Urbane Natur gestalten: Entwurfsperspektiven zur Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung 9783038213857

Ökologie und Freiraumplanung Integrating nature preservation into landscape design is an important issue today. This b

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German Pages 216 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Perspektiven für urbanen Naturschutz
Entwurfsfelder und Entwurfswege
21 Komplexität erhöhen
Eigenarten kultivieren
Dynamik zulassen
Produktionsräume gestalten
Durch Nutzung pflegen
Grenzen und Übergänge konzipieren
Naturkontakt intensivieren
Akteure einbinden
Bau- und Vegetationsmaterial nachhaltig einsetzen
Entwurfsproben
Sandpark Rissen
Waller Fleet
Beispiele guter Praxis
Lebens-Welten, Andernach
Scherbelhaufen, Apolda
Grünzug Bullengraben, Berlin-Spandau
Landschaftspark Rudow-Altglienicke, Berlin-Neukölln / Berlin-Treptow
Park am Gleisdreieck, Berlin-Kreuzberg
Park am Nordbahnhof, Berlin-Mitte
Schöneberger Südgelände, Berlin-Schöneberg
Wartenberger Feldmark, Berlin-Lichtenberg
Park links der Weser, Bremen-Huchting
Weseruferpark, Bremen-Rablinghausen
Alter Flugplatz, Frankfurt-Bonames
Rüschpark, Hamburg-Finkenwerder
Buchholzer Bogen, Hannover-Buchholz
Landschaftsraum Kronsberg, Hannover-Bemerode
Westhovener Aue, Köln-Westhoven
Grüner Bogen Paunsdorf, Leipzig-Paunsdorf
Riemer Wäldchen, München-Riem
Zentrale Bahnflächen, München-Nymphenburg
Grünzug Olbeschgraben, Trier-Tarforst
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Urbane Natur gestalten: Entwurfsperspektiven zur Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung
 9783038213857

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Urbane Natur gestalten

Diese Veröffentlichung ist das Ergebnis eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Forschungsprojektes (Projektleitung: Martin Prominski; Projektbearbeiter: Malte Maaß, Linda Funke) Gestaltung: Oliver Kleinschmidt Lektorat: Dr. Ursula Kellner Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2014 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen von De Gruyter Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Germany ISBN 978-3-03821-540-0

9 8 7 6 5 4 3 2 1 www.birkhauser.com

Martin Prominski Malte Maaß Linda Funke

Urbane Natur gestalten Entwurfsperspektiven zur Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung

Inhalt 6 Vorwort

Christina von Haaren Roswitha Kirsch-Stracke 8 Einleitung 10 Perspektiven für urbanen Naturschutz

18

Entwurfsfelder und Entwurfswege

2 1 24 26 28 30

Komplexität erhöhen Quartiere durch Grünräume entwickeln Übergeordnete Systeme berücksichtigen Biotop- und Freiraumsysteme kombinieren Wassermanagement integrieren

33 36 38 40

Eigenarten kultivieren Historische Landschaftsstrukturen Traditionelle Bewirtschaftung, alte Kulturpflanzen und Nutztiere Ortsgeschichte thematisieren

43 46 48 50

Dynamik zulassen Pionierstandorte schaffen Ruderal- und Sukzessionsflächen Natürliche Ufer ermöglichen

53 56 58 60

Produktionsräume gestalten Landwirtschaft in der Erholungslandschaft Vielfalt der Agrarlandschaft fördern Naturschutz durch Ökolandbau

63 66 68 70

Durch Nutzung pflegen Temporär beweiden Dauerhaft beweiden Pflege durch Sportnutzung

73 76 78 80 82

Grenzen und Übergänge konzipieren Besucher gezielt lenken Nutzungsintensitäten zonieren Pufferzonen und Sicherheitsbereiche anlegen Zugangsbeschränkungen und Eingänge optimieren

85 Naturkontakt intensivieren 88 Räume für Naturerfahrung 90 Bildung für nachhaltige Entwicklung 93 96 98 100 102

Akteure einbinden Bürgergruppierungen beteiligen Beschäftigung und Qualifikation Öffentliche Nutzgärten Kunst im Freiraum

105 108 110 112 114

Bau- und Vegetationsmaterial nachhaltig einsetzen Entsiegeln Verfügbares Material nutzen Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten Naturnahen Wald entwickeln

116

Entwurfsproben

126

Beispiele guter Praxis

118 Sandpark Rissen Biotopverbundflächen in Grünanlagen Freie und Hansestadt Hamburg

128 Lebens-Welten, Andernach

122 Waller Fleet Kleingartengebiete im Bremer Westen Freie Hansestadt Bremen

140 Landschaftspark Rudow-Altglienicke, Berlin-Neukölln/Berlin-Treptow

132 Scherbelhaufen, Apolda 136 Grünzug Bullengraben, Berlin-Spandau

144 Park am Gleisdreieck, Berlin-Kreuzberg 148 Park am Nordbahnhof, Berlin-Mitte 152 Schöneberger Südgelände, Berlin-Schöneberg 156 Wartenberger Feldmark, Berlin-Lichtenberg 160 Park links der Weser, Bremen-Huchting 164 Weseruferpark, Bremen-Rablinghausen 168 Alter Flugplatz, Frankfurt-Bonames 174 Rüschpark, Hamburg-Finkenwerder 178 Buchholzer Bogen, Hannover-Buchholz 182 Landschaftsraum Kronsberg, Hannover-Bemerode 186 Westhovener Aue, Köln-Westhoven 190 Grüner Bogen Paunsdorf, Leipzig-Paunsdorf 194 Riemer Wäldchen, München-Riem 198 Zentrale Bahnflächen, München-Nymphenburg 202 Grünzug Olbeschgraben, Trier-Tarforst

207 Bibliografie 210 Register 213 Über die Autoren 215 Danksagung 216 Bildnachweis

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Vorwort

Christina von Haaren Roswitha Kirsch-Stracke

Wer hätte Mitte der 1980er Jahre gedacht, dass 30 Jahre später noch immer ein Buch „Urbane Natur gestalten“ notwendig und anregend wäre? In vielen deutschen Großstädten entstanden damals Projekte wie zum Beispiel in Düsseldorf ab 1983 das Planungsmodell „Ökotop Heerdt“, in dem Bürger ein integriertes System von naturnahen Freiräumen und ökologisch vertretbaren Wohn- und Gewerbeflächen planten: Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Spielen und Umweltlernen sollten an einem Ort miteinander verbunden werden. Im selben Jahr erschien bereits in zweiter Auflage das Buch Natur einschalten – Natur ausschalten des niederländischen Kunsterziehers Louis Le Roy, der – ähnlich wie zeitgleich die „Kasseler Schule“ – eine nutzungsorientierte Stadtbegrünung durch spontane Vegetation und gelenkte Sukzession propagierte und erprobte. In Hannover wurde Mitte der 1980er Jahre eine flächendeckende Stadtbiotopkartierung durchgeführt, in der die Bedeutung der Stadtnatur nicht nur für den Arten- und Biotopschutz, sondern erstmals gleichrangig für das „Naturerleben in der Stadt“ beurteilt und herausgestellt wurde; die Ergebnisse fanden Eingang in den Landschaftsrahmenplan der Landeshauptstadt. Diese und zahlreiche ähnliche Projekte, Forschungen und Planungen speisten sich aus einem Ökologie- und Planungsverständnis, das sich weitab von ausschließlich technisch-naturwissenschaftlichem Denken sah. Was unter „Stadtökologie“ verstanden wurde, brachte bereits der Titel des 1981 erschienenen Handbuches von Michael Andritzky und Klaus Spitzer auf den Punkt: Grün in der Stadt – von oben, von selbst, für alle, von allen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass auch Herbert Sukopp und Rüdiger Wittig 12 Jahre später ihr Hochschullehrbuch Stadtökologie ausgesprochen interdisziplinär aufbauten. Neben den naturwissenschaftlichen Themen wurden nicht nur Bevölkerungsdynamik und Gesundheit sowie Vorgehen und Kosten einer ökologisch ausgerichteten Planung, sondern auch psychologische Forschungsergebnisse vor allem zu Stadtbrachen als Spielund Erlebnisräume behandelt; der Autor Ulrich Gebhard veröffentlichte seine Forschungsergebnisse hierzu ausführlich in einem damals viel beachteten Buch Kind und Umwelt. Die Ideen und Projekte der „Stadtökologiebewegung“ fanden in den Folgejahren auf vielen Wegen Eingang in die kommunale Planung. Die Landschaftsplanung in der Stadt wurde nicht nur von Herbert Sukopp, sondern auch Autoren wie Klaus Ermer, Renate Hoff oder Rita Mohrmann auf eine wissenschaftliche und fachlich breite Grundlage gestellt. Die Industriebrachen im Ruhrgebiet (IBA Emscher Park) und die ausgedehnten Sukzessionsflächen auf den Berliner Eisenbahnbrachen sind dabei aufgrund ihrer Flächengröße die bekanntesten Beispiele dafür, dass nicht nur landschaftsplanerische und ökologische, sondern auch gestalterische Aspekte Eingang in große urbane Projekte fanden. Aber auch kleinere Großstädte präsentierten gerne ihre Naturerlebnisgebiete, deren Entwicklung zu wichtigen Lernorten seit den 1990er Jahren vor allem im Zeichen der Agenda 21 vorangetrieben wurden, so beispielsweise der Kinderwald Hannover. Fassaden-, Dachbegrünungs- und Hinterhofwettbewerbe brachten derweil die Ideen vom Leben mit der Stadtnatur auch in die ältesten und am dichtesten bebauten Stadtquartiere. Trotz dieser Bewegung und trotz vieler Einzelinitiativen blieb jedoch auch in der Stadt eine Kluft erhalten zwischen den Instrumenten des Naturschutzes und der formalen Planung wie der Landschaftsplanung, dem Artenschutz oder der Eingriffsregelung. Sehr deutlich wurde eine unterschiedliche theoretische und methodische Entwicklung zwischen Landschafts-

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planung und Landschaftsarchitektur von Wolfram Höfer 2003 in seinem Beitrag „Weniger Design – Mehr Planung“ für die Zeitschrift Garten + Landschaft beschrieben. Im Kern geht es darum, dass Landschaftsplanung und Naturschutz verwissenschaftlicht und verrechtlicht wurden, während sich die Landschaftsarchitektur stärker von den gärtnerischen Wurzeln entfernte und den durch kreative Ideen getriebenen Entwurf in den Vordergrund stellte. Die Einleitung von Martin Prominski in diesem Buch nimmt diesen Faden auf, zeigt aber auch, dass diese Kluft, das unzureichende gegenseitige Verstehen und Durchdringen von Theorie und Praxis zwischen Landschaftsplanung und Naturschutz einerseits und Landschaftsarchitektur andererseits auch heute noch nicht überwunden sind. Ein Grund hierfür mag sein, dass unterschiedliche Projekttypen auch unterschiedliche Planungs- bzw. Gestaltungslogiken erzeugen. So ist es nachvollziehbar, dass rechtlich stark strukturierte Problemlösungswege – wie im Falle der Eingriffsregelung – auch formalisierte, inhaltlich und formal vordefinierte Planungslösungen erzeugen. Nichtsdestoweniger gibt es trotz teilweise enger rechtlicher Vorgaben Spielräume für qualitativ hochwertige und die Menschen ansprechende gestalterische Lösungen, die in den vergangenen Jahren im Rahmen der formalen Planungen viel zu wenig genutzt wurden. „Natur“ ist ja als Ziel von Kompensationsmaßnahmen untauglich. Das Wort wird vom praktischen Naturschutz vielleicht als machtvoller und schillernder Begriff verwendet, um den Sehnsüchten der Stadtmenschen eine Projektionsfläche zu geben. Aber diese „Natur“ soll laut Gesetz die Funktionen des Naturhaushaltes und das Landschaftsbild wiederherstellen und muss deshalb immer genauer definiert werden. Die gesetzlichen Vorgaben sind nicht zu ignorieren, aber sie können in verschiedenster Form umgesetzt werden. Hier ist nicht nur Platz für den Entwurf, er wird sogar dringend gebraucht, um zu bestimmen, welche Gestalt der „Natur“fläche in der Stadt den Bedürfnissen der Menschen besonders entspricht. Deren Unterstützung braucht der Naturschutz. Ja, die Menschen und ihre Ansprüche an Natur und Landschaft sind schließlich die Zweckbestimmung auch des Naturschutzes. Ein hohes Maß an Multifunktionalität ist deshalb zur Erfüllung der vielfältigen Ansprüche, die gerade im urbanen Raum auf der knappen Fläche befriedigt werden sollen, unerlässlich und besonders gewinnbringend. Dieses Ziel wird im Falle der Eingriffsregelung im Siedlungsbereich aber nicht nur durch die beschriebenen Divergenzen in Fachtheorie und -praxis gehemmt. Es besteht darüber hinaus ein ressortverteilungspolitischer Konflikt. Während im nicht beplanten (Außen-)bereich die Eingriffsregelung flächendeckend zu bewältigen ist, ohne Möglichkeit, die Kompensation „wegzuwägen“, gilt die Eingriffsregelung im bereits überplanten Bereich nicht. Es müssen also nicht einmal Eingriffe in bisher baulich ungenutzte Flächen, die am Stadtrand im Bereich eines alten Flächennutzungsplanes liegen, ausgeglichen werden. Der Innenbereich generiert selbst somit keine Kompensationsmaßnahmen. Dennoch besteht ein starkes Interesse der Bau- und Grünflächenämter, Maßnahmen der Eingriffsregelung in die Stadt zu lenken und mit Kompensationsmitteln ihre Grünflächen aufzuwerten oder neue Grünflächen zu bauen. Anderenfalls sind viele Projekte angesichts der Knappheit in den städtischen Kassen kaum noch umsetzbar. Dieses befeuert immer wieder die Diskussionen, ob eine solche Praxis mit den Zielen der Eingriffsregelung, die eine Kompensation im gleichen Funktions-und Naturraum fordert, vereinbar sei. Aufgelöst würde der Konflikt, wenn durch eine Novellierung des Baugesetzbuches die Eingriffsregelung zukünftig auch im Falle eines Verlustes von Funktionen des Naturhaushaltes, der Biodiversität und des Landschaftsbildes im besiedelten Bereich gelten würde. Das hier vorgelegte Buch gibt der Debatte um die Gestaltung von Naturschutzmaßnahmen mit ihren so verschiedenen Facetten neue Impulse. Vor allem erhalten Praktiker anregende und strukturierende Hinweise, wie die anspruchsvolle Aufgabe, Naturschutz und Gestaltung zu verbinden, im urbanen Raum gelöst werden kann. Bisher fehlten „Regeln“, die eine systematische Umsetzung der Integration von Gestaltung in Naturschutzprojekte befördert hätten. Nun liegen uns diese Impulse gespickt mit vielen guten Praxisbeispielen vor, sodass selbst eingeschworene Naturschützer dazu angeregt werden dürften, nachzumachen, weiterzuentwickeln und neu zu erfinden. Liebe Buchautoren, vielen Dank dafür.

Einleitung

Im urbanen Raum Gelder für Naturschutzmaßnahmen auszugeben, die durch Ersatzzahlungen im Rahmen der naturschutzfachlichen Eingriffsregelung vorhanden sind, ist für die Verantwortlichen in den Gartenämtern häufig mit Schwierigkeiten verbunden. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Erstens sind Freiflächen in den meisten Städten ein knappes Gut, und Kompensationsmaßnahmen stehen in Konkurrenz zu anderen Nutzungswünschen. Das führt dazu, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen häufig in das Umland der Städte verlagert werden. Zweitens besteht die Schwierigkeit, dass die Ziele des Arten- und Biotopschutzes aufgrund von Störungen des im urbanen Raum immer nahen Menschen scheinbar nicht zu erreichen sind und Naturschützer den Einsatz von Kompensationsmitteln daher häufig nur dann befürworten, wenn der Mensch von den naturschutzfachlich relevanten Flächen ausgegrenzt wird. Diesem Dilemma abzuhelfen, das Mitarbeiter aus Gartenämtern in Gesprächen immer wieder artikulieren, entstammt die Motivation für dieses Buch. Denn beide Entwicklungen – die Verlagerung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ins Umland von Städten und das Ausgrenzen des Menschen innerhalb der Stadt – verhindern unter anderem, dass diese geschützten Pflanzen und Tiere von den Stadtbewohnern sinnlich wahrgenommen werden können. Emotionale Aspekte kommen damit zu kurz – aber gerade diese leisten nach Fritz Brickwedde, bis 2013 Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, einen entscheidenden Beitrag zur Förderung der Akzeptanz von Naturschutz (Brickwedde 2010). Hier setzt dieses Buch an und untersucht Möglichkeiten, wie Naturschutz und Freiraumnutzung im urbanen Raum zum Wohle von Menschen, Tieren und Pflanzen verknüpft werden können. Die Studie beginnt mit einer theoretischen Einführung in zeitgenössische Natur- und Naturschutzverständnisse, in der unterschiedliche Haltungen diskutiert und diejenigen ausführlicher vorgestellt werden, die eine produktive Basis zur Gestaltung urbaner Natur darstellen können (Kapitel „Perspektiven für urbanen Naturschutz“, S. 10 –17). Den praktischen Rahmen dieses Buches bilden 19 urbane Freiräume, die nicht der üblichen Trennung von Naturschutz und Freiraumgestaltung folgen, sondern beides kombinieren (Kapitel „Beispiele guter Praxis“, S. 126 – 205). Alle Projekte zeichnet aus, dass in mehr oder weniger großen Anteilen Finanzmittel aus der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung verwendet wurden und entsprechend differenzierte naturschutzfachliche Auflagen erfüllt werden mussten. Die Spannweite der Projekte reicht von Großstadtparks (Park am Nordbahnhof, Berlin-Mitte) über Transformationslandschaften (Alter Flugplatz, Frankfurt-Bonames) bis zu kleinräumigen Interventionen (Scherbelhaufen, Apolda). Einheitliche Plandarstellungen zeigen die Einbettung in den Stadtraum und verdeutlichen die Verteilung von Vegetation, geschützten Flächen und Erschließung.

Aus der Reflexion von theoretischem Rahmen und Beispielen guter Praxis wurde das Kernstück des Buches entwickelt: der systematische Katalog von Entwurfsfeldern und Entwurfswegen zur Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung im urbanen Raum (Kapitel „Entwurfsfelder und Entwurfswege“, S. 18 –115). Der Katalog präsentiert neun übergeordnete, strategische Entwurfsfelder, die den Rahmen für 30 Entwurfswege bilden. In abstrahierter Darstellung dienen diese als Inspirationen für neue multifunktionale Ansätze. Die Entwurfswege sind also nicht als Handlungsanweisungen zu verstehen, sondern müssen von Landschaftsarchitekten und Naturschützern bei ihren zukünftigen Planungsaufgaben für die jeweilige Situation entwerferisch übertragen werden. Forschungsmethodisch waren die „Entwurfsproben“ (S. 116 – 125) von großer Bedeutung. Im Sinne eines „research through design“ (Jonas 2012) wurden hier Vorversionen des systematischen Kataloges an realen Orten in Hamburg und Bremen für konkrete Entwürfe verwendet. Durch die kritische Reflexion des Entwurfsprozesses konnten Mängel und Unstimmigkeiten in den Vorversionen aufgedeckt und der Katalog schrittweise weiterentwickelt werden. Darüber hinaus können die Entwurfsproben den Lesern als Beispiel für die entwerferische Übertragung der Entwurfswege auf einen spezifischen Ort dienen. Zusammengefasst ist ein Buch entstanden, das sich an Landschaftsarchitekten und Naturschützer in Verwaltung, Büros oder ehrenamtlichen Organisationen richtet. Wenn es mit dem Inhalt gelänge, Landschaftsarchitekten davon zu überzeugen, dass Naturschutzelemente gestalterische Herausforderungen statt normativ vorgegebene Pflichterfüllungen sind, und Naturschützer durch die Entwurfsperspektiven motiviert werden, menschliche Nutzer als mögliche Bereicherung in Konzepte für Kompensationsmaßnahmen einzubeziehen, dann hätte das Buch seinen Zweck erfüllt, als Brücke zu dienen. Die beiden im urbanen Raum häufig noch getrennten Bereiche von Freiraumnutzung und Naturschutz wären damit näher zusammengebracht, wodurch einerseits Akzeptanzprobleme des urbanen Naturschutzes reduziert und andererseits die Gestaltungsspielräume für urbane Freiräume erweitert werden könnten.

Perspektiven für urbanen Naturschutz

Bevor im Hauptteil des Buches der praxisorientierte Entwurfskatalog zur Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung im urbanen Raum präsentiert wird, entwickelt das Kapitel „Perspektiven für urbanen Naturschutz“ die theoretischen Grundlagen für die weiteren Reflexionen. Es werden zeitgenössische Natur- und Naturschutzkonzepte diskutiert und Schlussfolgerungen gezogen, welche Konzepte eine schlüssige und produktive Basis für die konkrete Gestaltung urbaner Natur darstellen.

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Wie kann urbane Natur gestaltet werden, wenn finanzielle Mittel aus der Eingriffsregelung zur Verfügung stehen und damit definierte naturschutzfachliche Ziele erfüllt werden müssen? Wie können Naturschutz­ und Freiraumnutzung im urbanen Raum zum Wohle von Pflanzen, Tieren und Menschen verbunden werden? Das sind die zentralen Fragen dieses Buches, und sie betreffen nahezu jede deutsche Kommune in ihrer alltäglichen Planungspraxis. Es bräuchte dieses Buch nicht, wenn Naturschutzplanungen reibungslos ablaufen würden. Dem ist aber keinesfalls so; schon seit vielen Jahren wird ein Akzeptanzdefizit gegenüber­ dem Naturschutz beklagt (vgl. Breuste & Kreidel 2008: 283; Körner 2004: 78; Reichholf 2010). Als eine zentrale­ Ursache dafür wird die im Naturschutz häufig angewandte Strategie des Ausschlusses von Menschen gesehen, um Störungen der Arten und Biotope zu verhindern. Jon Hoekstra (2013) spricht vom „Zumauern von Natur“ oder „Festungsnaturschutz“ – eine Strategie, die nach seiner Ansicht gerade im urbanen Raum angesichts einer global immer weiter voranschreitenden Verstädterung zum Scheitern verurteilt ist. Einen wichtigen Beitrag zur Überwindung des Akzeptanzdefizits von Naturschutz im urbanen Raum können daher Projekte leisten, die Naturschutz und Freiraumnutzung verbinden. Menschen können Tiere und Pflanzen an solchen Orten in ihrem Alltagsleben wahrnehmen, und es entstehen Wissen und emotionale Nähe zugleich, wodurch Wertschätzung möglich wird. Dieses Buch zeigt Projekte aus der Praxis („Beispiele guter Praxis“), bei denen diese Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung gelungen ist, und leitet daraus Entwurfsperspektiven („Entwurfsfelder und Entwurfswege“) mit übertragbaren Strategien und Maßnahmen für zukünftige Projekte ab. Um die von Hoekstra oder Reichholf geforderte Neuorientierung des Naturschutzes zu leisten, sollten neben der Analyse guter Praxisbeispiele auch die theoretischen Fundamente bedacht und weiterentwickelt werden – denn wenn nach Einstein „die Theorie bestimmt, was wir beobachten können“ (Einstein zit. nach Watzlawick 2003: 65), brauchen wir neue, theoretisch untermauerte Perspektiven, um im Naturschutz den Menschen besser sehen zu können. Diese Einführung widmet sich daher zuerst ganz grundlegend dem Naturverständnis und stellt integrative Konzepte von Natur und Kultur vor, die Strategien wie dem „Zumauern von Natur“ die Grundlage entziehen. Anschließend werden unterschiedliche Naturschutzverständnisse vorgestellt und herausgearbeitet, welche Aspekte produktiv für die zukünftige Gestaltung urbaner Natur sind.

Welches Verständnis von Natur? Natur ist einer der komplexesten Begriffe unseres Wortschatzes. Er hat eine ungeheure Vielfalt an Bedeutungen, von denen diejenige mit dem größten Einfluss für die abendländische Welt aus der griechischen Philosophie stammt. So ist Natur seit Aristoteles „im alltagssprachlichen Sinne derjenige Teil der Welt, dessen Zustandekommen, […] Erscheinungsform und Wirken unabhängig von Eingriffen des Menschen sind bzw. gedacht werden können“ (Mittelstraß 2004: 961). Gemäß diesem dualistischen Konzept von Mensch und Natur wirkt schon das Thema dieses Buches – urbane Natur – widersprüchlich, denn die beiden Begriffe bilden ein Gegensatzpaar. In der Stadt sollte es demnach keine Natur geben, denn hier gibt es keinen Quadratzentimeter Fläche, den der Mensch nicht in irgendeiner Form historisch oder aktuell beeinflusst hat. Im Folgenden wird dieses begriffliche Dilemma durch die Vorstellung von drei Alternativen zum dualistischen Naturverständnis erläutert und ein nonduales Konzept skizziert, das eine theoretisch schlüssige Basis zur Gestaltung urbaner Natur bietet.

Anthropozän In den Naturwissenschaften hat der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen eine Debatte angestoßen, die das vorherrschende dualistische Verständnis von Natur und Mensch herausfordert. Er sprach in einem Artikel in der Zeitschrift Nature von einem neuen, das Holozän ablösenden Erdzeitalter, das er „Anthropozän“ nannte (Crutzen 2002). Der Name drückt die Tatsache aus, dass der Mensch inzwischen die bestimmende Kraft auf der Erde geworden ist. Sogar die entlegensten Winkel der Erde und die Erdatmosphäre sind durch Kohlendioxid- oder Stickstoffeinträge beeinflusst, die vom Menschen initiiert sind. Inzwischen wird dieser radikale Vorschlag einer neuen erdgeschichtlichen Epoche breit diskutiert. Beispielsweise hat das Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ Anfang 2013 das mehrjährige internationale und interdisziplinäre „Anthropozän Projekt“ gestartet. Eine wesentliche Frage in diesem Diskussionsprozess ist die Entwicklung eines neuen Naturbegriffs. Bereits im ersten Satz der Einführungsbroschüre wird festgestellt: „Unser Konzept der Natur ist überholt. Die Natur ist weder ein Hindernis noch ein harmonisches Anderes, keine Macht mehr, die sich von menschlichem Handeln abtrennen ließe oder diesem ambivalent gegenüberstünde. Der Mensch formt die Natur. Die Menschheit findet ihren Niederschlag in der Erdgeschichte“ (Scherer & Klingan 2013: 2). Das Anthropozän ist eine immer breiter diskutierte Idee (zum Beispiel

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Perspektiven für urbanen Naturschutz

Latour 2013; Schwägerl 2010; Töpfer 2013); die Arbeit an der Neuformulierung eines nichtdualistischen Naturbegriffs, der dem Anthropozän angemessen ist, steht allerdings noch ganz am Anfang.

Jenseits von Natur und Kultur – relativer Universalismus In den Geisteswissenschaften gibt es schon einige konkretere Konzepte für nichtdualistische Vorstellungen der Mensch-Natur-Beziehung. Einen der weitreichendsten Versuche zur Neubestimmung dieses Verhältnisses hat der französische Anthropologe Philippe Descola in seinem Opus magnum „Jenseits von Natur und Kultur“ (Descola 2013) unternommen. Er untersuchte eine große Zahl ethnografischer Beispiele aus allen Teilen der Welt und kam zu dem Schluss, dass das westliche dualistische Konzept, das er „Naturalismus“ nennt, nur eines von vier möglichen Beziehungsverhältnissen ist. Die anderen Möglichkeiten bezeichnet er als Animismus, Totemismus und Analogismus, die alle jenseits eines dualistischen Konzeptes von Natur und Mensch operieren (für eine kurze Zusammenfassung siehe auch Descola 2008). Descola zeigt, dass alle vier Beziehungsverhältnisse Widersprüche aufweisen, weshalb er eine Alternative vorschlägt, die sowohl den wissenschaftlichen Ansprüchen nach Universalität als auch den vielfältigen Bedingungen auf der Welt – und damit der Relativität – gerecht wird. Er nennt diese integrative Perspektive „relativen Universalismus“, wobei er „relativ“ im Sinne von Relativpronomen als Herstellen einer Beziehung versteht. Relativer Universalismus gründet sich daher nicht auf der Unterscheidung von Natur und Kultur oder Materie und Geist, sondern auf Relationen von Kontinuität und Diskontinuität, von Identität und Differenz, von Ähnlichkeit und Unähnlichkeit (Descola 2008). Dieses nonduale In-Beziehung-Setzen aller Lebewesen als Grundlage einer neuen Ethik ist eine Aufgabe, die noch zu lösen ist. Die aktuelle abendländische Ethik ist allerdings immer noch so angelegt, dass Naturschutzgebiete abgegrenzt werden müssen, um nichtmenschliche Lebewesen zu schützen. Als Ausweg aus diesem Dilemma könnten diese Grenzen geöffnet werden, um neue Beziehungen zu lernen – die in diesem Buch dargestellten Projekte zeigen Wege für diese Öffnung.

Japanische Auffassungen von Natur Ist ein nonduales, integrierendes Verständnis von Natur und Kultur, das so produktiv sein könnte für die Gestaltung urbaner Natur im Anthropozän, in modernen Zivilisationen überhaupt möglich? Philippe Descola fand alternative, nonduale Mensch-Natur-Beziehungen vorwiegend bei „Ur-Völkern“, an denen der Industrialisierungsprozess vorbeigegangen ist. Japan dagegen ist eines der wenigen modernen Industrieländer, dessen Kultur keinen Dualismus von Mensch und Natur kennt (Berque 1997: 56). Die Ursachen dafür liegen zum einen in der Religion des Shintoismus, in dem auch Tiere, Pflanzen oder Steine eine Seele haben. Zum anderen bietet die japanische Inselgruppe aufgrund ihres vulkanischen Ursprungs eine nur sehr begrenzte Fläche zur Besiedlung, sodass die Menschen die sie umgebende Natur stark überformt haben (zum Beispiel die Terrassenlandschaften für den Reisanbau) und diese nicht als etwas von sich Getrenntes wahrnehmen. Aus diesem Grund gab es in Japan noch nicht einmal ein Wort für das westliche Verständnis von Natur als dem Gegenüber des Menschen. Erst nach der Öffnung des Landes 1868 musste im Zuge von Übersetzungen notgedrungen mit „shizen“ ein Wort erfunden werden. Vor diesem kulturellen Hintergrund konnten sich zeitgenössische Konzepte der Natur entwickeln, die Mensch und Natur nicht trennen und beispielhaft sein können für die Suche nach einem neuen Naturverständnis im Anthropozän. Ein Beispiel für diese integrierenden Konzepte von Mensch und Natur stellt Seibutsu no sekei (1941) des Biologen Kinji Imanishi (1902–1992) dar, was in der 2002 erschienenen englischen Übersetzung mit „The World of Living Things“ (Imanishi 2002) übersetzt wurde. Imanishi beschreibt die Welt als ein verknüpftes Ganzes von eigenständigen Lebewesen wie Menschen, Tiere oder Pflanzen. Diese Lebewesen haben nicht eine von ihnen externe Umwelt, sondern alle haben ein Lebensfeld („field of living“), das nicht einfach der Raum für ihr Leben, sondern eine Fortsetzung, eine lebendige Erweiterung ihrer Selbst ist (ebd: 27). Jedes Lebewesen dehnt sich in ein Lebensfeld aus, das wiederum Teil des Lebewesens wird – ein wechselseitiges Verhältnis, das jeden Dualismus unmöglich macht. Imanishi gibt mit dem Verhältnis Mensch–Nahrung ein konkretes Beispiel für diesen radikalen Gedanken: „Wenn wir mutig genug sind und Nahrung als Erweiterung unseres Körpers verstehen, dann ist es nicht widersprüchlich, eine Erweiterung des Lebens in der Nahrung zu sehen. […] Die Beziehung zwischen Nahrung und Lebewesen ist keine von Biologie oder systematischer Zuordnung,

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sondern von einer unmittelbaren Verwandtschaft. Weil Nahrung eine Erweiterung ihres eigenen Körpers ist, erkennen Lebewesen ihre eigene Nahrung; das bedeutet, mit anderen Worten, dass sie sich selbst erkennen“ (Imanishi 2002: 28f, Übersetzung: d. Verf.). Wenn wir an das Verhältnis zwischen uns und der in der Massentierhaltung produzierten Nahrung denken, wird deutlich, dass Imanishi schon 1941 eine Theorie gegen diese Form des Umgangs mit Lebewesen formuliert hat. Wenn dieser Gedanke auf den Naturschutz bezogen wird, zeigt sich, dass ein Ausschluss des Menschen aus Schutzgebieten einen problematischen Bruch in den „fields of living“ darstellt. Imanishis Fazit lautet, dass alles Leben ein soziales Leben ist und dass Gemeinschaft („sociality“) das strukturelle Prinzip der Welt ist (Imanishi 2002: 42ff). Innerhalb eines derartigen integrativen, gemeinschaftlichen Verständnisses gibt es keine Möglichkeit, das Reich des Menschen vom Reich der Natur abzugrenzen. Die Auswirkungen eines derartigen gemeinschaftlichen Verständnisses werden in Japan bis in feine Details deutlich, wenn beispielsweise in einem Naturschutzgebiet an einem Brückengeländer die einheimischen Kletterpflanzen noch liebevoll durch Rankstäbe unterstützt werden (Prominski 2014: 15).

Schlussfolgerungen für urbane Natur Die gemeinsame Reflexion der drei Konzepte von Crutzen, Descola und Imanishi erlaubt folgende Schlussfolgerungen zum Naturverständnis: Erstens verdeutlicht Crutzens „Anthropozän“ in radikaler Weise, dass alle Natur menschlich beeinflusst ist. Diese Feststellung mag manchem versierten Wissenschaftler trivial erscheinen, wird doch schon seit Jahrzehnten in der theoretischen Debatte festgestellt, dass alle Landschaften in Mitteleuropa Kulturlandschaften sind. Aber in den alltäglichen Diskussionen, gerade wenn sich der Naturschutz gegenüber anderen Flächeninteressen positionieren muss, wird häufig immer noch aus einem dualistischen Verständnis heraus argumentiert, in dem Natur dann für das Wahre und Gute steht. Anders ist es nicht zu erklären, dass der BUND Berlin im Kampf für ein durch neue Nutzungen möglichst unbeeinflusstes Tempelhofer Feld behauptet: „Seit Mai 2010 erleben wir Berlinerinnen und Berliner inmitten der pulsierenden Metropole Berlin die einmalige Naturlandschaft und die beeindruckende Weite des Tempelhofer Feldes. Der BUND Berlin plädiert dafür, dieses lebendige Naherholungsgebiet in Gänze zu erhalten und zusammen mit den Berlinerinnen und Berlinern sensibel und behutsam weiter

zu entwickeln“ (BUND Berlin 2013; kursiv d. Verf.). Nicht nur diese Diskussion, in der das in Jahrhunderten entstandene Kulturprodukt Tempelhofer Feld als Naturlandschaft bezeichnet wird, würde von einer Anerkennung der das Anthropozän leitenden These profitieren, dass es die klassische, vom Menschen unbeeinflusste Natur nicht mehr gibt. Zweitens sind für die Entwicklung eines neuen Naturverständnisses sowohl die Erkenntnis von Descola hilfreich, das westliche dualistische Konzept sei nur eines von vielen möglichen Naturverständnissen, als auch Imanishis konkrete Theorie, in der Natur und Kultur sich nicht gegenüberstehen, sondern alle lebenden Dinge in ihrem jeweiligen Lebensfeld ko-existieren. Descola und Imanishi verschieben beide den Fokus weg von Differenzen hin zu den Beziehungen innerhalb einer verknüpften Welt von Lebewesen, die durch Gemeinschaft strukturiert wird. Im Zentrum ihres Denkens steht also ein „und“ statt eines „entweder-oder“. Dieses kurze und prägnante Wort „und“ mit seiner Akzentuierung von Relationen hat großes konzeptionelles Potenzial. Wassily Kandinsky hat das mit seinem Artikel „und“ schon 1927 erkannt und rief das Zeitalter des „und“ aus, welches das Zeitalter des „entweder-oder“ ablöste. Er schrieb: „Der Anfang besteht in der Erkenntnis der Zusammenhänge. Immer mehr wird man sehen können, dass es keine ‚speziellen‘ Fragen gibt, die isoliert erkannt oder gelöst werden können, da alles schließlich ineinandergreift und voneinander abhängig ist. Die Fortsetzung des Anfangs ist: weitere Zusammenhänge zu entdecken und sie für die wichtigste Aufgabe des Menschen auszunützen – für die Entwicklung“ (Kandinsky 1927: 107). Das vom „und“ motivierte Entdecken von Zusammenhängen und ihr Nutzbarmachen für die Entwicklung eignen sich hervorragend als Inspiration für die zukünftige Gestaltung urbaner Natur. Mit dem englischen „and“ ist sogar ein fachbezogenes Wortspiel möglich, wenn mit dem Begriff „andscapes“ die Integration von Mensch und Natur als Motivation und Ziel für die Gestaltung von Landschaften ausgedrückt wird (Prominski 2014). Das im „und“ kompakt ausgedrückte integrierende­ Verständnis von Natur und Mensch löst also das vermeintliche Gegensatzpaar von „urban“ und „Natur“ auf. In dieser Sichtweise kann der urbane Raum als „world of living things“ verstanden werden, in dem sich Zusammenhänge zwischen allen Lebewesen entwickeln und der gestaltet werden muss, wenn menschliche Zielsetzungen – beispielsweise Naturschutz – ins Spiel kommen.

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Perspektiven für urbanen Naturschutz

Welches Verständnis von Naturschutz?

Individualistische Naturschutzauffassung

Wie eingangs erwähnt, ist die Eingriffsregelung nach §13-18 des Bundesnaturschutzgesetzes eine Herausforderung für den Naturschutz im urbanen Raum. Das Gesetz verlangt, dass Eingriffe in Natur und Landschaft ausgeglichen oder ersetzt werden. Falls beides nicht möglich ist, muss eine Ersatzzahlung geleistet werden. Viele Kommunen, besonders diejenigen mit hohem Siedlungsdruck, haben Schwierigkeiten, Kompensationsflächen innerhalb ihrer Stadtgrenzen zu finden. Stattdessen werden Maßnahmen im Umland mit Ersatzgeldern bezahlt. Ob aber ein Maßnahmenvorschlag im urbanen Raum als Kompensation für einen Eingriff von der Naturschutzbehörde akzeptiert wird oder nicht, hängt auch vom Naturschutzverständnis ab. Je nachdem, aus welcher Haltung heraus agiert wird, ist die Toleranzgrenze für den menschlichen Zugang höher oder niedriger, was einen direkten Einfluss auf die Gestaltung von Naturschutzflächen im urbanen Raum hat. Im Folgenden sollen daher mit der organizistischen und der individualistischen Naturschutzauffassung die beiden nach Körner und Eisel (2003) grundlegenden Auffassungen vorgestellt und anschließend ihre Potenziale für Naturschutz im urbanen Raum diskutiert werden.

Der individualistische Ansatz, der auf einem liberalen Weltbild fußt (Körner 2004: 87), kennt eine solche Orientierung an relativ stabilen Leitbildern nicht. Das Wechselspiel der Arten befindet sich im ständigen Wandel, und der große Einfluss des Menschen darauf wird nicht als Störung empfunden, sondern als Möglichkeit für neue Entwicklungen. Ähnlich liberal wird das Einwirken fremder Arten gesehen. Da im individualistischen Ansatz alles im Fluss ist, wird die Bedeutung von Ungleichgewichten hervorgehoben (Reichholf 2008) – Gleichgewicht, Ordnung oder Eigenart zählen wenig. Diese offene Perspektive wirft die Frage auf, ob überhaupt irgendetwas geschützt und damit festgehalten werden sollte? Bei Reichholf, von Körner als der herausragende Protagonist des individualistischen Naturschutzansatzes in Deutschland eingeschätzt, sind das zumindest keine bestimmten Zustände von Biotopen, Ökosystemen oder anderen Ensembles. Stattdessen wird beim Lesen seiner Hauptziele für den zukünftigen Naturschutz (Reichholf 2010: 150ff) deutlich, dass er eher ein übergeordnetes Schutzziel hat – die Artenvielfalt. Diese möchte er aber nicht mit gut umrissenen Zielvorgaben wie der organizistische Naturschutz erreichen, sondern er bevorzugt immer auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Lösungen, welche die größten Entwicklungsmöglichkeiten versprechen. Er baut damit eher auf eine abgewogene Setzung von Rahmengerüsten als auf quantitativ und qualitativ präzise Vorgaben.

Organizistische Naturschutzauffassung Der organizistische Ansatz basiert auf einem konservativen Weltbild. Dessen Naturkonzeption besagt, „dass sich alle Mitglieder einer Lebensgemeinschaft nicht in erster Linie in einem Konkurrenzkampf um Ressourcen, sondern in einer harmonischen und hochintegrierten, sich wechselseitig bedingenden und deshalb unteilbaren Gemeinschaft befinden“ (Körner & Eisel 2003: 24). Diese Gemeinschaften sind über einen langen Zeitraum gewachsen, und ihre Eigenart wird geschätzt. Innerhalb dieser Haltung wird fremden Arten gegenüber große Skepsis gezeigt, denn sie stören das Gefüge. Aus dieser Perspektive heraus schätzt der Arten- und Biotopschutz historisch gewachsene Landschaftsbestandteile mit ihrer jeweiligen Artenausstattung. „Es sind häufig Spuren historischer Landnutzung, die man zu konservieren versucht, und dies deshalb, weil sie in einem letztlich denkmalschützerischen Sinne kulturell bedeutsam sind. In der Summe ist das wesentliche Kriterium für die Schutzwürdigkeit von Arten und Biotopen, ob sie als typisch für eine historisch gewachsene landschaftliche Konstellation aufgefasst werden können“ (Körner & Eisel 2003: 22).

Was sind die Wertmaßstäbe in beiden Ansätzen? Der Naturschutz muss sich in einem dicht besiedelten Land mit hohem Flächendruck wie Deutschland meist einem Diskurs stellen, warum eine Fläche geschützt und nicht für Landwirtschaft, Wohnen oder Gewerbe genutzt werden soll. Die organizistische und die individualistische Naturschutzauffassung zeigen hier unterschiedliche Begründungsstrategien.­ In einer geschichtlichen Betrachtung arbeitet Körner­ (Körner 2004: 80ff) heraus, dass Erstere bis zum Zweiten Weltkrieg ihre kulturelle Motivation zum Erhalt gewachsener Natur im Sinne von Heimatschutz klar zum Ausdruck gebracht hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde allerdings versucht, die gleichen Naturschutzziele naturwissenschaftlich und objektiv zu begründen. Arten oder Biotope sollen beispielsweise dann geschützt werden, wenn sie zu einer hohen Biodiversität beitragen, die wiederum wichtig für die Stabilität von Ökosystemen ist und damit essenziell für das Überleben des Planeten und der Menschheit.

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Inzwischen hat sich gezeigt, dass diese Verweise auf wissenschaftlich-objektive Gründe nicht haltbar sind (Körner & Eisel 2003: 17ff; Körner 2004: 83) und im organizistischen Naturschutz „nur“ kulturell gesetzte Werte als Begründung gelten können. Daher fordert Hard: „Der Naturschutz sollte […] sich zu seinen originären (durchweg zivilisationskritisch-konservativen) weltanschaulichen Wertungen bekennen, die seinen Präferenzen zwar überall zugrunde liegen, die er aber erst einmal wieder als solche entdecken müßte. Was ihn davon abhält, ist wahrscheinlich die schreckliche Konsequenz: Daß er dann nicht mehr für das gute Ganze, sondern nur noch für sich selbst sprechen könnte, als eine Partei, eine Weltanschauung, eine Natursicht, und eine Naturpräferenz unter anderen, die alle nicht mehr Autorität für sich beanspruchen können, als es Bürger gibt, die für sie votieren“ (Hard 2003: 352). Auch im individualistischen Naturansatz ist die Artenvielfalt ein zentraler Wert. Allerdings betonen Vertreter wie Reichholf, dass Artenvielfalt kein objektiver, sondern nur ein kultureller Wert unter vielen sei, um den in einer pluralistischen Gesellschaft gerungen werden müsse. Für den Diskurs mit anderen gesellschaftlichen Gruppen schlägt er Naturschützern deshalb folgende Aussagen vor, die ihre subjektive Basis offensiv darlegen: „‚Wir wollen, daß die Blaukehlchen in der Au überleben, weil wir uns daran erfreuen und weil wir sie unseren Kindern und Enkeln zeigen wollen. Sie stellen aus unserer Sicht einen Wert dar, und wir müssen uns für diese Einschätzung niemandem gegenüber rechtfertigen.‘ ‚Wir, die Naturschützer, wollen die Enziane und Steinböcke in den Bergen erleben und nicht, daß sie dem Skizirkus und den Seilbahnen zum Opfer fallen.‘ ‚Wir setzen uns für den Erhalt der Natur ein, weil wir sie schätzen!‘ So sollten die Kernaussagen des Naturschutzes lauten. Wir sollten nicht auf Argumente setzen wie jene, daß die Rettung der Natur letztendlich die Menschheit retten soll oder daß der ‚Haushalt der Natur‘ dieses oder jenes verlangt. Denn wer nimmt uns solche Argumente heute noch ab? Wir Naturfreunde müssen wieder den Mut und das Selbstbewußtsein finden, unsere Anliegen als unsere Anliegen zu vertreten“ (Reichholf 2010: 165). Zusammenfassend zeigt sich, dass in beiden Naturschutzauffassungen die Artenvielfalt ein grundlegender Wert ist. Dieser kann nicht naturwissenschaftlichobjektiv begründet werden. Vielmehr sollte seine kulturelle Fundierung in demokratischen Verhandlungsprozessen deutlich gemacht werden.

Wo steht der Mensch in beiden Ansätzen? Den organizistischen Ansatz zeichnet seine hohe Wertschätzung langfristig gewachsener Artengemeinschaften aus. Diese organischen Ganzheiten mit hoher Eigenart sind meist Produkte vorindustrieller Landnutzung und deshalb empfindlich für Störungen durch den modernen Menschen. Sie werden daher häufig gegenüber dem Menschen geschützt, um den angestrebten idealen Zustand nicht zu gefährden. Körner schreibt dem organizistischen Ansatz, den er in Deutschland als den gängigen Naturschutz ansieht, daher eine „hermetische Schutzmentalität“ zu (Körner 2004: 87). Als Beispiel für diese Tendenz, den Menschen aus Flächen für den Naturschutz auszuschließen, kann ein Projekt aus Hannover dienen. Hier wurde eine Stadtbahnlinie bis an den nördlichen Rand des Ortsteils Altwarmbüchen der Gemeinde Isernhagen verlängert, um auch vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Verkehrsstrategie solche Vorortlagen an das ÖPNV-Netz anzuschließen. Der Bau der Stadtbahnlinie bedingte Kompensationsmaßnahmen, die nördlich der Stadtbahnendhaltestelle umgesetzt wurden. Dort wurde ein 400 Meter langer und 50 Meter tiefer Streifen, der dem nördlich verlaufenden kleinen Fluss Wietze­folgt, mit heimischen Gehölzen bepflanzt. Südlich dieser Kompensationsfläche befand sich eine landwirtschaftliche Fläche, die bis an den Ortsrand reichte. Aufgrund der guten Lage mit Stadtbahnanschluss entschied sich die Gemeinde, das Feld zu bebauen, und lobte im Oktober 2009 den städtebaulichen Wettbewerb „Baugebiet Wietzeaue Gemeinde Isernhagen“ aus. Laut Auslobung durften durch die zwischen dem neuen Baugebiet und der Wietze liegende Kompensationsfläche keinerlei Wegeverbindungen geschaffen werden: „Unter Vorgaben der Unteren Naturschutzbehörde der Region Hannover (UNB) ist der gesamte, als Kompensationsfläche genutzte Landschaftsstreifen ausschließlich dem Naturschutz vorbehalten. Er ist langfristig vor umweltschädigenden Einflüssen zu schützen und darf nicht für den ‚Erlebnistourismus‘ durchlässig sein. Wegeverbindungen innerhalb dieses Bereiches sind demnach ausgeschlossen. Eine Abgrenzung dieses sensiblen Landschaftsbereichs zur neuen Siedlungsfläche kann z. B. durch einen offenen Graben erreicht werden“ (Gemeinde Isernhagen 2009: 8). Die Kompensationsfläche stellt damit auf 400 Meter Länge dauerhaft einen Riegel aus heimischen Gehölzen dar, der nicht von Menschen betreten werden soll und den Kontakt zwischen Siedlung und Wietze verhindert, was insbesondere für die voraussichtlich dort zahlreich wohnenden Kinder

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Perspektiven für urbanen Naturschutz

sehr bedauerlich ist. Das Zitat verdeutlicht weiterhin die skeptische Haltung des Naturschutzes gegenüber menschlicher Nutzung, wenn ein Spazieren durch die Fläche als „Erlebnistourismus“ diskreditiert wird und daher unbedingt verhindert werden muss. Im individualistischen Ansatz wird die Ausgrenzung des Menschen dagegen als Fehler angesehen. Reichholf meint dazu: „Viele, viel zu viele Naturschutzgebiete sind gemäß den Inhalten ihrer Verordnungen Aussperrgebiete. Selbst Wegegebote, so notwendig sie im Einzelfall (!) auch sein mögen, stellen eine massive Einschränkung für den Naturgenuß dar. Die Natur wird dadurch zur Kulisse degradiert. Der an Pfade und Wege gebundene Besuch gleicht einem Gang durch Parkanlagen oder Museen […]. Natur, die vorenthalten wird, eignet sich nicht dafür, das Anliegen des Naturschutzes zu verbreiten. Schließlich macht doch gerade die Fähigkeit der Pflanzen und Tiere, sich selbst zu erneuern, den entscheidenden Unterschied zum musealen Kunstwerk aus, das als Objekt in seiner Einmaligkeit Bestand haben soll und nicht beschädigt werden darf. ‚Naturschutzgebiet verboten!‘ ist jedenfalls die schlechteste Werbung für Naturschutz“ (Reichholf 2010: 146f). Im organizistischen Ansatz steht der Mensch damit häufig außerhalb der Naturschutzfläche, während der individualistische Ansatz kein Problem hat, ihn einzubeziehen. Wenn das „Ummauern von Natur“ (Hoekstra, 2013) einer der Hauptgründe für eine fehlende Akzeptanz von Naturschutz ist, gilt es zukünftig auf die integrativen Elemente des individualistischen Ansatzes zu setzen.

Schlussfolgerungen für Naturschutz im urbanen Raum Der Vergleich beider Auffassungen von Naturschutz zeigt, dass der individualistische Ansatz eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten für den urbanen Raum bietet. Mit seiner positiven Haltung sowohl gegenüber Dynamik und Ungleichgewichten als auch dem Einbeziehen des Menschen in Naturschutzflächen wird er dem Charakter der Stadt viel eher gerecht als der organizistische Ansatz, der organisch gewachsene Ensembles mit hohem Maß an Eigenart schätzt und eine zivilisationskritische Grundhaltung hat. Aber auch diese historisch gewachsenen Ensembles mit hoher Artenvielfalt und spezifisch städtischem Charakter existieren in der Stadt. Kowarik (Kowarik 1991) nennt diese meist ruderalen Sukzessionsflächen die „Natur der vierten Art“, für die ein klassischer Schutz durchaus sinnvoll sein kann. Deshalb wäre es nicht sinnvoll,

einen der beiden Ansätze auszuschließen. Wenn beim organizistischen Ansatz die kulturelle Motivation deutlich gemacht wird und eine geschickte Kombination von Einbeziehen und Begrenzen menschlicher Nutzung erreicht wird, kann er die angemessene Strategie sein. Beispiele in diesem Buch wie das Schöneberger Südgelände oder das Gleisdreieck in Berlin zeigen, wie auf diese Weise die Eigenart der „Natur der vierten Art“ bewahrt werden kann. Für eine der wichtigsten Herausforderungen im urbanen Raum kann ausschließlich auf individualistische Ansätze zurückgegriffen werden: die Gestaltung völlig neuer Naturschutzflächen. Beispiel dafür sind der Scherbelhaufen in Apolda, wo mit dem Abbruchmaterial aus Stadtumbauprojekten neue Trocken- und Magerrasenstandorte geschaffen wurden, oder der Alte Flugplatz Bonames in Frankfurt am Main, wo Beton- und Asphaltflächen aufgebrochen wurden und das Material in unterschiedlich großen Fraktionen neu verteilt wurde, um differenzierten Sukzessionsprozessen freien Lauf zu lassen. Dieses Schaffen von neuen Ensembles, die Pflanzen, Tiere und Menschen einbeziehen, ist das, was Jon Hoekstra, Leiter des „Conservation Science Program“ des World Wildlife Fund, unter Naturschutz 3.0 versteht (Hoekstra 2013). Hoekstra meint, dass uns Naturschutz 1.0 (das klassische Unterschutzstellen von Vorhandenem) und Naturschutz 2.0 (das passive Bereitstellen von Ökosystemdienstleistungen) bisher gut gedient hätten, wir aber angesichts weltweit ständig steigender Bedürfnisse nach Nahrung, Wasser, Energie und anderen Ressourcen neue Strategien brauchen. Mit einer utilitaristischen Perspektive fordert Hoekstra daher: „Um so viel Natur wie möglich zu sichern, müssen wir Naturschutz 3.0 entwickeln. Diese nächsten Schritte werden Natur gezielt steuern, vielleicht sogar in irgendeiner Weise konstruieren, um die Fähigkeit der Natur zu maximieren, Nahrung, Wasser, Energie und andere natürliche Ressourcen für die wachsende menschliche Bevölkerung bereitzustellen. Gleichzeitig hat Naturschutz 3.0 immer noch das Ziel, Biodiversität zu fördern“ (Hoekstra 2013; Übersetzung d. Verf.). Damit macht Hoekstra klar, dass zukünftiger Naturschutz eine kreative Gestaltungsaufgabe sein muss – eine Forderung, die Körner und Eisel in ähnlicher Weise schon vor einigen Jahren formuliert haben: „Der Naturschutz [muss] wieder seine Schutzfunktion im weiteren Sinne, d.h. seine landschaftsarchitektonisch-gestalterische Tradition entdecken, was einen erheblichen Mentalitätswechsel zur Voraussetzung hätte. Dieser neue Naturschutz, der dann in der Lage wäre, seine

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Anliegen auch gestalterisch zu vermitteln, wäre primär kulturell und weniger naturalistisch-ökologisch und auch nicht ausschließlich verteidigend orientiert. Vor allem wäre er aber wieder mit lustvollen Assoziationen und nicht mit einer Symbolik des Verbots und des erhobenen moralischen Zeigefingers verbunden, die in allerlei Absperrungen und Beschilderungen zum Ausdruck kommt“ (Körner & Eisel 2003: 39).

Zusammenfassung und Ausblick Die hier vorgestellten Ideen zu einem integrierenden Konzept von Natur und Mensch und einer kulturell motivierten, gestaltungsorientierten Naturschutzauffassung schaffen ein theoretisches Fundament, das den Dualismus von Natur versus Mensch aufhebt. Wie die im Buch gezeigten Praxisbeispiele sollen diese Ideen motivieren, Kompensationsmaßnahmen im urbanen Raum zu realisieren, anstatt sie ins Umland zu verlegen. Hier gilt es, neue und mutige Kombinationen von Pflanzen, Tieren und Menschen zu gestalten. In einer sich immer weiter urbanisierenden Gesellschaft ermöglichen solche Orte eine körperliche und emotionale Nähe zwischen Menschen und anderen Lebewesen. Diese Berührungen könnten zwei Effekte haben: Erstens könnten sie schlichtweg zu einer höheren Lebensqualität beitragen – eine sehr wahrscheinliche Vermutung, die hier aber weder bewiesen werden kann noch soll. Zweitens könnten sie, da die meisten Menschen Städter sind und gestaltete urbane Natur damit viele Menschen erreicht, durch das gewonnene Verständnis über Lebenszusammenhänge einen – im Vergleich zu ländlichen Naturschutzgebieten – verhältnismäßig hohen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten.

Entwurfsfelder und Entwurfswege

Das Kapitel gibt einen Überblick über erfolgversprechende Entwurfsansätze zur Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung aus verschiedensten Perspektiven. Die vorgeschlagene Systematik aus Entwurfsfeldern und Entwurfswegen bildet den Kern des Buches. Die Strukturierung macht die zukünftige Gestaltung urbaner Natur effizienter, und die Basis aus guten Beispielen sichert eine hohe Qualität.

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Im Rahmen von neun strategischen Entwurfsfeldern werden jeweils Wege dargestellt, um naturschutzfachlich relevante Aspekte und Freiraumnutzungskonzepte miteinander zu verbinden. Diese Entwurfswege beschreiben, wie eine Umsetzung der übergeordneten Strategien anwendungsorientiert erfolgen kann. Insgesamt werden 30 Entwurfswege vorgestellt. Die Bandbreite reicht von prozessualen und großmaßstäblichen Planungsstrategien über Akteurs- und Beteiligungskonzepte bis hin zur konkreten Materialverwendung. Methodisch wurde diese Gesamtheit an Entwurfsperspektiven aus den Beispielen guter Praxis (Kapitel „Beispiele guter Praxis“) entwickelt. Hierfür wurden zuerst vorbildliche Strategien und Maßnahmen zur Verknüpfung von Naturschutzzielen und Freiraumnutzung anhand der 19 untersuchten Praxisbeispiele identifiziert und auf gemeinsame Ansätze und Themen hin untersucht. In einem Prozess des Vergleichens und Unterscheidens konnte dann die Systematik der strategischen Entwurfsfelder mit ihren anwendungsorientierten Entwurfswegen entwickelt werden. Die zwischenzeitliche Anwendung einer Vorversion im Rahmen von zwei Entwurfsproben in Hamburg und Bremen (Kapitel „Entwurfsproben“) trug entscheidend zur Präzisierung des im Folgenden vorgestellten systematischen Katalogs bei. Alle Entwurfswege stellen damit Abstraktionen aus verschiedenen konkreten Beispielen guter Praxis dar. Diese Abstraktion erleichtert – im Gegensatz zu einem reinen Projektkatalog guter Praxisbeispiele – die Übertragbarkeit auf den jeweiligen Einzelfall und stellt gleichzeitig sicher, dass die Entwurfswege nicht eins zu eins nachgeahmt und als Schritt-für-

Schritt-Handlungsanweisungen missverstanden werden. Stattdessen liegt ihre Aufgabe darin, für die jeweils spezifische Situation einer Entwurfsaufgabe zu inspirieren. Alle Entwurfswege müssen immer auf die konkrete Situation in Bezug auf ihre Lage im Stadtraum, die naturräumlichen Bedingungen oder die Akteurskonstellationen übertragen werden. Diese spezifische thematisch-gestalterische Anpassung an einen Ort stellt den entscheidenden Faktor dar, der die Umsetzung von urbanen Freiraumprojekten erfolgreich macht und attraktive, einzigartige urbane Freiräume schafft. Jedes Entwurfsfeld wird mit einem kurzen Text eingeleitet, der auch die Verknüpfungen zu anderen Entwurfsfeldern aufzeigt. Es folgt als doppelseitige Collage eine fiktive räumliche Gestaltung, die alle Entwurfswege des jeweiligen Entwurfsfeldes vereint. Veranschaulicht durch Fotos aus den Beispielen guter Praxis schließt sich die Beschreibung der einzelnen Entwurfswege an, die immer gleich aufgebaut ist: Zu Beginn werden einordnend die Entwurfsperspektiven des jeweiligen Entwurfsweges dargestellt, daran anschließend Naturschutzaspekte erläutert und mit allgemeinen Bemerkungen, beispielsweise zu möglichen Konflikten bzw. Herausforderungen bei der Realisierung, beendet. Darüber hinaus werden einzelne Entwurfswege zusätzlich durch Prinzipskizzen erläutert. Die Umsetzung eines Entwurfsweges lässt sich aus den Praxisbeispielen im Kapitel „Beispiele guter Praxis“ ersehen, auf die beim jeweiligen Entwurfsweg verwiesen wird.

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

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Komplexität erhöhen Komplexität erhöhen bedeutet im Sinne der lateinischen Wortwurzel (complexio = Verknüpfung, Verbindung) das Herstellen vielfacher Verknüpfungen. In diesem Entwurfsfeld werden daher Strategien vorgestellt, die Projekte räumlich oder thematisch in größere Zusammenhänge einbinden. Auf diese Weise können die Biodiversität und die Nutzungsmöglichkeiten erhöht werden, was zwar nicht zwangsläufig, aber doch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu attraktiveren Räumen für Menschen, Tiere und Pflanzen führt. Die in diesem Entwurfsfeld vorgestellten Entwurfswege sollen motivieren, Projekte in der Planungsphase zuerst auf einer übergeordneten Ebene zu betrachten und einzuordnen. An diesem Punkt bietet sich die Gelegenheit, strategische Weichenstellungen vorzunehmen und Synergieeffekte zu generieren: Welche Planungsaspekte lassen sich kombinieren? Lassen sich naturschutzfachliche und freiraumplanerische Ziele überlagern? Kann eine Kontaktzone zwischen verschiedenen Bereichen Vorteile bringen? Planungsbeteiligte und betroffene Akteure müssen befragt und Szenarien zum Ablauf, zur Umsetzung, zu Kosten und Finanzierung entwickelt werden.

Vernetzung Ein wichtiges Thema im Bereich komplexer Überlegungen ist die großräumige Vernetzung von Lebensräumen, die sowohl für Flora und Fauna als auch für den Menschen wertvoll sind. Seit dem Jahr 2002 ist der Vernetzungsgedanke unter dem Stichwort „Biotopverbund“ im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) rechtlich verankert. In § 20 Abs. 1 BNatSchG heißt es dazu, dass ein Netz verbundener Biotope (Biotopverbund) geschaffen werden soll, das mindestens 10 Prozent der Fläche eines jeden Bundeslandes umfasst. Ziel des Biotopverbundes sind die dauerhafte Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen (einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften) sowie das Bewahren, Wiederherstellen und Entwickeln funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen (vgl. § 21 Abs. 1 BNatSchG). Durch die Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft, die fortschreitende Flächeninanspruchnahme durch Gebäude und Infrastrukturen sowie die damit verbundene Zerschneidung der Landschaft werden wertvolle Biotopflächen verkleinert, voneinander isoliert oder gehen gar ganz verloren. Die verbleibenden Biotoprestflächen sind aufgrund der geringeren Größe stärker negativen Randeffekten aus der Umgebung ausgesetzt. In Kom-

bination mit der Vereinzelung der Biotope kann dieser Zustand für viele Arten zu einer genetischen Isolation oder Verarmung führen und sogar gesamte Populationen gefährden (vgl. BfN o. J.). Häufig sind verschiedene Biotope räumlich miteinander verzahnt, stehen in einer funktionellen Abhängigkeit voneinander und bilden umfassende Komplexe, die durch Zerschneiden zerstört werden (ebd.). Über die Schaffung von Kernund Verbindungsflächen sowie Verbindungselementen können die Voraussetzungen für die Ausbreitung und Wanderung von Arten wiederhergestellt werden (von Haaren 2004: 45). Ebenso hilfreich kann die Erweiterung bestehender Biotopstrukturen sein, weil dadurch die Habitatqualität erhöht wird. Zur Schaffung vernetzender Elemente zählt neben dem Hinzufügen von singulären Bausteinen wie Trittsteinen und/oder Korridoren auch das Entfernen vorhandener Barrieren. Insbesondere großflächig zusammenhängende Verbundsysteme können, sofern multifunktional geplant und ausgestaltet, eine hohe Bedeutung für die Freiraumnutzung haben. Ein Beispiel dafür ist der Frankfurter Grüngürtel, der nicht nur rein räumlich und naturschutzfachlich eine wichtige großräumige Vernetzung herstellt, sondern unter dem Label GrünGürtel Frankfurt auch kulturelle Angebote bereithält und verknüpft. Er hat eine zentrale Bedeutung für das Freiraumsystem der Region und positiven Einfluss auf die Wohn- und Freiraumqualität umliegender urbaner Bereiche. Eine wichtige Voraussetzung für solche Vernetzungen ist, dass sich die Planung der Systeme nicht an administrativen Grenzen orientiert, sondern übergreifend konzipiert wird. Neben der Funktion als Biotopverbundfläche können dann entlang solcher Bereiche andere Nutzungen angeboten werden, solange­sie nicht die naturschutzfachlichen Zielsetzungen behindern und sensible Biotope nicht beeinträchtigen (siehe „Grenzen und Übergänge konzipieren“, S. 73). Hier bieten sich in erster Linie Nutzungen an, die auf verbundene Streckenabschnitte oder Rundwege angewiesen sind, also Bewegungskorridore. Darüber hinaus sind diese Bereiche prädestiniert, auf verschiedenste Weise Kontakt zu Naturflächen anzubieten – sei es durch inszenierte Einblicke in Biotope und Landschaften oder durch Sinneserfahrungen aufgrund der Vielfalt, Schönheit und Eigenart von Natur und Landschaft (siehe „Naturkontakt intensivieren“, S. 85). Neben funktionalen Effekten bieten vernetzende Freiräume große Potenziale, Bewohner im urbanen Raum für die Natur zu sensibilisieren, die sie umgibt.

Quartiere durch Grünräume entwickeln

Biotop- und Freiraumsysteme kombinieren

Übergeordnete Systeme berücksichtigen

Wassermanagement integrieren

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Weiträumige, teils extensive Freiflächen stehen für ein neu geschaffenes Quartier am Stadtrand zur Verfügung und lassen neben Erholung Raum für Naturerfahrung und -kontakt. (Landschaftsraum Kronsberg, Hannover) Gestalterisch integrierte natur- und umweltrelevante Themen in Kombination mit Funktionen der Sport-, Spiel- und Erholungsnutzung bieten sich bei der Planung von Grünzügen im Rahmen von Neubaugebieten an. Wassersammelnde und -führende Kanäle beleben und gliedern den Freiraum; angrenzende Grundstücke sind an das Oberflächenwassersystem angeschlossen. (Grünzug Olbeschgraben, Trier)

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Quartiere durch Grünräume entwickeln

Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Buchholzer Bogen | 178 Landschaftsraum Kronsberg | 182 Zentrale Bahnflächen | 198 Grünzug Olbeschgraben | 202

Entwurfsperspektiven Die Kombination von Quartiersentwicklung und Naturschutz durch Grünräume bietet Synergien insbesondere für naturschutzfachliche Möglichkeiten. Bei Bauvorhaben empfiehlt es sich, die entstehenden Freiräume direkt mit zu planen. Auf diese Weise können zum Beispiel Belange der naturschutzfachlichen Eingriffsregelung, des Wassermanagements und der Erholungsfürsorge berücksichtigt und entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden, die wiederum einen Beitrag zur Stadtentwicklung leisten: Neben den positiven Effekten auf die menschliche Gesundheit (physisch sowie psychisch) und den ökologischen Funktionen prägen Grünstrukturen das Erscheinungsbild einzelner Gebäude, Quartiere oder ganzer Städte. Die Wohn- und Aufenthaltsqualität von Stadtteilen wird durch eine Aufwertung der angrenzenden Freiund Grünräume erheblich gesteigert. Freiräume als Orte für Austausch, Begegnung und Kommunikation erfüllen zudem eine wichtige soziale Funktion, die beispielsweise in benachteiligten Stadtteilen mit problematischer Bewohnerstruktur eine Qualitätssteigerung bewirken kann. Auch in schrumpfenden Regionen oder Städten ergeben sich besondere Entwicklungsmöglichkeiten für den Naturschutz in Kombination mit einer gesteigerten Freiraumqualität.

Naturschutz Für diesen Entwurfsweg bietet beispielsweise die Eingriffsregelung die Möglichkeit, durch inhaltliche,­ räumliche und zeitliche Abstimmungen für ein vielfältiges Nebeneinander verschiedenster Arten und Biotope auch in urbanen Grünräumen vorzusorgen: Ersatzhabitate können geschaffen und Verbreitungskorridore etabliert werden. Um die biologische Vielfalt auf diese Weise zu sichern oder zu steigern, bedarf es einer guten Zusammenarbeit zwischen Naturschützern, Stadt- bzw. Infrastrukturplanern und Gestaltern. Des Weiteren sorgen grüne Strukturen in Städten für Temperaturausgleich, sie wirken durch die Absorption­ von Kohlendioxid gegen die Erderwärmung und bieten unversiegelte Bereiche mit intakten Bodenund Wasserfunktionen.

Bemerkungen Eines der Grundprobleme urbaner Freiräume ist die Finanzierung der dauerhaften Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen. Außerdem kann die Bautätigkeit zu Problemen führen, wenn durch die Arbeiten Störungen (Lärm, mechanische Belastung, Emissionen) für Arten und Lebensräume sowie Erholungsuchende entstehen.

Breite Radwegkorridore mit ökologischen Vernetzungszonen erschließen die neuen Quartiere und werten ihre Wohnqualität auf. (Zentrale Bahnflächen, München)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Entlang einer Vernetzungszone liegen übergeordnete Rad- und Fußwege. Auf diese Weise bieten sich interessante Einblicke in wertvolle Biotope, wie Trockenlebensräume aus Gleisschotter. (Zentrale Bahnflächen, München) Von der Anknüpfung an ein übergeordnetes Grünsystem profitieren sowohl Naherholungsuchende als auch Flora und Fauna. Das Maskottchen „Grüngürteltier“ (im Bild links auf dem Brückengeländer) beispielsweise steht in Frankfurt am Main öffentlichkeitswirksam Pate für diese Form der Vernetzung. (Alter Flugplatz, Frankfurt a.M.)

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Übergeordnete Systeme berücksichtigen

Alter Flugplatz | 168 Buchholzer Bogen | 178 Landschaftsraum Kronsberg | 182 Westhovener Aue | 186 Grüner Bogen Paunsdorf | 190 Zentrale Bahnflächen | 198

Entwurfsperspektiven Die Integration öffentlicher Freiräume in ein übergeordnetes Grünsystem leistet im besiedelten Bereich einen wesentlichen Beitrag zur Vernetzung von Grünräumen. Der Erholungswert dieser Flächen lässt sich deutlich steigern, da beispielsweise durch Rundwege, beschilderte Touren und Aufenthaltsmöglichkeiten die Grünsysteme besser genutzt werden können. Überdies kann die professionelle Vermarktung eines grünen Netzes oder grünen Ringes, gegebenenfalls in Kombination mit punktuellen Ausflugszielen wie gastronomischen Einrichtungen, auch eine Wertschöpfung erzielen. Die identifikationsstiftende Wirkung, die ein solches System für eine Region haben kann, ist deshalb sowohl aus ökonomischer als auch aus gesellschaftlicher Sicht überaus wertvoll.

Naturschutz

Bemerkungen Konfliktpotenzial kann entstehen, wenn schwer vereinbare Nutzungen aufeinandertreffen. Dies können zum Beispiel frei laufende Hunde entlang einer Wiese für Brutvögel sein, aber auch Jogger und Skater, die sich in die Quere kommen. Probleme können auch entstehen, wenn die Freiräume durch mehrere Gemeinden geführt werden sollen und nicht über Zuständigkeitsgrenzen hinaus kooperiert wird. Hier sind enge Absprachen und eine gute Zusammenarbeit nötig.

Die Integration von einzeln liegenden Freiräumen in ein übergeordnetes, zusammenhängendes System trägt zur Vernetzung von Biotopen bei und wirkt somit der genetischen Isolation von Populationen bzw. Arten entgegen. Durch die räumliche Verknüpfung mittels grüner Verbindungen können verschiedenste Arten zwischen den Freiräumen wandern und sich ausbreiten. In letzter Konsequenz werden somit Populationen gefördert und erhalten sowie ein Beitrag zur Erhöhung bzw. zum Erhalt der biologischen Diversität geleistet.

Regionale Vernetzungssysteme für Radfahrer und schnelle Orientierungsmöglichkeiten fördern die Nutzungsqualität eines Korridors. (Buchholzer Bogen, Hannover)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Korridore zwischen Quartieren übernehmen vernetzende Funktionen für den Arten- und Biotopschutz und dienen zudem als weitläufiger Erholungsraum für die Anwohner. Für den Naturschutz wertvolle Biotope bilden das Leitthema der Gestaltung, beispielsweise als durchgehendes Röhrichtband entlang einer Hauptwegeverbindung. (Grünzug Bullengraben, Berlin)

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Biotop- und Freiraumsysteme kombinieren

Grünzug Bullengraben | 136 Buchholzer Bogen | 178 Grüner Bogen Paunsdorf | 190 Zentrale Bahnflächen | 198 Grünzug Olbeschgraben | 202

Entwurfsperspektiven Die Kombination von wertvollen Biotopen und nutzbaren Freiräumen ist eine gängige, effiziente Methode, um beispielsweise den Ausbau des naturschutzfachlich begründeten Biotopverbundes mit zusätzlichen Freiraumqualitäten wie Erholungs- und Sportnutzung zu verbinden. Die gleichzeitige Nutzung als öffentlicher Freiraum und Naturschutzfläche stärkt zudem in strategischen und planerischen Überlegungen das Verhandlungsgewicht gegenüber anderen konkurrierenden Flächennutzungen. Durch intelligentes Kombinieren verschiedener Ansprüche können Maßnahmen zur Biotopvernetzung im urbanen Bereich deutlich an Akzeptanz gewinnen, weil durch den Ausbau der Freiraumsysteme ein direkter Mehrwert für die Bevölkerung spürbar wird. Dabei verstärken die abwechslungsreichen Strukturen der naturschutzfachlich relevanten Flächen den Erholungswert. Grundvoraussetzung für eine sowohl aus der Sicht des Naturschutzes als auch aus der Sicht der Nutzer erfolgreiche Realisierung ist, dass möglichst unempfindliche Biotope an die genutzten Bereiche direkt angrenzen. Anderenfalls kann es ratsam sein, Pufferzonen einzurichten (siehe „Nutzungsintensitäten zonieren“, S. 78; „Pufferzonen und Sicherheitsbereiche anlegen“, S. 80).

Naturschutz Die Kombination von Biotop- und Freiraumsystemen kann zum Schutz und zur Förderung diverser Arten beitragen. Die standörtlichen Gegebenheiten und bereits vorhandene Arten bestimmen dabei maßgeblich den jeweiligen Charakter der Flächen. Aus Sicht des Naturschutzes sind Maßnahmen der Biotopvernetzung wertvoll, damit Arten wandern und sich ausbreiten können. Schafft man Trittsteine und /oder Korridore, werden Teillebensräume verbunden, und es wird auf diese Weise der genetischen Isolation­ entgegengewirkt. Dabei ist es hilfreich, eine spezielle Schirm- oder Zielart für den Biotopverbund festzulegen und die Gestaltung der Flächen auf diese auszurichten.

Bemerkungen Besonders konfliktträchtig bei der Umsetzung gemeinsamer Biotop- und Freiraumsysteme sind die Bereiche, bei denen wertvolle Naturschutzflächen und solche, die zur Erholung dienen, aneinandergrenzen. Hier besteht die Gefahr, dass sensible und schützenswerte Bereiche betreten oder befahren werden (siehe „Besucher gezielt lenken“, S. 76). Auch Vandalismus und Vermüllung können zu einem Problem werden.

In Kontaktbereichen profitiert die Freiraumgestaltung von naturnahen Landschaftsbildern. Kontraste mit hohem ästhetischen Reiz werden inszeniert: grasende Büffel im wildnisartigen Schutzbereich entlang einer Wege- und Erholungsachse. (Grüner Bogen Paunsdorf, Leipzig)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Durch gezielte Aufstauung entsteht ein zeitlich und räumlich variables Mosaik von Wasserflächen, das unterschiedlichste Lebensräume erzeugt und Abwechslung in das Erscheinungsbild bringt. Gleichzeitig wird eine Hürde gegen unerwünschtes Betreten geschaffen. (Alter Flugplatz, Frankfurt a.M.) Sicker- und Einstaubereiche für Oberflächenwasser wurden bei den neu angelegten Grünzügen in der Siedlung (sogenannte Streifenparks) direkt in die Freiraumgestaltung integriert. (Landschaftsraum Kronsberg, Hannover)

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Wassermanagement integrieren

Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Alter Flugplatz | 168 Landschaftsraum Kronsberg | 182 Westhovener Aue | 186 Grünzug Olbeschgraben | 202

Entwurfsperspektiven Gezieltes Wassermanagement bringt positive Effekte für den Naturschutz, die Nachhaltigkeit des urbanen­ Wasserhaushalts sowie die Freiraumnutzer. Es können Wasserflächen und wechselfeuchte Standorte entwickelt werden, die im urbanen Raum selten sind und damit für den Arten- und Biotopschutz hohes Potenzial­haben. Für den urbanen Wasserhaushalt wirkt sich positiv aus, dass durch Retentionsräume und oberflächennahe Versickerung sowohl das Hochwasserrisiko reduziert als auch die Einleitung von Regenwasser in das Abwassernetz verringert wird. Bei Mischwassersystemen kann auf diese Weise vermieden werden, dass bei Starkregenereignissen Schmutzwasser in Bäche und Flüsse gelangt. Auch ökonomisch bietet die Regenwasserversickerung Vorteile, denn es können aufwendige technische Sicker- und Auffangbauwerke vermieden sowie gegebenenfalls Abwassergebühren gespart werden. Für die Stadtbewohner erhöhen diese wassergeprägten Freiräume die Erlebnisqualität. Insbesondere für Kinder können auf diesen Flächen ungewöhnliche Spielmöglichkeiten geschaffen werden. Um diese vielen Vorteile zu erreichen, sollte das Wassermanagement möglichst früh in den Planungsprozess integriert werden. Beispielsweise kann überlegt werden, auch angrenzende Grundstücke in das Regenwassermanagement einzubeziehen, um die Komplexität des Systems zu erhöhen und damit mehr Gestaltungspotenzial zu haben. Beim Ausweisen von Neubaugebieten kann dies bereits im Bebauungsplan festgesetzt werden (siehe „Quartiere durch Grünräume entwickeln“, S. 24).

Naturschutz Die Spannweite bei Retentionsräumen reicht von dauerhaft nassen bis zu temporär überfluteten Flächen, sodass verschiedenste Lebensräume entstehen. Bei temporären Überflutungen werden Biotope gefördert, die sich durch einen Wechsel zwischen extrem nass und trocken auszeichnen. Einstaubauwerke können hingegen dauerhafte Feucht- und Nassbereiche mit ihren entsprechenden Lebensgemeinschaften schaffen. Wenn die technischen Elemente des Wassermanagements nicht versteckt, sondern durch attraktive Gestaltung für die Stadtbewohner erkennbar gemacht werden, können das Bewusstsein und die Sensibilität für einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser erhöht werden (siehe „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, S. 90).

Bemerkungen Retentionsbereiche müssen regelmäßig gepflegt werden: Die Funktionsfähigkeit des Systems muss gewährleistet sein, und ein vollständiges Überwuchern der Retentionsbereiche sollte auch zur besseren Wahrnehmung der Wasserflächen verhindert werden. Weiterhin sollten Retentionsflächen ausreichend groß dimensioniert sein, um Extremniederschläge aufnehmen zu können. Konflikte mit Anwohnern können entstehen, wenn Besitzer benachbarter Grundstücke verpflichtet werden, sich dem Wassermanagement anzuschließen.

Eine kaskadenartige Anlage fängt Oberflächenwasser auf, staut es an und leitet es in Versickerungsbereiche ein. Differenzierte Standorte mit jeweils eigener Ästhetik bilden sich heraus, die durch eine geschickte Materialwahl unterstützt werden. (Grünzug Olbeschgraben, Trier)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

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Eigenarten kultivieren Je charakteristischer eine urbane Landschaft ist, desto höher die Chance, dass sich Bürger mit ihr identifizieren können. In modernen urbanen Landschaften ist der Charakter meist durch zeitgenössische Elemente mit hoher Gleichförmigkeit bestimmt. Sind jedoch noch historisch gewachsene Strukturen und Landschaftsbestandteile, Geschichtsrelikte oder traditionelle Bewirtschaftungsformen vorhanden, so fügen diese eine weitere Eigenart hinzu und bieten damit Potenziale und Ansatzpunkte, um die Identifikation der Bürger mit einem Freiraum zu steigern. Oftmals lassen markante Eigenschaften Rückschlüsse auf das standörtliche Potenzial einer Fläche zu und geben Hinweise für eine nachhaltige Bewirtschaftung. Hinzu kommt, dass sich durch bestehende Strukturen und lang zurückreichende Bewirtschaftungsformen oftmals spezielle Artengemeinschaften etabliert haben, die in urbanen Räumen zunehmend seltener werden und somit als schutzbedürftig eingestuft werden können. Werden diese Flächen einer zeitgemäßen Freiraumnutzung zugeführt, lassen sich gleichzeitig ökologisch wertvolle Lebensräume schaffen. Diese naturschutzfachlichen Aktivitäten finden dann häufig auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Lokale Eigenarten können so genutzt werden, um den Charakter eines Ortes zu schärfen, sei es in Bezug auf touristische Attraktivität, als Abgrenzung gegenüber benachbarten Bereichen oder zur stärkeren Identifikation der Bewohner mit ihrer Gemeinde oder Region.

Kontinuität und Dauerhaftigkeit im Naturschutz Naturschutzfachlich klassische Ziele, wie die Bewahrung oder Wiederherstellung von Schutzgütern, erhalten in Bezug auf lokale Eigenarten eine besondere Relevanz. Zu den Schutzgütern zählen beispielsweise historisch alte Biotope sowie kulturhistorische Landschaftselemente. Dementsprechend sind auch traditionelle, schonende Bewirtschaftungsformen in all ihren Facetten als „Hersteller und Bewahrer“ dieser Eigenarten für die Kontinuität bedeutsam. Aufgrund ihrer Vielfalt, Eigenart und Schönheit und des damit verbundenen Erholungswertes von Natur und Landschaft sind die oben angeführten Landschaftselemente nach Bundesnaturschutzgesetz dauerhaft zu sichern (vgl. § 1 Abs. 4 BNatSchG). Der Erhalt kann durch speziell abgestimmte Pflegekonzepte oder eine spezielle Nutzung erreicht werden (siehe „Durch Nutzung pflegen“, S. 63). Auch lassen sich die Schutzgüter durch ihre Unterschutzstellung oder die Eindämmung oder Verhinderung von externen Störungen nachhaltig bewahren (siehe „Grenzen und Übergänge konzipieren“, S. 73). Mit dem Kontinuitätsgedanken lassen sich auch das Wiederherstellen von Schutzgütern nach historischen Vorbildern, zum Beispiel von ursprünglichen Landschaften oder topografischen Strukturen, und die Wiederaufnahme kulturhistorischer Nutzungsformen begründen. Historisch alte Biotope und Strukturen, aber auch traditionelle Bewirtschaftungsformen prägen ein Landschaftsbild, erinnern an ursprüngliche Zustände und Nutzungsformen und erhöhen den Wiedererkennungswert einer Landschaft. Gegenüber modernen Nutzungsformen der Land- und Forstwirtschaft bieten historische Bewirtschaftungen oftmals eine höhere Strukturvielfalt, die sich sowohl in der Biodiversität niederschlägt als auch für die Besucher ästhetisch attraktiver sein kann. Entsprechendes gilt für bewahrte und inszenierte Kulturrelikte früherer Nutzungen.

Historische Landschaftsstrukturen

Traditionelle Bewirtschaftung, alte Kulturpflanzen und Nutztiere

Ortsgeschichte thematisieren

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Ein verfüllter Pfuhl als regionales Landschaftscharakteristikum wurde im alten Relief wiederhergestellt und bereichert nun die biologische und ästhetische Vielfalt des Parks. (Landschaftspark Rudow-Altglienicke, Berlin) Schwemmsandflächen, wie sie früher für größere Ströme typisch waren, wurden im urbanen Raum neu gestaltet. Sie bieten sowohl Bademöglichkeiten für Freiraumnutzer als auch geeignete Habitate für seltene Pionierarten. (Weseruferpark, Bremen)

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Historische Landschaftsstrukturen

Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Park links der Weser | 160 Weseruferpark | 164

Entwurfsperspektiven Historische Landschaftselemente, Pflanzengesellschaften oder auch Flächenzuschnitte können auf einstige Nutzungen und Landschaftsbilder verweisen. Diese herauszuarbeiten oder wiederherzustellen kann auch ein naturschutzfachliches Ziel sein, wenn regionaltypische Landschaften wie zum Beispiel Offenstandorte, wechselfeuchte Gebiete oder Bereiche mit Dünencharakter selten geworden sind oder verloren zu gehen drohen. Sonderstandorte und Kleinstrukturen können oft nur durch gezielte Förderung geschützt, wiederhergestellt und auf Dauer erhalten werden. Schützens- und erhaltenswert können aber auch markante Topografien und Geländeeigenarten eines Landschaftsraums sein, ebenso wie alte Gehölzund Baumbestände (siehe „Vielfalt der Agrarlandschaft fördern“, S. 58). Diese landschaftliche Vielfalt, mit der Kontraste und Spannungsfelder einhergehen, können sich Planer zunutze machen. Insbesondere im urbanen Umfeld sind die historischen Strukturen oft selten geworden und durch Überformung bedroht, sodass ihr Erhalt hier besonders wünschenswert ist. Um das Ziel zu erreichen, ist es hilfreich, Landwirte oder Pächter in die dauerhafte Unterhaltung dieser Strukturen mit einzubinden und so die Kontinuität sicherzustellen.

Naturschutz Durch das Bewahren oder Wiederherstellen traditioneller Eigenarten können vielfältige und zum Teil sehr selten gewordene Bestandteile der Kulturlandschaft gesichert werden, die unterschiedlichen Arten Nischen bieten und auf diese Weise einen Beitrag zur Steigerung der biologischen Diversität leisten. Damit können auch Strukturen und Landschaftsbilder für nachfolgende Generationen erhalten werden, was aus naturschutzfachlicher Sicht von Bedeutung ist.

Bemerkungen Mit der Rückführung in ursprüngliche Zustände ist stets die Zerstörung später entstandener Strukturen verbunden, die bei Nutzern oder auch Naturschützern auf Unverständnis stoßen kann. Deswegen sollte frühzeitig über den Wert der Maßnahmen und die Beweggründe aufgeklärt und so für Akzeptanz geworben werden (siehe „Bürgergruppierungen beteiligen“, S. 96). Wenn Ackerflächen umgewandelt werden sollen, stößt man in der Bevölkerung zumeist auf weniger Widerstand, hat aber Konflikte mit den Bewirtschaftern zu erwarten.

Traditionell landwirtschaftliche Nutzungen sind oft besonders pflegeintensiv, tragen jedoch zu einem vielfältigen Landschaftsbild bei. (Park links der Weser, Bremen)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Streuobstanbau erhält alte lokale Sorten, ist selbst eine Form der Traditionspflege und bietet vielfältige wertvolle Habitate. Großräumig tragen diese Flächen zur gestalterischen Gliederung der Landschaft bei. Entlang des „Grünen Rings“ mit seinen charakteristischen blauen Markierungen beleben sie hier einen Radwegverbund. (Landschaftsraum Kronsberg, Hannover) Alte Nutztierrassen sind oft robust und eignen sich für extensive Haltungsformen und schwieriges Gelände. (Lebens-Welten, Andernach)

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Traditionelle Bewirtschaftung, alte Kulturpflanzen und Nutztiere

Lebens-Welten | 128 Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Landschaftsraum Kronsberg | 182

Entwurfsperspektiven Traditionelle Bewirtschaftungsformen, alte Kulturpflanzen und ihre Sorten sowie alte Haustierrassen sind Bestandteil der landschaftlichen und regionalen Geschichte – und damit Kulturgüter. Ihre Bewahrung im Rahmen von entsprechenden Projekten kann bei der Bevölkerung das Bewusstsein für den kulturellen Wert stärken. Werden die früher üblichen extensiven Haltungs- und Anbauformen beibehalten oder wieder aufgenommen, entstehen auch für den Naturschutz oft günstige Effekte. Die sich aus diesen Nutzungsformen ergebenden Landschaftsbilder sind oftmals kleinteilig, vielfältig und lassen die jeweilige Bearbeitungsform erkennen (siehe „Historische Landschaftsstrukturen“, S. 36). Beispiele für traditionelle Nutzungen sind ganzjährige Weidekonzepte mit robusten Rassen, der Nischenanbau von alten Feldfrüchten (Flachs, Buchweizen, Steckrüben etc.), Streuobstwiesen, der Gehölzschnitt zur Gewinnung von Korbreisern oder die Holzrückung mit Pferden. Alle diese Themen – der Wert der Kulturlandschaft, die durch die Maßnahmen ausgelösten Auswirkungen sowie allgemeine Natur- und Umweltthemen – lassen sich, anschaulich dargestellt und integriert in ein Freizeitkonzept, zugleich für die Umweltbildung nutzen. Über die Vermarktung von Erträgen und Produkten können zudem Einnahmen erzielt werden (siehe „Temporär beweiden“, S. 66; „Dauerhaft beweiden“, S. 68; „Öffentliche Nutzgärten“, S. 100).

Naturschutz Die aus der Bewirtschaftung mit alten Sorten und Rassen entstandenen Formen der lokaltypischen Nutz- bzw. Kulturlandschaft stellen ebenso wie die Sorten und Rassen selbst einen eigenen Wert dar und sind als kulturhistorische Güter von besonderer Bedeutung. Alte Rassen und Sorten sind zudem eine wichtige Genreserve und können als Pool für zukünftige Züchtungen dienen. Weiterhin gilt ein Großteil der ursprünglichen Bewirtschaftungsformen als umweltbzw. bodenschonend; aus Gründen der Wirtschaftlichkeit werden sie jedoch vielfach durch eine intensive Bearbeitung mithilfe großer landwirtschaftlicher Maschinen ersetzt.

Bemerkungen Werden kleinere Maschinen eingesetzt und mehr körperliche Arbeit geleistet, so hat dies Folgen für die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte: Die Arbeitskraft reicht oftmals lediglich für die Bewirtschaftung kleinerer Schläge, während der Zeitaufwand steigt und die Erträge im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft sinken. Auch die Zucht alter Nutztierrassen kann meist nicht kostendeckend betrieben werden. Darum muss hier häufig auf Förderprogramme zurückgegriffen werden. Wirksame Medienpräsenz von Beginn eines Projektes an zu betreiben und etwaige Fördermöglichkeiten auszuloten, kann für eine Akzeptanzsteigerung und eine allgemeine Unterstützung hilfreich sein. Kooperationen mit öffentlichen Trägern und Vereinen sowie die Einbindung der Bevölkerung sind weitere Faktoren für das Gelingen solcher Projekte (siehe „Bürgergruppierungen beteiligen“, S. 96).

Der Anbau seltener Gemüsesorten dient dem Erhalt der biologischen Vielfalt. (Lebens-Welten, Andernach)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Vorgefundenes Material wird zur Raumgliederung genutzt. Relikte befestigter Flächen und Gleise verbleiben als Hinweise auf die frühere Nutzung und werden durch neue Flächen ergänzt. (Park am Nordbahnhof, Berlin)

Historische Relikte wurden für neue Nutzungen umfunktioniert: Im Schöneberger Südgelände dienen Gleisanlagen als Randbegrenzung für Wege. (Schöneberger Südgelände, Berlin)

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Ortsgeschichte thematisieren

Scherbelhaufen | 132 Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Park am Gleisdreieck | 144 Park am Nordbahnhof | 148 Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168

Entwurfsperspektiven Fragmente von Industrieanlagen, Gebäude oder Gebäudeteile, Gleisanlagen oder auch Wege können als Zeugnisse ehemaliger Nutzungen erhalten und in Szene gesetzt werden. Anhand baulicher Überreste lassen sich anschaulich Rückschlüsse auf die Geschichte eines Ortes ziehen, die ansonsten durch Überformung und Neunutzung nicht mehr ablesbar wäre. Als Teil der Kulturgeschichte gilt es, diese geschichtsträchtigen Spuren zu erhalten, um sie in dem Bewusstsein der Bevölkerung zu bewahren. Aus einer Kombination mit naturschutzfachlichen Maßnahmen können attraktive Gestaltungsthemen und an Erlebnismöglichkeiten reiche Flächen entstehen, die eine gesteigerte und neuartige Naturwahrnehmung im urbanen Bereich ermöglichen. Neben baulichen und technischen Relikten können auch alte Vegetationsstrukturen als Reverenz an die Ortsgeschichte erhalten und inszeniert werden.

Naturschutz Aus naturschutzfachlicher Sicht bieten insbesondere Reste von Baustoffen und Überreste von Bauwerken wichtige Unterschlupfmöglichkeiten und Habitate für spezialisierte Arten. Hier sind beispielsweise Mauern, Materiallager, die Schotterflächen von Gleisanlagen und verbliebene magere Baugründe zu nennen (siehe „Pionierstandorte schaffen“, S. 46; „Ruderal- und Sukzessionsflächen“, S. 48; „Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten“, S. 112). Oftmals sind diese Relikte schon lange nicht mehr intensiv betreten oder bearbeitet worden, sodass sich die Natur große Teile der Flächen zurückerobert hat. Dadurch sind oftmals interesseweckende und aus Sicht des Naturschutzes wertvolle Bereiche entstanden, die mit einer bewussten Inszenierung erhalten, geschützt und ausgeweitet werden können.

Bemerkungen Ein Bauwerk zu sichern oder dauerhaft zu erhalten, kann aus ökonomischen Erwägungen schwierig werden. Dieses Problem wird häufig noch durch den hohen baulichen Nutzungsdruck verstärkt, der im urbanen Raum herrscht. In solchen Fällen können sich Natur-, Kultur- und Denkmalschutz, indem sie alle dasselbe Ziel verfolgen, in ihren Positionen gegenseitig stärken.

Recyclingmaterial bildet die Basis für wertvolle Naturentwicklung. In Apolda wurden Abrisshäuser geschreddert, und das Material verbleibt in Form gestalteter Trocken-, Geröll- und Felsbiotope auf der Fläche. (Scherbelhaufen, Apolda)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

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Dynamik zulassen Das Entwurfsfeld setzt sich in erster Linie mit Veränderungsprozessen auseinander, wie sie in natürlichen Abläufen ständig vorkommen, und zeigt Optionen auf, wie die damit verbundenen unterschiedlichen Flächenansprüche mit naturschutzfachlichen Zielsetzungen und solchen der Freiraumnutzung in Einklang gebracht werden können. Natürlichen Prozessen werden am ehesten die Projekte und Maßnahmen gerecht, die durch ein Nichteingreifen in oder ein Modifizieren von natürlichen Abläufen wie beispielsweise Sukzession oder Überflutungen gekennzeichnet sind (von Haaren 2004: 45). Das entscheidende Merkmal von Prozessabläufen ist, dass mit der Zeit einzelne Habitate oder Habitatbereiche verschwinden oder zerstört werden und dabei gleichzeitig neue entstehen, womit sich auch die Artenzusammensetzung verändert. Im Fokus steht dementsprechend kein angestrebter Zustand, sondern vielmehr die Dynamik, die den Prozessgedanken so wertvoll macht. Dass dieser Punkt von Bedeutung ist, wird im Bundesnaturschutzgesetz (§ 1 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG) deutlich, in dem gefordert wird, einen Teil der Landschaft grundsätzlich der natürlichen Dynamik zu überlassen. In der Regel handelt es sich bei derartigen Prozessen um nicht konkret vorhersehbare Entwicklungen, die dementsprechend vor allem für die Gestaltung eine besondere Herausforderung darstellen. Häufig finden sich im urbanen Raum beispielsweise auf Brachen und Konversionsflächen wertvolle Sukzessionsstadien, die naturschutzfachlich und gestalterisch in zukünftige Freiraumkonzepte eingebunden werden können. Die Integration von Freiraumnutzungen erfordert einen flexiblen Ansatz, da sich die Freiraumqualitäten aufgrund der kontinuierlichen und unvorhersehbaren Veränderungen den Gegebenheiten entsprechend wandeln. Ein Beispiel sind die Sukzessionsfelder auf dem Alten Flugplatz in FrankfurtBonames – zum Zeitpunkt der Herstellung ein offener und weiter Freiraum. Mit einsetzender Sukzession und steigendem Wasserstand wurden sie durch Weiden, Pappeln und Hochstauden überwachsen und sind heute nur mehr auf schmalen Pfaden zu betreten. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, sodass sich der derzeitige Zustand mit den entsprechenden Nutzungsmöglichkeiten zugunsten eines waldähnlichen Freiraumes verändern wird.

Verschiedene Maßnahmen können die naturbedingten Prozesse unterstützen: beispielsweise das Zulassen der Eigenentwicklung durch ungelenkte oder gelenkte Sukzession. Letztere zeichnet sich dadurch aus, dass die natürlichen Abläufe durch einzelne, gezielte Pflegeeingriffe gesteuert werden (Institut für allgemeine und angewandte Ökologie e.V. o.J.). Zu diesen Maßnahmen zählt ebenso die Anlage von Pionierflächen (zum Beispiel Rüschpark, Hamburg), durch die wiederum Bereiche entstehen, auf denen dann die natürliche Sukzession verlaufen kann. Dynamische Entwicklungen werden auch durch das Arbeiten mit natürlich vorkommenden Störungen gefördert: Dies kann beispielsweise durch die Gestaltung von Überflutungsflächen, den Rückbau von Gewässerregulierungen oder die Arbeit mit Windwurf geschehen. Störungen können auch absichtlich hervorgerufen werden, um dynamische Abläufe nachzuempfinden. Dies lässt sich durch eine menschliche Beanspruchung wie zum Beispiel die Sportnutzung von Magerrasen im Weseruferpark, Bremen, anhand von anthropogen bedingtem Bodenaufriss oder anderen mechanischen Störungen umsetzen und erfordert stets eine planerische Weitsicht und Offenheit, um die entstehende Vegetation und Freiräume mit einbinden zu können. In Bezug auf die Freiraumqualität bieten derartige Flächen für den Betrachter ein sich stets wandelndes und unregelmäßiges Bild. Diese Wildheit widerspricht zwar dem häufig geäußerten Wunsch nach „ordentlicher“ Gestaltung, aber genau das kann den besonderen Charme und eine Abwechslung im Freiraumerleben ausmachen. Eine Sensibilisierung der städtischen Bevölkerung für derartige Prozesse und ein Verständnis für Wandel und Entwicklung von Lebensgemeinschaften sowie Ausbreitungs- und Konkurrenzbedingungen von Flora und Fauna können bedeutend zur Akzeptanzsteigerung von naturschutzfachlichen Maßnahmen und Projekten beitragen. Umgekehrt kann der Erlebniswert eines Freiraumes durch sichtbare und erfahrbare natürliche Prozesse deutlich erhöht werden, vor allem dann, wenn eine entsprechende Wissensvermittlung das Erleben und Verstehen von Natur zusätzlich unterstützt (siehe „Naturkontakt intensivieren“, S. 85).

Pionierstandorte schaffen

Ruderal- und Sukzessionsflächen

Natürliche Ufer ermöglichen

46

Entwurfsfelder und Entwurfswege

Recyclingmaterial in groben Fraktionen schafft wertvolle Geröll- und Schotterflächen, die lange Zeit ihren offenen Charakter behalten. Voraussetzung für den Einbau ist schadstofffreies Material. (Scherbelhaufen, Apolda) Regelmäßige Störungen durch Tritt fördern Pionierarten, die dadurch kleinteilig stets neue geeignete Standorte finden. Diese Standortdifferenzierung kann von Anfang an im Entwurf berücksichtigt werden. (Rüschpark, Hamburg)

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Pionierstandorte schaffen

Scherbelhaufen | 132 Weseruferpark | 164 Alter Flugplatz | 168 Rüschpark | 174 Zentrale Bahnflächen | 198

Entwurfsperspektiven Pionierstandorte sind Flächen, die mit nur wenig Vegetation bedeckt oder gänzlich unbewachsen sind. Im städtischen Bereich sind sie relativ häufig zu finden, zum Beispiel auf Baustellen, wo Boden abgetragen wird oder Flächen geräumt werden. Dort ist das Zeitfenster für eine natürliche Besiedelung durch Pflanzen jedoch oftmals zu klein, da meist schnell neuer Boden aufgetragen, bepflanzt oder bebaut wird. Ähnlich werden auch Pionierflächen auf Äckern immer wieder durch die ständige landwirtschaftliche Bearbeitung zerstört. Die Folgen einer Übernutzung von Vegetation durch den Menschen oder andere Störungen, wie beispielsweise scharrende Hunde, können dazu beitragen, dass Pionierflächen erhalten bleiben oder neu entstehen. Die aus naturschutzfachlicher Sicht wertvollen Offenlandhabitate bieten Lebensräume für viele insbesondere in der Stadt selten gewordene Arten von Reptilien, Insekten und Pflanzen. Überlässt man die Pionierflächen der Eigenentwicklung, setzt jedoch die natürliche Sukzession ein und es entwickeln sich Gehölze. Gute Bedingungen für Pionierarten können also nur durch gezielte Pflegeeingriffe oder wiederkehrende Störungen erhalten werden – ein Offenhalten der Flächen ist aus naturschutzfachlichen Gesichtspunkten wichtig. Gleichzeitig macht diese Offenheit und Weite auch den ästhetischen Reiz aus. Die speziellen Charakteristika von Pionierflächen können deshalb auch gut für die Gestaltung von öffentlichen Freiräu-

men genutzt werden. Aufgrund der Vielfalt an Insekten und blühenden Wildkräutern sind auf diesen Flächen zusätzlich die Vorgänge in der Stadtnatur samt der Sukzession gut zu beobachten (siehe „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, S. 90).

Naturschutz Pionierstandorte sind selten und bedroht, da sie je nach Standortbedingungen nur relativ kurz bestehen können. Die nicht mehr genutzten Flächen entwickeln sich mit der natürlichen Sukzession früher oder später zu Gehölzbiotopen, und es verschwinden die Arten, die nur unter Pionierbedingungen leben können (siehe „Ruderal- und Sukzessionsflächen“, S. 48). Für sie sind Pionierflächen Vernetzungs- und Trittsteinflächen im Stadtgefüge. Entsprechend wichtig ist für diese Arten neben der Einzelfläche eine zeitlich wie räumlich dynamische Verteilung weiterer Pionierflächen und Stadien.

Bemerkungen Häufig erhebt sich erfahrungsgemäß Protest, wenn eine bereits bewachsene Fläche geräumt und wieder zu einem Pionierstandort entwickelt werden soll. Ein solcher massiver Eingriff auf einer Fläche führt leicht zu Unverständnis in der Bevölkerung, weil sie nicht nachvollziehen kann, warum „Natur“ zerstört und eine karge Fläche angelegt wird. Dem kann entgegengewirkt werden, indem die Maßnahmen von Beginn an durch Presseartikel, Informationsveranstaltungen oder mittels Informationen vor Ort kommuniziert und erläutert werden.

Weiträumige Offensandflächen bieten Raum für Erholungsund Sportnutzungen. Im Zusammenspiel mit schwankenden Wasserpegeln können sich charakteristische Lebensräume für Arten ausbilden, die an diese Extremstandorte angepasst sind. (Weseruferpark, Bremen)

48

Entwurfsfelder und Entwurfswege

Auf nach ästhetischen Kriterien angelegten Recyclingflächen wird die Sukzession wissenschaftlich dokumentiert und bietet so den Besuchern spannende Einblicke in natürliche Vegetationsprozesse. (Alter Flugplatz, Frankfurt a.M.) Ein Steg unterstützt eine behutsame Erschließung wertvoller Biotope. Das gilt auch für solche der Sekundär- und Stadtnatur. Der leicht erhöhte Weg signalisiert Respekt für die entstandenen Lebensräume und verhindert durch die Hürde der Höhendifferenz ein Betreten der sensiblen Bereiche. (Schöneberger Südgelände, Berlin)

49 Park am Gleisdreieck | 144 Park am Nordbahnhof | 148 Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168 Zentrale Bahnflächen | 198

Ruderal- und Sukzessionsflächen Entwurfsperspektiven Ein Großteil urbaner Ruderal- und Sukzessionsflächen entsteht, weil Grundstücke oder Gebäude nicht mehr genutzt werden. Beispiele hierfür sind ehemalige Güterbahnhöfe, Militärgelände und -gebäude oder Industrieanlagen. Nach ihrer Stilllegung wurden sie häufig jahrelang nicht berührt, sodass Flora und Fauna sich dynamisch entwickeln konnten und die Flächen heute verschiedenen geschützten oder seltenen Arten wichtige (Teil-)Habitate und Unterschlupfmöglichkeiten im ansonsten bebauten Stadtbereich bieten. Neben der Bedeutung für den Naturschutz sind Sukzessionsinseln auch für das Erleben von Natur, die Beobachtung natürlicher Prozesse und aufgrund ihrer charakteristischen Raumwirkung interessant (siehe „Historische Landschaftsstrukturen“, S. 36; „Ortsgeschichte thematisieren“, S. 40). Dort, wo dynamische Abläufe sichtbar und erfahrbar sind, können diese Flächen zu einem besseren Verständnis für natürliche Prozesse und zur Umweltbildung beitragen. Durch gestalterische Berücksichtigung und aktive Inszenierung der Prozesse können sich sehr abwechslungsreiche, „wilde“ Bilder bieten, die in der Stadt zwischen gepflegten Parkanlagen besonders attraktiv und kontrastbildend sein können. Positiv ist zudem, dass solche Flächen nicht oder nur sehr wenig gepflegt werden müssen und damit Kommunen mit knappen Budgets entgegenkommen.

Naturschutz Bei Sukzessionsflächen steht die Prozesshaftigkeit im Vordergrund, in deren Verlauf sich immer wieder neue Habitate entwickeln – neue Biotopstrukturen bilden sich heraus, während andere verloren gehen. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist die Dynamik, insbesondere bei einer Gleichzeitigkeit verschiedener Sukzessionsstadien auf Nachbarflächen, besonders wertvoll. Spezialisierte Arten können so über Wanderungsbewegungen zwischen den Flächen neu entwickelte Habitate erschließen. Derartige Prozesse können sich selbst überlassen, aber auch gezielt modifiziert und gelenkt werden.

Bemerkungen Das wild anmutende Erscheinungsbild solcher Flächen mag Parkbesucher beim ersten Anblick irritieren. Deshalb gilt es hier vor allem, über den Wert solcher Strukturen für den Naturschutz aufzuklären und auf diese Weise die Akzeptanz für derartige Maßnahmen zu erhöhen. Konfliktreich sind in diesem Zusammenhang das Überwuchern und der Diasporeneintrag auf angrenzende Flächen. Handelt es sich hierbei beispielsweise um private Gärten, wird ein erhöhter Aufwand notwendig sein, um unerwünschtem Aufwuchs entgegenzusteuern. Weiteres Konfliktpotenzial entsteht, wenn lange Zeit nicht genutzte Flächen einer neuen, intensiveren Nutzung oder Bebauung zugeführt werden sollen. Vor allem Naturschutzverbände oder naturinteressierte Gruppen und Einzelpersonen sind bemüht, derartige Stadtbiotope zu erhalten, und setzen sich dementsprechend gegen die Bebauung oder industrielle Entwicklung der Fläche ein.

Relikte von spontanem Aufwuchs und ehemaliger Ausstattung geben die Geschichte eines Ortes wieder und bieten gleichzeitig vielfältige Rückzugs- und Entwicklungsmöglichkeiten für Flora und Fauna. (Park am Gleisdreieck, Berlin)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Natürliche Ufer bieten nicht nur vielfältige Lebensräume für Flora und Fauna, sie erlauben auch eine breite Spanne an Möglichkeiten der Freiraumnutzung und Naturerfahrung. Sie beanspruchen in der Regel einen größeren Raum als verbaute Ufer, der aber multifunktional genutzt werden kann. Auskolkungen mit angespültem Holz und Treibgut sowie die Sukzessionsstufen verschiedener Weichholzarten tragen zu einer Differenzierung von Uferflächen bei und lassen Standorte mit Nischen für verschiedenste Arten entstehen. Wird dieses in die Gestaltung von Freiräumen einbezogen, können die Prozesse der natürlichen Flussentwicklung anschaulich demonstriert werden. (Westhovener Aue, Köln)

Flachwasserzonen

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51 Grünzug Bullengraben | 136 Wartenberger Feldmark | 156 Weseruferpark | 164 Buchholzer Bogen | 178 Westhovener Aue | 186

Natürliche Ufer ermöglichen Entwurfsperspektiven Viele der Flüsse, Kanäle und Gräben im städtischen Bereich sind aus wirtschaftlichen Gründen, wie zum Beispiel der Unterhaltung und Reinigung oder für eine bessere Flächennutzbarkeit, begradigt und befestigt worden und lassen keine dynamische, natürliche Entwicklung der Uferbereiche zu. Uferabbrüche, das Anschwemmen von Sediment zu Inseln, Schotteroder Sandbänken oder das Anspülen von Treibholz sind nicht mehr möglich. Dadurch haben die Ufer nicht nur deutlich an Strukturvielfalt, sondern auch an ästhetischer Vielfalt eingebüßt. Natürliche weitläufige Uferzonen sind auch bei urbanen Stillgewässern kaum noch zu finden; Röhrichte, Weichholzauen und Flachwasserzonen mussten steilen, befestigten Ufern weichen. Dementsprechend reduziert ist die Artenvielfalt entlang solcher Strukturen. Zur Förderung von eigendynamischen Prozessen und zur Erhöhung der Diversität sollten Renaturierungen von Uferbereichen bei Umgestaltungen mitgeplant werden. Die Eigendynamik ist auch für ein „natürliches“ Erscheinungsbild eines Fließgewässers von Bedeutung. Die so entstehende Ästhetik von „Wildnis“ bietet insbesondere im urbanen Raum ein Spannungsfeld, das gestalterisch zur Bereicherung von Freiräumen genutzt werden kann. Verringerte Abflussgeschwindigkeiten strukturreicher Fließgewässer erhöhen zusätzlich die Retention und puffern somit frühzeitig Hochwasserscheitel ab (siehe „Wassermanagement integrieren“, S. 30).

Naturschutz Vielfältige und lebensraumtypische Ufer- und Saumstrukturen bieten diversen im urbanen Raum bedrohten Arten Unterschlupf- und Nahrungsmöglichkeiten. Für Fische und Amphibien haben strukturreiche Uferbereiche als Laichplätze eine besondere Bedeutung. Je mehr Raum einem Ufer gegeben wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich eine natürliche Zonierung und damit Strukturvielfalt entwickelt. Durch künstliche Störungen, Uferanrisse und Aufweitungen oder aber durch unterlassene Pflege- und Räummaßnahmen ergibt sich ein wertvolles Mosaik aus temporären Lebensräumen, die für eine Vielzahl von Arten auch als Trittsteine genutzt werden können. In urbanen Bereichen ist dies aufgrund von mangelndem Platz und Flächenkonkurrenzen oftmals schwer umzusetzen.

Bemerkungen Die Unterhaltung von innerstädtischen Fließgewässersystemen birgt eines der größten Konfliktpotenziale. Durch ein natürliches, unbefestigtes Ufer, einen nicht betonierten Flussgrund und strukturreiche Ufervegetation ist der Reinigungsaufwand aufgrund natürlicher Einträge (zum Beispiel Laub angrenzender Sträucher) deutlich erhöht. Zudem sind die Gewässer zum Teil auch wasserwirtschaftlich und für den Wassersport nicht mehr nutzbar. Um derartige Konflikte zu minimieren und verschiedenen Interessen gerecht zu werden, können Uferbereiche auch nur abschnittsweise renaturiert werden.

Durch einen Rückbau technischer Uferverbauung wurden flache Uferzonen und geschützte Kleinstinseln geschaffen, die einen Mehrwert für Flora und Fauna darstellen. Gestalterisch integrierte Beobachtungswarten steigern die Akzeptanz und Wertschätzung. (Buchholzer Bogen, Hannover)

52

Entwurfsfelder und Entwurfswege

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Produktionsräume gestalten Durch eine multifunktionale Ausgestaltung können Landschaften, in denen Energieerzeugung und landwirtschaftliche Produktion im Vordergrund stehen, zeitgemäße Aufenthaltsqualitäten für den Menschen und wertvolle Lebensräume für Arten bereithalten. Dies kann zum einen durch abgestimmte „pflegende“ Nutzungen und zum anderen durch ein intelligentes Nebeneinander von Nutzung, Erholung und Naturschutz geschehen. Bewirtschaftungsmethoden, Flächenzuschnitt und das Verhältnis unterschiedlicher Flächennutzungen zueinander entscheiden dabei über Nutzbarkeit und Ästhetik einer Landschaft. Die einzelnen Elemente wie Gräben, Zäune, Hecken, Einzelgehölze, Baumreihen oder Kleingewässer prägen ebenso wie Gebäude, Infrastrukturen und Wirtschaftsflächen das Landschaftsbild und formen seinen eigenständigen Charakter (siehe „Eigenarten kultivieren“, S. 33). Als Produktionsräume werden in der Regel großräumige Landschaftsausschnitte aufgefasst, sodass auch diese Großräumigkeit in allen Entwurfswegen thematisiert wird.

Wertschöpfung und Flächenkonkurrenzen Produktionsräume zeichnen sich durch eine ökonomische Wertschöpfung aus; die Erzielung von Erträgen beispielsweise durch Land- und Forstwirtschaft, Energieerzeugung oder Vermarktung von Flächen steht dabei im Fokus. Sowohl beim Anbau von Pflanzen als auch bei der Nutztierhaltung werden Produkte auf der Fläche erzeugt, wobei es Berührungspunkte mit dem Bereich der Energieerzeugung geben kann (zum Beispiel beim Anbau von Biomasse in Form von Raps, Mais oder Kurzumtriebsplantagen). Ebenso sind aber auch technische Bauwerke wie Windenergieanlagen, Solarparks, Wasserkraftwerke, Biogasanlagen oder Abbauflächen von fossilen Brennstoffen Teil der energetischen Wertschöpfung. Ihnen gemeinsam ist, dass sie nachhaltige Auswirkungen auf das Landschaftsbild und in der Regel auch auf die vorzufindenden Lebensräume und Arten haben. Im Falle von Reitställen mit Ausritt- und Weideflächen stehen die Flächenerträge beispielsweise direkt mit einer Erholungsnutzung in Verbindung.

Da die Landbewirtschaftung große Anteile der Landschaft beansprucht, kommt ihr auch ein entsprechender Einfluss auf das Landschaftsbild zu. Etwa die Hälfte der bundesdeutschen Fläche ist durch landwirtschaftliche Produktion beansprucht, gefolgt von knapp einem Drittel forstwirtschaftlich genutzter Flächen. Siedlungs- und Verkehrsflächen beanspruchen 13 Prozent des Landes, auf sonstige Kategorien­ entfallen 4 Prozent (UBA 2013). Zugunsten einer stetig wachsenden Siedlungs- und Verkehrsfläche nimmt hauptsächlich die landwirtschaftliche Fläche kontinuierlich ab. Neben der Siedlungsentwicklung beansprucht jedoch auch die Erzeugung regenerativer Energie in steigendem Maße Flächen. Angesichts dieser Flächenkonkurrenzen wird es zunehmend schwieriger, reine Naturschutzflächen durchzusetzen, sodass Nutzungsüberlagerungen eine Alternative darstellen. Die Verknüpfung von unterschiedlichen Nutzungen mit naturschutzfachlichen Zielsetzungen wird beispielsweise über Bewirtschaftungssauflagen, produktionsintegrierte Kompensation oder Agrarumweltmaßnahmen erreicht. Die Entwicklungen verdeutlichen, dass es Konfliktpotenzial im Bereich der Flächennutzung gibt, was sich nicht zuletzt auch in stetig steigenden Bodenpreisen niederschlägt. Umso mehr sind multifunktionale Nutzungskonzepte gefragt, die Naturschutz, Ökonomie und Freiraumqualitäten sinnvoll vereinen.

Landwirtschaft in der Erholungslandschaft

Vielfalt der Agrarlandschaft fördern

Naturschutz durch Ökolandbau

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Breite Erholungs- und Versorgungskorridore und vereinzelte Extensiv- und Brachflächen inmitten der Agrarlandschaft sorgen für Gliederung und Differenzierung und bieten zwischen den Produktionsflächen Lebensraum für verschiedene Pflanzen und Tiere. Ein Kontakt mit Weidetieren wird durch die Gestaltung ermöglicht. Durch die landwirtschaftliche Nutzung entstehen Landschaftssituationen, die im urbanen Raum ungewöhnlich sind und für Freiraumnutzer einen hohen ästhetischen Reiz besitzen. (Landschaftspark Rudow-Altglienicke, Berlin)

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Landwirtschaft in der Erholungslandschaft

Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Wartenberger Feldmark | 156 Park links der Weser | 160 Landschaftsraum Kronsberg | 182

Entwurfsperspektiven Die heute übliche effizienzorientierte Landwirtschaft lässt sich großräumig an den Rändern der Stadt realisieren. Allerdings treffen hier vielfältige Nutzungsansprüche aufeinander, sodass Strategien zum Zusammenbringen konkurrierender Interessen entwickelt werden müssen. Bei der Landwirtschaft in der Erholungslandschaft geht es darum, Wertschöpfung und Ressourcenschutz in ein bestehendes Freiraumsystem zu integrieren und der urbanen Bevölkerung Themen der nachhaltigen Landbewirtschaftung näherzubringen. Neben Ackerflächen bieten auch stadtnahe Weidewirtschaft oder forstliche Nutzflächen diverse Möglichkeiten, um den Erholungsuchenden Berührungspunkte mit Nahrungsmittelanbau und Themen der Produktion zu ermöglichen. Auch gartenbauliche Nutzungen, wie zum Beispiel Gemüsegärten und Plantagen, können eingegliedert werden, verbrauchernah regionale Lebensmittel produziert und entsprechend vermarktet werden.

Naturschutz Aus naturschutzfachlicher Sicht ist eine nachhaltige­ Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen ein wichtiges Ziel. Dabei stehen der Wert der Ressource Boden und die Vorteile lokaler Kreisläufe im Fokus. Eine ressourcenschonende und ökologisch vertretbare Bearbeitung von Flächen kann zudem zu einer Erhöhung der Artenvielfalt sowie zur Verbesserung des Wasser- und Klimahaushaltes beitragen. Auch können in einen Erholungsraum integrierte Nutzflächen die Bevölkerung für die schonende Bewirtschaftung von Ressourcen sensibilisieren und durch Direktvermarktung von Erzeugnissen wie Obst, Gemüse oder regionalen Fleischprodukten die Identifikation mit Standort und regionalen Produkten verbessern.

Bemerkungen In einer Produktionslandschaft findet der Faktor Erholung­oftmals kaum Berücksichtigung, da Landwirtschaft oder Gartenbau dominieren. Typische Konflikte zwischen Landwirtschaft und Erholungsnutzung im Verdichtungsraum entstehen, weil die Wirtschaftlichkeit durch zu geringe Flächengrößen und ungünstige Flächenzuschnitte eingeschränkt wird oder Müll und Hundekot auf Grünlandflächen deren Bewirtschaftung erschweren. Erholungsuchende fühlen sich wiederum durch den Lärm oder den Staub gestört, den die landwirtschaftlichen Maschinen verursachen. Platzbedarf zur Bearbeitung der Flächen und Bodenverdichtung sind Probleme, die zwischen Landnutzern und dem Naturschutz entstehen.

Landschaftsgliedernde Baumreihen bieten Unterschlupf und Nisthabitate sowie Windschutz auf den Wirtschaftswegen. Bei guter Oberflächenbeschaffenheit können diese von Skatern und Radfahrern mitgenutzt werden. (Wartenberger Feldmark, Berlin)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Säume, Hecken und Gräben bieten vielfältige Habitate für seltene Arten. Werden diese Strukturen entsprechend den Bedürfnissen der Landnutzung angeordnet, können Konflikte mit dem Naturschutz vermieden werden. Feldhecken, Wegraine, Baumreihen- und gruppen strukturieren die Agrarlandschaft und bieten Rückzugsmöglichkeiten für Flora und Fauna sowie eine gesteigerte Erlebnisvielfalt. (Landschaftsraum Kronsberg, Hannover)

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Vielfalt der Agrarlandschaft fördern

Wartenberger Feldmark | 156 Landschaftsraum Kronsberg | 182

Entwurfsperspektiven Um die Attraktivität landwirtschaftlicher Räume gleichermaßen im Sinne des Naturschutzes und für die Freiraumnutzer zu steigern, gibt es eine breite Palette an konkreten Möglichkeiten. Werden beispielsweise Feldsteinmauern, Hecken, Knicke, Baumreihen, Einzelgehölze oder Kleingewässer geschaffen, führt das zu einem erhöhten Strukturreichtum und steigert so auch die Erlebnisvielfalt für die Nutzer. Auch Blühstreifen, Lerchenfenster, strukturreiche Wegränder und Wildblumenwiesen werten die Landschaft ökologisch auf und tragen gleichzeitig zu einem abwechslungsreichen Landschaftsbild bei. Flankierend kann eine Basis-Infrastruktur mit Wegen, Aufenthalts- und Informationsmöglichkeiten angelegt werden. Bei der Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen ist die Wertschöpfung entscheidend. Neben der privatwirtschaftlichen Gewinnerzielung hat aber auch die gesellschaftliche, immaterielle Wertschöpfung (Identifikation mit der umgebenden Landschaft, Wert der Kulturlandschaft) Gewicht. Sie nimmt mit Erhöhung des Strukturreichtums zu.

Naturschutz Aus naturschutzfachlicher Sicht wird mit neuen ökologisch wertvollen Strukturelementen einer Monostruktur entgegengewirkt. Außerdem wird durch die zusätzlich geschaffenen Lebensräume die biologische Vielfalt auf Äckern, Weiden und Wiesen erhalten oder erhöht. Ackerrandstreifen und Wegränder bieten Schmetterlingen und Wildbienen Nahrung und bereichern das Landschaftsbild durch ihren Blütenflor. Vor allem lineare Elemente können einen Beitrag zur Vernetzung verschiedener Landschaftsräume leisten, wenn Trittsteine oder Korridore zur Wanderung und Ausbreitung von Arten entstehen. Die Extensivierung der Flächenbewirtschaftung ist eine weitere Methode, den kleinteiligen Strukturreichtum zu erhöhen. Auch temporäre oder organisatorische Maßnahmen, wie zum Bespiel die Abstimmung von Eingriffen auf die Bedürfnisse von Wiesenbrütern, sind denkbar.

Bemerkungen Konflikte entstehen, wenn Flächenbewirtschafter vereinbarte Bearbeitungsmethoden missachten und den naturschutzfachlichen Zielen entgegenwirken, indem sie beispielsweise gegen Dünge- oder Pestizidgrenzen verstoßen oder Mahdtermine wählen, die für den Artenschutz problematisch sind. Ebenso verhält es sich mit der Erfüllung von Kompensationsverpflichtungen. Die zuständigen Behörden sind hier häufig auf die Meldung etwaiger Verstöße durch Bürger oder Organisationen angewiesen, da sie selbst oftmals nicht über ausreichend Personal zur Kontrolle verfügen.­

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Blühstreifen, Lerchenfenster und extensive Landnutzung sind typische Möglichkeiten, um Naturschutz im Ökolandbau zu berücksichtigen. Viele heute selten gewordene Arten finden auf Brachflächen und extensiv gepflegten Bereichen Refugien. Im Ökolandbau dienen diese Flächen zudem der Regeneration der Böden und tragen landschaftlich zu einer naturnäheren Erscheinung bei. (Landschaftsraum Kronsberg, Hannover)

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Naturschutz durch Ökolandbau

Lebens-Welten | 128 Wartenberger Feldmark | 156 Landschaftsraum Kronsberg | 182

Entwurfsperspektiven Mit ihren nachhaltigen und ressourcenschonenden Bewirtschaftungsformen entspricht die ökologische Landwirtschaft (Ökolandbau) im Wesentlichen den Forderungen von Natur- und Umweltschutz. Darüber hinaus trägt sie durch den Erhalt der Vielfalt zu einem neuen Landschaftserleben bei. Allerdings schlägt sich der Mehraufwand, der betrieben wird, um ökologisch vertretbare Produkte zu erhalten, in höheren Preisen nieder. Insbesondere im urbanen Raum sind zudem häufig ökologischer Landbau und soziale Intentionen miteinander gekoppelt. So finden zum Beispiel über Integrationsprojekte oder die allgemeine Teilhabe an Flächen soziale Belange Berücksichtigung, und die Projekte leisten darüber hinaus einen identitätsstiftenden Beitrag für Stadtteile und Nachbarschaften. Die Themen, für die so sensibilisiert werden kann, umfassen nachhaltige Bewirtschaftungsweisen, Kreislaufsysteme, regionale Rohstoffketten und Nahrungsmittelerzeugung im Allgemeinen.

Naturschutz Naturschutzmaßnahmen und ökologische Landbauweisen sollten wegen einer großen Schnittmenge an Synergieeffekten kombiniert werden: Ökologische Bewirtschaftungsweisen verzichten auf Pestizide und synthetische Düngemittel und sind darum mit den Zielen des Naturschutzes eher vereinbar als die konventionelle Landwirtschaft. Vielfältige Fruchtfolgen, Ackerwildkräuter, strukturreiche Wegränder und Feldraine, Extensivierungsmaßnahmen, Brachen zur Bodenregeneration und die Verringerung der Schlaggrößen sind nur einige der produktionsbedingten Maßnahmen, die zum Teil erheblich zu einer Steigerung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft beitragen.

Bemerkungen Im Ökolandbau sind teils aufwendige Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen nötig, um die selbst gesetzten Standards zu erfüllen. Das kann zu höheren ökonomischen Risiken bei den Landwirten führen. Die Erhöhung der biologischen Vielfalt bedarf spezieller Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen und wird nicht einfach als Nebeneffekt erreicht.

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

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Durch Nutzung pflegen Die Finanzierung und Umsetzung der dauerhaften Pflege und Unterhaltung von urbanen Freiräumen – unabhängig davon, ob der Schwerpunkt auf Erholung und Freiraumqualität oder auf dem Naturschutz liegt – gehören zu den wesentlichen Faktoren, die den langfristigen Erfolg eines Projektes bestimmen. Aus der Landwirtschaft liegen Erfahrungen vor, wie durch extensive Nutzungen wertvolle Naturräume oder Vegetationszustände in ihrer Ausprägung erhalten werden können, bzw. wie erst durch eine spezielle Nutzung und damit verbundene temporäre Störungen wertvolle Landschaftsbestandteile entstehen. Treffen im urbanen Bereich intensiv genutzte Erholungsräume auf solche extensiv genutzten und naturschutzfachlich relevanten Flächen, lassen sich zum einen Synergien, zum anderen Konflikte identifizieren. So können extensive Nutzungen durchaus zu einer Steigerung der Eigenart und des Erlebniswertes von Freiräumen sowie einer Identifikation mit diesen beitragen: Bei Beweidungsprojekten treten die Besucher in mittelbaren Kontakt mit den Tieren, die dadurch symbolhaft aufgewertet werden – die Tiere stehen stellvertretend für eine Fläche oder sogar für das gesamte Projekt. Ökonomische Schwierigkeiten können sich im Zusammenhang mit einzuhaltenden Auflagen des Naturschutzes ergeben, wenn diese Art der Pflege nicht mehr kostenneutral durchzuführen ist. Eine weitere Form der Landschaftspflege basiert auf dem Zulassen von partieller (Über-)Nutzung von Flächen, wie sie beispielsweise bei einigen Sportarten entstehen kann. Beispielhaft kann hierfür das Discgolf-Spielen im Weseruferpark in Bremen angeführt werden. Durch die Abstimmung von sportlichen Interessen mit denen des Naturschutzes können auf diesem Weg Vegetationszustände durch Trittschäden erhalten oder eventuell regelmäßig zerstört werden. Der dadurch entstehende Pionierzustand kann für einige Arten überlebensnotwendig sein (siehe „Dynamik zulassen“, S. 43).

Ein entscheidender Aspekt bei sämtlichen Pflegekonzepten ist die Integration der Flächen in den Entwurf eines Gesamtkonzeptes, um auch der gewünschten Ästhetik und Freiraumnutzung gerecht zu werden. Darüber hinaus sind die Einbindung von und der direkte Kontakt zu den beteiligten Nutzern und Akteuren wichtig, um Akzeptanz zu gewinnen und für den Naturschutz wertvolle und dauerhafte Projekte und Maßnahmen umsetzen zu können (siehe „Akteure einbinden“, S. 93).

Temporär beweiden

Pflege durch Sportnutzung

Dauerhaft beweiden

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Schafe und Ziegen werden bei Bedarf auch auf innerstädtische Flächen gebracht und erzeugen eine halboffene Weidelandschaft, die mit ihrem Charakter eine Bereicherung des Freiflächenspektrums darstellt. Auf diese Weise werden die Trockenrasen im NSG Schöneberger Südgelände offen gehalten. (Schöneberger Südgelände, Berlin) Wandernde Schafherden pflegen großflächige Grünräume. Ihre Anwesenheit bietet (da nur selten im Jahr) ein ungewöhnliches Bild und stellt ein aufsehenerregendes Ereignis für die Besucher der, wie hier in den Rheinauen. (Westhovener Aue, Köln)

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Schöneberger Südgelände | 152 Landschaftsraum Kronsberg | 182 Westhovener Aue | 186

Temporär beweiden Entwurfsperspektiven Temporäre Beweidungskonzepte bieten flexible Ansatzpunkte, um eine Multifunktionalität von Flächen zu realisieren. Zu bedenken ist jedoch, dass es für die Umsetzung solcher Konzepte ausreichend Flächen bedarf, damit die notwendige Nahrungsmenge für die dort eingesetzten Tiere zur Verfügung steht. Sollen beispielsweise Schafe oder Ziegen im städtischen Raum als Landschaftspfleger eingesetzt werden, müssen die Weiden erreichbar sein, um den Transport zu und zwischen den zu beweidenden Flächen sicherzustellen. Ebenso wichtig sind tragbare Be- oder Eingrenzungen. Da Kommunen und Städte nur in Ausnahmefällen über die personellen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen für eine solche Maßnahme verfügen, bieten sich Kooperationen mit Landwirten oder Wanderschäfern an. Mit einer Beweidung können Lebensräume und Arten effizient geschützt werden, weil vergleichbare konventionelle Pflegeeingriffe deutlich teurer sind. Zudem können Fleisch, Milch oder Wolle der Tiere vermarktet werden. Da sich die Weidetiere stets nur einen kleinen Teil des Jahres auf den Flächen befinden, können die Flächen zwischenzeitlich in Abstimmung mit den naturschutzfachlichen Zielsetzungen auch für andere Nutzungen, zum Beispiel im Bereich der Erholungsaktivitäten, geöffnet werden.

Naturschutz Tiere werden als Landschaftspfleger eingesetzt, um naturschutzfachlich wertvolle Lebensräume oder Vegetationsstadien möglichst schonend aufrechtzuerhalten oder zu entwickeln (siehe „Ruderal- und Sukzessionsflächen“, S. 48). Durch Verbiss- und Trittschäden werden Stockausschlag und Verbuschung vermieden und die Flächen (halb-)offen gehalten. Zudem können Flächen, die für den Menschen und die Maschine schlecht zugänglich sind, beispielsweise felsige Bereiche, dauerhaft frei von Bewuchs gehalten werden. Die Dauer der Beweidung richtet sich nach den jahreszeitlichen Gegebenheiten und den damit verbundenen Mengen an verfügbarer Nahrung für die Tiere. Auch andere Zielsetzungen sind maßgebend für den Einsatz der Weidetiere: So können beispielsweise Brutzeiträume von Bodenbrütern in Konzepten für eine temporäre Beweidung berücksichtigt werden.

Bemerkungen Schwierig wird es, wenn ein Pächter seine Tiere vorzeitig von der Fläche abzieht. Bis ein neuer Bewirtschafter gefunden ist, muss auf maschinelle oder manuelle Pflege zurückgegriffen werden, um den Zustand der Fläche zu erhalten. Außerdem kann Beweidung in Einzelfällen bei Parkbesuchern zu Unmut führen, wenn zum Beispiel eine reizvolle Blühsituation durch die Tiere beeinträchtigt wird. Es empfiehlt sich, über die Maßnahme und den naturschutzfachlichen Hintergrund zu informieren und dadurch ein Verständnis bei den Parkbesuchern zu erreichen.

Gezielte Öffentlichkeitsarbeit zu Pflegekonzepten entschärft Missverständnisse und Akzeptanzprobleme. So verdeutlichen „Stellvertreter“ für die nur temporär erlebbare Schafbeweidung das Pflegekonzept und stärken die Identifikation. (Landschaftsraum Kronsberg, Hannover)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Tritt- und Suhlstellen sind Störungen, aus denen wertvolle Standorte für Pionierarten hervorgehen. (Grüner Bogen Paunsdorf, Leipzig)

Gehölzverbiss kann gewollt sein, um die Landschaft offen zu halten und weite Blickbeziehungen zu ermöglichen. (Grüner Bogen Paunsdorf, Leipzig)

Als Landschaftspfleger eingesetzte Wildpferde stellen eine pflegeextensive und gleichzeitig attraktive Form der Nutzung dar. (Grüner Bogen Paunsdorf, Leipzig)

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Dauerhaft beweiden

Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Wartenberger Feldmark | 156 Grüner Bogen Paunsdorf | 190

Entwurfsperspektiven Dauerhafte Beweidungskonzepte dienen ebenso wie temporäre dazu, definierte Vegetationszustände aufrechtzuerhalten oder zu entwickeln. Im Zusammenhang mit naturschutzfachlichen Zielen handelt es sich dabei stets um extensive Beweidung. Durch eine niedrige Besatzdichte werden die Flächen weniger stark beansprucht als bei konventioneller Weidenutzung. Wie viele Tiere eine Fläche verträgt, ohne sie zu schädigen, muss ein begleitendes Monitoring festsetzen. Je nach Naturraum, Schutzziel, Flächenverfügbarkeit und Nahrungsangebot können unterschiedliche Tiere zur Dauerbeweidung eingesetzt werden. In Deutschland haben sich Wildpferde und diverse robuste Rinderarten, oftmals auch Rückzüchtungen, durchgesetzt, da sie unkompliziert zu halten sind und auch im Winter (bei ergänzender Futtermittelgabe) auf den Flächen verbleiben können. Mehr noch als bei der temporären macht bei einer dauerhaften Beweidung die ständige Anwesenheit die Tiere zu einem Markenzeichen und Identifikationsfaktor (siehe „Räume für Naturerfahrung“, S. 88). Aus diesem Grund können Beweidungskonzepte gerade im Stadtraum, inszeniert und durch eine entsprechende Gestaltung der Flächen, als Attraktion für Anwohner und Besucher etabliert werden. Die Voraussetzungen sind im Hinblick auf Flächenverfügbarkeit und beteiligte Akteure ähnlich wie bei der temporären Beweidung. Eine dauerhafte extensive Bewirtschaftung verursacht allerdings weniger Arbeit und Kosten, da die Tiere nicht regelmäßig umgetrieben werden müssen.

Naturschutz Mithilfe von Beweidungskonzepten können Naturund Artenschutzinteressen in landwirtschaftliche Nutzungen integriert und somit ökologische Ziele verwirklicht werden. Weidetiere als natürliche Landschaftspfleger halten Landschaften (halb)offen, indem sie durch stete Verbiss- und Trittschäden ein Verbuschen der Fläche verhindern; durch ihre ständigen Aktivitäten entsteht ein wertvolles Nebeneinander von stark und weniger stark genutzten Bereichen. Im Gegensatz zur temporären Beweidung, wo die Beweidungsdauer reguliert werden kann, bedarf es einer sorgfältigen Feinabstimmung der Besatzdichte, die an den Witterungsverhältnissen sowie den jahreszeitlich bedingten Aufwuchsbedingungen der Pflanzen ausgerichtet wird. Es kann in Einzelfällen auch sinnvoll sein, sensible Bereiche durch dauerhafte Zäune oder Gitter vor Verbiss, Trittschäden, Eutrophierung oder vor anderen Störungen zu schützen.

Bemerkungen Wie bei der temporären Beweidung birgt die Zusammenarbeit mit dem Besitzer der Tiere ein grundsätzliches Konfliktpotenzial, da diesem in der Regel daran gelegen ist, mit mehr Tieren und einer höheren Besatzdichte einen größeren wirtschaftlichen Profit zu erzielen. Auch ein Pächterwechsel kann zu vergleichbaren Problemen wie bei der temporären Beweidung führen.

Robuste Przewalski-Pferde und Rinderrassen kommen mit kargem gehölzreichen Aufwuchs und schwierigem Gelände von Konversionsflächen zurecht. Sie sind Markenzeichen des Paunsdorfer Bogens und bieten den Bewohnern der angrenzenden Großsiedlung Identifikation mit dem Projekt. (Grüner Bogen Paunsdorf, Leipzig)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Folgt auf die zeitweise Störung und Beeinträchtigung von Flächen durch Sport eine störungsfreie Regenerationsphase, werden Nischen und Lebensräume für Pflanzen und Tiere geschaffen, die auf Pionierstandorte angewiesen sind. Sportarten wie Discgolf stören die Bodennarbe und lassen temporäre Standorte für Pionierarten entstehen, die in einer geschlossenen Vegetationsdecke fehlen würden. Die Abstimmung der Nutzungsintensität mit den Sportlern ist wichtig. (Weseruferpark, Bremen)

temporäre Sportnutzung

Regenerationsphase

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Pflege durch Sportnutzung

Weseruferpark | 164 Landschaftsraum Kronsberg | 182

Entwurfsperspektiven Auch eine Sportnutzung auf Flächen kann Pflegeeingriffe, die aus naturschutzfachlicher Sicht wertvoll sind, ersetzen. Das Prinzip ist dasselbe wie bei der Beweidung: Durch temporäre Störungen sollen Vegetationsbereiche offen gehalten oder Offenbodenflächen geschaffen werden, um als wertvolles Habitat für Pioniervegetation, Insekten etc. zu dienen (siehe „Pionierstandorte schaffen“, S. 46). Wichtig ist es, Störungen hervorzurufen und dabei keine nachhaltigen Schäden zu verursachen. Je nach Schutzziel und Landschaftstyp­können Mountainbiking, Reiten, Wandern, Boule, Cross- bzw. Discgolf oder andere Sportarten tauglich sein.

Naturschutz Aus naturschutzfachlicher Sicht kann die Sportnutzung wertvoller Flächen dann positive Auswirkungen haben, wenn die verursachenden Störungen helfen, das Naturschutzziel zu erreichen. Denkbar ist dies beispielsweise bei Sand- oder Trockenmagerrasen, die von lokalen Störungen profitieren und dadurch dauerhaft erhalten bleiben. Ohne ein Eingreifen würde die natürliche Sukzession einsetzen, die Flächen würden verbuschen und die Standorte verloren gehen.

Bemerkungen Die Öffnung einer für den Naturschutz wertvollen Fläche für Sportnutzungen kann leicht zu Unverständnis führen, wenn sich der dahinterstehende Schutzgedanke nicht auf Anhieb erschließt. Deshalb sollte eine solche Maßnahme von Beginn an mit Nutzern und der Öffentlichkeit diskutiert und kommuniziert werden. Weiteres Konfliktpotenzial kann durch Übernutzung entstehen. Wenn die vereinbarten Regeln zum Schutz der Natur missachtet werden, kann der Sport negative Auswirkungen haben und dem Schutzziel entgegenwirken.

Auf Reitwegen entstehen als „Nebenprodukt“ der Nutzung ebenfalls wertvolle Offenbodenbereiche. (Landschaftsraum Kronsberg, Hannover)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

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Grenzen und Übergänge konzipieren Die Abschirmung von ökologisch wertvollen Bereichen ist ein klassisches Thema des Naturschutzes. Durch intelligente Entwürfe können diese geschickt in öffentliche Freiräume integriert werden – ohne Zaun, Schlagbaum, Verbotsschild oder Erdwall. Zunehmend existieren Bestrebungen, formale Abgrenzungen zwischen Naturschutzbereichen und öffentlich nutzbaren Flächen durchlässiger zu gestalten. Dafür sprechen einige gute Gründe: Es kann das allgemeine Natur- und Umweltbewusstsein der Bürger steigern, wenn sie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft direkt und aktiv erleben können (siehe „Naturkontakt intensivieren“, S. 85). Diese Erfahrung kann unterstützt werden, indem überhaupt Möglichkeiten angeboten werden, der Natur nahezukommen, Flora und Fauna zu beobachten, natürliche Entwicklungen und Wandel über längere Zeiträume zu verfolgen, die Atmosphäre zu spüren. Insbesondere im urbanen Umfeld ist dieser Kontakt­ zur Natur im täglichen Leben der Menschen oft abhanden gekommen, was umso mehr dafür spricht, diesen durch eine gute Gestaltung aktiv herbeizuführen und zu fördern. Urbane Freiräume bieten sich aufgrund ihrer unmittelbaren räumlichen Nähe zu alltäglichen Aufenthaltsorten der Menschen dafür an. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für eine spezielle naturschutzfachlich wertvolle Fläche kann auch gefördert werden, wenn offensiv deren Eigenarten und seltene Aspekte herausgestellt und kommuniziert werden, anstatt sie durch Zäune abzuriegeln und die Diskussion in Fachkreisen zu belassen. Indirekte, dezente Abgrenzungen und Betretungshürden, beispielsweise durch zwischengelagerte Pufferbereiche, werden zudem besser respektiert und akzeptiert als bei einer direkten Konfrontation der Besucher mit offensiven Barrieren und Betretungsverboten; zu sehr lädt ein Zaun zum Übersteigen oder ein Verbotsschild zur Missachtung ein.

Einige sensible Arten und Biotope sind jedoch auf einen besonderen Schutz angewiesen: Sei es, dass sie spezielle Ansprüche auf Ungestörtheit haben oder besonders sensibel auf äußere Einflüsse reagieren. Hier sind entwerferische Lösungen gefragt, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Beispielsweise müssen brütende Vögel vor Störungen durch Menschen oder Hunde und sensible Feuchtbiotope vor Eintragungen in den Wasserhaushalt abgeschirmt werden. Hier lassen sich auch zeitlich und räumlich variable Schutzkonzepte umsetzen, die den jeweiligen naturschutzfachlichen Bedürfnissen gerecht werden und gleichzeitig, wo möglich, der Erholungs- und Freiraumnutzung Raum geben. Auch Zugangsbeschränkungen können unter Umständen sinnvoll zum Erreichen von Naturschutzzielen sein, bedürfen aber stets einer überzeugenden Kommunikation in der Öffentlichkeit. In Gesamtkonzepte integrierte Elemente, wie zum Beispiel die Stege im Grünen Bogen Paunsdorf oder die Stegskulptur im Buchholzer Bogen, bieten einen Schutz gegen das Betreten der ökologisch sensiblen Flächen und lassen die Besucher gleichzeitig durch den ungestörten Blick auf attraktive Landschaftsteile mit einer gebotenen Distanz an den dortigen Geschehnissen teilhaben. Ein gelungener Entwurf mit abwechslungsreichen Gestaltungselementen bietet vielfältige Potenziale, durch geschickte Anordnung und Zonierung von Flächennutzungen oder auch durch bauliche Elemente die Ansprüche sensibler Biotope und Arten sowie Freiraumnutzungen in multifunktionale Gesamtkonzepte zu integrieren.

Pufferzonen und Sicherheitsbereiche anlegen

Nutzungsintensitäten zonieren

Zugangsbeschränkungen und Eingänge optimieren

Besucher gezielt lenken

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Über Stege und Ausgucke werden Besucher an wertvolle Bereiche gelenkt, ohne diese zu betreten oder zu stören. (Buchholzer Bogen, Hannover) Durch den Höhenunterschied eines Steges entsteht eine Betretungshürde, die wertvolle Flächen schützt. Über Formen und Materialität wird der Charakter des Ortes, in diesem Fall ehemalige Bahnanlagen, aufgegriffen. (Schöneberger Südgelände, Berlin)

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Besucher gezielt lenken

Park am Gleisdreieck | 144 Park am Nordbahnhof | 148 Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168 Buchholzer Bogen | 178 Westhovener Aue | 186 Grüner Bogen Paunsdorf | 190

Entwurfsperspektiven Naturschutzfachlich wertvolle Flächen mit seltenen, schützenswerten Arten bieten oft ein im urbanen Raum ungewohntes Bild, sodass ihre Einbindung bestehende Freiräume bereichern kann. Je nach Nutzungsdruck und Schutzziel kann es nötig werden, direkte oder indirekte Störungen beispielsweise durch freilaufende Hunde zu begrenzen oder zu unterbinden. Neben der Ausweisung über eine offizielle Kategorie nach dem Bundesnaturschutzgesetz, zum Beispiel als Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet oder geschützter Landschaftsbestandteil, gibt es auch andere Möglichkeiten, Flächen zu schützen. Das kann beispielsweise durch unterschwellige Besucherund Aufmerksamkeitslenkung, wie den Einsatz von Stegen oder auch durch Einzäunung und Errichtung von Lärm- und Sichtbarrieren erreicht werden. Dabei sollten diese „harten“ Maßnahmen lediglich als letzte Möglichkeit eingesetzt und bauliche Elemente möglichst stimmig in ein Gestaltungskonzept integriert werden, damit sie bei den Besuchern als logische gestalterische Setzungen und nicht als Hindernis erscheinen. Die gestalterische Integration von gezielt gesetzten Sichtbarrieren und Aufmerksamkeitspunkten, absichtlich „unwirtlich“ gestaltete Wegränder, wegbegleitend angeordnete Gräben und Feuchtbereiche, Großviehbeweidung als Betretungsabschreckung und der explizite Verweis auf Gefahren (beispielsweise Zecken, Munitionsreste, Altlasten) gehören zu

den Möglichkeiten, um wirksame Rückzugszonen zu erhalten. Diese können auch zeitlich variabel gestaltet werden, wenn es beispielsweise um den Brutvogelschutz geht. Insbesondere „weiche“ Maßnahmen können bei gezielter Aufklärung und gegebenenfalls zugestandener Naturbeobachtungsmöglichkeit Interesse, Verbundenheit und Wertschätzung durch die Besucher steigern.

Naturschutz Sämtliche Schutzmaßnahmen dienen dem Erhalt besonders geschützter oder sensibler Biotope und gefährdeter Arten. Inwieweit es dabei Beeinträchtigungen durch den Menschen gibt, ob diese im Hinblick auf die Schutzziele eventuell hinnehmbar sind oder ob Betretungshürden notwendig werden, muss im Einzelfall abgewogen werden.

Bemerkungen Betretungshindernisse können auf Unverständnis bei den Besuchern stoßen, gleichzeitig aber auch für den Schutz der Fläche nicht effektiv sein. Darum müssen Akzeptanz und Wirksamkeit regelmäßig überprüft werden. Die Kontrolle der Flächen können neben den Behörden ehrenamtliche Gruppierungen oder andere (Naturschutz-)Organisationen übernehmen.

Mithilfe einfacher Maßnahmen, wie einer markanten und zugleich schlichten Reling als Handlauf, werden Naturschutzflächen inszeniert und in Wert gesetzt. Die Art der Konstruktion signalisiert, dass kein absolutes Betretungshindernis geschaffen werden soll. (Park am Nordbahnhof, Berlin)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Eine räumliche Staffelung von intensiv genutzten Flächen über extensiv-ruhige Bereiche bis zu Flächen ohne Nutzung ist hilfreich, um sensible Biotope vor störenden Einflüssen zu schützen. Eingestreute Aktionsinseln bündeln menschliche Aktivitäten und ermöglichen im Umfeld ungestörte extensive Flächen für sensible Arten. Die Gestaltungsintensität kann auf diesen Inseln sehr hoch sein. (Park am Nordbahnhof, Berlin)

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Nutzungsintensitäten zonieren

Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Park am Gleisdreieck | 144 Park am Nordbahnhof | 148 Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168

Entwurfsperspektiven Intensität und Art einer Flächennutzung bestimmen maßgeblich die von ihr ausgehenden Belastungen. Diese Parameter können entsprechend als „Stellschrauben“ zur Regulierung der Belastungen dienen (siehe „Durch Nutzung pflegen“, S. 63; „Produktions­ räume gestalten“, S. 53). Durch ihre Anwendung können unter anderem Refugien für sensible und störungsempfindliche Arten entstehen, wenn direkte Kontakt- und Konfliktzonen vermieden werden. In Abhängigkeit von der Lage im Stadtgebiet, von Topografie, Flächenzuschnitt und Erreichbarkeit herrscht ohnehin meist ein ungleichmäßiger Nutzungsdruck auf öffentliche Flächen, sodass es sich anbietet, einen Freiraum in Aktivitätsschwerpunkte, Übergangszonen und extensiv genutzte Flächen einzuteilen. Auf diese Weise können wertvolle Bereiche für Pflanzen und Tiere geschützt und gleichzeitig abwechslungsreiche Raumfolgen gestaltet werden. Zur Besucherlenkung sollten eine differenzierte Wegeführung vorgegeben und gezielt intensiv nutzbare Aktionsinseln angeboten werden (siehe „Besucher gezielt lenken“, S. 76).

Naturschutz Nutzungsdifferenzierungen führen zu einem Standortmosaik mit vielfältigeren Lebensgemeinschaften in extensiv genutzten Bereichen und weniger artenreichen Zonen bei intensiver Nutzung. Mithilfe einer eindeutigen Zonierung von Nutzungsintensitäten können sensible Bereiche gegen äußere Einflüsse abgeschirmt werden. Dabei sollten störende Randeffekte so gering wie möglich gehalten werden, beispielsweise durch Pufferzonen. Auch dynamische Schutzkonzepte, etwa jahreszeitlich flexibel zu Vogelbrut- oder Wanderungszeiten, sind denkbar (siehe „Pufferzonen und Sicherheitsbereiche anlegen“, S. 80; „Zugangsbeschränkungen und Eingänge optimieren“, S. 82).

Bemerkungen Konfliktpotenzial ergibt sich dort, wo Bereiche mit hohem Naturschutzwert direkt an intensiv genutzte Flächen angrenzen. Unerlaubtes Betreten und störende Nutzungen auf ökologisch wertvollen und sensiblen Flächen führen zwangsläufig zu Konflikten. Deshalb muss regelmäßig überwacht werden, dass die fachlich vereinbarten Nutzungen auf den jeweiligen Flächen auch eingehalten werden. Informelle Zonierungen, die sich aus Gestaltungsgrad und Ausstattungsintensität ergeben, müssen zudem auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Pufferzonen bieten die Möglichkeit, angrenzende Quartiere vor negativen Einflüssen wie Lärm zu bewahren, schirmen unansehnliche Flächen ab und beherbergen ihrerseits wertvolle Biotope und Habitate.

abschirmende Wirkung

Dichte und vielfältig gestufte Gehölzstreifen bilden eine räumliche Einfassung und verdecken unerwünschte Ansichten. Außerdem schirmen sie Lärm und Staubeinflüsse ab und bieten ungestörte Habitate sowie Biotopvernetzung im urbanen Umfeld. (Rüschpark, Hamburg)

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Pufferzonen und Sicherheitsbereiche anlegen

Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Rüschpark | 174 Zentrale Bahnflächen | 198

Entwurfsperspektiven In Zwischenbereichen können Freiräume abschirmende Funktionen übernehmen – gegenüber Immissionen, Gefahren oder unerwünschten Einblicken – ­und gleichzeitig wertvolle Naturschutzflächen für störungsempfindliche Arten bieten. Insbesondere vielschichtige Gehölzsäume und Erdmodellierungen mit exponierten Hängen können die Funktion von Lärm- und Sichtschutz übernehmen. Gestalterisch wirksam sind diese Elemente auch als Einfassung und Begrenzung öffentlicher Freiräume. Speziell im urbanen Raum sind solche kleinteiligen Pufferbereiche wertvoll, da sie im Verhältnis zu ihren wichtigen Funktionen nur wenig Platz benötigen. Ästhetisch und gestalterisch eingepasst, können sie wertvolle Brutund Nisthabitate beherbergen, Standorte für seltene Arten im Stadtraum bieten und gleichzeitig die räumliche Qualität eines Freiraumes aufwerten. Wichtig ist, dass die Zonen selbst wenig genutzt und extensiv gepflegt werden. Wenn sie an genutzte Flächen angrenzen, bieten sie zudem wertvolle Möglichkeiten der Naturerfahrung und Umweltbildung (siehe „Naturkontakt intensivieren“, S. 85).

Naturschutz Die Eignung von Abstandsbereichen für eine bestimmte naturschutzfachlich begründete Nutzung ist von den jeweiligen Standorteigenschaften und ihren Ausprägungen abhängig. In erster Linie dienen Abstandsbereiche oder Pufferzonen der Reduktion negativer Randeffekte und damit dem Schutz von Flora und Fauna. Sie bieten Rückzugsorte für seltene Arten im urbanen Umfeld. Lineare Strukturen übernehmen zudem oftmals vernetzende Aufgaben.

Bemerkungen Abstands- und Pufferzonen müssen selbst keine direkte­Aufenthaltsqualität bieten und ihre ästhetische Wirkung kann auch als wild oder ungepflegt empfunden werden. Damit sie nicht negativ wahrgenommen werden, können sie beispielsweise als bewusster Kontrast zu den angrenzenden genutzten Flächen gestalterisch inszeniert werden. Problematisch können unerlaubtes Betreten, streunende Hunde, Eutrophierung und Vermüllung sein.

Eine Pufferzone als fester Bestandteil der Parkgestaltung. Sie vermittelt sowohl räumlich als auch gestalterisch zwischen hoch frequentierten Bewegungsachsen und angrenzenden Nutzungen und integriert vielfältige Habitate für entsprechende Flora und Fauna – hier beispielsweise der trockenen Schotter- und Magerlebensräume. Wegen des wild-natürlichen Erscheinungsbildes wird sie kaum betreten. (Zentrale Bahnflächen, München)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Die Erhebung eines (symbolischen) Eintrittspreises für Grünflächen kann zur höheren Wertschätzung der dortigen Naturschutzflächen beitragen. (Schöneberger Südgelände, Berlin) Sorgfältig detaillierte Eingangstore signalisieren die Bedeutung der dahinter liegenden Flächen und tragen zur Wertschätzung der Stadtnatur bei. Gestalterisch wird der Übergang vom urbanen Stadtraum in die Natur inszeniert. (Park am Nordbahnhof, Berlin)

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Zugangsbeschränkungen und Eingänge optimieren

Grünzug Bullengraben | 136 Park am Nordbahnhof | 148 Schöneberger Südgelände | 152

Entwurfsperspektiven Besondere Eingangssituationen, Zugangsbeschränkungen und Tore weisen im Allgemeinen auf einen wertvollen, eventuell auch andersartigen Raumabschnitt hin und zielen im Wesentlichen darauf ab, den Wert einer Fläche für den Naturschutz hervorzuheben. Dafür ist besonders eine symbolhafte Schwelle oder ein gestalteter Auftakt hilfreich. Auch das Erheben eines Eintrittsgeldes kann den Wert von Parkflächen deutlich machen und gleichzeitig den Besucherstrom regulieren. Weil davon auszugehen ist, dass nur interessiertes Publikum bereit ist, eine – meist geringe finanzielle – Hürde zu nehmen, werden auf diese Weise sowohl Quantität als auch „Qualität“ der Besucher gesteuert. Auch Problemen durch Vandalismus kann so vorgebeugt werden.

Naturschutz Prinzipiell können Zugangsbeschränkungen oder Eingangsinszenierungen für jedes Schutzziel zweckdienlich sein. Der Mehrwert, der dadurch für den Naturschutz erreicht wird, liegt in erster Linie im Hervorheben der Wertigkeit von Flächen. Menschen für den Natur- und Umweltschutz zu sensibilisieren ist wichtig, um nachhaltiges Denken und Handeln zu fördern. Außerdem kann über das Erheben von Eintritt Geld eingenommen werden, das wiederum für den Naturschutz verwendet werden kann.

Bemerkungen Grundsätzlich können Tore oder Pforten zu Unverständnis in der Bevölkerung führen. Das Erheben von Eintrittsgeldern für öffentliche Grünanlagen ist für viele ungewohnt und kann als eine Art indirekter Ausschluss verstanden werden.

Markante Betonungen der Eingangsbereiche, zum Beispiel durch eine Allee, sind räumliche Setzungen, die extensive Parkbereiche gestalterisch aufwerten. (Grünzug Bullengraben, Berlin)

84

Entwurfsfelder und Entwurfswege

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Naturkontakt intensivieren Naturräume in der Stadt tragen nicht nur zur Verbesserung des Klimas und zur Erhöhung der Biodiversität bei, sondern sind auch wichtig als Orte für aktive Umweltbildung, an denen der Mensch auf Pflanzen und Tiere trifft und sie kennenlernen und erfahren kann. Im besiedelten Raum kann die Stadtnatur ein Botschafter für übergeordnete Naturschutzziele sein. Ein intensiver Naturkontakt kann nachhaltiges Denken und Handeln in der Bevölkerung befördern und damit indirekt Natur und Ressourcen für nachfolgende Generationen bewahren. Naturnahe Freiräume können attraktive Kulissen bieten, die das Ambiente für Aktionen, Vorstellungen und Konzerte bestimmen. Beispiele dafür sind das regelmäßig stattfindende Open-Air-Theater im Naturpark Schöneberger Südgelände oder gemeinsame Essen an einer Freilufttafel der Lebens-Welten in Andernach. Die naturnahen Flächen selbst können auch im Fokus stehen – als Untersuchungsgegenstand und Demonstrationsobjekt von Exkursionen, Führungen und Bildungsveranstaltungen. Die Landschaftslotsen­ auf dem Alten Flugplatz Bonames in Frankfurt am Main bieten beispielsweise ein umfangreiches Naturerfahrungs- und Umweltbildungsprogramm für Kinder und Jugendliche an. Organisierte Aktionen und Veranstaltungen eröffnen Möglichkeiten, um temporär besondere Aufmerksamkeit für einen Ort oder ein Thema zu erlangen. Auf diese Weise können auch Bevölkerungsgruppen erreicht werden, die von sich aus wenig Interesse an Freiräumen und naturschutzfachlichen Themen zeigen. Wichtig sind dabei eine gute Vernetzung der beteiligten Akteure, eine durchdachte Kommunikationsstrategie und eine sorgfältige Auswahl des Veranstaltungsortes bzw. der Kulisse (siehe „Akteure einbinden“, S. 93).

Insbesondere in urbanen Bereichen ist für viele Menschen der Aufenthalt in der Natur nicht mehr alltäglich, was sowohl Unwissen über natürliche Zusammenhänge, Lebensweisen von Arten oder ihre Gefährdungsursachen erzeugt als auch zu Berührungsängsten mit dem Natürlichen oder dem Wilden führt. Dem kann einerseits durch aktiv gesteuerten Kontakt zu Pflanzen und Tieren durch geführte Wanderungen oder Workshops entgegengewirkt werden. Aber auch Stadtbewohnern, die nicht aktiv solche Angebote wahrnehmen, können durch Gestaltungsmaßnahmen indirekt Pflanzen und Tiere nähergebracht werden. Zu nennen wären hier inszenierte Sichtbeziehungen oder Wegeführungen, die unmittelbaren Kontakt zu Tieren und Pflanzen herstellen. Alle diese Maßnahmen zur Intensivierung des Naturkontaktes bei der alltäglichen Freiraumnutzung können langfristig zu einem nachhaltigen Denken und Handeln bei bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen beitragen.

Räume für Naturerfahrung

Bildung für nachhaltige Entwicklung

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Tiere erleichtern die Identifikation mit einem Ort und sind ein Mittel, um durch Füttern, Streicheln oder Beobachten Naturkontakt herzustellen. (Grüner Bogen Paunsdorf, Leipzig) Monumental und spannend gestapelte Materialien innerhalb wertvoller Lebensräume laden zum Abenteuerspiel ein, wobei der Kontakt mit der Natur nebenbei und ungezwungen erreicht wird. (Alter Flugplatz, Frankfurt a. M.)

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Räume für Naturerfahrung

Lebens-Welten | 128 Park am Gleisdreieck | 144 Schöneberger Südgelände | 152 Wartenberger Feldmark | 156 Alter Flugplatz | 168 Grüner Bogen Paunsdorf | 190

Entwurfsperspektiven Der Kontakt zu Pflanzen und Tieren, das Zuschauen bei natürlichen Prozessen und das Erleben der Natur mit allen Sinnen bergen Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten, aus denen eine allgemeine Wertschätzung für den Natur- und Umweltschutz erwachsen kann. Speziell gestaltete Naturerfahrungsräume oder auch Einzelelemente im Freiraum können den entsprechenden Rahmen für diesen Naturkontakt bieten. Spiele zur Naturbildung, thematische Führungen, Workshops und Exkursionen können den Zugang zur Natur erleichtern. Darüber hinaus lassen sich viele natürliche Elemente als nutzbare Ausstattung gestalterisch in Freiräume integrieren. Abhängig von der Zielgruppe können das Naturmaterialien zum Klettern und Balancieren, Wasserspielbereiche, Aussichts- und Beobachtungsstationen oder Erlebnispfade mit einer gelenkten Bewegungsabfolge sein.

Spielräume und Bauten von Kindern können in der Freiraumgestaltung mit berücksichtigt werden und das Erscheinungsbild des Raumes immer wieder verändern. (Park am Gleisdreieck, Berlin)

Naturschutz Wenn Bürger für Natur- und Umweltschutz sensibilisiert sind, lassen sich Projekte und Maßnahmen erfolgreicher und gegen weniger Widerstände umsetzen, da sie akzeptiert und im besten Fall von der Bevölkerung getragen werden. Das wirkt sich besonders dann positiv aus, wenn Menschen durch Projekte in ihrer Nachbarschaft unmittelbar betroffen sind.

Bemerkungen Installationen im Freiraum wie Lernstationen oder Erlebnispfade werden immer wieder mutwillig zerstört. Dieses grundlegende Problem kann durch Zugangsbeschränkungen oder den Einsatz (ehrenamtlicher) Flächenbetreuer zumindest tagsüber reduziert werden. Naturerfahrungsräume selbst bieten in der Regel nur störungsunempfindlichen Arten geeignete Lebensbedingungen. Um sensiblere Arten zu schützen, müssen die Grenzen dieser Bereiche klar definiert und ablesbar sein.

Der Naturerfahrungsraum als Abenteuerspielplatz inmitten der gepflegten Parkflächen bietet nicht nur spielenden Kindern, sondern auch vielen Arten ein Refugium. (Park am Gleisdreieck, Berlin)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Um Kinder an Themen des Natur- und Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit heranzuführen, werden speziell auf sie abgestimmte Exkursionen und Aktionen durchgeführt. Auf dem Alten Flugplatz bieten freiwillige „Landschaftslotsen“ Experimente und Vorträge beispielsweise für Schulklassen an. (Alter Flugplatz, Frankfurt a.M.) Die direkte Heranführung an die Natur ist eine wichtige Aufgabe, die bereits im Entwurf urbaner Freiräume bedacht werden sollte. (Park am Gleisdreieck, Berlin)

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Bildung für nachhaltige Entwicklung

Park am Gleidreieck | 144 Park am Nordbahnhof | 148 Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168

Entwurfsperspektiven In urbanen, hoch frequentierten öffentlichen Freiräumen, in denen nach Abwägung aller weiteren Flächenansprüche der „klassische“ Schutz sensibler Arten und Lebensräume nur schwer umzusetzen ist, kann alternativ ein Schwerpunkt auf die Vermittlung von Naturschutzzielen, die Sensibilisierung und die Wissensvermittlung gelegt werden. Auf diese Weise können die Flächen zumindest stellvertretend als Botschafter des Naturschutzes gestaltet werden und die Besucher auf die damit verbundenen Themen und Zusammenhänge aufmerksam gemacht werden. Diese stellvertretende Gestaltung kann den ästhetischen Erwartungen und Vorstellungen der Besucher näherkommen als „echter“ Naturschutz. Da eine solche Fläche nur in zweiter Linie dem Naturschutz dient, kann sie gestalterisch mehr einer Parkästhetik angeglichen werden, als es nach naturschutzfachlichen Gesichtspunkten möglich wäre. Hier stehen Naturerleben und Entwicklung von Verständnis für den Natur- und Artenschutz im Vordergrund. Wichtig ist offensive Aufklärung der Besucher durch Umweltbildungsprojekte und Räume, die das Erleben und Erfahren von Natur mit ihren natürlichen Prozessen möglich machen. So kann in städtischen Räumen mit Mangel an Naturkontakt die Natur selbst als Botschafterin ihrer Belange eingesetzt werden.

Naturschutz Unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten steht nicht der konkrete Schutz von Arten und Lebensräumen im Vordergrund, sondern eine allgemeine Steigerung der Wertschätzung von Natur und Umwelt. Die Sensibilisierung der Bevölkerung für die sie umgebende Natur und deren Vielfalt ist dabei ein Schlüsselziel, das einer höheren Aufmerksamkeit bedarf und im urbanen Raum zu einer Steigerung der Akzeptanz des Naturschutzes führen kann.

Bemerkungen Die Definition dieser Projekte als ausschließlich naturschutzfachliche Maßnahme ist schwierig, insbesondere bei Kompensationsverfahren ist die Anrechnung schwer zu begründen. Außerdem ist die Einbeziehung von Akteuren wie Umweltbildungsgruppen, Jugendlichen oder Kindern mit einem höheren organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. Beobachtungsorte stellen einen Zugang zu Lebensweisen und Verhalten von Arten her. Hier kann Wissen über Natur und Ökologie im unmittelbaren Kontakt erlangt werden. (Wartenberger Feldmark, Berlin) Rallyes und Quizspiele zu Naturthemen, wie hier das Projekt „Baumschlau“ im Schöneberger Südgelände, eröffnen Kindern auf spielerische Art wertvolles Wissen und Informationen. (Schöneberger Südgelände, Berlin)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

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Akteure einbinden Für die Partizipation von Bürgergruppierungen und die aktive Teilhabe einer Vielzahl von unterschiedlichsten Akteuren bieten naturnahe Freiräume eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Zwei Phasen lassen sich unterscheiden: erstens die Beteiligung in der Planungsphase eines urbanen Freiraumes und zweitens die sich daran anschließende Teilhabe an der dauerhaften Nutzung, Gestaltung und Unterhaltung eines Freiraumes. In der Planungsphase treffen viele unterschiedliche Akteure und Interessen aufeinander, denn urban gelegene Flächen unterliegen häufig einem hohen Nutzungsdruck, und die Ansprüche an sie sind umfangreich. Im Rahmen von Beteiligungsverfahren können diese Aspekte integrativ bearbeitet und die Akzeptanz der Bevölkerung gewonnen werden. Im Vordergrund des Entwurfsfeldes „Akteure einbinden“ steht jedoch der Zeitraum nach der Realisierung. Themen wie ehrenamtliches Engagement, Beschäftigungsmöglichkeiten durch „attraktive“ Freiräume, Integration über eigenverantwortliche Arbeit oder Begegnung und Kommunikation zeigen, wie unterschiedlichste Akteure in die dauerhafte Nutzung und Pflege eines Freiraumes eingebunden werden und persönlich davon profitieren können.

Ehrenamtliches Engagement Urbane Freiräume können zu idealen Orten für ehrenamtliches Engagement werden, zum Beispiel im Naturschutz oder im Bereich der Naturbildung und Betreuung. Diese Tätigkeiten können Führungen und Bildungsaktionen auf für den Naturschutz wertvollen Flächen sein und sich auf deren spezielle Eigenarten und Schönheiten beziehen. Da die Führungen und Bildungsaktionen ganz entscheidend von der Qualität der Flächen abhängen, erzeugt dieser Umstand eine dauerhafte Motivation zur Pflege dieser Flächen.

Beschäftigungsmöglichkeiten durch attraktive Freiräume Wo von einer attraktiven, „schönen“ landschaftlichen Umgebung profitiert werden kann, ergeben sich auch weitere Beschäftigungsfelder. So ergeben sich Synergien und Überschneidungen des sanften Tourismus und der Erholungsgastronomie mit den Zielen des Naturschutzes: Eine vielfältige und strukturreiche Landschaft wird oftmals vom Besucher als angenehm und attraktiv empfunden und bietet gleichzeitig Mög-

lichkeiten für eine hohe Biodiversität (siehe „Produktionsräume gestalten“, S. 53).

Integration über eigenverantwortliche Arbeit In sämtliche der genannten Tätigkeitsfelder können­ auch Konzepte der (Re-)Sozialisierung sowie der Aus- und Weiterbildung einbezogen werden. Die eigenverantwortliche Arbeit kann hier der Schlüssel zu gesellschaftlicher Anerkennung, individueller Verwirklichung und Steigerung der eigenen Wertschätzung sein. Die Spanne der Arbeitsfelder umfasst darüber hinaus beispielsweise eine Wertschöpfung auf der Fläche durch Anzucht, Pflege oder Ernte von Erträgen sowie pflegende oder unterhaltende Aufgaben. Freiräume bieten so einen Ort, an dem der Einzelne über Beschäftigung persönliche Wertschätzung und Integration erfahren kann.

Begegnung und Kommunikation Wichtige soziale Aufgaben, die urbane Freiräume übernehmen können, sind das Möglichmachen und Verbessern von Begegnung und Kommunikation. Positive Effekte kann eine kultur- oder milieuübergreifende Kommunikation haben, wenn über Wissensund Erfahrungsaustausch gegenseitige Vorbehalte und Hemmnisse abgebaut und Lernprozesse angestoßen werden, die zu einer besseren Verständigung in der Gesellschaft führen. Freiräume werden auf diese Weise zu wichtigen Identifikationsorten, die sich einzelne Gruppen durch Gestaltung und Nutzung aneignen. Kunst im Freiraum und temporäre kulturelle Aktivitäten wie Konzerte, Führungen oder Lesungen tragen zur Identifikation bei. Über die Verwirklichung im Freiraum können Gruppen oder Einzelpersonen gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Akzeptanz erlangen. Im urbanen Bereich geschieht das beispielsweise in diversen Gartenprojekten: Durch die gemeinschaftliche Nutzung von Flächen wird die Kommunikation gefördert, der Naturkontakt intensiviert (siehe „Naturkontakt intensivieren“, S. 85), die Integration sozialer Milieus, Bevölkerungs- und Altersgruppen gefördert und der Zusammenhalt innerhalb eines Stadtquartiers erhöht. Allgemein tragen diese gemeinsam gestalteten und genutzten grünen Orte zur qualitativen Aufwertung von Quartieren und zum Erhalt einer kulturellen und biologischen Vielfalt bei. Auf diese Weise bieten sie einen multifunktionellen Ansatz, urbane Räume zu nutzen.

Bürgergruppierungen beteiligen

Kunst im Freiraum

Beschäftigung und Qualifikation

Öffentliche Nutzgärten

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Vereine, Verbände und Bürgergruppen übernehmen wichtige zusätzliche Aufgaben im Freiraum und unterstützen die öffentliche Hand beispielsweise durch thematische Führungen. (Schöneberger Südgelände, Berlin) Langfristige Bürgerbeteiligung, zum Teil über viele Jahre hinweg, kann entscheidend zur öffentlichen Akzeptanz bei Konzeption und Umsetzung von Freiraumprojekten beitragen. (Park links der Weser, Bremen)

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Bürgergruppierungen beteiligen

Lebens-Welten | 128 Park am Gleisdreieck | 144 Schöneberger Südgelände | 152 Park links der Weser | 160

Entwurfsperspektiven Die Beteiligung von Bürgern, Bürgergruppierungen, Vereinen und Verbänden ermöglicht die Integration von lokal vorhandenem Wissen und Erfahrung in urbane Freiraumprojekte. Häufig hat die Bevölkerung ihrerseits großes Interesse an der Mitgestaltung von Naturschutzvorhaben. Selbst die ursprüngliche Ablehnung eines Vorhabens kann durch konsequente aktive Einbindung häufig zumindest zur Duldung führen. Grundsätzlich liegen die Vorteile in einer verbesserten Akzeptanz der Naturschutzmaßnahmen. Zudem erhöht sich mit der Zahl der Beteiligten auch die Energie, die in ein Projekt fließt. Wünsche und Anregungen der Bürger können in den Projekten berücksichtigt werden, und lokal vorhandenes Wissen kann zum Beispiel bei Führungen oder der Konzeption von Hinweistafeln geteilt werden. Unterstützung kann es auch bei Pflanz-, Pflege- und Bauaktionen geben, die effektiv und öffentlichkeitswirksam durchgeführt werden sollten. Wichtig ist dabei, offen zu sein für alle Arten von Gruppen und Einzelpersonen, die sich beteiligen wollen. Durch regelmäßige Treffen der Akteure können gegenseitige Verlässlichkeit und die Verstetigung von Projekten erreicht werden. Ein Teil der notwendigen Aufgaben und zusätzlichen Angebote können ehrenamtlich durch (verlässliche) Gruppen oder Organisationen erfüllt werden.

Naturschutz Der Naturschutz kann von einem vermehrten Engagement und der damit verbundenen erhöhten Betreuungsmöglichkeit für die Flächen profitieren. Projekte, die von der Bevölkerung getragen und unterstützt werden, haben höhere Chancen auf Verankerung.

Bemerkungen Dort, wo verschiedene Akteursgruppen zusammenkommen, treffen meist auch gegensätzliche Interessen­aufeinander, was zu Diskussionen und Auseinandersetzungen führt. Problematisch ist es, wenn die Interessen der involvierten Akteure nicht mit denen des Naturschutzes vereinbar sind. Eine exakte und transparente Definition der verfolgten Ziele ist in diesem Fall besonders wichtig.

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Weiter- und Ausbildungen werden, wie hier im Towercafé, im Bereich der Gastronomie angeboten. Diese erhöhen die Aufenthaltsqualität auf dem Gelände zusätzlich. (Alter Flugplatz, Frankfurt a.M.) Eine mit der Arbeit auf Grünflächen verbundene Qualifikation als Gärtner oder im Garten- und Landschaftsbau hilft Langzeitarbeitslosen beim Wiedereinstieg in das Arbeitsleben. Die Angestellten übernehmen wichtige Funktionen auf den Flächen, indem sie Ansprechpartner für Fragen sind und ein kommunikatives Umfeld schaffen. (Lebens-Welten, Andernach)

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Beschäftigung und Qualifikation

Lebens-Welten | 128 Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168

Entwurfsperspektiven Freiraumspezifische Tätigkeiten können genutzt werden, um Menschen, die bei Sozialträgern beschäftigt sind, eine Qualifizierung und Weiterbildung zu bieten. Solche Programme fördern beispielsweise die Eingliederung insbesondere von schlecht Qualifizierten und Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Gärtnerische sowie forst- und landwirtschaftliche Berufe, aber auch Tätigkeiten im Bereich der Gastronomie und Gästeführung sind mögliche Qualifizierungszweige. Der für den Arbeitgeber ökonomische Vorteil kostengünstiger Arbeitskräfte wird auf diese Weise mit sozialem Engagement und einem persönlichen Vorteil für die Arbeitnehmer verknüpft. In der Regel werden Grünflächenämter, Naturschutzbehörden und Flächenbewirtschafter bei diesen Qualifizierungen durch kompetente Träger unterstützt und begleitet, denn die Beschäftigten müssen intensiv betreut und angeleitet werden. Werden Lehrlinge ausgebildet, muss zudem ein strukturierter Ausbildungs- und Lehrplan berücksichtigt werden. Andererseits ermöglicht der gewöhnlich höhere Personalschlüssel eine intensivere Beschäftigung mit einer Fläche. Die häufige Präsenz der Tätigen auf den Flächen kann eine rege Kommunikation und Interaktion mit den Besuchern fördern, in deren Verlauf auch über die naturschutzfachlichen Ziele informiert wird (siehe „Räume für Naturerfahrung“, S. 88).

Naturschutz Beschäftigte, die im Rahmen von gut strukturierten Qualifizierungsmaßnahmen im Naturschutz arbeiten, sind in der Regel auch entsprechend engagiert. Durch die staatliche Förderung solcher Maßnahmen wird der Einsatz für den Flächeneigentümer günstiger. Auf diese Weise können mit demselben finanziellen Aufwand umfangreichere Pflegemaßnahmen bezahlt werden. Eine gute Außendarstellung der Tätigkeit erhöht die öffentliche Aufmerksamkeit für das Projekt und damit die Aufmerksamkeit für die dortigen naturschutzfachlichen Belange.

Bemerkungen Zur erfolgreichen Umsetzung des Konzeptes muss die angebotene Qualifikation allgemein anerkannt werden und gängigen Qualitätsstandards genügen. Weiterhin dürfen die Beschäftigten kein Ersatz für regulär Angestellte sein.

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Der großflächige Anbau von Obst und Gemüse ermöglicht dessen Vermarktung und Verkauf, was zur finanziellen Unterstützung des Projektes beiträgt. (Lebens-Welten, Andernach) Nutzgärten mit Gemüse und Obst verdeutlichen anschaulich die Nahrungsmittelproduktion und sind Lernorte für ressourcenschonendes und naturverträgliches Wirtschaften. (Park am Gleisdreieck, Berlin)

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Öffentliche Nutzgärten

Lebens-Welten | 128 Park am Gleisdreieck | 144

Entwurfsperspektiven Im städtischen Kontext hat die Nutzung öffentlicher Freiräume durch gemeinschaftliche Bewirtschaftungsformen in den letzten Jahren deutlich an Zuspruch gewonnen. In vielen großen Städten gibt es verschiedenste Formen gärtnerischer Tätigkeiten, die von Flächenpatenschaften, Mehrgenerationen- und internationalen Gärten über Urban Gardening bis zum Guerilla Gardening reichen. Öffentliche Nutzgärten bieten Möglichkeiten, um Vielfalt und Wert (Nutzen) von Natur direkt zu erleben. Über die gärtnerische Arbeit identifizieren sich die Beteiligten mit dem Gelände und fühlen sich verantwortlich. Die Versorgung mit lokalen Gartenerzeugnissen ist ein Nebeneffekt. Das Gärtnern selbst, aber auch das Zuschauen bei den Tätigkeiten sensibilisiert für Abläufe und Prozesse in der Natur. Öffentliche Nutzgärten lassen sich nahezu auf jeder (nicht kontaminierten) Fläche im Stadtraum etablieren – direkt im anstehenden Boden oder auch auf angefahrenem Substrat. Selbst auf kleinstem Raum ist das Gärtnern noch in Kübeln, Hochbeeten oder Töpfen möglich. Allen Ansätzen gemeinsam ist die hohe Bedeutung des sozialen und kulturellen Austausches. Als Orte der Begegnung und der Kommunikation können solche Freiräume einen

erheblichen Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander leisten. Durch die gemeinsam geleistete Arbeit ergeben sich neue Beziehungen zwischen Gruppen und/oder Einzelpersonen. Die Leitung und Begleitung eines Projektes durch einen Träger oder einen verantwortlichen Akteur ist hilfreich. Auch bieten sich diverse Möglichkeiten an, ästhetische und gleichzeitig nutzbare Freiräume zu gestalten: Durch die Verwendung von hochwertigen Materialien und das Einbeziehen von Blüheffekten lassen sich vielfältige und abwechslungsreiche Strukturen in die Stadt bringen.

Naturschutz Die Steigerung der Biodiversität und die Durchgrünung des Siedlungsraumes samt den damit verbundenen positiven Effekten für Mensch und Natur sind die Vorteile öffentlicher Nutzgärten. Pädagogisch bieten die Gärten zudem verschiedene Möglichkeiten, auf Arten mit ihren Lebensweisen und Bedürfnissen hinzuweisen und die Bevölkerung für Belange des Natur- und Umweltschutzes zu sensibilisieren. Auch können öffentliche Gärten zum Refugium werden für alte Nutzpflanzen und Sorten und diese vor dem Verschwinden bewahren.

Bemerkungen Wegen der empfindlichen Pflanzen, der mobilen Anbaugefäße und -konstruktionen sowie der vor Ort gelagerten Materialien und Werkzeuge sind öffentliche Nutzgärten besonders anfällig für Vandalismus.

Kräuter- und Staudengärten bilden gestalterische Schwerpunkte im Freiraum, werden im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen gepflegt und vermitteln zugleich handfeste Informationen und Praxiswissen zu Verwendung, Anbau und Ansprüchen der Pflanzen. (Lebens-Welten, Andernach)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Durch Kreativität bei scheinbar alltäglichen Maßnahmen, wie der Entsiegelung, lassen sich spektakuläre und originelle Ergebnisse erzielen. (Alter Flugplatz, Frankfurt a.M.) Versteckte und zu entdeckende Kunstobjekte unterstützen eine hohe Gestaltungsqualität und steigern die Spannung im Freiraum. (Schöneberger Südgelände, Berlin)

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Kunst im Freiraum

Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168 Buchholzer Bogen | 178

Entwurfsperspektiven Kunstwerke bereichern den öffentlichen Freiraum, sie verschaffen ihm einen Wiedererkennungswert sowie Popularität, und manchmal regen sie auch zur Diskussion an. Also viele Gründe, warum Künstler frühzeitig in die Planung von Vorhaben einbezogen werden sollten. Ein künstlerisches Aufgreifen von Naturschutzthemen bietet die Möglichkeit, weitere Bevölkerungsgruppen für das Thema zu sensibilisieren und Akteure einzubinden, die sich bisher nicht oder nur am Rande mit Natur- und Umweltschutz beschäftigt haben. Zudem können künstlerische Impulse den Blick auf die Umwelt erweitern und verändern.

Naturschutz Der Wert von Kunst für den Naturschutz liegt in erster Line in einer indirekten Akzeptanzsteigerung der Maßnahmen und führt im besten Fall zu einer gesteigerten Rücksichtnahme auf Arten und ihre Lebensräume. Direkte Folgen der Einbeziehung von Künstlern können beispielsweise gestaltete Nist- und Unterschlupfmöglichkeiten für Vögel, Insekten oder andere Tiere sein. Auch bei Wege- und Leitkonzepten können innovative künstlerische Ideen gut umgesetzt und Besucher zugleich indirekt gelenkt werden.

Bemerkungen Bei Kunst in öffentlichen Freiräumen muss stets gesichert sein, dass keine Gefahr von den Objekten ausgeht. Dazu zählt auch, dass ausschließlich schadstofffreie Materialien verwendet werden. Andererseits kann Vandalismus dazu führen, dass Kunstobjekte selbst nicht sicher sind. Darum muss die Zuständigkeit für Wartung und Instandhaltung der Werke dauerhaft geregelt sein.

Skulpturale Kunstwerke prägen entscheidend das Wesen und die Ästhetik eines Freiraumes. (Schöneberger Südgelände, Berlin; Buchholzer Bogen, Hannover)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

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Bau- und Vegetationsmaterial nachhaltig einsetzen Bereits naturschutzgerechte Einzelmaßnahmen können zur Bereicherung der Vielfalt in urbanen Freiräumen beitragen. So bringt beispielsweise die Entsiegelung Vorteile für den Funktionshaushalt von Wasser, Klima und Boden mit sich und ist, unabhängig von der Ausgestaltung des Gesamtprojektes, nur an das Vorhandensein von befestigten Flächen geknüpft. Andere Maßnahmen lassen sich auch unkompliziert und unabhängig vom Standort in verschiedenen Projekten verwirklichen. Dies ist möglich, da sie nur einer begrenzten Abstimmung bedürfen oder als allgemeine Maßnahme für unterschiedliche Orte und Räume geeignet sind. Dazu gehören zum Beispiel Rückzugs- und Nistmöglichkeiten, die sich auf verschiedenste Art und Weise und ohne übermäßigen Abstimmungsaufwand in urbane Freiraumprojekte integrieren lassen. Einfache Beispiele sind Nistkästen für Vögel oder Insektenverstecke aus Lesesteinhaufen, die zusammen mit Anwohnern, auch Kindern, gebaut, angebracht und betreut werden können und so der Identifikation und der Sensibilisierung für Natur und Umweltthemen dienen (siehe „Akteure einbinden“, S. 93; „Naturkontakt intensivieren“, S. 85).

Weiterhin sind im urbanen Umfeld der Einsatz von Recyclingmaterialen und die geschickt inszenierte Neuverwendung von unbelasteten vorgefundenen Baustoffen, in vielen Fällen möglich – unabhängig von freiraumplanerischen und naturschutzfachlichen Zielen. Auf diese Weise können gleichzeitig charakteristische Elemente und wertvolle Habitate entstehen. Im Zuge von Vegetationsarbeiten lassen sich auch naturnahe Flächen in vielerlei Freiraumkonzepte integrieren. Unabhängig von Größe und Nutzungsgrad eines Raumes können Einzelgehölze, naturnahe Waldbereiche oder extensive Wiesenflächen entwickelt werden. Auch mit nur geringen (personellen wie auch finanziellen) Mitteln können naturschutzfachlich wertvolle Flächen geschaffen werden. Beispiele sind hier die Methoden der Saatgutübertragung wie Heudruschverfahren oder das Wiederaufbringen von an anderer Stelle abgetragenem und mit standortgerechten Pflanzen und Samen durchsetztem Oberboden.

Naturnahen Wald entwickeln

Entsiegeln

Verfügbares Material nutzen

Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten

108

Entwurfsfelder und Entwurfswege

Nach der Aufnahme der befestigten Beläge erfolgt keine Andeckung mit Oberboden, da sich auf den nährstoffarmen Substraten für den Naturschutz wertvolle Vegetationsgesellschaften ansiedeln können. (Riemer Wäldchen, München) Ein Relikt der ehemaligen Landebahn bietet Möglichkeiten der Sport- und Freizeitnutzung, während die entsiegelten Bereiche der Naturentwicklung vorbehalten sind. (Riemer Wäldchen, München)

109 Scherbelhaufen | 132 Park am Gleisdreieck | 144 Park am Nordbahnhof | 148 Alter Flugplatz | 168 Riemer Wäldchen | 194

Entsiegeln Entwurfsperspektiven Auf versiegelten Flächen entsteht das typische warme und trockene Mikroklima urbaner Standorte. Regen kann nicht versickern, sodass er oberflächlich abfließt und in die Kanalisation abgeführt wird. Das führt zu steigenden Pegeln in den Vorflutern. Politisch wurde das Ziel formuliert, die Flächeninanspruchnahme und damit verbunden auch die Versiegelung deutschlandweit zu reduzieren. Auf entsiegelten Flächen kann Regenwasser wieder natürlich versickern. Dadurch wird das Bodenleben gefördert, das Risiko für Hochwasserextreme sinkt. Dieses ist der erste Schritt zurück zu reichhaltigen Biotopen. Im Zuge von Entsiegelungen sollten Rohboden- und Pionierflächen gefördert werden. Dabei müssen weder der gestalterische Mehrwert noch die Ästhetik leiden, sondern es können bei kluger Berücksichtigung interessante und eigenwillige Elemente entstehen. Durch Verbleiben von Material oder durch grobes Aufbrechen können nicht nur wertvolle Bereiche für den Naturschutz geschaffen, sondern auch die Nutzbarkeit und das Erscheinungsbild von urbanen Freiräumen deutlich aufgewertet werden. So können beispielsweise für Fuß- oder Radwege kleine Streifen ehemals großer befestigter Flächen erhalten werden.

Naturschutz Das Entsiegeln von Flächen ermöglicht eine Versickerung des anfallenden Oberflächenwassers und trägt damit erheblich zum Erhalt der natürlichen Wasser-­und Bodenfunktionen bei. Auf den entsiegelten Standorten können Rohboden- und Pionierbiotope folgen, die sich direkt auf gegebenenfalls verbleibendem Unterbau entwickeln können. Verbunden werden kann die Entsiegelung mit dem Recycling oder einem umweltgerechten Verbau der aufgenommenen Stoffe.

Bemerkungen Auf ungenutzten versiegelten Flächen hat sich oft schon eine an die extremen Verhältnisse angepasste Spontanvegetation entwickelt, die ihrerseits wertvoll und erhaltenswert sein kann. Sind die Baustoffe mit Öl, Kerosin oder Ähnlichem belastet, kann eine aufwendige Entsorgung notwendig werden. Außerdem müssen für eventuell noch vorhandene Nutzungen einvernehmliche Lösungen gefunden werden, wie zum Beispiel die Reduzierung von Flächen auf Rad- / Fußwege oder die Umwandlung in teilversiegelte Flächen.

Befestigte Flächen bieten nutzbare Wege und erinnern gleichzeitig an die Ortsgeschichte. In der Art und Weise, wie der Ab- und Aufbruch durchgeführt wird, gibt es vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. (Alter Flugplatz, Frankfurt a.M.)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Ein Blickfang aus gestapelten Bordsteinen, die vor Ort geborgen wurden, bietet Unterschlupfmöglichkeiten für Kleintiere. (Park am Nordbahnhof, Berlin) Schotterflächen aus Abbruchmaterial zeichnen die Standorte ehemaliger Häuser nach. Sie bilden die Ausgangsbasis für seltene, südexponierte Trockenrasen- und Geröllhaldenvegetation. (Scherbelhaufen, Apolda)

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Verfügbares Material nutzen

Scherbelhaufen | 132 Park am Nordbahnhof | 148 Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168

Entwurfsperspektiven Auf nicht mehr genutzten Industrie- und Gleisanlagen gibt es viele Materialien, die für die Neugestaltung wiederverwendet werden können. Das kann nicht nur optisch ansprechend sein, sondern ist zugleich eine gute Möglichkeit, Transport- und Einkaufskosten zu vermeiden. Zudem reduziert sich so der Bedarf an neuem Material, wenn alte Baumaterialien zur Bodenbefestigung, Hangsicherung oder als künstlerische Setzung verwendet werden. Je nach Art des Wiedereinbaus entstehen Nischen für verschiedenste Arten. Die recycelten Materialien bieten dabei vielfältige gestalterische Spielräume und können durch Materialität und thematische Schwerpunkte Freiräume spannungsreich gestalten.

Naturschutz Aus naturschutzfachlicher Sicht hat die Nutzung vorhandener Baumaterialien dann einen Mehrwert, wenn dadurch beispielsweise eine Standortdifferenzierung entsteht oder durch die Modellierung der recycelten Materialien Unterschlupf- oder Nistmöglichkeiten für verschiedene Tierarten geschaffen werden. An Orten, wo die Bedingungen ansonsten eher homogen sind, können auf diese Weise Extremstandorte und andere ökologische Nischen geschaffen werden.

Bemerkungen Grundsätzlich entstehen durch den Abbruch von Bauten sowie den damit verbundenen Abtransport und das Recyceln der Materialien hohe Kosten. Deshalb bietet es sich an, Synergieeffekte und Potenziale wie verfügbare Maschinen und Geräte im Bauablauf zu nutzen. Allerdings muss im Vorfeld ausgeschlossen werden, dass das Abbruchmaterial schadstoffbelastet ist. Beim Einbau ist zudem auf Standsicherheit und Belastbarkeit der Materialien zu achten.

Die Materialien früherer Bauten und Befestigungen lassen sich oft mit geringem Transport- und Materialaufwand zu markanten Gestaltungselementen zusammenfügen. (Alter Flugplatz, Frankfurt a.M.)

112

Entwurfsfelder und Entwurfswege

Behausungen für Insekten lassen sich im Rahmen von Gemeinschaftsaktionen zusammen mit Kindern bauen. Sie erhöhen die Vielfalt und steigern auch das Interesse an den „Bewohnern“. (Park am Gleisdreieck, Berlin) Künstlich geschaffene Habitatdifferenzierung: Durch einfache Steinhaufen werden Tagesverstecke für die Wechselkröte geschaffen. (Riemer Wäldchen, München)

113 Lebens-Welten | 128 Park am Gleisdreieck | 144 Park am Nordbahnhof | 148 Buchholzer Bogen | 178 Riemer Wäldchen | 194 Zentrale Bahnflächen | 198

Unterschlupfund Nistmöglichkeiten Entwurfsperspektiven Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten lassen sich für die unterschiedlichsten Arten ohne viel Aufwand in städtische Freiräume integrieren. In vielfältigen Ausprägungen können solche Unterschlupfe den Freiraum abwechslungsreicher machen, vor allem dann, wenn das Potenzial gestalterisch genutzt wird. So lassen sich zum Beispiel durch Modellieren des Geländes, durch Stapeln schwerer, sperriger Materialien oder durch Ausbaggern von wasserführenden Mulden Unterschlupfe für feuchtigkeitsliebende Arten anlegen. Mithilfe von Steinmauern, die einerseits als Gestaltungselement und andererseits als Rückzugshabitat dienen, können überdies wertvolle Flächen oder Gefahrenbereiche effektiv abgegrenzt werden. Derartige Elemente bieten (wie auch Lesesteinhaufen, gestapelte Ziegel oder gelagertes Gestrüpp) Hohlräume und Lücken beispielsweise für Mäuse, Wiesel, Molche, Igel und Laufkäfer. Wildbienen und Erdhummeln sind ebenfalls typische Bewohner bodennaher Nischen. Steinstapel können von wärmeliebenden Arten als „Sonnenbank“ genutzt werden, während sich in schattigen, feuchten Bereichen im Laufe der Zeit Moose, Farne und Flechten ansiedeln können, die dem Gebiet einen speziellen Charakter geben. Auch alltägliche Maßnahmen wie die Errichtung von Insek-

tenhotels oder das Anbringen von Nistkästen sorgen für Erfolge bei der Arterhaltung und -ausbreitung und dienen dabei als Orte für Naturbeobachtung und Naturerfahrung.

Naturschutz Naturnahe Rückzugs-, Nist- und Unterschlupfmöglichkeiten sind für Tiere im städtischen Bereich von besonderer Bedeutung, da hier oftmals keine geeigneten (Teil-)Habitate mehr zu finden sind. Abwechslungsreiche Strukturen können Kleinstbiotope schaffen und dadurch einen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in urbanen Bereichen leisten.

Bemerkungen Konflikte entstehen, wenn Unterschlupf- oder Rückzugsbereiche betreten werden. Besucher, die sich nicht an Abgrenzungen, Ruhezeiten oder Betretungsverbote halten, handeln gegen die naturschutzfachlichen Ziele. Ihnen sollte durch entsprechende Informationen ein bewusster und rücksichtsvoller Umgang vermittelt werden.

Eine Gabionenwand zur Hangsicherung bietet gleichzeitig einer Vielzahl von Arten Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten. (Buchholzer Bogen, Hannover)

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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Eingestreute Waldflächen gliedern die Landschaft und sorgen für Struktur- und Artenvielfalt. (Landschaftsraum Kronsberg, Hannover) Neuaufforstungen in Verbindung mit Erdmodellierung bilden das räumliche Grundgerüst im Riemer Wäldchen. Durch Variationen der Baumarten entstehen sowohl vielfältige Lebensräume als auch spannende ästhetische Eindrücke. (Riemer Wäldchen, München)

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Naturnahen Wald entwickeln

Lebens-Welten | 128 Wartenberger Feldmark | 156 Landschaftsraum Kronsberg | 182 Riemer Wäldchen | 194

Entwurfsperspektiven Naturnahe Wälder – seien sie durch Aufforstung oder durch den Umbau naturferner Wälder und Forste entstanden – erfüllen ein reichhaltiges Repertoire an Funktionen für Natur und Mensch. Das nachhaltige Speichern von Wasser und der Schutz des Bodens vor Erosion sind solche Funktionen. Außerdem puffern naturnahe Wälder durch ihr feuchtes und mildes Mikroklima die Belastungen im strahlungs- und hitzereichen Stadtraum ab (siehe „Pufferzonen und Sicherheitsbereiche anlegen“, S. 80). Im Wald gibt es vielfältige und dauerhafte Biotope, die aufgrund ihrer Vielfalt eine erhebliche Aufenthaltsqualität für Besucher bieten. Durch eine abwechslungsreiche Wegeführung und das geschickte Nutzen von Raumfolgen und Ausblicken lässt sich die gestalterische Qualität weiter erhöhen, sodass attraktive Freiräume entstehen (siehe „Besucher gezielt lenken“, S. 76). Der Erlös durch entnommene Bäume kann finanzielle Spielräume schaffen. Für die weitere forstliche Nutzung ist ein naturnah zusammengesetzter Wald resistenter gegen äußere Einflüsse.

Naturschutz Dem naturnahen Wald kommt aufgrund seiner Fähigkeit zur Absorption von Kohlendioxid im Rahmen des Klimaschutzes eine besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus entstehen standörtlich differenzierte Waldbiotope mitsamt ihren artenreichen Begleitbiotopen: Waldränder, Lichtungen, Totholzbereiche. In Bezug auf Standortdifferenzierung und Mikroklima besitzt Wald im Gegensatz zu Offenland eine ausgleichende Wirkung.

Bemerkungen Flächen, die offiziell als „Wald“ bezeichnet werden, stehen unter besonderem Schutz, was die Flexibilität für zukünftige Nutzungsmöglichkeiten einschränkt. Das wilde Erscheinungsbild eines natürlichen Waldes im urbanen Umfeld muss möglicherweise erklärend kommuniziert werden.

Entwurfsproben

117

Die Entwurfsproben bilden einen Praxistest der im Kapitel „Entwurfsfelder und Entwurfswege“ beschriebenen multifunktionalen Strategien und Maßnahmen. Für zwei urbane Räume, in denen sowohl naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen als auch Freiraumnutzungsansprüche aufeinandertreffen, wurden entwerferische Lösungen gesucht. Im Rahmen dieser Entwurfsproben wurden Kombinationen von Entwurfswegen in einer Vorversion getestet, die anschließend in den systematischen Katalog der „Entwurfsfelder und Entwurfswege“ einflossen. Ziel war es, den Gebrauchswert und die Übertragbarkeit der theoretisch erarbeiteten Entwurfswege auf konkrete Planungsfälle mit ihren jeweiligen räumlichen Bedingungen sowie den naturschutzfachlichen und planerischen Anforderungen zu prüfen. Ausgewählt und bearbeitet wurden diese Räume zusammen mit den Kooperationspartnern Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) der Freien und Hansestadt Hamburg sowie dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr (SUBV) der Hansestadt Bremen. Grundsätzlich unterschieden wurde in eine räumliche und eine thematische Annäherung.

Annäherung an den systematischen Katalog der Entwurfsperspektiven im Arbeitsprozess

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Entwurfsproben

ENTWURFSPROBE 1

Sandpark Rissen Biotopverbundflächen in Grünanlagen | Freie und Hansestadt Hamburg Elmshorn

Kalkgrube LSG Hexenwald

NSG Tävs/ Haselauer Moor LSG Holmer Sandberge

NSG Butterbargsmoor

NSG Schnaakenmoor

Rissen Entwurfsgebiet mit NSG Wittenbergen

NSG Neßsand

Vernetzung: Anknüpfung an ein überregionales Netz von Trocken- und Sandstandorten

Untersuchungsgebiet und Hintergrund Bei dem Hamburger Fallbeispiel standen öffentlich-städtische Grünanlagen als Teil des im Stadtstaat auszuweisenden Biotopverbunds im Fokus. Hier sollten die Erkenntnisse zur multifunktionalen Ausgestaltung urbaner Freiräume entwerferisch erprobt werden. Das Fachkonzept zum Biotopverbund wird von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), Abteilung Naturschutz, erarbeitet und weist aktuell ca. 2.650 Hektar öffentlicher Grünanlagen mit Funktionen für den Biotopverbund aus. Unterschieden werden Lebensraumnetzwerke für Feucht-, Trocken-, Wald- und Gewässerlebensräume, die jeweils eine Vielzahl von Lebensräumen vereinen. In Absprache mit den Kooperationspartnern der BSU wurden zu Beginn sieben innerstädtische Grünanlagen in Hamburg in die engere Wahl genommen, besichtigt und im Hinblick auf ihre Wertigkeit für die Erholungsnutzung, betroffene Lebensraumnetzwerke und naturschutzfachliche Besonderheiten analysiert. Dabei zeigte sich der Waldpark Marienhöhe im Stadtteil Rissen (Bezirk Altona) als geeignetes Beispiel, um einen Verbund aus Trockenlebensräumen zu entwerfen und gleichzeitig die gewonnenen Erkenntnisse zur multifunktionalen Ausgestaltung urbaner Freiflächen zu erproben. Übergeordnet wurden dabei grundlegende naturschutzfachliche und freiraumnutzerische Oberthemen (Diversität, Prozesse, Dynamik, Kontinuität, Ressourcen sowie Freizeit und Gesundheit, Wertschöpfung, Integration und Teilhabe, Bildung und Kultur sowie Raumstruktur und Landschaftsbild) in ihrer Anwendbarkeit als mögliche Leitthemen für den Entwurf geprüft. Als Resultat wurden Gestaltungsvorschläge entwickelt, die sowohl den Anforderungen des Biotopverbunds gerecht werden als auch die Erholungsnutzung in der gesamten öffentlichen Grünanlage optimieren. Ausgehend vom Waldpark Marienhöhe wurde durch Einbeziehen weiterer Flächen bis zum Elbhang der sogenannte Sandpark Rissen als durchgängiger Trockenlebensraumverbund entworfen.

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Eigenarten der Binnendünen

Topografie modifizieren

Sukzessionsvegetation

dynamische Topografie Sandboden freilegen

Zeitliche und räumliche Kontinuität: Regionale Bodengegebenheiten werden freigelegt. Temporäre und sukzessive Vegetationsentwicklungen werden auf diesen Standorten zugelassen. Räumliche Zusammenhänge werden durch wiederkehrende Gestaltungselemente verdeutlicht. Die unterschiedlichen Habitate mit gleichen Standortbedingungen werden visuell in Beziehung gesetzt. Die Themen der Dünenlandschaft werden als durchgängige Gestaltungsansätze für den Entwurf verwendet.

trockener Sandboden

Regionaler Wander-/Radweg

Abenteuerspielplatz

Cross-Felder

Regionaler Wander-/Radweg

Reiterhof

Heide mit Schwerpunkt offener Trockenbiotope

Kiesgrube mit Schwerpunkt offener Trocken-/Feuchtbiotope

Elbhöhe

Museum Sven-Simon-Park

Forst mit Übergängen offener/geschlossener Trockenbiotope

120

Entwurfsproben

9m leitende Wegeführung 6m

2m

offener Sandboden

sukzessiver Trockenstandort

Freiraumqualität: Punktuelle, einheitliche Gestaltungselemente dienen als Wiedererkennungsmerkmal und kontinuierliches Element.

Erläuterungen zum Entwurf Die Grundidee des Entwurfes leitet sich aus der Genese der Landschaft im Bereich Rissen ab: Schwemmsande des Elbe-Urstromtals, die zu großen halbbogen- oder sichelförmigen Dünenzügen aufgeweht wurden, führten zum heutigen Landschaftsbild (Naturschutzverband GOP o.J.). Durch die Halbbogenform wurde Wasser im Binnenland zurückgehalten und es entstand ein charakteristischer Komplex aus Hoch- und Übergangsmooren, Binnendünen, Heiden, Trockenrasen und Feuchtwiesen (vgl. § 2 NatSchSchnaakVO). Einen weiteren wichtigen Bezugspunkt bilden aus der Sicht des Naturschutzes wertvolle Flächen, die unmittelbar an das Entwurfsgebiet angrenzen und teilweise hineinreichen: das südlich gelegene Naturschutzgebiet Wittenbergen mit seinen Heideflächen und das Naturschutzgebiet Schnaakenmoor nördlich des Entwurfsbereiches. Den Kern des geplanten Sandparks bilden drei charakteristische Landschaftsausprägungen: im Norden der Waldpark Marienhöhe, der durch ehemaligen Kies- und Sandabbau geprägt ist, im Süden der Waldbereich, in dem Nadel- und Mischforsten auf ehemaligen Dünenstandorten stehen und in dessen Mitte ein Golfplatz liegt. Der dritte Teilbereich ist das Naturschutzgebiet Wittenbergen mit seinen charakteristischen Eichenwäldchen, Heideflächen und Offensandbereichen. Alle drei Bereiche wurden in Anlehnung an ihre natürlichen Gegebenheiten gestaltet. Ausgehend von den naturschutzfachlichen Anforderungen sowie Ansprüchen an die Freiraumnutzung vor Ort wurden die Oberthemen Prozesse, Diversität und Vernetzung wie auch Freizeit und Gesundheit sowie Raumstruktur und Landschaftsbild in den Entwurf integriert.

Umgang mit den Erkenntnissen Die definierten Oberthemen, mit denen hier gearbeitet wurde, sind hilfreich, um dem Entwurf ein übergeordnetes Konzept zu geben und inhaltliche Schwerpunkte zu setzen, mit denen dann öffentlichkeitswirksam für Naturschutzmaßnahmen argumentiert und sensibilisiert werden kann. Gleichwohl wurde deutlich, dass die Oberthemen nicht ausreichen, um anschauliche Maßnahmen und Details unter den Akteuren zu kommunizieren. Aus der Reflexion dieses Mangels wurden dann im weiteren Verlauf die übergeordneten Entwurfsfelder und konkreten Entwurfswege entwickelt, die sich im Kapitel „Entwurfsfelder und Entwurfswege“ finden.

Grube vertiefen

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Waldpark: Thema Diversität • aktive Standortdifferenzierung • Schaffung ökologischer Nischen Die Abbaulandschaft der Kiesgrube wird punktuell hervorgehoben, südexponierte Flächen und Hänge der Grube werden freigelegt. Vorhandene Feuchtbiotope werden erweitert.

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Überformung erhöhen

Forst: Thema Prozesse • Eigenentwicklung zulassen • Störungen durch Nutzung hervorrufen Der nährstoffreiche Humusboden des Forstes wird überformt, die vorhandene Vegetation wird dazu in Schneisen und Lichtungen gerodet. Dynamische Trockenstandorte werden so wiederhergestellt.

Weite betonen

Heidekraut/Borstgrasrasen

Wittenbergener Heide: Thema Vernetzung • Habitatqualität steigern • Habitate erweitern Die leichte Hügellandschaft der Heide wird hervorgehoben, die aufgeforstete Vegetation wird dazu zonenweise gerodet. Bestehende Trockenstandorte werden vergrößert.

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Entwurfsproben

ENTWURFSPROBE 2

Waller Fleet Kleingartengebiete im Bremer Westen | Freie Hansestadt Bremen LSG Blockland

In den Wischen

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Walle

Waller Fleet

Innenstadt

Lage des Projektgebietes im Stadtteil Bremen-Walle

Untersuchungsgebiet und Hintergrund In Absprache mit den Kooperationspartnern beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr (SUBV) wurde das 319 Hektar große Kleingartengebiet Waller Fleet im Nordwesten des Bremer Stadtgebietes für die Bearbeitung ausgewählt. Es bietet sich in beispielhafter Weise an, um naturschutzfachlich wertvolle Maßnahmen mit einer Verbesserung der Naherholung und einer Stärkung angrenzender Stadtquartiere zu verbinden. Das Gebiet wird hauptsächlich als Dauerkleingartengebiet, aber auch als Raum für Naherholung und Landwirtschaft genutzt. Sinkende Einwohnerzahlen und Veränderungen der Lebensgewohnheiten haben dazu geführt, dass die Nachfrage nach Kleingärten in Bremen kontinuierlich gesunken ist und die Anzahl leer fallender Parzellen ohne Nutzung steigt. Um auf diese Tendenzen zu reagieren, sieht ein von der Stadt erarbeitetes Gesamtkonzept vor, die Kleingartengebiete so zu entwickeln, „dass zum einen Kompensationsmöglichkeiten für andernorts vorgenommene Eingriffe in den Naturhaushalt und das Landschaftsbild ermöglicht werden, andererseits die Gebiete für die öffentliche Naherholung aufgewertet werden“ (Stadtgrün Bremen 2003: 16). Das Ziel des Entwurfes sollte es daher sein, das Areal im Sinn des Naturschutzes aufzuwerten, aber auch einen verbesserten Zugang für benachteiligte Bevölkerungsgruppen und den zukünftigen Umgang mit dem noch weiter sinkenden Bedarf an Parzellen zu berücksichtigen.

Erläuterungen zum Entwurf Basierend auf einer Analyse des Stadtraumes wurden anhand der Vorversion des systematischen Katalogs Vorschläge erarbeitet, um konkrete Orte im Waller Fleet multifunktional zu gestalten. Zur Verdeutlichung und zur Kommunikation wurden diese visuell durch perspektivische Collagen unterstützt und im Anschluss auf einem Bürgerforum zum Waller Fleet vorgestellt und diskutiert.

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Eine verwahrloste Parzelle

Blick über das Maschinenfleet ins Blockland

Parzelle inmitten von entwickeltem Gehölzbestand

Kleingartenkolonie im Bereich „In den Wischen“

124

Entwurfsproben

Umgang mit den Erkenntnissen Beim Fallbeispiel Bremen konnte schon auf die Ergebnisse der Reflexionen zum systematischen Katalog zurückgegriffen werden, die bei der Hamburger Entwurfsprobe entstanden waren. Die konkrete Anwendung der auf dieser Grundlage erarbeiteten Entwurfsfelder und -wege hat wiederum gezeigt, an welchen Stellen noch Anpassungsbedarf bestand und wo die Wege im Entwurfsprozess bereits gut nutzbar waren. Beispielsweise wurden die Entwurfswege „Räume für Naturerfahrung“ und „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ aufgrund der Erfahrungen beim Waller Fleet ausdifferenziert, da das vorläufig formulierte Entwurfsfeld den Ansprüchen der Anwohner nach einer Intensivierung des Naturkontaktes nicht gerecht wurde.

Gesamtfazit Entwurfsproben Bei den bearbeiteten Fallbeispielen konnte gezeigt werden, wie für anthropogen genutzte Flächen im urbanen Raum durch gestalterische Maßnahmen eine Integration von Naturschutz und Freiraumnutzung erreicht werden kann. Sowohl in Hamburg als auch in Bremen konnten naturschutzfachliche Zielsetzungen wie die Förderung der Strukturvielfalt und die Schaffung wertvoller Biotope mit Aspekten der Naturerholung und Naturerfahrung sinnvoll kombiniert werden. In Hamburg stellte sich die Anforderung einer innerstädtischen Knüpfung von Lebensraumnetzwerken. Die Entwurfsfrage lautete, wie eine dauerhafte Sicherung und Durchlässigkeit von naturschutzrelevanten Korridoren mit verschiedenen Freiraumnutzungen zu verbinden ist. Wie beim Kooperationspartner Bremen ergibt sich aus dem urbanen Umfeld auch hier die Notwendigkeit, ästhetische und rekreative Aspekte im Naturschutz zu berücksichtigen. In Bremen wurden multifunktionale Aufwertungsmöglichkeiten im strategischen Umgang mit frei werdenden urbanen Flächen gesucht. Die Weser mit ihren angrenzenden Biotopen und die Bremen umgebenden Kulturlandschaften bieten hier auch viele übergeordnete Anknüpfungspunkte an weitere aus Sicht des Naturschutzes wertvolle Bereiche. Die räumliche Nähe zu Siedlungsbereichen macht die Berücksichtigung von Ästhetik, Freiraumnutzung und Bedürfnissen der Anwohner notwendig. Durch die Entwurfsarbeit an den konkreten Beispielen in Hamburg und Bremen konnten die vorläufigen Themen, die aus der Reflexion der 19 Praxisbeispiele gewonnen wurden, kritisch überarbeitet werden und zu dem vorliegenden systematischen Katalog von Entwurfsfeldern und -wegen weiterentwickelt werden.

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Raumvision: Kleingärtenränder Verbesserung der Durchwegung und Betonung der Randsituationen durch breite Blühsäume, Baumreihen und naturnahe Gräben. Dadurch entstehen vielfältige, attraktive Freiräume, die die verbleibenden Gärten aufwerten. Durch Streuobstnutzung von Bäumen ehemaliger Gärten und extensive Beweidungskonzepte entstehen abwechslungsreiche Landschaftsbilder. Weidetiere verbessern die Identifikation mit der Fläche.

Streuobstwiese Blühsaum

Naturnaher Graben

Bewegungsband

LSG Blockland Maschinenfleet

Raumvision: naturnahe Aktionsbereiche Punktueller Ausbau des sanften Wassersports am Maschinenfleet neben naturnahen und renaturierten Gewässerabschnitten. Blickfenster ins Landschaftsschutzgebiet Blockland inszenieren dessen Weite ohne nötiges Betreten.

Ufer „In den Wischen“ Punktueller Zugang zum Wasser

Verbleibende Parzellen

Raumvision: Feuchtgrünland Zusammengelegte und vernässte Parzellen werden zu Weiden und Wiesen; dazwischen liegenden Fleete und Gräben werden renaturiert. Die Flächen werden durch robuste Schafrassen temporär beweidet oder extensiv durch Mahd gepflegt. Bewegungskorridore verbessern die Querungsmöglichkeiten und Erreichbarkeit und bilden die Kontaktzone zu Natur.

Fleet (naturnahes Ufer)

Bewegungsband

Beispiele guter Praxis

Die Auswahl der Beispielprojekte erfolgte auf der Grundlage einer umfangreichen­ Recherche in der Literatur, insbesondere in einschlägigen Fachzeitschriften, im Internet sowie in Telefonaten mit den jeweiligen Fachleuten vor Ort. Gezielt wurden­Projekte mit unterschiedlichem Charakter ausgewählt, um eine möglichst große Bandbreite von naturschutzfachlichen, aber auch gestalterischen­ Aspekten einzubeziehen. Darüber hinaus wurde Wert darauf gelegt, dass verschiedenste Nutzungen in den urbanen Freiräumen vorzufinden sind. Um das dahinterstehende­Entwurfskonzept sowie die naturschutzfachlichen Maßnahmen im Hinblick auf erreichte Ziele und Dauerhaftigkeit einordnen zu können, kamen nur bereits umgesetzte Projekte infrage.

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Die Beispielprojekte zeichnen sich aus durch: • ihre naturschutzfachliche Bedeutung: Die Projekte sind in ihrer Gesamtheit oder in Teilräumen von hohem Wert für den Naturschutz. Urbane Freiräume, die ausschließlich für verschiedene Nutzungen durch den Menschen vorgesehen sind, scheiden für die Untersuchung aus. • eine Finanzierung aus Mitteln der Eingriffsregelung: Bei allen Projekten sind Teile der urbanen Freiräume aus Mitteln der naturschutzfachlichen Eingriffsregelung realisiert worden. Dabei sind entweder Kompensationsflächen (Ausgleichs- und/oder Ersatzflächen) in den Freiraum integriert oder Ersatzgelder in die Planung und Umsetzung des Freiraumes geflossen. Auf diese Weise wird gesichert, dass verbindliche und überprüfbare Zielvorgaben für Naturschutz, Nutzung und Freiraumgestaltung festgelegt wurden. • die Freiraumnutzung: Die Räume weisen zusätzlich zur naturschutzfachlichen Bedeutung eine oder mehrere Formen der Freiraumnutzung auf und zeichnen sich auch durch eine vielfältige Gestaltung der einzelnen Elemente und Flächen aus. Auszeichnungen oder Anerkennungen für die Projekte wurden entsprechend berücksichtigt.

In einer ersten Vorauswahl wurden 27 Projekte in der gesamten Bundesrepublik bereist, von denen abschließend 19 in die Untersuchung aufgenommen wurden. Die Besichtigungen vor Ort wurden jeweils von Mitarbeitern aus Verwaltung, Landschaftsarchitekturbüros oder Bürgerinitiativen begleitet, um fehlende Informationen einzuholen und offene Fragen klären zu können. Überdies haben die Ansprechpartner im Nachhinein die Aufarbeitung und Dokumentation inhaltlich unterstützt. Neben der Entstehungsgeschichte, den Anforderungen der Eingriffsregelung und den zugrunde liegenden Akteurskonstellationen wurden unter anderem der umgebende Landschaftsraum, Aspekte der Freiraumnutzung, Gestaltungsprinzipien und -mittel, Pflege- und Managementstrategien sowie die Raumwirkung der jeweiligen Maßnahmen untersucht.

128

Beispiele guter Praxis

Lebens-Welten Andernach In einem multifunktional angelegten Permakultur-Garten werden soziale, ökologische und ästhetische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt.

Lage 5 km westlich der Innenstadt Flächengröße ca. 13 ha Entstehungszeitraum 2008 Bauherr/Träger Stadt Andernach Planer/Büro Amt für Stadtplanung und Bauverwaltung Andernach Kompensationscharakter Ausgleichsmaßnahme aus der Bauleitplanung

Lage im urbanen Raum

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Das Gelände der Lebens-Welten liegt im Vorort Andernach-Eich in einem Landschaftsschutzgebiet. Dort wurde auf einem ehemaligen Maisacker ein Garten in Permakultur angelegt. Das Konzept der Permakultur steht sinngemäß für eine nachhaltige Landwirtschaft und gestaltet zukunftsfähige Lebensräume durch die Verknüpfung traditioneller Bewirtschaftungsformen und Erkenntnisse moderner Forschung (Boomgaarden o. J.). Der Garten ist für die Bevölkerung frei zugänglich und erfüllt darüber hinaus eine sozial integrative Funktion: Jedes Jahr erhalten 20 Langzeitarbeitslose dort die Möglichkeit, sich in einer einjährigen praktischen und theoretischen Gärtnerausbildung zum Permakultur-Assistenten zu qualifizieren. Federführend für das Projekt verantwortlich sind die örtliche Beschäftigungs- und Qualifizierungsinitiative Perspektive gGmbH, welche die 20 Personen offiziell anstellt (SWR 2011), sowie der Europäische Sozialfonds. Die dauerhafte Pflege und Unterhaltung des Geländes wird im Rahmen der Qualifizierungsmaßnahme durchgeführt und damit nachhaltig sichergestellt. Zudem sind ein Gärtner und ein Landwirt zur Bearbeitung der Flächen und zur Betreuung der Tiere auf dem Gelände fest angestellt (Kosack 2012, mdl.). Die Lebens-Welten, die auf städtischem Grund liegen, wurden zum Teil nachträglich als Kompensationsmaßnahme für Eingriffe aus dem Bebauungsplan Nickenicher Straße angerechnet (ebd.). Die Planung basiert auf Ideen aus der Stadtverwaltung, dem Südwestrundfunk und der Universität Bonn. Sach- und Geldspenden von lokalen Unternehmen und Bürgern ermöglichten den Beginn der Realisierung. (Kosack 2012, mdl.). Darüber hinaus erhielt das Projekt von Beginn an große politische Unterstützung und mediale Aufmerksamkeit (ebd.; SWR 2011).

Naturschutzfachliche Aspekte Um die entstandenen Eingriffe aus dem Bebauungsplan zu kompensieren, wurden 3,6 Hektar intensives Ackerland in der Nähe des Eingriffsvorhabes in extensives Grünland umgewandelt sowie Waldrandgehölze gepflanzt und eine Benjeshecke angelegt. Ziel der Maßnahmen war es, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu verbessern, insbesondere durch die Schaffung von Lebensstätten für wild lebende Tiere und Pflanzen sowie durch Schutz des Bodens vor Wind- und Wassererosion

landwirtschaftliche Fläche

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Beispiele guter Praxis

(Kosack 2012). Anstelle einer ursprünglich monokulturellen Ackerfläche befinden sich auf dem Gelände nun vielfältige Landschaftsstrukturen und Trittsteinbiotope, die es seltenen Tier- und Pflanzenarten ermöglichen, sich zu etablieren (Boomgaarden o.J.). Zur weiteren Anreicherung mit natürlichen Landschaftselementen wurden eine 6 Meter breite und etwa 300 Meter lange Laubbaumhecke sowie ein etwa 10 Meter breiter und 110 Meter langer, gestufter Waldrand aus ebenfalls standortgerechten und einheimischen Gehölzen gepflanzt. Beides war ausschlaggebend für die Anerkennung als Kompensationsmaßnahme (Kosack 2012, mdl.), da diese Anpflanzungen vorrangig den Boden vor Erosion schützen. Gleichzeitig wurden dadurch kleinklimatisch unterschiedliche Lebensräume geschaffen. Neben der Weiterentwicklung der naturnahen Flächen dient das Gelände dem Anbau und der Nutzung traditioneller Kultur- und Nutzpflanzen und der damit verbundenen Erhöhung der Agrobiodiversität. Außerdem werden seltene und alte Nutztierrassen, wie zum Beispiel das Angler Sattelschwein, gehalten. Die Lebens-Welten leisten auch einen Beitrag zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, indem Kindergärten und Schulklassen das Gelände besuchen und sich über Flora und Fauna informieren (Kosack 2012, mdl.). Schmetterlingswiesen, Insektenhotels und Steinhaufen vermitteln den Kindern anschaulich verschiedene Arten von Nützlingsbiotopen, wobei durch die differenzierte Gestaltung des Geländes Bereiche unterschiedlicher Störungs- und Eingriffsintensitäten geschaffen wurden (Boomgaarden o.J.; Kosack 2012, mdl.). Die Bewirtschaftung und Entwicklung des Geländes wird durch die Universität Bonn wissenschaftlich begleitet und dokumentiert.

Gestalterische Aspekte Auf dem leicht abschüssigen Gelände werden alte Anbautraditionen und -formen nachempfunden und inszeniert. Dabei wurde das Gelände der Lebens-Welten ausschließlich mit Materialien aus der Region gestaltet, die sich auch in der näheren Umgebung wiederfinden. Beispielsweise wurden die Hochbeeteinfassungen mit Steinen aus dem unmittelbar angrenzenden Steinbruch errichtet (Kosack 2012, mdl.). Der Nutzgarten („Mandalagarten“) im oberen Bereich ist strahlenförmig angelegt und einer stilisierten Sonne nachempfunden, die aus der Luft deutlich erkennbar ist. Durch die multifunktionale Nutzung des Geländes ergibt sich auch visuell eine große Vielfalt an Eindrücken. Auf den öffentlich zugänglichen Flächen werden Nahrungsmittel erzeugt und verschiedene Themen-Workshops (zum Beispiel Kräuterseminare) angeboten, die von der Bevölkerung in Andernach gut besucht werden. Durch die attraktive Gestaltung lädt das Gelände zum Spazierengehen zwischen den Beeten ein. Schilder und Tafeln informieren über das Projekt, und es werden Kenntnisse über die dort befindlichen Pflanzen und Tiere vermittelt.

Zusammenfassende Darstellung Mit den Lebens-Welten wird ein multifunktionales, dynamisches Konzept zur Nutzung stadtnaher Bereiche umgesetzt, bei dem vielfältige Aspekte Berücksichtigung finden: ökologische und nachhaltige Landwirtschaft, Naturschutz, Umweltbildung, Integration, gemeinschaftliches Arbeiten sowie die Möglichkeit der beruflichen Qualifizierung. Durch die vereinte Umsetzung dieser Ziele werden Synergieeffekte­ erzielt. Der gestalterische Bezug zu historischen Nutzungsformen gibt den Besuchern einen Einblick in traditionelle Anbau- und Bewirtschaftungsweisen und ermöglicht es zudem, sich aktiv in die Gestaltung des Geländes einzubringen. Als ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Projekt kann die mediale sowie politische Unterstützung und Aufmerksamkeit gesehen werden. Diese Öffentlichkeitsarbeit hat dazu geführt, dass das Projekt bundesweit Beachtung findet und erfolgreich fortgeführt werden kann. Gleichwohl ist das starke Engagement von Einzelpersonen ebenfalls als ein grundlegender Beitrag zum Gelingen der Lebens-Welten zu sehen.

131

Schutzhütte im Stauden- und Kräutergarten

Das verwendete Steinmaterial­ stammt aus dem lokalen Steinbruch.

Lage am Südhang der Vulkaneifel, Blick in die weiträumige Landschaft zum Stadtteil Eich

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Beispiele guter Praxis

Scherbelhaufen Apolda Trocken- und Magerrasen auf modelliertem Abrissmaterial spiegeln die Grundrisse ehemaliger Großwohnblöcke wider.

Lage 1 km nördlich des Stadtzentrums Flächengröße 3,4 ha Entstehungszeitraum 2005–2007 Bauherr/Träger Stadt Apolda

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Planer/Büro Stadt Apolda, Abteilungen Straßen- und Ingenieurbau, Stadtökologie Kompensationscharakter Nachträgliche Anerkennung als Ausgleichsfläche

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung

Lage im urbanen Raum

Bereits seit mehreren Jahren ist die Stadt Apolda im Weimarer Land deutlich von den Auswirkungen des demografischen Wandels betroffen. Insbesondere Alterung und Schrumpfung stellen die Stadtentwickler vor neue Herausforderungen: Im Zeitraum von zehn Jahren ist die Einwohnerzahl Apoldas um 3.000 und damit um knapp 12 Prozent gesunken (TLS 2011). Laut Thüringer Landesamt für Statistik (TLS) ist bis zum Jahr 2030 mit einem Anstieg der über 65-Jährigen bei einer gleichzeitigen Abnahme der jüngeren Bevölkerungsgruppen zu rechnen. Sowohl die Schrumpfungs- als auch die Alterungstendenzen werden sich in Zukunft weiter verstärken (TLS 2011). Aufgrund dieser Entwicklung gibt es in Apolda leer stehende Wohnungen oder sogar ganze Wohnblocks. Um angepasst auf diese veränderte Situation zu reagieren, hat sich die Stadt für eine Kombination aus rückbauender Stadtentwicklung und nachhaltigem Naturschutz entschieden. Am nördlichen Stadtrand wurden mit Mitteln des Städtebauförderungsprogramms „Stadtumbau Ost“ in einer Siedlung mehrere Plattenbauten mit insgesamt rund 300 Wohnungen abgerissen und das Areal anschließend für die Etablierung von Natur in der Stadt umgestaltet. Mit dem Ziel, auf dem ehemaligen Wohngelände naturschutzrelevante Biotope zu gewinnen und zu vernetzen, wurde das beim Abriss angefallene Baumaterial in einem nahe gelegenen Betrieb zerkleinert, sortiert und wieder auf die Fläche aufgetragen (Müller 2012; DST, DStGB & DUH 2009: 15). Die Wiederverwendung des Abrissmaterials sowie der Rücktransport und die Modellierung der Geländeoberfläche wurden wie der Abriss über das Programm „Stadtumbau Ost“ finanziert. Aufgrund der sonnenexponierten Hanglage wurde auf der Fläche ein Trockenbiotop entwickelt, das einmal im Jahr im Spätsommer von einem Pächter gemäht wird. Das Mahdgut wird zu Heu verarbeitet (Müller 2012, mdl.). Die extensive und kostengünstige Pflege wird durch einzelne selektive Pflegeeingriffe wie die Entnahme aufwachsender Robinien ergänzt (DST, DStGB & DUH 2009: 15). Als Träger und Bauherr der Abrissmaßnahme agierte die Stadt Apolda.

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GROSSWOHNSIEDLUNG APOLDA-NORD

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Beispiele guter Praxis

Naturschutzfachliche Aspekte Vor dem Abriss der Wohnblocks bestand der umliegende Freiraum aus artenarmem Siedlungsgrün und Gärten (Müller 2012, mdl.). Um anstelle dessen die Entwicklung von Magerrasen zu erreichen, wurde auf eine Andeckung mit Oberboden verzichtet (DST, DStGB & DUH 2009: 15). Auf dem Recyclingmaterial entstanden kalkreiche Geröllstandorte, während die restlichen Flächen von Rasen- und Ruderalflora bedeckt waren. Auf der Nordseite vorhandene Baumbestände blieben erhalten und stellen die Verbindung zur umgebenden Landschaft her (Müller 2012, mdl.). Um die Entwicklung des Magerrasens zu fördern, wurden die vorgesehenen Flächen mit einer Initialsaat gebietseigener Herkunft (Arten trockenwarmer Magerrasenstandorte) bestellt (DST, DStGB & DUH 2009: 15). Später sammelten Schulkinder auf anderen Wiesen der Stadt Saat von Wildblumen, die dann auf den neuen Flächen ausgebracht wurde (Müller 2012, mdl.). Inzwischen wurden Dorngrasmücke, Goldammer, Heckenbraunelle und Neuntöter gesichtet; außerdem haben Wildbienen dort ein wichtiges Nahrungshabitat gefunden. Bei Kartierungen durch Studierende der Biologie wurden bereits mehr als 100 Pflanzenarten erfasst. Nachträglich wurde das Areal als Ausgleichsfläche für ein Gewerbegebiet an der B87 angerechnet, bei dem zuvor wertvolle Trockenbiotope verloren gingen (ebd.).

Gestalterische Aspekte Das Gelände wurde mit grobem Beton- und feinerem Ziegelbruch zu 1 bis 6 Meter hohen Hügeln modelliert, die sich sanft in die umgebende Landschaft einfügen. Einzelne Bäume wurden dabei erhalten und unterstützen die Einbindung in die regionaltypische Landschaft zusätzlich. Die Straßen, über die die Wohnblöcke früher erschlossen wurden, sind aus ökonomischen Gründen geblieben; aus gleichem Grund wurden auch keine neuen Wege darüber hinaus angelegt. Die Straßen dienen nun zusammen mit den modellierten Gebäudegrundrissen als Reverenz an die frühere Situation. Die Nutzung des Geländes durch Kinder der verbliebenen Anwohner sowie durch Bewohner des angrenzenden Altenheims ist nicht so wie gewünscht eingetreten; das Gelände unterliegt bislang einer geringen Nutzung durch Dritte (Müller 2012, mdl.).

Zusammenfassende Darstellung Die Bevölkerungsentwicklung der Stadt Apolda steht exemplarisch für eine Vielzahl von Städten in Deutschland, in denen sich der demografische Wandel, insbesondere in Schrumpfung und Alterung, niederschlägt bzw. niederschlagen wird. Diese Entwicklungen erfordern neue Herangehensweisen. Ein fortschrittlicher Ansatz ist der Rückbau von Gebäuden, wenn er – wie in Apolda – dazu genutzt wird, Naturschutz, Siedlungsentwicklung und Gestaltung zu kombinieren. Die erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Flächen aus naturschutzfachlicher und gestalterischer Sicht ein größeres Aufwertungspotenzial geboten hätten: Durch ein Herstellen von Bereichen mit verschieden stark differenzierten Körnungen hätten beispielsweise unterschiedliche Standorteigenschaften bzw. Nischen für verschiedene Arten geschaffen und somit eine höhere Diversität auf der Fläche erreicht werden können. Auch bestünde die Möglichkeit, verschiedene Freiraumnutzungen auf der Fläche unterzubringen und durch gestalterische Setzungen voneinander abzuheben. Denkbar wären explizit ausgewiesene Spiel- und Erholungsflächen auf den an die Schotterbereiche angrenzenden, aus Sicht des Naturschutzes weniger wertvollen Wiesen und Rasen.

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Einige Gebäude der Siedlung wurden erhalten. Die Bewohner profitieren von den neuen Freiräumen.

Da die Geröllschicht sehr mächtig ist, verläuft die Sukzession durch trockenresistente Pflanzen von den Rändern ausgehend.

Die Schotterbereiche formen die ehemaligen Gebäudegrundrisse nach.

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Beispiele guter Praxis

Grünzug Bullengraben Berlin-Spandau Ein innerstädtischer Bewegungskorridor entlang eines verbauten Wasserlaufs wurde zu einer abwechslungsreichen Grünverbindung mit naturnahen und intensiv gestalteten Abschnitten.

Lage 15 km westlich der Innenstadt Flächengröße rund 21 ha (Länge: 3,7 km) Entstehungszeitraum 2004–2007

Naturschutzrelevanz

Bauherr/Träger DB Projektbau GmbH, Berlin

Lage im urbanen Raum

Planer/Büro Abschnitte 1 und 3: ag.u Lange – Landschaftsarchitektur und Umweltplanung mit Grigoleit Landschaftsarchitekten Abschnitt 2: Weidinger Landschaftsarchitekten Abschnitt 4: Häfner/Jiménez – Büro für Landschaftsarchitektur Abschnitt 5: Topotek 1 – Gesellschaft von Landschaftsarchitekten Abschnitt 6 (Abzweig): ARGE Planungsbüro Förster & Maigrün

Erschließung

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Gehölzstruktur

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Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Entlang des Bullengrabens im Berliner Stadtteil Spandau wurden Natur- und Erholungsflächen auf einer Gesamtlänge von etwa 3,7 Kilometern entwickelt. Die bauplanungsrechtlichen Grundlagen dafür wurden bereits in den 1960er Jahren geschaffen. Seitdem kaufte die Stadt vorausschauend frei werdende Grundstücke als Kompensationsflächen für den erwarteten Eingriff in Natur und Landschaft beim Ausbau der Schnellbahnstrecke Hannover – Berlin durch die Deutsche Bundesbahn (DB AG 2004). Da es sich um einen Flächentausch handelte, bei dem kein Ausgleich, sondern Ersatz für die in Anspruch genommenen Flächen geschaffen wurde (Pilhofer 2012, mdl.), konnte die Deutsche Bahn AG seit Anfang der 1990er Jahre die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen (Schütze 1996; Pilhofer 2012, mdl.). Das Projektmanagement lag in den Händen der DB ProjektBau GmbH; die Gesamtplanung in den Händen der Grün Berlin Park und Garten GmbH (DB AG 2004). Mit einer Gesamtinvestition von rund 7,5 Millionen Euro wurden die Flächen sowohl gestalterisch als auch ökologisch aufgewertet. Als grünes Band verknüpft der Grünzug Bullengraben seitdem den Stadtteil Spandau mit dem Stadtrand von Staaken und stellt damit eine wichtige freiraumstrukturelle Verbindung am Stadtrand Berlins dar (Fugmann & Jirku 2008: 42). Im Jahr 2009 wurde der Bullengraben mit dem Gustav-Meyer-Preis für außergewöhnliche Grünanlagen ausgezeichnet (Grün Berlin GmbH o. J.).

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Naturschutzfachliche Aspekte

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Der Bullengraben, eine ursprünglich eiszeitliche Rinne, die in die Havel mündet, dient schon seit über 40 Jahren zur Aufnahme des Regenwassers aus den angrenzenden Stadtquartieren Spandaus sowie zur Ableitung von Regenwasser bei Starkregenereignissen (DB AG 2004). Durch die naturnahe Umgestaltung ist ein Freiraum entstanden, der einer Vielzahl von Ansprüchen genügt. In Teilen des Grünzuges wurden Kleingartenparzellen aufgelöst und in extensiv bewirtschaftete Wiesen umgestaltet, die ein- bis maximal zweischürig gemäht werden; einzelne alte Obstbäume aus den ehemaligen Parzellen blieben dabei erhalten und bereichern den neu gestalteten Freiraumkorridor (Pilhofer 2012, mdl.). Darüber hinaus wurden Feuchtwiesen wiederhergestellt, Gewässer renaturiert sowie Spiel- und Erholungsflächen angelegt. Um einen behutsamen Zugang zu den Gewässern und den ökologisch wertvollen Bereichen zu ermöglichen, wurden in Teilen neue Brücken

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Beispiele guter Praxis

Obstbäume aus ehemaligen Kleingärten sind verblieben und wurden in die Gestaltung des Bewegungskorridors einbezogen.

und Stege angelegt (Grün Berlin GmbH o. J.). Die wünschenswerte Wegnahme der Betonsohle im Graben ist aus wasserwirtschaftlichen Gründen nicht möglich (ebd.). Der Bullengraben bleibt daher kanalisiert und wirkt wenig naturnah. Zudem hat sich der Zustand ökologisch wertvoller Bereiche, insbesondere der Gewässer, sehr verschlechtert, seitdem die Öffentlichkeit dort Zugang hat und immer wieder Müll hinterlässt (Pilhofer 2012, mdl.). Für die Zukunft ist der Kauf von weiteren Schlüsselgrundstücken anzustreben, um die im Bebauungsplan vorgesehene Durchgängigkeit des Grünzuges für Menschen, Tiere und Pflanzen herzustellen (ebd.).

Gestalterische Aspekte Der gesamte Grünzug ist in sechs Abschnitte unterteilt, die von fünf Landschaftsarchitekturbüros gestaltet und umgesetzt worden sind. Um ihm dennoch eine geschlossene charakteristische Prägung zu geben, wurde eine Basisgestalt festgelegt; hierzu zählen unter anderem gleich gestaltete Brückengeländer sowie die Verwendung eines einheitlichen Mobiliars (Fugmann & Jirku 2008: 42). Auch die 4 Meter breite Promenade, ein durchgängig asphaltierter Weg mit einseitiger Granitsteineinfassung, zieht sich als Aktionslinie einheitlich durch alle sechs Abschnitte hindurch. Große Wiesenflächen als prägendes Landschaftselement und die Integration der vorhandenen Baumbestände in die neuen Planungen (Häfner / Jiménez o.J.) verleihen der naturnahen Parkanlage als Ganzes ihren Niederungscharakter. Im Rahmen dieses Gesamtkonzepts entwickelten die Landschaftsarchitekten ihre Ideen und arbeiteten speziell die Übergänge vom Bullengraben in die angrenzenden Stadtquartiere entwerferisch heraus, um sie für die Besucher erlebbar zu machen (Fugmann & Jirku 2008: 43).

Zusammenfassende Darstellung Der Grünzug Bullengraben zeigt, dass trotz knapper räumlicher und finanzieller Ressourcen durch vorausschauende Planungen in Kombination mit der Kompensationsverpflichtung erfolgreich Freiraumprojekte umgesetzt werden können. Durch die naturnahe Umgestaltung der Flächen entlang des Bullengrabens ist eine durchgängige Grünverbindung zwischen mehreren Stadtteilen entstanden und der Naturhaushalt in der Bullengrabenniederung nachhaltig verbessert worden. Gleichzeitig wurde entwässerungstechnischen Aspekten Rechnung getragen. Dennoch wird auch deutlich, dass eine Öffnung für die Bevölkerung teils auch negative Folgen, wie in diesem Fall Vermüllung, mit sich bringen kann.

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Brücke über das technisch verbaute Bett des Bullengrabens zu den Kleingartenflächen.

Ein markanter Wegebelag dient als durchlaufendes Erkennungszeichen in allen Abschnitten.

Großflächige Feuchtwiesen im Westteil nehmen Regenwasser von angrenzenden Siedlungsflächen auf.

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Beispiele guter Praxis

Landschaftspark Rudow-Altglienicke Berlin-Neukölln/Berlin-Treptow Ein Parkkorridor entlang des ehemaligen Mauerstreifens verknüpft über eine Autobahn hinweg sowohl Stadtteile als auch Naturräume.

Lage 17 km südöstlich des Stadtzentrums Flächengröße 64 ha Entstehungszeitraum 2005 – 2009 Bauherr/Träger Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Planer/Büro ag.u Lange – Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, Berlin; Büro Grigoleit – Büro für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, Berlin Kompensationscharakter Ausgleich

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Entlang des ehemaligen Grenzstreifens zwischen den Berliner Ortsteilen Rudow und Altglienicke ist eine weitläufige Weide- und Wiesenlandschaft entstanden (Büro Grigoleit 2008). Der Landschaftspark ist als Ausgleich für den Bau der Bundesautobahn A 113 und die damit verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft entwickelt worden (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin 2009). Um die Ortsteile zu verbinden, wurde die Autobahn in einem Trog gebaut. Zudem wurden zwei 300 bzw. 900 Meter lange Tunnel mit einer hohen Erdschicht bedeckt (Krause 2010: 24) und diese intensiv begrünt, sodass der Park über die Autobahn hinweggeführt werden konnte (ebd.; Büro Grigoleit 2008).

Naturschutzfachliche Aspekte Lage im urbanen Raum

Das einstige Brachland entlang des ehemaligen Mauerstreifens hat durch diverse Maßnahmen eine ökologische Aufwertung erfahren. Alte Pfuhle wie beispielsweise­ der Massantepfuhl wurden freigelegt und zusätzlich weitere Kleingewässer und Feuchtbiotope geschaffen (Koll-Hortien & Thierfelder 2012, mdl.). Die renaturierten Kleingewässer und Feuchtwiesen sowie die Bereiche um die freigelegten Pfuhle bleiben der natürlichen Entwicklung vorbehalten und sind nicht für die Erholungsnutzung freigegeben (Krause 2010: 24). Um ein Betreten dieser Flächen zu verhindern, ist der Bereich durch einen Koppelzaun aus Holz abgeschirmt, der sich visuell gut in die umgebende Landschaft einpasst. 2.500 neu gepflanzte Bäume komplettieren das Bild einer großflächigen Parkanlage (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin 2009).

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Beispiele guter Praxis

Gestalterische Aspekte Im nördlichen Bereich Richtung Tempelhof hat der Park eine der Autobahntrasse entsprechende, lang gezogene Form, die sich nach Süden aufweitet. Durch die Absenkung der Autobahn und ihre teilweise Deckelung wurde eine großflächige und weitestgehend unzerschnittene Parklandschaft geschaffen (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin 2009). Der Park ist durch ein differenziertes Wegesystem erschlossen, das von einem 2,1 Kilometer langen und 4,5 Meter breiten Asphaltweg entlang des ehemaligen Mauerstreifens dominiert wird. Dieser Weg ist gleichzeitig Bestandteil des Berliner Mauerweges (ebd.). Komplettiert wird das Netz durch untergeordnete Parallel- und Rundwege jeweils im nördlichen und südlichen Abschnitt. Die Übergänge zu den angrenzenden Quartieren, insbesondere die Eingangsbereiche als „Auftakt“ zum Park, sind intensiv gestaltet und puffern den Nutzungsdruck auf die naturnahen Bereiche ab (Büro Grigoleit 2008). Die Gestaltsprache ist hier klar und schlicht: geometrische Grundrisse und Topografien. Baumreihen und Haine im Raster unterstützen dieses Erscheinungsbild. In diesen Bereichen werden Gabionenwände und Betonquader eingesetzt und mit den technischen Betriebshäusern, den Ein- und Austrittsbauwerken der Tunnel und den Lärmschutzwänden kombiniert. Für das auf der Autobahn anfallende Niederschlagswasser gibt es Retentions- und Sickerflächen im Park. Im Süden ist der Park durch die landwirtschaftlich genutzten Flächen geprägt, die bereits vorhanden waren und in die Planungen integriert wurden (Büro Grigoleit 2008). Die ausgedehnten Wiesen bieten ein Bild von überraschender Weite im sonst dichten urbanen Umfeld. Die Dominanz von Pferde- und Rinderweiden zusammen mit den eingebetteten Streuobstwiesen, Hecken, Gräben und Pfuhle deuten auch den Übergang zur südlich angrenzenden brandenburgischen Feldmark an (KollHortien & Thierfelder 2012, mdl.). Dennoch bleibt stets präsent, dass der Park in einem stark urbanen Umfeld liegt – einerseits durch den Lärm der Autobahn, den auch umfangreiche Schallschutzmaßnahmen nicht verhindern, andererseits durch die Kulisse der Großbauten in Altglienicke im Süden. Im Jahr 2010 wurde das Projekt im bundesweiten Wettbewerb „Straße und Umwelt“ von der Bundesvereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure mit einem Preis ausgezeichnet.

Zusammenfassende Darstellung Im Landschaftspark Rudow-Altglienicke werden sowohl landschaftsplanerische und ästhetische als auch Naherholungsaspekte berücksichtigt. Die Verwendung von Elementen der Kulturlandschaft als „klassische“ Naturschutzmaßnahmen und ihre Kombination in einer zeitgemäßen Parkgestaltung zeigen einen Lösungsansatz, wie der oftmals diffusen, romantisch verklärten Sehnsucht nach heiler Natur auch bei technischen Bauvorhaben Rechnung getragen werden kann. Es sind diese Gegensätze, die den Park auszeichnen und besonders abwechslungsreiche Abschnitte für die Nutzer schaffen. Entstanden ist eine extensive landwirtschaftliche Insel in der Stadt, die trotz aller technischen Zwänge und Begrenzungen einen gut gestalteten und ökologisch wertvollen Naherholungsraum bietet.

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Die Wegeführung des überregional bedeutenden Mauerradweges im Park führt entlang der Autobahn.

Die Hangbereiche zum Autobahndeckel wurden mit Gabionen und geometrischen Baumrastern architektonisch gestaltet.

Ein wiederhergestellter Pfuhl inmitten beweideter Grünlandflächen des zentralen Parkbereiches bildet eine wertvolle Naturschutzfläche.

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Beispiele guter Praxis

Park am Gleisdreieck Berlin-Kreuzberg Durch die gestalterische Verknüpfung von vorhandener und inszenierter Stadtnatur sowie neu eingefügte „Nutzungsinseln“ ist ein kontrastreicher und hochfrequentierter Quartierspark entstanden.

Lage 6 km südlich des Stadtzentrums Flächengröße 9 ha (Ostteil) Entstehungszeitraum 2008–2013 Bauherr/Träger Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Planer/Büro Atelier Loidl – Landschaftsarchitekten und Stadtplaner, Berlin Kompensationscharakter Sammelausgleich für Neubebauung des Potsdamer Platzes

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Der Park am Gleisdreieck in Berlin-Kreuzberg ist auf den Flächen des ehemaligen Anhalter und Potsdamer Güterbahnhofes angelegt worden. Nach jahrzehntelangem Brachliegen hat sich dort eine vielfältige Sukzessionsvegetation eingestellt, die in Teilen in das neue Parkkonzept übernommen wurde. Durch eine Fernbahntrasse der Deutschen Bahn wird der Park in einen Ost- und einen Westteil gegliedert. Der 17 Hektar große Ostteil wurde Ende 2011 eröffnet, der kleinere Westteil Ende Mai 2013 (Grün Berlin GmbH 2013). Die folgende Beschreibung bezieht sich nur auf den Ostteil. Durch die unmittelbare räumliche Nähe zu den Kreuzberger Wohngebieten mit außerordentlich hoher Bevölkerungsdichte unterliegt der Park einem beträchtlichen Nutzungsdruck und vielfältigen Anforderungen an die Freiraumqualitäten. Der gesamte Planungsprozess wurde durch umfangreiche Bürgerbeteiligungsverfahren begleitet und unterstützt. Neben einem Planungsforum gründete sich eine projektbegleitende Arbeitsgruppe, der auch gewählte Bürgervertreter angehören (ebd.). Die gesamte Parkanlage mit einem Bauvolumen von rund 24 Millionen Euro ist als Sammelausgleich für diverse Eingriffe im Zusammenhang mit der Neubebauung des Potsdamer Platzes zu sehen (NABU Berlin 2009). Lage im urbanen Raum

Naturschutzfachliche Aspekte Die naturschutzfachliche Wertigkeit des Parks am Gleisdreieck ergibt sich aus vorhandenen Trockenrasenbereichen und Sukzessions-Vorwäldern, die als schutzwürdig eingestuft wurden. Diese Ruderalhabitate bilden sowohl aus Sicht des Naturschutzes als auch unter gestalterischen Aspekten einen starken Kontrast zu der dicht bebauten Umgebung des Parks. In Anlehnung an die vorgefundene Situation wurden im ehemaligen Gleisbereich einige Offenboden- und Geröllstandorte als ökologische Sukzessionsflächen künstlich geschaffen, die als „urbane Versuchslabore“ die spontane Ansiedlung und Entwicklung von Pflanzen demonstrieren (Grün

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Beispiele guter Praxis

Berlin GmbH 2013). Weiterhin wertvoll ist das über 50 Jahre lang ungestört gewachsene Wäldchen, das von jeglichen Nutzungen freigehalten wird. Im Inneren dieses Bereiches befinden sich Trockenrasen, in denen regelmäßig verschiedene bodenbrütende Vogelarten nisten (Grün Berlin GmbH o.J.). Um die Wertigkeit der Flächen zu betonen, werben Hinweisschilder für einen behutsamen und rücksichtsvollen Umgang mit der Natur, und an sensiblen Stellen hindern zusätzlich Zäune an deren Betreten.

Gestalterische Aspekte Den im Jahr 2006 ausgelobten landschaftsarchitektonischen Wettbewerb für das Areal gewann Atelier Loidl, das 2007 mit der Planung des Parks begann (Holtkamp & Roskamm 2007: 15). Im Zentrum befindet sich eine weitläufige Rasenfläche, durch die eine enorme Weite inmitten des verdichteten Großstadtraumes erlebbar wird. Erschlossen von einem hierarchischen Wegesystem wird sie von diversen kontrastierenden Einzelbereichen eingefasst. Hier gibt es viel Raum für Bewegung, Sport und Spiel, Begegnung und Erholung. Das Ziel dieser Gestaltung ist es, den Besuchern möglichst viele verschiedene und differenzierte Aufenthalts- und Nutzungsmöglichkeiten zu bieten und gleichzeitig dem Wunsch nach Ruhe, Entspannung und Naturgenuss zu entsprechen (Grün Berlin GmbH o.J.). Einzelne Relikte aus Zeiten der Bahnnutzung sowie Teile der entstandenen Stadtnatur wurden erhalten, in die Anlage integriert und in Szene gesetzt, um den über mehrere Jahre entstandenen Charakter der Fläche zu unterstützen. Durch Anregungen aus den Bürgerbeteiligungen ist zudem nach 2009 ein eigener Naturerfahrungsraum im Park entstanden, in dem vor allem Kinder spielerisch die Möglichkeit haben, Natur aktiv zu erleben (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt o.J.).

Zusammenfassende Darstellung Der Park am Gleisdreieck versucht, durch eine dichte und vielfältige Ausgestaltung den unterschiedlichsten Nutzungsansprüchen gerecht zu werden. Das Gegenüber von weiten Flächen und kleinteiligen Strukturen verleiht dem Park eine kontrastund spannungsreiche Atmosphäre. Neben der Gestaltung ist auch der Planungsprozess hervorzuheben, in den die Bürger aktiv eingebunden waren und sich in großem Umfang beteiligten. Kritisch kann angemerkt werden, dass im Zuge der Baumaßnahmen großflächig Vegetation und vorhandene Bodenbeläge abgeräumt sowie historische Spuren zerstört wurden (NABU Berlin 2009). Überdies mussten Bereiche mit Spontanvegetation sowie Teile der Gehölzbestände den neu angelegten und intensiv gepflegten Grünflächen weichen (Hansen et al. 2012: 61; NABU Berlin 2009).

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Neu angelegte Schotterbiotope bieten Flächen für Pioniervegetation als Ersatz für verloren gegangene Bahnbiotope.

Der Erschließungsweg am Rand des Wäldchens gibt dem Besucher Einblicke in die für den Arten- und Biotopschutz wertvollen Bereiche.

Die zentrale Terrasse und die Liegewiese sind intensiv genutzte­Teile des Parks.

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Beispiele guter Praxis

Park am Nordbahnhof Berlin-Mitte In einem innerstädtischen Park werden historische Spuren und Spontannatur integriert und spannungsreich in Szene gesetzt.

Lage 2 km nördlich des Zentrums Flächengröße 5,5 ha Entstehungszeitraum 2001–2009 Bauherr/Träger Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Planer/Büro Fugmann Janotta – Büro für Landschaftsarchitektur, Berlin Kompensationscharakter Sammelausgleich

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Der Park am Nordbahnhof liegt 3 Meter über dem Straßenniveau in einer sehr zentralen umbauten Lage im Stadtteil Berlin-Mitte. Auf dem ehemaligen, mehrfach umgenutzten Bahngelände verlief bis 1989 die Berliner Mauer. Mit dem Beschluss, diesen Park aus Kompensationsmitteln zu finanzieren, wurden alte Planungen wieder aufgegriffen und das Büro Fugmann Janotta mit der Neuplanung für den innerstädtischen Erholungsraum am Nordbahnhof beauftragt (Fugmann 2012, mdl.). Bauherr war die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, vertreten durch die Grün Berlin GmbH und das Bezirksamt Berlin-Mitte (Kröger 2009: 29). Mit einem Bauvolumen von insgesamt rund 2 Millionen Euro ist in acht Jahren ein Ort zum Verweilen und Spielen entstanden, der gleichzeitig der städtischen Natur Entwicklungsräume lässt (Bezirksamt Berlin-Mitte 2009). Im Jahr 2011 wurde der Park mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis ausgezeichnet.

Naturschutzfachliche Aspekte Lage im urbanen Raum

Der Park am Nordbahnhof wurde nahezu vollständig aus Kompensationsmitteln der naturschutzfachlichen Eingriffsregelung finanziert. Die Mittel stammen aus insgesamt 15 sehr unterschiedlichen zu kompensierenden Bauvorhaben, wobei die Deutsche Bahn einen Anteil von rund 65 Prozent trug und die restlichen Verpflichtungen aus Vorhaben des Landes Berlin sowie anderer Investoren kamen (Bezirksamt Berlin-Mitte 2009). Die vorgefundene Brache wurde als Gestaltungselement aufgenommen und fortgeführt: Neben Wiesenflächen, Hochstaudenfluren sowie Birkensäumen wurden Trockenrasen entwickelt, die durch extensive Pflegemaßnahmen dauerhaft erhalten werden (Kröger 2010: 30). Vorgefundene Kantensteine wurden gestapelt und bieten nun Hohlräume und Unterschlupfmöglichkeiten für diverse Kleintiere (ebd.: 28).

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Beispiele guter Praxis

Gestalterische Aspekte Dem Park am Nordbahnhof liegt eine eindeutige Gestaltsprache zugrunde, mit der in erster Linie die Geschichte des Ortes erzählt werden soll. Neben Überresten der alten Bahnanlagen sind Fragmente des ehemaligen Mauerstreifens zu finden,­ die auch für die Zukunft als geschichtliches Denkmal erhalten bleiben sollen (Bezirksamt Berlin-Mitte 2009). Diese Form des Materialrecyclings und gleichzeitigen „Geschichtsrecyclings“ in Kombination mit Stadtnatur ist insbesondere beim ersten Besuch des Parks überraschend und macht seinen besonderen Reiz aus (Kröger 2010: 28). Durch die sich rasch entwickelnde Vegetation erhält der Park einen Brachencharakter, der durch die Einbindung ehemaliger Gleisanlagen zusätzlich betont wird. Neben Raumkanten aus Birkenhainen ziehen sich extensive Wiesenflächen mit Einzelgehölzen längs durch den Park (ebd.), Blickbeziehungen werden hergestellt und die Wertigkeit der zentralen Wiesenbereiche durch das Einfrieden mit einem hüfthohen, relingartigen Handlauf aus verzinktem Stahl hervorgehoben (Fugmann 2012, mdl.). Die Materialien, die seit Jahren auf dem Gelände lagern, wurden bewusst inszeniert: Alte Bordsteinkanten aus Stein wurden zu eckigen Skulpturen gestapelt, ehemalige Beläge und Pflasterungen aufgebrochen und die daraus entstandenen Schollen im Gelände ausgelegt. Auch Abschnitte der ehemaligen Gleise und der einst benötigte Gleisschotter wurden am Ort belassen und in die Gestaltung einbezogen. Hervorgehoben in der Mitte des Parks liegen Inseln, die der aktiven Erholung dienen. Sie setzen sich in Farbe, Form und Material von der extensiv-wilden Natur ab. Die Erschließung des Parks erfolgt über eine Hierarchie von Wegen; neben breiteren Wegen, die parallel zur äußeren Parkeinfriedung verlaufen, existieren verschiedene schmalere Wege, die miteinander verbunden sind und dadurch diverse Rundkurse auf dem Areal anbieten. Das plateauartig erhöhte Gelände ist nur über wenige Zugänge zu erreichen, die deutlich und markant als Eingangsportale inszeniert sind und so die Wertigkeit der Fläche betonen.

Zusammenfassende Darstellung Der Park am Nordbahnhof repräsentiert einen innerstädtischen Park, der einem hohen Nutzungsdruck unterliegt und vielfältigen Ansprüchen genügen muss. Strenger Arten- und Biotopschutz ist aufgrund der hohen Frequentierung nicht umzusetzen, aber als „Botschafter der Stadtnatur“ kann der Park ein Bewusstsein für die wertvolle Natur innerhalb der Stadt schaffen und die Bevölkerung für die Interessen des Naturschutzes sensibilisieren. Durch das Einfassen der Wiesenbereiche mit einer Reling wird den Besuchern beispielsweise die Wertigkeit der Flächen verdeutlicht. Zwar wurden keine ökologisch wertvollen Bereiche neu geschaffen, aber die vorhandenen Brachflächen erhalten, weiterentwickelt und in die Gestaltung einbezogen. Darüber hinaus kommt der Anlage als Baustein für den zukünftigen Freiraumverbund zwischen Humboldthain, Mauerpark und der Mauergedenkstätte eine große Bedeutung zu.

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Ein Rundweg fasst die artenreichen extensiven Wiesen und Ruderalstaudenfluren ein.

Wiederverwendete Materialien früherer Bebauung erinnern an verschiedenen Stellen im Park an dessen lebhafte Geschichte.

Die umlaufende Reling ist ein markantes Element im Park und verdeutlicht den Naturschutzwert der eingefassten Ruderalund Wiesenflächen.

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Beispiele guter Praxis

Schöneberger Südgelände Berlin-Schöneberg Bürgerengagement sichert eine ehemalige Bahnanlage mit Sukzessionswald und Magerrasen, deren Bedeutung als Freiraum durch gestaltete Bereiche und Kunstinterventionen gesteigert wird.

Lage 7 km südlich des Zentrums Flächengröße 18 ha Entstehungszeitraum 1980–2000 Bauherr/Träger Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin Planer/Büro Parkkonzept: Grün Berlin GmbH in Zusammenarbeit mit planland/ÖkoCon und Künstlergruppe Odious Kompensationscharakter Ausgleich

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Das Schöneberger Südgelände liegt am südlichen Rand der Berliner Innenstadt und war Teil des ehemaligen Rangierbahnhofs Tempelhof. Mit der Einstellung des Personenverkehrs auf der Strecke in den 1960er Jahren geriet das Gelände rund 30 Jahre lang in Vergessenheit, bis 1980 dort ein neuer Güter- und Rangierbahnhof geplant wurde (Weilacher 2005: 64; Kowarik et al. 2004: 24). Wegen des hohen Wertes, der den Flächen aus Sicht des Naturschutzes beigemessen wird, gingen Bürger mit einer neu gegründeten Initiative erfolgreich gegen die bevorstehende Rodung und die weitere Planung vor (Letzner 2012, mdl.). In der Folgezeit wurden Gutachten erstellt, die den ökologischen Wert des Areals bestätigten. Nach der deutschen Wiedervereinigung hatten die Ausbaupläne keine Relevanz mehr und wurden aufgegeben. Seit 1995 ist das Schöneberger Südgelände über einen Flächentausch aus dem Besitz der Deutschen Reichsbahn (ehemals DDR) an die Stadt Berlin übergegangen und als Ausgleichsfläche für Bahn-Bauarbeiten am Potsdamer Platz/Hauptbahnhof angerechnet worden. Teile der Fläche wurden im Jahr 1999 als Naturschutz- bzw. Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und sind seither auf diese Weise dauerhaft gesichert (Langer 2002: 18).

Naturschutzfachliche Aspekte

Lage im urbanen Raum

Bereits vor der Unterschutzstellung existierten auf dem Schöneberger Südgelände Sukzessionswälder, verschiedene Trockenbiotope sowie Bereiche mit Ruderalvegetation. Daraus hat sich ein vielfältiger Park mit geschlossenem Wald, Offenland und Hainen entwickelt (Langer 2002: 18). Nach der Übergabe der Fläche an die Stadt Berlin wurde eine Arbeitsgemeinschaft von Landschaftsplanern mit der Ausarbeitung eines Naturpark-Konzeptes beauftragt, um die wertvollen Biotope zu erhalten und weiterzuentwickeln (Weilacher 2005: 64). Im Mittelpunkt dieses Konzeptes stehen bis heute das Zulassen von Wildnis, das Bewahren kultureller Spuren und das Erschließen für die Öffentlichkeit bei gleichzeitiger Sicherung der bisher unbeeinflussten Lebensgemeinschaften und Naturprozesse (Kowarik et al. 2004: 25). Für die Ausweisung als Schutzgebiet wurden gezielte Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen festgelegt, welche die Eigendynamik der Pflanzen zum Teil abgelöst haben (Langer 2002: 18). Die dauerhafte Pflege und Unterhaltung der Parkflächen liegt bei der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und wird von der Grün Berlin Park und Garten GmbH ausgeführt, der Servicegesellschaft des Landes Berlin für

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Beispiele guter Praxis

Aufgaben der Freiraumentwicklung. Auf den Lichtungen werden zum Beispiel wuchsstarke, ausschlagfähige Gehölzarten wie die Robinie entnommen und damit zurückgedrängt. Die bereits geschlossenen Waldbereiche werden im Prozessschutz weiterhin der Sukzession überlassen (ebd.: 19). Ein blütenreicher Trockenrasen im Kern des Areals wurde als wertvollste Fläche zum Naturschutzgebiet erklärt. Um diese mageren Bereiche dauerhaft zu sichern, werden sie temporär mit Schafen beweidet (Letzner 2012, mdl.). Dadurch werden eingetragene Nährstoffe entzogen und die für Trockenrasen notwendigen mageren Substrate aufrechterhalten (Langer 2002: 18f). Auf ein ständiges Kurzhalten der Vegetation wird verzichtet, da kurzrasige Bereiche zum Betreten und Spielen einladen, was jedoch wegen der schützenswerten Arten nicht erwünscht ist (ebd.: 19). Die Technische Universität Berlin führt auf der Fläche beobachtende Vegetationsstudien durch, um gegebenenfalls die Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen anpassen zu können (Letzner 2012, mdl.). Bislang wurden auf dem Südgelände 360 Farn- und Blütenpflanzen sowie eine Vielzahl zum Teil seltener Insekten- und Vogelarten gezählt (Letzner 2012, mdl.; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2010). Verbände, Bürgergruppen und Privatpersonen bieten thematische Führungen sowohl zum Naturreichtum als auch zu den kulturellen Spuren im Park an.

Gestalterische Aspekte Das lang gestreckte ehemalige Bahngelände mit seinen hohen Bahndämmen, den Hängen und den ehemaligen Rangierflächen bietet eine abwechslungsreiche Topografie und weist als Folge der natürlichen Sukzession inzwischen einen Bestand an teils hohen Gehölzen auf. Für den Besuch des Naturparks ist am Eingang ein symbolisches Ticket für einen Euro zu lösen. Das Areal wird entlang der Bahndämme über Rundwege von unterschiedlicher Länge erschlossen. Besonders markant ist ein Steg aus Stahl, den die Künstlergruppe Odious entworfen und gefertigt hat. Er überspannt die zentralen Flächen über Hunderte von Metern und ermöglicht den Besuchern einen Überblick über die Parklandschaft. Zugleich stellt der Steg die nötige Distanz zu den schützenswerten Bereichen her (Kowarik et al. 2004: 26). Die Künstlergruppe arbeitet in einer ehemaligen Rangierhalle auf dem Gelände und fertigte unter anderem auch die Stahlskulpturen an, die im gesamten Park verteilt stehen. Einige von ihnen können als Aussichtspunkte bestiegen werden und gestatten den Besuchern ungewöhnliche Aus- und Überblicke. Die eingestreuten Stahlobjekte werten das Gelände ästhetisch auf und bilden zusammen mit den an ihrem alten Ort verbliebenen Gleisen ein harmonisches Gesamtbild. Der empfindlichen Vegetation blieb eine Störung durch eine Entnahme der Gleise erspart. Einen weiteren Blickfang bildet die Mauer eines alten Hochgleises, die von Graffitikünstlern frei gestaltet wird.

Zusammenfassende Darstellung Das Schöneberger Südgelände überzeugt durch seinen verwunschenen Charakter inmitten der Großstadt, der im Zusammenspiel von Naturfülle und den integrierten Bahnrelikten entstand und durch die stählernen Kunstobjekte unterstrichen wird. Bemerkenswert ist die Entstehungsgeschichte des Südgeländes, die im Wesentlichen auf dem Engagement von Bürgern beruht, denen schon früh der ökologische Wert der Flächen bewusst war. Die Bürgerinitiative ist ein gutes Beispiel für die Verstetigung eines herausragenden bürgerschaftlichen Engagements, von dem in erster Linie der Naturschutz profitiert hat. Die Einbindung der Künstlergruppe in die Parkgestaltung brachte zudem Synergieeffekte sowohl für die Parkästhetik als auch für die Künstlergruppe, die so eine öffentliche Plattform für ihre Objekte gefunden hat. Im Naturpark Schöneberger Südgelände werden geschichtliche und ästhetische Aspekte bei einer Priorität des Naturschutzes sinnvoll miteinander kombiniert.

155

Die direkte Nähe zur Bahntrasse zeichnet das Gelände aus. Es ist von allen Seiten durch Schienen eingefasst.

Der markante Steg erschließt behutsam das Naturschutzgebiet mit Trockenrasen, Ruderalwald und Wildrosengebüschen.

Der Trockenrasen am Waldrand lässt sich von einer stählernen Plattform aus überblicken und näher studieren.

156

Beispiele guter Praxis

Wartenberger Feldmark Berlin-Lichtenberg Dieser weitläufige landwirtschaftlich geprägte Erholungsraum am Stadtrand zeichnet sich durch moderne Setzungen von Kulturlandschaftselementen aus.

Lage 12 km nordöstlich des Stadtzentrums Flächengröße 210 ha Entstehungszeitraum seit 2003 Bauherr/Träger Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin Planer/Büro plancontext gmbH landschaftsarchitektur, Berlin Kompensationscharakter Ausgleich

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Die Wartenberger Feldmark bildet den landschaftlichen Auftakt zum Grundmoränenplateau des Naturparks Barnim und ist im Landschaftsprogramm Berlin dem kulturlandschaftlich geprägten Raum zugeordnet. Im Kontrast zur dicht bebauten „harten“ Siedlungskante Berlins dominieren im Berlin-Brandenburger Barnim weite landwirtschaftlich geprägte Landschaften (Bezirksamt Lichtenberg 2011: 8). In die nördlich der Großsiedlung Hohenschönhausen zwischen den Dörfern Wartenberg, Malchow und Lindenberg gelegene Wartenberger Feldmark wurden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gelenkt, die aus dem Streckenausbau der Deutschen Bahn AG (Bundesbauprogramm) im nördlichen Abschnitt des Berliner Innenrings rühren. Hinzu kamen weitere Kompensationserfordernisse aus verschiedenen Bebauungsplänen (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin 2004; Nabrowsky 2012, mdl.). Im Jahr 2000 wurde nach zuvor entschiedenen Wettbewerben zu den angrenzenden Neuen Wiesen und dem Gut Falkenberg ein landschaftsplanerischer Wettbewerb zur Neugestaltung der Wartenberger Feldmark ausgelobt, aus dessen Verfahren das Büro Plancontext als Sieger hervorging (Schröder 2001: 9). Dessen Entwurf verbindet partielle Laubwaldaufforstungen mit landwirtschaftlich genutzten Flächen und der Naturentwicklung in feuchteren Bereichen (Schröder 2001: 10f). Die gesamte Feldmark wird von markanten Wege- und Struktursetzungen durchzogen und auf diese Weise gegliedert. Dauerhaft gepflegt und unterhalten wird die Wartenberger Feldmark durch die Verpachtung an landwirtschaftliche Betriebe.

Naturschutzfachliche Aspekte Lage im urbanen Raum

Gemäß dem Landschaftsprogramm Berlin (1994, 2004 ergänzt) gehören die Wartenberger Feldmark und die angrenzenden Flächen „zu den prioritären Räumen hinsichtlich des Biotop- und Artenschutzes“ (Bezirksamt Lichtenberg 2011: 8). Das im Landschaftsprogramm festgelegte Ziel ist neben der Sicherung der bestehenden Naturschutzgebiete die Ausweisung eines großflächigen Landschaftsschutzgebietes für den Landschaftsraum Nordost mit der Feldlandschaft um Malchow, Wartenberg, Falkenberg und den Malchower See. Die Flächen sollen sich zum Reservoir und Verbindungsbiotop für Arten feuchter und nasser Standorte, für Arten landwirtschaftlicher Nutzflächen und für Arten der Wälder entwickeln bzw. als solche geschützt werden (ebd.). Neben den ursprünglich monostrukturierten Ackerflächen existierten bereits vor der Umgestaltung Reste von zum Teil geschützten Feuchtbiotopen, die

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Beispiele guter Praxis

erhalten und ausgeweitet wurden (Nabrowsky 2012, mdl.). Dazu gehört zum Beispiel der Hechtgraben, der auf rund 3 Kilometern Länge parallel zur Siedlungskante in einen naturnahen Zustand versetzt wurde. Weitere ehemalige Graben- und Kleingewässersysteme mit den dazugehörigen Randzonen wurden naturnah wiederhergestellt und bilden einen Teil des Biotopverbunds (ebd.). Die so entstandene abwechslungsreiche Landschaft umfasst etwa 50 Hektar, bestehend aus Laubmischwald, Streuobstwiesen, Hecken, Wiesen, Weiden, Gräben und Feuchtgebieten. Verbliebene Ackerflächen werden im ökologischen Landbau bewirtschaftet und die Wiesenflächen mit schottischen Hochland- und Heckrindern extensiv beweidet (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin 2004; Nabrowsky 2012, mdl.). Insbesondere die Verbindung von kleinräumigen Strukturen und weiträumigem Offenland ist für den Artenschutz von besonders hohem Wert. So „liegt nach faunistischen Erhebungen der Anteil schützenswerter Arten am Artenbestand der Wartenberger Feldmark bei 22 Prozent, davon gehören fast 12 Prozent zur Roten Liste Berlins. Gerade Offenlandarten finden im Gebiet mit Feuchtarealen, Röhrichtbeständen, Gehölzen und Hochstaudenfluren geeignete Lebensräume“ (Bezirksamt Lichtenberg von Berlin 2011: 39f). Außerdem wird die gesamte Wartenberger Feldmark von zahlreichen Vogelarten, die auf der Berliner Roten Liste stehen, als Brutrevier genutzt. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Brutnachweis des vom Aussterben bedrohten Kiebitzes und des Rebhuhns, die beide hohe Revieransprüche haben, zu nennen (ebd.: 40).

Gestalterische Aspekte Am Übergang von der Bebauungskante zur Wartenberger Feldmark befindet sich ein Parkband, das verschiedene Nutzungen aufnimmt. Spiel- und Aktivitätsinseln sowie eine intensivere Gestaltung als in den weitläufigen landwirtschaftlichen Parkbereichen kennzeichnen diesen Abschnitt (Nabrowsky 2012, mdl.). Darin eingebettet liegt auch der naturnah renaturierte Hechtgraben. Wege aus den angrenzenden Siedlungen führen über aufwendig gestaltete Auftaktbereiche direkt in den Park, befestige Rundwege für Fußgänger, Radfahrer und Skater erschließen das weitläufige Gebiet. Eine Orientierung bieten die durchgängige Gestaltung und einheitlich verwendete Materialien. Das Landschaftsbild ist auch nach der Umgestaltung geprägt durch die offenen landwirtschaftlichen Flächen. Der Wettbewerbsentwurf betont jedoch die harte Kante der extrem verdichteten Großsiedlung Wartenberg und setzt ihr eine durch markante Hecken- und Waldstrukturen räumlich reich strukturierte, aber zugleich weite Landschaft entgegen, in der sich verschiedenste Ausblicke und Panoramen bieten. Erst durch die Zerklüftung und Differenzierung der ehemals ausgeräumten Agrarlandschaft entstehen Räume, in denen sich der Mensch wohlfühlen kann und in denen vielfältige Nutzungen zugelassen sind (Plancontext GmbH o.J.). Beispiele dafür sind Kontaktzonen wie am Hechtgraben oder an den Viehweiden, wo die Erholungsnutzung auf Natur trifft, punktuelle Elemente wie Tierbeobachtungskanzeln, Hinweisschilder und naturnahe Spielflächen, die Aufmerksamkeit erzeugen und über ihre Gestaltung eine Sensibilisierung für Naturthemen fördern.

Zusammenfassende Darstellung Besonders hervorzuheben ist die gelungene Verbindung zwischen Naturschutz und vielseitig nutzbaren Freiräumen inmitten einer zeitgemäßen landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft. Überdies sind die Großmaßstäblichkeit und der Bezug zur Regionalentwicklung des Barnim markante und beispielhafte Aspekte des Projektes. Die Kombination von Landwirtschaft, Naturschutz und Freiraumnutzung birgt Konflikte, aber auch große Potenziale in der nachhaltigen Landschaftsentwicklung. Im Fall der Wartenberger Feldmark konnten mithilfe einer auf multifunktionale Landnutzung ausgerichteten Herangehens- und Denkweise Lebensräume von anspruchsvollen Arten mit größeren Revieren im urbanen Umfeld erhalten und weiterentwickelt werden.

159

Für den Naturschutz wertvolle Elemente wie alte Baumreihen, Säume und Gräben und ein charakteristischer Oberflächenbelag zeichnen das Wegenetz aus.

Lockere Aufforstungen mit standortgerechten Gehölzen in der Feldmark erhöhen die Strukturund Artenvielfalt. Auch wirken sie wind- und erosionshemmend.

Die markante Weite am Stadtrand ist für den Besucher trotz der neu hinzugefügten Landschaftsstrukturen immer noch erfahrbar.

160

Beispiele guter Praxis

Park links der Weser Bremen-Huchting Ein naturnaher Landschaftspark mit vielen Aspekten traditioneller Kulturlandschaft vereint Erholung und Naturschutz miteinander – getragen durch bürgerschaftliches Engagement.

Lage 9 km südwestlich des Stadtzentrums Flächengröße ca. 400 ha Entstehungszeitraum seit 1976 Bauherr/Träger Stadt Bremen Planer/Büro Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Bremen Kompensationscharakter Ausgleich und Ersatz

Lage im urbanen Raum

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Mitte der 1970er Jahre liefen Planungen, die Autobahn 3 durch die landschaftlich reizvollen und aus naturschutzfachlicher Sicht sensiblen Niederungen zwischen den Bremer Ortsteilen Huchting und Grolland hindurchzuführen. Daraufhin setzte sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt der Niederungen ein und konnte den Bau der Autobahn verhindern (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Aus dieser Initiative gründete sich der Parkverein, der sich bis heute für die Entwicklung und Pflege der damals umstrittenen Freiräume engagiert. Der Großteil des dadurch entstandenen heute rund 400 Hektar großen Parks links der Weser sind landwirtschaftliche Flächen, die durch Pächter extensiv bewirtschaftet werden. Zusätzliche Pflegemaßnahmen werden unter anderem durch die Mitglieder des Parkvereins durchgeführt. Diese gestalten und entwickeln den Park für Erholung und Naturschutz kontinuierlich weiter, bis heute werden diverse Einzelprojekte umgesetzt (Amt für Straßen und Verkehr Bremen 2008). Das Gesamtareal wird heute durch eine Straßenbahntrasse sowie die Bundesstraße 75 in einen Nord- und einen Südteil geteilt. Mittlerweile wurde zudem im Rahmen der Erweiterung des Bremer Flughafens die Ochtum, die das Rollfeld im Süden und Südwesten begrenzte, nach Westen in die Niederung zwischen Huchting und Grolland verlegt (Riesner-Kabus 1997: 143). Im Zuge der Verlängerung von Startund Landebahn wurde die Ochtum dort auf einer Länge von ca. 850 Metern verfüllt und zusätzliche Flächen versiegelt (ebd.: 146). Der neu entstandene Flusslauf führt nun westlich am erweiterten Flughafengelände vorbei (Bernhardt et al. 2003: 120f).

Naturschutzfachliche Aspekte Der Park links der Weser verbindet innerstädtisch die etwa 375 Hektar großen Naturschutzgebiete Ochtumniederung bei Brockhuchting (Bremen) und die Kladdinger Wiesen (Niedersachsen) und erhält damit große Bedeutung für den Biotopverbund (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Der gesamte Park ist durch Grünland und nasse Bereiche mit stehenden Gewässern geprägt. Mit dem neuen Abschnitt der Ochtum wurde eine 5 Kilometer lange und bis zu 300 Meter breite mäandrierende Flusslandschaft mit naturnahen Strukturen und Gehölzsukzession geschaffen (Amt für Straßen und Verkehr Bremen 2008). Zudem verfügt der Park über weite Grünlandflächen. Der Bereich ist als FFH-Gebiet Bremische Ochtum und als Vogelschutzgebiet Ochtum bei Grolland gemeldet (SUBV 2011). Bisher wurden verschiedene Maßnah-

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Beispiele guter Praxis

men als Kompensation für diverse Bauvorhaben (unter anderem Bau der Autobahn A 281; Flughafenerweiterung) im Parkgebiet umgesetzt: Rund 34 Hektar Grünlandbewirtschaftung wurden speziell auf die Brutvogelarten, die dem Leitbild entsprechen, ausgerichtet: Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel und Bekassine (Ehlers 2011: 14). Des Weiteren wurden knapp zwei Kilometer periodisch wasserführende Senken (Blänken) im Grünland angelegt, ein ökologisches Grabenräumprogramm auf über 7 Kilometern Länge durchgeführt und durch Verminderung des Wasserabflusses der Gräben großflächig vernässt (ebd.; Amt für Straßen und Verkehr Bremen 2008). Die Bewirtschaftung des Grünlandes im Park erfolgt nach naturschutzfachlichen Vorgaben (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Der neu geschaffene Park wurde in die drei Abschnitte untergeteilt, denen entsprechend dem jeweiligen räumlichen Nutzungsschwerpunkt Gestaltungsgrundsätze zugewiesen wurden (Riesner-Kabus 1997: 147). Auf einem Drittel der Flächen erhielt der Naturschutz Vorrang, auf etwa zwei Dritteln die Erholung und Flugsicherheit. In den prioritären Naturschutzbereichen erhielt die Ochtum einen stark verzweigten Verlauf mit Inseln und einem breitem Außendeichland. Zudem wurden diverse Feuchtbiotope und Teiche angelegt und dieser Bereich für die Erholungsnutzung weitestgehend gesperrt (ebd.: 148). Insgesamt wurden die Beziehungen zwischen Fluss und Niederungsbereichen durch die Entwicklung der Landschaft mit auentypischen Biotopen und deren Tierbeständen deutlich verbessert (ebd.: 153). Darüber hinaus setzt der Parkverein­ in Absprache mit der Stadt zusammen mit Bürgern und Umweltverbänden weitere Aufwertungsmaßnahmen im Bereich der Naherholung und der natürlichen Entwicklung des Parks um: Standortgerechte Aufforstung von Ackerflächen, Anlage von Streuobstwiesen, Einzelbaumpflanzungen sowie das Anbringen von Nist- und Unterschlupfmöglichkeiten sind einige Aktivitäten des Vereins (Ehlers 2011: 14ff). Seit der Gründung des Vereins gibt es fast jährlich Pflanzaktionen und eine stetige Weiterentwicklung des Parks (ebd.). Die ökologische Entwicklung des Gebietes wird zudem langfristig wissenschaftlich begleitet (Amt für Straßen und Verkehr Bremen 2008).

Gestalterische Aspekte Der Park links der Weser greift grundlegende Gestaltelemente des englischen Landschaftsgartens wie die Inszenierung von Blickbeziehungen, geschwungene Wegführungen und einzelne künstliche Setzungen als Blickfang auf (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Lineare und solitäre Kulturlandschaftselemente wie Hecken, Gräben, Zäune, Alleen, Baumgruppen, aber auch bewirtschaftete Wiesen, Weiden und Waldbereiche setzen sich zu einer strukturreichen Parklandschaft zusammen. Eine sehr seltene Binnensalzstelle (FFH-Gebiet Rethriehen am Heulandsweg) und anthropogen geprägte Gewässer wie Wiesengräben, das Huchtinger Fleet, der neu angelegte Verlauf der Ochtum und diverse Vernässungsbereiche fügen sich landschaftstypisch in das Gesamtkonzept ein und sind von Wegen und Aussichtshügeln aus erlebbar. Das Gelände wird über Wege, Pontons und Holzstege maßvoll erschlossen (SUBV 2012). Neben landwirtschaftlich genutzten Weiden und Grünlandflächen durchziehen Rad- und Wanderwege mit Rast- und Picknickplätzen das Gebiet und laden zum Verweilen ein.

Zusammenfassende Darstellung Die Entstehung und konstante Fortentwicklung des Parks links der Weser auf der Basis einer Kooperation zwischen Parkverein und Stadt hat Beispielcharakter. Eine solche Aufgabenverteilung kann (eventuell. in abgewandelter Form) als übertragbares Modell für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren stehen. Während der Parkverein seinen Schwerpunkt auf gestalterische Elemente für die Naherholung legt, steht im Zentrum der Arbeit der Naturschutzbehörde die ökologische Aufwertung des Gebiets. Vor dem Hintergrund knapper finanzieller Ressourcen werden Kompensationsmaßnahmen dementsprechend gezielt in das Gebiet gelenkt.

163

Die Grünlandflächen werden teilweise beweidet und so offen gehalten. Durch geringe Besatzdichten hat die Beweidung extensiven Charakter.

Wichtige Stadtteilverbindungen queren den Park.

Blick in die abwechslungs- und strukturreiche Landschaft von einem der angelegten Aussichtshügel.

164

Beispiele guter Praxis

Weseruferpark Bremen-Rablinghausen Sportnutzungen tragen dazu bei, in einem weitläufigen Park wertvolle Mager- und Pionierstandorte zu erhalten.

Lage 6 km nordwestlich des Stadtzentrums Flächengröße 22 ha Entstehungszeitraum 2009 Bauherr/Träger Bremischer Deichverband am linken Weserufer Planer/Büro Bremischer Deichverband am linken Weserufer Kompensationscharakter Ausgleich

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Zwischen Bremen-Rablinghausen und Woltmershausen wurde ein etwa 220 Meter langer Streifen des Weserufers renaturiert und eine Badestelle mit 0,75 Hektar Sandstrand angelegt (Bioconsult Schuchardt & Scholle GbR 2008: 4). Landseitig angrenzend befindet sich die 22 Hektar große Grünanlage Weseruferpark, die zwischen 1970 und 1974 unter der Federführung des Hamburger Landschaftsarchitekten Karl Georg Lindenlaub entstand (Umweltbetrieb Bremen o.J.). Der Rückbau von Befestigungen und Steinschüttungen am Ufer und die damit verbundene Rückführung in einen ökologisch wertvolleren Zustand wurden als vorgezogene Maßahmen durchgeführt, um den Anforderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gerecht zu werden (Bremischer Deichverband am linken Weserufer 2012). Doch auch der Rückbau seinerseits stellte einen Eingriff in Natur und Landschaft dar (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Die Projektkosten in Höhe von 600.000 Euro wurden zu je 50 Prozent vom Europäischen Fonds für die Regionale Entwicklung (EFRE) und der Abwasserabgabe der Stadt Bremen getragen (SUBVE 2008: 2). Als Projektträger im Auftrag des Senators für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa Bremen (SUBVE) agierte der Bremische Deichverband am linken Weserufer.

Naturschutzfachliche Aspekte

Lage im urbanen Raum

Vor der Renaturierung war das Ufer durchgehend befestigt und mithilfe von Wasserbausteinen stark kanalisiert, der typische Übergang zwischen Fluss und Flachlandzone fehlte (SUBVE 2008: 1). Im Rahmen der Umgestaltung wurden die vorhandenen Steinschüttungen bis zur mittleren Tideniedrigwasserlinie entfernt und ein Sandufer als natürliche Übergangszone freigelegt bzw. hergestellt (Bremischer Deichverband am linken Weserufer o. J.: 1). Der Böschungswinkel wurde in einer Neigung angelegt, in der er sich auch unter natürlichen Bedingungen einstellen würde. Zur Landseite erfolgte an der Kante des Sandufers die Entwicklung von Wiesenflächen, die zugleich den Erholungswert verbessern und den Übergang zum angrenzenden Weseruferpark herstellen (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Im Zuge der Maßnahmen wurden die befestigten Uferstrukturen auf einer Länge von 220 Metern größtenteils beseitigt. Daneben wurden jedoch wertvolle Magerrasen- und Offenlandbereiche durch die Baumaßnahmen zerstört bzw. in der Wertigkeit herabgesetzt: Offenland-Biotope, Gehölze und feuchte Hochstaudenfluren mit einem großen Bestand des Kleinen Klappertopfes (Rhinanthus minor), der nach der

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Beispiele guter Praxis

Roten Liste Bremen als gefährdet eingestuft ist (Bioconsult Schuchardt & Scholle GbR 2008: 9). Unter den Offenland-Biotopen befanden sich zudem 0,6 Hektar des nach § 22a Abs. 1 Nr. 2 BremNatSchG geschützten Sandmagerrasens (ebd.). Durch das Aufbringen der abgeschobenen und zwischengelagerten Oberbodenschicht auf die angrenzend geplante Liegewiese konnte bereits damals mit einer mittelfristigen Entwicklung eines Sandmagerrasens gerechnet werden. Dadurch hat sich insgesamt ein Flächenzugewinn des §-22a-Biotops ergeben, sodass der Eingriff direkt als ausgeglichen eingestuft wurde, weil man von nur geringen Beeinträchtigungen ausgehen konnte. Darüber hinausgehende Kompensationsmaßnahmen waren folglich nicht mehr notwendig (ebd.).

Gestalterische Aspekte Vor der Renaturierung war das Weserufer durch die verwendeten Wasserbausteine, die keinen Zugang zum Wasser gewährten, stark befestigt, sodass dieser Bereich kaum nutzbar war. Die harte Uferkante stand in besonders starkem Kontrast zum weitläufigen Weseruferpark mit seinem Dünen- und Flussstrandcharakter, der durch die Anpflanzung von auentypischen Gehölzen den Eindruck einer Flusslandschaft vermittelt (Bremischer Deichverband am linken Weserufer 2012). Maritime Seezeichen wie Bojen, Anker und Dauben unterstreichen diesen Eindruck­zusätzlich und erinnern zugleich an die Blütezeit Bremens als Überseehafen (Umweltbetrieb Bremen o.J.). Durch die lang gestreckte Parkanlage entlang der Weser führen mehrere­Radwege, die teilweise regionale Bedeutung haben (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Eingebettet in die Anlage liegen Spielangebote, darunter auch eine neu gestaltete Anlage für Discgolf (SUBVE 2008: 2; Hentschel & Knode 2012, mdl.). Diese Nutzung hat im Bereich der Magerrasen einen positiven Effekt, weil durch das Discgolf-Spiel lokal die Vegetation gestört und auf diese Weise geholfen wird, den speziellen Charakter der Fläche zu erhalten. Andererseits halten die Spieler Regeln zum Betreten von Flächen ein, die in Absprache mit dem NABU erarbeitet wurden (Drehmoment Discgolf-Verein Bremen e.V. o.J.). Konfliktpotenzial im Hinblick auf den Erhalt der Magerwiesen birgt der Auslauf von Hunden auf den Flächen. Eine eindeutig negative Auswirkung auf die Artenvielfalt hat auch der hohe Nutzungsdruck, dem der neu geschaffene Sandstrand unterliegt (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Die extensive Pflege des Parks führt das Grünflächenamt durch, während der Strandbereich wegen der überwiegenden Sport- und Freizeitnutzung vom Sport-amt Bremen unterhalten wird (SUBVE 2008: 3).

Zusammenfassende Darstellung Die Renaturierung der Weserufer im Bereich Rablinghausen sowie die Einbindung in den angrenzenden Weseruferpark stehen exemplarisch für eine Maßnahme, bei welcher der Kompensationsbedarf einer Maßnahme direkt vor Ort und durch die Art der Ausführung gedeckt worden ist. Durch eine intelligente Umsetzung konnten Synergieeffekte im Bauablauf genutzt und somit zusätzliche Kosten für die Stadt vermieden werden. Gleichzeitig wurde den Anforderungen des Naturschutzes Rechnung getragen, indem wertvolle Magerrasenflächen erweitert wurden. Ein lehrreicher Aspekt auch für andere Freiraumprojekte sind die Synergieeffekte zwischen Naturschutz und Nutzung, die sich aus der Bespielung der Magerrasenflächen durch Discgolfer ergeben. Durch die zeitlich wie flächenmäßig beschränkte Nutzung werden temporäre Störungen hervorgerufen, welche die Entwicklung des Magerrasens unterstützen. Denkbar ist die Übertragung dieser Idee auch auf andere Sportarten wie beispielsweise Boule, Frisbee oder Hundesport.

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Weite, artenreiche Magerrasenflächen prägen den zentralen Bereich des Parks mit der Discgolf-Fläche.

Die Liege- und Strandfläche bietet gleichzeitig wertvollen Lebensraum für Pionierarten.

Die Gestaltung mit maritimen Seezeichen verdeutlicht die Verbindung zum nahen Hafen und zur Weser.

168

Beispiele guter Praxis

Alter Flugplatz Frankfurt-Bonames In einem Stadtrandpark wird die Wiedereroberung eines ehemaligen Flugplatzes durch die Natur gestalterisch thematisiert und inszeniert.

Lage 10 km nördlich des Stadtzentrums Flächengröße 4,5 ha Entstehungszeitraum 2001 – 2011 Bauherr/Träger Umweltamt der Stadt Frankfurt am Main Planer/Büro Gnüchtel Triebswetter Landschaftsarchitekten, Kassel Kompensationscharakter Naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe des Landes, Sammelausgleich

Lage im urbanen Raum

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Das Areal des ehemaligen amerikanischen Maurice-Rose-Militärflugfeldes für Hubschrauber ist heute Teil des Frankfurter GrünGürtel-Projektes und vereint Erholungsraum, sozialen Begegnungsraum sowie ökologischen Raum an einem Ort (Stadt Frankfurt am Main 2011: 35). Nach dem Abzug der US-Armee 1992 begann eine etwa zehn Jahre andauernde Phase der Zwischennutzung (Wentzell 2012, mdl.), in der das Areal in der Nidda-Aue überwiegend brach lag. Im Jahr 2001 erwarb die Stadt Frankfurt am Main das Grundstück aus Mitteln des Naturschutzes; der überwiegende Teil der Maßnahmen wurde aus Kompensationsmitteln der naturschutzfachlichen Eingriffsregelung finanziert. Den Rest finanzierte die Stadt Frankfurt mit Mitteln aus dem GrünGürtel-Etat (Stadt Frankfurt am Main 2011: 39). Die Projektgruppe GrünGürtel und das Büro GTL (Gnüchtel Triebswetter Landschaftsarchitekten) aus Kassel planten die Maßnahmen (ebd.: 35). Bereits im Jahr 2003 wurden die ersten Bereiche entsiegelt und Teile der Flächen der natürlichen Entwicklung überlassen (ebd.: 35; Wentzell 2012, mdl.). Heute teilt sich das Gelände in den „wilden Westen“, der überwiegend der Sukzession überlassen wird, sowie den „zivilisierten Osten“, der primär ein Ort für Erholungs- und Freizeitnutzung ist (Wentzell 2012, mdl.). In den alten Militärgebäuden finden die Besucher zudem verschiedene pädagogische und soziale Einrichtungen. Die Werkstatt Frankfurt, die hier das Towercafé betreibt, gibt zudem arbeitsuchenden Menschen die Möglichkeit, sich für Gastronomieberufe zu qualifizieren. Darüber hinaus arbeiten „Landschaftslotsen“ im Park, die den Besuchern das Areal zeigen und ihnen dabei die naturschutzfachlichen Werte der Flächen nahebringen.

Naturschutzfachliche Aspekte Die Randbereiche des ungenutzten Flughafengeländes waren vor der Umgestaltung stellenweise von Wildflora und -fauna besiedelt (Leppert 2006: 18). Nach der Umgestaltung haben sich Ruderalgesellschaften und Vorboten eines Auwaldes wie Birken, Pappeln und Weiden angesiedelt (Stadt Frankfurt am Main 2011). Am westlichen Ende der Landebahn ist ein Pionierwäldchen entstanden, das teilweise über schmale Pfade erschlossen ist. In diesem Wäldchen liegt auch ein kleiner Teich, der von einer Vielzahl verschiedener Tiere als Nahrungs- oder Laichhabitat genutzt wird (Wentzell 2012, mdl.). Die großflächigen und wertvollen Sukzessionsbereiche, die auf den entsiegelten Flächen zwischen dem aufgebrachten Abbruchmaterial entstanden sind, haben seither keine Pflegeeingriffe mehr erfahren (Hoppe 2012).

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Beispiele guter Praxis

Seit Beginn der Entsiegelungsarbeiten wird das Gebiet vom Forschungsinstitut Senckenberg im Rahmen eines wissenschaftlichen Langzeitmonitorings untersucht und begleitet, um Artenentwicklung und -zusammensetzung zu beobachten (Wentzell 2012, mdl.; BMBVBS, BBSR & BBR 2009: 96). Die gesamte Umgestaltung steht unter dem Leitgedanken der Dynamik: Pflanzengesellschaften sollen sich zwischen den aufgebrochenen Schollen und Betonstücken eigenständig entwickeln und die Flächen zurückerobern (Hoppe 2012). Durch nachträgliches Anstauen eines Baches entwickeln sich abhängig vom Pegelstand temporäre Wasserflächen, die wichtige Laichplätze für Amphibien bieten und durch die ein Nebeneinander von feuchten und trockenen Lebensräumen entsteht. Dort sind geschützte Arten wie der Laubfrosch und die Wechselkröte zu finden (Wentzell 2012, mdl.; Leppert 2006: 20). An die Nidda grenzen weite sogenannte Schmetterlingswiesen, die zugleich Nistplatz für Wiesenvögel sind; für den Brutzeitraum besteht ein entsprechendes Betretungsverbot (Wentzell 2012, mdl.). Die Wiesen werden zwei Mal im Jahr durch einen landwirtschaftlichen Pächter gemäht (ebd.). Die Pflege der intensiver genutzten Liegewiesen mit Baumhainen wird über Spendengelder und den GrünGürtel-Etat finanziert und von der Werkstatt Frankfurt durchgeführt. Der Pflege- und Unterhaltungsaufwand ist auf die Gesamtfläche bezogen vergleichsweise gering (BMVBS, BBSR & BBR 2009: 98).

Gestalterische Aspekte Nach zehn Jahren der Zwischennutzung und dem Kauf des Geländes durch die Stadt wurden zunächst Absperrzäune, die um das Areal verliefen, entfernt. Auf diese Weise wurde das an die Stadtteile Bonames und Kalbach grenzende Gelände mit seinen lang gezogenen Entwicklungsflächen entlang der ehemaligen Startund Landebahn für die Bevölkerung geöffnet. Wichtige Schritte waren die Anbindung an den Nidda-Uferweg sowie die Einbindung in das Wegenetz des Frankfurter GrünGürtels im Osten. Dies geschah im Jahr 2005 durch eine Radfahrerbrücke (Auesteg) (Leppert 2006: 19ff; Stadt Frankfurt am Main 2011), die zugleich eine wichtige Verbindung zum übergeordneten Regionalparkweg RheinMain ist. Das Areal ist durch die Teilung in einen Bereich für die Naturentwicklung und einen Bereich für die intensivere Nutzung kontrastreich gestaltet. Westlich befindet sich der Teil, der für die natürliche Entwicklung und für eine dynamische Stadtwildnis steht (Wentzell 2012, mdl.). Dort wurden die unbelasteten Asphalt- und Betonschichten ehemaliger Hubschrauberlandeplätze aufgebrochen und sortiert in verschiedene Korngrößen abgelegt. Teerbelastete Beläge wurden fachgerecht in einer Deponie entsorgt (Hoppe 2012). Die größten Betonschollen wurden in Anlehnung an „Das Eismeer“ von Caspar David Friedrich inszeniert angeordnet (Leppert 2006: 17). Auch in dem angrenzenden Pionierwäldchen wurden an den verwunschenen Pfaden punktuell Beton- und Asphaltteile großformatig gestapelt und als Aussichtspunkte und Geschichtsrelikte genutzt. Im Mittelpunkt des „zivilisierten Ostens“, der kulturell intensiv bespielt wird, steht die ehemalige Start- und Landebahn, die beispielsweise zum Fahrradfahren, Inlineskaten oder Modellautofahren genutzt wird (BMVBS, BBSR & BBR 2009: 96). Rund 750 Meter der Bahn wurden bewusst erhalten, um die Geschichte des Ortes zu bewahren (Hoppe 2012). Auch frühere Militärgebäude wurden erhalten und umgenutzt, ein Beispiel ist das Towercafé. Im Rahmen der Umweltbildung besuchen Gruppen aus Kindertagesstätten und Schulen die Geröll- und Sukzessionsfelder und erhalten von Landschaftslotsen zusätzliche Informationen zu Flora und Fauna (Leppert 2006: 21; Stadt Frankfurt am Main 2011). Einen Kontrast zu den extensiven Wiesen an der Nidda bilden der schattenspendende Baumhain sowie eine Liegewiese (Stadt Frankfurt am Main 2011, BMVBS, BBSR & BBR 2009: 97). Mit dem Aufbruchmaterial der einstigen Hubschrauberplätze gefüllte Gabionen sind als Sitz- und Gliederungselemente auf der ehemaligen Start- und Landebahn positioniert (Leppert 2006: 18).

171 Blick vom Ausguck aus wiederverwendeten, geschichteten Betonplatten auf die aufgebrochenen Asphaltflächen in den Sukzessionsbereichen.

Vielfältige Verwendung vorhandenen Materials zeichnet das Projekt aus.

Die ehemalige Landebahn ist nun eine vielfältig nutzbare Fläche für diverse Sport- und Freizeitaktivitäten.

172

Beispiele guter Praxis

Zusammenfassende Darstellung Auf dem Areal des Alten Flugplatzes „Maurice Rose“ wird eine Doppelstrategie verfolgt, anhand derer verschiedene Nutzungen intelligent und verträglich miteinander vereint werden. Zusätzlich zu einem Freizeit- und Erholungsort ist eine Stätte zum Erleben und Verstehen von Naturprozessen entstanden, welche die Bevölkerung für die Natur und ihren Schutz sensibilisieren kann, denn auf dem Areal haben sich mehrere naturschutzfachlich interessante und erhaltenswerte Flächen entwickelt. Durch die Einbindung der Werkstatt Frankfurt werden auch soziale Aspekte berücksichtigt. Bemerkenswert ist, dass Planer, Vertreter des Umweltamtes, Betreiber der gastronomischen Einrichtungen, Landschaftslotsen und Vertreter der Naturschutzverbände noch heute eine intensive Zusammenarbeit pflegen. Bei ihren Treffen, die etwa alle zwei Monate stattfinden, arbeiten sie gemeinsam an Konzepten zur Weiterentwicklung des Geländes und verstetigen damit den Erfolg des Projektes (Wentzell 2012, mdl.). Neben der beispielhaften Zusammenarbeit lässt sich auch die differenzierte Gestaltung des gesamten Geländes herausstellen, die geschickt durch Nutzung von Potenzialen im Bauablauf erreicht wurde. Mittlerweile haben sich aus der Öffnung des Areals aber auch Probleme ergeben: zum Beispiel die übermäßige Entnahme von Froschlaich und das Stören brütender Wiesenvögel. Eine grundsätzliche Naturschutzproblematik wird am Beispiel der geschützten Wechselkröte deutlich: Sie wird mit fortschreitender Sukzession ihren halboffenen Lebensraum verlieren. Unterstützende Pflegeeingriffe sind in Flächen mit natürlicher Entwicklung jedoch eigentlich nicht beabsichtigt (Wentzell 2012, mdl.; BMVBS, BBSR & BBR 2009: 99).

173

Der Steg über die feuchten Niddawiesen ist ein wichtiges Verbindungselement zum regionalen Grüngürtel. Die Vernässungsbereiche beziehen Schotterflächen und versiegelte Bereiche mit ein, sodass ein vielfältiges Standortmosaik entsteht.

174

Beispiele guter Praxis

Rüschpark Hamburg-Finkenwerder Zwischen Gewerbeflächen wurde ein Korridorpark eingefügt, in den Flugsand- und Flussdünenbiotope eingebettet sind.

Lage 10 km westlich des Stadtzentrums Flächengröße 24 ha Entstehungszeitraum 2011 Bauherr/Träger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Hamburg

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Planer/Büro MSB – Meyer-Schramm-Bontrup Landschaftsarchitekten, Hamburg Kompensationscharakter Ausgleich

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Auf der Rüschhalbinsel entwickelt sich seit rund einem Jahrzehnt ein großflächiger Gewerbepark für Hightechfirmen und Ingenieurbüros, die dem nahen AirbusUnternehmen zuarbeiten (Stürmlinger 2004). Zusätzlich hat neben einem bereits bestehenden Hotel im Jahr 2011 ein weiteres Hotel mit 170 Zimmern eröffnet (Rilano Group GmbH o.J.), für dessen Bau wertvolle Trocken- und Halbtrockenrasenbestände vernichtet worden sind. Die notwendigen Kompensationsflächen wurden in Abstimmung mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Hamburg (BSU) in die Parkanlage Rüschpark integriert (BSU 2004: 1; Bösehans 2012, mdl.). Die naturnahe Gestaltung der Parkflächen wurde durch das Hamburger Landschaftsarchitekturbüro Meyer-Schramm-Bontrup (MSB) geplant.

Naturschutzfachliche Aspekte

Lage im urbanen Raum

Vor dem Bau des Hotels gab es an vier Stellen auf der Rüschhalbinsel nach § 28 (1) 4. des Hamburger Naturschutzgesetz besonders geschützte Trocken- und Halbtrockenrasen sowie Kleinschmielenrasen (Kurz 2004: 1). Durch die Baumaßnahme wurde eine dieser vier Flächen, auf der sich zudem „stark gefährdete“ und „gefährdete“ Arten der Roten Liste Hamburgs befanden, vollständig vernichtet (ebd.: 7). Auf zwei weiteren Flächen sollen zukünftig Gewerbebetriebe angesiedelt werden, sodass davon ausgegangen werden konnte, dass auch diese Flächen verloren gehen. Da innerhalb des Gewerbebereichs aufgrund der Naturferne keine schützenswerten Biotope hergestellt werden konnten, wurde die übrig gebliebene und zugleich wertvollste Trockenrasenfläche nordwestlich des Rüschparks im Rahmen der Kompensation erweitert und entwickelt (ebd.). Auf der Halbinsel anstehendes mageres Substrat war eine positive Voraussetzung für die Entwicklung der Trockenrasen und machte eine zusätzliche Initiierung überflüssig (BSU 2004: 1; Bösehans 2012, mdl.). Um eine Verbuschung im Zuge der Sukzession zu verhindern, wird die Fläche durch Pflegeeingriffe offen gehalten. Aufgrund der mageren Böden verläuft der Pflegeprozess jedoch sehr langsam, sodass sich der Aufwand auf einem moderaten Niveau hält. Hinzu kommt, dass Besucher immer wieder Teilflächen betreten und damit lokale Störungen hervorrufen, die zusätzlich zum Erhalt der offenen Flächen beitragen (Bösehans 2012, mdl.).

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Beispiele guter Praxis

Gestalterische Aspekte Die Rüschhalbinsel hat durch leichte Geländeerhebungen einen Dünencharakter und stellt in Kombination mit den Mager- und Trockenrasenflächen einen typischen, aber selten gewordenen Lebensraum des Elb-Urstromtals dar (Kurz 2004: 7). Im Zuge der Parkplanung wurden Schotterwege und Aussichtsplattformen mit Blick auf die Elbe angelegt und das Wegesystem durch die Trockenrasenlandschaft geführt (Bösehans 2012, mdl.). Durch den gezielten Einsatz von Gehölzen in den Randbereichen wird der Park von angrenzenden Gewerbehallen und -gebäuden abgeschirmt, sodass diese für die Parkbesucher kaum mehr wahrnehmbar sind. Wegen der Lage auf der Halbinsel sind die Flächen von Norden eingeschränkt erreichbar; vom anderen Elbufer kann man ausschließlich mit der Fähre übersetzen. Da die Bewohner der angrenzenden Stadtteile überwiegend eigene Gärten besitzen, gibt es keinen übermäßigen Nutzungsdruck (ebd.). Es sind überwiegend die Mitarbeiter der auf der Halbinsel ansässigen Firmen, die den Park zur Mittagszeit für Spaziergänge nutzen. Im Südosten der Halbinsel gibt es eine Anbindung an das übergeordnete Hamburger Radwegesystem.

Zusammenfassende Darstellung Die Entwicklung der Trockenrasen auf der Rüschhalbinsel ist ein Beispiel dafür, wie vorhandene Flächenpotenziale sinnvoll genutzt und kostengünstig weiterentwickelt werden können. Durch die Verwendung des mageren Substrats wurde die Entwicklung von Trockenrasen begünstigt und zugleich wurden Flächen mit einem geringen Pflegeaufwand geschaffen. Derartige Pflegekonzepte können insbesondere für Projekte mit einem engen finanziellen Rahmen Vorbild sein. Außerdem hat sich gezeigt, dass ein Betreten der ökologisch wertvollen Flächen nicht zwingend negative Folgen hat, sondern eine Integration in bestehende Park- und Erholungsbereiche sogar einen Mehrwert bringen kann. Im Vordergrund der Gestaltung steht die Inwertsetzung der Sandflächen und Dünen durch die Entwicklung der Trockenrasen. Weiterhin positiv ist die Tatsache, dass die Planungen bereits die zukünftige Entwicklung auf der Halbinsel berücksichtigten. So wurde zum Beispiel gegen eine Ausweitung der Trockenrasen ins Gewerbegebiet hinein entschieden, da diese bei der vorgesehenen Ansiedlung weiterer Betriebe erneut zerstört werden würden.

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Die neu entstandenen Pionierflächen am Elbufer bieten vielen Arten einen Lebensraum, die auf Mager- und Sandflächen spezialisiert sind.

Der Hotelneubau inmitten von Trocken- und Dünenbereichen. Auf den Außenanlagen wurden in Abstimmung mit den Zielen des Naturschutzes ebenfalls trockene Sandbereiche entwickelt.

Wegekreuzung im Park. Die Seitenbereiche werden durch Tritt niedrig gehalten.

178

Beispiele guter Praxis

Buchholzer Bogen Hannover-Buchholz Ein linearer Park entlang des Mittellandkanals dient als Freiraumkorridor und ökologische Vernetzungszone in der Stadt.

Lage 7 km nördlich des Stadtzentrums Flächengröße 6 ha Entstehungszeitraum 1995–2000 Bauherr/Träger Wasser- und Schifffahrtsamt Braunschweig Planer/Büro Prof. Nagel, Schonhoff und Partner – Landschaftsarchitekten und Stadtplaner, Hannover Stegskulptur: Tadashi Kawamata Kompensationscharakter Ausgleich und Ersatz

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Im Jahr 1995 begann in Hannover auf einer Länge von 19 Kilometern der innerstädtische Ausbau des Mittellandkanals, der im Bereich Vahrenwald – Buchholz – Anderten direkt an Wohn- und Gewerbegebiete angrenzt (Schonhoff 2000: 68; Röben & Moser 2000: 17). Der Ausbau auf der Stadtstrecke ist Teil des bundesweiten Konzeptes zum Ausbau der Wasserstraßen für die moderne Binnenschifffahrt (ebd.). Zum Schutz der Natur erfolgte die Verbreiterung des Kanals zu 86 Prozent nur auf einer Uferseite (NBA Hannover 2011). Trotzdem wurden durch den Eingriff im großen Maße Trockenlebensräume sowie Ufer- und Wasserwechselzonen zerstört (Nagel 2004: 2). Außerdem wurden etliche Einzelgehölze gefällt. Im Zuge der Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen plante das Wasser- und Schifffahrtsamt als Vorhabenträger die Kompensation direkt am Eingriffsort durch raum- und erlebniswirksame Strukturen entlang des Kanals (Schonhoff 2012, mdl.; Nagel 2004: 2; Röben & Moser 2000: 17). Ziel des Entwurfs war es, die Entwicklung der zerstörten Biotope an Ort und Stelle neu zu initiieren und gleichzeitig den Bereich auf seiner gesamten Länge für die Öffentlichkeit, insbesondere für die Anwohner, nutzbar zu machen (Schonhoff 2000: 68f). Die daraus entstandenen Flächen und Uferbereiche werden heute extensiv durch das Wasser- und Schifffahrtsamt gepflegt; lediglich die Bankette und explizit gekennzeichnete Liegewiesen unterliegen einer intensiveren Pflege (Schonhoff 2012, mdl.).

Naturschutzfachliche Aspekte

Lage im urbanen Raum

Vor der Umgestaltung des Kanals existierten entlang des Ufers vielschichtige Trockenlebensräume sowie Lebensräume der Ufer- und Wasserwechselzone, für die ein Eins-zu-eins-Ausgleich erfolgte. Insgesamt wurden an der innerstädtischen Ausbaustrecke zwölf größere Ersatzflächen neu geschaffen, zu denen weitere Grünflächen mit kleineren Biotopen entlang des Mittellandkanals kommen (NBA Hannover 2011). Die vielschichtig gestaltete Gehölzstruktur bietet Nahrungs- und Bruthabitate für die Avifauna, wobei der Naturschutz besonderen Wert auf die Verwendung heimischer Gehölzarten legte (Schonhoff 2012, mdl.). Krautige und blütenreiche Flächen unterschiedlicher Exposition bieten spezifische Lebensräume für die Wirbellosenfauna. Durch die Umgestaltung des Uferbereiches wurde dieser ökologisch aufgewertet und eine stärkere Vernetzung seiner einzelnen Lebensräume erreicht, sodass er insbesondere für die Arten, die ans Wasser gebunden sind, an Attraktivität gewonnen hat.

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Beispiele guter Praxis

Gestalterische Aspekte Parallel zur naturschutzfachlichen Aufwertung sollte das Gebiet einen dem urbanen Umfeld angemessenen Erholungswert bekommen, besser zugänglich werden und Bewegungsmöglichkeiten anbieten (Schonhoff 2000). Dafür wurden Radwege­ entlang der Wasserstraße geführt und ins gesamtstädtische sowie regionale Wegenetz integriert; ein Teilabschnitt des linearen Parks verläuft auf der Trasse des Grünen Rings Hannover. Über kleinere Fußwege und Trampelpfade lassen sich die Uferbereiche erreichen. Das prägnanteste Infrastrukturelement ist eine begehbare Skulptur des Künstlers Tadashi Kawamata, die sich als Steg über die bei Buchholz gelegene neue Auskolkung zieht (Schonhoff 2012, mdl.). Ein Hauptziel der Gestaltung war die Öffnung angrenzender, ehemals abgewandter Nutzungen zum Kanal hin. Dafür wurden Raumkanten geöffnet, sodass beide Uferseiten einbezogen und die Raumsequenzen zwischen den Brücken gestalterisch betont werden (Schonhoff 2000). Der Mittellandkanal wurde durch Neupflanzungen am Ufer in die städtische Umgebung eingepasst und durch die Verknüpfung mit den zurückliegenden Grünflächen als Gesamtraum erlebbar gemacht (Röben & Moser 2000: 17). Aus dieser Öffnung des Raumes entstanden im Vorfeld die größten Konflikte zwischen Naturschutz und Gestaltung: Im Bereich der Auskolkung unter der Stegskulptur sollte ein Rückzugsort für Tiere und Pflanzen ohne Störung durch den Menschen entstehen; dementsprechend kritisch wurden die Einsehbarkeit und zusätzliche Erschließung als Erholungsgebiet gesehen (Schonhoff 2012, mdl.). Um trotz der Erschließung den Schutz wertvoller Flächen zu gewährleisten, werden die Besucher durch dezente Gestaltungsmaßnahmen zu urbanen Bereichen hin- und von Biotopen weggelenkt. Im Zuge des Ausbaus zum Kanalpark entstanden nutzbare Flächen mit Gabionen, Liegewiesen, Sitzplätzen, markanten Hecken, Gehölzen sowie Obsthainen (Nagel 2004: 5).

Zusammenfassende Darstellung Das Projekt ist ein Beispiel dafür, wie über die gesetzlich geforderte rein naturschutzfachliche Kompensation hinaus Verbesserungen auf unterschiedlichen Ebenen erzielt werden können. Hier wurden durch gestalterische Maßnahmen nicht nur die Auswirkungen auf Natur und Umwelt kompensiert, sondern es wurde zugleich das Wohnumfeld verbessert, indem ein Park als Bewegungskorridor zwischen den Stadtteilen geschaffen wurde. Diese multifunktionale und einvernehmliche Lösung konnte nur im Gespräch aller Beteiligten und durch Kompromisse erzielt werden. Interessant ist in diesem Fall zudem, dass die Kompensation ausschließlich im direkten Umfeld des Eingriffsortes stattfand.

181

Südexponierte Trockenrasen am Hang zum Mittellandkanal sind mit einer Gabionenmauer eingefasst.

Die neu geschaffene Uferaufweitung mit Flachwasserzonen und kleinen Inseln wird von der überbrückenden Stegskulptur erlebbar.

Der Radweg entlang des Kanals ist ein neuer, intensiv genutzter Bewegungskorridor.

182

Beispiele guter Praxis

Landschaftsraum Kronsberg Hannover-Bemerode Einer landwirtschaftlich geprägten Erholungslandschaft, die eng mit einem neuen Stadtquartier verzahnt ist, liegen großräumig gliedernde Gestaltungsprinzipien zugrunde.

Lage 10 km südöstlich des Stadtzentrums Flächengröße 450 ha Entstehungszeitraum 1997 – 2000 Bauherr/Träger Landeshauptstadt Hannover Planer/Büro Büro Kienast Vogt & Partner, Zürich Kompensationscharakter Ausgleich

Lage im urbanen Raum

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Im Zuge der Expo 2000 entstand auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen am südöstlichen Stadtrand Hannovers der Stadtteil Kronsberg. Für die eigentliche Weltausstellung wurden weitere Ackerflächen umgenutzt. Die Eingriffe, die für die Umsetzung beider Maßnahmen nötig waren, sollten mit Mitteln der Eingriffsregelung an Ort und Stelle kompensiert werden (Eppinger 2000: 1). Im Jahr 1995 wurde ein landschaftsplanerischer Wettbewerb ausgelobt mit dem Ziel, „ein stadt- und landschaftsplanerisches Strukturkonzept für den Gesamtbereich Messe/Kronsberg zu entwickeln, das in beispielhafter Weise ökologische Anliegen in die Planung einbezieht. Wohn-, Wirtschafts- und Erholungsbedürfnisse sollten in qualitätvoller Gestaltung umwelt- und sozialverträglich in Natur und Landschaft eingefügt werden“ (LHH 2004: 22). Besonderer Wert wurde bei den Planungen auf einen niedrigen Versiegelungsgrad im neuen Wohngebiet gelegt, das über durchlaufende Grünverbindungen, sogenannte Streifenparks, mit dem Landschaftsraum verbunden ist; überdies wurden drei Quartiersplätze sowie große private Grünflächen geplant. Das im Wohngebiet anfallende Regenwasser versickert über ein integriertes Mulden-Rigolen-System. Im Rahmen des Landschaftskonzepts Kronsberg wurden nach Planungen des Büros Kienast Vogt & Partner aus Zürich, die das Rahmenkonzept für die Umgestaltung des Landschaftsraumes bildeten, aus dem Bodenaushub des neuen Wohngebietes zwei Aussichtshügel aufgeschüttet (Kümmel 2000: 59). Der Entwurf des Büros verbindet Aufforstungsmaßnahmen am Höhenzug Kronsberg­mit einer ökologisch geprägten landwirtschaftlichen Nutzung. Das Ziel sämtlicher Umgestaltungsmaßnahmen war, aus einer ausgeräumten Agrarlandschaft eine multifunktional genutzte und reich strukturierte Kulturlandschaft zu entwickeln (Rode & von Haaren 2005: 22).

Naturschutzfachliche Aspekte Die Erholungslandschaft erstreckt sich über eine Fläche von insgesamt 50 Hektar. Besonderes ökologisches Potenzial gibt es an den Hängen des Höhenzugs Kronsberg. Hierzu wurde bereits 1997 ein Landschaftsplan beschlossen, der eine Bewaldung des Kammes vorsieht (ebd.: 21). Insgesamt wurden im Park 500 überwiegend standortheimische Laubbäume und 7.000 Sträucher gepflanzt (Kümmel 2000: 59). Für die Umstellung von konventioneller auf ökologische Bewirtschaftung wurde ein landwirtschaftlicher Betrieb in das Gelände integriert. Von den insgesamt 600

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Beispiele guter Praxis

Hektar Ackerfläche am Kronsberg werden seit 1998 rund 120 Hektar ökologisch bewirtschaftet (LHH 2007). Zwischen dem neuen Wohngebiet und dem Höhenzug entstand die sogenannte Allmende, eine gemeinschaftlich nutzbare Grünfläche. Sie bildet ein Band, das sich mit einer Breite zwischen 50 und 250 Metern über eine Länge von rund 3 Kilometern erstreckt. Die Allmende entstand auf einer ehemaligen Ackerfläche, die für die spätere extensive Bewirtschaftung überwiegend durch Selbstbegrünung zu Wiesen und Weiden für die Schafhaltung entwickelt worden ist. Das bestehende Wegenetz wurde ergänzt und mit 10 bis 15 Meter breiten Wegrainen versehen, die Biotopvernetzungs- und Habitatfunktionen übernehmen. Zu diesem Zweck wurden zum einen Gehölze gepflanzt, zum anderen aber auch extensive Wiesenstreifen erhalten, die für Tagfalter, Kleinsäuger und Insekten wichtige Nahrungs- und Lebensräume bieten. Außerdem sind am Kronsberg seltene Wildbienenarten und gefährdete Vogelarten wie das Rebhuhn, die Wachtel und die Feldlerche zu finden (ebd.). Auf den Kalkmergelböden des Kronsbergkammes und dem Aussichtshügel wurde Halbtrockenrasensaat aus lokalen Spenderbiotopen ausgebracht. Zudem wurden drei neue Streuobstwiesen angelegt und weitere Hochstammobstgehölze alter Sorten auf dem übrigen Areal gepflanzt (Rode & von Haaren 2005:26).

Gestalterische Aspekte Die Gestaltung der Kronsbergsiedlung wird ganz wesentlich durch die bereits in den Bebauungsplänen vorgegebenen Festsetzungen zum Ausgleich der verlorenen Werte und Funktionen bestimmt. Die Vorgaben verlangen zum Beispiel die Gliederung offener Pkw-Stellplätze durch Baumraster sowie das Einbringen von wasserdurchlässigen Belägen. Zudem gilt für das gesamte Gebiet die Verpflichtung, das Regenwasser versickern zu lassen bzw. gedrosselt abzuleiten (Landschaftsarchitektur und Regenwasserkonzept: Atelier Dreiseitl). Durch das installierte MuldenRigolen-System konnten die Eingriffe in den Wasserhaushalt nahezu vollständig ausgeglichen werden (Heise 2002: 222). Gestalterisch führt dieses System zu einer in allen Teilbereichen erfahrbaren Durchgrünung des Stadtteils, einerseits durch begrünte Versickerungsstreifen im Straßenbereich, andererseits durch offene, attraktiv bewachsene Sammel- und Versickerungsbecken. Diese Durchgrünung ist mit dem Park auf dem Kronsbergkamm verwoben und leitet die Besucher hangaufwärts zu den extensiven Erholungsflächen. Das hervorstechendste Merkmal des nördlichen Parkteils ist der Aussichtsberg mit Gipfelkreuz. Er gibt dem Auge in dem weitläufigen Areal Halt und bietet, ebenso wie der zweite Aussichtsberg, von seiner Spitze aus eine der wenigen Möglichkeiten für einen Blick in die Ferne in der ansonsten an natürlichen Erhebungen armen Stadt Hannover.

Zusammenfassende Darstellung Der Kronsberg ist nicht nur beispielhaft für die Umsetzung des Expo-Mottos „Mensch – Natur – Technik“, sondern auch für die nachhaltige Realisierung von Ausgleichsmaßnahmen direkt am Ort der Eingriffe. Außergewöhnlich ist die Strategie, den neu entstandenen Park weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen (unter der Maßgabe ökologischer Bewirtschaftung) und zugleich die Bedürfnisse der erholungsuchenden Bevölkerung zu befriedigen. Die extensive Beweidung der Grünflächen durch Schafe sticht in diesem großstädtischen Kontext ebenfalls hervor. Allerdings gerieten sowohl der neu entstandene Kronsberg-Bauernhof als auch der Schäfer sehr bald in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Eine Begleitstudie (Rode & von Haaren 2005) stellte fest, dass die Landschaftspflege mit Schafen wegen der praktizierten mobilen Koppelhaltung zu personalaufwendig und kostenträchtig war. Das Konzept des Kronsberghofes sei an einer Zielüberfrachtung gescheitert. Die angestrebte multifunktionale Landnutzung ist jedoch weitgehend als Erfolg zu betrachten, denn Erholungsuchende und Landwirte äußerten sich gleichermaßen zufrieden und Untersuchungen zum Arten- und Biotopschutz zeigten insgesamt positive Entwicklungen (ebd.: 159).

185

Aufforstungsflächen mit naturnahem Mischwald sind auf dem ehemals monoton agrarbewirtschafteten Kamm des Höhenzuges angelegt worden.

Die Kronsbergallee begrenzt deutlich den Raum entlang der Siedlung. Die Erholung steht hier im Vordergrund. Aufenthaltsbereiche sind aufwendiger gestaltet. Die Allee vermittelt in ihrer Nutzungsintensität zwischen der Siedlung und der extensiv genutzten Allmende.

Weite extensive Nutzflächen im Park bilden einen Übergang von der intensiv genutzten Agrarlandschaft zur Stadt.

186

Beispiele guter Praxis

Westhovener Aue Köln-Westhoven Eine Konversionsfläche wird durch Impulse aus dem Hochwasserschutz zu einem weitläufigen Stadtrandpark entwickelt.

Lage 10 km südöstlich des Stadtzentrums Flächengröße 64 ha Entstehungszeitraum ab 2003 Bauherr/Träger Stadt Köln

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Planer/Büro Amt für Landschaftspflege und Grünflächen der Stadt Köln Kompensationscharakter Ausgleich aus dem Hochwasserschutz

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung

Lage im urbanen Raum

Die Westhovener Aue liegt rechtsrheinisch im südlichsten Bereich des äußeren Kölner Grüngürtels. Das ehemalige Kasernengelände wurde bis zum Abzug der Truppen im Jahr 1995 militärisch genutzt und war für die Bevölkerung nicht zu betreten (BMVBS, BBSR & BBR 2009: 112). Im Rahmen des Hochwasserschutzkonzeptes, das die Stadt Köln 1996 verabschiedete, wurde die Fläche als Retentionsraum vorgesehen. Deshalb wurde der überwiegende Teil des Areals mit Ausnahme einer Gewerbefläche an der Kölner Straße in das Rheinauenkonzept eingebunden. Dieses dient der Auenentwicklung und stellt zudem Kompensationsräume für den Ausgleich technischer Hochwasserschutzmaßnahmen bereit (ebd.). Nach der Übernahme entwickelte die Stadt Köln für die Fläche ein Landschafts- und Freiraumkonzept, das in den Geltungsbereich des Landschaftsplans der Stadt Köln aufgenommen wurde und das Landschaftsschutzgebiet „Rhein, Rheinauen und Uferbereich Rodenkirchen bis Langel“ ergänzt (Höppner 2012, E-mail). In den Jahren 2003 bis 2005 wurden alle im Retentionsbereich liegenden Gebäude abgerissen sowie nicht mehr genutzte Wege und Platzflächen entsiegelt und zurückgebaut (Höppner 2012, E-mail; BMVBS, BBSR & BBR 2009: 113). Die ersten Renaturierungs- und Aufforstungsarbeiten wurden im Frühjahr 2005 durchgeführt und das Gelände gleichzeitig der Bevölkerung zur Erholung zugänglich gemacht (Höppner 2012, E-mail). Die Erschließung erfolgt größtenteils über bereits vorhandene Wege, ergänzt durch kleinere neue Wegeabschnitte und Stichwege mit wassergebundener Wegedecke (ebd.). Da aufgrund der militärischen Vornutzung trotz umfangreicher Kampfmittelberäumung nicht ausgeschlossen werden kann, dass dort noch Kampfmittel verborgen liegen, wurde ein Betretungsverbot für die Flächen außerhalb der Wege ausgesprochen (Höppner 2012, mdl.).

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Beispiele guter Praxis

Naturschutzfachliche Aspekte Das vom Ausschuss Umweltschutz und Grün im Jahr 2004 beschlossene „Freiraumkonzept ehemalige Kaserne Brasseur“ sieht vor, die vorhandenen Strukturen durch gezielte naturschutzfachliche Maßnahmen weiterzuentwickeln und umzugestalten. Hierzu gehören die Ausformung eines Waldmantels, der Umbau bestehender Waldbestände, die Schaffung neuer Auengehölzbereiche, das Pflanzen standortgerechter Solitärgehölze und die Anlage extensiver Wiesen für dort vorkommende­ schützenswerte Vogelarten (BMVBS, BBSR & BBR 2009: 113). Durch ergänzende Neuanpflanzungen konnten vorhandene Gehölzgruppen vereint und Verbindungen zu angrenzenden Wäldern hergestellt werden (Höppner 2012, E-mail). Die zu militärischen Übungszwecken angepflanzten standortuntypischen Fichtenreihen werden über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren durch sukzessive Auslichtungsmaßnahmen zu einem Auwald umgewandelt (ebd.). Die Pflege der Flächen erfolgt extensiv. Die Wiesenflächen werden temporär von Moorschnucken und Ziegen beweidet und zudem vom zuständigen Schäfer regelmäßig gemäht (Höppner 2012, mdl.). Seit der Änderung des Flächennutzungsplanes im Jahr 2008 ist das Gebiet als Grünfläche ausgewiesen (ebd).

Gestalterische Aspekte Im Vordergrund der Gestaltung steht die Wiederherstellung eines typischen Auencharakters. Daher beziehen sich nahezu alle Maßnahmen auf die Entwicklung eines entsprechenden Landschaftsbildes. Vereinzelt wurden frühere Wegebeläge, die an die vorherige Nutzung erinnern, erhalten. Um dem vom Kampfmittelräumdienst vorgegebenen Betretungsverbot zu entsprechen, wurden sämtliche Aufenthaltsmöglichkeiten ausschließlich direkt an die Wege gelegt. Zudem wurden Informationstafeln aufgestellt, die über die Geschichte und den Wert der Fläche informieren (Höppner 2012, mdl.).

Zusammenfassende Darstellung Positiv hervorzuheben ist der Grundsatzbeschluss, das ehemals abgeschirmte und ausschließlich für militärische Zwecke genutzte Kasernengelände für die Öffentlichkeit freizugeben. Über die Zuweisung einer Flächenpool-Funktion für Ausgleichsmaßnahmen konnte eine ursprünglich geplante Bebauung der Fläche verhindert und das Areal stattdessen zu Natur- und Artenschutzzwecken aufgewertet werden. Positiv ist weiterhin, dass in dem Projekt die verschiedenen Nutzungsansprüche des Hochwasserschutzes, der Erholung sowie des Arten- und Biotopschutzes gleichrangig berücksichtigt und vereint werden. Die Gestaltung der Fläche ist am Auencharakter orientiert und eher zurückhaltend, was für dieses Gebiet als angemessen erscheint. Zusätzlich hervorzuheben ist das Engagement der Bürgervereinigung Ensen-Westhoven, die sich unter anderem mit Aufräumaktionen oder der Spende von Bänken und Papierkörben in der Westhovener Aue einsetzt (WesselBlindert & Reiferscheid 2012, mdl.). An diesem Beispiel wird deutlich, dass Kooperationen mit ehrenamtlichen Vereinigungen oder Institutionen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur Pflege sowohl von Erholungs- als auch von Naturschutzflächen in urbanen Räumen darstellen können.

189

Die Überschwemmungswiesen werden temporär mit Schafen beweidet.

Der überregionale Radweg verläuft auf einer Promenade nahe dem Rhein.

Punktuell sind Ausblicke auf das Rheinufer möglich.

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Beispiele guter Praxis

Grüner Bogen Paunsdorf Leipzig-Paunsdorf Halboffene, extensiv bewirtschaftete Weideflächen bilden den zentralen Bestandteil eines neuen Grünzuges, der eine angrenzende Großwohnsiedlung aufwertet.

Lage 8 km östlich des Stadtzentrums Flächengröße 35 ha Entstehungszeitraum 1999–2004 Bauherr/Träger Amt für Stadtgrün und Gewässer Leipzig Planer/Büro Häfner/Jiménez – Büro für Landschaftsarchitektur, Berlin; Büro poserplan, Bad Gandersheim Kompensationscharakter Ausgleich

Lage im urbanen Raum

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Die ehemalige Manöverfläche der Kaserne „Heiterblick“ liegt am nordöstlichen Stadtrand von Leipzig im Stadtteil Paunsdorf. Das Gebiet dient als externe Kompensationsfläche für ein Automobilwerk, das in Leipzig-Plaußig entstanden ist und dort umfangreiche landwirtschaftliche Flächen beansprucht hat (Walter 2012, mdl.). Das ehemalige Manövergelände ist Teil des Grünen Bogens Paunsdorf, der mit einer Fläche von rund 120 Hektar einen Schwerpunkt im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (SEKo) „Leipzig 2020 – Zukunft gestalten“ darstellt und zudem als Schlüsselprojekt des Grünen Rings Leipzig gilt. Im Jahr 2000 wurde für die Entwicklung des Grünen Bogens Paunsdorf ein Realisierungswettbewerb ausgelobt, den das Landschaftsarchitekturbüro Häfner/Jiménez mit seinem Gesamtkonzept gewann. Den naturschutzfachlichen Pflege- und Entwicklungsplan für die ehemalige Manöverfläche erarbeitete das Büro poserplan aus Bad Gandersheim. Gemäß der Leitidee „Naturschutz durch Nutzung“ wurde auf dem ehemaligen Militärgelände ein extensives ganzjähriges Beweidungsprojekt initiiert, um den Offenlandcharakter der Fläche, wie er vor der Umnutzung bestanden hatte, dauerhaft zu erhalten. So konnte eine „Stadt-Wildnis“ entstehen. Die neuen attraktiven Erholungs- und Aufenthaltsräume werten zudem die angrenzende Großwohnsiedlung auf (ebd.). Seit Planungsbeginn im Jahr 1999 werden die Bürger kontinuierlich in das Gesamtvorhaben eingebunden. Als Bauherrin agiert die Stadt Leipzig, vertreten durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer (Stadt Leipzig 2008). Die Umnutzung des ehemaligen Militärgeländes zu einem ökologisch wertvollen Freiraum zählt zu den Pilotprojekten des europäischen Forschungsprojektes „GreenKeys 2005–2008“ und wurde anteilig darüber finanziert (IÖR o.J.). Das Gesamtprojekt Grüner Bogen Paunsdorf erhielt 2011 im Rahmen des Wettbewerbs „Bundeshauptstadt der Biodiversität“ den Sonderpreis „Natur in der Stadt“.

Naturschutzfachliche Aspekte Die ehemalige Manöverfläche der Kaserne „Heiterblick“ stellt aus naturschutzfachlicher Sicht eine sehr wertvolle Fläche im Leipziger Stadtraum dar. Sie umfasst eine bedeutende Moorfroschpopulation und ist zudem Lebensraum für weitere anspruchsvolle Arten des wechselfeuchten Grünlandes (Walter 2012, mdl.). Das Ziel des Beweidungskonzeptes ist der Erhalt oder die Wiederherstellung

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Beispiele guter Praxis

eines kleinräumig wechselnden Mosaiks von Offenlandbiotopen (nasse, feuchte, wechselfeuchte bis trockene Standorte einschließlich zahlreicher Kleingewässer) in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, kleinflächig durchsetzt mit Gehölzbeständen von vielschichtiger Altersstruktur (poserplan et al. 2011). Um diese Ziele zu erreichen, wurde im zentralen gesperrten Bereich 2004 ein Beweidungsprojekt mit Heckrindern (seit 2009 Wasserbüffel) und Przewalski-Pferden initiiert, die die ehemals durch die militärische Nutzung hervorgerufenen Störungen fortführen. Zusätzlich schützt das Großvieh die wertvollen Bereiche vor unbefugtem Betreten. Die Beweidung erfolgt in Kooperation mit einem Pächter, der Fläche und Tiere betreut. Durch die Beweidung ist ein strukturreicher Biotopkomplex entstanden, der für eine Vielzahl an Vogelarten unterschiedliche Nischen offeriert (Walter 2012, mdl.). Auch für andere Tiergruppen bietet die Fläche gute Lebensbedingungen: Abhängig vom Wasserstand finden Libellen, Heuschrecken und Amphibien geeignete Nahrungs- und Unterschlupfmöglichkeiten (ebd.).

Gestalterische Aspekte Der zentrale Wildnisbereich des ehemaligen Manövergeländes ist nicht erschlossen und mit einem Holzkoppel- und Elektrozaun eingefasst. Zwischen der „Wildnis“ und dem direkt angrenzenden Gewerbegebiet führt ein Rundweg um die gesamte­ Weide. Zum Schutz empfindlicher Bereiche übernimmt er insbesondere die Funktion der Besucherlenkung und ermöglicht ungestörte Amphibienwanderungen zwischen den Feuchtbereichen. Vom Rundweg aus können Spaziergänger und Erholungsuchende die imposanten Weidetiere beobachten, die den Erlebniswert des Geländes deutlich steigern. Den Auftakt des parkartigen Areals mit Weidetieren bildet eine Aussichtsplattform, die Besucherterrasse, die leicht erhöht zum Wildnisbereich liegt. Mit breiten, linearen baumgesäumten Wegen und Rasenflächen liegt dieser intensiv gestaltete Eingangsbereich in direkter Nachbarschaft zum Wohngebiet Paunsdorf-Nord. Die Promenade entlang der Terrasse besteht aus einem 4 Meter breiten asphaltierten Streifen für die schnelle Fortbewegung und einem schmaleren Weg mit wassergebundener Wegedecke für die langsamere Bewegung. Prägnante Baumarten sind Sumpfeichen, welche die Promenade alleeartig einfassen, sowie ein Karree aus Urwelt-Mammutbäumen. Die Terrassenkante markiert eine klare Grenze zwischen Siedlung und Wildnisfläche, wo sich ein starker Kontrast zwischen den nutzbaren gestalteten und den nicht begehbaren naturnahen Bereichen abzeichnet. Neben der Nominierung des Grünen Bogens Paunsdorf für den „International Urban Landscape Award“ 2007 erhielt er im Jahr 2007 zudem den Leipziger Architekturpreis (Stadt Leipzig 2008).

Zusammenfassende Darstellung Oberstes Ziel des Grünen Bogens in Paunsdorf war die Aufwertung des angrenzenden Wohngebietes durch mehr Aufenthalts- und Erlebnisqualität. Durch neue attraktive Erholungs- und Erlebnisräume wurde dieses Ziel in vollem Umfang umgesetzt. Das Wildnisprojekt mit großen Weidetieren stellt eine vorbildlich gelungene Kombination von Naturschutz, Gestaltung sowie Freiraumnutzung dar. Kennzeichnend ist die sehr klare Kontrastierung zwischen schützenswerten Bereichen und Flächen, die der reinen Erholung dienen. Durch das Beweidungskonzept werden naturschutzfachlich wertvolle Flächen vor dem Betreten geschützt und gleichzeitig offen gehalten, sodass seit Weidebeginn im Jahr 2004 auf eine manuelle Pflegemahd der 35 Hektar großen Fläche verzichtet werden konnte. Mithilfe­des Steges werden Flächen außerhalb der Weide vor dem Betreten geschützt; gleichzeitig können Amphibien gefahrlos unter dem Steg queren. Auch aus gestalterischer Sicht ist der dadurch entstandene leicht erhöhte Rundweg positiv zu bewerten, da er vielfältige Ausblicke in die Landschaft ermöglicht. Insgesamt ergibt sich aus dieser Strategie ein doppelter Nutzen sowohl für den Naturschutz als auch für die Freiraumnutzung.

193

Neben Wasserbüffeln beweiden Przewalski-Pferde die „Wildnis“ an der Siedlung Heiterblick und sorgen für das charakteristische wilde Landschaftsbild.

Ein Holzsteg als Rundweg auf feuchtem Gelände stellt durch seine Erhöhung eine Betretungshürde für die angrenzenden sumpfigen Bereiche dar.

Die klar gestaltete Promenade an der Siedlungskante bildet den Kontrast zur „Wildnis“.

194

Beispiele guter Praxis

Riemer Wäldchen München-Riem Eingebettet in eine ökologisch orientierte Stadtteilerweiterung werden Waldentwicklung und die Stärkung des Biotopverbunds in einem freiraumplanerischen Gesamtkonzept umgesetzt.

Lage 13 km östlich des Stadtzentrums Flächengröße 20 ha Entstehungszeitraum seit 1997 Bauherr/Träger Landeshauptstadt München Planer/Büro Referat für Stadtplanung und Bauordnung München Kompensationscharakter Ausgleichsfläche für die Messestadt

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Das Areal des ehemaligen Verkehrsflughafens München-Riem wurde seit Mitte der 1990er Jahre im Rahmen verschiedener Wettbewerbe zu einem attraktiven Wohnstandort entwickelt und bietet zugleich Raum für die Neue Messe München sowie Gewerbebetriebe (vgl. LH München 2009). Die sogenannte Messestadt Riem, beispielhaft für nachhaltige Stadtentwicklung, wurde mit der Vorgabe entwickelt, trotz Überbauung umfangreiche Grünflächen zu sichern und unterschiedliche ökologische Anforderungen zu erfüllen (ebd.; LH München o. J.). Das heutige 20 Hektar große Riemer Wäldchen, das östlich an den neuen Stadtteil grenzt, wurde bereits im Jahr 1995/96 als ökologische Ausgleichsfläche für die Messestadt gesichert (LBV München o. J.; LH München 1995: 8). Zukünftig soll es noch deutlich erweitert werden, um den waldarmen Münchner Osten aufzuwerten (Burger 2012, mdl.). Südlich der Wohngebäude und des Messegeländes wurde zur Bundesgartenschau im Jahr 2005 der knapp 160 Hektar große Riemer Park entwickelt. Die Flächen wurden größtenteils über Bebauungspläne oder als stadteigene Flächen gesichert; zudem existiert ein Ausgleichskonto für die Messestadt Riem mit einzelnen ausgewiesenen Flächen (Burger 2012, mdl.).

Naturschutzfachliche Aspekte

Lage im urbanen Raum

Am Standort des heutigen Riemer Wäldchens auf dem ehemaligen Vorfeld des Verkehrsflughafens München-Riem befanden sich Schotterbereiche sowie die asphaltierte Start- und Landebahn. Aufgrund des kiesigen, durchlässigen Untergrunds besitzen die Böden nur eine geringe Speicherkapazität und sind überwiegend trocken (Burger 2012, mdl.). Auf der Fläche sind etwa 15 Hektar naturnaher Wald entstanden (LH München 1995: 8). Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, wurden zusätzlich Birken und Pappeln als Vorwaldarten gepflanzt, damit sich unter ihrem Schirm Eichen-Kiefern-Wälder sowie Eichen-Hainbuchen-Wälder als typische Vegetation entwickeln (Burger 2012, mdl.). Die ehemaligen Flughafenpisten wurden zu Lichtungen mit Magerrasenvegetation. Um die Entwicklung der Magerrasen zu fördern, wurde Oberboden abgeschoben und Mahdgut aus dem benachbarten Naturschutzgebiet „Garchinger Heide“ aufgebracht (LBV München o.J.; LH München o. J.). Neben den Magerrasen haben sich in den naturnahen Freilandbereichen auch SalbeiGlatthaferwiesen, Flechten- und Sukzessionsflächen gebildet (LH München 1995: 8).

landwirtschaftliche Flächen

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Beispiele guter Praxis

Auf dem Schotter soll sich Ruderalvegetation einstellen (Burger 2012, mdl.). Neben der Vernetzung von Magerrasenbiotopen wird durch neue Hecken und Krautfluren ein Beitrag zur Gehölzvernetzung geleistet. Aufgrund der vielfältigen Struktur und sowie der dort kartierten Arten wurde das Vorfeld als schützenswertes Biotop eingestuft (ebd.). Überdies wirkt das Riemer Wäldchen zusammen mit dem Riemer Park als Frischluftschneise in Ost-West-Richtung für die Belüftung des Stadkerns (LH München 1995: 11). Zusätzlich zur Entwicklung naturnaher Waldbereiche wurde der Lebensraum für die geschützte Wechselkröte verbessert: Geschaffen wurden Unterschlupfmöglichkeiten aus Feldsteinen sowie ein System aus Laichgewässern außerhalb und innerhalb des Waldes (Burger 2012, mdl.).

Gestalterische Aspekte Das naturnahe Riemer Wäldchen ist an das Gesamtkonzept für den Riemer Park angegliedert. Typische Elemente im Riemer Wäldchen sind geschwungene Wege, die die einzelnen Bereiche erschließen (Burger 2012, mdl.). Die Waldränder stehen im Kontakt zur weiten offenen Landschaft und sollen sich sanft darin einfügen (ebd.). Im Zentrum des Wäldchens befinden sich die belassenen Teile der alten Start- und Landebahn. Trotz vieler Veränderungen im Geländeniveau bleibt der Grundcharakter der typischen Münchner Schotterebene erhalten. Der angrenzende Riemer Park hingegen ist geometrisch überformt und stärker landschaftsarchitektonisch geprägt als das Wäldchen; die diagonale Ausrichtung der Pflanzungen orientiert sich streng an den historischen Flurgrenzen vor der Flughafenzeit (LH München o. J.). Im Jahr 2005 wurde der Riemer Park mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis ausgezeichnet (ebd.).

Zusammenfassende Darstellung Das Riemer Wäldchen grenzt sich deutlich vom angrenzenden Riemer Park ab; die Gestaltung des Wäldchens ist dezent und auf kleine Eingriffe reduziert, sodass seine Einbindung in die umgebende weite Landschaft gegenüber der künstlichen architektonischen Atmosphäre des Riemer Parks in den Vordergrund rückt. Diese Empfindung wird durch den fließenden und offenen Übergang des Wäldchens zur umliegenden Landschaft verstärkt. Trotz oder vielleicht sogar aufgrund der zurückhaltenden Gestaltung wird der Waldbereich sehr gut von der Bevölkerung angenommen und zur Naherholung genutzt (Burger 2012, mdl.). Im Bereich der Artenschutz- und Artenhilfsmaßnahmen scheinen jedoch die angelegten Tümpel wegen zu langer Trockenzeiten für die Wechselkröte eher ungeeignet zu sein. Um der Art zu einem Populationsanstieg zu verhelfen, wird eine Verbesserung der bisher unzureichend ausgeführten Maßnahmen notwendig sein (Sedlmeier 2008).

197

Blick vom Hügel im Riemer Park auf die Aufforstungen des Riemer Wäldchens. Die Münchner Schotterebene ist ansonsten eher baumarm.

Streng geometrisch modellierte Aufschüttungen beherbergen Abraum aus dem angrenzenden Riemer Park. Sie wurden mit standortgerechten Baumarten bepflanzt und entwickeln sich zu naturnahen Waldflächen.

Eine natürlich geformte Schneise in der Aufforstung erhöht die Struktur- und Artenvielfalt und schafft neue Blickbeziehungen.

198

Beispiele guter Praxis

Zentrale Bahnflächen München-Nymphenburg Ein integriertes Konzept zentrumsnaher Stadtentwicklung berücksichtigt Bebauung, Natur- und Artenschutz sowie Freiraumnutzung gleichermaßen.

Lage 2 km westlich des Stadtzentrums Flächengröße 173 ha Naturschutzrelevanz

Entstehungszeitraum seit 2005

Erschließung

Bauherr/Träger Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung Planer/Büro realgrün Landschaftsarchitekten, München Kompensationscharakter Ausgleich

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Im Jahr 1997 schlossen die Landeshauptstadt München und die Deutsche Bahn AG eine Rahmenvereinbarung über die Entwicklung der innerstädtischen Zentralen Bahnflächen (Bräu 2011). Infolge der Verlagerung von Güter- und Containerbahnhöfen zwischen dem Hauptbahnhof München und dem Bahnhof Pasing wurden rund 173 Hektar für neue Nutzungen frei (LH München 2005: 67). Gemäß den Planungen der Stadt sollten Wohnungen, Gewerbe, Infrastruktureinrichtungen und Erholungsflächen entstehen und gleichzeitig die vorhandenen ökologischen Potenziale und Freiraumqualitäten erhalten und weiterentwickelt werden. Insgesamt wurden 40 Prozent der Fläche für die Grünentwicklung vorgesehen (ebd.). Bereits seit dem

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Jahr 2005 wurde im Rahmen der Neustrukturierung entlang der Gleisstrecke gebaut (LH München o. J.). Durch diese Bautätigkeit wurden verschiedene seltene Tier- und Pflanzenarten gefährdet, die ihr Habitat im Bereich der Gleis- und Bahnanlagen hatten (LH München 2005: 68). Zum Schutz dieser Arten wurden möglichst große­und zusammenhängende Flächen der wertvollen Bahnbiotope erhalten. Ein weiteres übergeordnetes Ziel der Ausgleichsflächenentwicklung ist die Sicherung und Verbesserung des Biotopverbunds. Diese wird vom sogenannten Pionierpark, einem ruderal geprägten, linearen Freiraum übernommen (LH München 2008: 5, 8). Weitere zusammenhängende Ausgleichsflächen wurden angrenzend an die Bebauungsplangebiete auch im Nymphenburger Vorfeld in einem mit der bayerischen Schlösserverwaltung abgestimmten Gesamtkonzept entwickelt und angelegt. Der Pionierpark wird im Süden durch Bahnanlagen und im Norden durch die neu geschaffene Bebauung begrenzt und schließt an den neuen Arnulfpark, die Erweiterung des historischen Hirschgartens und den Nymphenburger Park an. Für den zentralen Bereich des Projektes Hauptbahnhof – Laim – Pasing stellt der Rahmenplan Grün die Durchgängigkeit der verschiedenen Grünstrukturen sowie die Fuß- und Radwegeverbindungen dar. Den Wettbewerb zur Freiraumgestaltung (Arnulfpark, Hirschgartenerweiterung) hat das Landschaftsarchitekturbüro realgrün gewonnen. Die Betreuung der Ausgleichsmaßnahmen wird vom Büro Karlstetter­und Haase begleitet (ebd.). Unter Einbeziehung der vorhandenen Bahnlandschaft wurde ein durchgehendes grünes Wegesystem vom Hauptbahnhof über den Nymphenburger Park bis nach Pasing entwickelt.

Lage im urbanen Raum

Naturschutzfachliche Aspekte Vor den Arbeiten gab es etwa 9 Hektar brachgefallene Bahnschotter- und Böschungsflächen mit vielfältiger Pioniervegetation. Nach der Umstrukturierung der Flächen konnten 5,3 Hektar der Bahnbiotope im neuen Pionierpark erhalten und als Ausgleich gesichert werden (Bräu 2011). Entlang der Bahnachse wurden stadtauswärts im Bereich der Langwieder Heide zusätzlich 20 Hektar neue Trockenbiotope auf ehemals intensiv genutzten Ackerflächen hergestellt (ebd.). Der Pionierpark als Zone der ökologischen Vernetzung wird von intensiver Erholungsnutzung frei-

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Beispiele guter Praxis

gehalten (LH München 2008: 8). Als Schirmart des Gebietes wurde die Zauneidechse identifiziert (vgl. Bräu 2011), deren Habitatbedingungen dementsprechend verbessert werden sollen (LH München 2008: 8). Folglich sieht die Pflege- und Entwicklungskonzeption für die ökologische Vernetzungszone vor, wiederkehrend Rohbodenverhältnisse neu zu schaffen, die Gehölzsukzession zu lenken und gezielt Habitate der Zauneidechse in die Ausgleichsflächen einzubringen. Lineare Pflanzungen aus standorttypischen Pioniergehölzen parallel zu den ehemaligen Gleissträngen sind als zusätzlicher Beitrag zur Biotopvernetzung vorgesehen. Ausgehend von diesem linearen Park wurden weitere Grünvernetzungen in die umliegenden Stadtteile geschaffen (ebd.: 8f). Neben den Maßnahmen für die Schirmart wird als weiteres Hauptziel die langfristige Sicherung der Artenvielfalt angestrebt (LH München 2005: 68), denn auf dem Areal kommen einige zum Teil stark gefährdete Arten vor, darunter beispielsweise der Idas-Bläuling, der sowohl bayern- als auch bundesweit stark gefährdet ist (Blahak 2012, mdl.; Bräu 2011). Ein im Jahr 2011 durchgeführtes Monitoring in Bezug auf die Zauneidechse hat ergeben, dass der Bestand der Art auch nach den Bauarbeiten in der gleichen Größenordnung stabil geblieben ist. Dies spricht für den Erfolg der durchgeführten Artenschutz- bzw. Hilfsmaßnahmen (Bräu 2011).

Gestalterische Aspekte Ein Gestaltungsschwerpunkt sind die Querungen und Zugänge, insbesondere im Bereich von Bahnbrücken und -unterführungen. Zwei parallele Wege entlang der Bahnstrecke führen längs durch die zentralen Bahnflächen. Fußgänger- und Radweg sind hier mit Pflasterstreifen optisch und funktional getrennt. Da die Trassen während der gesamten Bauphase als Baustraßen dienen, werden die beiden Wege allerdings vorerst nicht gebaut (Blahak 2012, mdl.). Innerhalb der einzelnen Bauabschnitte ist die Formen- und Gestaltsprache unterschiedlich: Die hochwertigen Quartierparks (dicht an der Bahnstrecke) sind mit innovativ gestalteten Anlagen für Freizeitsportler und hochwertiger Möblierung ausgestattet. Die Hirschgartenerweiterung wird von einem gepflegten Obsthain dominiert. Im Kontrast dazu steht die Ruderal- bzw. Industrienatur auf den Schotterflächen des Pionierparks. Diverse standorttypische Pioniergehölze bieten ein abwechslungsreiches Bild. Der bahnbegleitende lineare Pionierpark verbindet dabei die Quartierparks und vernetzt gleichzeitig die aus Sicht des Naturschutzes wertvollen Habitate (LH München 2008: 8).

Zusammenfassende Darstellung Die Zentralen Bahnflächen werden ganz unterschiedlichen Ansprüchen gerecht: Sie sind Erholungsort für Anwohner, bilden einen wichtigen Verkehrskorridor für Radfahrer und Fußgänger und sind zudem eine ökologische Vernetzungs- und Pufferzone zur verbleibenden Bahnstrecke. Reizvoll ist insbesondere der gestalterische Kontrast zwischen den intensiv genutzten Flächen, die der reinen Erholung dienen, und den extensiven Flächen des vernetzenden Pionierparks. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist bemerkenswert, dass der Fokus dort auf einer Zielart, der Zauneidechse, liegt. In Anlehnung an die Bedürfnisse der Art werden die Flächen weiterentwickelt und dadurch die Populationen gestärkt. Durch das Projekt der Zentralen Bahnflächen wird deutlich, dass es auch in dicht bebauten Innenstädten mit hohem Siedlungsdruck möglich ist, Naturschutz, Ästhetik und Freiraumnutzung sinnvoll und für alle Interessengruppen zufriedenstellend miteinander zu kombinieren.

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Neupflanzungen und Sitzmobiliar in der Hirschgartenerweiterung.

Das Radwegenetz folgt den öffentlichen Freiräumen entlang der Bahnstrecke bis in die zentralen Innenstadtbereiche.

Relikte früherer Nutzung wurden integriert.

Der Bewegungskorridor des Pionierparks führt durch artenreiche Trocken- und Schotterstandorte.

202

Beispiele guter Praxis

Grünzug Olbeschgraben Trier-Tarforst Nachhaltiger Umgang mit Niederschlagswasser und ökologische Aufwertung bilden die Themen bei der Gestaltung des Grünzugs in einer Neubausiedlung.

Lage 6 km nordwestlich des Stadtzentrums Flächengröße ca. 4 ha Entstehungszeitraum 2004–2005 Bauherr/Träger Stadt Trier Planer/Büro BGHplan – Umweltplanung und Landschaftsarchitektur, Trier Kompensationscharakter Ausgleich und Ersatz aus der Bauleitplanung

Naturschutzrelevanz

Erschließung

Gehölzstruktur

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung Seit den 1990er Jahren wächst die Stadt Trier, sodass die Nachfrage nach Wohnraum innerhalb des Stadtgebietes dauerhaft hoch ist (Stadt Trier 2012: 2; Heckel 2012, mdl.). Um dem abzuhelfen wurde in der Bauleitplanung die stadtplanerische „Entwicklungsmaßnahme Tarforster Höhe – Erweiterung“ festgelegt. Um die damit verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft zu kompensieren, mussten passende Ausgleichs- und Ersatzflächen gefunden und entsprechende Aufwertungsmaßnahmen entwickelt werden. Der in diesem Zuge neu entstandene öffentliche Grünzug Olbeschgraben im Stadtteil Tarforst ist nach der Bauleitplanung der Stadt Trier zugleich eine Kompensationsfläche für das angrenzende Neubaugebiet Östlich Olbeschgraben (Stadt Trier 1999: 21; Stadt Trier 2001: 3f). Der entstandene Freiraum dient den Bewohnern der angrenzenden Neubaugebiete als Grünverbindung sowie Erholungsfläche und nimmt als naturnahes Retentionssystem das anfallende Oberflächenwasser auf (Stadt Trier 2001: 6; Heckel 2012, mdl.). Regenwasserrückhaltung und -versickerung wurden vom Trierer Büro BGHplan – Umweltplanung und Landschaftsarchitektur GmbH (Bernhard Gillich und Christoph Heckel) als landschaftliches Gestaltungsthema aufgegriffen und sichtbar in öffentlich nutzbare Grünflächen integriert (Heckel 2011: 28).

Naturschutzfachliche Aspekte

Lage im urbanen Raum

Durch die Neubebauung wurden bis dahin überwiegend landwirtschaftlich genutzte­Flächen im stadtnahen Erholungsraum in Anspruch genommen und versiegelt. Wasserdurchlässige Oberflächenbeläge für Wege und Stellplätze konnten Teilfunktionen des Bodens auf begrenzter Fläche erhalten und die Schwere des Eingriffs leicht vermindern. Da ein Ausgleich durch Entsiegeln vor Ort jedoch nicht ausreichend möglich war, wurden Ersatzmaßnahmen festgesetzt. Zum einen wurde eine intensiv genutzte landwirtschaftliche Fläche in eine extensiv bewirtschaftete Grünfläche umgewandelt, zum anderen wurden 6,7 Hektar Kompensationsfläche aus einem anderen B-Plan über ein Ökokonto angerechnet. Nadelwald wurde in naturnahen Laubwald umgewandelt, Bäche wurden renaturiert und landwirtschaftliche Strukturen extensiviert. Rückhalte- und Versickerungseinrichtungen auf den privaten Grundstücken und in öffentlichen Grünzügen gleichen den erhöhten Abfluss des Oberflächenwassers aus, der durch die vermehrte Versiegelung entstanden ist (Stadt Trier 1999: 23ff). Der unmittelbare Verlust von Freiflächen für die Naherholung wird durch die Umgestaltung der öffentlichen Grünfläche am

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Beispiele guter Praxis

Olbeschgraben zum Stadtteilpark mit besonderer Bedeutung für Aufenthalt und Kinderspiel kompensiert (Stadt Trier 2001: 7). Mit seiner naturnahen Gestaltung und Pflege sowie der Schaffung von Retentionsbereichen übernimmt der Grünzug zugleich eine ökologische Ausgleichsfunktion, sodass ein flächenbezogener Ausgleichsbeitrag von 50 Prozent angerechnet werden konnte (ebd.).

Gestalterische Aspekte Die Anforderung, in dem Grünzug ökologischen Ausgleich und Naherholung miteinander zu vereinen, führte zu einer parkartigen Anlage mit zusammenhängenden, aber funktionsdifferenzierten Abschnitten (Heckel 2012, mdl.). Hier finden sich Aufenthaltsbereiche, Wege, Spielflächen sowie flache Mulden zur Regenwasserretention (Stadt Trier 2001: 13). Diese sind mit Rinnen und Überlaufgräben verbunden und bei Trockenheit als Spielflächen nutzbar (Heckel 2011: 28). Die vorgesehenen Raumfunktionen Niederschlagswasserretention sowie ökologischer Ausgleich fügen­sich somit unter dem Leitthema Naherholung und Kinderspiel harmonisch in die Freiflächen in und um den Olbeschgraben ein, wobei das Element Wasser eine besondere Rolle spielt (Stadt Trier 2001: 14). Die Randzonen wurden dicht bepflanzt, um den sehr unterschiedlichen Grundstücksbepflanzungen der angrenzenden Wohnhäuser einen einheitlichen Rahmen zu geben (Heckel 2012, mdl.). Einzelne Sickerterrassen sind im Hang durch Gabionen terrassiert, die durch die Verwendung von Schiefer die Weinbergmauern der umgebenden Kulturlandschaft zitieren (ebd.). Innerhalb des Grünzugs wird der Weg des Wassers von der Siedlung in die Landschaft thematisiert und gestalterisch umgesetzt: vom intensiv und linear gestalteten oberen Quartiersplatz über extensiv und natürlich gestaltete Übergangsbereiche bis zum naturnahen Bach des Olbeschgrabens im Tal (Heckel 2011: 28). Das Projekt wurde im Jahr 2009 mit einer Anerkennung beim Gottfried-Kühn-Preis für Landschaftsarchitektur ausgezeichnet.

Zusammenfassende Darstellung Der Grünzug Olbeschgraben in Trier-Tarforst zeigt eine vorbildliche und attraktive Lösung für ein erfolgreiches Regenwassermanagement auf der Fläche, die zugleich der Naherholung mit dem Schwerpunkt Kinderspiel Rechnung trägt. Im Vordergrund des Projektes steht die Gestaltung eines multifunktional nutzbaren Freiraumes, der die unterschiedlichen Aspekte von Erholungsnutzung, technischer Infrastruktur (Retentionssystem) und ökologischer Ausgleichsfunktion auf einer Fläche ressourcenschonend und kostengünstig verbindet.

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Das Thema Wasser prägt die gesamte Gestaltung des Grünzuges.

Die abwechslungsreichen, teils naturnahen, teils gestalteten Bereiche laden zum Forschen und Spielen ein.

Hintereinander liegende Mulden sammeln das Wasser und bieten unterschiedliche Standortbedingungen, an denen sich diverse feuchte und wechselfeuchte Lebensräume ausbilden.

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REGISTER

Abrissmaterial | 132, 144, 148, 168

ehrenamtliches Engagement | 93, 97, 128, 152, 160

Kienast, Vogt + Partner, Büro für Landschaftsarchitektur | 182

ag.u Lange - Landschaftsarchitektur und Umweltplanung | 136

Eingangsbereich | 83, 138, 148, 152

Kinderwald | 6

Entsiegelung | 109, 132, 144, 148, 168, 194

Kleingärten | 122ff

Akteursbeteiligung | 93, 97, 128, 144, 152, 160, 168

Entwurfsfeld | 18ff

Köln-Westhoven | 186

Alter Flugplatz | 16, 43, 168

Entwurfsweg | 18ff

Komplexität | 21ff

Erholungslandschaft | 57, 140, 156, 160, 182

Konversionsfläche | 168, 186, 190

Erlebnisraum | 6

Kulturlandschaft | 16, 39, 140, 156, 160, 182

Erosionsschutz | 130

Kulturpflanzen | 39, 128

Abgrenzung | 73

Andernach-Eich | 128 Andscapes | 13 Anthropozän | 11

Kunst im Freiraum | 103, 152, 170, 178

Apolda | 132

FFH-Gebiet | 160

ARGE Planungsbüro Förster und Maigrün | 136

Flächenkonkurrenz | 53

Landschaftsbild | 7

Frankfurt-Bonames | 168

Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140

Autobahndeckel | 140

Freiraumkorridor | 118ff, 122ff, 136, 140, 148, 152, 160, 174, 178, 182, 190, 198, 202

Landschaftsraum Kronsberg | 182

Bahnrelikte | 6, 144, 148, 152, 198

Fugmann Janotta, Landschaftsarchitektur und Landschaftsentwicklung | 148

Landwirtschaft | 53ff, 140, 156, 160, 182

Atelier Dreiseitl | 184 Atelier Loidl, Landschaftsarchitekten | 144

Bauleitplanung | 7, 202 Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), Freie und Hansestadt Hamburg | 117ff Berlin | 6, 136-159 Berlin-Kreuzberg | 144

Geschichtsspuren | 41, 118ff, 132, 140, 144, 148, 152, 168, 194 Gnüchtel Triebswetter Landschaftsarchitekten 168

Landschaftsschutzgebiet | 122ff, 152 Lebens-Welten | 128 Leipzig-Paunsdorf | 190 Lindenlaub, Karl Georg | 164 Magerrasen | 118ff, 132, 152, 164, 174, 180, 194

Berlin-Lichtenberg | 156

Grigoleit - Büro für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung | 136, 140

Berlin-Mitte | 148

Grün Berlin GmbH | 152

Berlin-Neukölln | 140

MSB – Meyer-Schramm-Bontrup, Landschaftsarchitekten | 174

Grüner Bogen Paunsdorf | 190

Berlin-Schöneberg | 152

München-Nymphenburg | 198

Grüner Ring Hannover | 38, 180

Berlin-Spandau | 136

München-Riem | 194

Grüngürtel Frankfurt | 17, 21, 168

Besucherlenkung | 77, 118ff, 144, 148, 152, 168, 186, 190

Grünzug Bullengraben | 136

Natur der vierten Art | 16

Grünzug Olbeschgraben | 202

Naturerfahrungsraum | 89, 122ff, 128, 144, 148, 152, 168, 190, 202

Häfner/Jiménez, Büro für Landschaftsarchitektur | 136

Naturerlebnis | 6

Hamburg | 118, 174

Naturkontakt | 73, 79, 85ff, 93, 122ff

Bildung für nachhaltige Entwicklung | 91, 128, 144, 148, 152, 168, 204

Hamburg-Finkenwerder | 174

Naturschutz 3.0 | 16

Hamburg-Rissen | 118

Naturschutzauffassung | 14ff

Binnendüne | 17, 118, 164, 174

Hannover | 6, 15, 178, 182

Naturschutzgebiet | 16, 118ff, 152, 160

Biodiversität | 7, 14, 33, 59, 61

Hannover-Bemerode | 182

Naturverständnis | 11ff

Biotopverbund | 21, 118ff, 136, 150, 156, 160, 178, 198

Hannover-Buchholz | 178

Nistmöglichkeit | 113, 128, 178

historische Landschaftsstrukturen | 37, 118ff, 122ff, 140, 160, 164, 174

nsp – Nagel, Schonhoff + Partner, Landschaftsarchitekten Stadtplaner | 178

Bremen-Rablinghausen | 164

IBA Emscher Park | 6

Nutztier | 39, 128, 142

Bremen-Walle | 122

Identifikation | 33, 61

Nymphenburger Park | 199

Buchholzer Bogen | 178

In den Wischen | 122ff

Beweidung, dauerhaft | 69, 142, 158, 160, 184, 190 Beweidung, temporär | 67, 154, 184, 188 BGHplan, Umweltplanung und Landschaftsarchitektur | 202

Blockland | 122 Bremen-Huchting | 160

Mauerstreifen | 140

Naturhaushalt | 7

Nutzgarten | 101, 128

Isernhagen | 15

Odious, Künstlergruppe | 152

demografischer Wandel | 132

Ökolandbau | 61, 128, 156, 182

Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) | 2, 8, 213

ÖkotopHeerdt | 6

Dynamik | 43ff

organizistischer Ansatz | 14ff Ortsgeschichte | 41, 118ff, 132, 140, 144, 148, 152, 168

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Park am Gleisdreieck | 16, 144

Vernetzung | 21, 27, 29, 51, 136, 160, 178, 198

Park am Nordbahnhof | 148

Vielfalt in der Agrarlandschaft | 59, 156, 182

Park links der Weser | 160

Vogelschutzgebiet | 160

Permakultur | 128ff Pflege durch Sportnutzung | 71, 118ff, 164

Wald, naturnah | 115, 128, 146, 152, 156, 168, 182, 186, 190, 194

Pionierstandorte | 47, 109, 118ff, 132, 146, 164, 168, 174, 198

Waldpark Marienhöhe | 118 Waller Fleet | 122ff

plancontext Landschaftsarchitektur | 156

Wartenberger Feldmark | 156

Planland/ÖkoCon | 152

Wassermanagement | 25, 31, 122ff, 136, 182, 186, 202

Pflege durch Nutzung | 63ff

poserplan, Landschaftsökologie, Landschaftsplanung | 190

Weidekonzept | 39, 67, 69, 168, 182, 190

Produktionsraum | 53ff

Weidinger Landschaftsarchitekten | 136

Pufferzone | 81, 124, 140, 176, 198

Weseruferpark | 164 Westhovener Aue | 186

realgrün, Landschaftsarchitekten | 198 Recycling | 105, 109, 111, 132, 144, 148, 152, 168, 194

Wiesen, extensiv | 138, 140, 148, 156, 160, 164, 168, 182, 186 Wietzeaue | 15

Relativer Universalismus | 12

Wildnis mit großen Weidetieren | 190

Riemer Wäldchen | 194

Wittenbergener Heide | 118

Ruderalfläche | 43, 49, 118ff, 132, 144, 148, 152, 168, 198

World of living things | 12ff

Rüschpark | 174

Zentrale Bahnflächen | 198

Sandpark Rissen | 118ff

Zonierung | 51, 79, 118ff, 122ff, 140, 144, 148, 152, 168, 190, 198, 202

Sandstrand | 166 Scherbelhaufen | 16, 132 Schöneberger Südgelände | 16, 152 Senator für Umwelt, Bau und Verkehr (SUBV), Hansestadt Bremen | 117ff Stadtentwicklung | 25, 132, 140, 174, 178, 182, 190, 194, 198, 202 Stadtökologie | 6 Störung | 43, 47, 49, 63, 67, 69, 71, 118ff Strukturvielfalt | 33, 59, 61, 122ff, 128, 156, 160, 168, 178, 182, 190 Sukzession | 6, 43, 49, 118ff, 132, 144, 148, 152, 164, 168, 198 Tempelhofer Feld | 13 Topotek 1, Landschaftsarchitekten | 136 traditionelle Bewirtschaftung | 33, 39 Trier-Tarforst | 202 Trittstein | 21, 29, 51 Ufergestaltung | 51, 122ff, 136, 156, 160, 164, 178, 186 Umweltbildung | 85, 89, 91, 128, 168 Unterschlupfmöglichkeit | 113, 128, 144, 148, 178, 194, 198, 202 Urban Gardening | 99

Zugangsbeschränkung | 83, 136, 144, 148, 152, 170, 190 Die fetten Seitenzahlen verweisen auf vertiefte Behandlung.

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ÜBER DIE AUTOREN

Martin Prominski (*1967); Landschaftsgärtnerlehre und Gesellenpraxis; 1996 Diplom in Landschaftsplanung, TU Berlin; DAAD-Stipendiat an der Harvard University, Graduate School of Design, 1998 Abschluss „Master in Landscape Architecture“; 1998–2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin, 2003 Promotion; 2003–2008 Juniorprofessor für „Theorie aktueller Landschaftsarchitektur“ an der Leibniz Universität Hannover und dort seit 2009 Professor für „Entwerfen urbaner Landschaften“. Er war 2006 Mitgründer und bis 2010 Herausgeber des Journal of Landscape Architecture (JoLA). Mitglied der Architektenkammer Niedersachsen (Landschaftsarchitekt), der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung sowie im STUDIO URBANE LANDSCHAFTEN, einer interdisziplinären Plattform für Forschung, Praxis und Lehre. Ko-Autor der Publikation Fluss.Raum.Entwerfen: Planungsstrategien für urbane Fließgewässer, erschienen 2012 bei Birkhäuser.

Malte Maaß (*1981); 2009 Diplom der Landschafts- und Freiraumplanung an der Leibniz Universität Hannover. Von 2007 bis 2010 Mitarbeit in einem Büro für Architektur, Landschaftsarchitektur und Städtebau. Seit 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Entwerfen urbaner Landschaften am Institut für Freiraumentwicklung der Leibniz Universität Hannover. Er ist Mitglied der interdisziplinären Plattform für Lehre, Forschung und Praxis STUDIO URBANE LANDSCHAFTEN.

Linda Funke (*1987); 2009 Bachelor of Science in Landschaftsarchitektur und Umweltplanung; 2011 Master of Science in Umweltplanung, beides an der Leibniz Universität Hannover. Von 2012 bis 2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Entwerfen urbaner Landschaften am Institut für Freiraumentwicklung und seit 2012 in der Abteilung Raumordnung und Regionalentwicklung am Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover tätig. Sie ist Mitglied im Jungen Forum der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) und als Geschäftsführerin des Arbeitskreises „Mind the Gap! – Kooperationen und Selbstverständnisse in der räumlichen Planung“ tätig.

Christina von Haaren (*1954); Studium und Promotion an der Technischen Universität Hannover (Dipl. Ing. Landespflege), anschließend 6 Jahre Praxis im Planungsbüro; Vertretungsprofessorin an der Universität Kassel. Seit 1998 Lehrstuhl für Landschaftsplanung und Naturschutz am Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover. Die Arbeitsschwerpunkte umfassen Methoden, Planungs- und Umsetzungsinstrumente des Naturschutzes, den Einsatz neuer Technologien in der umweltbezogenen Entscheidungsunterstützung und Partizipation sowie Bioenergie im Kontext der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums. Sie war von 2000 bis 2008 Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung, seit 2002 als dessen stellvertretende Vorsitzende. Seit 2007 ist sie ordentliches Mitglied der Akademie für Raumordnung und Landesplanung, seit 2009 Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des von Thünen-Instituts (vTI), seit 2011 des Beirates der Bundesanstalt für Gewässerkunde und seit 2012 der Senatskommission Agrarökologie der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Roswitha Kirsch-Stracke (*1956 im Sauerland); Studium der Landespflege in Essen und Hannover, Diplom 1981; selbstständig tätig 1982-1994 in Hessen, Niedersachsen und NRW, vielfach in interdisziplinären Teams, Schwerpunkte: Ökologische Gutachten, Vegetationskartierung, Naturerleben im besiedelten Bereich, dörfliche Freiraumkultur. Seit 1992 wissenschaftliche Angestellte am Institut für Landschaftspflege und Naturschutz, heute Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover. Schwerpunkte in Lehre und Forschung: Landschaft als Lern- und Erlebnisraum, Umgang mit historischen Kulturlandschaften, Dorfentwicklung. Gründungsmitglied des Forums für GenderKompetenz in Architektur Landschaft Planung an der LUH; Mitbegründerin des Netzwerks „Frauen in der Geschichte der Gartenkultur“ im deutschsprachigem Raum; aktiv in der landschaftsbezogenen Kulturarbeit in Südwestfalen.

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DANKSAGUNG

Dieses Buch ist das Ergebnis eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Forschungsprojektes, das von Januar 2012 bis Oktober 2013 am Institut für Freiraumentwicklung der Leibniz Universität Hannover bearbeitet wurde. Wir möchten uns bei der DBU für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken, insbesondere bei Dr. Reinhard Stock für seine konstruktive Unterstützung. Das Forschungsprojekt hatte zwei Kooperationspartner: die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) in Hamburg mit der Abteilung Landschafts- und Grünplanung sowie den Senator für Umwelt, Bau und Verkehr (SUBV) in Bremen mit der Abteilung 3 – Natur und Wasser. In diesen beiden Städten durften wir mit den Mitarbeitern aus der Verwaltung unsere Forschungsideen diskutieren und an realen Projekten entwerferisch testen, was das Ergebnis entscheidend vorangebracht hat. Hierfür möchten wir uns ganz herzlich bedanken – in Hamburg bei Hans Gabányi, Klaus Hoppe, Silke Lucas und Hans Stökl für die umfangreichen Erläuterungen zum Hamburger Freiraum- und Biotopverbundsystem sowie die konstruktiv-kritischen Anregungen zum Entwurf des Trockenlebensraumverbundes Hamburg-Rissen; in Bremen bei Georg Musiol, Thomas Knode und Peter-Bernd Hentschel für die intensive Unterstützung bei Terminen vor Ort und bei der entwerferischen Arbeit für die Kleingartengebiete im Bremer Westen (Waller Fleet). Weiterhin waren beratende Fachexperten in das Forschungsvorhaben eingebunden. Ganz herzlichen Dank an Prof. Dr. Christina von Haaren (Institut für Umweltplanung, Leibniz Universität Hannover), Karin van Schwartzenberg (Leiterin des Fachbereichs Umwelt und Stadtgrün, Landeshauptstadt Hannover) und Dr. Henrik Schultz (Stein + Schultz – Stadt-, Regional- und Landschaftsplanung, Frankfurt am Main), an die wir uns jederzeit mit Fragen wenden konnten und deren konstruktive Kritik beim Halbzeit-Workshop des Forschungsprojektes uns entscheidend für die folgenden Arbeitsphasen weitergebracht hat. Zuletzt möchten wir uns bei unseren studentischen Hilfskräften bedanken, die uns mit ihren Fähigkeiten und ihrem Einsatzwillen begeistert haben: bei Annegret Birner-Brandhoff für das Recherchieren und Korrekturlesen, und bei Florian Depenbrock für die Unterstützung bei den Entwürfen und Visualisierungen.

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BILDNACHWEIS

S.24 u.: Heckel, BGH Plan Trier S.25: Blahak, Stadt München S.31: Heckel, BGH Plan Trier S.38 u.: Kosack, Stadt Andernach S.68 u.: Betcke, Häfner Jimenez Berlin S.69: Poser, Poserplan Bad Gandersheim S.78 u.: Kleinschmidt, buero kleinschmidt Berlin S.89 u.r.: Kleinschmidt, buero kleinschmidt Berlin S.96 u.l.: Heuer, Huchting-Archiv Bremen S.96 u.r.: Heuer, Huchting-Archiv Bremen S.98 u.: Kosack, Stadt Andernach S.101: Kosack, Stadt Andernach S.151 o.: Kleinschmidt, buero kleinschmidt Berlin S.151 m.: Kleinschmidt, buero kleinschmidt Berlin S.151 u.: Kleinschmidt, buero kleinschmidt Berlin S.189 m.: Wessel, Bürgerverein Westhoven Köln S.201 u.l.: Blahak, Stadt München S.201 u.r.: Blahak, Stadt München S.205 o.: Heckel, BGH Plan Trier S.205 m.: Heckel, BGH Plan Trier S.205 u.: Heckel, BGH Plan Trier Alle restlichen Abbildungen: Institut für Freiraumentwicklung, Leibniz Universität Hannover