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1551 LG Hamburg 21.12.2012 – 312 O 96/12 – WRP 2013, 543, 547 f. – Pure & Natural. 1552 EuGH 6.7.1995 – C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 = GRUR Int. 1995, 804 Tz. 24 – Mars. 1553 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Tz. 34 ff. – Biomineralwasser, m. Anm. Teplitzky. 1554 BGH 31.10.2012 – I ZR 205/11 – GRUR 2013, 644 Tz. 23 ff. – Preisrätselgewinnauslobung V. 1555 BGH 28.9.2011 – I ZR 96/10 – GRUR 2012, 647 Tz. 18 – INJECTIO. 1556 BGH 8.5.2013 – IV ZR 84/12 – VersR 2013, 995 Tz. 20 ff. m.w.N. 1557 BGH 18.7.2012 – VIII ZR 337/11 – NJW 2013, 291 Tz. 13 ff. m.w.N. – AGB in Stromlieferungsverträgen. 1558 BGH 8.5.2013 – IV ZR 84/12 – VersR 2013, 995 Tz. 23 ff. m.w.N. 1559 So Köhler/Bornkamm § 1 Rn. 37. – Der Sache nach ebenso BGH 22.4.2010 – I ZR 29/09 – GRUR 2010, 1113 Tz. 15 – Grabmalwerbung; BGH 3.3.2011 – I ZR 167/09 – GRUR 2011, 747 Tz. 17 – Kreditkartenübersendung; OLG München 17.1.2008 – 29 U 4576/07 – GRUR-RR 2008, 355, 356 m.w.N. – Friedhofswerbung; Fezer/Mankowski § 7 Rn. 61 m.w.N.
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Verbraucherbegriff
§2
sonders duldsam-unempfindlicher Verbraucher. Im Anwendungsbereich der UGPRichtlinie bleibt abzuwarten, ob der EuGH dies billigen wird; letztlich kann man sich die Frage stellen, inwiefern die klassischen Belästigungsfälle überhaupt in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.1560 e) Die Feststellung des Verständnisses des Durchschnittsverbrauchers. Das 812 Verständnis, welches der Durchschnittsverbraucher von einer geschäftlichen Handlung des Unternehmers gewinnt, ist für die Beurteilung der Unlauterkeit von zentraler Bedeutung. Dieses Verständnis ist nach h.M. als Tatsachenfrage anzusehen, nicht als Rechtsfrage,1561 sodass es grundsätzlich im Wege der Beweisaufnahme festzustellen ist. Dabei kann es sich allerdings nicht um eine offenkundige Tatsache i.S.v. § 291 ZPO handeln, weil die Verkehrsauffassung nicht offenkundig ist, sondern sich ihre Beurteilung auf Erfahrungswissen stützt, das im Wege des Zeugen- oder Sachverständigenbeweises festgestellt werden muss.1562 Jedoch kann der Richter, der den angesprochenen Verkehrskreisen angehört, also insbesondere selbst zwangsläufig auch Verbraucher ist, das Verkehrsverständnis mit Hilfe seines Erfahrungswissens selbst feststellen, was in den meisten Fällen eine Beweisaufnahme entbehrlich macht.1563 Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Leitbild vom sog. Durchschnittsverbraucher weder statisch1564 noch empirisch ist, sondern einen abstrakten Charakter hat. Davon geht der Sache nach auch Erwägungsgrund 18 der UGP-Richtlinie aus, in dem es am Ende heißt: „Die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden müssen sich bei der Beurteilung der Frage, wie der Durchschnittsverbraucher in einem gegebenen Fall typischerweise reagieren würde, auf ihre eigene Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlassen.“ Somit kann bei einer an die Allgemeinheit der Verbraucher gerichteten Maßnahme der Richter selbst ohne Beweisaufnahme darüber befinden, da er typischerweise ein Mitglied der angesprochenen Verkehrskreise ist.1565 Selbst wenn die Handlung sich an einen spezielleren Verbraucherkreis richtet, wird der Richter oftmals in der Lage sein, dessen Verkehrsauffassung auch ohne förmliche Beweiserhebung selbst zu ermitteln. Letztlich soll es hier um die Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens gehen.1566 Gleichwohl kann der Richter in Fällen, in denen er sich keine sichere Beurteilung 813 des maßgeblichen Verbraucherverständnisses zutraut, eine Verkehrsbefragung durchführen,1567 also im Wege des Sachverständigenbeweises ein demoskopisches Gutachten
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1560 Näher zum EU-rechtlichen Hintergrund von § 7 UWG Köhler WRP 2012, 1329, 1330 ff. und GRUR 2012, 1073, 1080 f. sowie knapper WRP 2013, 403, 409 f. 1561 Vgl. Sosnitza ZGE/IPJ Band 5 (2013), 176, 184 m.w.N. unter Hinweis auf die Divergenz zwischen Irreführung im Sinne des UWG und Verwechslungsgefahr im Sinne der §§ 14, 15 MarkenG. 1562 BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 253 f. m.w.N. = GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft. 1563 S. etwa BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 254 m.w.N. = GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft. 1564 Erwägungsgrund 18 Satz 5 der UGP-Richtlinie, Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 38. 1565 BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 255 = GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft; BGH 9.6.2011 – I ZR 113/10 – GRUR 2012, 215 Tz. 16 – Zertifizierter Testamentsvollstrecker; BGH 25.4.2012 – I ZR 105/10 – GRUR 2012, 1279 Tz. 25 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT; BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Tz. 32 – Biomineralwasser, m. Anm. Teplitzky. 1566 BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 255 = GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft; Sosnitza ZGE/IPJ Band 5 (2013), 176, 184 m.w.N. 1567 So EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657 = GRUR Int. 1998, 795 Tz. 32 – Gut Springenheide; dazu ausführlich Lettl S. 109 ff m.w.N.; ferner etwa BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 254 f. = GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 1.49 f.
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§3
Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
einholen.1568 Das kann auch dann erforderlich sein, wenn eine Werbung sich einerseits an Verbraucher und andererseits an speziellere Verkehrskreise wendet, sodass der Richter nicht allen betroffenen Verkehrskreisen angehört.1569 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen § 3 Generalklausel § 3
§3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen Peukert/Fritzsche (1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. (2) Geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Auf die Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds einer auf Grund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit besonders schutzbedürftigen und eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern ist abzustellen, wenn für den Unternehmer vorhersehbar ist, dass seine geschäftliche Handlung nur diese Gruppe betrifft. (3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig. Art. 5 Abs. 2 und 3 UGP-Richtlinie: (2) Eine Geschäftspraxis ist unlauter, wenn a) sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und b) sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. (3) 1 Geschäftspraktiken, die voraussichtlich in einer für den Gewerbetreibenden vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die aufgrund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese Praktiken oder die ihnen zugrunde liegenden Produkte besonders schutzbedürftig sind, werden aus der Perspektive eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe beurteilt. 2 Die übliche und rechtmäßige Werbepraxis, übertriebene Behauptungen oder nicht wörtlich zu nehmende Behauptungen aufzustellen, bleibt davon unberührt. Art. 2 UGP-Richtlinie: c) „Produkt“ jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, Rechte und Verpflichtungen; e) „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhalten des Verbrauchers“ die Anwendung einer Geschäftspraxis, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar
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1568 BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 255 = GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft; näher m.w.N. Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.1 ff. und § 12 Rn. 2.76 ff. 1569 Vgl. BGH 8.3.2012 – I ZR 202/10 – GRUR 2012, 1053 Tz. 28, 30 – Marktführer Sport; Ullmann GRUR 1991, 789, 794 f.
Peukert/Fritzsche
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Generalklausel
§3
zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte; k) „geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbraucher darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen;
Schrifttum Ahlfeld Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 30 EGV (1997); Ahrens Die Benetton-Rechtsprechung des BVerfG und die UWG-Fachgerichtsbarkeit, JZ 2004, 763; ders. Menschenwürde als Rechtsbegriff im Wettbewerbsrecht, FS Schricker (2005) 619; Ahrens/McGuire, Modellgesetz Geistiges Eigentum (2011); Alexander Bedarf § 5a UWG einer Korrektur? WRP 2013, 716; ders. Die Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinie 2005/29/EG bis zum Jahr 2012, WRP 2013, 17; ders. Die „Schwarze Liste“ der UGP-Richtlinie und ihre Umsetzung in Deutschland und Österreich, GRUR Int 2010, 1025; ders. Die Umsetzung von Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in Deutschland und Österreich, GRUR Int. 2012, 1; ders. Privatrechtliche Durchsetzung des Verbots von Verkäufen unter Einstandspreis, WRP 2010, 727; ders. Vertragsrecht und Lauterkeitsrecht unter dem Einfluss der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken – Zugleich Besprechung der Entscheidung EuGH, 15.3.2012 – C-453/10 – Pereničová und Perenič/SOS, WRP 2012, 515; Alt Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, ZAP Fach 16, 357, 363; Anders Subjektive Elemente des Sittenwidrigkeitsbegriffs des § 1 UWG (2000); Apostolopoulos Einige Gedanken zur Auslegung der nationalen Generalklausel im Hinblick auf eine Vollharmonisierung des europäischen Lauterkeitsrechts, WRP 2005, 152; ders. Neuere Entwicklungen im europäischen Lauterkeitsrecht: Problematische Aspekte und Vorschläge, WRP 2004, 841; Assmann/Brinkmann Die Gratisverteilung anzeigenfinanzierter Fachzeitschriften, NJW 1982, 312; Augenhofer Die Europäisierung des Kartell- und Lauterkeitsrechts (2009); Badura Persönlichkeitsrechtliche Schutzpflichten des Staates im Arbeitsrecht, FS Molitor (1988) 1; Ballmann Der Machtaspekt im UWG. Die Bedeutung der Macht eines Wettbewerbers für die Anwendung des § 1 UWG (1990); Bartenbach/Jung/Fock Aktuelles aus dem Wettbewerbsrecht. Das „neue“ UWG nach Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, Mitt. 2009, 99; Baudenbacher Machtbedingte Wettbewerbsstörungen als Unlauterkeitstatbestände, GRUR 1981, 19; Beater Allgemeinheitsinteressen und UWG, WRP 2012, 6; ders. Europäisches Recht gegen unlauteren Wettbewerb – Ansatzpunkte, Grundlagen, Entwicklung, Erforderlichkeit, ZEuP 2003, 11; ders. Nachahmen im Wettbewerb: eine rechtsvergleichende Untersuchung (1995); Behrens, Stand und Perspektiven des Schutzes Geistigen Eigentums in Europa (2004); Beier Hundert Jahre Pariser Verbandsübereinkunft. Ihre Rolle in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, GRUR Int. 1983, 339; Bergmann Richtlinienkonforme Auslegung im Unlauterkeitsrecht am Beispiel der Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG, FS Krämer (2009), 163; Berlit Das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: Von den guten Sitten zum unlauteren Verfälschen, WRP 2003, 563; ders. Die Zukunft des Preisausschreibens im Lichte der Entscheidung „Millionen-Chance II“, WRP 2011, 1225; Birk Corporate Responsibility, unternehmerische Selbstverpflichtungen und unlauterer Wettbewerb, GRUR 2011, 196; Böckenförde Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, 1529; Boesche Drum kopple, was sich (nicht) ewig bindet. Hohe Hürde der gemeinschaftsrechtlichen Unzulässigkeit von Kopplungsangeboten, WRP 2011, 1345; Boesche Über die Folgen der Vollharmonisierung und die vergebliche Rettung der Zugabeverbote, WRP 2009, 661; Böhler Wettbewerbsrechtliche Schranken für Werbemaßnahmen gegenüber Minderjährigen. Chancen und Risiken des absoluten Verbots in Nr. 28 Anhang UWG i.V.m. § 3 III UWG, WRP 2011, 827; ders. Wettbewerbsrechtliche Schranken für Werbemaßnahmen gegenüber Minderjährigen – Einfluss der UGP-RL auf die kinderschützenden Beispielstatbestände des § 4 UWG, WRP 2011, 1028; Böhm Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung (1933); v. Bogdandy Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. (2009); Borck Über aggressive Wertreklame. Versuch der Abgrenzung unterschiedlicher Unlauterkeitskriterien gegeneinander, WRP 1983, 311; ders. Vorläufige Anmerkungen zum „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)“ vom 3.7.2004, WRP 2004, 1440; ders. Wertreklame: Leistungs- oder Nichtleistungswettbewerb?, WRP 1976, 285; Bornkamm Irrungen, Wirrungen. Der Tatbestand der Irreführung durch
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§3
Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
Unterlassen, WRP 2012, 1; ders. Novelle zur Anpassung des UWG an europäische Vorgaben. Ist das UWG noch zu retten? BB-Magazin 2009 M 1; Böttner 80 Jahre „Gute Sitten“. Zum 80. Geburtstag des UWG, WRP 1989, 433; Braun Unlauterer Wettbewerb durch kommunale Gesellschaften, SächsVBl. 2009, 201; Brömmelmeyer Der Binnenmarkt als Leitstern der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2007, 295; Bultmann u.a. Study on the Feasibility of a General Legislative Framework on Fair Trading, Volume 3, abrufbar unter http://ec.europa.eu/consumers/rights/studies_reports_en.htm; Burmann Zum Problem der Sittenwidrigkeit im Wettbewerb, WRP 1972, 511; Bydlinski Die Suche nach der Mitte als Daueraufgabe der Privatrechtswissenschaft, AcP 204 (2004), 309; Callies/Ruffert EUV, AEUV das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta; Callmann Sittenwidrige Ausbeutung fremder Arbeit, GRUR 1928, 251; Canaris Grundrechte und Privatrecht – Eine Zwischenbilanz (1999); ders. Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 202; Coing Grundzüge der Rechtsphilosophie, 5. Aufl. (1993); Cottier/Véron Concise International and European IP Law (2008); Däubler Unternehmensrating – ein Rechtsproblem? BB 2003, 429; De Cristofaro Die zivilrechtlichen Folgen des Verstoßes gegen das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken: eine vergleichende Analyse der Lösungen der EU-Mitgliedstaaten, GRUR Int 2010, 1017; de Vrey Towards a European Unfair Competition Law (2006); Degenhart Staatspresse in der Informationsgesellschaft, AfP 2009, 207; Deichsel Verbraucherschutz im Lauterkeitsrecht in Skandinavien und Deutschland (2006); Dethloff Europäisierung des Wettbewerbsrechts (2001); Deutscher Werberat Jahrbuch, 2011; ders. Spruchpraxis (2009); Diederichsen Das Bundesverfassungsgericht als oberstes Zivilgericht – Ein Lehrstück der juristischen Methodenlehre, AcP 198 (1998), 171; Dohrn Die Generalklausel in Art. 5 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern – ihre Interpretation und Umsetzung, 2008; Dörinkel Leistungswettbewerb – Rechtsbegriff oder Schlagwort? DB 1967, 1883; Dorndorf, Schutz vor Herkunftstäuschung und Rufausbeutung: Zugleich zum Anwendungsbereich des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in Anbetracht des markenrechtlichen Schutzes (2005); R. Dreier Eigentum in rechtsphilosophischer Sicht, ARSP 72 (1987), 159; Drews Die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG (2010); Drexl Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998); ders. Mehr oder weniger Verbraucherschutz durch Europäisches Lauterkeitsrecht? in: Hilty/Henning-Bodewig Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009), 227; Dröge Lauterkeitsrechtliche Generalklauseln im Vergleich (2007); Droste Recht, Moral und Sitte im Wettbewerb, WRP 1964, 65; ders. Zum Begriff des „Sittenwidrigen“ im Wettbewerb, WRP 1965, 35; Dück Kriterien für eine geografisch korrekte Benutzung von „Made in Germany“, GRUR 2013, 576; Emmerich Der Wettbewerb der öffentlichen Hand, insbesondere das Problem der staatlichen Versorgungsmonopole (1971); Engels/Salomon Vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz: UWG-Reform 2004, WRP 2004, 32; Ennuschat Rechtsschutz privater Wettbewerber gegen kommunale Konkurrenz, WRP 2008, 883; Eppe Verbraucherschutz im UWG und BGB, WRP 2005, 808; Ernst/Seichter „Heimliche“ Online-Werbeformen, CR 2011, 62; Eser Verkauf unter Einstandspreis aus wettbewerbs- und kartellrechtlicher Sicht, BB 1985, 699; Fastrich Soziale Umverteilung durch Privatrecht, FS Canaris, Band II (2007) 1071; Fezer Das wettbewerbsrechtliche Vertragsauflösungsrecht in der UWG-Reform, WRP 2003, 127; ders. Der Dualismus der Lauterkeitsrechtsordnungen des b2c und des b2b-Geschäftsverkehrs im UWG, WRP 2009, 1163; ders. Diskriminierende Werbung – Das Menschenbild der Verfassung im Wettbewerbsrecht, JZ 1998, 265; ders. Eine Replik: Die Auslegung der UGP-RL vom UWG aus? WRP 2010, 677; ders. Modernisierung des deutschen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb auf der Grundlage einer Europäisierung des Wettbewerbsrechts, WRP 2001, 989; Fikentscher Das Verhältnis von Kartellrecht und Recht des unlauteren Wettbewerbs im deutschen und europäischen Recht, FS Hallstein (1966) 127; Freitag Der Leistungswettbewerb als rechtliche Denkfigur, Diss. Göttingen 1968; Friehe „Unclean hands“ und lauterer Wettbewerb, WRP 1987, 439; Fritze Der Einwand des Selbstwiderspruchs, insbesondere im Sinne der „unclean hands“ und das Allgemeininteresse im Wettbewerbsrecht, WRP 1966, 158; Fritzsche Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage (2000); Gamerith Der Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken – Möglichkeiten einer harmonischen Umsetzung, WRP 2005, 391; v. Gamm Verfassungs- und wettbewerbsrechtliche Grenzen des Wettbewerbs der öffentlichen Hand, WRP 1984, 303; Gärtner/Heil Kodifizierter Rechtsbruchtatbestand und Generalklausel. Zur Bedeutung des Marktbezugs im neuen UWG, WRP 2005, 20; Giese Die Bedeutung öffentlicher Interessen bei der Anwendung des § 1 UWG (1978); Gitbud Die rechtliche Behandlung der Preisunterbietung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und der Kartellgesetzgebung in der Schweiz und in Deutschland, Diss. München 1974; Glöckner Entwicklungslinien des Lauterkeitsrechts in: Hilty/Henning-Bodewig, Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 263; ders. Europäisches Lauterkeitsrecht (2006); ders. Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken, deutsches UWG oder die schwierige Umsetzung von europarechtlichen Generalklauseln,
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Generalklausel
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WRP 2004, 936; ders. Über die Schwierigkeit, Proteus zu beschreiben – die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Deutschland, GRUR 2013, 224; ders. Wettbewerbsbezogenes Verständnis der Unlauterkeit und Vorsprungserlangung durch Rechtsbruch, GRUR 2008, 960; Glöckner/HenningBodewig EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken: Was wird aus dem „neuen“ UWG? WRP 2005, 1311; v. Godin Über den Verstoß gegen die wettbewerbsrechtlichen guten Sitten, GRUR 1966, 127; Goldmann Lauterkeitsrechtlicher Schutz gegen mittelbare Verwechslungsgefahr? GRUR 2012, 857; Götting/Hetmank, Unlautere Leistungsübernahme durch Mitarbeiterabwerbung, WRP 2013, 421; Groner Der Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG zur Bestimmung der Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung (2008); Grote/Marauhn EMRK, GG: Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz (2006); Grundmann Privatautonomie im Binnenmarkt, JZ 2000, 1133; Haase Die unlautere Wettbewerbshandlung nach der UWG-Reform (2006); Haberkamm Wirklich nichts Neues? Das EUGH-Urteil Mediaprint und seine Implikationen für die UGP-Richtlinie, WRP 2011, 296; J. Hager Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373; Hammer die unentgeltliche Vergabe von Originalwaren, Diss. Mainz 1970; Handig Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in der EU (2006); v. Harder Der Einfluß der par condicio concurrentium auf die Bewertung im Wettbewerbsrecht, Diss. Hamburg 1968; Hartwig H.I.V. Positive II – zugleich Abschied vom Verbot „gefühlsbetonter Werbung“? WRP 2003, 582; ders. Meinungsfreiheit und lauterer Wettbewerb, GRUR 2003, 924; Heermann Die Erheblichkeitsschwelle i.S.d. § 3 UWG-E, GRUR 2004, 94; ders. Richtlinienkonforme Auslegung und Anwendung von § 4 Nr. 2 UWG, GRUR 2011, 781; Hefermehl Die Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel durch Rechtsprechung und Lehre, FS Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland Band II (1991) 897; ders. Grenzen des Lauterkeitsschutzes, GRUR Int. 1983, 507; Helm Die Bagatellklausel im neuen UWG, FS Bechtold (2006) 155; ders. Hohes Verbraucherschutzniveau. Zur Umsetzung der UGP-Richtlinie 2005/29/EG, WRP 2013, 710; Henning-Bodewig Der „ehrbare Kaufmann“, Corporate Social Responsibility und das Lauterkeitsrecht, WRP 2011, 1014; dies. UWG und Geschäftsethik, WRP 2010, 1094; dies. Das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, GRUR 2004, 713; dies. Der Schutzzweck des UWG und die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2013, 238; dies. Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken und UWG-Reform, GRUR Int. 2004, 183; Henning-Bodewig/Schricker Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht zum Grünbuch zum Verbraucherschutz in der EU KOM (2002) 531 endg., GRUR Int. 2002, 319; Hermes Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage? Das BVerfG zu Schutzpflicht und mittelbarer Drittwirkung der Berufsfreiheit, NJW 1990, 1764; Herresthal Die Regelungsdichte von (vollharmonisierenden) Richtlinie und die Konkretisierungskompetenz des EuGH in: Gsell/Herresthal, Vollharmonisierung im Privatrecht (2009) 113; Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudruck der 20. Aufl. (1999); Hirtz Der Rechtsbegriff „Gute Sitten“ in § 1 UWG, GRUR 1986, 110; ders. Die Relevanz der Marktmacht bei der Anwendung des UWG, GRUR 1980, 93; Hoeren Das neue UWG und dessen Auswirkungen auf den B2B-Bereich, WRP 2009, 789; Holtz Die AGB-Kontrolle im Wettbewerbsrecht (2010); Hösch Der Einfluss der Freiheit des Warenverkehrs (Art. 30 EWGV) auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs (1994); Ipsen Europäisches Gemeinschaftsrecht (1972); Isay Das Rechtsgut des Wettbewerbsrechtes (1933); Isensee Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates (1983); Isensee/Kirchhof Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 2. Aufl. (2001); v. Jagow Sind Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften lauterkeitsrechtlich immer relevant?, Festschrift Doepner (2008), 21; v. Jagow Auswirkungen der UWG-Reform 2008 auf die Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche im Gesundheitsbereich, GRUR 2010, 190; Jarass Charta der Grundrechte der Europäischen Union: unter Einbeziehung der vom EuGH entwickelten Grundrechte und der Grundrechtsregelungen der Verträge; Jenny Die Nachahmungsfreiheit (1997); Joerges Verbraucherschutz als Rechtsproblem (1981); Kant Die Metaphysik der Sitten, Erster Theil, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, 1797, in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften, Kants gesammelte Schriften, Bd. VI (1902/1910); Kaplan Das Interesse der Allgemeinheit bei der Konkretisierung der Generalklausel des § 3 UWG (2008); Keck Wettbewerbsverstöße durch Rechtsbruch, Diss. Regensburg (2005); Keilholz Die mißlungene Harmonisierung des Verbots der irreführenden Werbung in der EG und ihre Konsequenzen für die deutsche Rechtsprechung, GRUR Int. 1987, 390; Keßler „Marktordnung, Wettbewerb und Meinungsfreiheit“ – wettbewerbstheoretische und verfassungsrechtliche Aspekte des § 6e UWG, WRP 1987, 75; ders. Wettbewerbstheoretische Aspekte des Irreführungsverbotes – eine ökonomische und dogmengeschichtliche Analyse, WRP 1990, 73; Kessler/ Micklitz Das neue UWG – auf halbem Wege nach Europa, VuR 2009, 88; dies. Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Reform des UWG, 2003;
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Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
dies. Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern, BB 2005/49, BB-Spezial 13, 1; dies. Europäisches Lauterkeitsrecht, Dogmatische und ökonomische Aspekte einer Harmonisierung des Wettbewerbsverhaltensrechts im europäischen Binnenmarkt, GRUR Int. 2002, 885; Knöpfle Die marktbezogene Unlauterkeit (1983); Köhler „Fachliche Sorgfalt“ – Der weiße Fleck auf der Landkarte des UWG, WRP 2012, 22; ders. „Wettbewerbshandlung“ und „Geschäftspraktiken“, Zur richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs der Wettbewerbshandlung und seiner Definition im künftigen UWG, WRP 2007, 1393; ders. Das neue UWG, NJW 2004, 2121; ders. Der ergänzende Leistungsschutz: Plädoyer für eine gesetzliche Regelung, WRP 1999, 1075; ders. Der unlautere Wettbewerb (1914); ders. Die „Bagatellklausel“ in § 3 UWG, GRUR 2005, 1; ders. Die Ausstrahlung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auf die Tatbestände des § 4 UWG, WRP 2012, 638; ders. Die Beteiligung an fremden Wettbewerbsverstößen, WRP 1997, 897; ders. Die Durchsetzung des Vertragsrechts mit den Mitteln des Lauterkeitsrechts, FS Medicus (2009) 225; ders. Die Kopplung von Gewinnspielen an Umsatzgeschäfte: Wende in der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung, GRUR 2011, 478; ders. Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Deutschland – eine kritische Analyse, GRUR 2012, 1073; ders. Die Unlauterkeitstatbestände des § 4 UWG und ihre Auslegung im Lichte der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2008, 841; ders. Die UWG-Novelle 2008, WRP 2009, 109; ders. Die Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln: ein Fall für das UWG, GRUR 2010, 1047; ders. Ein Jahr nach der UWG-Reform – Der Einfluss der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auf das UWG, GRUR-Prax 2009, 47; ders. Grenzstreitigkeiten im UWG. Zum Anwendungsbereich der Verbotstatbestände des § 3 Abs. 1 UWG und des § 3 Abs. 2 S. 1 UWG, WRP 2010, 1293; ders. Konkurrentenklage gegen die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen? NJW 2008, 177; ders. Neujustierung des UWG am Beispiel der Verkaufsförderungsmaßnahmen, GRUR 2010, 761; ders. Richtlinienkonforme Gesetzgebung statt richtlinienkonforme Auslegung: Plädoyer für eine weitere UWG-Novelle, WRP 2012, 251; ders. Richtlinienumsetzung im UWG – eine unvollendete Aufgabe, WRP 2013, 403; ders. Unzulässige geschäftliche Handlungen bei Abschluss und Durchführung eines Vertrags, WRP 2009, 898; ders. Vom deutschen zum europäischen Lauterkeitsrecht – Folgen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken für die Praxis, NJW 2008, 3032; ders. Wettbewerbsverstoß und Vertragsnichtigkeit, JZ 2010, 767; ders. Zur Konkurrenz lauterkeitsrechtlicher und kartellrechtlicher Normen, WRP 2005, 645; ders. Zur richtlinienkonformen Auslegung und Neuregelung der „Bagatellklausel“ in § 3 UWG, WRP 2008, 10; ders. Zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2005, 793; Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig Stellungnahme zum Entwurf für eine europäische Richtlinie und ein deutsches Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, GRUR 2003, 127; dies. Vorschlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWGReform, WRP 2002, 1317; Köhler/Lettl Das geltende europäische Lauterkeitsrecht, der Vorschlag für eine EG Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und die UWG-Reform, WRP 2003, 1019; Kohte Verletzliche Verbraucher, VuR 2012, 338; König/Börner Erweiterter Minderjährigenschutz im rechtsgeschäftlichen Verkehr? – Gefahr körperlicher und seelischer Schäden als unverzichtbares Tatbestandsmerkmal des § 6 JMStV, MMR 2012, 215; Koos Europäischer Lauterkeitsmaßstab und globale Integration (1996); Kraft Gemeinschaftsschädliche Wirtschaftsstörungen als unlauterer Wettbewerb? GRUR 1980, 966; ders. Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht (1963); Kroeber-Riel/Gröppel-Klein Konsumentenverhalten, 10. Aufl. 2013; Kroitzsch Die Wettbewerbsregeln in kartell- und wettbewerbsrechtlicher Sicht, GRUR 1965, 12; ders. Wirtschaftspolitische Entscheidungen durch Wettbewerbsregeln oder durch die UWGRechtsprechung? BB 1977, 220; Kübler Zur Wettbewerbswidrigkeit von „Offertenblättern“, AfP 1988, 309; Kulka Der Entwurf eines „Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“, DB 2008, 1548; Kunze Der Behinderungswettbewerb, Diss. Heidelberg 1963; Kur Die „geschlechtsdiskriminierende Werbung“ im Recht der nordischen Länder, WRP 1995, 790–796; Lehmann Die Werbung mit Geschenken (1974); ders. Schutz des Leistungswettbewerbs und Verkauf unter Einstandspreis, GRUR 1979, 368; Leistner Behavioural Economics und Lauterkeitsrecht. Versuche einer Annäherung, ZGE 2009, 3; ders. Bestand und Entwicklungsperspektiven des Europäischen Lauterkeitsrechts, ZEuP 2009, 56; ders. Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007); Leistner/Stang Die Neuerung der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten – Ein Siegeszug der Prüfungspflichten?“ WRP 2008, 553; Lenz Unlauterer Wettbewerb und freier Warenverkehr in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, ZEuP 1994, 624; Lettl Das neue UWG (2004); ders. Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa (2004); Leweringhaus Mitbewerberschutz im Kontext der Absatzförderung, Diss. Köln (2008); Lindacher Lockvogel – und Sonderangebote: rechtliche Grenzen selektiver Niedrigpreisstellung (1979); Lindner EU-Grundrechtscharta – weniger Rechte für den Bürger? BayVBl. 2001, 523; Lobe Die Bekämpfung des Unlauteren Wettbe-
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werbs, I. Bd. (1907); Lochmann, Die Einräumung von Fernsehübertragungsrechte an Sportveranstaltungen (2005); Lorenz Die Wettbewerbswidrigkeit einer mangelhaften Anbieterkennzeichnung, WRP 2010, 1224; ders. Vertriebsfördermaßnahmen marktbeherrschender Unternehmen: Die Beurteilung nach Art. 82 EG, UWG und StGB, WRP 2005, 992; Luhmann Die Gesellschaft der Gesellschaft (1997); Lux Der Tatbestand der allgemeinen Marktbehinderung (2006); v. Mangoldt/Klein/Starck Kommentar zum Grundgesetz, Band I, Präambel, Art. 1–19, 6. Aufl. (2010); Mankowski Ist die Bagatellklausel des § 3 UWG bei belästigender Werbung (§ 7 UWG) zu beachten? WRP 2008, 15; Matern Absatzförderung auf nachgeordneten Vertriebsstufen – lauterkeitsrechtliche Bewertung von Verkaufswettbewerben in der Reisebranche, WRP 2008, 575; MayerMaly Das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit (1971); Mees Umdenken bei Anwendung des neuen UWG? Mitt. 2004, 534; Meessen Internationale Verhaltenskodizes und Sittenwidrigkeitsklauseln, NJW 1981, 1131; Meier Die Lauterkeit des Handelsverkehrs: Zur Einwirkung des Art. 30 EWGV auf Auslegung und Anwendung der Generalklauseln des deutschen Wettbewerbsrechts, GRUR Int. 1993, 219; ders. Verhaltensregeln der Wirtschaft und „Leistungswettbewerb“, WRP 1978, 514; ders. Zur Sicherung des Leistungswettbewerbs, BB 1977, 720; Merkel Zum Schutz des Leistungswettbewerbs durch die Gerichte, BB 1977, 705; Mestmäcker Die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln im Wettbewerbsrecht, NJW 1969, 1; ders. Die Interdependenz von Recht und Ökonomie in der Wettbewerbspolitik, in Monopolkommission, Zukunftsperspektiven der Wettbewerbspolitik (2005); Meyer-Cording Gute Sitten und ethischer Gehalt des Wettbewerbsrechtes – Grundsätzliches zu § 1 UWG, JZ 1964, 273; Micklitz Das Konzept der Lauterkeit in der Richtlinie 2005/29/EG, FS Bernd Stauder (2006) 297; Micklitz/Keßler Europäisches Lauterkeitsrecht – Dogmatische und ökonomische Aspekte einer Harmonisierung des Wettbewerbsverhaltensrechts im europäischen Binnenmarkt, GRUR Int. 2002, 885; Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz: Marktbeherrschung, unlauterer Wettbewerb und Sanierungsfusionen im Pressebereich (1978); Müller-Graff Ordnungspolitische Divergenzen und wettbewerbliche Lauterkeit in der Verfassung des Gemeinsamen Marktes, FS Carstens, Band I (1984) 209; Münker Das neue Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb – einige offene Rechtsfragen und Auswirkungen für die Reisebranche, RRa 2010, 67; Münker/Kaestner Das reformierte UWG im Überblick – die Sicht der Praxis, BB 2004, 1689; Nasall Lauterkeit und Sittlichkeit – Zivilrechtliche Konsequenzen unlauterer Wettbewerbshandlungen, NJW 2006, 127; Nastelski Schutz der Allgemeinheit im Wettbewerbsrecht, GRUR 1969, 323; Nemeczek Anmerkung zum Urteil des BGH vom 9.9.2010 (I ZR 157/08, GRUR 2011, 431) – Lauterkeitsrechtlicher Schutz im Fall des Verstoßes gegen Verbandskodex, GRUR 2011, 432; W. Nordemann Der verständige Durchschnittsgewerbetreibende – Zum Begriff der „guten Sitten“ in § 1 UWG, GRUR 1975, 625; Ochs Die kostenlose Verbreitung von Fachzeitschriften, WRP 1977, 454; Ohly Bausteine eines europäischen Lauterkeitsrechts, WRP 2008, 177; ders. Das neue UWG – Mehr Freiheit für den Wettbewerb?, GRUR 2004, 889; ders. Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs: ein Methodenvergleich des englischen und deutschen Rechts (1997); ders. The Freedom of Imitation and Its Limits – A European Perspective, IIC 2010, 506; Ophüls Grundzüge europäischer Wirtschaftsverfassung, ZHR 124 (1962), 136; Osterrieth Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs v. 27.5.1896 (1986); Ott Systemwandel im Wettbewerbsrecht, FS Raiser (1974) 403; Otto Allgemeininteressen im neuen UWG, (2007); Passauer Anzeigenblätter und ihre Auswirkungen im Wettbewerb – Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Aussagen zur kostenlosen Verteilung von Anzeigenblättern mit redaktionellem Textteil, Diss. Giessen 1976; Paulus/Wesche Rechtsetzung durch Rechtsprechung fachfremder Gerichte, GRUR 2012, 112; Peifer Die Zukunft subjektiver Kriterien im UWG – „Atemtest“ und objektives Marktverhaltensrecht, Mitt. (Mitteilungen d. deutschen Patentanwälte) 2007, 200; ders. Schutz ethischer Werte im Europäischen Lauterkeitsrecht oder rein wirtschaftliche Betrachtungsweise? in: Hilty/ Henning-Bodewig, Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 125; Petersen Die Gratisverteilung von Presseerzeugnissen, WRP 1979, 428; Peukert Änderung der Rechtsprechung zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung? Mitt. 2005, 73; ders. Die Gemeinfreiheit (2012); ders. Die Ziele des Primärrechts und ihre Bedeutung für das europäische Lauterkeitsrecht: Auflösungserscheinungen eines Rechtsgebiets? in: Hilty/Henning, Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 27; ders. Güterzuordnung als Rechtsprinzip (2008); ders. hartplatzhelden.de – Eine Nagelprobe für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz, WRP 2010, 316; Pflüger Reichweite internationalrechtlicher Vorgaben, in Hilty/HenningBodewig, Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire (2009) 65; Pietzcker Drittwirkung – Schutzpflicht – Eingriff, FS Dürig (1990) 346; Piper Zu den Auswirkungen des EG-Binnenmarktes auf das deutsche Recht gegen unlauteren Wettbewerb, WRP 1992, 685; Podszun Der „more economic approach“ im Lauterkeitsrecht, WRP 2009, 509; ders. Spezielle Wettbewerbsförderung durch Europäisches Lauterkeitsrecht: Plädoyer für ein allgemeines Europäisches Wettbewerbsrecht, in Hilty/Henning-Bodewig, Lauterkeitsrecht
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Peukert/Fritzsche
§3
Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
und Acquis Communautaire (2009) 151; Poppen Der Wettbewerb der öffentlichen Hand (2007); Radeideh Fair Trading in EC Law (2005); Raiser Grundgesetz und Privatrechtsordnung (1967); Reese Grenzüberschreitende Werbung in der Europäischen Gemeinschaft (1994); Reich Markt und Recht (1977); Reichold Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht, AcP Bd. 193, 1993, 204; Reuter Die ethischen Grundlagen des Privatrechts – formale Freiheitsethik oder materiale Verantwortungsethik? AcP Bd. 189, 1989, 199; Sachon Wettbewerbsrechtliche Probleme des Vertriebs von Freistücken auf dem Fachzeitschriftenmarkt, Diss. München 1980; Sachs Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. (2011); ders. Werbung für kosmetische Mittel mit Studien- und Fachveröffentlichungen, WRP 2010, 26; Sack § 1 UWG und Wirtschaftspolitik, WRP 1974, 247; ders. Das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender und die Moral als Bestimmungsfaktoren der guten Sitten, NJW 1985, 761; ders. Die lückenfüllende Funktion der Generalklausel des § 3 UWG, WRP 2005, 531; ders. Die lückenfüllende Funktion der Sittenwidrigkeitsklauseln, WRP 1985, 1; ders. Folgeverträge unlauteren Wettbewerbs, GRUR 2004, 625; ders. Individualschutz gegen unlauteren Wettbewerb, WRP 2009, 1330; ders. Regierungsentwurf einer UWG-Novelle – ausgewählte Probleme, BB 2003, 1073; ders. Schutzzweck des UWG und die Klagebefugnis des „unmittelbar Verletzten“, in: FS v. Gamm (1990) 161; ders. Unlauterer Wettbewerb und Folgevertrag – Die Auswirkungen unlauteren Wettbewerbs auf Vertragsabschlüsse, WRP 1974, 445; ders. Vergleichende Werbung und die Erheblichkeitsschwelle in § 3 des Regierungsentwurfs einer UWG-Novelle, WRP 2004, 30; Säcker Das UWG zwischen den Mühlsteinen europäischer Harmonisierung und grundrechtsgebotener Liberalisierung, WRP 2004, 1199; Scherer Die „Verbrauchergeneralklausel“ des § 3 II 1 UWG – eine überflüssige Norm, WRP 2010, 586; dies. Die „wesentliche Beeinflussung“ nach der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2008, 708; dies. Ende der Werbung in Massenmedien? – Überlegungen zu Art. 5 Abs. 3 RLUnlGP/§ 3 Abs. 1 Satz 2 UWG-RefE, WRP 2008, 563; dies. Erdrutsch im deutschen Lauterkeitsrecht – Europarechtswidrigkeit des § 4 Nr. 6 UWG, NJW 2010, 1849; dies. Verletzung der Menschenwürde durch Werbung, WRP 2007, 594; Schlemmer Die Europäisierung des UWG, (2005); Schlieper Der Anwendungsbereich der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel in § 3 Abs. 1 UWG (2010); Schluep Vom unlauteren zum freien Wettbewerb, GRUR Int. 1973, 446; Schlüter Ökonomische Funktion als Basis wettbewerbsrechtlicher Zulässigkeit (1992); Schmid Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung (2000); Schmidhuber Verhaltenskodizes im neuen UWG, Überlegungen zur Bedeutung für die lauterkeitsrechtliche Praxis in Deutschland, WRP 2010, 593; Schmidt Art. 30 EG-Vertrag als Grenze der Anwendbarkeit nationalen Wettbewerbsrechts (1999); ders. Unlauter und darüber hinaus … GRUR 2009, 353; Schmitt Verfassungslehre, 9. Aufl. (2003); Schmitt-Glaeser Anzeigenblatt und Pressefreiheit, NJW 1971, 2012; Schmitz Die Grundrechtecharta als Teil der Verfassung der Europäischen Union, EuR 2004, 691; Schneidinger Der Leistungsschutz unter besonderer Berücksichtigung der technischen Leistung (1977); Schork Objektive Theorie der Lauterkeit im Wettbewerbsrecht, FS Schricker (2005) 671; Schöttle Aus eins mach zwei – die neuen Generalklauseln im Lauterkeitsrecht, GRUR 2009, 546; Schricker Deutsches Rabattrecht – weltweit? – Bemerkungen zur Entscheidung des BGH vom 13. Mai 1977, GRUR 1977, 646; ders.Die Bekämpfung der irreführenden Werbung in den Mitgliedstaaten der EG, GRUR Int. 1990, 112; ders. Die europäische Angleichung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs – ein aussichtsloses Unterfangen? GRUR Int. 1990, 771; ders. Gesetzesverletzung und Sittenverstoß (1970); ders. Hundert Jahre Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – Licht und Schatten, GRUR Int 1996, 473; ders. Probleme der Europäischen Angleichung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs, FS Zweigert (1981) 537; ders. Wettbewerb der öffentlichen Hand im Strukturwandel (1990); ders. Wettbewerbsrechtliche Aspekte des Verbraucherschutzes, RabelsZ 40 (1976), 535; ders. Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb (1987); ders. Zur Werberechtspolitik der EG – Liberalisierung und Restriktion im Widerstreit, GRUR Int. 1992, 347; Schricker/Henning-Bodewig Elemente einer Harmonisierung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs in der Europäischen Union, WRP 2001, 1367; Schröer Der unmittelbare Leistungsschutz, Diss. Bayreuth 2009; Schünemann „Unlauterkeit“ in den Generalklauseln und Interessenabwägung nach neuem UWG, WRP 2004, 925; ders. Der Maßstab der guten Sitten für die wirtschaftende öffentliche Hand, WRP 2001, 466; ders. Generalklausel und Regelbeispiele, JZ 2005, 271; Schütz Nachahmungsgefahr und Unlauterkeit, WRP 1993, 168; Schwabe Grundrechte und Privatrecht, AcP Bd. 185, 1985, 1; Schwarze Europäisches Wirtschaftsrecht (2007); Schwintowski Konzept, Funktion und Entwicklung des deutschen und europäischen Wettbewerbsrechts, ZVglRWiss 92 (1993), 40; Schwipps Wechselwirkungen zwischen Lauterkeitsrecht und Kartellrecht, (2009); Seichter Umsetzungsbedarf der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2005, 1087; Sosnitza Das Koordinationssystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld zwischen Europa und Deutschland, GRUR 2003, 739; ders. Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2008, 1014; ders. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – Voll- oder
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Generalklausel
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Teilharmonisierung?, WRP 2006, 1; ders. Fake-werbung, GRUR 2010, 106; ders. Markenrecht und Verbraucherschutz – Verbraucherschutz im Markenrecht, ZGE/IPJ Band 5 (2013), 176; Sosnitza/Kostuch Telefonische Mitarbeiterabwerbung am Arbeitsplatz, WRP 2008, 166; Stang Das urheberrechtliche Werk nach Ablauf der Schutzfrist: Negative Schutzrechtsüberschneidung, Remonopolisierung und der Grundsatz der Gemeinfreiheit (2011); Steckenborn Verstoß gegen AGB als Wettbewerbsverletzungen, BB 2012, 2324; Steinbeck Der Atemtest und seine Auswirkungen, WRP 2005, 1351; ders.k Der Beispielskatalog des § 4 UWG – Bewährungsprobe bestanden, GRUR 2008, 848; Steindorff EG-Vertrag und Privatrecht (1996); ders. Unlauterer Wettbewerb im System des EG-Rechts, WRP 1993, 139; Teplitzky Die große Zäsur, GRUR 2004, 900; Tettinger/Stern Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta (2006); Tetzner Objektive Sittenwidrigkeit und Verschulden bei § 1 UWG, GRUR 1950, 130; Teubner Standards und Direktiven in Generalklauseln (1971); Thouvenin Funktionale Systematisierung von Wettbewerbsrecht (UWG) und Immaterialgüterrechten (2007); Tieben Die Einflussnahme der öffentlichen Hand auf den Wettbewerb, WRP 2011, 1101; Tilmann Das UWG und seine Generalklausel, GRUR 1991, 796; Timm-Wagner Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Deutschland, GRUR 2013, 245; Tüngler/Ruess In welchem Verhältnis stehen die Schutzvorschriften des AGB-Rechts zu den Bestimmungen des UWG? Eine Untersuchung am Beispiel von Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen, WRP 2009, 1336; Ullmann Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld von Europa und Deutschland, GRUR 2003, 817; Ullmann Die Verwarnung aus Schutzrechten – mehr als eine Meinungsäußerung? GRUR 2001, 1027; E. Ulmer Wandlungen und Aufgaben im Wettbewerbsrecht, GRUR 1937, 769; E. Ulmer/Beier Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Band I: Vergleichende Darstellung mit Vorschlägen zur Rechtsangleichung (1965); P. Ulmer Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen (1977); Unberath/Johnston The Double-Headed Approach of the European Court of Justice Concerning Consumer Protection, CML Rev. 2007, 1237; Veelken Gemeinschaftsrechtliche Einwirkungen im Recht des unlauteren Wettbewerbs, EWS 1993, 377; ders. Kundenfang gegenüber dem Verbraucher, WRP 2004, 1; Vogt Bedeutungsgehalt und Funktion der guten Sitten im Wettbewerbsrecht, NJW 1976, 729; Wadlow in Weatherill/Bernitz, The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29 (2007); Wassermeyer Schockierende Werbung, GRUR 2002, 126; Weber Einige Gedanken zur Konkretisierung von Generalklauseln durch Fallgruppen AcP 192 (1992), 516; Weihrauch, Der unmittelbare Leistungsschutz im UWG (2001); Weinand Europarecht und Recht gegen den unlauteren Wettbewerb (1998); Westermann Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in Europa, Diss. Münster (2009); Wiebe Die „guten Sitten“ im Wettbewerb – eine europäische Regelungsaufgabe?, WRP 2002, 283; Wiegand Die Passivlegitimation bei wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüchen (1997); Wuttke Die Bedeutung der Schutzzwecke für ein liberales Wettbewerbsrecht (UWG), WRP 2007, 119; Yankova/Hören Besondere Schutzbedürftigkeit von Senioren nach dem UWG? WRP 2011, 1236; Zabel Das Regelungskonzept des § 3 UWG und die lauterkeitsrechtliche Beurteilung von Gewährleistungsausschlüssen in Verbrauchsgüterkaufverträgen – Teil 1 und 2, VuR 2011, 403 und 449.
Gesetzgebungsmaterialien Vorläufiger Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abänderung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs v. 27. Mai 1896 mit Erläuterungen, MuW 1907/1908, 49 (zit.: Vorläufiger Entwurf UWG 1909) Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb v. 8.1.1909, XII. Legislaturperiode, 1. Session, Nr. 1109 der Anlagen (zit.: Entwurf UWG 1909) Bericht der VI. Reichstagskommission zur Vorberathung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 1896 (zit.: Bericht Reichstagskommission) Vorblatt und Erläuterungen zur Änderung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG-Novelle 2007, abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at/(zit.: Erläuterungen zur öUWG-Novelle 2007) Botschaft zu einem Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb, 18.5.1983, Bundesblatt 1983 II, 1009 (zit.: Botschaft CH-UWG) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG and 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), 18.6.2003, KOM (2003) 356 endgültig, 2003/0134 (COD) (zit.: Vorschlag UGPRL)
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Peukert/Fritzsche
§3
Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
Europäische Kommission Grünbuch, Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz v. 8.2.2007, KOM (2006) 744 final (zit.: EG-Kommission, Grünbuch Verbraucherschutz) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Produktpiraterie, 15.6.1989, BTDrucks. 11/4792 (zit.: RegE ProduktpiraterieG) Referentenentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, 23.1.2003, GRUR 2003, 298 (zit.: RefE UWG 2004) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 22.8.2003, BTDrucks. 15/1487 (zit.: RegE UWG 2004) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 15/1487 – Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 26.3.2004, BTDrucks. 15/2795 (zit.: Rechtsausschuss UWG 2004) Diskussionsentwurf, Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), BMJ, Referat III B 5, 8.5.2007 (zit.: DiskE UWG 2008) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, 20.8.2008, BTDrucks. 16/10145 (zit.: RegE UWG 2008) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen, 31.10.2008, BTDrucks. 16/10734 (zit.: RegE Telefonwerbung 2008)
A.
Übersicht Grundlagen zu § 3 ____ 1 I. Grundansatz und Aufbau der Kommentierung ____ 1 1. Die Komplexität des geltenden Lauterkeitsrechts ____ 1 2. Für eine positivistische Wende im Lauterkeitsrecht ____ 13 II. Entstehungsgeschichte des § 3 ____ 22 1. UWG 1896 und 1909 ____ 22 2. UWG 2004 ____ 25 3. UWG 2008 ____ 32 III. § 3 und die dogmatischen Grundlagen des Lauterkeitsrechts ____ 41 1. Der Grundsatz gleicher Wettbewerbsfreiheit ____ 41 2. Das Prinzip enumerativer Haftung: Nur unlauterer Wettbewerb ist verboten ____ 50 3. Sonderdeliktsrecht und Verhaltensunrecht ____ 56 a) Gemeinsamkeiten des allgemeinen Deliktsrechts und des UWG ____ 56 b) Unterschiede zwischen allgemeinem Deliktsrecht und UWG ____ 62 IV. Systematik des UWG und des § 3 UWG ____ 66 1. Das Verbot unzumutbarer Belästigungen gem. § 7 ____ 71 a) Abgrenzung von § 3 und § 7 ____ 71 b) Die abweichende Konzeption der UGPRL ____ 75
Peukert/Fritzsche
2. Stets unzulässige geschäftliche Handlungen gem. § 3 Abs. 3 UWG ____ 77 3. § 3 Abs. 2 als Umsetzung von Art. 5 Abs. 1–4 UGPRL ____ 81 a) Spezielle Bagatellklausel? ____ 83 b) Konkretisierung und Ergänzung des § 3 Abs. 1? ____ 86 c) § 3 Abs. 2 als Auffangtatbestand im Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 UGPRL? ____ 93 d) § 3 Abs. 2 als Umsetzung von Art. 5 Abs. 1–4 UGPRL ____ 104 e) Ergebnis: Das Verhältnis des § 3 Abs. 2 zu § 3 Abs. 1 ____ 109 4. Die Konkretisierungen der Unlauterkeit gem. §§ 4–6 ____ 116 a) §§ 4–6 und ihr Verhältnis zu § 7 ____ 116 b) §§ 4–6 und ihr Verhältnis zu § 3 Abs. 2 ____ 117 c) §§ 4–6 und ihr Verhältnis zu § 3 Abs. 1 ____ 118 aa) Grundsätze ____ 118 bb) Die Unlauterkeit vergleichender Werbung (§ 6 Abs. 2) ____ 121 cc) Irreführende geschäftliche Handlungen (§§ 5, 5a) ____ 123 dd) Weitere Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen gem. § 4 ____ 126 5. Zusammenfassung: Prüfungsaufbau bei Verstößen gegen das UWG ____ 133
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Generalklausel
V.
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Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 1 zu den Absätzen 3 und 2 ____ 137 1. Die Fragmentierung der Verbotstatbestände gem. § 3 ____ 137 a) Irrelevanz der Abgrenzung zwischen Abs. 1 und Abs. 2 aufgrund einheitlicher Verbotsmaßstäbe? ____ 137 b) Die Unterschiede zwischen § 3 Abs. 1 und Abs. 2 ____ 143 2. Geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern gem. § 3 Abs. 3 und 2 UWG ____ 148 a) Die streitgegenständliche geschäftliche Handlung als Ausgangspunkt ____ 148 b) Abgrenzung anhand der Beispieltatbestände des § 4? ____ 154 c) Geschäftspraktiken im Sinne der UGPRL ____ 160 aa) Geschäftspraktik gegenüber Verbrauchern ____ 163 bb) Der verbraucherschützende Zweck der verletzten Norm ____ 179 (1) Ausnahmen vom Harmonisierungsbereich der UGPRL ____ 180 (2) Lediglich wirtschaftliche Interessen von Mitbewerbern beeinträchtigt ____ 184 d) Erstreckung des Lauterkeitskonzepts der UGPRL auf weitere geschäftliche Handlungen ____ 196 aa) Nachfrageverhalten zur Ausübung unselbständiger beruflicher Tätigkeit ____ 198 bb) Nachfrageverhalten von Unternehmen gegenüber Verbrauchern (C2B) ____ 200 cc) Förderung fremden Wettbewerbs aus eigener Initiative ____ 205 dd) Weitergehende Erstreckung des Lauterkeitskonzepts der UGPRL? ____ 206 3. Ergebnis: Verbleibender Anwendungsbereich für § 3 Abs. 1 ____ 212
B.
§3
Sonstige unlautere geschäftliche Handlungen, § 3 Abs. 1 ____ 221 I. § 3 Abs. 1 als zweifach subsidiärer Auffangtatbestand ____ 221 1. Der überkommene Gedanke der Generalklausel ____ 221 2. Vorrang der Verbotstatbestände gem. §§ 7, 3 Abs. 3 und 2 ____ 224 3. Konkretisierung der Unlauterkeit gem. §§ 4–6 ____ 227 4. Folgerungen für die Anwendung des UWG und speziell des § 3 Abs. 1 ____ 229 II. Begriff der Unlauterkeit ____ 232 1. Keine Definition der Unlauterkeit ____ 232 2. Interessenabwägung und Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls ____ 234 a) Umfassende Berücksichtigung der rechtlich relevanten Interessen als Ausgangspunkt der normativen Wertung ____ 234 b) Insbesondere: Der more economic approach im Lauterkeitsrecht ____ 239 3. Die zweistufige Konkretisierung der Unlauterkeit ____ 243 4. Der Unlauterkeitsgehalt der §§ 4 bis 6 ____ 249 a) Schutz der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer vor Täuschung und wettbewerbsfremder Aggressivität ____ 251 aa) Irreführungen ____ 253 bb) Wettbewerbsfremde Aggressivität ____ 257 b) Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb ____ 262 c) Ausnahmsweiser Schutz sonstiger Interessen in den §§ 4–7 ____ 266 d) Folgerungen: Grenzen der Unlauterkeit ____ 272 5. Verstoß gegen die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel ____ 276 a) Die Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel als Ausgangspunkt ____ 278 b) Die normative Beurteilung der geschäftlichen Handlung ____ 285
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§3
Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
aa) Regelungszwecke des UWG ____ 286 bb) Rückschlüsse aus Gesetzen außerhalb des UWG ____ 292 cc) Grundfreiheiten ____ 295 (1) Sekundär- und Primärrecht als Maßstab der Unlauterkeit ____ 295 (2) Grundfreiheiten und Lauterkeitsrecht ____ 297 dd) Grundrechte ____ 307 (1) Anwendbarer Grundrechtsschutz: Grundgesetz oder europäischer Grundrechtsschutz ____ 307 (2) Bedeutung der Grundrechte bei der Anwendung des UWG ____ 314 (3) Grundrechte als Abwehrrechte: Die Rechtfertigungsbedürftigkeit eines lauterkeitsrechtlichen Verbots ____ 318 (a) Berufsfreiheit und wirtschaftliche Handlungsfreiheit ____ 320 (b) Meinungs-, Presseund Rundfunkfreiheit ____ 328 (c) Religions- und Vereinigungsfreiheit ____ 333 (3) Grundrechtliche Schutzpflichten als Grundlage eines lauterkeitsrechtlichen Verbots ____ 336 (a) Voraussetzungen im Allgemeinen ____ 336 (b) Grundrechtliche Schutzpflichten mit Relevanz für das UWG ____ 341 ee) Der völkerrechtliche Rahmen des Art. 10bis PVÜ ____ 351 ff) Zusammenfassung: Für die „Anständigkeit“ der Marktgepflogenheiten unbeachtliche normative Maßstäbe ____ 355
Peukert/Fritzsche
III.
IV.
6. Subjektive Tatbestandsmerkmale ____ 362 a) Die Relevanz subjektiver Tatbestandsmerkmale im UWG ____ 362 b) Kenntnis der die Unlauterkeit begründenden Tatumstände ____ 366 aa) Keine Entscheidung durch den Gesetzgeber ____ 366 bb) Herrschende Meinung: Rein objektiver Begriff der Unlauterkeit ____ 369 cc) Kritik: Kenntnis der Tatumstände erforderlich ____ 371 Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer ____ 384 1. Entstehungsgeschichte ____ 385 a) UWG 1909 ____ 385 b) UWG 2004 ____ 387 c) UWG 2008 ____ 388 2. Bedeutung des Spürbarkeitskriteriums ____ 392 3. Anwendungsbereich des Spürbarkeitskriteriums gem. § 3 Abs. 1 ____ 397 4. Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung geschützter Interessen ____ 403 a) Beeinträchtigung, Eignung ____ 403 b) Die geschützten Interessen ____ 406 c) Die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung wettbewerbsbezogener Interessen ____ 412 aa) Eignung zur Beeinflussung wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse ____ 413 bb) Die maßgebliche Sichtweise ____ 418 cc) Kriterien zur Bestimmung der Spürbarkeit ____ 421 dd) Beispiele aus der Rechtspraxis ____ 433 d) Die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung ausnahmsweise geschützter sonstiger Interessen ____ 436 e) Darlegungs- und Beweislast ____ 446 Fallgruppen des § 3 Abs. 1 UWG ____ 448 1. Subsidiarität und Teleologie des § 3 Abs. 1 UWG ____ 448 2. Abwerben von Mitarbeitern durch Direktansprache am Arbeitsplatz ____ 450
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Generalklausel
3. Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb ____ 454 a) Allgemeine Marktstörung ____ 455 aa) Grundsätze ____ 455 bb) Fallgruppen ____ 463 (1) Wettbewerbsgefährdende Preisunterbietung ____ 463 (2) Wettbewerbsgefährdende, unentgeltliche Abgabe von Produkten ____ 467 (3) Wettbewerbsgefährdende Leistungsübernahmen ____ 476 b) Missbrauch hoheitlicher Vorzugsstellungen ____ 488 4. Ausnahmsweiser Schutz nicht wettbewerbsbezogener Interessen gem. § 3 Abs. 1 ____ 501 a) Beeinträchtigung gesetzlicher Neutralitätspflichten sonstiger Marktteilnehmer (Dreieckskopplung) ____ 502 b) Menschenverachtende geschäftliche Handlungen ____ 508 c) Hartnäckige Verstöße gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt ____ 515 aa) Die Selbstregulierung kommerzieller Kommunikation durch den Deutschen Werberat ____ 515 bb) Rechtliche Flankierung der Selbstregulierung durch das UWG ____ 520 (1) Herrschende Meinung: Lauterkeitsrechtliche Irrelevanz von Anstand und Moral ____ 520 (2) Stellungnahme: Anwendung von § 3 Abs. 1 bei hartnäckigen Verstößen gegen den ethischen Minimalkonsens auf dem Markt ____ 524 5. Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht ____ 535 a) Dogmatische Einordnung ____ 535 b) Rechtsgrundlage der Verkehrspflicht: § 3 Abs. 1 oder Abs. 2 ____ 544
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C.
§3
6. Abzulehnende weitere Fallgruppen des § 3 Abs. 1 ____ 547 a) Die Subsidiarität des § 3 Abs. 1 ____ 547 b) Preisausschreiben und Gewinnspiele ____ 550 c) Systemvergleiche und pauschale Herabsetzungen ____ 552 d) Wettbewerbsrechtlicher Leistungs- und Kennzeichenschutz ____ 556 e) Aggressivität gegenüber Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern ____ 559 f) Vertragsbruch und Verleiten zum Vertragsbruch ____ 561 g) Vorsprung durch Rechtsbruch ____ 564 h) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ____ 566 i) Irreführende geschäftliche Handlungen ____ 571 j) Schutz sonstiger Gemeinwohlbelange ____ 574 V. Rechtsfolgen ____ 579 1. Grundsätze ____ 579 2. Deliktsrechtliche Ansprüche ____ 581 3. Vertragsrechtliche Rechtsfolgen ____ 583 Der Tatbestand des § 3 Abs. 2 ____ 588 I. Einführung ____ 588 1. Entstehungsgeschichte und umgesetzter Tatbestand der UGPRichtlinie ____ 588 2. Inhalt und Zweck der Regelung ____ 593 3. Anwendungsbereich und Verhältnis zu Abs. 1 ____ 599 II. Elemente des Tatbestands ____ 608 1. Geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern ____ 609 2. Verstoß gegen die für den Unternehmer geltende fachliche Sorgfalt ____ 611 3. Eignung zur wesentlichen Beeinflussung der Verbraucherentscheidung ____ 619 4. Eignung zur Veranlassung zu einer konkreten geschäftlichen Entscheidung ____ 623 a) Begriff der geschäftlichen Entscheidung ____ 624
Peukert/Fritzsche
§3
Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
b)
D.
Eignung zur spürbaren Beeinflussung der Fähigkeit, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden ____ 629 c) Eignung zur Beeinflussung einer geschäftlichen Entscheidung ____ 633 d) Entscheidungsrelevanz bei Irreführungen i.S. der §§ 5, 5a UWG ____ 639 e) Entscheidungsrelevanz oder Spürbarkeit bei unlauteren Handlungen außerhalb des harmonisierten Bereichs ____ 647 III. Für die Beurteilung maßgeblicher Verbraucherkreis (Satz 2 und 3) ____ 649 1. Der durchschnittliche Verbraucher (Satz 2 Alt. 1) und sein Verständnis ____ 650 Peukert/Fritzsche/Peifer a) Der Durchschnittsverbraucher als Leitbild der Beurteilung ____ 652 b) Das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers ____ 654 c) Die Feststellung des Verständnisses des Durchschnittsverbrauchers ____ 657 2. Durchschnittliches Mitglied einer besonderen Verbrauchergruppe (Satz 2 Alt. 2) ____ 658 3. Durchschnittliches Mitglied besondere schutzwürdiger Verbrauchergruppen (Satz 3) ____ 661 a) Bedeutung der Vorschrift und Verhältnis zu anderen Normen ____ 662 b) Besonders schutzwürdige und identifizierbare Verbrauchergruppen ____ 663 c) Betroffenheit (bzw. wesentliche Beeinflussung) nur dieser Verbrauchergruppe ____ 672 d) Vernünftigerweise Vorhersehbarkeit der Beeinflussung ____ 675 Der Tatbestand des § 3 Abs. 3 ____ 684 I. Inhalt, Herkunft und Bedeutung ____ 684 II. Entwicklung und Regelungsstandort ____ 688 III. Funktion und Bewertung ____ 690 IV. Einzelheiten ____ 695
Peukert/Fritzsche/Peifer
1.
E.
Anwendungsbereich der Blacklist und Bedeutung für den B2BBereich ____ 695 2. Rechtsfolge: Unzulässigkeit ____ 697 3. Ausnahmen von der starren Rechtsfolge durch Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit? ____ 699 4. Auslegung der Tatbestände ____ 701 Anhang zu § 3 Abs. 3 („Schwarze Liste“) Nr. 1: Zugehörigkeit zu einem Verhaltenskodex ____ Lindacher Nr. 2: Verwendung von Gütezeichen ____ Lindacher Nr. 3: exes ____ Lindacher Nr. 4: Billigung von Produkten und Leistungen ____ Lindacher Nr. 5: Behauptungen über Vorratshaltung ____ Lindacher Nr. 6: Bait and SwitchAngebote ____ Lindacher Nr. 7: Knappheitsbehauptungen ____ Lindacher Nr. 8: Kundendienstleistungen in ausländischer Sprache ____ Lindacher Nr. 9: Behauptungen über Verkehrsfähigkeit ____ Lindacher Nr. 10: Werbung mit Selbstverständlichkeiten ____ Lindacher Nr. 11: Als Information getarnte Werbung ____ Peifer Nr. 12: Angstwerbung ____ Lindacher Nr. 13: Behauptungen über Produktherkunft ____ Lindacher Nr. 14: Schneeballsysteme ____ Lindacher Nr. 15: Scheinräumungsverkauf ____ Lindacher Nr. 16: Behauptungen über Gewinnchancen ____ Obergfell Nr. 17: Gewinnbehauptungen ____ Obergfell Nr. 18: Behauptungen über Produktwirkungen ____ Lindacher Nr. 19: Behauptungen über die Preiswürdigkeit ____ Lindacher Nr. 20: Preisausschreiben ohne Äquivalent ____ Obergfell Nr. 21: Gratisangebote ____ Lindacher Nr. 22: Versteckte Aufforderungen zur Bezahlung ____ Lindacher Nr. 23: Behauptung über den nichtgewerblichen Charakter ____ Lindacher
992
Generalklausel
Nr. 24: Behauptung über die Verfügbarkeit eines Kundendienstes ____ Lindacher Nr. 25: Nötigung in den Geschäftsräumen ____ Pahlow Nr. 26: Nötigung in den Räumen des Verbrauchers ____ Pahlow Nr. 27: Aufforderung zur Vorlage nicht relevanter Dokumente ____ Pahlow Alphabetisches Stichwortverzeichnis § 826 BGB 22, 23, 58, 375 Abmahnung 154, 368, 380, 382, 383, 396, 567, 569 Absatzförderung 162, 165, 170, 172, 176, 189, 200 Abschluss von Verträgen 609, 612, 634 f. Abwehrrechte 318 Abweichende Entscheidung 619 ff., 623 ff., 629 ff., 633 ff. Adressatenkreis 673 AGG 347 Alter 665 f., 668, 670 Anbahnung von Verträgen 609 Angehörige besonderer Verbrauchergruppen 664 ff., 673 Angemessen verständiger Verbraucher 650 Anhang 77 ff., 148 ff. Anschwärzung 176, 189, 398, 567 Ansprechen von Personen 180 anständige Gepflogenheiten 276 ff., 351 f., 355 ff., 378, 430, 448, 494, 549 Anstandsgefühl 285, 522 Arbeitnehmer 599 Auffangtatbestand 21, 51, 93, 110, 129, 212, 223, 228, 272, 291, 397, 448 Auslegung 589 ff., 595 ff. Ausreißer 430, 447, 613 B2B 104, 113, 124, 137, 295, 302, 545 B2C 104, 107, 115, 137, 204, 210, 546 Bagatelle 293, 423, 424, 430, 433, 440 Beeinflussung 619 ff., 629 ff., 632 ff., 643 Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit 623, 631 ff. Beeinträchtigung des Wettbewerbs 37 Beeinträchtigung von Interessen Behinderung, gezielte 54, 152, 153, 176, 188, 189, 398, 452, 456, 567 Beispielstatbestände 595, 598, 610, 617 Benetton 510, 514, 526, 528 berufliche Sorgfaltspflicht 33, 38, 394 Berufsregelung 320 ff. Besondere Schutzbedürftigkeit 665 ff. besondere Umstände 401 Betroffenheit von Verbrauchern 673 ff.
993
§3
Nr. 28: Direkte Aufforderung an Kinder ____ Pahlow Nr. 29: Unbestellte Waren oder Dienstleistungen ____ Pahlow Nr. 30: Hinweis auf Notlagen/Angsterzeugung ____ Pahlow
Bewegungsfreiheit 345 Beweiserhebung 630, 633, 654, 65 Beweislast 446, 464, 486, 567 Bewusstsein der Unlauterkeit 364 C2B 112, 118, 200, 201, 210, 225 Charta der Grundrechte 313 Darlegungslast 446, 464, 486 DatenschutzRL-EK 12, 19, 295, 310 Deliktsrecht 56, 58 ff., 345, 539, 581 Direktansprache am Arbeitsplatz 450 Diskriminierungsverbote 297, 346 doppelrelevantes Marktverhalten 158 Dreieckskopplung 270, 437, 442, 502, 506, 535 Durchführung von Verträgen 609, 612, 620 Durchschnittsadressat 652 ff., 657 ff. Durchschnittsverbraucher 36, 100, 166, 173, 258, 303, 419, 650 ff., Eigentumsfreiheit 319 Eignung 384 ff., 403 ff., 412 ff. Eignung zur Beeinflussung 619 ff., 623 ff., 629 ff. Einstandspreis 463, 466, 474 f. Einzelfallbeurteilung 644 f. EMRK 45 Entscheidungsfreiheit 41 ff., 286 ff. Entstehungsgeschichte 21, 82, 385, 391, 393, 399 enumerative Haftung 50, 53, 56 Erfolgsunrecht 540 Erstbegehungsgefahr 383 ethischer Minimalkonsens 360, 437, 444, 515, 524, 535, 575 europäischer Grundrechtsschutz 307 Fachliche Sorgfalt 86, 99, 145, 147, 600 ff., 611 ff. Fachzeitschrift 474 Fallgruppen 448 ff. Feststellung der Verkehrsauffassung 656 Finanzdienstleistungen 180, 182, 219 Frauendiskriminierung 519, 525 Fußball 275, 326, 479 Geistige Gebrechen 666 Gemeinwohlbelange 268, 291, 574 Generalklausel 22, 26, 37, 70, 133 ff. Geschäftliche Entscheidung 624 ff., 635 Geschäftliche Erfahrung 674
Peukert/Fritzsche/Peifer
§3
Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
Geschäftliche Handlung 148 ff., 196 ff., 609 ff., 620 – aggressive 135, 252, 257, 260, 274 – gegenüber Verbrauchern 136, 148, 149, 160, 169, 394, 545, 562 – irreführende 123, 255, 571 Geschäftliche Relevanz 619, 623, 637, 642 ff. Geschäftspraktik 160 ff. geschmacklose Werbung 509 Gesundheitsaspekte von Produkten 162 Gesundheitsschutz 115, 199, 226, 441 Gesundheitswerbung 637 Gewaltverherrlichung 519 Gewinnspiel(e) 168, 254, 259, 503, 550 f., 675, 683 Gleichheit vor dem Gesetz 43 Glücksspiel 180, 182, 219 GmbHG 434 Grundfreiheiten 46, 295 ff., 355, 473, 549 Grundgesetz 307, 312, 315, 510 Grundrechte, europäische 45, 307 ff., 527 Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation 517, 518, 521 Grundsatz der einheitlichen Anwendung des UWG 39, 137 ff. Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung 239, 268, 289 gute Sitten 574 GWB 294, 465 f., 475, 493 Handlungsfreiheit – allgemeine 43 f., 339 – wirtschaftliche 236, 318, 320, 326, 377, 412, 431, 511, 570 Handlungsunrecht 540 Headhunting 450, 452 f., 501, 535 Herabsetzung 189, 259, 398, 552, 560 Herkunftslandprinzip 303 Identifizierbare Verbrauchergruppe 664 ff., 672 Immobilien 180, 182, 219 in dubio pro libertate 55 Industrie- und Handelskammer 495 Informationsmodell 303 Informationspflichten 434 Interessen 184, 234, 266, 384, 403, 406, 412, 436, 501 Interessenabwägung 79, 134, 234, 237 f., 348 Internetangebote 174 Intimsphäre 322 Investition 326, 482 f., 485 ff. Irreführung 93 ff., 116 ff., 253 ff., 351 ff., 571 ff., 639 ff. Irreführung durch Unterlassen 573 Jahresbericht 167 Jugendgefährdung 519, 532 Jugendliche 667 ff., 672 ff., 682 ff.
Peukert/Fritzsche/Peifer
Kartellrecht 294, 457, 458, 460, 465 f., 475 f., 484 Kauf 635 Kausalität 621, 630, 633 Kenntnis der die Unlauterkeit begründenden Tatumstände 366 ff., 380, 429 Kinder 345, 517 f., 667 ff., 674 ff., 682 ff. Klauselrichtlinie 93/13 586 Kodifikation 2, 27, 57, 126, 157, 249, 264, 316 Kommerzielle Kommunikation 609 Kopplungsangebot 79, 168, 185 Körperliche Gebrechen 666 körperliche Unversehrtheit 345 Kostenersatzanspruch 383 Krankheit 666, 672 Leben 23, 338, 345 Lebensmittel 614, 683 Leichtgläubigkeit 665, 670 f. Leistungsschutz 155, 193, 480, 556 Leistungsübernahme 326, 476 ff., 481 ff., 556 Letztverbraucher 164 Liberalisierung 18, 52, 316, 388, 457, 461, 531 Lieferung 162, 165, 170, 176, 189, 200 Markenrecht 482, 532, 558 Marktbehinderung, allgemeine – siehe Marktstörung, allgemeine Marktmacht 426, 440, 457, 460, 466, 475 f., 493 Marktstärke 240, 275 Marktstörung, allgemeine 54, 195, 220, 265, 288, 455 ff., 494, 501, 535, 556 Marktverhaltensregel 131, 270, 293, 345, 347, 369, 425, 432, 441, 501, 564 Meinungsfreiheit 509 Menschenwürde 43, 64, 339, 350, 359, 508, 510, 526, 535 Mitbewerber 25, 27, 29, 31, 39, 54, 81, 113, 123, 140, 142, 593, 600 f., 604, 610 mittelbare Drittwirkung 317 Moral 360, 518, 520 ff., 529, 531, 533, 574 more economic approach 239 ff. Mündigkeit des Verbrauchers, siehe verständiger Verbraucher Nachahmungsgefahr 29, 428 Nachfrageverhalten 112, 198 ff., 225, 413, 415, 445 nicht nur unerheblich 30 f., 37, 387 f., 390 Normatives Verbraucherleitbild 650 ff. Objektive Unlauterkeit 611 öffentliche Rüge 517, 530 ökonomische Analyse 242 PAngV 164, 174
994
Generalklausel
Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) 33, 301, 351 ff. positives Recht 18, 229 Preisausschreiben 254, 259, 550, 551 Preisunterbietung 211, 463 ff., 484 Pressefreiheit 319, 330, 473 Pressewettbewerb 469 Produkt 590, 635, 668 f. Prognose 631, 633, 675 Prüfungspflicht 538, 541, 542 Prüfungsschema 134, 248 Rechtsangleichung 2, 10, 18, 92, 121, 160, 180, 181, 310, 532, 545 Rechtsbruch 115, 181 f., 263, 265 f., 292, 323, 358, 433, 437, 442, 454, 500, 537, 564 f. Rechtsfolgen 4, 27, 41, 71, 294, 318, 579 ff. Rechtsgeschäft 167, 199, 202, 347, 584 ff. Rechtssicherheit 18, 101, 130 Regelbeispiel 128, 131 Reichweite des Verbraucherleitbilds 651 Relevanzkriterium 99, 119, 166, 385 Religionsfreiheit 319, 333 f. Richtlinie vergleichende Werbung 108, 121 f., 218 Richtlinienkonforme Auslegung 10, 33, 94, 110, 135, 193, 231, 252, 295, 311, 388, 402, 590, 595 ff. Richtlinienumsetzung 588 ff. Rom II-Verordnung 60 Rundfunkfreiheit 328 f., 331 Schutzbedürftigkeit 663, 665 ff. Schutzgesetz 582 Schutzpflicht 290, 336 ff., 341 ff., 359 Schutzzweck 249 ff., 286, 369 f., 406, 421, 439, 441, 510, 521, 549, 573 schwarze Liste 79, 305, 321 Selbstregulierung 515 f., 520 f., 530 Senioren 670 Sicherheitsaspekte von Produkten 108, 180, 219 Sichtweise 153, 343, 418 f. Sittenwidrigkeit 27, 366 f., 371 ff., 386, 393 Sittlichkeit 291, 360, 529 Sonderdeliktsrecht 56, 61, 63 Sonstige Marktteilnehmer 39, 144, 146, 163, 172, 175, 204, 210, 213, 226, 356, 414, 560, 606 Spezialität 103, 144, 551 Spürbarkeit 384 ff., 421 ff. stets unzulässig 32, 39, 69, 77, 103, 135 f. Störer 339, 538 ff. subjektive Tatbestandsmerkmale 362 ff. Subsidiarität 94, 229, 448 f., 534, 547 ff. Subsumtion 18, 131, 229
995
§3
Systemvergleich 552 Täuschung, siehe Irreführung Telekommunikation 661 Treu und Glauben 33 UGP-Richtlinie 588 ff., 593 ff. UGPRL 75, 81, 93, 104, 160, 180, 196, 206 Umsatzsteueridentifikationsnummer 434 Umsetzungsspielraum 309 f., 312 Umsetzungsverpflichtung 9 unberechtigte Schutzrechtsverwarnung 381, 566, 569 unentgeltliche Abgabe von Produkten 467 unerbetene Nachrichten 19 unerlaubte Handlung 60 Unlauterkeit 232 ff., 592 ff., 608 ff. unmittelbare Leistungsübernahme 479, 482, 556 Unrechtsbewusstsein 365 Unternehmensprospekt 167 Unwerturteil 64, 119, 141, 147, 328, 380, 394 f., 398, 439, 536 Unzulässigkeit 66 ff., 133 ff., 392 ff. UWG 1896 18, 22 ff., 229 UWG 1909 22 ff., 385 f. UWG 2004 25 ff., 387 Verbraucher 17, 148, 163, 200 Verbraucherbezogene Unlauterkeit 593 ff., 608 ff. Verbrauchergeneralklausel 593 ff. Verbraucherleitbild 649 ff. Verbraucherschutz 77 ff., 148 ff., 198 ff. Vereinigungsfreiheit 319, 333 ff. Verfälschung des Wettbewerbs 29, 257, 265, 367, 388 vergleichende Werbung 108, 114, 121 f., 218, 402, 553 Verhaltenskodex Verhaltensunrecht 56 ff., 539 Verhältnismäßigkeitsprinzip 299 Verkauf 162, 165, 170, 176, 189, 200, 474 ff., 497 Verkehrsauffassung 656 Verkehrspflicht 256, 535 ff., 544 ff. Verkehrssicherungspflichten – siehe Verkehrspflicht Verkehrsverbote 323 Verleiten zum Vertragsbruch 561 ff. Vermögensschaden 53, 56, 61, 63, 403 Vermutung der Rechtswidrigkeit 79 Verschulden 364, 429 Verständiger Verbraucher 650 Vertragsanbahnung 609 Vertragsbruch 369, 561 ff. Vertragsdurchführung 609, 612, 620 Vertragsrecht 583 ff.
Peukert/Fritzsche/Peifer
§3
Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
Vertragsschluss 603, 609, 612, 635 Verunglimpfung 176, 259, 560 Völkerrecht 351 f. Vollharmonisierung 19, 86, 92, 153, 159, 196, 217, 311, 321, 402, 601, 605 Vorfeld 176, 190, 215, 458 Vorrang des Unionsrechts 9, 19, 92 Vorteil durch Rechtsbruch 565 Warnhinweis 445 Werberat 514, 515 ff., 521 ff., 528 ff. Werbung 609, 632 ff., 641 ff., 658 ff. Wertungsvorbehalt 35, 39 wesentliche Beinflussung 119
Wesentliche Beeinflussung (des Verbraucherverhaltens) 590, 625, 673 ff. Wettbewerbsfunktionalität 254, 286 ff., 457, 494, 565 wettbewerbskonforme Beeinträchtigung Wettbewerbstheorie 239 Wiederholungsgefahr 14, 368, 396 Wirtschaftsverfassung 24, 353 Zugabe 306, 468 Zusammenhang – objektiver 170 ff., 369 ff. – unmittelbarer 165, 170, 176, 200, 215, 363, 561
A. Grundlagen zu § 3 I. Grundansatz und Aufbau der Kommentierung Peukert 1
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3
4
5
1. Die Komplexität des geltenden Lauterkeitsrechts. Eine unvoreingenommene Lektüre des UWG erweckt den Eindruck, als regele das Gesetz in kohärenter, übersichtlicher Art und Weise, welches Marktverhalten zulässig oder unzulässig ist. Dieser Schein trügt. Nach einer grundlegenden Reform und der kurz darauf erfolgten Umsetzung der UGPRL ist die Anwendung des Gesetzes so kompliziert geworden, dass der Vorsitzende Richter des u.a. für das Lauterkeitsrecht zuständigen Zivilsenats am Bundesgerichtshof die provokante Frage stellt, ob das UWG noch zu retten sei.1 In der Tat verbergen sich hinter dem vergleichsweise knappen Gesetzestext mehrere, auch teleologisch zu unterscheidende Rechtsschichten, nämlich erstens eine Kodifikation von Fallgruppen, die bereits unter dem beinahe 100 Jahre geltenden UWG 1909 anerkannt waren, zweitens eine liberalisierende Kodifikation dieses Rechtszustandes durch das UWG 2004 und drittens drei im UWG umgesetzte EU-Richtlinien, die überwiegend eine vollständige Rechtsangleichung herbeiführen und daher mit ihrer je eigenen Zielsetzung abweichende Ergebnisse auf der Basis überkommener deutscher Wertungen ausschließen. Diese Komplexität schlägt sich gerade auch in § 3 nieder, der noch immer als „Generalklausel“ bezeichnet wird, aber anders als § 1 UWG 1909 und § 3 UWG 2004 nunmehr drei Absätze umfasst, deren Anwendungsbereich und Verhältnis zueinander umstritten sind. Damit ist nicht gesagt, dass das UWG jemals einfach zu handhaben gewesen sei. § 1 UWG 1909 kodifizierte in dürren Worten den Anwendungsbereich des Gesetzes (Handlungen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs), die Tatbestandsvoraussetzung für ein Verbot (Verstoß gegen die guten Sitten) und die Rechtsfolgen (Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz). Unter diesem weiten Dach entwickelte die Rechtspraxis im Laufe von Jahrzehnten ein kaum mehr zu überblickendes Geflecht von Fallgruppen.2 Die Neufassung des Gesetzes im Jahr 2004 sollte eine „umfassende Reform“ und „grundlegende Modernisierung“ herbeiführen.3 Doch bereits dieses Vorhaben führte nur scheinbar zu Kohärenz. Denn einerseits sollte der Stand der Rechtsprechung ohne
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1 Bornkamm BB-Magazin 2009 M 1; ferner Peukert in Hilty/Henning-Bodewig, S. 27 („Auflösungserscheinungen eines Rechtsgebiets“). 2 Siehe Voraufl/Schünemann Einl. D Rn. 1 ff. 3 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 12.
Peukert
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Generalklausel
§3
sachliche Änderungen transparent kodifiziert werden.4 Anderseits verfolgte die Novelle durchaus das Ziel, das Lauterkeitsrecht in der Sache zu liberalisieren und die restriktive Praxis durch abweichende gesetzgeberische Vorgaben zu überwinden.5 Dieser Konflikt ist im nicht vollständig harmonisierten Bereich des Lauterkeitsrechts weiterhin virulent. Des Weiteren sollte die Reform 2004 zu einer „europaverträglichen Fassung des UWG führen“.6 Mehr noch, das modernisierte deutsche Lauterkeitsrecht sollte die zeitgleich laufenden Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene vorwegnehmen und möglichst prägen. Dieses ambitionierte Vorhaben ist fehlgeschlagen. Die nicht einmal ein Jahr nach dem UWG 2004 verabschiedete UGPRL verfolgt mit ihrem Verbraucherschutzfokus ein grundsätzlich anderes und zugleich vollharmonisierendes Konzept, von dem der deutsche Gesetzgeber nicht abweichen darf.7 Statt nun aber diese neue Ausgangslage zu akzeptieren, wurde die UGPRL nicht nur verspätet, sondern unter möglichster Schonung des gerade novellierten Gesetzestextes „umgesetzt“. Die ganz herrschende Meinung in der Literatur hielt insbesondere im Hinblick auf § 1 und § 3 keine Änderungen im Wortlaut des Gesetzes für erforderlich.8 Dieser Linie folgend, beließ es der Diskussionsentwurf des BMJ v. 7.5.2008 beim Wortlaut der Generalklausel des § 3 UWG.9 Erst der Regierungsentwurf v. 20.8.2008 enthielt die geltende Fassung des § 3 und orientierte sich auch in anderer Hinsicht stärker am Wortlaut der UGPRL, ohne jedoch die Konzeption des UWG 2004 grundsätzlich zu überdenken.10 Noch spät im Gesetzgebungsverfahren bedauerte der Bundesrat, dass die Bundesregierung die Linie einer „möglichst schlanken Umsetzung der Richtlinie unter weitestgehender Beibehaltung der Formulierungen des UWG“ aufgegeben habe. Die stärkere Orientierung an der UGPRL rufe die „Gefahr von Brüchen und Widersprüchen zum bewährten System des erst 2004 umfassend reformierten Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ hervor, ohne dass dies durch die Beteiligung der Praxis intensiv diskutiert worden sei. Änderungen des relativ jungen Gesetzes sollten im Interesse der Anwender nur soweit vorgenommen werden, als sie unbedingt notwendig seien.11 Die Bundesregierung antwortete, sie habe sich einerseits an den Vorgaben der UGPRL orientiert, um eine weitgehende Annäherung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften aller Mitgliedstaaten der EU zu erreichen. Andererseits habe sie die Systematik des UWG gewahrt und eine Abkehr von der bewährten Schutzzwecktrias des deutschen Lauterkeitsrechts vermieden.12 Diese offen ablehnende oder zumindest defensive Haltung gegenüber der UGPRL widerspricht dem Vorrang des Unionsrechts und der Umsetzungsverpflichtung des deut-
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4 Für die Fallgruppe der gezielten Behinderung (§ 4 Nr. 10) siehe Gegenäußerung BReg, BTDrucks. 15/ 1487, S. 41. 5 Siehe Harte/Henning/Podszun § 3 Rn. 24 (grundsätzlich veränderte Rechtslage); in Bezug auf den sog. ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 9 UWG Peukert Güterzuordnung, S. 376 ff. 6 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 302; monografisch Haase passim. 7 BGH 19.7.2012 – I ZR 2/11 – Tz. 12 – GOOD NEWS; Keßler/Micklitz BB 2005/49, BB-Special 13, 1; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Lubberger, § 43 Rn. 6. 8 Glöckner/Henning-Bodewig WRP 2005, 1311, 1336 (§§ 1–3 UWG 2004 könnten unverändert bleiben); Sosnitza WRP 2008, 1014, 1018; Harte/Henning2/Schünemann § 3 Rn. 2; Lehmler § 3 Rn. 10 m.w.N.; auch Boesche Rn. 25b (juristisches Neuland sei nicht betreten worden); monografisch Westermann S. 33 ff. 9 DiskE UWG 2008, 23 f. 10 Näher unten § 3 Rn. 34 ff. Zum Begriff des „Kindes“ siehe RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 22 f.; zu den Begriffen „Ruf“ bzw. „Wertschätzung“ a.a.O., 28. 11 Stellungnahme BRat UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 37. 12 Gegenäußerung BReg UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 40; dazu Köhler GRUR 2010, 767, 768 (Kompromiss aus Bewahrung und Umsetzung).
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schen Gesetzgebers.13 In der Sache möglicherweise berechtigte Kritik an „grob systemwidrigen“ Regelungen muss während des europäischen Gesetzgebungsverfahrens und nicht erst im Zuge der Umsetzung formuliert werden.14 Von einem falschen Verständnis der Wirkung vollständiger Rechtsangleichun10 gen durch Richtlinien zeugt ferner die weit verbreitete Auffassung, die unveränderte Übernahme unionsrechtlicher Konzepte in das deutsche Recht erzeuge Rechtsunsicherheit. Auch insoweit ist das Gegenteil richtig. Die lückenhafte oder den Wortlaut modifizierende Umsetzung vollharmonisierender Richtlinien führt zu ganz erheblicher Rechtsunsicherheit, weil der Rechtsanwender, „um das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung zu beachten, gleichsam in der einen Hand das UWG, in der anderen die Richtlinie halten“ muss.15 Unionsrechtlich geboten ist eine hinreichend klare und bestimmte Umsetzung, 11 damit die Betroffenen wissen, welche Rechte sie haben.16 Um diesen Ansprüchen zu genügen, wird zu Recht eine neuerliche Änderung des UWG angemahnt, mit der ein größerer Gleichlauf mit den vollharmonisierenden Richtlinien herbeigeführt werden soll.17 Dabei sollte nicht wieder zu zögerlich agiert werden. Empfehlenswert erscheint es, 12 die vollharmonisierenden Vorschriften der UGPRL, der IrreführungsRL 2006 und der DatenschutzRL-EK wörtlich in das UWG zu übernehmen.18 Für den verbleibenden, autonom-deutschen Regelungsbestand sollte geregelt werden, ob die Maßstäbe der UGPRL entsprechend gelten oder welche anderen Wertungen ausschlaggebend sind. 2. Für eine positivistische Wende im Lauterkeitsrecht. Bis der Gesetzgeber die Komplexität des UWG reduziert haben wird, obliegt es der Wissenschaft und Praxis, das Lauterkeitsrecht vorhersehbar und möglichst widerspruchsfrei zu halten. Der zum UWG 1909 tonangebenden Rechtsprechung wird allerdings vorgeworfen, aus dem UWG 1909 bekannte Argumentations- und Entscheidungsmuster fortzuschreiben, obwohl das UWG 2004 und die Umsetzung der UGPRL zumindest andere Prüfungsschritte, wenn nicht andere Ergebnisse nahelegen.19 Diese zutreffende Beobachtung hat einen prozessualen Hintergrund, der im 14 UWG aufgrund der überragenden Bedeutung des Unterlassungsanspruchs in besonderer Weise zum Tragen kommt. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind nämlich die Bestimmungen des UWG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Fassung anzuwenden. Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zum Zeitpunkt seiner Begehung wettbewerbswidrig war.20 Folglich musste insbesondere der BGH in vielen, über Jahre geführten Hauptsacheverfahren die Lauterkeit der streitgegenständ13
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13 Insofern zutreffend Fezer/Fezer § 3 Rn. 4 ff. 14 Siehe Gegenäußerung BReg UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 41. 15 Siehe Köhler GRUR 2010, 767, 768; Köhler WRP 2012, 251, 252; zu Recht kritisch Götting/Nordemann/ Wirtz § 3 Rn. 2. 16 Bereits EuGH 20.3.1997 – C-96/95 – Slg. 1997 I-1653 Tz. 39 – Kommission/Deutschland; vgl. EuGH 10.5.2001 – C-144/49 – Slg. 2001 I-3541 Tz. 21 – Kommission/Niederlande; EuGH 7.5.2002 – C-478/99 – Slg. 2002 I-4147 Tz. 15 ff. – Kommission/Schweden; Glöckner GRUR 2013, 224, 230. 17 Köhler WRP 2012, 251 ff.; ders. GRUR 2012, 1073 ff.; ders. WRP 2013, 403 ff.; Helm WRP 2013, 710, 716. 18 Siehe Köhler WRP 2013, 403 ff.; a.A. Glöckner GRUR 2013, 224, 233; Henning-Bodewig GRUR 2013, 238 ff.; Timm-Wagner GRUR 2013, 245 ff. 19 Harte/Henning2/Schünemann § 3 Rn. 25 m.w.N.; Köhler WRP 2012, 251, 252. 20 St. Rspr.; vgl. BGH 20.1.2005 – I ZR 96/02 – GRUR 2005, 442 – Direkt ab Werk; BGH 28.6.2007 – I ZR 153/04 – GRUR 2008, 186 Tz. 17 – Telefonaktion; BGH 24.6.2010 – I ZR 182/08 – GRUR 2010, 850 Tz. 12 – Brillenversorgung II.
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lichen Verhaltensweise sowohl anhand des alten, zum Handlungszeitpunkt gültigen UWG 1909 bzw. 2004 als auch anhand des später in Kraft getretenen UWG 2004 bzw. 2008 beurteilen. Das Erfordernis doppelter Prüfung leistet der in vielen Urteilen stereotyp formulierten Annahme Vorschub, die im Streitfall maßgeblichen Vorschriften hätten sich „nicht in für die Entscheidung erheblicher Weise geändert“.21 Dieser konservativen Grundhaltung ist entgegenzutreten. „In Wahrheit kann nichts so bleiben, wie es einmal war.“22 Statt den Eindruck zu erwecken, das UWG 2004 und die Umsetzung der UGPRL hätten „im Wesentlichen“ nichts geändert, besteht die dogmatische Herausforderung darin, die neuen gesetzgeberischen Vorgaben offensiv aufzugreifen und zugleich den Versuch zu unternehmen, ein widerspruchsfreies Konzept zu entwickeln, das zwischen Einheitlichkeit und Vielfalt des nationalen und des europäischen Lauterkeitsrechts vermittelt. Die Konsequenzen eines solchen Ansatzes für die Praxis des UWG sind weitreichend. Zunächst dürfen die Rechtsgrundsätze, die die Rechtsprechung zu § 1 UWG 1909 entwickelte, nicht mehr unbesehen fortgeschrieben werden.23 Denn selbst wenn der Gesetzgeber des UWG 2004 eine etablierte Fallgruppe unverändert kodifizieren wollte, muss nun zusätzlich geprüft werden, ob nicht die Maßstäbe der UGPRL zu beachten sind. Erst recht verbietet sich eine Flucht zu Leerformeln wie „allgemeinen Rechtsüberzeugungen“ oder gar zum „Rechtsgefühl“. 24 Es mag zwar eine realistische Beschreibung der Anwendungspraxis des UWG sein, dass „die Bewertungskriterien … abhängig [sind] von den jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und ethischen Anschauungen und daher in gewisser Weise zeitgebunden …“.25 Doch gerade wenn dem so ist, muss diese Tendenz durch methodengerechte Anwendung des geschriebenen Rechts rationalisiert werden. Eine stärkere Hinwendung zum positiven Recht ist um so mehr geboten, als der deutsche und der europäische Gesetzgeber das Lauterkeitsrecht durch detailreiche Regelungen konkretisiert haben.26 Die größere Regelungsdichte richtet sich gezielt gegen eine weitgehend ungebundene Fallgruppenbildung durch die Praxis, wie sie in Anwendung der Generalklausel des § 1 UWG 1909 zu beobachten war.27 Weder operiert das UWG mit lückenhaften Einzeltatbeständen wie im UWG 189628 noch mit einer kaum konturierten, großen Generalklausel wie § 1 UWG 1909. Vielmehr besteht die moderne Gesetzgebungstechnik des UWG darin, präzise Vorschriften mit subsidiären Auffangklauseln zu kombinieren. Das UWG 2004 bezweckte damit eine Liberalisierung des restriktiven deutschen Lauterkeitsrechts, die UGPRL eine möglichst weitgehende Rechtsangleichung im Binnenmarkt. Jeweils sollte zudem die Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr verbessert werden.29 Diese übergreifenden Zielsetzungen wie auch die
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21 Z.B. BGH 24.6.2010 – I ZR 182/08 – GRUR 2010, 850 Tz. 12 – Brillenversorgung II. 22 Köhler WRP 2012, 638, 639; anders noch Köhler WRP 2009, 109, 110 (die früheren Entscheidungen böten einen „unverzichtbaren Erfahrungsschatz“); zurückhaltender Harte/Henning/Glöckner Einl. B Rn. 5. 23 Wie hier in Bezug auf das österreichische UWG Koppensteiner in Augenhofer S. 85, 95. 24 Gegen Sack WRP 2005, 531, 534. 25 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 62. 26 So auch Köhler WRP 2009, 109, 110; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 62. 27 Beater Rn. 336 f., 815, 832 ff.; Harte/Henning/Podszun § 3 Rn. 24; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 100. 28 Anders Bornkamm BB 2009 M 1 („Rückfall in eine kasuistische Gesetzgebungstechnik“). 29 Zum UWG 2004 oben § 1 Rn. 2 ff.; zur UGPRL oben § 1 Rn. 119 ff.
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spezifischen Regelungszwecke der einzelnen Verbotstatbestände sind durch Subsumtion unter die gesetzlichen Tatbestände nachzuvollziehen.30 Nicht zuletzt ist eine positivistische Wende im Lauterkeitsrecht aus unions- und 19 verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Soweit das UWG EU-Richtlinien umsetzt, ist es aufgrund des Vorrangs des EU-Rechts von der betreffenden Richtlinie aus zu lesen; dies gilt in besonderer Weise im Bereich der Vollharmonisierung durch die UGPRL, die Vorschriften zur vergleichenden Werbung und zu unerbetenen Nachrichten gem. Art. 13 DatenschutzRL-EK.31 Und auch im Bereich des autonom-deutschen Lauterkeitsrechts bindet Art. 20 20 Abs. 3 GG den Wettbewerbsrichter an „Gesetz und Recht“. Verfassungswidrig ist es demnach, wenn deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abgeändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen geschaffen werden. Dabei berücksichtigt das BVerfG insbesondere den dokumentierten, historischen Willen des Gesetzgebers.32 21 Dementsprechend entfaltet die folgende Kommentierung die Komplexität des § 3 durch eine am Wortlaut, der Systematik und der gesetzgeberischen Regelungsabsicht orientierte Erläuterung. In diesem Abschnitt wird zunächst die Entstehungsgeschichte und die Struktur der Vorschrift insgesamt analysiert (dazu A). Die sich hieraus ergebende Prüfungs- und Kommentierungsreihenfolge stellt die Norm auf den Kopf.33 Als erstes ist § 3 Abs. 3 als spezielles Per-se-Verbot der im Anhang aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern anzuwenden (dazu D). Andere geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern können gem. § 3 Abs. 2 unzulässig sein (dazu C). Erst wenn eine geschäftliche Handlung auch von diesem verbraucherschützenden Auffangtatbestand nicht erfasst ist, kann ggf. auf § 3 Abs. 1 rekurriert werden (dazu B). II. Entstehungsgeschichte des § 3 1. UWG 1896 und 1909. Das UWG 1896 umfasste keine Generalklausel zum Verbot unlauteren Wettbewerbs.34 Auch ein erster Entwurf für das UWG 1909 hatte auf eine über § 826 BGB hinausgehende Vorschrift verzichtet, „durch welche in die freie Befugnis des Geschäftsmannes eingegriffen werden würde, den Preis für Waren oder Leistungen nach dem Maße seines Interesses zu bestimmen“.35 In der anschließenden parlamentarischen Beratung sowie der eingesetzten Kom23 mission setzte sich dann jedoch die Auffassung durch, es sei eine umfassende Handhabe gegen unlauteren Wettbewerb erforderlich.36 Zu diesem Zweck formulierte § 1 22
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30 Wuttke WRP 2007, 119, 122; Groner S. 257. 31 Zur UGPRL EuGH 18.10.2012 – C-428/11 – Slg. 2012, 0000 Tz. 41 – Purely Creative; Keßler/Micklitz VuR 2009, 88, 90; Köhler GRUR 2010, 767, 768. 32 BVerfG 14.6.2007 – 2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05 – BVerfGE 118, 212, 243 = NJW 2007, 2977 – Strafzumessungsfehler; BVerfG 19.12.2007 – 1 BvR 1984/06 u.a. – BVerfGK 13, 108, 112 – Beratungshilfe nachträgliche Antragstellung; BVerfG 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06 – BVerfGE 126, 286, 306 = NJW 2010, 3422 – Mangold; BVerfG 26.9.2011 − 2 BvR 2216/06 u. a. – NJW 2012, 669 Tz. 56 f. 33 Siehe dazu nur Köhler WRP 2010, 1293, 1295. 34 Beater Rn. 286 ff. 35 Vorläufiger Entwurf UWG 1909, MuW 1907/1908, 48, 56; Entwurf UWG 1909, 10; Reichold AcP 193 (1993), 204, 224 f. 36 Siehe die Stenographischen Berichte über die Lesungen des UWG, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 6523–6552 (1. Lesung am 25.1.1909), 8433–8438, 8458–8460 (Bericht der 35. Kommission v.
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UWG 1909, dass auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann, „wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen“. Damit erweiterte man die Haftung im Vergleich zu § 826 BGB auf Verhaltensweisen, die noch keinen tatsächlich nachweisbaren Schaden ausgelöst hatten37 und die nicht mit Schädigungsvorsatz ausgeführt worden waren.38 Der Rechtsprechung sollte ein scharfes Schwert an die Hand gegeben werden, das der Richter weniger anhand begriffsjuristischer Deduktionen als vielmehr aufgrund von Beobachtungen und Erfahrungen aus dem praktischen Leben einsetzen sollte.39 Folglich wurde § 1 UWG 1909 nicht als bloßer Verweis auf heteronome, außerrechtliche Sitten, sondern als Ermächtigung zur rechtsschöpferischen Gestaltung des Marktverhaltensrechts unter Berücksichtigung der gesamten Rechtsordnung aufgefasst.40 Diese Norm blieb im gesamten 20. Jahrhundert unverändert in Kraft. Auf ihrer 24 Grundlage entwickelte sich ein Recht der Praxis, das durch die Bildung von Fallgruppen in gewissem Umfang systematisiert wurde. Da abgesehen vom Verbot irreführender Angaben und einiger weiterer, allerdings sehr spezieller Verbotstatbestände eine gesetzgeberische Konkretisierung der „guten Sitten“ fehlte, oblag es der Rechtsprechung, die Generalklausel mit Inhalt zu füllen. Unter diesen Umständen war es ohne Weiteres möglich, die mehrfache Änderung der deutschen Wirtschaftsverfassung im 20. Jahrhundert in der lauterkeitsrechtlichen Praxis umzusetzen, ohne dass der Wortlaut des Gesetzes geändert werden musste.41 2. UWG 2004. Die Neufassung des UWG 2004 hatte unter anderem den Zweck, die 25 lauterkeitsrechtliche Praxis durch präzisere gesetzliche Vorgaben zu begrenzen und zu liberalisieren.42 Gleichwohl hielt der Gesetzgeber am Gedanken einer Generalklausel fest. Der Entwurf für einen § 3 UWG sah vor, dass „unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht unerheblich zu verfälschen, … unzulässig“ seien.43 Die Vorschrift wurde dahingehend erläutert, dass es, wie unter Geltung des UWG 1909, weiterhin Aufgabe der Rechtsprechung sein sollte, im Einzelnen zu konkretisieren, welche Handlungsweisen als unlauter anzusehen sind. Ein allgemeines Verbot unlauteren Wettbewerbs sei sinnvoll, weil der Gesetzgeber nicht alle denkbaren Fälle unlauteren Handelns im Einzelnen regeln könne. Auch solle der Rechtsanwender die Möglichkeit haben, neuartige Wettbewerbsmaßnahmen sachgerecht zu beurteilen. Zudem könne
_____ 5.5.1909, Nr. 1390 der Anlagen), 8496–8500 (2. Lesung am 17.5.1909). Die dritte Lesung am 18.5.1909 brachte keine Aussprache mehr zu § 1 UWG (siehe a.a.O., 8542). 37 BGH 30.6.1961 – I ZR 39/60 – BGHZ 35, 329, 333 – Kindersaugflaschen. 38 Zum subjektiven Tatbestand des § 1 UWG 1909 siehe nur BGH 18.12.1968 – I ZR 130/66 – GRUR 1969, 292, 294 – Buntstreifensatin II m.w.N. 39 Siehe den stenographischen Bericht der 2. Lesung am 17.5.1909, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 8498. 40 Baumbach/Hefermehl Einl. UWG Rn. 71 m.w.N.; Ott FS Raiser, S. 403, 417 ff. (der Richter habe das Recht nicht anzuwenden, sondern zu setzen); Reichold AcP 193 (1993), 204, 226; Ohly S. 248 (Delegationsfunktion); ders. GRUR 2004, 889, 895; Götting S. 109. Diese Entwicklung ist Ausdruck des Scheiterns der klassisch-liberalen Konzeption, wonach außerrechtliche, von allen geteilte Moralvorstellungen existieren, aufgrund derer die Bürger von sich aus auf bestimmte Verhaltensweisen verzichten, ohne dass der Staat gegen einen Missbrauch der Freiheit vorgehen muss; allgemein Teubner S. 52 ff.; Ott FS Raiser, S. 403, 410. 41 Dazu oben § 1 Rn. 49 ff.; näher Voraufl/Schünemann Einl. Rn. B 18 ff. 42 § 1 Rn. 2 ff. 43 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 5.
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den sich wandelnden Anschauungen und Wertmaßstäben in der Gesellschaft besser Rechnung getragen werden.44 Allerdings wurde die Generalklausel des § 3 UWG – genauer das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit – durch einen nicht abschließenden Katalog von Beispielsfällen „ergänzt“, der sowohl durch die Rechtsprechung seit langem gefestigte Fallgruppen aufnehmen als auch aktuelle Probleme (z.B. im Bereich der Faxwerbung) aufgreifen sollte. Die gewählte Kombination aus Generalklausel und Beispielsfällen sollte das UWG transparenter machen, ohne der Rechtsprechung die Möglichkeit zu verbauen, neu auftretende Problemfälle im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu lösen.45 Dementsprechend formulierten die §§ 4–7 UWG, dass „unlauter im Sinne des § 3 handelt“, wer die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllte. Der Wille zur liberalisierenden Kodifikation schlug sich nicht nur in den §§ 4–7 UWG 2004, sondern auch unmittelbar in der Generalklausel nieder. § 3 UWG 2004 wies im Vergleich zu § 1 UWG 1909 vier grundlegende Neuerungen auf:46 An die Stelle der „Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs“ trat die „Wettbewerbshandlung“; die in weiteren Vorschriften näher präzisierte „Unlauterkeit“ ersetzte die „Sittenwidrigkeit“; neu hinzu kam das Erfordernis, dass der „Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht unerheblich verfälscht“ werden muss; schließlich wurden die Rechtsfolgen eines UWG-Verstoßes in ein gesondertes Kapitel ausgegliedert. Die Abkehr vom Begriff der guten Sitten wurde damit begründet, dass dieser Maßstab antiquiert wirke, weil er den Wettbewerber unnötig mit dem Makel der Unsittlichkeit belaste. Durch die Verwendung des Begriffs der Unlauterkeit werde zudem die Kompatibilität mit dem Gemeinschaftsrecht verbessert, welches diesen Begriff in vielen Vorschriften verwende. Unlauter seien alle Handlungen, die den anständigen Gepflogenheiten in Handel, Gewerbe, Handwerk oder selbständiger beruflicher Tätigkeit zuwiderlaufen.47 Zur weiteren Voraussetzung, dass der „Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht unerheblich verfälscht“ werden müsse, führt die Entwurfsbegründung aus, dass hiermit von vornherein nicht eine Verfälschung des Wettbewerbs als Institution der Marktwirtschaft zu verstehen sei. Maßstab seien vielmehr die Wirkungen wettbewerbswidrigen Verhaltens auf das Marktgeschehen.48 Im Übrigen setze die Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals eine nach objektiven und subjektiven Momenten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffende Wertung voraus. In diese Wertung seien neben der Art und Schwere des Verstoßes die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb sowie der Schutzzweck des Wettbewerbsrechts einzubeziehen. Eine nicht unerhebliche Verfälschung könne demnach auch bei Verstößen mit nur geringen Auswirkungen für den Marktteilnehmer im Einzelfall vorliegen, wenn durch das Verhalten eine Vielzahl von Marktteilnehmern betroffen sei oder eine nicht unerhebliche Nachahmungsgefahr bestehe.49 Auf Anregung des Bundesrats wurde die Formulierung des Erheblichkeitskriteriums noch in zweierlei Weise geändert.50 Zum einen wurde das Wort „verfälschen“ durch
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44 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 305; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 16. 45 RefE UWG 2004, GRUR 2003, 298, 302; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 13. 46 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 3. 47 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 15. 48 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 17. 49 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 17. 50 Siehe Stellungnahme BRat UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 30; Gegenäußerung BReg, UWG 2004 BTDrucks. 15/1487, S. 40; Rechtsausschuss UWG 2004, BTDrucks. 15/2795, S. 21.
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das Wort „beeinträchtigen“ ersetzt. Hierbei handele sich um eine sprachliche Verbesserung. Der Wettbewerb könne an sich weder richtig noch falsch sein, sondern nur beschränkt oder behindert, also beeinträchtigt werden. Die Änderung entspreche auch der bisherigen Gesetzesterminologie in § 13 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 UWG 1909. Zum anderen wurde die Entwurfsfassung um das Wort „nur“ ergänzt. Der Wortlaut „nicht nur unerheblich“ bringe sprachlich klarer zum Ausdruck, dass nicht unlautere Wettbewerbshandlungen zu einem beachtlichen Teil legalisiert werden, sondern lediglich die Verfolgung von Bagatellfällen ausgeschlossen werde. Die schließlich in Kraft getretene Fassung des § 3 UWG 2004 lautete demnach: 31 „Unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, sind unzulässig.“ 3. UWG 2008. Bereits am 11. Mai 2005, also weniger als ein Jahr nach Inkrafttreten des UWG 2004, wurde die UGPRL verabschiedet. Sie wäre gem. Art. 19 UA 1 UGPRL bereits zum 12.06.2007 umzusetzen gewesen. Doch erst am 7.5.2008 legte das Bundesministerium der Justiz einen ersten Diskussionsentwurf zur Umsetzung der Richtlinie vor. Dieser Entwurf war vom Bemühen gekennzeichnet, das gerade grundlegend reformierte UWG so wenig wie möglich zu verändern. Dementsprechend sollte § 3 UWG 2004 lediglich um einen zweiten Absatz ergänzt werden, wonach „die im Anhang dieses Gesetzes genannten Wettbewerbshandlungen … stets unzulässig [sind], soweit sie Verbrauchern gegenüber vorgenommen werden.“ 51 Auch die Ausgestaltung der §§ 4–7 als Konkretisierungen der Unlauterkeit „im Sinne des § 3“ sollte beibehalten werden. Zur Begründung hieß es, Art. 5 Abs. 1 und 2 UGPRL entsprächen der Generalklausel des § 3 UWG 2004, auch wenn das deutsche Recht auf eine gesetzliche Definition des Begriffs der Unlauterkeit verzichte.52 Der in Art. 5 Abs. 2 lit. a UGPRL verwendete Begriff der „beruflichen Sorgfaltspflicht“ brauche nicht in das UWG übernommen zu werden, da letztlich sowohl die Richtlinie als auch das UWG zur Bestimmung der Unlauterkeit auf den gleichen Maßstab der „anständigen (Markt-)Gepflogenheiten“ abstellten und hiermit an Art. 10bis Abs. 2 PVÜ anknüpften. Auch die Rechtsprechung lege das UWG bereits richtlinienkonform aus, indem bestehende Gepflogenheiten im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung einer Wettbewerbshandlung berücksichtigt würden. Im Übrigen handele es sich bei den von der Richtlinie verwendeten Begriffen „anständige Marktgepflogenheiten“ sowie „Treu und Glauben“ um unbestimmte Rechtsbegriffe, die keine weitere Klarheit schafften und regelmäßig als Synonym für die Unlauterkeit verwandt würden.53 Der Regierungsentwurf v. 20.8.2008 gab diesen sehr restriktiven Ansatz zu einem guten Teil auf und versuchte stattdessen, zwischen der Bewahrung des UWG 2004 und einer transparenten Umsetzung der UGPRL zu vermitteln. Diese Kompromisslinie schlägt sich auch in § 3 nieder, der in seiner derzeitigen Fassung auf den Regierungsentwurf zum UWG 2008 zurückgeht und im späteren Gesetzgebungsverfahren nicht mehr problematisiert wurde.54 So anerkennt die Bundesregierung einerseits, dass es sich bei Art. 5 Abs. 1 und 2 UGPRL um ein wesentliches Element des Richtlinienkonzepts handele, und deshalb Umsetzungsbedarf insbesondere mit Blick auf eine Klarstellung gegenüber Marktteil-
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DiskE, UWG 2008, 2. DiskE, UWG 2008, 23 f. DiskE, UWG 2008, 17. Siehe BTDrucks. 16/10145, S. 37 ff.
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nehmern aus anderen Mitgliedstaaten der EU bestehe. Die Umsetzung erfolge in „§ 3 Abs. 1 und 2“; Art. 5 Abs. 3 UGPRL werde „in § 3 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 UWG“ umgesetzt.55 Schließlich werde das UWG um einen dem Anhang der UGPRL entsprechenden Annex ergänzt, da das UWG keinen vergleichbaren Katalog von Verboten ohne Wertungsvorbehalt enthalte.56 Anderseits werden aufgrund der Umsetzung keine „wesentlichen Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage“ erwartet. Denn sowohl das UWG als auch die UGPRL wendeten sich gegen solche Handlungen, die den anständigen Gepflogenheiten in Handel, Gewerbe, Handwerk oder selbständiger beruflicher Tätigkeit zuwiderlaufen. Hinsichtlich der Maßgeblichkeit des Durchschnittsverbrauchers entspreche das geltende Recht ebenfalls bereits den Vorgaben der Richtlinie. Auch Art. 5 Abs. 4, wonach unlauter insbesondere irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken sind, löse neben der erforderlichen Umsetzung der Artikel 6 bis 9 keinen eigenen gesetzgeberischen Handlungsbedarf aus.57 Im Einzelnen enthalte § 3 Abs. 1 eine „Neufassung der bisherigen lauterkeitsrechtlichen Generalklausel“. Das unklare Merkmal der Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil von Marktteilnehmern werde zugunsten der Einführung des Merkmals der Beeinträchtigung ihrer Interessen aufgegeben. Hiermit werde der sachliche und sprachliche Gleichklang zu den Regelungen in §§ 1 S. 2, 4 Nr. 11 und 8 Abs. 3 Nr. 2 hergestellt. Die Regelung ersetze ferner das sperrige Tatbestandsmerkmal der „nicht nur unerheblichen“ Beeinträchtigung durch das Kriterium der „Spürbarkeit“, das auch in der Definition der wesentlichen Beeinflussung des Verbraucherverhaltens in Artikel 2 lit. 3 UGPRL enthalten sei.58 Zu § 3 Abs. 2 führt die Begründung des Regierungsentwurf aus, die Generalklausel des § 3 Abs. 1 werde durch einen zweiten Absatz ergänzt, der der Umsetzung von Artikel 5 Abs. 2 und 3 UGPRL diene. In § 3 Abs. 2 S. 1 werde Artikel 5 Abs. 2 lit. a und b UGPRL insoweit umgesetzt, als dieser bestimme, dass eine geschäftliche Handlung unlauter ist, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und sie das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich beeinflussen kann. Dabei werde die Definition der „wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ gemäß Artikel 2 lit. e UGPRL berücksichtigt. § 3 Abs. 2 S. 2 setze Art. 5 Abs. 2 lit. b UGPRL um. Bei § 3 Abs. 2 S. 3 gehe es um die „Klarstellung“, dass auf das durchschnittliche Mitglied einer bestimmten Gruppe besonders schutzbedürftiger Verbraucher abzustellen ist, wenn die geschäftliche Handlung zwar nicht auf diese Verbrauchergruppe abzielt, es für den Unternehmer aber vorhersehbar war, dass seine geschäftliche Handlung das wirtschaftliche Verhalten gerade dieser Verbraucher beeinflussen werde.59 § 3 Abs. 3 verweise auf einen Anhang mit einer Liste geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, die ohne Rücksicht auf die nach der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel sonst maßgebliche Erheblichkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 und 2 stets unzulässig seien (Verbote ohne Wertungsvorbehalt). Auf eine spürbare Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen komme es dabei nicht an. Bei der Norm handele es sich um eine Ausnahme von dem sonst geltenden Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Gesetzes auf Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer. Die Aus-
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RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 15. RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 16. RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 15. RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 21; Sosnitza WRP 2008, 1014, 1018. RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 21.
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nahme sei gerechtfertigt, weil die auf Art. 5 Abs. 5 i.V.m. Anhang I UGPRL zurückgehende Regelung aus Gründen des Verbraucherschutzes besonders streng ausgefallen sei. Es sei nicht gerechtfertigt, den kaufmännischen Verkehr mit derart starren Regeln zu belasten.60 Als weitere Änderung im Vergleich zum UWG 2004 wurde in den §§ 4–7 jeweils die 40 Angabe „im Sinne von § 3“ gestrichen. Stattdessen ist in den §§ 4–6 nurmehr davon die Rede, dass „unlauter handelt“, wer die jeweils näher beschriebenen Handlungen vornimmt; § 7 ist sogar als eigenständiger primärer Verbotstatbestand ausgestaltet, der neben § 3 tritt. Diese strukturelle Änderung wird damit begründet, dass sie den unzutreffenden Eindruck erwecke, § 3 definiere den Begriff der Unlauterkeit. Tatsächlich ergäben sich aus § 3 nur die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine unlautere Handlung unzulässig sei. Die Bestimmungen der §§ 4 bis 7 einschließlich des Anhangs zu § 3 Abs. 3 enthielten sodann einen Katalog von Beispielen unlauteren Verhaltens.61 III. § 3 und die dogmatischen Grundlagen des Lauterkeitsrechts 1. Der Grundsatz gleicher Wettbewerbsfreiheit. Alle drei Absätze des § 3 erklären 41 unter den jeweils geregelten Voraussetzungen geschäftliche Handlungen für unzulässig. Damit statuiert § 3 wie § 7 ein primäres gesetzliches Verbot. Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, haftet auf die in den §§ 8 ff. vorgesehenen Rechtsfolgen. Aus einem Verstoß gegen primäre Verbotsnormen folgen sekundäre Ansprüche. Diese Struktur impliziert und setzt voraus, dass das Marktgeschehen jenseits der 42 Verbotsnormen jedenfalls nicht vollständig rechtlich determiniert ist. Ferner ist eine geschäftliche Handlung, die weder gem. § 3 noch gem. § 7 unzulässig ist, zumindest lauterkeitsrechtlich unbedenklich und damit legal. Und in der Tat ruht § 3 wie das Lauterkeitsrecht insgesamt auf der Grundnorm gleicher wirtschaftlicher Handlungsfreiheit aller Marktteilnehmer.62 Zurückführen lässt sich dieser „Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit“63 auf die deutschen und europäischen Grundrechte: Das allgemeine Freiheitsgrundrecht gem. Art. 2 Abs. 1 GG bildet i.V.m. Art. 12 Abs. 1 43 GG die grundrechtliche Basis der wirtschaftlichen Handlungs- bzw. Wettbewerbsfreiheit.64 Menschenwürde, Gleichheit vor dem Gesetz und allgemeine Handlungsfreiheit stellen den Ausgangs- und Angelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung dar.65 Demnach ist jeder Mensch um seiner selbst willen mit dem gleichen Anspruch auf Würde und Freiheit ausgestattet. Hierbei handelt es sich um das angeborene Menschenrecht, das in den klassischen Grundrechtstexten des 18. Jahrhunderts als Höchstwert genannt wird.66
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60 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 21. 61 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 22. 62 Zum Rechtsprinzip gleicher Freiheit im Kontext der Eigentumsordnung Peukert Gemeinfreiheit, S. 66 ff. 63 BGH 19.2.2009 – ZR 135/06 – WRP 2009, 803 Tz. 41 – ahd.de. 64 BVerfG 7.5.1969 – 2 BvL 15/67 – BVerfGE 25, 371, 407 = NJW 1969, 1203 – lex Rheinstahl; BVerfG 8.4.1997 – 1 BvR 48/94 – BVerfGE 95, 267, 303 = NJW 1997, 1974 – Altschulden. 65 BVerfG 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a. – BVerfGE 65, 1, 41 = NJW 1984, 419 – Volkszählung; BVerfG 15.2.2006 – 1 BvR 357/05 – BVerfGE 115, 118, 153 f., 159 = NJW 2006, 75 – Luftsicherheitsgesetz (es gehöre zum Wesen des Menschen, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten); Coing S. 153 (Freiheit und Gleichheit als Grundlagen der gesamten rechtlichen Entwicklung des modernen Staats). 66 Siehe Art. 1 Virginia Bill of Rights vom 12.6.1776 („That all men are by nature equally free and independent, and have certain inherent rights, of which, when they enter into a state of society, they cannot, by any compact, deprive or divest their posterity; namely, the enjoyment of life and liberty, with
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Auch für Kant ist die Freiheit im Sinne der „Unabhängigkeit von eines Anderen nöthigender Willkür“ das „einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht“.67 Die „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ wird als dem Staat vorausliegend ge44 dacht.68 Das Gefüge gleicher Freiheit aller Menschen wird von den staatlichen Organen vorgefunden und kann von ihnen nur noch verändert werden. Jede Modifikation gleicher Freiheit durch Hoheitsakte bedarf dann der Rechtfertigung und Rückbindung in der verfassungsmäßigen Ordnung. Dementsprechend ist der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG umfassend und lückenlos. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützt dieses Grundrecht nicht nur einen Kernbereich persönlicher Entfaltung, sondern alle Formen menschlichen Verhaltens in allen Lebensbereichen.69 Die allgemeine Handlungsfreiheit wird damit zum Auffanggrundrecht, nur auf Grund solcher Hoheitsakte mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind, und die einen angemessenen Spielraum belassen, sich frei entfalten zu können.70 In Art. 2 Abs. 1 GG ist damit das Verteilungsprinzip freiheitlicher Rechtsordnungen niedergelegt, wonach die Freiheit des Einzelnen prinzipiell unbegrenzt, die Befugnis des Staates zu Eingriffen hingegen prinzipiell begrenzt ist.71 45 Diese basalen Strukturen gelten auch für den europäischen Grundrechtsschutz. Obgleich weder die EMRK noch die GR-Charta ein geschriebenes, umfassendes Freiheitsgrundrecht wie Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Auslegung durch das BVerfG kennen, basieren diese Grundrechtstexte gleichfalls auf dem Verteilungsprinzip freiheitlicher Rechtsordnungen. Maßnahmen der EU bedürfen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung im Hinblick auf hiermit verbundene Freiheitseinschränkungen für den Einzelnen. Die von einem Unionsrechtsakt eingesetzten Mittel müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen.72 Genau dies ist die rechtliche Wirkung einer allgemeinen Handlungsfreiheit, die für die europäische Ebene folglich als aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten abgeleiteter, allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzuerkennen ist, der zudem von Art. 52 Abs. 1 GR-Charta vorausgesetzt wird.73
_____ the means of acquiring and possessing property, and pursuing and obtaining happiness and safety.“). Unabhängigkeitserklärung der USA vom 4.7.1776 („We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable rights, that among these are life, liberty and the pursuit of happiness.“). Artikel 1 Satz 1 der französischen Menschenrechtserklärung vom 26.8.1789 („Les hommes naissent et demeurent libres et égaux en droits.“). Ebenso die Naturrechtslehre des 17. Jahrhunderts; dazu Dreier ARSP 72 (1987), 159, 161. 67 Kant S. 237. 68 Böckenförde NJW 1974, 1529, 1530 ff. 69 BVerfG 16.1.1957 – 1 BvR 253/56 – BVerfGE 6, 32, 36 ff. – Elfes; BVerfG 6.6.1989 – 1 BvR 921/85 – BVerfGE 80, 137, 152 ff. – Reiten im Walde; BVerfG 8.4.1997 – 1 BvR 48/94 – BVerfGE 95, 267, 303 – Altschulden; a.A. Hesse Rn. 428. 70 Siehe etwa BVerfG 12.10.1994 – 1 BvL 19/90 – BVerfGE 91, 207, 221 – Hafengebühr. 71 Schmitt S. 126. 72 Art. 52 I GR-Charta; EuGH 9.11.2010 – C-92-93/09 – Slg. 2011, 0000 Tz. 65 ff., 74 – Schecke u. Eifert/Hessen m.w.N. 73 Siehe Art. 6 III EUV sowie EuGH 21.5.1987 – C-133-136/85 – Slg. 1987, 2289 Tz. 15–18 – Rau/ Bundesanstalt; EuGH 9.11.2010 – C-92-93/09 – Slg. 2011, 0000 Tz. 65 ff. – Schecke u. Eifert/Hessen; Grote/Marauhn/Richter EMRK/GG, Kap. 9 Rn. 18 f. Anders Callies/Ruffert Art. 6 GRCh Rn. 11; ferner Tettinger/Stern Art. 6 Charta Rn. 15 ff. m.w.N. (ein allgemeines Freiheitsgrundrecht sei in extensiver Interpretation aus dem Recht auf Freiheit und Sicherheit gem. Art. 6 EMRK/GR-Charta abzuleiten); a.A. insoweit Jarass Art. 6 Charta Rn. 6 m.w.N.; kritisch Lindner BayVBl. 2001, 523 ff.; Schmitz EuR 2004, 691, 708.
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Der Grundsatz gleicher Wettbewerbsfreiheit ist schließlich in den Grundfreiheiten des Unionsrechts verankert. Gem. Art. 26 Abs. 2 AEUV umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist. Da die Grundfreiheiten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH den Grundsatz darstellen,74 handelt es sich bei mitgliedstaatlichen Einschränkungen des grenzüberschreitenden Geschäftsverkehrs um eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme. Der Rechtsgrundsatz gleicher Freiheit verlangt auch bei der Regulierung des Marktverhaltens durch das Lauterkeitsrecht Beachtung. Im Einklang hiermit geht das BVerfG davon aus, dass die deutsche Rechtsordnung den grundsätzlich freien wirtschaftlichen Wettbewerb der Anbieter und Nachfrager als eines ihrer Prinzipien enthält.75 Folglich wird ein lauterkeitsrechtliches Verbot am Maßstab der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des Schuldners gemessen76 und mit der gleichrangigen Freiheit des Gläubigers in Einklang gebracht.77 Verbote auf der Basis des UWG dienen der Verwirklichung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG im rechtlich geordneten Wettbewerb.78 Auch der BGH geht von einem „Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit“ aus, der bei der Prüfung der Unlauterkeit zu berücksichtigen sei.79 Verstößt nun eine geschäftliche Handlung gegen § 3 oder § 7 und knüpft ein Gericht hieran Ansprüche nach §§ 8–10, schränkt ein Hoheitsträger (vgl. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) die individuelle Handlungsfreiheit des Anspruchsgegners ein und verändert damit zugleich das diesem Eingriff vorausliegende Gefüge gleicher Freiheit.80 Ein lauterkeitsrechtliches Verbot bedarf daher der Rechtfertigung. Es darf nur so weit gehen, wie es auf das Gesetz rückführbar und zudem geeignet, erforderlich und angemessen ist, um ein verfassungs- bzw. unionsrechtskonformes Ziel zu erreichen.81 Mit diesen basalen Strukturen wäre es unvereinbar, in Anwendung von § 3 bestimmte, positiv definierte Wettbewerbsstrukturen (z.B. Mittelstandsschutz) oder gar Wettbewerbsergebnisse herbeiführen zu wollen. Das UWG ist das Gesetz gegen unlauteren, nicht für lauteren Wettbewerb.82
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74 Siehe EuGH 7.2.1985 – C-240/83 – Slg. 1985, 531 Tz. 15 – Procureur de la République/ADBHU; EuGH 11.12.2007 – C-438/05 – Slg. 2007 I-10779 Tz. 75 – International Transport Workers’ Federation/Viking Line. 75 Siehe dazu BVerfG 8.2.1972 – 1 BvR 170/71 – BVerfGE 32, 311, 317 – Steinmetz-Wettbewerb; BVerfG 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u.a. – BVerfGE 50, 290, 336 – Mitbestimmung; BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242, 254 – Wettbewerbsverbot; Reuter AcP 189 (1989), 199, 207 f. 76 BVerfG 13.7.1992 – 1 BvR 310/90 – GRUR 1993, 751; BVerfG 13.7.1992 – 1 BvR 238/92 – GRUR 1993, 754; BVerfG 13.2.2004 – 1 BvR 2121/98 – NZG 2004, 616, 617 (§ 1 UWG 1909 als das Eigentum gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG beschränkendes Gesetz); Mees Mitt. 2004, 534, 535; entsprechend aus schweizerischer Sicht Jenny S. 144 ff. 77 BVerfG 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95, 1 BvR 1787/95 – BVerfGE 102, 347, 360 = GRUR 2001, 170 – Benetton-Werbung („Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung darf nicht dazu führen, dass Einzelne sich durch unzulässige Praktiken Vorteile im Wettbewerb verschaffen.“). 78 BVerfG 8.2.1972 – 1 BvR 170/71 – BVerfGE 32, 311, 317 ff., 319 = NJW 1972, 573 – Steinmetz-Wettbewerb; BVerfG 13.7.1992 – 1 BvR 310/90 – GRUR 1993, 751, 753; für Goodwill und den Unternehmensruf offengelassen von BVerfG 13.2.2004 – 1 BvR 2121/98 – NZG 2004, 616, 617; BGH 3.12.1998 – I ZR 119/96 – BGHZ 140, 134, 145 = GRUR 1999, 1128 – Hormonpräparate; BGH 29.3.2007 – I ZR 164/04 – GRUR 2007, 987, 988 – Änderung der Voreinstellung (ein Mitbewerber habe keinen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenstamms); Beater Rn. 13; Götting S. 14. 79 BGH 19.2.2009 – I ZR 135/06 – WRP 2009, 803 Tz. 41 – ahd.de; im Ergebnis auch Köhler/Bornkamm UWG Einl. Rn. 6.12. 80 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 90. 81 Wuttke WRP 2007, 119, 125; Köhler WRP 2012, 22, 25 f. Dieses Ziel ist gem. § 1 der Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb; zu diesem Grundsatz siehe § 1 Rn. 83 ff. 82 Apostolopoulos WRP 2005, 152, 154.
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2. Das Prinzip enumerativer Haftung: Nur unlauterer Wettbewerb ist verboten. Aus dem Grundsatz gleicher Wettbewerbsfreiheit folgt, dass geschäftliche Handlungen nur unter den Voraussetzungen und nur insoweit als unzulässig verboten werden dürfen, als dies in den §§ 3–7 gesetzlich vorgesehen ist. Ausgangspunkt lauterkeitsrechtlichen Denkens kann daher nicht die Einstandspflicht für jedwede Beeinträchtigung wettbewerblicher Entfaltung eines anderen Marktteilnehmers sein. Vielmehr stellt umgekehrt eine Haftung auf der Basis des UWG die begründungsbedürftige Ausnahme dar. Dieses Prinzip enumerativer Haftung ist seit jeher für das Lauterkeitsrecht anerkannt83 und entspricht der Struktur und dem Zweck des geltenden UWG. 51 Demnach ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt unter eines der abschließend geregelten Per-se-Verbote im Anhang zu § 3 oder in § 7 Abs. 2 fällt. In einem zweiten Schritt sind die Konkretisierungen der Unlauterkeit gem. §§ 3–6 bzw. der unzumutbaren Belästigung in § 7 Abs. 1 S. 2 anzuwenden. Erst dann darf ggf. auf die subsidiären Auffangtatbestände gem. § 3 Abs. 2 und 1 bzw. § 7 Abs. 1 S. 1 zurückgegriffen werden. Und auch in diesem Fall muss unter Berücksichtigung des Unrechtsgehalts der gesetzlichen Präzisierungen positiv festgestellt werden, ob eine unzulässige geschäftliche Handlung vorliegt.84 Diese Systematik bestätigt, dass das UWG zwar das gesamte Marktverhalten in all52 gemeiner Weise, aber eben doch nur enumerativ reguliert, indem unlautere geschäftliche Handlungen aus dem Wettbewerbsgeschehen herausgefiltert werden. Eine Positiv-Kontrolle des Geschäftsverkehrs widerspräche der von der Neufassung des Gesetzes 2004 angestrebten Liberalisierung des Lauterkeitsrechts, die eine restriktive Handhabung des Verbots unlauteren Wettbewerbs unter präziser Beachtung der hierfür erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen gebietet.85 53 Aus dem Prinzip enumerativer Haftung folgt ferner, dass Interessenbeeinträchtigungen und Vermögensschäden durch wettbewerbskonforme Ausübungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit grundsätzlich legal und hinzunehmen sind. Den Wettbewerb als selbststeuernden Ordnungsmechanismus und die aus ihm folgenden Zwänge soll das UWG gem. § 1 gerade ins Werk setzen und dauerhaft flankieren.86 Müsste sich umgekehrt jede geschäftliche Handlung vor einem positiven Maßstab der Lauterkeit rechtfertigen, würde letztlich ein dirigistisches System etabliert, das wirtschaftliche Aktivitäten im Einzelfall kontrolliert und ggf. gestattet.87
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83 Zum UWG 1909 und zur Diskussion um die Generalklausel siehe Stenographische Berichte über die Lesungen des UWG, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 6523 (ein Zuviel an Vorkehrungen gegen Missbräuche könne dem reellen Geschäftsmann unerwünschte Fesseln anlegen), 6524 (legitimen Handel nicht einengen), 6537 (Gefahr übergroßer Strenge der Richter sei gering), 6549 (Hinweis auf die überwiegende Lauterkeit des Verkehrs und Warnung vor Übertreibungen) (1. Lesung am 25.1.1909); 8436 (Warnung vor einer Übertreibung des Lauterkeitsgedankens auch im Interesse des Mittelstandes) (Bericht der 35. Kommission v. 5.5.1909, Nr. 1390 der Anlagen). Diesem Grundsatz entsprechen alle oben genannten Theorien zum UWG; siehe Böhm S. 100 ff.; Isay S. 54 ff.; Lobe S. 115 ff. (mit rechtsvergleichenden Hinweisen); rückblickend unter Einbeziehung der wirtschafts- und geistesgeschichtlichen Entwicklung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Schluep GRUR Int. 1973, 446, 449 ff. 84 Harte/Henning/Podszun § 3 Rn. 76. 85 Siehe § 1 Rn. 2 ff. 86 Köhler/Bornkamm UWG Einl. Rn. 1.21 f. 87 Siehe nur RG 24.1.1895 – VI 297/94 – RGZ 35, 166, 169; RG 21.4.1931 – IIb 7/31 – RGZ 132, 311, 317; Mestmäcker S. 19, 25 (Schäden, die sich Wettbewerber im redlichen Wettbewerb zufügen, seien nicht rechtswidrig); Callmann GRUR 1928, 251, 252; E. Ulmer in E. Ulmer/Beier Recht des unlauteren Wettbewerbs I, S. 38. Zur Genehmigungspflicht von Wirtschaftswerbung während der NS-Zeit Beater Rn. 312.
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Hiermit erklärt sich, weshalb es besonderer Umstände bedarf, um die Beein- 54 trächtigung eines Mitbewerbers als gezielte Behinderung einzuordnen.88 Der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit gebietet es, Produktimitationen nur zu verbieten, wenn die Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 gegeben sind oder eine allgemeine Marktstörung droht.89 Ferner ist das Abwerben fremder Mitarbeiter als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt und nur unter unlauteren Begleitumständen verbotswürdig.90 Mit Blick auf den Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit und die enumerative, be- 55 gründungsbedürftige Haftung kann das Lauterkeitsrecht durchaus als ein lückenloses System begriffen werden.91 Nicht gem. §§ 3–7 unzulässige geschäftliche Handlungen sind erlaubt; entsprechende Wettbewerbswirkungen sind hinzunehmen. Die Unterscheidung zwischen wettbewerbskonformen und wettbewerbsverfälschenden geschäftlichen Handlungen ist nach Maßgabe der gesetzlichen Tatbestände und gem. § 1 mit Blick auf die Erhaltung der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs vorzunehmen. Hingegen genügt es nicht, auf den Grundsatz „in dubio pro libertate“ zu verweisen, da die individuelle Handlungsfreiheit auch benutzt werden kann, um den Wettbewerb insbesondere durch Irreführungen und Aggressivität zu manipulieren.92 3. Sonderdeliktsrecht und Verhaltensunrecht a) Gemeinsamkeiten des allgemeinen Deliktsrechts und des UWG. Das allge- 56 meine Deliktsrecht des BGB beruht ebenfalls auf dem Rechtsgrundsatz gleicher Freiheit und dem Prinzip enumerativer Haftung für Vermögensschäden, die durch rechtswidriges Verhalten bei Dritten entstanden sind.93 Diese dogmatischen Parallelen lassen sich historisch darauf zurückführen, dass das Lauterkeitsrecht dem allgemeinen Deliktsrecht als Sondermaterie entwachsen ist. 94 In Frankreich hatte sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine Rechtsprechung zur concurrence illoyale auf der Basis des Art. 1382 Code Civile entwickelt.95 Dazu kam es in Deutschland insbesondere deshalb nicht, weil bis 1900 ein reichseinheitliches Deliktsrecht fehlte, das vom Reichsgericht auch nicht rechtsfortbildend entwickelt wurde.96
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88 BGH 21.2.2002 – I ZR 281/99 – GRUR 2002, 902 ,905 – Vanity-Nummer; BGH 17.5.2001 – I ZR 216/99 – BGHZ 148, 1, 5 = GRUR 2001, 1061 – Mitwohnzentrale.de; BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker; BGH 11.9.2008 – I ZR 74/06 – GRUR 2009, 173 Tz. 25 – bundesligakarten.de. 89 Siehe z.B. BGH 13.10.1965 – Ib ZR 111/63 – BGHZ 44, 288 Tz. 24, 36 – Apfel-Madonna; BGH 3.5.1968 – I ZR 66/66 – BGHZ 50, 125 Tz. 37 ff. – Pulverbehälter; BGH 28.10.2010 – I ZR 60/09 – BGHZ 187, 255 Tz. 28 – hartplatzhelden.de („Das Angebot gewerblicher Leistungen, die auf Arbeitsergebnissen von Mitbewerbern aufbauen, ist, wie beispielsweise die Zulässigkeit des Vertriebs von Ersatzteilen und Zubehör zu den Waren eines anderen zeigt, grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden.“); BGE 18.3.1982 – 108 II 69 ff.; Stang S. 283; rechtsvergleichend Ohly IIC 2010, 506 ff. m.w.N. Näher unten § 3 Rn. 476 ff. 90 Zu § 1 UWG a.F. BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01 – BGHZ 158, 174, 178 f. = GRUR 2004, 696 – Direktansprache am Arbeitsplatz I, m.w. Nachw.; BGH 11.1.2007 – I ZR 96/04 – GRUR 2007, 800 Tz. 14 – Außendienstmitarbeiter. 91 A.A. Beater Rn. 960. 92 Anders Harte/Henning2/Schünemann § 1 Rn. 39 ff., 43 m.w.N. 93 Näher Peukert Güterzuordnung, S. 311 ff., 527 ff. 94 Siehe auch Reichold AcP 193 (1993), 204, 228 (mit Hinweis auf die Entlastungsfunktion des § 1 UWG 1909 im Vergleich zum BGB-Deliktsrecht); Leistner S. 229 ff. 95 Dazu rechtsvergleichend nur E. Ulmer in E. Ulmer/Beier Recht gegen unlauteren Wettbewerb I, S. 1 ff. 96 In den Entscheidungen RG 30.11.1880 – II 295/80 – RGZ 3, 67, 68 f.; RG 29.4.1892 – II 61/92 – RGZ 29, 57, 60 f. lehnte das Reichsgericht eine Anwendung von Art. 1382 CC gegen eine vom Markenschutzgesetz 1874 und vom HGB nicht erfasste Kennzeichen- bzw. Firmenbenutzung ab, weil der Schutz von
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Folglich musste die Legislative tätig werden. Da sich der BGB-Gesetzgeber gegen eine „große“, auch auf Wettbewerbshandeln anwendbare Generalklausel entschieden hatte, man aber zunehmend die Notwendigkeit empfand, Auswüchse wettbewerblichen Verhaltens einzudämmen, entschied man sich 1896 für ein spezielles Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.97 Grundlegendes Ziel dieser Kodifikation war die Herstellung einer Ordnung des Wettbewerbs durch allgemeine Rechtspflichten, wie sie auch außerhalb des gewerblichen Verkehrs zu beachten waren.98 Die Bezugnahme auf das Deliktsrecht wurde im UWG 1909 noch deutlicher er58 kennbar. Erste Entwürfe knüpften für die Generalklausel noch direkt an § 826 BGB an und erweiterten diese Vorschrift nur im Hinblick auf Unterlassungsansprüche und die Aktivlegitimation.99 Zwar entschied man sich im Laufe der Beratung doch für eine eigenständige, lauterkeitsrechtliche Regelung, übernahm jedoch den zentralen Begriff der „guten Sitten“ aus § 826 BGB100 und verwendete auch sonst deliktsrechtliche Kategorien wie das Verschuldensprinzip und die Orientierung der gesetzlichen Tatbestände an rechtswidrigen Handlungen.101 59 An der Idee allgemeiner Verbote von unlauteren und unzumutbar belästigenden geschäftlichen Handlungen wurde in Gestalt von § 3 Abs. 2 und 1 sowie § 7 Abs. 1 S. 1 festgehalten. Sie entsprechen den gesetzlichen Verboten, die § 823 Abs. 2 deliktsrechtlich sanktioniert, während die §§ 8 ff. die spezifisch lauterkeitsrechtlichen Sanktionen bei Verstößen gegen §§ 3 und 7 vorsehen. Das Unionsrecht qualifiziert das Lauterkeitsrecht ebenfalls als eine deliktsrechtliche 60 Materie. Die Sondervorschriften der Rom-II-Verordnung zum auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten anwendbaren Recht finden sich im Kapitel über unerlaubte Handlungen.102 Hierbei handele es sich um „besondere unerlaubte Handlungen“, für die die allgemeine deliktsrechtliche Kollisionsnorm nicht zu einem angemessenen Interessenausgleich führe und die deshalb zu „präzisieren“
_____ Kennzeichen auch zivilrechtlich für das Deutsche Reich einheitlich und erschöpfend geregelt sei. Den Urteilen ist zu entnehmen, dass es dem Reichsgericht hauptsächlich um eine einheitliche Rechtslage im gesamten deutschen Reich ging. Dieser Zustand wäre nicht zu erreichen gewesen, wenn in Baden die Rechtsprechung zum Code Civil gegolten hätte, in Hamburg aber nicht. Zur abschließenden Regelung der Sanktionen im Patentgesetz 1870 in diesem Sinne RG 31.12.1898 – I 360/98 – RGZ 43, 56, 58; so auch HKWettbewerbsrecht/Klippel E 1 Rn. 13 (das Reichsgericht habe eine Rechtszersplitterung verhindern wollen und damit den Anwendungsbereich des Markenschutzgesetzes extrem ausgedehnt). Hingegen deutliche Kritik am begriffsjuristischen Vorgehen der Rechtsprechung während der Beratungen des UWG 1909, siehe Stenographischen Bericht über die 2. Lesung am 17.5.1909, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 8498 (Abgeordneter Dr. Bitter). 97 Siehe Kraft S. 93 ff. m.w.N. Zu den Gründen auch Bericht Reichstagskommission, S. 2 (die Richter seien an positive Beweisregeln gebunden, Laien könnten nicht an Entscheidungen mitwirken und dem Richter Kenntnisse des praktischen Geschäftsverkehrs vermitteln; es habe ein oberster Gerichtshof gefehlt, der die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sicherte); Osterrieth S. 16 (mangels fassbaren Rechtsgutes habe es lange gedauert, bis der Gesetzgeber einen Schutz gegen unlauteren Wettbewerbs normiert habe). 98 Bericht Reichstagskommission S. 2 ff.; Osterrieth S. 12 ff.; ferner Kraft S. 175 f. 99 Vorläufiger Entwurf UWG 1909, MuW 1907/1908, 48, 55 f. (lediglich gesetzliche Anordnung, dass Unterlassungsansprüche wegen drohender Verstöße gegen § 826 BGB nach Maßgabe des UWG zulässig seien); Entwurf UWG 1909, 9 f. 100 Siehe nur Schricker S. 186 m.w.N. 101 Siehe Schricker/Henning-Bodewig WRP 2001, 1367, 1378 (letzten Endes sei die lauterkeitsrechtliche Generalklausel mit den allgemeinen zivilrechtlichen Missbrachstatbeständen wie etwa § 826 BGB verwandt). 102 Siehe Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom-II-Verordnung. Zum deutschen IPR nur etwa BGH 30.6.1961 – I ZR 93/60 – BGHZ 35, 329, 333 ff. – Kindersaugflaschen; BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513, 515 – Arzneimittelwerbung im Internet m.w.N.
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sei.103 Auch die internationale Zuständigkeit für lauterkeitsrechtliche Ansprüche richtet sich nach den Vorschriften für unerlaubte Handlungen.104 Zutreffend wird das UWG daher als Sonderdeliktsrecht bezeichnet. 105 Wie die 61 §§ 823 ff. BGB grenzt das Lauterkeitsrecht bei Interessenkollisionen prinzipiell gleichrangige, individuelle Rechtskreise ab. Hierfür werden unzulässige geschäftliche Handlungen als Verhaltensunrecht untersagt. Der Schadensersatzanspruch gem. § 9 UWG dient dem Ausgleich von Vermögensschäden durch unlauteren Wettbewerb.106 Eine Gewinnabschöpfung kommt nur nach Maßgabe des § 10 in Betracht. Schließlich gilt die deliktsrechtliche Verjährungsregel des § 852 BGB für Ansprüche aus dem UWG entsprechend.107 b) Unterschiede zwischen allgemeinem Deliktsrecht und UWG. Die Unterschie- 62 de zwischen dem BGB-Deliktsrecht und dem UWG beziehen sich zunächst auf den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschriften. Während die §§ 823 ff. BGB prinzipiell jedes Verhalten erfassen, reguliert das UWG nur das Marktverhalten und genauer geschäftliche Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1.108 Gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, dass das „Sonderdeliktsrecht“ 63 UWG Ansprüche aus §§ 823 ff. stets verdrängt.109 Denn die Zwecke der beiden Regelungsbereiche und dementsprechend die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Sanktion divergieren. Das UWG hat gem. § 1 primär den Zweck, das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten. Mit Blick hierauf wird das Marktverhalten reguliert. Die Beeinträchtigung individueller Interessen bildet dabei lediglich den Ausgangspunkt. Auch ist ein Vermögensschaden nicht Voraussetzung für die Feststellung der Unzulässigkeit gem. §§ 3, 7 und die Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gem. § 8. Das Deliktsrecht des BGB dient hingegen primär der Gewährleistung bestimmter 64 individueller Rechtsgüter und Interessen. Dabei trägt zum Teil allein der negative Erfolg einer Rechtsgutsverletzung das Unwerturteil. Demgegenüber schützt das UWG – abgesehen von Verletzungen der Menschenwürde und bestimmten Eingriffe in die Privatsphäre – keine individuellen Rechtsgüter, sondern letztlich die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs.110 Ob eine geschäftliche Handlung mit Blick hierauf zu verbieten ist, setzt – wiederum abgesehen von den abschließend kodifizierten Per-se-Verboten
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103 ErwGrd. 19, 21 Rom-II-Verordnung; siehe auch Art. 6 Abs. 2 mit Verweis auf die allgemeine deliktsrechtliche Kollisionsnorm des Art. 4 Rom-II-Verordnung. 104 Siehe BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – BGHZ 162, 246, 249 = GRUR 2005, 519 – Vitamin-Zell-Komplex m.w.N.; ebenso zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ BGH 30.3.2006 – I ZR 24/03 – BGHZ 167, 91 = GRUR 2006, 513, 515 – Arzneimittelwerbung im Internet m.w.N. 105 Siehe nur etwa Köhler/Bornkamm UWG Einl. Rn. 7.2; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 26. Zum UWG 1909 ebenso BGH 14.5.1974 – VI ZR 48/73 – NJW 1974, 1503, 1505 (§ 32 ZPO erfasse auch Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht); BGH 24.4.1964 – Ib ZR 73/63 – BGHZ 41, 314, 315 – Lavamat I (unerlaubte Handlungen im weiteren Sinne); E. Ulmer in E. Ulmer/Beier Recht des unlauteren Wettbewerbs I, S. 35; a.A. Einleitung G Rn. 111. 106 Siehe zum UWG 1896 Bericht Reichstagskommission, S. 4 (der leitende Gedanke des Gesetzentwurfs sei es, den redlichen Wettbewerber gegen Schäden zu schützen, der ihm aus verwerflichen Operationen seines unlauteren Wettbewerbers erwachsen könne). 107 BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen m.w.N. 108 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, S. 15 f.; Lettl UWG Rn. 64. Zum UWG 1909 RG 12.4.1927 – II 425/26 – RGZ 117, 16, 2; BVerfG 8.2.1971 – 1 BvR 170/71 – BVerfGE 32, 311, 316 – Steinmetz-Wettbewerb. 109 A.A. oben Einleitung G Rn. 102 ff. (Schünemann). 110 Siehe oben § 1 Rn. 91 ff.; Keßler/Micklitz BB 2005/49, BB-Special 13, 1, 7; Hoeren WRP 2009, 789; a.A. Fezer/Fezer § 3 Rn. 185 f. (das UWG schütze Rechte der Verbraucher an bzw. im Hinblick auf ihre Privatund Intimsphäre bzw. die Konsumentensouveränität).
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gem. dem Anhang zu § 3 und § 7 Abs. 2 – stets eine umfassende Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und der tangierten Interessen voraus.111 Die Anwendbarkeit des UWG schließt daher einen Rückgriff auf das allgemeine De65 liktsrecht nur und insoweit aus, als die Gesichtspunkte, aufgrund derer die angegriffene geschäftliche Handlung für rechtswidrig gehalten wird, bereits vollständig im UWG Berücksichtigung gefunden haben. Werden weitergehende Rechts- und Interessenbeeinträchtigungen geltend gemacht, sind diese ggf. nach Maßgabe der §§ 823 ff. zu beurteilen. IV. Systematik des UWG und des § 3 UWG 66
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Die Regelungsdichte des europäischen und deutschen Lauterkeitsrechts erfordert eine sorgfältige Prüfung, anhand welcher Vorschrift die Unzulässigkeit einer geschäftlichen Handlung zu beurteilen ist. Dabei ist vor allen Dingen dem Grundsatz Rechnung zu tragen, dass spezielle Regelungen Vorrang vor allgemeinen Vorschriften genießen. Zunächst ist zu prüfen, ob das beanstandete Marktverhalten außerhalb des UWG eine spezielle Regelung in produkt-, medien- oder berufsspezifischen Gesetzen gefunden hat.112 Nur soweit hiergegen verstoßen wurde, und das betreffende Gesetz zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, kann dies gem. § 3 Abs. 2 oder 1 i.V.m. § 4 Nr. 11 zur Unlauterkeit führen. Doch auch das UWG selbst ist im Zuge der Reform 2004 und der Umsetzung der UGPRL 2008 immer weiter ausdifferenziert worden. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen § 3 und § 7, die jeweils die Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen anordnen und an die die Sanktionsnormen der §§ 8–10 alternativ anknüpfen (dazu 1). Soweit § 3 einschlägig ist, muss weiter geprüft werden, welcher der drei Absätze der Norm als Grundlage einer Sanktion zur Anwendung kommt. Zu beginnen ist mit den im Anhang des UWG aufgeführten, stets unzulässigen geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern gem. § 3 Abs. 3 (dazu 2). Soweit kein derartiges Per-se-Verbot vorliegt, ist zu entscheiden, ob die Unzulässigkeit auf § 3 Abs. 2 oder Abs. 1 zu stützen ist (dazu 3). In beiden Varianten sind darüber hinaus die vielfältigen Konkretisierungen der Unlauterkeit in den §§ 4–6 zu beachten. Ist eine geschäftliche Handlung nicht nach Maßgabe der §§ 4–6 unlauter, darf sie nicht aufgrund von dort bereits berücksichtigten Gesichtspunkten unmittelbar nach § 3 untersagt werden. Ein solches Ergebnis würde dem Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit und dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufen, im Einzelnen zu präzisieren, unter welchen Voraussetzungen eine geschäftliche Handlung unzulässig ist (dazu 4). Eigenständige Bedeutung erlangen die allgemeinen Vorschriften des § 3 Abs. 1 und 2 daher nur selten. Sie stellen keine (erst Recht keine „großen“) Generalklauseln, sondern subsidiäre Auffangklauseln zur Begründung der Unzulässigkeit geschäftlicher Handlungen dar.113 1. Das Verbot unzumutbarer Belästigungen gem. § 7
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a) Abgrenzung von § 3 und § 7. Anders als noch im UWG 2004 ist § 7 nunmehr als eigenständige, primäre Verbotsnorm neben § 3 ausgestaltet.114 Unzumutbare Belästi-
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Dazu unten § 3 Rn. 234 ff. Siehe Art. 3 UGPRL; MünchKommUWG/Micklitz EG E Rn. 63. Anders Piper/Ohly/Sosnitza Einf. A Rn. 10 (§ 3 Abs. 1 als große Generalklausel). RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 28; Beater WRP 2012, 6, 11.
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gungen sind nach Maßgabe des § 7 unzulässig; der Terminus der Unlauterkeit wird in der Vorschrift nicht verwendet. Auch im 2. Kapitel des UWG zu den Rechtsfolgen wird zwischen Zuwiderhandlungen gegen § 3 und gegen § 7 unterschieden.115 Die Abgrenzung zwischen beiden Vorschriften erfolgt nach Maßgabe des Vor- 72 wurfs, der gegen die geschäftliche Handlung erhoben wird.116 § 3 erklärt geschäftliche Handlungen für unzulässig, weil das Marktverhalten als solches irreführt, aggressiv ist oder anderweitig den Wettbewerb zu verfälschen droht. Bei § 3 steht mithin der Inhalt und Aussagegehalt bzw. die inhärente Wirkung einer geschäftlichen Handlung in Rede. Es kommt nicht darauf an, unter Verwendung welcher Methoden sie vermittelt wird. Unter § 7 fallen hingegen geschäftliche Handlungen, „durch die“ Marktteilnehmer 73 unzumutbar belästigt werden (vgl. Abs. 1 S. 1). Es geht um Sachverhalte, bei denen das Marktverhalten unabhängig von seinem Gehalt allein aufgrund der Art und Weise seiner Präsentation als Belästigung empfunden wird. Die Belästigung besteht darin, dass ein Angebot den Empfängern „in unzumutbarer Weise“, also unter Verwendung bestimmter Methoden der Absatzförderung aufgedrängt wird.117 Hierzu zählen insbesondere die in Absatz 2 aufgezählten Formen der Wirtschaftswerbung sowie das Ansprechen in der Öffentlichkeit oder die „Scheibenwischerwerbung“.118 Was auf Plakaten oder auf Internetseiten vollkommen legal sein mag, kann aufgrund solch aufdringlicher Methoden gem. § 7 unzulässig sein. Ist eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer 74 Weise belästigt wird, zugleich als solche irreführend oder ihrem Inhalt nach sonst unlauter, liegt des Weiteren ein Verstoß gegen § 3 vor. Dieser Streitgegenstand steht unabhängig neben dem Vorwurf, dass die betreffende Werbung zudem auch noch in unzumutbar belästigender Weise vermittelt wurde (§ 7). b) Die abweichende Konzeption der UGPRL. Die UGPRL unterscheidet anders 75 als das deutsche Recht nicht zwischen ihrem Inhalt nach und ihrer Art und Weise nach unlauteren Geschäftspraktiken. Vielmehr umfassen die Art. 8 und 9 UGPRL zu aggressiven Geschäftspraktiken einerseits sowohl Belästigungen, Nötigungen, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, als auch andererseits sonstige „unzulässige Beeinflussungen“, z.B. in Form drohender oder beleidigender Formulierungen. Letztgenannte Beeinflussungen wären im deutschen Recht an § 4 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 zu messen.119 Die im Anhang I Nr. 26 UGPRL geregelte aggressive Geschäftspraktik wurde hingegen in § 7 Abs. 2 Nr. 1 umgesetzt. Damit steht die UGPRL quer zur Zweiteilung des deutschen Lauterkeitsrechts. 76 Die Richtlinie differenziert nicht danach, ob eine Geschäftspraktik als solche oder aufgrund ihrer Vermittlung verbotswürdig ist, sondern ob sie irreführt oder aggressiv ist. Diese Unterscheidung orientiert sich an der Auswirkung des Verhaltens auf die freie Entscheidung des Konsumenten. Irreführungen manipulieren die Entscheidungsgrundlage, Aggressivität den Entscheidungsprozess. Es sollte erwogen werden, diese im Übrigen auch für § 3 maßgebliche Zweiteilung in das UWG zu übernehmen.
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115 Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 43 Rn. 21; kritisch Sosnitza WRP 2008, 1014, 1019. 116 Zur teilweise vom Grundsatz wettbewerbsfunktionaler Auslegung gem. § 1 abweichenden Teleologie des § 7 Abs. 2 siehe § 1 Rn. 140 ff. 117 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, S. 20; Beater Rn. 2428. 118 RegE UWG 2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 29; ferner RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, S. 20 f. (Aufforderungen zur Abgabe von Meinungsäußerungen, wenn hierfür eine Mehrwertdiensterufnummer gewählt werden muss). 119 Siehe dazu Köhler WRP 2012, 638, 640.
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2. Stets unzulässige geschäftliche Handlungen gem. § 3 Abs. 3 UWG. Richtet sich der Vorwurf gegen den Inhalt einer geschäftlichen Handlung unabhängig von der Art und Weise ihrer Vermittlung, ist § 3 anzuwenden. Hier wie bei der Anwendung von § 7 ist nunmehr nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali zu verfahren. Demnach sind zunächst die in § 3 Abs. 3 i.V.m. dem Anhang zum UWG (bzw. die in § 7 Abs. 2120) abschließend geregelten Fälle „stets“ unzulässiger geschäftlicher Handlungen zu prüfen. § 3 Abs. 3 und der Anhang zum UWG dienen der Umsetzung von Art. 5 Abs. 5 und des 78 Anhangs I der UGPRL.121 Die Vorschriften sind demgemäß nur auf geschäftliche Handlungen „gegenüber Verbrauchern“ anwendbar; im unternehmerischen Geschäftsverkehr sollen sie nach dem ausdrücklich bekundeten Willen des Gesetzgebers nicht gelten.122 Liegt ein im Anhang aufgeführter Tatbestand vor, ist das Marktverhalten „stets“ 79 bzw. „unter allen Umständen“, und das heißt ohne eine Beurteilung des Einzelfalls, ohne Interessenabwägung und Spürbarkeitsprüfung, als unlauter anzusehen.123 Einerseits wird die lauterkeitsrechtliche Haftung hiermit verschärft, da sich eine Ergebniskontrolle anhand einer umfassenden Interessenabwägung verbietet. Andererseits ist die Liste der Per-se-Verbote abschließend. Anhang I UGPRL und damit auch der Anhang zum UWG zählen geschäftliche Handlungen, die ohne eine Einzelfallprüfung verboten werden dürfen, abschließend auf.124 Untersagt das mitgliedstaatliche Lauterkeitsrecht ein Wettbewerbsverhalten allgemein, ohne dass anhand des tatsächlichen Kontextes des Einzelfalls geprüft werden müsste, ob das fragliche Verhalten nach allgemeinen Kriterien „unlauter“ ist, und ist dieses Verhalten nicht in der „schwarzen Liste“ des Anhangs I UGPRL aufgeführt, so entspricht dies nicht den Anforderungen der Richtlinie. Geschäftspraktiken, die nicht unter den Anhang fallen, „dürfen … nicht unter allen Umständen, sondern nur nach einer konkreten Beurteilung untersagt werden, anhand deren ihr unlauterer Charakter festgestellt werden kann“.125 Europarechtswidrig sind daher etwa die Vermutung der Rechtswidrigkeit von Kopplungsangeboten126 oder das allgemeine Verbot der Ankündigung von Preisermäßigungen.127 Aus diesen europarechtlichen Vorgaben und ihrer Umsetzung folgt, dass immer in 80 einem ersten Schritt zu prüfen ist, ob die angegriffene Verhaltensweise einen im Anhang aufgelisteten Tatbestand erfüllt. Dann, aber auch nur dann kann eine geschäftliche Handlung ohne weitere Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und sonstiger Wertungen als unzulässig untersagt werden. Liegt kein Fall eines Per-se-Verbots vor, kann sich die Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlung aber immer noch aus § 3 Abs. 2 oder Abs. 1 ergeben. 81
3. § 3 Abs. 2 als Umsetzung von Art. 5 Abs. 1–4 UGPRL. Wie § 3 Abs. 3 betrifft auch § 3 Abs. 2 „geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern“ und damit offenbar nur einen Ausschnitt des vom UWG insgesamt erfassten Marktverhaltens. Schreitet man vom Speziellen zum Allgemeinen fort, stellt sich die außerordentlich umstrittene Frage
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120 Dazu RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 28. 121 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 21. 122 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 21; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 29. 123 Dazu unten § 3 Rn. 697 ff. 124 EuGH 23.4.2009 – verb. Rs. 261/07 und 299/07 – Slg. 2009 I-2949 Tz. 52 ff. – VTB-VAB und Galatea; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010 I-217 Tz. 45, 48 f. – Plus. 125 EuGH 9.11.2010 – C-540/08 – Slg. 2010 I-10909 Tz. 36 – Mediaprint; EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – Slg. 2011, 0000 Tz. 38 – Wamo/JBC. 126 EuGH 23.4.2009 – verb. Rs. 261/07 und 299/07 – Slg. 2009 I-2949 Tz. 59 – VTB-VAB und Galatea. 127 EuGH 30.6.2011 – C-288/10 – Slg. 2011, 00000 Tz. 39 – Wamo/JBC.
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nach dem Anwendungsbereich und Verhältnis von § 3 Abs. 2 zu § 3 Abs. 1, der unlautere geschäftliche Handlungen generell für unzulässig erklärt, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.128 Schon in der Bezeichnung des § 3 Abs. 2 ist man sich nicht einig. Manche sprechen 82 von einer „Verbrauchergeneralklausel“129, andere von einer „speziellen“ Generalklausel.130 Die Entstehungsgeschichte des § 3 trägt zur Klärung des Verhältnisses der beiden Regelungen wenig bei. So heißt es zum einen, die Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 und 2 UGPRL erfolge in „§ 3 Abs. 1 und 2 UWG-E“.131 Zum anderen führt die Erläuterung des Regierungsentwurfs aus, die „Generalklausel“ in Abs. 1 werde durch einen zweiten Absatz „ergänzt, der der Umsetzung von Artikel 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie“ diene.132 a) Spezielle Bagatellklausel? Nach einer Auffassung formuliert § 3 Abs. 2 vor allen 83 Dingen eine besondere Spürbarkeitsschwelle. Die fragliche geschäftliche Handlung müsse nicht nur geeignet sein, die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung spürbar zu beeinträchtigen, sondern auch geeignet sein, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, auf die er andernfalls verzichtet hätte. Da diese Voraussetzung nach Maßgabe der UGPRL stets gegeben sein müsse, bedürfe die Bagatellklausel des § 3 Abs. 1 bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern immer einer zusätzlichen Prüfung anhand der Vorgaben des § 3 Abs. 2.133 Soweit § 3 Abs. 2 demnach schon der Charakter als eigenständiger Verbotstatbe- 84 stand abgesprochen wird, ist dieser Meinung nicht zu folgen. § 3 Abs. 2 S. 1 erklärt geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern unter bestimmten Voraussetzungen – ebenso wie Abs. 3 und Abs. 1 – für unzulässig. Zu diesen Voraussetzungen zählt neben der Auswirkung auf den Konsumenten ein Widerspruch zur für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt (§ 2 Abs. 1 Nr. 7). All diese Tatbestandsmerkmale sind der UGPRL entnommen, die mit einer von § 1 85 abweichenden Perspektive und unter autonom-unionsrechtlichen Voraussetzungen Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern reguliert. Wie § 3 Abs. 3 trägt § 3 Abs. 2 allein und ohne Rückgriff auf Abs. 1 ein Verbot geschäftlicher Handlungen. Diese Einordnung gebietet die vom Gesetzgeber gewollte, transparente Umsetzung zumindest der zentralen Konzepte der UGPRL.134 Auch der BGH unterscheidet § 3 Abs. 1 und 2. Demnach betreffe Abs. 1 „geschäftliche Handlungen im Verhältnis der Unternehmen zueinander“, Abs. 2 hingegen „geschäftliche Handlung[en] gegenüber Verbrauchern“.135 b) Konkretisierung und Ergänzung des § 3 Abs. 1? Eine weitere Auffassung aner- 86 kennt zwar, dass § 3 Abs. 2 mehr darstellt als eine spezielle Bagatellklausel. Allerdings
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128 Beater Rn. 1055; Drexl in Hilty/Henning-Bodewig S. 240 f. 129 Sosnitza WRP 2008, 1014. 130 Boesche Rn. 173. 131 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 15 (Hervorh. v. Verf.). 132 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 22; Matutis § 3 Rn. 15. 133 Emmerich Unlauterer Wettbewerb, § 5 Rn. 47 ff., insbes. Rn. 49 (doppelte Eignungsprüfung). 134 Nordemann/Götting/Wirtz § 3 Rn. 8, 49 (strenge Unterscheidung); Sosnitza WRP 2008, 1014, 1018; Gloy/Loschelder/Erdmann § 3 Rn. 11; Schöttle GRUR 2009, 546, 548 (es seien aber keine „wesentlichen Änderungen“ zu erwarten). 135 BGH 5.2.2009 – I ZR 119/06 – GRUR 2009, 876 Tz. 26 – Änderung der Voreinstellung II; siehe auch OLG Frankfurt a.M. 20.10.2011 – 6 U 40/11 – WRP 2012, 228 Tz. 8 – Irreführende Gestaltung einer Nährwerttabelle (§ 3 Abs. 2 UWG und Verbraucher irreführende Angaben); juris-PK/Ullmann § 3 Rn. 7.
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seien die beiden allgemein formulierten Verbotstatbestände in Abs. 1 und 2 im Sinne einer gegenseitigen Konkretisierung und Ergänzung parallel anzuwenden.136 Das Gebot, die fachliche Sorgfalt einzuhalten, sei bei der Unlauterkeitsprüfung gem. § 3 Abs. 1 „mitzulesen“, soweit die Vollharmonisierung der UGPRL reiche.137 Auch der Umsetzungsgesetzgeber scheint dieser Kombinationslösung zugeneigt zu haben, da die Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 und 2 UGPRL in § 3 Abs. 1 „und“ 2 UWG erfolgt sein soll138 und Abs. 2 die Generalklausel des Abs. 1 „ergänzt“.139 Geht man weiterhin davon aus, dass beide Absätze im Hinblick auf Verbraucher identische Maßstäbe setzen, führt dies in letzter Konsequenz sogar dazu, Abs. 2 für überflüssig zu erklären.140 Auch diese Lesart des § 3 ist abzulehnen. Richtig ist zwar, dass die Struktur des UWG bei der Umsetzung der UGPRL unverändert bleiben sollte. Hierzu zählte insbesondere die Idee einer lauterkeitsrechtlichen Generalklausel. Zugleich allerdings hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die wesentlichen Elemente der UGPRL ausdrücklich in deutsches Recht zu übernehmen. Dies ist im Hinblick auf Art. 5 UGPRL in § 3 Abs. 3 i.V.m. dem Anhang sowie in § 3 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 7 geschehen. Wenn diese Umsetzung überhaupt ihren Zweck erfüllen soll, die Geltung der Vorgaben der UGPRL in Deutschland transparent zu machen, dann muss § 3 Abs. 2 wie Abs. 3 als eigenständiger Verbotstatbestand anerkannt werden.141 Die Vorschriften verweisen weder explizit noch implizit durch Verwendung des Begriffs der Unlauterkeit auf Abs. 1, sondern legen die Voraussetzungen für die Unzulässigkeit einer geschäftlichen Handlung anhand unionsrechtlicher Kriterien fest. Diese Kriterien weichen in der Sache von Absatz 1 ab. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Spürbarkeit, die im Anwendungsbereich von Absatz 3 gar nicht und im Anwendungsbereich des Abs. 2 nach den dort wiederum abweichend von Absatz 1 kodifizierten Vorgaben zu prüfen ist.142 Generell reguliert die UGPRL den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern nicht unter gleichrangiger Berücksichtigung der Interessen aller Marktteilnehmer, sondern primär aus der Perspektive und im Interesse der Konsumenten.143 Auch dieser Perspektivwechsel ist in transparenter Weise nachzuvollziehen, zumal der deutsche Gesetzgeber selbst der Auffassung war, dass die UGPRL hinter dem umfassenden Konzept der §§ 1, 3 Abs. 1 zurückbleibt.144 Ohnehin erlaubt die vollständige Rechtsangleichung durch die UGPRL keine abweichende Beurteilung. Das deutsche Recht darf – soweit die Vollharmonisierung reicht – weder hinter dem Verbraucherschutzniveau der Richtlinie zurückbleiben noch darf es auf der Basis des § 3 Abs. 1 Geschäftspraktiken verbieten, die nach der UGPRL
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136 Beater Rn. 1118; Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 43 Rn. 24; im Ergebnis wohl auch Harte/ Henning/Podszun § 3 Rn. 46 ff.; für den Rechtsbruch im B2C-Bereich B2C Köhler WRP 2010, 1293, 1302 (in diesem Fall sei § 3 II 1 neben § 3 I heranzuziehen); für das Verhältnis zwischen UGPRL und IrreführungsRL 2006/114 Gamerith WRP 2005, 391, 427 f. 137 juris-PK/Ullmann § 3 Rn. 19; wohl auch Glöckner in Hilty/Henning-Bodewig S. 252 f. 138 Siehe auch BGH 1.7.2010 – I ZR 161/09 – GRUR 2011, 163 Tz. 21 – Flappe („Das beanstandete Verhalten der Bekl. verstößt auch nicht gegen § 3 I und II, § 4 Nr. 3 UWG …“). 139 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 15, 22. 140 Scherer WRP 2010, 586 ff. 141 Gegen Scherer WRP 2010, 586, 592; insofern zutreffend Köhler WRP 2010, 1293, 1296. 142 Fezer WRP 2010, 677, 684 f. 143 Dazu oben § 1 Rn. 123 ff. 144 Zutreffend Drexl in Hilty/Henning-Bodewig S. 255; anders in der Tendenz Glöckner in Hilty/HenningBodewig S. 252 f.
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nicht unlauter sind.145 Es ergibt folglich auch im Ergebnis gar keinen Sinn, die in § 3 Abs. 2 kodifizierten Vorgaben der UGPRL in den abweichenden Wortlaut des Abs. 1 „hineinzulesen“. Solche Versuche, überkommene dogmatische Strukturen zu retten, sind in Anbetracht des Vorrangs des Unionsrechts zum Scheitern verurteilt. c) § 3 Abs. 2 als Auffangtatbestand im Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 UGPRL? Eine dritte Lehrmeinung geht denn auch davon aus, dass § 3 Abs. 2 einen eigenständigen Tatbestand darstellt, der von § 3 Abs. 1 zu unterscheiden ist.146 Allerdings soll sich sein Anwendungsbereich auf die sehr seltenen Fälle beschränken, die unmittelbar nach Maßgabe der Generalklausel des Art. 5 Abs. 1 UGPRL zu beurteilen sind. Das Verbot des § 3 Abs. 2 S. 1 komme erst und nur dann zur Anwendung, wenn eine geschäftliche Handlung weder den Tatbestand des § 3 Abs. 3 noch den Tatbestand einer irreführenden geschäftlichen Handlung i.S.d. § 4 Nr. 3–5, § 5, § 5a Abs. 2–4 noch den Tatbestand einer aggressiven geschäftlichen Handlung i.S.d. § 4 Nr. 1 und 2 erfülle, deren Unzulässigkeit sich aus § 3 Abs. 1 ergebe. Das Verbot irreführender und aggressiver Geschäftspraktiken gem. Art. 5 Abs. 4 und Art. 6–9 UGPRL sei nämlich in §§ 4–5a UWG umgesetzt worden. Hierbei handele es sich jeweils um abschließende, völlig selbständige Tatbestände, die einen Rückgriff auf die Generalklausel des Art. 5 Abs. 1, 2 UGPRL und damit auch auf § 3 Abs. 2 S. 1 ausschlössen, weil die in den Art. 6–8 UGPRL formulierten Anforderungen an die geschäftliche Relevanz von der allgemeinen Spürbarkeitsschwelle des Art. 5 Abs. 2 lit. b UGPRL abwichen. Das Wort „jedenfalls“ in § 3 Abs. 2 S. 1 bringe die Subsidiarität der Norm zum Ausdruck und besage, dass die Vorschrift nur solche geschäftlichen Handlungen verbiete, die nicht schon nach anderen Regelungen des UWG unzulässig seien. Schließlich operiere nur § 3 Abs. 1 mit dem Terminus der Unlauterkeit, an den die §§ 4–6 allesamt anknüpften. Im Harmonisierungsbereich der UGPRL seien diese Vorschriften dann allerdings richtlinienkonform nach Maßgabe der in 3 Abs. 2 niedergelegten Kriterien auszulegen.147 Bereits die letztgenannte Konzession lässt erhebliche Zweifel aufkommen, ob diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers Rechnung trägt, die „wesentlichen Elemente“ der UGPRL transparent umzusetzen. § 3 Abs. 2 dient der Umsetzung der Art. 5 Abs. 1–3 UGPRL.148 Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 4 UGPRL hat der deutsche Gesetzgeber zwar keinen „eigenständigen“ Umsetzungsbedarf gesehen.149 Das aber bedeutet noch keineswegs, dass die Art. 6–9 UGPRL gerade i.V.m. § 3 Abs. 1 zu realisieren wären. Diese Auffassung widerspricht vielmehr dem Konzept der UGPRL. Gem. ErwGrd. 11 S. 2 UGPRL stellt die Richtlinie ein „einziges generelles Verbot jener unlauteren Geschäftspraktiken auf, die das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers beeinträchtigen“.150 Nach ErwGrd. 13 UGPRL ersetzt dieses Verbot die in den Mitgliedstaaten existierenden unterschiedlichen Generalklauseln und Rechtsgrundsätze; es wird „durch Regeln
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145 Anders offenbar juris-PK/Ullmann § 3 Rn. 11 (Nebeneinander der Generalklauseln). 146 Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 8a. 147 Köhler WRP 2010, 1293, 1295 ff.; Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 8 und öfter; Köhler GRUR-Prax 2009, 47; Köhler WRP 2012, 638, 640; für § 4 Nr. 11 UWG tendenziell anders aber Köhler WRP 2012, 22, 29 („Von da wäre es nur ein kleiner Schritt, bei einem Verstoß gegen Marktverhaltensregelungen i. S. des § 4 Nr. 11 UWG den § 3 Abs. 2 S. 1 UWG neben oder sogar anstatt des § 3 Abs. 1 UWG anzuwenden. Dieser Weg ist grundsätzlich gangbar.“); Schöttle GRUR 2009, 546, 550; ferner Nordemann Rn. 111; Scherer WRP 2010, 586, 589; wohl auch Peifer Lauterkeitsrecht, Rn. 28 (zu § 3 Abs. 1 subsidiäre Auffangklausel, die verfassungsrechtliche Wertvorstellungen umsetzbar mache). 148 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 15, 21. 149 RegE UWG 2008, BTDrucks. 16/10145, S. 15. 150 Fezer/Fezer Einleitung E Rn. 133, § 3 Rn. 24, 32.
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über die beiden bei weitem am meisten verbreiteten Arten von Geschäftspraktiken konkretisiert, nämlich die irreführenden und die aggressiven Geschäftspraktiken.“ In der Tat spricht nur Art. 5 Abs. 1 UGPRL ein Verbot aus. Schon deshalb müssen die Art. 6–9 UGPRL hiermit verknüpft sein. Ihrem Wortlaut nach konkretisieren sie, wann eine irreführende oder aggressive Geschäftspraktik gegeben ist, die gem. Art. 5 Abs. 4 UGPRL „insbesondere“ unlauter und daher gem. Art. 5 Abs. 1 UGPRL verboten ist. Auch nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des EuGH bildet Art. 5 UGPRL eine Einheit, die in drei Konkretisierungsstufen definiert, wann eine Geschäftspraktik unlauter und damit zu verbieten ist. Ist keine unter allen Umständen zu untersagende Geschäftspraktik gegeben (Anhang I i.V.m. Art. 5 Abs. 5 UGPRL), legt Art. 5 Abs. 4 UGPRL zwei präzise Kategorien von Geschäftspraktiken fest, die „insbesondere“ als unlauter anzusehen sind.151 Liegen die Voraussetzungen der Art. 6–9 UGPRL vor, braucht nicht geprüft zu werden, ob eine solche Praxis auch den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. a UGPRL widerspricht, um sie als unlauter und mithin nach Art. 5 Abs. 1 UGPRL verboten ansehen zu können.152 Der BGH geht ebenfalls davon aus, dass Art. 5 Abs. 1 UGPRL in § 3 Abs. 2 umschrieben wird und „die aggressive und die irreführende Werbung als nicht erschöpfende Fallgruppen umfasst“.153 Die einheitliche Struktur der Unlauterkeit erstreckt sich nicht nur auf die fachliche Sorgfalt gem. Art. 5 Abs. 2 lit. a UGPRL, sondern auch auf das in Art. 5 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 2 lit. e UGPRL niedergelegte Relevanzkriterium.154 Nach diesen allgemeinen Regelungen muss eine Geschäftspraktik die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, tatsächlich oder potentiell spürbar beeinträchtigen, was bedeutet, dass der Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wird bzw. werden kann, die er andernfalls nicht getroffen hätte. In völliger Übereinstimmung hiermit gilt eine Geschäftspraxis gem. Art. 6 Abs. 1 UGPRL als irreführend und damit gem. Art. 5 Abs. 4 als unlauter, wenn sie den Durchschnittsverbraucher „täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist und ihn in jedem Fall tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte“. Diese festgestellte oder potentielle Manipulation des Entscheidungsverhaltens des Konsumenten muss auch bei einer aggressiven Geschäftspraktik gem. Art. 8 f. UGPRL gegeben sein.155 Folglich gebieten auch die konkretisierten Spürbarkeitsschwellen der Art. 6–9 UGPRL keine vollständige Trennung dieser Vorschriften von der allgemeinen Verbotsnorm in Art. 5 UGPRL.156 Wenn aber die UGPRL einen einheitlichen Begriff der Unlauterkeit verwendet, der in den Art. 6–9 sowie im Anhang I im Interesse der Rechtssicherheit und der Harmonisierungswirkung präzisiert wird, dann ist dieses Konzept auch für die Umsetzung im
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151 EuGH 23.4.2009 – verb. Rs. 261/07 und 299/07 – Slg. 2009 I-2949 Tz. 53 ff. – VTB-VAB und Galatea; EuGH 14.1.2010 – C-304/08 – Slg. 2010 I-217 Tz. 42 ff. – Plus; EuGH 9.11.2010 – C-540/08 – Slg. 2010 I-10909 Tz. 31 ff. – Mediaprint; Fezer WRP 2010, 677, 681. Köhler stellt dieser Einheit eine – unverständliche – Unterscheidung von „Subsumtion“ unter Art. 5 UGPRL und „Auslegung“ der UGPRL entgegen; siehe Köhler WRP 2010, 1293, 1298. 152 Zu Art. 6 Abs. 1 UGPRL EuGH 19.9.2013 – C-435/11 – Slg. 2013 0000 Tz. 48 – CHS Tour Services. 153 BGH 5.6.2008 – I ZR 4/06 – GRUR 2008, 807 Tz. 20 – Millionen-Chance I; Beater Rn. 1116; auch Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 37 („besondere Erscheinungsformen“). 154 A.A. insbesondere Köhler, o. Rn. 94. 155 So auch Köhler WRP 2012, 251, 253. 156 So auch Vorschlag UGPRL, KOM (2003) 356 endgültig, S. 10 („dieselben Tatbestandsmerkmale“), 16 (Merkmal der „Wesentlichkeit“ in Art. 6 und 8 enthalten); EuGH 19.9.2013 – C-435/11 – Slg. 2013 0000 Tz. 43 – CHS Tour Services.
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UWG maßgeblich. Andernfalls drohen nationale Abweichungen vom „einzigen und generellen“, vollharmonisierenden Verbot unlauterer Geschäftspraktiken.157 Folglich ist § 3 Abs. 2 nicht nur auf die sehr seltenen Fälle anwendbar, in denen die Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung gegenüber Verbrauchern unmittelbar auf die Umsetzung des allgemeinen Verbots in Art. 5 Abs. 1 UGPRL zurückgeht. Vielmehr ist die Vorschrift für den gesamten Harmonisierungsbereich der UGPRL 102 maßgeblich. Soweit die Art. 6–9 UGPRL in den §§ 4–5a umgesetzt wurden, ergibt sich die Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlung aus § 3 Abs. 2.158 Für den Bereich der irreführenden Unterlassungen ordnet § 5a Abs. 2 dies ausdrücklich an.159 Nur dieses Ergebnis gewährleistet eine transparente Umsetzung der wesentlichen Elemente der UGPRL, während die Gegenauffassung den weder methodisch noch praktisch gangbaren Weg bevorzugt, die Vorgaben des § 3 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 7 in die weiterhin für maßgeblich erklärte deutsche Regelung des § 3 Abs. 1 „hineinzulesen“.160 Für die hier vertretene Auffassung spricht schließlich die Formulierung in § 3 Abs. 2 103 S. 1, wonach eine geschäftliche Handlung „jedenfalls“ unzulässig ist.161 Das Wort „jedenfalls“ bringt die Prüfungsreihenfolge nach Maßgabe abnehmender Spezialität zum Ausdruck. Die im Anhang aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind „stets“ unzulässig (§ 3 Abs. 3). Liegt ein solcher Fall nicht vor, sind geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern „jedenfalls“ – und das heißt einerseits subsidiär zu § 3 Abs. 3, aber zugleich speziell im Verhältnis zu § 3 Abs. 1, der im Prinzip auf sämtliche geschäftlichen Handlungen anwendbar ist – gem. § 3 Abs. 2 unzulässig.162 d) § 3 Abs. 2 als Umsetzung von Art. 5 Abs. 1–4 UGPRL. Fezer zieht aus dem Kon- 104 zept der UGPRL und der Umsetzung des Art. 5 UGPRL in § 3 Abs. 2 und 3 im Ansatz zutreffende, im Einzelnen jedoch zu weitreichende bzw. präzisierungsbedürftige Folgerungen. Demnach erfasse die spezielle Generalklausel des § 3 Abs. 2 die Gesamtheit aller lauterkeitsrechtlichen Fallkonstellationen des „b2c-Geschäftsverkehrs“ im Anwendungsbereich der UGPRL. Insoweit sei den Verbraucherinteressen bei der Begründung der Unlauterkeit Vorrang einzuräumen. § 3 Abs. 1 hingegen gelte nurmehr für das autonome deutsche Recht zur Regelung des unternehmerischen Geschäftsverkehrs („b2b“). In diesem Bereich des Lauterkeitsrechts komme den Mitbewerberinteressen bei der Begründung der Unlauterkeit rechtlicher Vorrang zu. § 3 Abs. 1 und 2 etablierten damit einen „Dualismus der Lauterkeitsrechtsordnungen“ in einem nur noch formal einheitlichen UWG.163 Zutreffend ist, dass der Anwendungs- und Harmonisierungsbereich der UGPRL in § 3 105 Abs. 3 i.V.m. dem Anhang, in § 3 Abs. 2 i.V.m. §§ 4–5a sowie in § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1
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157 Siehe EuGH 19.9.2013 – C-435/11 – Slg. 2013 0000 Tz. 46 f. – CHS Tour Services; Nordemann/ Götting/Wirtz § 3 Rn. 15, 85 f.; Drexl in Hilty/Henning-Bodewig S. 240 f. 158 Für § 4 Drexl in Hilty/Henning-Bodewig S. 241. 159 Bornkamm WRP 2012, 1, 5; a.A. Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 8g („Besonderheit“); Köhler WRP 2010, 1293, 1301 („missverständlich formulierte Umsetzung des Relevanzkriteriums des Art. 7 I UGP-Richtlinie“; bedeutungslos“); Köhler WRP 2012, 22, 29 f. 160 Zu § 3 Abs. 2 S. 2 und 3 siehe Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 12. 161 A.A. Lettl § 2 Rn. 3; wohl auch Boesche Rn. 173e. 162 A.A. Köhler/Bornkamm § 3 Rn. 54, 54 (bloße Klarstellung). 163 Fezer WRP 2009, 1163, 1165 ff.; Fezer WRP 2010, 677 ff. Fezer/Fezer § 3 Rn. 8–11, 18 ff., 31 und öfter; siehe zum österreichischen UWG in diesem Sinne öOGH 11.3.2008 – 4 Ob 225/07b – MR 2008, 114, 119 – Stadtrundfahrten.
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umgesetzt wurde. § 3 Abs. 1 betrifft hingegen nur von der UGPRL nicht erfasste Sachverhalte. Indes geht es zu weit, in dieser Unterscheidung einen schematischen Dualismus 106 der Lauterkeitsrechtsordnungen verwirklicht zu sehen. Erstens dient die UGPRL wie das autonome deutsche Lauterkeitsrecht der Gewährleistung unverfälschten