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German Pages [493] Year 2014
Cyril Brosch Untersuchungen zur hethitischen Raumgrammatik
Topoi Berlin Studies of the Ancient World Edited by Excellence Cluster Topoi
Volume 20
De Gruyter
Cyril Brosch
Untersuchungen zur hethitischen Raumgrammatik
De Gruyter
ISBN 978-3-11-030899-0 e-ISBN 978-3-11-030935-5 ISSN 2191-5806 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen o Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
IV
Für Agatha & Wilm
Vorwort
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine in Details, aber nicht in der prinzipiellen Anlage überarbeitete Fassung meiner von Jörg Klinger (FU Berlin) und Wolfgang Hock (HU Berlin) betreuten Dissertation „Zum Ausdruck von Räumlichkeit im Hethitischen aus vergleichender Sicht“, die 2011 im Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin eingereicht und verteidigt wurde (Tag der Disputation: 16.12.2011). Die Arbeit bedeutet eine Art interdisziplinären Spagat, denn sie versucht, sowohl die Hethitologie als auch die Allgemeine Sprachwissenschaft (Typologie, Kognitivistik) als auch die Indogermanistik anzusprechen. Sie erfasst nach Möglichkeit alle räumlichen Ausdrucksmittel des Alt- und Mittelhethitischen und stellt sie aus Sicht der drei genannten Disziplinen dar; Redundanz ist hierbei natürlich nicht völlig zu vermeiden, aber auf das Nötige begrenzt. Doch nicht nur die Darstellung, sondern auch die Methoden von Philologie, synchronischer und diachronischer Sprachwissenschaft sind verschieden, meinem Eindruck zufolge zum Gewinn für das Gesamtverständnis dieses komplexen Feldes. Trotz des Rückgriffs auf moderne Theorien zur Raumgrammatik kann man im Hethitischen aber nicht die Tiefe und Vollständigkeit der bisher erarbeiteten grammars of space kontemporärer Sprachen erreichen, da das Verständnis toter Sprachen immer durch das erhaltene Korpus begrenzt ist und mehr Fragen, als man möchte, unbeantwortet bleiben müssen. Auch wenn ich mich bemüht habe, ein detailliertes Gesamtbild der hethitischen Raumgrammatik zu zeichnen, so besteht doch in verschiedener Hinsicht weiterer Forschungsbedarf. In erster Linie muss natürlich das Junghethitische als eigene diachrone Stufe ausgewertet werden, was hier aus Platzgründen nicht möglich war. Darüber hinaus haben sich aber im Verlauf der Untersuchun auch Einzelfragen ergeben, die vertieft werden müssen, dies betrifft z. B. in Bezug auf das Hethitische die Etymologie und spätere syntaktische Verwen dung der Ortsbezugspartikel =asta, im vergleichenden Rahmen die Entwicklung der Place Words in den luwischen („Luwic“) Sprachen und, von allgemeinem Interesse, eine genauere Chronologie der mittelhethitischen Texte. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, werde ich diesen und an deren Fragen in gesonderten Beiträgen nachgehen. An dieser prominenten Stelle ist es guter Brauch und angebracht, denen zu danken, die die Entstehung der Arbeit direkt oder indirekt ermöglicht und unterstützt haben. Mein erster Dank gilt dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und der Esperantic Studies Fundation für ihre Stipendien für ein Auslandssemester in Posen 2004–2005 bzw. das Fernstudium der Interlinguistik 2005–2008 ebenda, die wertvoll für meine wissenschaftliche Entwicklung und damit auch für die Dissertation waren. In entsprechender Weise danke ich auch meinen akademischen Lehrern und Betreuern (in alphabetischer, nicht chronologischer Reihenfolge) Heinrich Hettrich, Wolfgang Hock, Jörg
VORWORT
VII
Klinger und Gernot Wilhelm, die mir neben dem Wissen vor Allem die Begeisterung für die Fülle alter (und neuerer) Sprachen vermittelt haben, mit denen sich Indogermanistik und Altorientalistik befassen. Danken will ich – und somit kommen wir direkt auf die Arbeit zu sprechen – besonders dem Exzellenzcluster „Topoi. The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations“ in Berlin, der mir nicht nur mit einem Stipendum, sondern auch durch den Austausch mit interessierten Kollegen ideale Arbeitsbedingungen für das Promotionsprojekt bereitet hat und mich nun auch durch die Aufnahme des Buches in die eigenen Publika tionsreihe ehrt. Hervorzuheben ist unter den Fachkollegen ganz besonders Silvia Kutscher, der ich nicht nur das Verständnis der modernen Raumgrammatik, sondern auch eine erste Lektüre meines Manuskripts mit zahlreichen nützlichen Anmerkungen verdanke. Die Auszeichnung der Arbeit mit dem 2. Tiburtius-Preis der Berliner Hochschulen (10.12.2012) ehrt gerade auch sie und meine Betreuer. Ein Dank für Hilfe technischer Art gebürt den Machern der hervorragenden Schriftarten SemiramisUnicode (Gerfrid G. W. Müller), Ullikummi (Sylvie Vanséveren) und LuwhittA/B (Gunter Anders) sowie für die Abbildungen der Topological Relations Picture Series (TRPS) des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik Nimwegen, die zu einem optisch hoffentlich ansprechenden Bild der Arbeit beitragen. Der abschließende, größte und wichtigste Dank aber gebührt meiner Frau, auf deren Unterstützung immer Verlass ist und die so einen bedeutenden Anteil an der Entstehung aller meiner Arbeiten hat, und danken muss ich auch gewissermaßen unserem Sohn, dessen anste hender Geburtstermin die pünktliche Abgabe der Dissertation nach genau drei Jahren gewährleistete; sie beide bedeuten für mich den Rückhalt und die Erdung, die das echte Leben ausmachen. Berlin, im Dezember 2012 Nachbemerkung: Das Manuskript wurde bis März 2012 für den Druck vorbereitet, der sich unglücklicherweise verzögert hat. Nach diesem Termin wurden nur noch kleinere Änderungen und Verbesserungen vorgenommen.
VIII
VORWORT
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...........................................................................................................................VII Abkürzungen ..................................................................................................................XV 1 Einleitung .................................................................................................................. 1.1 Zu Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ............................................................ 1.2 Raum und Sprache .......................................................................................... 1.2.1 Zum theoretischen Rahmen .................................................................. 1.2.2 Die Inhaltskategorien der Raumgrammatik .......................................... 1.3 Raumsprache und Hethitisch .......................................................................... 1.3.1 Zur hethitischen Sprache ...................................................................... 1.3.2 Zur Forschungsgeschichte der hethitischen Raumausdrücke ............... 1.3.3 Philologisches und Methodisches .........................................................
1 1 2 4 9 14 14 27 30
2 Inventar und Verwendung der räumlichen Ausdrucksmittel ..................................... 2.1 Lokalkasus ...................................................................................................... 2.1.1 Direktiv (Allativ) .................................................................................. 2.1.1.1 Direktivisch ................................................................................ 2.1.1.2 Terminativisch ............................................................................ 2.1.2 Ablativ .................................................................................................. 2.1.2.1 Ablativisch .................................................................................. 2.1.2.2 Elativisch/Perlativisch ................................................................ 2.1.2.3 Statisch ........................................................................................ 2.1.3 Dativ-Lokativ ........................................................................................ 2.1.3.1 Inessivisch/Illativisch ................................................................. 2.1.3.2 Adessivisch/Allativisch .............................................................. 2.1.3.3 Direktivisch ................................................................................ 2.1.3.4 Separativisch (Dativ der betroffenen Person) ............................. 2.1.3.5 Endungsloser Lokativ ................................................................. 2.1.4 Akkusativ .............................................................................................. 2.1.4.1 Akkusativ der Erstreckung ......................................................... 2.1.4.2 Akkusativ des Weges .................................................................. 2.1.4.3 Akkusativ des Ziels/der Richtung ............................................... 2.1.4.4 Unklare Fälle ..............................................................................
35 38 42 44 45 47 49 50 52 53 58 60 64 65 67 69 70 71 73 75
INHALTSVERZEICHNIS
IX
2.1.5 Andere Kasus ........................................................................................ 76 2.2 Verben ............................................................................................................. 77 2.2.1 Syntaktisches ........................................................................................ 77 2.2.1.1 Althethitisch ................................................................................ 80 2.2.1.2 Älteres Mittelhethitisch .............................................................. 82 2.2.1.3 Jüngeres Mittelhethitisch ............................................................ 83 2.2.2 Morphologisches und Lexikalisches ..................................................... 85 2.2.2.1 Deiktische Verben ....................................................................... 86 2.2.2.2 Place Words als Präverbien ......................................................... 93 2.2.2.3 Ortsbezugspartikeln als Präverbien? .......................................... 98 2.3 Ortsbezugspartikeln ........................................................................................ 99 2.3.1 =an ........................................................................................................107 2.3.2 =apa ......................................................................................................109 2.3.3 =asta ......................................................................................................112 2.3.4 =ssan .....................................................................................................119 2.3.5 =kkan .....................................................................................................127 2.4 Lokale Adverbien und Place Words ................................................................138 2.4.1 Korrespondierende Place Words ...........................................................153 2.4.1.1 andan und anda ..........................................................................154 2.4.1.2 ser und srā ..................................................................................161 2.4.1.3 kattan und katta ..........................................................................168 2.4.1.4 āppan und āppa ..........................................................................172 2.4.1.5 peran und prā .............................................................................177 2.4.2 Nicht-korrespondierende Place Words ..................................................182 2.4.2.1 istarna, istarni= ..........................................................................183 2.4.2.2 katta(n), katti= ............................................................................184 2.4.2.3 priyan und p(ar)rānda ................................................................186 2.4.3 Sonstige Lokaladverbien .......................................................................190 2.4.3.1 andurz .........................................................................................190 2.4.3.2 manninkuwan ..............................................................................191 2.4.3.3 tuwa(-) ........................................................................................191 2.4.3.4 parz .............................................................................................194 2.4.3.5 kunna- und GÙB-la- ...................................................................194 2.4.4 Kombinationen von mehreren Place Words ..........................................195 2.4.4.1 Verbindungen mit arha ...............................................................196 2.4.4.2 Verbindungen mit awan ..............................................................203 2.4.4.3 Ausdruck von Quelle und Richtung ...........................................205 2.4.4.4 Korrelative Konfigurationen .......................................................206 2.4.4.5 Präzisierende Place Words ..........................................................207
X
INHALTSVERZEICHNIS
2.4.4.6 Weitere (lexikalisierte) Verbindungen ........................................208 2.5 Relationale Nomina und Körperteilbezeichnungen ........................................211 2.5.1 Ableitungen von erh(a)-/ar(a)h(a)- c. ‚Grenzgebiet, Umgrenzung‘ ....212 2.5.1.1 arha .............................................................................................212 2.5.1.2 arahz ...........................................................................................217 2.5.1.3 arahzanda ...................................................................................218 2.5.2 Ableitungen von āska- c. ‚Tor‘ .............................................................218 2.5.3 Ableitungen von hant- (Genus unklar) ‚Stirn, Vorderseite‘ ..................220 2.5.3.1 handa, handas .............................................................................220 2.5.3.2 hanti ............................................................................................220 2.5.3.3 hanz .............................................................................................221 2.5.4 menahhanda ..........................................................................................222 2.5.5 Ableitungen von tapus- n. ‚Rippe, Seite, Rand‘ ...................................225 2.5.6 Ableitungen von iskis- n. ‚Rücken, Rückseite‘ .....................................226 2.5.7 taksan ....................................................................................................227 2.6 Weitere sprachliche Mittel ..............................................................................228 2.6.1 Formen der Demonstrativpronomina kā-, apā- und a- .........................230 2.6.1.1 Formen von kā- ...........................................................................230 2.6.1.2 Formen von apā- ........................................................................234 2.6.1.3 Formen von a- ............................................................................236 2.6.2 Formen des Interrogativ-/Relativ-/Indefinitpronomens kui-/kuwa- ......238 2.6.2.1 kuez .............................................................................................238 2.6.2.2 kuwapi(t) .....................................................................................238 2.6.3 Dimensionale Adjektive ........................................................................240 2.6.4 Ableitungen von räumlichen Ausdrucksmitteln ...................................241 2.6.4.1 Adjektive ....................................................................................241 2.6.4.2 Verben .........................................................................................243 2.7 Exkurs: Die Fachsprache der Auguren ............................................................245 3 Die konzeptuelle Gliederung des Raums ..................................................................249 3.1 Lokalisation I: Kodierung von Statik ..............................................................249 3.1.1 Topologie ..............................................................................................250 3.1.1.1 Räumliches Implikationsmuster .................................................256 3.1.1.2 Die Basic Locative Construction ................................................257 3.1.1.3 ON-IN-Skala ...............................................................................259 3.1.1.4 Andere topologische Relationen .................................................267 3.1.2 Referenzrahmen ....................................................................................270 3.1.2.1 Absoluter Referenzrahmen .........................................................273 3.1.2.2 Intrinsischer Referenzrahmen .....................................................275
INHALTSVERZEICHNIS
XI
3.2
3.3 3.4 3.5
3.1.2.3 Relativer Referenzrahmen ..........................................................278 3.1.3 Toponyme .............................................................................................280 3.1.4 Positionsverben .....................................................................................282 3.1.4.1 Objekte ........................................................................................284 3.1.4.2 Personen und anthropomorphe Objekte .....................................286 Lokalisation II: Kodierung von Bewegung .....................................................288 3.2.1 Dynamische Ausdrücke für die Kategorien aus 3.1.1 ...........................289 3.2.2 Bewegungsverben (Lexikalisierungsmuster) ........................................298 Maßangaben ....................................................................................................304 Deixis, Phorik und Perspektive .......................................................................305 Nichträumlicher Gebrauch räumlicher Ausdrücke .........................................310 3.5.1 Temporal ...............................................................................................311 3.5.2 Sonstiger Gebrauch ...............................................................................314
4 Zur Vorgeschichte der hethitischen Raumgrammatik ...............................................321 4.1 Morphologische Ausdrucksmittel ...................................................................325 4.1.1 Kasusendungen .....................................................................................325 4.1.1.1 Direktiv ......................................................................................326 4.1.1.2 Ablativ ........................................................................................331 4.1.1.3 Dativ-Lokativ ..............................................................................338 4.1.1.4 Akkusativ ....................................................................................340 4.1.2 Affixe ....................................................................................................341 4.1.3 Enklitika ................................................................................................343 4.1.3.1 =an ..............................................................................................349 4.1.3.2 =apa ............................................................................................351 4.1.3.3 =asta ...........................................................................................352 4.1.3.4 =ssan ...........................................................................................353 4.1.3.5 =kkan ..........................................................................................354 4.1.4 Selbständige Wörter ..............................................................................356 4.1.4.1 Verben .........................................................................................356 4.1.4.2 Place Words ................................................................................359 4.1.4.3 Andere Adverbien .......................................................................378 4.1.4.4 Weitere Ausdrucksmittel .............................................................385 4.2 Syntaktische Ausdrucksmittel .........................................................................391 4.2.1 Kasusgebrauch ......................................................................................391 4.2.2 Rektion und Apposition: Die Entwicklung der Place Words ................397 4.2.2.1 Vom Uranatolischen zum Hethitischen ......................................397 4.2.2.2 Vom Urindogermanischen zum Uranatolischen .........................404 4.2.2.3 Zusammenfassung ......................................................................414
XII
INHALTSVERZEICHNIS
4.2.3 Weitere syntaktische Phänomene ..........................................................416 4.3 Eine indogermanische Grammar of Space? ....................................................417 5 Zusammenfassung .....................................................................................................421 Literatur .........................................................................................................................427 Ausgewertete alt- und mittelhethitische Texte ..............................................................453 Register der besprochenen Textstellen ...........................................................................459 Resumo: Esploroj pri la spaca gramatiko de la hitita lingvo .........................................471 Streszczenie: Badania nad gramatyką przestrzeni w języku hetyckim ..........................473 Abstract: Studies on the Grammar of Space of Hittite ...................................................475
INHALTSVERZEICHNIS
XIII
Abkürzungen1
Alphabetische Abkürzungen Abl.
Ablativ
ABoT
Balkan (1948).
aH
althethitische Sprachstufe
ahd.
althochdeutsch
ai.
altindoarisch
air.
altirisch
aisl.
altisländisch
Akk.
Akkusativ
aksl.
altkirchenslawisch
Akt.
Aktant / Aktiv
ark.
arkadisch-griechisch
arm.
altarmenisch
aS
althethitische Schrift
av.
avestisch
bsl.
baltoslawisch
c.
Genus commune
CHD
Chicago Hittite Dictionary: L-N = Güterbock/Hoffner (1980–1989); P = Güterbock/Hoffner (1997); Š = Güterbock† et al. (2002), (2005).
CTH
Catalogue des textes hittites, Internet-Version: S. Košak – G. G. W. Müller, hethiter.net/: Catalog (2011–12–30).
Dat.
Dativ
DBH
Dresdner Beiträge zur Hethitologie, Dresden.
Dir.
Direktiv
enkl.
enklitisch
FHG
Laroche (1951/1952).
FHL
Durand/Laroche (1982).
FN
Flussname
frz.
französisch
Gen.
Genetiv
germ.
germanisch
GHL
Hoffner/Melchert (2008).
1 Nicht aufgeführt sind diejenigen Abkürzungen, die im allgemeinen Rechtschreib-Duden oder in der Bibliographie linguistique (Tol/Olbertz 2006) aufgeführt sind oder die lediglich um die Adjektivendung -isch gekürzt sind, sowie Zusammensetzungen mit bekannten Abkürzungen (z. B. altheth. = althethitisch).
ABKÜRZUNGEN
XV
GN
Göttername
gr.
altgriechisch
H
beliebiger Laryngal
heth.
hethitisch
HdO
Handbuch der Orientalistik, Leiden – Boston.
HED
I/II = Puhvel (1984); III = Puhvel (1991); IV = Puhvel (1997); V = Puhvel (2001); VI = Puhvel (2004); VIII = Puhvel (2011).
HEG
I = Tischler (1977, 1978, 1980, 1983); II = Tischler (1990, 1991a, 2001a, 2004, 2006); III = Tischler (1991b, 1993, 1994); IV = Tischler (2010).
HG
Hinterglied
HHCTO
Ünal (1998).
HHT
Riemschneider (1974).
HKM
Alp (1991).
hluw.
hieroglyphen-luwisch
HT
King (1920).
hurr. 2
HW
hurritisch I = Friedrich†/Kammenhuber (1975–1984); II = Friedrich†/Kammenhuber (1988); III = Friedrich†/Kammenhuber (1991–1998), Friedrich† et al. (2000– 2010).
IBoT
İstanbul Arkeoloji Müzelerinde bulunan Boğazköy Tabletleri(nden Secme Metinler), Istanbul.
XVI
Instr.
Instrumental
idg.
indogermanisch
iir.
indoiranisch
it.
italienisch
jH
junghethitische Sprachstufe
jS
junghethitische Schrift
K
beliebiger Velar
KBo
Keilschrifttexte aus Boghazköi, Leipzig/Berlin.
kluw.
keilschrift-luwisch
KUB
Keilschrifturkunden aus Boghazköi, Berlin.
l. Rd.
linker Rand (einer Tafel)
lat.
lateinisch
LIV
Rix et al. (2001).
Lok.
Lokativ
LP
Lokalpartikel (= Relator, ≠ Ortsbezugspartikel)
mH
mittelhethitische Sprachstufe
mind.
mittelindoarisch
mS
mittelhethitische Schrift
ABKÜRZUNGEN
myk.
mykenisch-griechisch
Nom.
Nominativ
n.
Genus neutrum
ngr.
neugriechisch
OBP
Ortsbezugspartikel(n)
ON
Ortsname
pal.
palaisch
Pl.
Plural
PN
Personenname
PW
Place Word(s)
Rs.
Rückseite (einer Tafel)
R(x)
Wurzel mit dem Ablautvokal x
ṚV
Ṛg-Veda
Sg.
Singular
StBoT
Studien zu den Boğazköy-Texten, Wiesbaden.
StMed
Studia Mediterranea, Pavia.
sum.
sumerisch
T
beliebiger Dental
them.
thematisch
toch.
tocharisch
tr.
transitiv
ugs.
umgangssprachlich
uns.
unsichere formale oder Bedeutungsbestimmung
VBoT
Goetze (1930).
Vs.
Vorderseite (einer Tafel)
VSNF 12
Jakob-Rost (1997).
Zirk.
Zirkumstant
Glossen außerhalb der Leipzig Glossing Rules C
Genus commune
D/L
Dativ-Lokativ
KOLL
Kollektivum
OBP
Ortsbezugspartikel
PTK
Partikel (außer OBP oder „“)
VS
Verbalsubstantiv
„“
Partikel der zitierten Rede
ABKÜRZUNGEN
XVII
Nummerierungen Belegsätze, Abbildungen und Tabellen sind mit einer Kombination aus Kapitelnummer und laufender Nummer, verbunden durch ein – eindeutig auffindbar: 1.3.1-1, Abb. 1.2.2-1, Tab. 2-1 usw.
Anführungszeichen ‚ ‘ dienen der Bedeutungsangabe von Lexemen oder Lexemverbindungen, z. B. e/as-zi ‚sein‘ „ “ werden hingegen für die Übersetzungen konkreter Wortformen, Phrasen oder Sätze verwendet, z. B. ēszi „ist“, sowie zur Angabe von Begriffen ohne Rückgriff auf konkrete Ausdrücke
Pfeile ⇒ verweist auf ein Kapitel, z. B. (⇒1.3.3) = s. Kapitel 1.3.3 → verweist auf ein Beispiel, bei Beispielen im selben Kapitel wird auf die Kapitelnennung und den Bindestrich verzichtet, z. B.: →2.2.1-2b = s. Kapitel 2.2.1, Bsp. 2b; →7 = s. Bsp. 7 in diesem Kapitel
XVIII ABKÜRZUNGEN
1 Einleitung
1.1 Zu Zielsetzung und Aufbau der Arbeit Als eine Grammar of space1 hat die vorliegende Arbeit zum Ziel, das System der hethitischen Raumgrammatik, d. h. die Räumlichkeit bezeichnenden lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Ausdrucksmittel, synchron zu beschreiben, typologisch zu vergleichen und diachron zu erklären und so diesen Aspekt der hethitischen Sprache für Anatolisten, Typologen und Indogermanisten aufzubereiten. Gemäß dieser Agenda wird im zweiten Kapitel das Inventar und die Verwendung der räumlichen Ausdrucksmittel des Hethitischen dargestellt, der Aufbau orientiert sich also an den Kategorien der hethitischen Sprache. Datengrundlage hierfür ist ein Korpus von rund 2360 vollständigen Sätzen mit räumlichem Bezug aus alt- und mittelhethitischen Originaltexten.2 Im dritten Kapitel hingegen werden sprachvergleichend festgestellte Muster der Raumgrammatik auf ihre Realisation im Hethitischen hin untersucht, der Aufbau orientiert sich also an sprachunabhängigen Universalien und Tendenzen. Im vierten Kapitel wird es unternommen, die wichtigsten hethitischen Ausdrucksmittel – sowohl lexikalische als auch syntaktische – im Vergleich mit anderen anatolischen und altindogermanischen Sprachen zu etymologisieren und somit die Entwicklung des raumsprachlichen Systems und der daran beteiligten Ausdrücke vom rekonstruierten Urindogermanischen zum belegten Hethitischen nachzuvollziehen. Es ist zu betonen, dass das Kapitel kein etymologisches Wörterbuch sämtlicher raumbezogener Ausdrücke im Hethitischen ist, sondern die wichtigsten Stämme exemplarisch vorstellen und v. a. die systematischen Beziehungen beleuchten soll. Die Bedeutung der jeweils erzielten Ergebnisse für die drei beteiligten Disziplinen wird im zusammenfassenden fünften Kapitel dargestellt. Da sich diese Arbeit an eine heterogene Zielgruppe wendet, werden durch das einleitende erste Kapitel dem Hauptteil einige Bemerkungen allgemeiner Art vorausgeschickt, einerseits zum Thema Raum und Sprache (⇒1.2), andererseits zu Geschichte, Überlieferung und zum Charakter der hethitischen Sprache (⇒1.3.1).3 Zur Erleichterung des Verständnisses ist zudem ein Großteil der Sprachbeispiele in den Kapiteln 2, 3 und 4 nach den gängigen Konventionen glossiert (vgl. auch Kap. 1.3.3). Eine kurze Forschungsgeschichte der hethitischen Raumausdrücke findet sich in Kapitel 1.3.2. 1 S. zu diesem Begriff Levinson/Wilkins (2006a). 2 S. Kap. 1.3.3 für die Begründung der Korpusauswahl. Heth. gilt zwar als Großkorpussprache, ist aber quantitativ nicht mit den klassischen altindogermanischen Sprachen wie Ai., Gr. und Lat. vergleichbar. Gut sichtbar wird dies beim Blick z. B. auf das Korpus von Hettrich (2007: VI), das nicht weniger als 27600 ṛgvedische Sätze umfasst. 3 Eine analoge Einführung in Methoden und Praxis der indogermanischen Sprachwissenschaft als Verständnishilfe für Kap. 4 ist hier nicht möglich, es gibt jedoch eine fast unüberschaubare Fülle neuerer Einführungen in das Fach.
EINLEITUNG
1
Die vorliegende Arbeit geht über die traditionelle, eher praktisch als theoretisch ausgelegte Grammatik, wie sie in Indogermanistik und Altorientalistik noch weit verbreitet ist, hinaus, indem sie neuere Ansätze zum sprachlichen Ausdruck von Räumlichkeit berücksichtigt. Dies bedeutet jedoch keineswegs eine Abkehr von der traditionellen Art und Weise der Sprachbeschreibung, sondern eher eine Erweiterung, denn die bedeutenden neuen Beiträge zur Raumgrammatik beziehen sich, wie in den Kapiteln 1.2 und 3 deutlich wird, auf die abstrakten Ebenen kognitiver Kategorisierungen und weniger auf konkrete Formen oder syntaktische Regeln, die wie bisher dargestellt werden können. In dieser Arbeit werden andere moderne Methoden wie die lexikalische Dekomposition oder generativistische Syntax bewusst ausgeklammert, da sie einerseits innerhalb der Vergleichenden Sprachwissenschaft keineswegs Allgemeingut sind und andererseits der traditionellen Beschreibung weder überlegen sind noch m. E. generell dem Wesen der Sprache gerecht werden.
1.2 Raum und Sprache In den Altertumswissenschaften wurde der Komplex des sprachlichen Ausdrucks von Räumlichkeit bisher v. a. unter den praktischen, durch die Übersetzung bedingten Aspekten be trachtet. Da es aber a priori nicht selbstverständlich ist, dass sich die Repräsentationen des Raumes in bezüglich Abstammung, Zeit, Ort oder Gesellschaftsstruktur ihrer Trägerkultur verschiedenen oder auch verwandten Sprachen ähneln müssen oder können, muss zunächst eine theoretische Basis für die Erstellung einer Raumgrammatik gelegt werden, bevor das Hethitische unter diesen Gesichtspunkten beschrieben werden kann. Die drei wichtigsten Fragen sind hierbei: 1. Inwieweit äußert sich Raum in Sprache: Welche Aspekte der physikalisch vermessbaren Welt finden sich in den menschlichen Sprachen wieder? 2. Auf welche Weise werden diese räumlichen Aspekte ausgedrückt: Welche grammatischen und lexikalischen Kategorien kommen hierbei zur Anwendung? 3. Sind diese Kategorien universell für alle Sprachen: Finden sich statt Zufall und Willkür wiederkehrende Muster, entweder auf einer abstrakten Ebene oder in Form ganz konkreter Ausdrücke? Zur ersten Frage: Ganz allgemein betrachtet kann der Raum Zweck oder Mittel der Aussage sein. Als Zweck einer Beschreibung (s. dazu Kap. 3, Einleitung) handelt es sich bei ihm entweder um eine Lokalisation (Lokalisierung), also die Positionsangabe für ein Objekt, das im Diskurs eine Rolle spielt, oder um eine Maßangabe, also die Nennung der räumlichen Di mensionen eines Objekts. Solche räumlichen Ausdrücke können aber ebenso ein Mittel sein, entweder zur Aufmerksamkeitssteuerung in virtuellen Räumen (z. B. Textdeixis, ⇒3.4), oder um andere, abstraktere Kategorien, allen voran die Zeit, aber z. B. auch Gefühle, auszudrü cken (zur Metaphorik s. u. ⇒3.5).
2
EINLEITUNG
Es ist ein bekanntes Paradox,4 dass die Räumlichkeit als obligatorische oder auch nur diskrete Kategorie, von den gestaltabhängigen Klassifikatoren mancher Sprachen einmal abgesehen, in vielen Sprachen der Welt, besonders in denen Eurasiens, keinen Ausdruck findet, obwohl sie zweifelsohne einen der grundlegenden, wenn nicht sogar den wichtigsten Be standteil der Umwelt und der Wahrnehmung des Menschen darstellt. Man vergleicht dagegen die Zeit, deren sprachlicher Ausdruck Tempus in vielen Sprachen eine unverzichtbare Kategorie des Verbums ist. Vielleicht ist dieser Vergleich aber unangemessen, denn während Zeit zumindest in der menschlichen Kognition eine Linie, also eindimensional ist, ist der Raum dreidimensional und damit vielfältiger, als es eine Sprache möglicherweise ausdrücken kann. Statt eine einzige separate Kategorie zu bilden, findet sich der Raum vielmehr überall in der Sprache wieder, was jede beliebige Textprobe, z. B. dieser Absatz, zeigt, wo es ohne beson dere stilistische Bearbeitung schon eine Fülle von wörtlich und besonders von übertragen gebrauchten Raumausdrücken gibt, ohne die man generell kaum einen einzigen längeren Satz bilden könnte. Räumlichkeit ist somit auch für Sprache grundlegend, 5 wenn auch nicht als Teil ihres Regelsystems, auf das sich die Sprachwissenschaft bisher überwiegend konzentriert hat, sondern als Teil des Wortschatzes. Die zweite oben genannte Frage, nach den konkreten Kategorien des räumlichen Ausdrucks, wird unten zusammen mit dem hethitischen Material in Kapitel 2 für die Ausdrucksund in Kapitel 3 für die Inhaltsseite behandelt. Es wird sich zeigen, dass sich die einzelnen Sprachen sowohl in der Kategorisierung als auch in deren konkreter Ausformung nicht besonders ähnlich sein müssen (Levinson 2003: 110 f.) – gegen manche frühere Vermutung (z. B. Wunderlich 1982: 10; vgl. die Kritik bei Senft 1992: 30). Dies führt unmittelbar zur dritten Frage nach der Universalität: Wie bereits im Zusammenhang mit den Farbbezeichnungen in den Sprachen der Welt gezeigt wurde (Berlin/Kay 1969, Kay/McDaniel 1978), ist die Frage der klassischen Universalienforschung, ob es universelle Kategorien in der Sprache gibt, entweder schlicht zu verneinen oder vielmehr dahingehend zu modifizieren, dass man fragt, welche universellen Prinzipien die einzelsprachliche Kategorienbildung lenken (Dahl 1987: 147–149). Eine Voraussetzung ist hier freilich, dass man die grundsätzliche Gültigkeit der Prototypensemantik (s. Rosch 1978, Mangasser-Wahl 2000) anerkennt. So gründet sich die Wahrnehmung und somit Versprachlichung des Raumes zwar auch auf kognitiven Universalien (⇒1.2.2), ihre konkrete Ausformung wird aber durch eine Fülle von Faktoren aus dem Bereich von Umwelt, Kultur und sicher auch Zufall beeinflusst. Das dadurch jeweils einzigartige Sprachsystem und die Raumkognition seiner Sprecher beeinflussen sich in der Folge wiederum gegenseitig (Levinson/Wilkins 2006b: 1 f.). Wenn diese Erkenntnis für alle Bereiche der menschlichen Sprache gilt, wird die wohlbekannte De4 Vgl. neben vielen Wunderlich (1985a: 340), dort auch zu den Klassifikatoren. 5 Vgl. Richardson et al. (2001: 873): „Cognitive linguistics and experimental psychology have produced tantalizing hints that a substantial portion of language is encoded in the mind in the form of spatial representations that are grounded in perception and action.“
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batte zum sprachlichen Determinismus6 möglicherweise weitgehend gegenstandslos, da es wohl gar keine einfache Ja/Nein-Antwort auf diese Frage geben kann.
1.2.1 Zum theoretischen Rahmen Die folgenden Anmerkungen sind keine kritische Forschungsgeschichte, die versucht, die seit etwa 1980 äußerst lebendigen und umfangreichen wissenschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Raumsprache lückenlos zu protokollieren,7 sondern sollen nur einen Überblick über wichtige Tendenzen in der raumbezogenen Linguistik geben und die Wahl der kogniti ven Linguistik als theoretischen Modells der Sprachbetrachtung in dieser Arbeit begründen. Obwohl sich die Philosophie und andere Wissenschaften schon seit der Antike mit Raum beschäftigen, ist sein sprachlicher Ausdruck dabei außerhalb der recht jungen Linguistik bis heute nicht Gegenstand der Betrachtung geworden, 8 was sicher mit dem einleitend erwähnten scheinbaren Paradox seiner mangelnden sprachlichen Verbindlichkeit zusammenhängt. Dabei können sprachliche Befunde durchaus wichtige Beiträge zu anderen Disziplinen leisten, z. B. ist die physikalisch/philosophische Frage, ob Raum eigentlich ein Be hälter für Objekte (nach I. Newton) oder die Relation von Objekten (so G. W. Leibniz) ist, 9 in den meisten Sprachen der Welt zugunsten der zweiten Möglichkeit entschieden (s. Levinson/Wilkins 2006b: 3). Objekte erzeugen also (nicht nur) aus sprachlicher Sicht Raum (vgl. Svorou 1994: 13 f.). Auch in der ursprünglich ja historischen Sprachwissenschaft wurde Räumlichkeit die meiste Zeit nicht als eigener Problemkreis wahrgenommen, sondern nur Teilaspekte im Rahmen anderer Kategorien behandelt, z. B. Ortsnamen als Teil der Onomastik oder Nähe vs. Ferne im Zusammenhang mit Deixis (vgl. Brugmann 1904 zu Demonstrativpronomina). Dabei wurde der Raum aber auch nicht als solcher diskutiert, sondern stillschweigend als feste Größe vorausgesetzt, man nahm also nicht an, dass seine Wahrnehmung sich in einem sprachlich relevanten Maße unterscheidet. Selbst, als besonders in den 1930ern in der Debatte zwischen Hjelmslev (1935/1937) und Jakobson (1971b) um die schon früher aufgekommene 6 Zu der bis auf Wilhelm von Humboldt zurückgehenden sog. Sapir-Whorf-Hypothese, laut der die Struktur der Muttersprache die Kognition und das Denken eines Menschen bestimmt und beschränkt (woraus folgt, dass sich Menschen verschiedener Muttersprachen nie völlig verstehen können), vgl. z. B. Lee (1996). – Interessanterweise haben sich gerade die kognitivistischen Arbeiten wieder mit dem für einige Zeit rundweg ab gelehnten Sapir-WhorfKomplex beschäftigt, auch wenn sie eher von gegenseitigem Einfluss sprechen (z. B. Bower man/Choi 2001: 475– 478). 7 Für Bibliografien, wenn auch älteren Datums, s. Guimier (1981), Huppertz (1991) und Schreuder et al. (1992), für eine knappe Zusammenfassung der Geistesgeschichte zum Raumverständnis s. Levinson (2003: 6–18). 8 Vgl. Klein (1993: 194, Fn. 5). Zum Raum in der Philosophie s. Gosztonyi (1976), zu theologischen Aspekten s. z. B. Nißlmüller/Volp (1998), zu biologischen und kulturellen s. Hall (1976). Überwiegend psychologisch bzw. neurolinguistisch ausgerichtet ist Buhl (1996). 9 Nach A. Einstein ist Raum zwingend dreidimensional und materiell, leere Räume könne es nicht geben (Schweizer 1985b: 2).
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EINLEITUNG
Frage, ob die abstrakten (grammatischen) Kasus wie Nominativ und Akkusativ etymologisch und/oder konzeptionell auf konkrete (lokale) Kasus wie den Lokativ zurückgehen (Lokalismus10), der Raum als „Denkeinheit“ auftauchte, wurde nicht die Frage danach gestellt, was eigentlich Raum dabei bedeute. In der Indogermanistik spielt das Thema auch heute noch keine Rolle, von isolierten Arbeiten11 abgesehen. Von größerer Bedeutung für die weitere Forschung waren die entwicklungspsychologischen Arbeiten zum (Raum-)Spracherwerb von J. Piaget, B. Inhelder u. a. aus den 1940erJahren (deutsch in Piaget et al. 1971). Eine wirkliche Wende hin zu einer durchgängigen und umfassenden Beschäftigung mit der Versprachlichung von Räumlichkeit trat erst mit dem Aufkommen neuerer Strömungen in der allgemeinen Sprachwissenschaft, besonders der Typologie, um die 1970er ein. Dabei entfalteten sich nach den ersten Grundlagenstudien (z. B. Miller/Johnson-Laird 1976, Johnston/Slobin 1979) und Überblicksartikeln (z. B. Wun derlich 1982, Talmy 1983) zwei große Richtungen: Dominant war in den 1980ern die generativistisch-formalistische Strömung der lexikalischen Dekomposition (vgl. allgemein Bierwisch 1982), die seit Mitte der 1990er aber generell an Bedeutung verloren hat. Ursprünglich nur daneben (z. B. Talmy 1983), verstärkt ab den frühen 1990ern und heute in großer Ver breitung, begann die stärker auf Empirie fußende kognitive Linguistik (vgl. als aktuelle Einführung Schwarz 2008) mit der Erforschung des Raumes. Diese knappe Charakterisierung soll nicht den Eindruck größerer Gegensätze zwischen den genannten Forschungsrichtungen erwecken, als tatsächlich existieren: Auch die lexikalische Dekomposition ist je nach Spielart mehr oder weniger „kognitiv“, aber, indem sie neben der Prototypensemantik auch einen unmittelbaren Einfluss der Wahrnehmung auf die Sprachstruktur ablehnt, eben nicht „kognitivistisch“. Andere theoretische Modelle spielten im Vergleich keine bedeutende Rolle, 12 entsprechend beschränkt sich der folgende Überblick auf die heute aktuelle kognitive Linguistik und die sonstige, zeitlich größtenteils früher liegende Forschung. Ihrer Anlage gemäß versuchte die Strömung der lexikalischen Dekomposition, lokale Ausdrücke in Merkmalbündel aufzulösen (z. B. auf = ‚[+Superposition], [+Kontakt]‘) und auf diese Weise die semantischen Bausteine des Raumlexikons zu ermitteln und beispielsweise die durch Präpositionen ausgedrückten Relationen formal als Funktionen darzustellen (z. B. λx λy L(x) є Präp*(y), Klein 1990: 32). Dies führte zu eher kleinteiligen und sprachspezifischen Diskussionen, z. B. ob ein semantisches Atom „ Weg“ unabdingbar für Bewegungsverben und einige topologische Präpositionen (um, durch, entlang) sei (so Wunderlich 1985a: 10 Eine ausführliche Forschungsgeschichte zu dieser linguistischen Denkrichtung findet sich in der lokalistischen Kasusgrammatik von Anderson (1996), für Gegenargumente s. Ikegami (1984), Wunderlich/Herweg (1991) und Schultze-Berndt (1993). 11 Vgl. Erhart (1993). Sein apriorischer „panchronischer“ Ansatz von neun Kasus (Illativ, Inessiv/Lokativ, Elativ/ Partitiv, Akkusativ, Nominativ, Genetiv, Allativ/Dativ, Adessiv/Assoziativ (Instrumental), Ablativ) funktioniert in der Praxis nicht recht, z. B. in Bezug auf die sekundären Lokalkasus des Litauischen (s. Hoskovec 1998: 68 f., dort auch zu Hjelmslev und Jakobson). Vgl. auch Kap. 4.3. 12 Für eine semiotisch orientierte Sicht auf den Raum s. Wenz (1997). Die Grammatikalisierungsforschung (s. u.) ist hier nicht vergleichbar, da sie weitgehend unabhängig von der synchronen Analyse der Sprache ist.
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348–350, 1990: 46 f.), oder aber nicht (Klein 1990: 18). Es gab aber auch (ebenso von den Kognitivisten gestellte) prinzipiellere Fragen, z. B. ob die konzeptionelle Ebene der Räum lichkeit zusammen mit der Zeit nur eine Instanz einer abstrakteren Ebene ist (Wunderlich/ Herweg 1991: 785) oder ob Zeit als Raummetapher verstanden wird (⇒5.2). Diskutiert wurde auch, ob die Relationen von Lokatum und Relatum zwischen den Objekten selbst 13 bestehen (Wunderlich 1990) oder ihren Räumen (Klein 1990, 1993). Da, wie bereits einleitend erwähnt wurde, Objekte Raum(einteilungen) erzeugen – nämlich eine Randregion, deren Einnehmen als Berührung interpretiert wird, sowie eine Nachbarschaftsregion ohne Berührung, aber mit Nähe, sowie bei Behälterobjekten eine Innenregion (Wunderlich 1982: 5 f.) –, ist hier ein Kompromiss denkbar: Das Lokatum, also das zu lokalisierende Objekt, wird als solches gesehen, das Relatum (also das Referenzobjekt) hingegen als strukturierter Raum. Senft (1992) äußert in Anbetracht der vorherigen Forschung die berechtigte Kritik, dass deiktische u. a. räumliche Ausdrücke isoliert und nur selten im Kontext betrachtet (1992: 14) und außerdem kaum haltbare Raum-Universalien angesetzt werden, obwohl eine universelle Theorie zur Raumkognition weiterhin fehlt (Senft 1992: 30). Tatsächlich abstrahierten die Sprachwissenschaftler fast ausschließlich anhand des Englischen, zu dem eine Reihe Überblicksdarstellungen und Einzelstudien erschienen sind (z. B. Herskovits 1986 und die Sam melbände Jarvella/Klein 1982, Pick/Acredolo 1983), bisweilen auch in Bezug auf das Deutsche (vgl. Schweizer 1985a, Ballmer/Posner 1985). Abgesehen davon, dass die lexikalische Dekomposition in der Praxis schon in Bezug auf einfache Phraseologismen versagt, wie z. B. rote Socke i. S. v. ‚Kommunist, Linksextre mer‘, der sich nicht aus den einzelnen Eigenschaften von rot und Socke erklären lässt, haftet ihr auch der theoretische Makel an, dass letztlich nicht zu beweisen ist, ob die von ihr angenommene, von der Kognition unabhängige Ebene der sprachlichen Konzeptualisierung für das Sprechen eine Bedeutung hat oder überhaupt existiert. 14 So bleibt im Allgemeinen die Frage unbeantwortet, woher die Semantik bei Sprache und Spracherwerb kommen soll, wenn nicht aus der Kognition, wie im Speziellen im hiesigen Zusammenhang unklar bleibt, was die allgemeingültigen Eigenschaften der Raumsprache sind. Für das Verständnis außereuropäischer Sprachen ist dieses theoretische Modell daher nicht von Nutzen. Ein Beispiel für die mangelnde Universalität vieler Arbeiten ist die Bezeichnung des intrinsischen Referenzrahmens (⇒3.1.2) als „frozen deixis“ (z. B. bei Wunderlich 1985b: 67, Klein 1990: 21), also als Ableitung des deiktischen (= relativen) Referenzrahmens. Während aber intrinsische Lokalisation bis auf marginale Ausnahmen in jeder Sprache bekannt ist, machen viele Sprachen keinen Gebrauch von der relativen, auf die Sprecherposition gestützten Lokalisation, die sich vielmehr als sekundär (sozusagen „frozen intrinsic“) erweist. 13 Gemeint ist hier und in vergleichbaren Fällen natürlich jeweils die sprachliche Repräsentation der Denotate. 14 Ökonomie (gegenüber der „Polysemieinflation“ der Prototypensemantik, s. Herweg 1989: 105 f.) ist keine ausreichende Begründung. Fruchtbringender könnte hingegen die sog. Natural Semantics Metalanguage von Anna Wierzbicka sein, die sich auf eine breite typologische Basis stützt (vgl. Wierzbicka 1992, Goddard 1998).
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Größeren Erfolg bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Raum“ verspricht eine Kombination aus anderen neueren Forschungsrichtungen, die teilweise aufeinander aufbauen,15 Prototypensemantik, Typologie und kognitive Linguistik. Zusammengenommen bilden diese ein Konzept, nach dem sich Bedeutungen um einen festen Kern mit zunehmender Diffusion zum Rand hin bilden, unter dem bestimmenden Einfluss der Wahrnehmung der Umwelt, die von zahlreichen unterschiedlichen Faktoren bestimmt wird. Da Sprache von anderen Sprechern erlernt und nicht von jedem Kind neu erschaffen wird, sind ihre Strukturen natürlich konventionalisiert, prinzipiell aber nicht unabhängig von der Kognition und somit auch veränderlich. Von besonderer Bedeutung für die vergleichende Erforschung des Raumausdrucks ist die Forschungsgruppe „Language and Cognition“ am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nimwegen unter Leitung von S. C. Levinson, die in den vergangenen Jahren eine beachtliche Anzahl von typologisch und kognitiv orientierten Untersuchungen veröffentlicht hat.16 Eine weitere wichtige Persönlichkeit auf diesem Gebiet ist L. Talmy, 17 von dem u. a. eine bis heute diskutierte und angewandte Typologie der Bewegungsverben stammt (⇒3.2.2). Die Anwendung der Prototypensemantik auf die Kasustheorie findet sich bei Dahl (1987), vgl. u. (⇒2.1, ⇒3, Einleitung). Für die Plausibilität eines kognitiven Ansatzes sprechen Testergebnisse wie die von Neumann/Widlok (1996, vgl. allgemeiner Levinson 2003: 123–169) beschriebenen: Ein Experiment mit der spiegelbildlichen Anordnung gerichteter Figuren zeigt, dass Sprecher von Sprachen mit absolutem bzw. relativem (deiktischem) Referenzrahmen (⇒3.1.2) auch im nicht-sprachlichen Bereich eine absolut bzw. deiktisch beeinflusste Wahrnehmung haben – der enge Zusammenhang von Sprache und Kognition ist also nicht zu leugnen.18 Als zentral für die Verarbeitung des Raums hatte Talmy (1983: 258) bereits früh Kategorisierungen von Situationen nach fertigen Schemata (⇒1.2.2) festgestellt, wobei diese Kategorien z. T. schon allgemein bekannt waren (s. z. B. Wunderlich 1985b: 72 f.), denn es war klar, dass gleiche Bedeutung (z. B. frz. dans, dt. in) nicht gleiche Verwendung implizieren muss, z. B. heißt es im Deutschen auf der Straße (Kategorisierung als Oberflächenobjekt), mit dem Bus, im Französischen aber dans la rue (Behälterobjekt), im Englischen on the bus. Diese Einteilungen können auch kulturell bedingt sein (s. Premper 1993, 130). Wie Fillmore (1983: 318 f.) anmerkt, ist eine solche Kategorisierung allein für die Wahl der Präposition aber noch nicht ausreichend, sondern es muss auch die Funktion beachtet werden. So finden sich die englischen Wendungen on the bus, in church, at school in dieser Form nur zur Be15 Vgl. jedoch z. B. Fillmore (1982), der prototypische Bedeutungen annimmt, zugleich aber eine formalisierte No tation verwendet, ohne Bezug auf die Kognition, ebenso der typologisch arbeitende Skopeteas (2007). 16 Vgl. Bowerman/Levinson (2001), Levinson (2003), Levinson/Wilkins (2006a), Brala (2007) und für eine komplette Literaturliste die Aufstellung auf der Internetseite der Forschungsgruppe (http://www.mpi.nl/institute/researchdepartments-groups/language-and-cognition-dep [2012–10–30]). 17 Vgl. Talmy (1983, 1985, 2000, 2007). 18 Eine Gegenposition findet sich allerdings bei Li/Gleitman (2002).
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schreibung der „üblichen“, zweckgemäßen Verwendung der Objekte und sind weitgehend lexikalisiert, vgl. dagegen in the bus, in the church, at the school, mit denen diese Orte zur Lokalisierung in weniger typischen Situationen bezeichnet werden. Die wohl wichtigste Erkenntnis dieser Forschung ist aber, wie bereits oben angesprochen, dass sich Universalien wie in anderen Bereichen der Sprache auch in Bezug auf den Ausdruck räumlicher Relationen nur auf einer abstrakten, kognitiven Ebene finden, die höher als die Dichotomie von Inhalt und Ausdruck liegt, woraus sich auf der unteren Ebene der konkreten Sprachformen eine Fülle verschiedener Ausdrucksweisen ergibt (Levinson/Wilkins 2006c: 512–514). Diese Universalien machen sich z. B. in Form von Hierarchien bemerkbar, z. B. kennt jede Sprache, die unterschiedliche Adpositionen für „bei“ und „auf“ hat, auch eine eigene Adposition „in“ (⇒3.1.1.1). Von Bedeutung ist weiterhin, dass spatiale Ausdrücke oft weniger objektiv-dimensionale, sozusagen mathematische Operatoren (Wunderlich/Herweg 1991: 785) sind, sondern ihre Auswahl durch funktionale Aspekte und Perspektive bestimmt wird (Vandeloise 1991, Coventry/Garrod 2004), wie v. a. an außereuropäischen Sprachen gezeigt werden kann. Der theoretische Rahmen und die Methodik der kognitiven Linguisten, die ihre Primärdaten durch Feldforschung gewinnen,19 hat sich bei der Anwendung auf dutzende Sprachen als tragfähig erwiesen, steht angesichts der vielen noch unerforschten Phänomene und Idiome allerdings noch eher am Anfang der Forschung, so dass in den nächsten Jahren mit weiteren Ergebnissen zu rechnen ist, zumal die Thematik des Raumes weiterhin aktuell ist, wie der Forschungsverbund, in dessen Rahmen die vorliegende Arbeit entstanden ist, zeigt. Ein Beispiel für eine der vielen möglichen Einzelstudien ist Skopeteas (2007), der den Ausdruck von Superposition in unverwandten Sprachen untersucht hat. Dabei zeigten sich vier verschiedene Typen: Typ a.), dem die meisten Sprachen in Europa angehören, unterscheidet konsequent nach [±Kontakt], verwendet also Entsprechungen zu dt. auf und über. Typ b.), z. B. Koreanisch oder Akkadisch, hat hierfür einen gemeinsamen Ausdruck, unterscheidet also keine Hyponyme. Typ c.) kann nur eines der Unterkonzepte gesondert ausdrücken, während für das andere der allgemeine Ausdruck mitverwendet wird – so kennt z. B. Babungo (Niger-Kongo) allgemeines „oben“ und „auf“, aber kein „über“ (umgekehrt in altaischen Evenki). Typ d.) schließlich ist ein Mischtyp, z. B. macht das Neugriechische mit explizitem Relatum, also bei der Verwendung von Präpositionen, eine Unterscheidung zwischen „auf“ (πάνω σε) und „über“ (πάνω από), in adverbiellem Gebrauch jedoch nicht (πάνω ‚oben, darauf, darüber‘).20 Der Raum war von jeher für die Grammatikalisierungsforschung von Interesse. 21 Gerade auch Einzeluntersuchungen, z. B. Stolz (1992) zu den Lokalkasus und Svorou (1994, vgl. Ähnliches aber schon bei Kahr 1975) zu den Ausdrücken für „vor“ und „hinter“, haben ge19 Als Stimuli für die Informanten dienten dabei nonverbale Darstellungen, z. B. die Topological Relations Picture Series (TRPS) des erwähnten MPI in Nimwegen (71 einfache Bilder mit räumlichen Relationen in verschiedenen Konfigurationen) oder die Bildergeschichte Frog, where are you? von M. Mayer, s. Levinson/Wilkins (2006b: 8–15). 20 Für kritische Anmerkungen zur Umsetzung dieser Typologie s. Kap. 3.1.2.1, S. 274, Fn. 29. 21 Vgl. z. B. Lehmann (1995: 66–92) und allgemein Heine et al. (1991), Hopper/Closs Traugott (2003).
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zeigt, dass der Sprachwandel räumlicher Ausdrucksmittel nicht zufällig verläuft, sondern gewissen sog. Grammatikalisierungskanälen folgt, die wiederum eher abstrakter Natur sind, 22 wobei aber nicht vorhergesagt werden kann, welches dieser Mittel eine Sprache bei der Erneuerung z. B. der Kasusendungen tatsächlich verwendet (Stolz 1992: 115–117), vgl. unten (⇒2.1).
1.2.2 Die Inhaltskategorien der Raumgrammatik „The dimensions languages pick out are just those dimensions the human perceptual apparatus is tuned to pick out“ (H. H. Clark bei Lang 1989: 150)
Da die Sprachen der Welt bei der Beschreibung des Raumes nicht nur vielfältig sind, sondern auch nur wenige gemeinsame Nenner, d. h. konkrete Universalien kennen, 23 ist es für diese sprachvergleichende Studie sinnvoll, die abstrakten Universalien (s. u.) kurz zu skizzieren und die konkreten Manifestationen gleich anhand des Hethitischen zu untersuchen. Seine Raumgrammatik wird in Kapitel 2 gemäß den Ausdrucksmitteln strukturiert dargestellt und im darauf folgenden Kapitel 3 zu den hier besprochenen Kategorien in Bezug gesetzt. Angesichts der unendlichen Vielfalt räumlicher Konfigurationen überrascht es im Grunde nicht, dass sich Sprachen in ihrem Ausdruck nicht besonders ähnlich sind: Sie können aus ökonomischen Gründen nur eine endliche Zahl von sprachlichen Kategorien und Ausdrucksmitteln besitzen. Und um dennoch in akzeptabler Weise Räumlichkeit beschreiben zu können, müssen sie hinreichend ähnliche Konfigurationen in größeren Abteilungen zusammenfassen, sog. Schemata (s. Talmy 1983: 258, vgl. auch Vorwerg 2001). Vereinfachungen und Ungenauigkeiten sind bei dieser Schematisierung freilich nicht zu vermeiden, wobei je nach Konzeptualisierung einzelne Konfigurationen mit verschiedenen Schemata beschrieben werden können (z. B. engl. over/across the mountains; Talmy 1983: 264–266). Sie können auch völlig konventionalisiert sein (vgl. engl. on the bus vs. in the car; Talmy 1983: 267–269). Wie Fillmore (1983: 315 f.) daher richtig anmerkt, werden die Schemata nicht aus der Konfiguration abstrahiert, sondern ihr auferlegt, so sind z. B. bei einem einfachen Bild aus mehreren Punk ten, die nacheinander anzusteuernde Orte darstellen, verschiedene Schemata möglich (horizontale oder vertikale Umsetzung des Bildes in eine Figur, u. a.). Diese Schema ta ermöglichen auch eine gute Demonstration der kognitiven Grundlagen der menschlichen Sprache: Da sie sich anhand der alltäglichen Umwelterfahrungen herausgebildet haben, sollten die fertigen Schablonen übliche Konfiguration ausdrücken, aber nicht unbedingt solche, die in 22 Übliche Quellen für räumliche Relatoren sind relationale Substantive, Körperteilbezeichnungen, Umgebungsmarken und bestimmte Serialverben (Svorou 1994: 69–73, 109–113, Stolz 1992: 104–106, Hagège 2010: 151–172). Postpositionen können sich auch zu Kasusendungen weiterentwickeln. 23 Anscheinend findet sich nicht einmal überall eine Entsprechung zu einem grundlegenden Konzept wie „auf“, vgl. Levinson/Wilkins (2006c: 520–522).
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der Natur nicht vorkommen. Und in der Tat fehlt zumindest in den mir bekannten Sprachen für die Relation des punktförmigen Lokatum mit der Halbellipse in der folgenden abstrakten Figur ein passender Ausdruck. Wenn man nicht auf eine umständliche Umschreibung zurückgreifen möchte, könnte man nur unspezifisches „bei“ verwenden:
Abb. 1.2.2-1 | Unnatürliche Konfiguration ohne schematisch ausdrückbare Relation
Die Schemata sind natürlich nicht auf die statische Lokalisation beschränkt, gerade bei komplexen Bewegungen können verschiedene Bestandteile herausgegriffen werden und pars pro toto die Gesamtsituation ausdrücken. So heißt es im Deutschen durchs Fenster einbrechen mit Perlativ, während im Englischen der Ort der Einwärtsbewegung („beim Fenster“) und im Japanischen der Ausgangspunkt der Bewegung („vom Fenster her“) genannt wird (Ikegami 1987: 132 f.). Dem Menschen stehen keine absoluten Koordinaten zur Verfügung, ebenso fehlen in den Sprachen der Welt Ausdrücke, die exakte Entfernungen angeben (Wunderlich 1985b: 67). Um ein Objekt zu lokalisieren, also es vom Hörer finden zu lassen, muss der Sprecher es daher in Relation zu einem dem Hörer bekannten oder kognitiv leichter zugänglichen Referenzobjekt bringen.24 Das zu lokalisierende Objekt wird in dieser Arbeit als Lokatum (auch: Figur/figure,25 Lokalisatum, trajector), das Referenzobjekt als Relatum (auch: Hintergrund/ ground, Lokus, landmark) bezeichnet; auf den Ausdruck von Relationen spezialisierte Wörter, z. B. Adpositionen (s. dazu umfassend Hagège 2010), heißen Relator (auch: Lokalisator). Exkurs: Auf Basis sonst scheinbar nicht erklärbarer Beispielsätze wie Kant ist in Spanien bekannt und Unter dem Dach ist es warm kommt Klein (1993: 201–204) zu dem Schluss, dass Adpositionalphrasen nicht die Relation zweier Objekte bezeichnen, sondern Prädikativa sind, die die Eigenschaften von Räumen ausdrücken: Der Ort, wo Kant berühmt ist, ist „in Spanien“, der Ort, wo es warm ist, ist „unter dem Dach“. Die Fälle mit zwei Objekten wie Die Tasse steht auf dem Tisch seien nur Sonderfälle des allgemeineren Schemas: Der Ort, wo die Tasse steht, ist „auf dem Tisch“. Doch sei ne S. 201 f. aufgeführten Sätze sind m. E. keine geeigneten Belege, handelt es sich doch gar nicht um klassische Lokalisationen, sondern Aussagen (Kant ist bekannt, Es ist warm), deren Geltungsbereich durch eine Lokalisation eingeschränkt wird. Sätze wie »Der Ort, wo die Tasse steht, ist „auf dem Tisch“« verschieben tatsächlich das Problem der Lokalisation nur, die Phrase „auf dem Tisch“ 24 S. Fillmore (1982: 36), Svorou (1994: 8) u. v. a. Weitere Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Lokalisation sind nach Klein (1994: 165) neben dem Verständnis der Ausdrücke („linguistische Bedeutung“) noch eine gemeinsame Vorstellung des Raumes („Raumstruktur“), sowie die Ergänzung der eigentlichen Bedeutung aus dem Kontext. 25 Die aus der Gestalttheorie übernommenen Termini „Figur“ und „Hintergrund“, wobei Figuren „gegenständliche, strukturierte, abgeschlossene, symmetrische Objekte“ und Hintergründe „diffuse, formlose, unstrukturierte, kontinuierliche Wahrnehmungen“ sind (Wenz 1997: 38), sind weit verbreitet, ich ziehe aber die theorieneutralen Bezeichnungen vor.
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muss weiterhin analysiert werden, und zwar als Referenzpunkt mit Suchbereich. Letztendlich ist es dann nur noch terminologische Geschmackssache, ob man das klassische „Ausdruck einer Relation“ durch expliziteres „Eigenschaft, die auf einen Referenzpunkt mit Suchbereich verweist“ ersetzen möchte.
Relata sind, wie besonders die Gestalttheorie betont, idealerweise unbeweglich oder in der gegebenen Situation zumindest unbewegt und größer als die Lokata, in jedem Fall müssen sie eine höhere Salienz aufweisen (vgl. Svorou 1994: 11, Buhl 1996: 65 f.). Bisweilen kann aber auch die Thema-Rhema-Gliederung bei der Zuordnung von Lokatum und Relatum von Bedeutung sein (s. Lutzeier 1985: 94). Die Relata können nach Svorou (l994: 15–17) in Bezug auf ihre Regionen in drei grundlegende Typen eingeteilt werden: Innere Regionen (Behälterobjekte), die gänzlich oder teilweise nach außen abgeschlossen sein können, äußere Regionen (Oberflächenobjekte), deren Reichweite von Größe, Umgebung und Gebrauch des Objekts und Distanz zu anderen Relata abhängt, sowie Regionen an sich (Felder, Länder usw.). Manche Objekte (z. B. Städte, Seen) können dabei verschieden konstruiert werden. 26 Es muss auch beachtet werden, dass die Relationen keine exakten Punkt-zu-Punkt-Beziehungen sind. Relatoren wählen vielmehr eine Region oder den Teil einer Region des Relatums aus, den sog. Suchbereich/search domain (s. Leys 1989: 99 f., nach Langacker 1987), in dem sich das Lokatum komplett oder überwiegend und zu einem relevanten Zeitpunkt befinden muss. Ein Beispiel: In dem Satz Das Glas steht auf dem Tisch wird das Lokatum Glas durch Bezug auf das Relatum Tisch lokalisiert, die Relation wird dabei zugleich von der Präposition auf als auch von dem Positionsverb steht ausgedrückt. Dieses einfache Beispiel illustriert die auch für andere Sprachen gültige Feststellung, dass Räumlichkeit in den meisten Fällen nicht durch ein einziges Mittel, sondern durch die Kombination verschiedener Elemente ausgedrückt wird (vgl. Klein 1990: 17 f., Sinha/Kuteva 1995, Levinson/Wilkins 2006b: 6). Es gibt nun kein absolutes,27 aber ein bewegliches Koordinatensystem, das auf der elementaren Wahrnehmung des Menschen beruht, wobei Vertikalität (bedingt durch die Schwerkraft) und Transversalität („vorne“ vs. „hinten“, nach der Ausrichtung der Sinnesorgane) als grundlegend anzusehen sind (Schweizer 1985b: 2), während Horizontalität (i. e. S., also „rechts“ vs. „links“) nicht universal ist (Klein 1993: 197). Der Nullpunkt dieses Systems liegt immer im Relatum, die Ausrichtung der ein bis drei Achsen kann nach drei verschiedenen Systemen bestimmt werden (⇒3.1.2). Dieses perspektivierte System muss jedoch nicht immer verwendet werden, denn wenn Lokata mit den erwähnten Regionen von Relata (Innen-, Rand- oder Nachbarschaftsregion, ⇒3.1) zusammenfallen, können sie allein durch den Bezug auf diese lokalisiert werden, unabhängig von der Position des Sprechers oder Hörers. Diese „topologisch“ genannten Relationen (⇒3.1.1) werden von Kindern beim Spracherwerb als erste erlernt, und zwar zusammen 26 Dies gilt eigentlich für alle Arten Relata, jedoch gibt es kognitionsbedingt präferierte Typen für die einzelnen Objekte (Svorou 1994: 16). 27 Dies ist nicht zu verwechseln mit dem absoluten Referenzrahmen (⇒3.1.2.1), in dem der Nullpunkt ebenfalls beweglich ist, aber die Richtung der Achsen konstant bleibt.
EINLEITUNG
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mit der Strukturiertheit des Raumes, d. h. Kategorien wie Nachbarschaft, Trennung, Umge bung, Reihenfolge, die lange vor den euklidischen Formen (wie Kreis, Winkel etc.) erworben werden (Schweizer 1985b: 3). Während die Bedeutung der Topologie lange bekannt ist, ist die seit den frühen Arbeiten J. Piagets (⇒3.1) bestehende Communis Opinio, wonach die topologischen Relatoren geometrische Konfigurationen wiedergeben, durch die neuere Forschung unwahrscheinlich gemacht worden (s. u.). Bei größerem Abstand hingegen muss der Ort des Lokatum mit Hilfe eines der drei eben erwähnten sog. Referenzrahmen festgelegt werden: Im intrinsischen Referenzrahmen ergibt sich die Achsenausrichtung aus Eigenschaften des Relatums, im relativen (auch: deiktischen) aus der Position der Bühler‘schen Origo (meist der Sprecher), sowie im absoluten aus unveränderlichen Bezugspunkten (z. B. Landmarken oder Himmelsrichtungen). Die Anzahl der Faktoren, die je nach Sprache Einfluss auf den Ausdruck des Raumes haben können, ist beachtlich. Nach Talmy (2007) können sie in drei Gruppen angeordnet werden: 1. Die Komponenten der Szene (ebd. 237 f.). Diese sind Lokatum, Relatum und ge gebenenfalls der Referenzpunkt (= Origo im relativen Referenzrahmen). 2. Die Eigenschaften dieser Komponenten (ebd. 238–240): Diese sind Dimension (manche Relatoren haben Mindestanforderungen, z. B. setzt innerhalb einen dreidimensionalen Behälter voraus), Anzahl der Relata (dto., vgl. engl. near mit einem einzigen Relatum – between mit zweien – among mit wenigen – amidst mit vielen), Bewegung von Lokatum oder Relatum, Terminalität (perfektive bzw. imperfektive Beschreibungen bei Pfadangaben), stoffliche Beschaffenheit des Relatums),28 sowie einige andere. 3. Die Relationen der genannten Komponenten zueinander (Talmy 2007: 241 f.): Dies betrifft ihr relatives Verhältnis (parallele oder senkrechte Anordnung des Lokatum), die Entfernung (Zusammenfall, Kontakt,29 Nachbarschaft, Nähe, Ferne, vgl. die oben genannten Regionen), den Verlauf des Pfades (bei bewegten Lokata, z. B. ge rade, gebogen, ziellos) und einige andere Faktoren (s. die Unterkapitel).30 Die Problematik der sprachlichen Repräsentation von Bewegung ist bisher nicht eigens erörtert worden. Sehr viele linguistische Untersuchungen beschränken sich auf den Ausdruck statischer Relationen, obwohl die Vielfalt des dynamischen Ausdrucks typologisch nicht geringer sein dürfte. Zunächst zur Begriffsklärung: Prinzipiell kann Bewegung mit oder ohne Ortsveränderung einhergehen, doch da der letztere Fall (z. B. zittern, mit den Beinen wackeln) keiner der eben erwähnten kognitiv relevanten Faktoren ist und wie statische Konfigurationen behandelt wird, können die Termini „Bewegung“ bzw. „Dynamik“ hier generell für Ausdrü28 Z. B. gibt es im Atsugewi eine Unterscheidung zwischen festen, flüssigen und leeren Relata und Feuer. De la Villa (1994: 195) weist darauf hin, dass auch die Belebtheit des Bezugsnomens die Bedeutung von Adpositionalphrasen beeinflussen kann, z. B. bedeutet homer. dià + Akk. mit unbelebtem BN ‚durch‘, mit belebtem aber ‚wegen‘. 29 Bei einer kognitiven Kategorie wie „Kontakt“ muss stets beachtet werden, dass es sich letztendlich um konven tionelle Konzepte handelt, nicht um naturwissenschaftlich exakte. Man kann sprachlich Kontakt z. B. auch dann aus drücken, wenn dieser physikalisch nicht existiert, z. B. in Die Tasse steht auf dem Tisch (obwohl ein Tischtuch dazwischen liegt), vgl. Klein (1991). 30 Unsicher ist die Zuordnung der Unterscheidung von kompakten bzw. verstreuten mehrteiligen Lokata (auch Relata?) zu dieser dritten Gruppe, man könnte diese auch unter 2. (als Eigenschaft einer Komponente) subsumieren.
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EINLEITUNG
cke der Ortsveränderung verwendet werden.31 Wie die Beobachtungen von Dahl (1987: 152 f.) und auch Levinson/Wilkins (2006c: 531–533) nahe legen, müssen Bewegungsverben in manchen Sprachen in einem größeren Kontext betrachtet werden, nämlich als Sonderfall der (punktuellen) Zustandsänderung, d. h. eine Hin- oder Fortbewegung wird als fientives Quelle → Nicht-Quelle bzw. Ziel → Nicht-Ziel verstanden. In solchen Sprachen sind „verlassen“ und „erscheinen“ oft dasselbe Wort. Im Finnischen stehen Zielangaben auch mit den Verben für „bleiben“, „lassen“, „vergessen“, da diese Verben wie Bewegungsverben zwei zu unterscheidende Zeitpunkte implizieren, mit „finden“ hingegen steht eine Quellangabe, da eine Quelle offenbar als Ort, an dem sich etwas zu Beginn der Handlung befand, konzeptualisiert wird (Dahl 1987: 153). Die meisten Sprachen fassen Bewegung jedoch tatsächlich so auf, wie Vater (1996: 95) es unberechtigterweise verallgemeinernd ausdrückt: „Bewegung ist Veränderung der Lokalisierung von Gegenständen in der Zeit.“ Veränderungen erfordern also Zeit, als bevorzugte Ausdrucksformen von Zeitlichkeit spielen daher Verben eine besondere Rolle beim Ausdruck von Dynamik. Die Regeln, welche sonstigen Elemente im Satz sich am Ausdruck von Bewegung beteiligen (Adverb, Adposition, Lokalkasus), können nur einzelsprachlich festgestellt werden (⇒3.2.1). Auch die Bewegungsverben selbst unterscheiden sich in der Auswahl der enthaltenen Informationen. L. Talmy konnte hierbei typologisch relevante Regelmäßigkeiten (sog. lexicalization patterns) finden, die in Kap. 3.2.2 besprochen werden. Levinson/Wilkins (2006b: 3)32 fassen das Gesagte im folgenden Schaubild zur konzeptuellen Aufteilung des Raums zusammen: Raum Statik nicht-perspektiviert Topologie
Dynamik perspektiviert Referenzrahmen
intrinsisch
absolut
Bewegungen
relativ
Abb. 1.2.2-2 | Die konzeptuelle Aufteilung des Raums (nach Levinson/Wilkins 2006b: 3)
Es sind sicher auch Einteilungen nach anderen Hierarchien als Statik vs. Kinetik und Perspektive möglich.33 So heißt es bei Levinson (2003: 105 f.) selbst, dass sich die intrinsischen Aus 31 Daher ist die von Šabršula (1998: 120) angemahnte Unterscheidung „kinetisch“ – „dynamisch“ m. E. nicht notwendig, ebenso Prempers (1993: 122) „Fortbewegungsverben“ vs. „Bewegungsverben“. 32 Für eine komplexere Einteilung mit Toponymen und lokaler Deixis s. Levinson (2003: 65 f.). 33 Aus der funktionalen Sicht des Sprechers sollte die hierarchische Einordnung eines dieser Elemente gänzlich ohne Bedeutung sein. Für die Beschreibung einer Sprache ist daher nur die Feststellung wichtig, welche konzeptuel len Aufteilungen des Raumes existieren und für welche funktionalen Domänen sie verwendet werden.
EINLEITUNG
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drücke von topologischen Konzepten ableiten lassen, durch schrittweise Ausdehnung der Entfernung der Lokatum vom Relatum (bzw. durch Etablierung einer solchen Entfernung). Der vorhergehende kurze Überblick über die Erforschung und den Ausdruck des Raumes in der Sprache und die Vertiefung der einzelnen Aspekte im dritten Kapitel zeigen, dass die großen Fortschritte, die die allgemeine Sprachwissenschaft in den letzten Jahren in Bezug auf die Raumgrammatik gemacht hat, gerade nicht einfache sprachliche Schablonen liefern, auf die man die Objektsprache nur noch prüfen muss, sondern, dass es solche überhaupt nicht gibt. Stattdessen hat man kognitive Universalien nur auf sehr allgemeiner Ebene erkannt (⇒3, Einleitung), die konkret allerdings in den meisten Fällen bei Problemen im nun zu untersuchenden Hethitischen nicht hilfreich sein werden, zumal auch die Methoden der Typologen an Sprachen, die keine Sprecher mehr haben, nicht angewandt werden können (⇒1.3.3). Die Ergebnisse können nichtsdestoweniger eine Hilfe beim Abwägen zwischen verschiedenen denkbaren Erklärungen sein, so möchte man schließlich einen Befund nicht ohne gute Be gründung auf eine Weise deuten, die gegen die bekannten Universalien verstößt.
1.3 Raumsprache und Hethitisch Im Hethitischen spielen räumliche Ausdrucksmittel eine besondere Rolle; Lokalkasus, Ortsbezugspartikeln, Place Words und deiktische Verben gehören zu den häufigsten hethitischen Wörtern und Formen. Das Studium dieser Sprache bringt aufgrund ihrer materiellen Über lieferung, Verschriftung und grammatischen Besonderheiten aber auch spezifische Probleme mit sich, auf die in diesem Kapitel hingewiesen werden soll. Die folgende Skizze der Beleg lage, Filiation und Grammatik des Hethitischen soll Nicht-Anatolisten beim Verständnis der Beispiele aus den folgenden Kapiteln helfen, die Darstellung des bisherigen Forschungsstandes (⇒1.3.2) und die Anmerkungen zu einigen besonderen Konventionen (⇒1.3.3) sind aber gerade auch für die mit dem Hethitischen Vertrauten gedacht.
1.3.1 Zur hethitischen Sprache Hethitisch bildet einen eigenen Zweig der anatolischen Sprachgruppe, die zur indogermanischen Sprachfamilie gehört. Nach Ausweis gemeinsamer morphologischer und lexikalischer Neuerungen34 der übrigen indogermanischen Sprachen sind die Proto-Anatolier früher als andere Untergruppen aus der idg. Urheimat nach Kleinasien abgewandert, das Uranatolische beruhte somit auf einem älteren Zustand als das v. a. aus dem Griechischen und Altindoarischen 34 S. als Überblick Rieken (2009b), für lexikalische Bsp. Kloekhorst (2008: 7–11) und für Morphologisches Lehrman (1998; n. u.). Bei vielen der im Anat. fehlenden Kategorien (z. B. Femininum, Konjunktiv und Optativ, suffixale Steigerung) ist umstritten, ob es sich um einen archaischen Zustand oder den Verlust der Ausdrucksmittel handelt. Das Fehlen jeglicher morphologischer Reste spricht jedoch für erstere Möglichkeit.
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EINLEITUNG
rekonstruierte „klassische“ Urindogermanische der Junggrammatiker, das im „Grundriss der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen“ von Karl Brugmann und Berthold Delbrück (Straßburg, 1897–1916) kodifiziert ist. *Urindogermanisch *Späturindogermanisch
*Uranatolisch
andere idg. Einzelsprachen
*Westanatolisch Lydisch
*Urluwisch
Hethitisch Palaisch
…35 Abb. 1.3.1-1 | Die Stellung des Hethitischen innerhalb des Anatolischen und Indogermanischen (in Anlehnung an Oettinger 1978, Melchert 2003; * bezeichnet rekonstruierte Sprachstufen)
Aufgrund seiner vergleichsweise breiten Überlieferung ist Hethitisch die bedeutendste anatolische Sprache, obwohl es wahrscheinlich nur auf einem eher kleinen Gebiet innerhalb des Halysbogens gesprochen wurde, während die luwischen Sprachen und Dialekte sowie fragmentarisch belegten Nachfolgesprachen im 1. Jtsd. für ganz West- und Südanatolien bezeugt sind.36 Seit Beginn der regulären Ausgrabungen 1906 sind über 30000 Fragmente von Keilschrifttafeln in Zentralanatolien gefunden worden, v. a. in der Hauptstadt Hattusa (bei Boğaz köy/Boğazkale). Sie stammen aus der Zeit zwischen ca. 1550 und 1200 v. u. Z. und sind über wiegend in hethitischer Sprache abgefasst. Die akkadische Keilschrift wurde nach verbreiteter Ansicht um die Mitte des 16. Jhs. unter Hattusili I. in Form einer altbabylonischen Kursive aus Nordsyrien nach Hattusa importiert.37 In der neuesten Forschung wird darüber hinaus diskutiert, ob damit von Anfang an auch Texte in Hethitisch verfasst wurden oder ob drei oder vier Generationen lang (bis etwa
35 Die luwischen Sprachen als Unterfamilie kann man im Englischen als „Luwic“ von der luwischen Sprache i. e. S. („Luvian“) unterscheiden. Letztere tritt in den beiden eng verwandten Dialekten Keilschrift-Luwisch und Hie roglyphen-Luwisch auf, die genauere Filiation der in Alphabetinschriften überlieferten luwischen Trümmersprachen des 1. Jtsds. (Lykisch A und B, Karisch, Pisidisch, Sidetisch) ist noch ungeklärt, ebenso die genaue Stellung des Lydischen, das vielen als eigener Zweig des Uranat. gilt. 36 Allerdings nur als qualitativ und quantitativ beschränktes Korpus aus einigen hundert Steininschriften in Hiero glyphenschrift und wenigen keilschriftlichen Dokumenten (fast ausschließlich Zitate in hethitischen Ritualen). 37 Bereits 200 Jahre zuvor hatten sich assyrische Kaufleute in Hattusa und anderen Orten in Kleinasien einer ande ren Variante der Keilschrift bedient, die aber von der lokalen Bevölkerung nicht für ihre Sprache(n) übernommen wurde und zusammen mit den Handelskolonien wieder verschwand. Einige wenige anatolische Lehnwörter in den altassyr. Texten stammen vermutlich aus dem Heth.
EINLEITUNG
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unter Telipinu am Ende des Alten Reichs) nur auf Akkadisch geschrieben wurde 38 – die sog. „altheth.“ Texte wären demnach erst im frühen Mittleren Reich (bis etwa vor Tuthaliya I.) entstanden. Für die vorliegende Arbeit muss dies allerdings keine unmittelbare Bedeutung haben, da die relative Chronologie auch in dem neu vorgeschlagenem Modell unverändert bleiben könnte.39 Die Bezeichnungen Alt- und Mittelhethitisch können daher problemlos beibehalten werden, selbst wenn sich bewahrheiten sollte, dass sie rein konventionell sind und nicht mit den historischen Epochen übereinstimmen. Da Hethitisch u. a. erst vor weniger als einhundert Jahren als indogermanische Sprache erkannt (vgl. Hrozný 1917) und als einzige in Keilschrift geschrieben wurde, ist die philologische Aufbereitung des Sprachmaterials ebenso wie die Edition der Texte ein komplexes und noch nicht abgeschlossenes Unterfangen. Ausführliche Wörterbücher existieren für die Buchstaben A bis H (HW2) und L bis (teilweise) S (CHD). Eine moderne synchrone Grammatik wurde 2008 von Hoffner/Melchert (GHL) vorgelegt, eine historische Grammatik ist ein Desiderat. Aus typologischer Sicht weicht Hethitisch kaum von den anderen altindogermanischen Sprachen (v. a. Altindoarisch, Avestisch, Griechisch, Lateinisch, Gotisch u. a.) ab, was grund legende sprachliche Kategorien wie Syntax (SOV-Grundwortstellung, Kongruenz), Morphologie (fusionierender Sprachbau, Suffixe) und Lexikon (Dominanz der Derivation) betrifft, wohl aber in der Ausformung dieser Kategorien (weniger Tempora und Modi, Aufgabe des Wurzel- zugunsten des Stammprinzips bei der Organisation des Wortschatzes u. a.). Seine ge nauen Eigenschaften seien in der folgenden Kurzgrammatik skizziert. Phonemsystem und dessen Verschriftung Hethitisch ist in Keilschrift geschrieben, einer gemischten logografisch-syllabischen Schrift, die für das Sumerische entwickelt und das Akkadische adaptiert wurde. Sie ist für indogermanische Sprache nur bedingt geeignet, besonders die Wiedergabe von Konsonantenkombinationen und Vokalen ist problematisch und interpretationsbedürftig, z. B. unterscheiden die einfachen Silbenzeichen selten zwischen den Vokalen i und e und nie zwischen u (geschrieben mit dem Vokalzeichen � ú) und o (geschrieben � „u“).40 Die folgende kurze Übersicht über die wichtigsten Schreibungen und ihre Deutung richtet sich nach der m. E. treffendsten modernen Darstellung von Kloekhorst (2008: 15–101). An stelle der durch verschiedene Keilschriftzeichen darstellbaren Stimmtonopposition (z. B. DA vs. TA) wurde im Hethitischen wohl zwischen Fortis und Lenis unterschieden, die inlautend 38 S. Popko (2007) und van den Hout (2009). Unabhängig davon hat Melchert (2007a) den sprachlichen Übergang vom Alt- zum Mittelheth. deutlich später angesetzt, etwa auf die Zeit Tuthaliyas I. (Ende 15. Jh.). 39 Wenn man aber hingegen davon ausgeht, dass die traditionell „altheth.“ genannten Texte spätere Übersetzungen oder Niederschriften mündlicher Überlieferung seien (vgl. die vorherige Fn.), müsste man eine von der dann teilweise zeitgleichen mittelheth. Überlieferung unabhängige Tradition ansetzen, was kaum denkbar ist. 40 Obwohl die Existenz eines (wohl phonemischen) /o/ m. E. keinem Zweifel mehr unterliegen kann (s. Tremblay 1999–2000: 219 f., Rieken 2005, Kloekhorst 2008: 35–60), verzichte ich in der gebundenen Umschrift vorerst auf eine von u getrennte Wiedergabe, da dies – noch – der gesamten (nach-weidnerschen) Fachtradition zuwiderliefe.
16
EINLEITUNG
als lange bzw. kurze Konsonanten realisiert und durch Doppel- vs. Einfachschreibung des Konsonanten (°D-D°/°T-T° vs. D°/T°, sog. Sturtevant‘sche Regel) ausgedrückt wurden. Im Anlaut war die Opposition wahrscheinlich zugunsten der stimmlosen Variante aufgehoben, die Behandlung auslautender Konsonanten ist unklar.41 Transliteration
Transkription
phonetische Interpretation
i, Ce/i(-i), (i-)e/iC, Ce/iC
i, ī, y
/i(:), ɪ*/
i/e, Ce/i(-i/e), (i/e-)e/iC
i/e
/ɨ/*
ú, Cu(-ú), (ú-)uC
u, ū
/u(:)/
e, Ce/i(-e), (e-)e/iC, Ce/iC
e, ē
/e/
u, Cu(-u), (u-)uC
u, ū
/o/
a(-a), Ca(-a), (a-)aC
a, ā
/a(:)/
a, CaC, Ca, aC
a
/ə/*, /ʔ/??
b/pV(C), (C)Vb/p#
p/b
/b/
g/kV(C), (C)Vg/k#
k/g
/g/
ḫV(C), (C)Vḫ#
h (ḫ)
/x/
°C-/#b/pV(C), (C)Vb/p-b/pV(C), (C)Vb/p# C/#p/b, pp/bb
/p, p:/
°C-/#g/kV(C), (C)Vg/k-g/kV(C), (C)Vg/k# C/#k/g, kk/gg
/k, k:/
°C-(Vḫ-)ḫV(C), (C)Vḫ-ḫV(C)
hh (ḫḫ)
/X:/
#V-V(C), (C)VC-V(C)
–
/ʔV/??
#nV(C), Vn-nV
nn
/N, N:/
#mV(C), Vm-mV
mm
/M, M:/
#lV(C), Vl-lV
ll
/L, L:/
Vr-rV (kein #rV!)
rr
/R:/
wa, V-(u-)ú-V
w ()
/w/
#sV(C), °C-(Vš-)šV(C), (C)Vš-šV(C)
s, ss (š, šš)
/S, S:/
d/tV(C), (C)Vd/t#
t/d
/d/
g/ku-V/C/#, ug/k-C°/#
ku/gu
/gw/
41 Nach Melchert (1994: 61 f.) stets Lenis, nach Kloekhorst (2008: 602) blieben Fortis und Lenis getrennt. – Kloekhorst (2010) hat zur Anlautverhärtung unlängst einige Ausnahmen formuliert, die die überzufällig einheitlichen Schreibungen gerade der älteren Texte weitestgehend zufriedenstellend erklären. Die genaueren Bedingungen sind in diesem Rahmen nicht von Bedeutung und in Tabelle 1.3.1-1 nicht widergespiegelt, auch da die stimmhaften oder glottalisierten Anlautkonsonanten (z. B. da-an-zi [tʔantsi] „sie nehmen“ < *dh3énti) im Laufe der Sprachgeschichte überwiegend in stimmlose überführt wurden.
EINLEITUNG
17
ḫu, uḫ-C°/#
hu (ḫu)
/xw/
°C-/#d/tV(C), (C)Vd/t-d/tV(C), (C)Vd/t#
C/#t/d, tt/dd
/t, t:/
°C-/#g/ku-V/C°/#, (C)Vg/k-g/ku, ug/k-C°/# C/#ku/gu, kku/ggu /kw/ °C-/#ḫu-V/C°/#, (C)Vḫ-ḫu, uḫ-C°/#
hhu (ḫḫu)
/Xw/
nV, Vn
n
/n/
mV, Vm
m
/m/
lV, Vl
l
/l/
rV, Vr
r
/r/
ya, Ci/V-i(-i)-V
y ()
/j/
šV(C), (C)Vš#
s (š)
/s/
zV(C), (C)Vz-zV(C), (C)Vz
z, zz
/ts/42
Tab. 1.3.1-1 | Übersicht über das hethitische Phoneminventar und seine Verschriftung43
Textstellen werden in zeichengetreuen Transliteration (z. B. nu-mu É-YA i-na-ni pé-ra-an píttu-li-ya-aš É-er ki-ša-at44) oder öfter in der einfacheren Transkription (z. B. nu=mu É=YA inani pēran pittuliyas É-er kisat) zitiert. Ich folge in dieser Arbeit der traditionellen Transkription (s. u. 1.3.3), bevorzuge entsprechend der anzunehmenden Lautung dabei aber konsequent auch seltenere Lautwerte, z. B. tarnumeni für �𒉡𒈪𒉌 „wir lassen“, UŠKEN für 𒍑𒄀� „verneigt sich“ usw. Darüber hinaus werden die in einer Silbenschrift nicht zu vermeidenden Stummvokale – dies betrifft im Grunde nur a45 – konsequent getilgt, also nicht nur in klaren Beispielen wie walhzi (statt *) „schlägt“, sondern auch dort, wo etymologische u. a. Gründe gegen die Sprachwirklich keit eines a sprechen, wie bei der Reflexivpartikel =z , ebenso der Ablativendung, z. B. arahz für ‚draußen‘, den Place Words prā (traditionell parā) ‚voran‘ und srā (traditionell s/šarā) ‚aufwärts‘ und z. B. kissrī „in der Hand“ und huwarzsta [X(o)artstə?/a?] „fluchte“. Im Fließtext wer42 Biphonemisches [ts] hingegen wird meist mit °z-š° wiedergegeben, z. B. in der Ableitung za-aš-ḫa-i- [tSXá-] ‚Traum‘ zu te-eš-ḫa- [téSXa-] ‚Traum, Schlaf‘. 43 In der Interpretation wird Fortis bei Nicht-Plosiven jeweils mit Groß-, Lenis mit Kleinbuchstaben umschrieben. Die mit * versehenen Laute sind konditionierte Allophone. # steht für den An- bzw. Auslaut eines Wortes. 44 KUB 30.10 Rs. 14 f. (mH?/mS) „Mein Haus ist wegen der Krankheit zu einem Haus der Angst geworden“, phonetisch etwa ['numu 'pɛ:rmɛd inani 'pɛ:ran pi?/a?/ə?'t:ɔl(i)yas (die Etymologie ist unklar) pɛ:r 'ki:sad]. 45 Wohl rein grafisches e (z. B. in ge-re-e-ez-za für älteres ka-ra-i-iz [kraits] „Flut“) taucht erst in jungheth. Manuskripten auf. Alle anderen Vokale gelten hier als sprachwirklich, auch wenn bei u und i neben bzw. oft nicht klar ist, ob sie nur auf Schriftebene existieren, denn neben klarem ku-wa-at ‚warum‘ ([kwad], vgl. ku-it „was“ [kwid]) finden sich auch zahlreiche Bsp. mit Pleneschreibung (z. B. ma-an-ni-in-ku-u-wa-an ‚nahe‘), die auf phonetische Übergänge wie [koa] oder [ko̯a] hinweisen. Da in diesem Fall schwer zu entscheiden ist, ob manninkuan (mit Wiedergabe des phonetischen o) oder manninkwan (mit phonemischem ) geschrieben werden soll und da die Fälle mit Ci-y° allesamt unklar sind, belasse ich es bei der traditionellen Umschrift.
18
EINLEITUNG
den bei anatolischen Eigennamen die gemäß der Sturtevant‘schen Regel einfach geschrieben Lenes bzw. doppelt geschriebenen Fortes als stimmhafte bzw. -lose im Deutschen umschrieben, während die Transkription dem hethitischen Text folgt, so wird z. B. der Ta-pí-ik-ka geschriebene und vermutlich [tabi/ek:a] gesprochene Ortsname in den Belegsätzen als Tapikka, in der Übersetzung aber als Tabika wiedergegeben. Ausgenommen hiervon sind nur einige etablierte Eigennamen wie Hattusa oder Anitta. In der Umschrift groß geschriebene Wörter sind sumerische (recte, z. B. É ‚Haus‘) bzw. akkadische (kursiv, z. B. - ŠU ‚sein‘) Logogramme (auch kombiniert, z. B. É-ŠU „sein Haus“), die nur auf der Ebene der Schrift existieren und für sprachwirkliche hethitische Wörter stehen, deren Lesung nicht immer bekannt ist. 46 Hochgestellt vor oder hinter einem Wort werden die Sumero- bzw. Akkadogramme als klassifizierende Lesehilfen (Determinative) verwendet. Die sog. Glossenkeile (�), mit denen die Schreiber fremdes oder für fremd gehaltenes Wortgut markierten, werden hier mit : umschrieben. Deklination Semantische Rollen werden v. a. durch das ausgebaute Kasussystem von bis zu acht Kasus 47 unterschieden. Die Nomina unterscheiden zwei Genera (Commune und Neutrum) und zwei Numeri (Singular und Plural48). Anders als in den klassischen Sprachen gibt es keine verschiedenen Deklinationen, die i- und u-stämmigen Adjektive und einige archaische Substantive weisen aber Ablaut des Suffixes auf (z. B. parku-/pargaw- ‚hoch‘). Bei den Demonstrativu. a. Pronomina finden sich außerdem weitere Abweichungen, so ist ihr Stamm oft um ein Element -ēd(an)- erweitert. Bei den n-Stämmen kann der Nom. Sg. c. auch ohne sichtbares -n- auftreten (hāras < *h3érōn-s zu hāran- c. ‚Adler‘). Bei den sog. heteroklitischen Neutra steht dem Stamm -r im Nominativ-Akkusativ in den sonstigen Kasus ein -n- gegenüber (z. B. uddar, uddan- ‚Wort, Sache‘). Das Kasussystem wurde mit der Zeit durch den Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ Plural c. (mittel-/jungheth.), die Aufgabe des Direktivs (mittelheth.) und schließlich des Instrumentals (jungheth.) vereinfacht, vgl. die Übersicht:
46 Logogramme können nicht nur für Appellativa stehen, sondern gerade auch räumliche Bezüge bezeichnen, wie in Kap. 2 bei den einzelnen Ausdrucksmitteln deutlich wird. Logograf. Relatoren stehen in aller Regel aber nur vor anderen Logogrammen oder pseudologografisch (ohne Endung) geschriebenen Personennamen. 47 Innerhalb des Genus commune steht der Dat.-Lok. bei Bezug auf belebte Partizipianten gewöhnlich an Stelle von Dir., Abl. und Inst., die für nicht-handlungsfähige Objekte verwendet werden (⇒2.1.3). Bei den Glossen wird statt DAT/LOK der Kürze wegen D/L angegeben. – Der zuerst von E. Laroche angesetzte ‚Casus absolutus‘ oder ‚indefinitus‘, eine Art endungsloser Kommemorativ bei der Namensnennung (vgl. Neu 1979: 180–185), existiert nicht (s. Zeilfelder 2001: 141–151, ⇒4.1.1). Ebensowenig muss man wohl unbedingt (gegen Hoffner/Melchert 2008: 66 f.) einen Kasus „Ergativ“ (Sg. -anz, Pl. -antes) ansetzen: Aufgrund der strengen Hierarchisierung nach Belebtheit im Heth. handelt es sich bei den fraglichen Formen vielleicht nur um geschlechtige Individuativa zu Neutra, da letztere gewöhnlich nicht in Agensposition stehen können. 48 Der neutrale Plural trägt im Altheth. noch wesentliche Züge eines Kollektivs, so kongruiert er mit dem Prädikat im Sg. und kann vereinzelt auch zu Communia gebildet werden, z. B. alpa- c. ‚Wolke‘ → alpa n. „Gewölk“, hingegen Pl. alpēs c. „(einzelne) Wolken“ (s. GHL: 68 f., 240).
EINLEITUNG
19
Nom. c. Akk. c. Nom.-Akk. n. Gen.
Dat.-Lok.
Dir.
Abl.
Inst.
Vok.
Althethitisch Sg. -s, Ø
-n
Ø, -n
-as
-i, -ya, Ø
Pl. -es
-us
Ø, -a
-an
-as
-n
Ø, -n
-a
-(a)z49 -it, -t
-e, -i, Ø = Nom.
Junghethitisch Sg. -s, Ø
Pl. -us, -es, -as
Ø, -a, -i
-as
-i, -ya, Ø, -ai ― -as
―
-az
― (-it)
Ø = Nom.
Tab. 1.3.1-2 | Übersicht über die hethitischen Kasusendungen
Nominale Wortbildung Die häufigsten Stammbildungssuffixe sind -a-, -i-, -u-, -n- und -r/n-. Basis der hethitischen Wortbildung ist die explizite Derivation (mit Suffixen): So findet man beim Substantiv -alla-, -(a)t(t)alla-, -(t)tara- (Nomina agentis), -ul, -el, -sha-, -zil (Nomina actionis), -ātar, -asti-, -essar, -ima-, -ul (Abstrakta), -ul, -uzzi-, -alli- (Nomina instrumenti), -ant- (Individuativa), beim Adjektiv -ala-, -ili-, -iya-, -want-, -zzi(ya)-. Seltenere Wortbildungsprozesse sind Reduplikation und Komposition. Personalpronomen Das Hethitische unterscheidet selbständige und enklitische Personalia, die der umseitig folgenden Übersicht zu entnehmen sind. Letztere kommen nur in der satzeinleitenden Partikelkette (s. u.) vor. Anstelle eines selbständigen Personalprono mens der dritten Person steht das anaphorische Pronomen apā-, sonst Demonstrativum der zweiten Person (s. u.).
49 Die ursprüngliche Endung ist -z, vor =(y)a ‚und, auch‘ -zi (< *-ti), aber schon vorgeschichtlich breitet sich die thematische Variante -az auch auf alle anderen Stämme aus. Geschrieben wird die Endung in älteren Texten -az oder -(a)za, jünger wird fast ausschließlich das einfache Zeichen (-a/-az)-za verwendet (vgl. Melchert 1977: 443–447).
20
EINLEITUNG
1. Ps. Sg.
2. Ps. Sg.
Nom. c.
ūk, jH ammuk
zīk
Akk. c.
ammuk, =mu tuk, =tta (=ddu)
1.Ps. Pl.
2. Ps. Pl.
3. Ps. Pl.
=as
wēs, jH anzas
sumēs, jH sumās
=e, jH =at
=an
anzās, =nnas
sumās, =smas
=us, jH =as
=at
Nom.-Akk. n. Gen.
3. Ps. Sg.
ammēl
tuēl
Dat.-Lok.
ammuk, =mu tuk, =tta (=ddu)
Abl. (jH)
ammēdaz
=sse (aH), =ssi
tuēdaz
=e, jH =at anzēl
sumenzan, jH sumēl
anzās, =nnas
sumās, =smas
anzēdaz
sumēdaz
=smas
Tab. 1.3.1-3 | Übersicht über die hethitischen Personalpronomina (orthoton und enklitisch)
Possessivpronomen Im Althethitischen treten in voller Kongruenz enklitische Possessiva (1. Ps. Sg. -mi/a-, 2. Ps. Sg. -tti/a-, 3. Ps. Sg., selten Pl. -ssi/a-, 1. Ps. Pl. -summi/a-, 2./3. Ps. Pl. -smi/a-) als Postfixe an Substantive und die unten erläuterten Place Words (z. B. atta(n)=mmin „meinen Vater“, sēr= set „auf ihm“). In mittelhethitischer Zeit geraten sie außer in festen Wendungen (z. B. katti=tti „bei dir“) außer Gebrauch und werden schließlich durch den Genetiv des selbständigen Personalpronomens (ammel attas „mein Vater“) oder enklitische Personalpronomina im Dativ-Lokativ am Satzanfang ersetzt. Demonstrativpronomen Hethitisch weist eine dreiteilige personenbezogene Deixis auf, ähnlich wie im Lat. hic – iste – ille (s. Goedegebuure 2003), wobei das Pronomen der 3. Person nur im Singular erscheint und sich sein Paradigma in der junghethitischen Zeit auflöst. Die teils unregelmäßig flektierten Pronomina sind kā- ‚der (bei mir/uns)‘ (c. Sg. Nom. kās, Akk. kūn, Pl. kē bzw. kūs, n. Nom.-Akk. Sg. kī, Pl. kē), apā- ‚der (bei dir/euch)‘ (wie kā-, außer Nom.-Akk. Sg. n. apāt) und asi ‚der (bei ihm/ihnen)‘ (c. Sg. Nom. asi, Akk. ūni, n. Nom.-Akk. Sg. ini). Interrogativ-, Relativ- und Indefinitpronomen Diese Gruppe ist vom idg. Interrogativ-/Indefinit-/Relativstamm *kwi- abgeleitet, vgl. kuis, kuit ‚wer, was; welcher, welches; der, das‘ (auch indefinit) – kuiski, kuitki (kuis kuis, kuis imma kuis) ‚irgendwer, irgendwas, irgendein‘ – kuissa, kuitta ‚jeder, alles‘. Numeralia Die Zahlen wurden fast immer mit Ziffern geschrieben, weshalb ihre Lautung größtenteils unbekannt ist. Bekannte Kardinalia (mit pronominaler Deklination) sind *siya- ‚eins‘, *teri-
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‚drei‘ und meyaw- ‚vier‘. Das Bezugswort von Numeralia steht (zumindest in der Schrift) oft im Singular. Die bekannten Ordinalia sind hantezzi(ya)- ‚erster‘, dān (indekl.) ‚zweiter, zweitens‘, teri(ya)n ‚drittens‘. Multiplikativa werden mit dem Suffix -anki(s) gebildet. Konjugation Hethitisch kennt weniger verbale Kategorien als die klassischen Sprachen – je zwei Numeri, Tempora (Präsens und Präteritum), Modi (Indikativ und Imperativ) und Diathesen (Aktiv und Mediopassiv) –, unterscheidet aber je zwei lexikalisch verteilte Konjugationen im Aktiv (ge nannt „mi“ und „hi“ nach der Endung der 1. Ps. Sg. Prs.) und Mediopassiv, die beim Lemma an der hochgestellten 3. Ps. Sg. Prs. erkennbar sind. An infiniten Formen gibt es ein Partizip -ānt-, das bei transitiven Verben meist passive, bei intransitiven aktive Bedeutung hat, ein sog. Supinum auf -wan, das nur in der periphrastischen Konstruktion mit dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ in der Bedeutung ‚zu tun beginnen‘ auftritt, ein Verbalsubstantiv (nur im Nom.Akk. und Gen.) auf -ātar, Gen. -ānnas (v. a. bei ablautenden mi-Verben) bzw. -war, Gen. -was (bei den anderen Verben) und die dazu gehörenden Infinitive -ānna bzw. -wanzi. Die Personalendungen sind in der folgenden Tabelle aufgeführt: Indikativ Präsens Aktiv
Mediopassiv
Konjugation I („mi“) Sg.
1. Ps. -mi
-hhi (-hhe)
2. Ps. -si, -ti
-tti, -sti
3. Ps. -zi
-i (-e)
1. Ps. Pl.
II („hi“)
2. Ps.
-weni (-wani) -tteni (-ttani)
3. Ps.
-(s)teni (-ttani) -anzi
I
II (Stativ) -hha(hari), -hhāri -tta(ri), -ttati
-tta(ri), -ttāri -a(ri), -āri -wasta(ti) -dduma(ri) -anta(ri), -andāri
Indikativ Präteritum Sg.
1. Ps. -(n)un
-hhun
2. Ps. -s, -t
-ta, -sta
-hhahat(i), -hhat(i) -tta, -ttat(i)
3. Ps. -t(a) (-s) -s (-ta, -sta) -tta, -ttat(i) 1. Ps. Pl.
2. Ps. -tten 3. Ps.
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EINLEITUNG
-wen -(s)ten -er (-ar)
-at -at(i)
-wastat(i) -ddumat -antat(i)
Imperativ Sg.
Pl.
1. Ps. -(a)llu
-allu
-(hha)haru
2. Ps. Ø, -i, -t
Ø, -i
-hhut(i)
3. Ps. -tu
-u
-ttaru
-aru
1. Ps.
-weni (-wani)
-wastati
2. Ps.
-tten
-ddumat(i)
3. Ps.
-antu
-antaru
Tab. 1.3.1-4 | Übersicht über die hethitischen Verbalendungen (ältere oder seltene Formen in Klammern)
Beim Verbum findet, sich mit abnehmender Tendenz, aber noch verbreitet, ein Wechsel zwischen einem Singular- und einem Pluralstamm (und den nominalen Ableitungen), v. a. durch Ablaut. Häufige Schemata sind bei der mi-Konjugation e/a (ēszi – asanzi „ist“ – „sind“) und e/Ø (kuerzi – kuranzi „schneidet“ – „schneiden“), bei der hi-Konjugation ā/e (sākki – sekkanzi „weiß“ – „wissen“), āC/aCC (aki [āgi] – akkanzi [əkantsi] „stirbt“ – „sterben“) und ā/Ø (pāi – piyanzi „gibt“ – „geben“). Mediopassiva lauten gewöhnlich nicht ab. Periphrastische Tempora Neben den synthetischen Tempora kennt Hethitisch noch Bildungen, die traditionell „Perfekt“ bzw. „Plusquamperfekt“ genannt werden und eine stativisch-resultative Bedeutung haben. Bei intransitiven Verben und im Passiv transitiver Verben bestehen sie aus Partizip und der Kopula es-/as-zi (pānz ēsta „war gegangen“, piyantēs (asanzi) „sind gegeben“), im Aktiv transitiver Verben aus dem Partizip im Nom.-Akk. Sg. n. und dem Verbum har(k)-zi ‚haben, halten‘ (tarnan harmi „ich habe gelassen“). Mit den Verben payi-/pai-zi ‚gehen‘ oder we-/uwa-zi ‚kommen‘, die in personaler Kongruenz parenthetisch bei einem Verb im Präsens oder Präteritum stehen, wird außerdem die sog. periphrastische Konstruktion gebildet, die wohl Ausdruck einer abschließenden Handlung ist:50 1.3.1-1: KBo 4.3+ I 23 f. (jH) n(u)=an uwammi
LÚ
KÚR-as iwar GUL-hmi
KONN=3SG.AKK.C kommen:PRS.1SG.AKT Feind:GEN
wie
schlagen:PRS.1SG.AKT
„Ich werde sie [eine Stadt] wie einen Feind schlagen.“ Verbale Wortbildung Zu fast jedem Verb kann ein sog. sk-Stamm (Suffix -ske/a-zi an der schwundstufigen Wurzel; rezessive Nebenformen sind -ssa-i, -anna/i-i) gebildet werden. Nach traditioneller Sicht drückt er verbale Pluralität aus, nach GHL (318–322) aber Imperfektivität, er wäre damit Teil 50 Umfassende, teils sprachvergleichende Studien dieses Phänomens bieten Teffeteller (2007), van den Hout (2003, 2010) und Rieken (2010a), s. Kap. 3.5.2 und 4.2.3.
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des Paradigmas.51 Andere verbale Suffixe sind deadjektivisch -ahh-zi, -nu-zi (Faktitiv), -e-zi (Stativ/Fientiv) und -ess-zi (Fientiv), deverbal -nu-zi und das Infix -ni(n)-zi (Kausativ), desubstantivisch -e-zi (Stativ/Fientiv) und das funktional nicht näher bestimmte, allgemein denominative -ae-zi. Daneben finden sich als „Präverbien“ trennbare Antefixe (s. u.) und nicht trenn bare Präfixe. Bei den Letztgenannten sind nur pe- ‚hin‘, u- ‚her‘ in mehreren Wörtern belegt (pēd(a)-i ‚hinschaffen‘, ud(a)-i ‚herschaffen‘). Syntax: Allgemeines, Kasus Prinzipiell unterscheidet sich Hethitisch in seiner Syntax nicht auffällig von anderen altindogermanischen Sprachen. Alleinstellungsmerkmale sind allerdings die konsequente SOVWortstellung und die satzeinleitenden Partikelketten (s. u.). Der Nominativ ist der Kasus für das Subjekt und das Prädikativum. Ein Wort im Genus Neutrum kann nicht Subjekt von unergativischen Verben sein, stattdessen stehen geschlechtige Ableitungen auf -ant- (z. B. luttai- n. ‚Fenster‘, als Subjekt luttanz c.; s. GHL: 66 f., 72 f.). Der Akkusativ bezeichnet das direkte Objekt, steht als doppelter Akkusativ (oft in partitivischer Apposition) und drückt räumliche und zeitliche Erstreckung aus. Der Genetiv steht v. a. adnominal (stets vor seinem Kopf) in den bekannten Funktionen: possessiv, 52 partitiv, subjektiv/objektiv; seltener ist der adverbiale („freischwebende“) Genetiv. Der Dativ-Lokativ bezeichnet das indirekte Objekt, kann Possession, Ort, Zeit oder (jünger) Richtung ausdrücken, daneben gibt es den finalen Dativ-Lokativ des Ziels. Der Direktiv drückt nur Richtung oder Ziel aus. Der Ablativ drückt Herkunft bzw. Separation aus, hat kausale und mit der Zeit zunehmend instrumentale Bedeutung, bei einigen räumlichen Ausdrücken bezeichnet er als polarer Ablativ die allgemeine Orientierung (z. B. kunnaz ‚rechts‘). Der Instrumental bezeichnet das unbelebte Instrument, den Agens beim Passiv, hat kausale und komitative Bedeutung. Der nur im Singular vorkommende Vokativ schließlich wird zur Anrede benutzt, häufig aber auch durch den Nominativ ersetzt. Syntax: Adjektive In attributiver Funktion sind Adjektive i. d. R. vorangestellt, Partizipien und Pronominal adjektive aber sind gewöhnlich nachgestellt. Komparation wird nicht durch Suffixe, sondern syntaktisch ausgedrückt. Im Komparativ (→2.1.3.2-5) steht das Adjektiv mit Dativ-Lokativ, im Superlativ wohl mit Dativ-Lokativ53 Plural zusammen mit humant- ‚jeder, all‘:
51 In dieser Arbeit wird die sk-Form im Anschluss an Hoffner/Melchert als IPFV glossiert, m. E. ist die genaue Funktion aber noch nicht abschließend geklärt. 52 Besonders nach-altheth. kann Possession aber auch durch eine sog. partitivische Apposition (gr. skhē̃ma kathʾ h ólon kaì méros) ausgedrückt werden, bei der Possessor im selben Kasus wie sein Kopf steht. Die meisten Belege finden sich im Akk. mit Körperteilen, vgl. GHL (247 f.), z. B. n(u)=an tuīkkus isgahhi „Ich salbe (ihn,) seine Glieder“ (KBo 3.8+KUB 7.1 I 40; jS). 53 Oder Genetiv; Belege aus der älteren Sprache, in der die Plural-Endungen der beiden Kasus noch geschieden sind, fehlen bisher.
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EINLEITUNG
1.3.1-2: KBo 3.7 IV 15–17 (aH/jS) nu DINGIR.MEŠ-nas hūmandas ŠA KONN Gottheiten:D/L?.PL
URU
Kastama dZ(a)shapunās sallis
all:D/L?.PL.C GEN (ON):GEN.SG (GN):NOM.SG
groß:NOM.SG.C
„Von/Unter allen Göttern von Kastama ist Z(a)shabunā der größte.“ Syntax: Verbum 1. Modus: Der Indikativ wird wie in anderen altidg. Sprachen verwendet, zusammen mit Partikeln ersetzt er die fehlenden Modi Injunktiv, Konjunktiv und Optativ: Die Partikel lē ist probzw. inhibitivisch, man hat im Präsens die Funktion des Optativs oder Potentialis, im Präteritum die eines Irrealis. Der Imperativ der 1. Ps. Sg. ist voluntativ, der der 1. Ps. Pl. kohortativ. 2. Tempus: Das Präsens tritt in präsentischer, gnomischer und futurischer Funktion auf, in Verbindung mit nāwi ‚noch nicht‘ ist es perfektisch. Erst im Junghethitischen erscheint ein historisches Präsens. Das Präteritum steht für alle Vergangenheitstempora, mit nāwi ist es plusquamperfektisch. Zu den analytischen Tempora s. o. 3. Diathese: Wie in anderen altidg. Sprachen gibt es auch im Hethitischen keine klare Korrelation zwischen funktionaler und formaler Kategorie, so finden sich viele unakkusativische Aktiva wie ses-/sas-zi ‚schlafen‘ und agentivische Media wie pahs-a(ri) ‚bewachen‘, letztere werden im Verlauf der Sprachgeschichte aber öfter ins Aktiv überführt. Das Mediopassiv wird vorwiegend für Intransitiva, Reflexiva u. ä. verwendet. Ein Oppositionspassiv gibt es erst im Junghethitischen, dann aber auch stets ohne Agensangabe. 4. Aspekt: Wie oben erwähnt, könnten Verben mit dem Suffix -ske/a-zi imperfektiven Aspekt ausdrücken; die häufigsten damit abgedeckten Aktionsarten sind Progressiv, Durativ, Iterativ, Distributiv und Ingressiv (daher findet sich -ske/a- häufig beim Supinum). Syntax: Adverbien, Partikeln, Konjunktionen, Subjunktionen Für denominale Adverbien gibt es kein einheitliches Muster oder Suffix, häufig entsprechen sie dem Nom.-Akk. Sg. n. des Adjektivs; ein produktives Suffix ist -ili. Lokale und temporale Adverbien sind teils Kasusformen von Pronomina oder Substantiven. In der Satzeinleitung stehen gewöhnlich Partikeln: Wenn der Satz nicht mit einem betonten Wort beginnt, steht nu, althethitisch auch ta (beim Präsens) oder su (beim Präteritum). An nächster Stelle in der Partikelkette stehen =wa(r) für zitierte Rede, und das Reflexivum =z54 (das im Plural mit =nnas, =smas wechseln kann). Ab der mittelhethitischen Zeit steht es regulär in Nominalsätzen der 1. und 2. Ps. Die Partikel =pat, die eine allgemein hervorhebende Bedeutung hat (anaphorisch, emphatisch, restriktiv, kontrastiv) kann frei im Satz vorkommen, ebenso topikalisierend-adversatives =(m)a und reihendes =(y)a ‚und, auch‘ (assimiliert sich an den vorhergehend Konsonanten). Andere Konjunktionen sind nassu, nasma ‚oder‘ und iwar (nach Gen.) ‚wie‘. Für Subjunktionen vgl. die umseitige Tabelle. 54 So die konventionelle Bezeichnung, tatsächlich hat =z weit mehr Funktionen und kommt häufig in lexikalisierten Verbindungen vor, s. Cotticelli Kurras/Rizza (2011: 120–130; mit weiterer Literatur) für einen Überblick.
EINLEITUNG
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temporal altheth.
kausal konzessiv konditional
mān ‚als‘; kuitman ‚solange‘ kuit
jungheth. mahhan, kuwapi; kuitman
kuit
deklarativ
mān
takku, mān ―
mān
mān
kuit, mahhan, mān
Tab. 1.3.1-5 | Übersicht über die wichtigsten Subjunktionen
Finalität und Konsekutivität werden parataktisch, nicht durch Subjunktionen ausgedrückt: 1.3.1-3: KBo 6.29 II 27 f. (jH) n(u)=as ŪL tarnahhun
n(u)=an=kan
ŪL kuener
KONN-3PL.AKK.C NEG lassen:PRT.1SG.AKT KONN=3SG.AKK.C=OBP NEG schlagen:PRT.3PL.AKT
„Ich ließ nicht zu, dass man ihn tötet. („Ich ließ sie nicht, und sie töteten ihn nicht.“)“ Syntax: Place Words und Ortsbezugspartikeln Place Words ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe selbständiger Lexeme, die als freie (deik tische) Adverbien, Proadverbiale, Postpositionen oder Präverbien (Antefixe) fungieren können, wobei diese Funktionen formal/syntaktisch oft nicht zu unterscheiden sind (⇒2.4; daneben bestehen noch reine Lokaladverbien mit beschränkterem Funktionsumfang). In der alten Sprache gibt es u. a. zwei parallele Serien: 1. richtungsanzeigende (v. a. als Modifikatoren des Prädikats gebraucht): anda ‚einwärts‘, āppa ‚zurück, wieder‘, katta ‚herab‘, prā ‚vorwärts, (hin)aus‘, srā ‚aufwärts‘ – 2. ortsanzeigende (v. a. als Relatoren gebraucht): andan ‚drinnen‘, āppan ‚dahinter‘, kattan ‚darunter‘, peran ‚davor‘, ser ‚darüber‘. Weitere Place Words ohne korrelierende Formen sind z. B. menahhanda ‚gegenüber, entgegen‘, katta(n)/katti= ‚bei‘, istarna/istarni= ‚inmitten‘, arha ‚weg, heim‘, p(ar)rānda/priyan ‚jenseits, über‘ und tapusz/ tapusa ‚neben‘. Im Althethitischen stehen die Postpositionen i. d. R. mit dem Gene tiv oder einem enklitischen Possessivum (pēran=tet „vor dir“, katti=smas „bei euch“), später aber v. a. mit dem Dativ-Lokativ (tuk katta „bei dir“). Die enklitischen Ortsbezugspartikeln (⇒2.3) erlauben eine lokale und (sekundär) auch aktionale (ku(e)n-zi ‚schlagen‘, =kkan ku(e)n-zi ‚erschlagen, töten‘) Modifikation des Prädikats. Nach der althethitischen Zeit nimmt ihre Verwendungshäufigkeit durch lexikalische Kopplung an manche Place Words (v. a. als Präver bien) und Verben beträchtlich zu, ihre Zahl wird aber von fünf (=an: Illativ, =apa: Repetitiv, =asta: Translativ-Ablativ, =ssan: Oberflächenkontakt, =kkan: Delativ-Ablativ) auf zuletzt eine (=kkan) reduziert, als grammatikalisierte Partikel dient diese u. a. zur semantischen Un terscheidung mehrerer Bedeutungen von Place Words, z. B. prā ‚voran‘ – =kkan prā ‚(hin) aus‘, srā ‚aufwärts‘ – =kkan srā ‚hinauf zu/herauf von‘. Syntax: Wortstellung und Hypotaxe Die Grundwortstellung ist sehr konsequent Subjekt – Objekt – Prädikat. Häufiger ist v. a. Linksverschiebung in Stellung an erster Position oder nach der Partikelkette zu beobachten. Nach der althethitischen Zeit beginnt fast jeder Satz mit einer Partikelkette (nu/betontes Wort
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+ =wa(r) + enkl. Personale 1./2. Ps. Pl., 3. Pl. Dat. + enkl. Personale 3. Ps. Nom./Akk. + enkl. Personale 1./2. Ps. Sg., 3. Sg. Dat. + =z + OBP). Das indirekte Objekt, adverbiale Ergänzungen und Angaben, Place Words und Negationen stehen vor dem Prädikat, wenn sie nicht in Form enklitischer Pronomina in der Partikelkette auftreten. Satzfragen sind nur an der Intonation zu erkennen, die aber gewöhnlich nicht geschrieben wird. Besonders in der älteren Spra che herrscht Parataxe vor, die Informationsstruktur wird durch anaphorische Pronomina und Partikeln gegliedert, besonders in den Gesetzen findet man aber auch unmarkierten Subjektwechsel. Zur Hypotaxe: Die Subjunktionen (s. o.) stehen gewöhnlich an zweiter Stelle im Satz, Gliedsätze sind oft, Konditional- und Relativsätze fast immer vorangestellt. Relativsätze sind nicht in einen Matrixsatz eingebettet, ihr „Bezugswort“ (im Sinne der klassischen Sprachen) steht an zweiter Stelle kongruent zum Relativpronomen im Gliedsatz und wird im Matrixsatz durch ein (oft enklitisches) Pronomen wieder aufgenommen: 1.3.1-4: Gesetze §37 (KBo 6.4 IV 16 f.; aH/jS) nu=ssi=ssan kuit sahhan
LUGAL-us
dāi
nu
KONN=3SG.D/L=OBP REL:AKK.SG.N Dienst:AKK.SG König:NOM.SG setzen:PRS.3SG.AKT KONN
apāt
ēssai
DEM:AKK.SG.N machen:IPFV:PRS.3SG.AKT
„Den Dienst, den der König ihm auferlegt, (– jenen) soll er verrichten.“
1.3.2 Zur Forschungsgeschichte der hethitischen Raumausdrücke Wie bereits einleitend erwähnt, gibt es keine systematische Bearbeitung der hethitischen raumbezogenen Ausdrücke. Zu einzelnen Themenkomplexen gibt es aber umfangreiche Forschungstraditionen, gerade zu den Ortsbezugspartikeln (⇒2.3) und den Place Words (⇒2.4), die zu den bevorzugten Objekten der sprachwissenschaftlichen Untersuchung des Hethitischen gehören. Diese Forschungstendenzen sollen hier kurz skizziert werden, die besonderen Details finden sich hingegen bei der Diskussion des jeweiligen Ausdrucksmittels in den objektsprachen-bezogenen Kapiteln 2–4. Nachdem die Place Words und Ortsbezugspartikeln als Klasse bereits in der ersten monogra fischen Beschreibung des Hethitischen (Hrozný 1917) erkannt worden waren, wurden sie erstmals in den 1930er-Jahren in eigenen Untersuchungen behandelt. Die Arbeiten von Goetze (1933, vgl. auch 1950, 1963) enthielten Grundlegendes zu den Partikeln und bestimmten auf Jahrzehnte deren Verständnis, haben aber letztlich inhaltlich keinen Bestand. 55 Die Bearbeitung einiger wichtiger Place Words von Zuntz (1936) begründete die heute noch 55 Weder ist die Partikel =ssan eine Spezialisierung von =kkan, noch ist die Aufgabe der letztgenannten, eine „primäre Bewegung“ zu markieren. Schon Lee (1966) hat darauf hingewiesen, dass ein System wie = kkan anda = ‚hinein‘ – anda = ‚wieder hinein‘ usw. widersinnig ist, da eine Zugabe auf der Ausdrucksseite wohl kaum eine Reduktion auf der Inhaltsseite bedeuten kann.
EINLEITUNG
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vertretene Meinung (vgl. Francia 2002), wonach sich diese Klasse in Adverbien, Postpositionen und Präverbien, die nur durch die Mehrdeutigkeit der Wortstellung nicht immer zu unterscheiden sind, aufteilt. Starke (1977: 4) kritisiert aber zu Recht ihre Methodik, denn Zuntz setzt die drei Kategorien schon a priori bei der Gliederung des Materials an und „beweist“ sie damit nur im Zirkelschluss. Starke (1977: 131) nimmt nur éine Kategorie „Adverb“ an, wobei es sich um starre Kasusformen, die wie Substantive konstruiert werden, handeln soll. Obwohl die Kategorisierung als eine einzige Wortart dem Material gerecht wird, wurde besonders Starkes Position, nach der die Place Words letztlich relationale Substantive sind, allgemein zurückgewiesen (s. zuletzt Melchert 2009a). Neben dieser Betrachtung der Place Words und Ortsbezugspartikeln als isolierten Phänomens56 ist aber auch der wichtige Umstand erkannt worden, dass diese beiden Klassen zumindest in gewissen Phasen der Sprachentwicklung eng miteinander und mit weiteren Ausdrucksmitteln, besonders bestimmten Verben, verbunden sind. Neben den ersten Feststellungen Goetzes (1933) wurde hierzu besonders von Carruba (1964, 1969, 1985), Josephson (1972, 1995, 1997, 2010) und Boley (1985a, 1985b, 1989, 1992, 2000 57, 2009) geforscht, wobei Josephson einen aktionalen/aspektuellen Wert für die Ortsbezugspartikeln annimmt, während Carruba und Boley überwiegend eine lokale Grundbedeutung sehen. 58 Aus dieser Forschungsarbeit hat sich als Communis Opinio ergeben, dass Place Words und Ortsbezugspartikeln, ursprünglich eigenständig, in mittelhethitischer Zeit miteinander verbunden wurden, so dass sie meist gemeinsam auftreten und als Konstruktionen aus OBP + PW + Verb in be stimmter Valenz zu verstehen sind. Die Ergebnisse sind in Tjerkstra (1999) zusammengefasst, die neben Boley (1985a, 1985b) und Starke (1977) auch wichtige Analysen zur Wortstellung liefert. Dennoch ist bisher eine allgemein anerkannte Funktionsbestimmung der Ortsbezugspartikeln noch nicht gelungen. Dadurch erschwert werden auch die diachronen Untersuchungen der Partikeln und Place Words, neben den genannten Arbeiten, die oft auch historische Aspekte betrachten (vgl. besonders Carruba 1969, Boley 1989, Josephson 1995), sind hier Laroche (1970), Dunkel (1981, 1990a, 1990b), Rieken (2004) und Melchert (2009a) zu nennen, die aber bis auf Melchert jeweils nur einzelne Wörter behandeln. Ein Großteil der Ausdrucksmittel ist natürlich auch in den etymologischen Wörterbüchern von Tischler (HEG), Puhvel (HED) und Kloekhorst (2008) behandelt. Die nur im Hethitischen belegte phraseologische Konstruktion aus zwei asyndetisch verbundenen flektierten Verbformen ist erst in neuerer Zeit erkannt worden, die Diskussion 59 hierzu ist noch nicht abgeschlossen, wie die Darstellung in den Kapiteln 3.5.2 und 4.2.3 zeigt.
56 Vgl. noch Dressler (1970), der die OBP als ursprünglich lokal, dann aber als anaphorisch (Satzverknüpfung) beschreibt, in ähnlicher Weise halten Schwarz (1950) und Kestemont (1972) die OBP für Konjunktionen. 57 S. zu dieser Arbeit besonders die Rezension von Goedegebuure (2007a), die die methodischen Probleme von Bo leys Ansatz aufzeigt. 58 Eine Ausgleichsposition formuliert Hoffner (1992), wonach beide Funktionen nebeneinander bestehen. 59 S. Dunkel (1985, 1998), Neu (1995), van den Hout (2003, 2010), Teffeteller (2007), Rieken (2010a).
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EINLEITUNG
Neben diesen Besonderheiten des Hethitischen bzw. der anatolischen Sprachen wurde nur den Lokalkasus eine größere Anzahl von Artikeln gewidmet, außer bei Neu (1979) und Luraghi (1986) allerdings fast immer in Bezug auf Einzelfragen. 60 Die größte Aufmerksamkeit kam dabei wieder dem nur im Hethitischen vertretenen Direktiv (Allativ, Terminativ, ⇒2.1.1) zu, s. Starke (1977: 17–45), Brixhe (1979), Kammenhuber (1979b), Dunkel (1994), Zeilfelder (2001: 101–123) und Furlan (2001). Umstritten ist hier besonders, ob es sich um einen ererbten Archaismus oder um eine anatolische Innovation handelt (⇒4.1.1.1). Der Ablativ (⇒2.1.2) wird gewöhnlich zusammen mit dem Instrumental besprochen, den er in junghethitischer Zeit ersetzt und mit dem er möglicherweise etymologisch zusammenhängt (⇒4.1.1.2), ohne dass darüber bisher Einigkeit herrscht, s. die ablehnende Haltung bei Melchert (1977), Oettinger/Melchert (2009). Außerdem sind die Artikel von Boley (2002, 2009) und Cotticelli Kurras (2007a) zum Akkusativ (⇒2.1.4) zu nennen, die sich besonders mit dem Problem des im Hethitischen verschwundenen oder verschwindenden Akkusativs der Richtung beschäftigen. Obwohl der Dativ-Lokativ (⇒2.1.3) den wichtigsten Kasus zum Ausdruck einer Lokalisierung darstellt, ist er bisher nur wenig behandelt worden (s. Starke 1977: 46–68, Nowicki 2002). In Bezug auf das Kasussystem wird seit Starke (1977) die Frage diskutiert, ob man die hethitischen Substantive des Genus commune in zwei semantische Klassen einteilen muss, die sich in der Kasuswahl unterscheiden. Nach diesem Ansatz, der weite Verbrei tung gefunden hat, treten Direktiv, Ablativ, lokativischer Dativ-Lokativ und Instrumental nur bei den unbelebten Nomina der sog. Sachklasse auf, während die sog. Personenklasse diese konkreten Kasus allesamt durch den dativischen Dativ-Lokativ ersetzt. Die berechtigten Zweifel an diesem Ansatz wurden erst in der Grammatik von Hoffner und Melchert (2008: 66) an prominenter Stelle geäußert. Nachdem sich die Hethitologie von der langjährigen Tendenz, Besonderheiten des Hethitischen als entlehnte Erscheinungen aus dem Hattischen oder Hurritischen zu erklären, 61 emanzipiert hat, untersucht eine neue Forschungsrichtung den Einfluss des Luwischen auf das Hethitische. Während sich die massiven strukturellen Veränderungen der jüngeren Sprache oft gut mit dem Luwischen vergleichen lassen (s. Rieken 2006), ist die Diskussion um die neue These eines vorgeschichtlichen luwischen Adstrats im Hethitischen (Yakubovich 2010a) noch nicht zu sicheren Schlüssen gekommen.
60 Der nach dem Zweiten Weltkrieg von manchen angenommene „Casus indefinitus“ (noch bei Neu 1979) ist schon seit Langem zu Recht aus der Diskussion verschwunden, s. abschließend Zeilfelder (2001: 141–151). 61 Vgl. hierzu besonders die Arbeiten von H. Kronasser und A. Kammenhuber, z. B. zu den Nominal komposita Kronasser (1966: 127) und Kammenhuber (1961).
EINLEITUNG
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1.3.3 Philologisches und Methodisches Wie bereits in Kapitel 1.1 erwähnt wurde, ist die Datengrundlage dieser Arbeit nicht das ge samte hethitische Textkorpus, sondern ein zeitlich definierter Ausschnitt. Die Beschränkung auf alt- und mittelhethitische Originaltexte 62 lässt sich dadurch begründen, dass vom jüngeren Mittel- zum Junghethitischen hin nur sehr wenig Veränderungen festzustellen sind, was Orts bezugspartikeln, Place Words und Lokalkasus betrifft, 63 so dass die gesammelten rund 2360 Belegsätze mit Raumausdrücken64 auch für statistische Untersuchungen eine hinreichende Basis bieten,65 zu der das junghethitische Korpus trotz seines viel größeren Umfangs keine den zusätzlichen Aufwand rechfertigenden neuen Erkenntnisse beitragen dürfte. In dieser jüngsten Sprachstufe trifft man eher eine konsequente Durchführung der schon mittelhethitisch begonnenen Tendenzen an, und erst im Spätjunghethitischen (2. Hälfte des 13. Jhs.) erscheinen neue Entwicklungen, z. B. der beginnende Abbau de r OBP =kkan (s. Boley 2000: 174–179), die aber wegen des Abbruchs der Überlieferung kurz nach 1200 v. u. Z. nicht weiter verfolgt und daher vernachlässigt werden können. Die Beschränkung des Korpus auf das Alt- und Mittelhethitische erlaubt daher einerseits eine noch überschaubare, aber aussagekräftige Materialgrundlage und andererseits möglichst allgemeingültige Ergebnisse. Viele ältere Texte sind in der Großreichszeit abgeschrieben worden und heute im Origi nal oft verloren. Diese kopierten Manuskripte in junger Schrift werden in dieser Arbeit ebenso wie die erst junghethitisch verfassten nicht berücksichtigt. Es ist zwar sehr bedauerlich, dass dadurch viele interessante ältere Texte wie z. B. der Telipinu-Erlass, die Palastchronik oder CTH 17 nicht ausgewertet werden können, doch besteht bei Abschriften eine zu große Gefahr einer heute nicht mehr erkennbaren Verzerrung der Evidenz, da die Vorlagen beim Abschreiben vielfach modernisiert oder aus Unverständnis falsch verbessert wurden. Man sieht dies beispielhaft an der Arbeit von Boley (2000), die sich in hohem Maße auf kopierte Texte stützt und daher zu Recht von Goedegebuure (2007a) kritisiert wird. Ein junghethitischer Schreiber könnte z. B. problemlos ein in seinem Dialekt häufiges = kkan eingefügt (für Bsp. s. Goedegebuure 2007a: 36 f.) oder sogar hyperkorrekt eines gestrichen haben, womit 62 Das mit Hilfe der hethitischen Konkordanz von S. Košak (http://www.hethport.uni-wuerzburg.de/hetkonk/ [2012–10–30]) zusammengestellte Korpus der verwendeten Texte wird im Anhang geordnet nach CTH-Nummern aufgeführt. 63 Vgl. Boley (2000: 369), trotz der gleich zu äußernden grundsätzlichen Kritik an diesem Werk, sowie die Arbeit von Salisbury (2005) zu den Place Words im Jungheth. 64 Davon entfallen auf den altheth. Duktus ca. dreihundertdreißig, auf das Mittelheth. beinahe 1800 Sätze, der Rest (ca. 220 Sätze) ist zu einem kleinen Teil unsicherer Datierung oder stellt mittelheth. Abschriften altheth. Texte dar. Es sind zwar alle Genres der heth. Literatur vorhanden, überlieferungsbedingt nehmen im vorliegenden Korpus aber Briefe und ganz besonders Ritualtexte (aller Gattungen) einen überdurchschnittlichen Anteil ein, während historische Texte und Mythen weniger stark vertreten sind. 65 Die Zahl gibt nicht die Gesamtzahl der Tokens von Raumausdrücken wieder, da einige stereotype Wendungen pro Text nur ein einziges Mal aufgenommen wurden. Besonders gebräuchliche Ausdrücke würden also statistisch schwächer ausfallen als in der Realität, doch wurden keine in dieser Hinsicht relevanten Häufigkeitsanalysen unternommen, so dass hier keine Gefahr verfälschter Evidenz besteht.
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EINLEITUNG
der entsprechende Beleg für den Zustand der alten Sprache wertlos wird. Selbst bei junghethitisch nicht mehr produktiven Ausdrucksmitteln wie den Partikeln =an und =apa besagen die Kopien nur, wo der Abschreiber sie belassen hat und nicht, wo er sie entfernt hat, was wiederum eine verzerrte Evidenz bedeutet. Insgesamt ist es daher sinnvoll, diese Textgruppe zwar zu sichten, auf ihre Einbeziehung in die Argumentation aber zu verzichten, wenn auch da durch mögliche Belege verloren gehen.66 Trotz der prinzipiell gleichen Problematik wurden mittelhethitische Kopien althethitischer Texte zum besseren Vergleich aufgenommen, die Möglichkeit von Modernisierungen, die aufgrund des kleineren zeitlichen und sprachlichen Abstandes aber geringer ausfallen, wurde dabei aber immer berücksichtigt. In aller Regel wurden außerdem nur vollständige Sätze aufgenommen, was einerseits natürlich das Korpus erheblich schmälert, andererseits unsichere Belege und darauf basierende unsichere Schlüsse nach Möglichkeit ausschließt, zumal gerade die syntaktisch wichtigen Satzanfänge und Enden besonders häufig von Lücken betroffen sind. Ergänzungen wurden nur nach parallelen Texten oder Stellen im selben Text vorgenommen, wobei auch die rele vanten Teile z. B. nicht völlig von den unzuverlässigen jungen Abschriften abhängen durften. Auf sog. freie (= auf Vermutung des Philologen basierende) Ergänzungen wurde völlig verzichtet, darum wird auch die in der Hethitologie übliche Unterscheidung zwischen den freien – mit [ … ] markiert – und den textbasierten Ergänzungen – mit [( … )] markiert – hier nicht angewandt, da erstere in dieser Arbeit höchstens einzelne Zeichen oder Wortbestandteile betreffen und vernachlässigt werden können, einfache [ ] genügen daher. Die in dieser Arbeit verwendete Umschrift,67 die in wenigen, aber besonders an der Oberfläche sichtbaren Details von der traditionellen Transliteration abweicht, wurde in Bezug auf die Laut-Zeichen-Zuordnung bereits in Kap. 1.3.1 zusammen mit dem hethitischen Phonemsystem behandelt. Die Transliteration ist ansonsten traditionell nicht analytisch, d. h. die hethitischen Beispiele sind nicht nach dem Lexemansatz normalisiert (z. B. in Bezug auf die Vokallänge) oder nach Morphemen getrennt.68 Ein Bindestrich in der Umschrift ist grafisches Zeichen für den Übergang von einem Logogramm zu einem phonetischen Komplement oder anderen Logogramm (z. B. LUGAL-us = hāssus „der König“, sumerisch-akkadisch DUMUŠU „sein Kind“) und wird als solches in den Glossen ignoriert, ebenso die Punkte, die zur Trennung sumerischer Zeichen dienen (z. B. É.GAL „großes Haus“ = ‚Palast‘). Ein = dient der Abtrennung enklitischer Elemente, z. B. nu=mu=ssan (geschrieben nu-mu-uš-ša-an), diese Wortgrenze wird in den Glossen ebenso durch ein = wiedergegeben. Im Sandhi werden bei einigen Enklitika Bestandteile unterdrückt, z. B. lautet die adversative Konjunktion nach Vo 66 Als methodisches Prinzip ziehe ich den Verzicht auf eine Behauptung einem auf unzuverlässige Evidenz gestütz ten Ansatz vor. Es wäre für die Textkritik interessant, die jungen Abschriften mit Hilfe der Raumgrammatik der älteren Sprachstufen auf Abweichungen hin zu untersuchen, die sich so als Modernisierungen herausstellen ließen. 67 Für die Darstellung von Keilschrift und luwischen Hieroglyphen werden die Computer-Schriftarten Ullikummi von Sylvie Vanséveren bzw. LUWHITT von Gunter Anders verwendet, die auf http://www.hethport.uni-wuerzburg. de/HPM/hethportlinks.html [2012–10–30]) freundlicherweise zur Verfügung gestellt sind. 68 In flektierenden Sprachen wie den indogermanischen ist dies in vielen Fällen überhaupt nicht befriedigend möglich, z. B. heth. pānzi „sie gehen“ (< idg. *(h1)po-h1-ént(-)i, Transponat!): p-ānzi? – pā-nzi?
EINLEITUNG
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kalen [ma], nach Konsonanten aber [a], was in der Umschrift nach Vorbild der Hurritologie als =(m)a wiedergegeben wird.69 Ein Doppelpunkt im Beleg steht für den sog. Glossenkeil (⇒1.3.1, Phonemsystem und dessen Verschriftung), in den Glossen trennt er die Bedeutungsangabe und die grammatische Bestimmung (z. B. König:NOM.SG70), ein Punkt hingegen trennt die einzelnen Elemente der meist polyfunktionalen Flexionsmorpheme (z. B. setzen:PRS.3SG. AKT). Die Glossen sollen nur Orientierungshilfe sein und nicht unbedingt alle Details der Übersetzung widerspiegeln. Daher wird für ein Lexem einer Sprachstufe immer nur eine, möglichst kurze Bedeutungsangabe gewählt und auch dort beibehalten, wo sie im Kontext nicht unbedingt passen mag. Z. B. wird das Place Word ( ⇒2.4) anda in althethitischen Texten stets mit ‚rein‘ (i. S. v. ‚her-/hinein‘) glossiert, da dieses umgangssprachliche Adverb einen Querschnitt aus seinen Bedeutungen ‚einwärts, herein, hinein‘ bildet. In mittelhethitischen Texten, in denen anda die statische Bedeutung ‚innen, drinnen‘ von seiner althethitischen Entsprechung andan übernommen hat (⇒2.4.1.1), wird es stets als ‚drinnen‘ glossiert, auch in seinem älteren richtungsanzeigenden Gebrauch. Da die wörtliche Bedeutung der Beispiele aus der Glossierung hinreichend klar wird, kann die Übersetzung etwas freier als üblich erfolgen. Alle nicht explizit anderweitig markierten Übersetzungen stammen von mir. Zuletzt sei nochmals auf die Bedeutung der zusätzlichen Glossen, Anführungszeichen und Pfeile (⇒Abkürzungen) verwiesen und angemerkt, dass auch alphabetgriechische Wörter wie alle anderen Belege aus Korpussprachen in lateinischer Umschrift gegeben werden, da es keinen Grund für eine Sonderbehandlung gegenüber z. B. dem Altindoarischen gibt.71 Wenn auch der Beschreibungsrahmen der kognitiven Linguistik in dieser Arbeit eine wichtige Rolle spielt (⇒1.2.1), können ihren Methoden nicht übertragen werden. Denn dieser Zweig der Sprachwissenschaft schöpft seine Primärdaten aus Feldversuchen und Experimenten mit Muttersprachlern, wobei ständig die Möglichkeit zur Kontrolle bzw. Bestätigung der Belege gegeben ist. All das ist in einer toten Sprachen mit einem unveränderlichen, in Bezug auf Textgenres beschränkten Korpus, das nur einen kleinen Ausschnitt der hethitischen Sprache konserviert, nicht möglich.72 Man kann lediglich versuchen, im Rahmen der traditionellen Textanalyse der Anatolistik Sätze zu finden, die Konfigurationen ähnlich denen der modernen Versuchsanordnungen enthalten (s. z. B. ⇒3.1.1), was nicht immer gelingen kann. In vielen Fällen werden Aussagen ohne passende neue Belege nicht möglich sein, und schriftlich nicht 69 Da es sich hier um eine Abweichung von den hethitologischen Gepflogenheiten handelt, möchte ich betonen, dass dies nur eine einheitlichere und informativere Form der Darstellung ist. Eine Umschrift wie z. B. hal⌈kiyas =(m)a=wa(r)⌉ (KBo 24.34+KBo 41.128 20') erfordert nicht mehr oder weniger Analyse als traditionelles hal⌈kiyasa-wa⌉ und lässt das zu Grunde liegende ḫal-⌈ki-ya-ša-wa⌉ nicht weniger gut erkennen, wodurch der zeichenbasierte Charakter der Transkription gewahrt bleibt. Da als Stummvokal hier nur a in Frage kommt, ist dessen Tilgung ebenfalls unproblematisch, da z. B. ein prā nur als p+ra+a → zu rekonstruieren ist. 70 Das Genus ist bei Substantiven eine lexikalische Kategorie und wird in den Glossen nicht verzeichnet. Bei den Adjektiven u. a., bei denen es eine Kongruenzkategorie darstellt, wird es hingegen angegeben. 71 Gr. Präpositionen wie PERI, ANA etc. werden im Wörterbuch traditionell mit Akut angegeben (περί usw.). Tatsächlich sind sie aber schwachtonig und tragen den Akut nur, wenn weitere enklitische Elemente folgen (z. B. perí mou), weshalb ich sie in dieser Arbeit mit dem der Proklise entsprechenden Gravis (perì, anà etc.) zitiere.
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EINLEITUNG
festgehaltene Eigenschaften wie Prosodie73 sind nicht mehr zu rekonstruieren. Man darf daher von einer Grammar of space von Korpussprachen wie Hethitisch nicht den gleichen Grad an Genauigkeit oder Vollständigkeit erwarten wie bei der Beschreibung einer heutigen Sprache.
72 Ein weiteres Problem ist das der Übersetzungen. Neben echten Bilinguen wie dem ursprünglich hurr. Epos der Freilassung (CTH 789) finden sich besonders in der Ritualliteratur unzählige einsprachig hethitische Texte, die man zwar „fremden Ursprungs“ (Hattier, Arzawa, Kizzuwatna, Mesopotamien) nennen kann, bei denen aber oft nicht klar ist, inwiefern sie nur aus einer anderen Tradition stammen oder tatsächlich Übersetzungen mündlicher oder (sämtlich verlorener) schriftlicher Vorlagen darstellen. Ebensowenig können die Namen der ausführenden Personen verlässliche Auskunft über die Muttersprache des Trägers geben (vgl. die hurritischen Eigennamen vieler heth. Könige), so dass ohne umfangreichere Einzeluntersuchungen nur in wenigen Fällen (z. B. den Pferdetrainingstexten des Hurriters Kikkuli) zu ersehen ist, ob der Autor eines gegebenen Textes Hethitisch als L1 oder L2 (und hier auf welchem Ni veau) sprach. Im Folgenden wird diese Problematik daher nicht weiter berücksichtigt, im Einzelfall können Schlussfolgerungen also auf nicht normgerechten Belegen beruhen und durch neue Evidenz zu korrigieren sein. 73 Zum Beitrag suprasegmentaler Elemente zur Raumgrammatik s. Ozga (1996).
EINLEITUNG
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2 Inventar und Verwendung der räumlichen Ausdrucksmittel
Nach den allgemeinen Anmerkungen zum Hethitischen im Kapitel 1.3 soll nun seine synchrone Grammar of space dargestellt werden. „Synchron“ bedeutet hier allerdings nicht, dass die folgenden Ausführungen auf einem einzigen zeitlichen Schnitt basieren, vielmehr erfordern die zahlreichen Änderungen im System und im Detail der hethitischen Raumausdrücke, wie sie in den rund zweihundert Jahren vom Beginn der Überlieferung bis zur Großreichszeit 1 zu beobachten sind, auch jetzt schon sprachgeschichtliche Erläuterungen. Eine Einordnung des Befundes in den typologischen Diskurs der modernen Sprachwissenschaft folgt in Kapitel 3, eine etymologische Diskussion der einzelnen räumlichen Ausdrucksmittel in Kapitel 4, wie eingangs ausgeführt wurde. Bevor in diesem Kapitel nun die Verteilung der inhaltlichen Kategorien auf verschiedene lexikalische und grammatische Mittel untersucht werden kann, müssen einige allgemeinere Anmerkungen zu den entsprechenden Formen vorausgeschickt werden. Noch viel mehr als der Inhalt ist die Ausdrucksseite sprachspezifisch, weist also von Sprache zu Sprache starke Variation auf. Es kann dutzende Lokalkasus geben oder eben auch keinen, ebenso verhält es sich mit Positionsverben. Als lokale Relatoren können regelmäßig deklinierte relationale Substantive oder morphologisch nicht analysierbare Adpositionen auftreten. Letztere können etymologisch dunkel (z. B. in, um) oder synchrone Ableitungen von Appellativa (z. B. an der Spitze, am Fuß von) sein. Lokale Ergänzungen können in allen möglichen Wortarten und syntaktischen Positionen vorkommen (Levinson/Wilkins 2006b: 6), in manchen Sprachen bis hin zum Subjekt, und in dt. weiden findet sich der Ort im Verb wieder (Drossard 1992). Insgesamt betrachtet, gibt es keine prototypische Reinform für Raumausdrücke (Stolz 1992: 74). Daher können hier und in den folgenden Unterkapiteln nur einige allgemeine Feststellungen getroffen werden, während sich die Details auf den hiesigen Untersuchungsgegenstand, das Alt- und Mittelhethitische, beschränken müssen. Da, wie bereits einleitend herausgearbeitet wurde (⇒1.2), Räumlichkeit alle Schichten der Sprache, Grammatik wie Wortschatz, betreffen kann, dürfte es letztendlich kaum eine Kategorie geben, in der man in den einzelnen Sprachen nicht raumbezogenen Inhalt fände. Entsprechend wirken in aller Regel bei der Lokalisation verschiedene Ausdrücke zusammen, prinzipiell hat auch keines der bekannten Lokalisationsmittel – Autosemantika, Periphrasen, Funktionswörter, Verb-/Kasussuffixe – in der Sprache eine Alleinstellung, auch bei Vorherrschaft einer einzigen Kategorie kommen andere immer ergänzend oder konkurrierend hinzu, 1 Die ab diesem Zeitpunkt (um die Mitte der 14. Jhs. v. u. Z.) entstandenen Texte (Kopien wie Originale) werden, wie bereits in der Einleitung erwähnt, im Korpus nicht berücksichtigt. In den folgenden Unterkapiteln können aber durchaus jungheth. Textstellen zitiert werden, wenn es an (guten) alt- oder mittelheth. Beispielen fehlt. Sie dienen allerdings nur zur Illustration und sind nicht Materialgrundlage der Darstellung.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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eventuell auch durch verschiedene diachrone Schichtung (s. Stolz 1992: 19–24). Dies trifft überwiegend auch für das Hethitische zu.2 Nach Svorou (1994: 34) wird die Form von Raumgrammemen von ihrer internen Struk3 tur und dem morphosyntaktischen wie auch semantischen Zusammenwirken mit anderen sprachlichen Elementen bestimmt. Die spatialen Ausdrucksmittel können in jeder Form zwischen den universalen Polen [+fusioniert] (lexikalischer Ausdruck, Kasusendung) und [-fusioniert] (Mehrwortausdrücke) vorkommen, wobei Adpositionen als „embraced“, d. h. prinzi piell zwar frei, aber als Teil einer größeren Einheit, gelten (Svorou 1994: 35 f.).4 Weitere Einzelheiten zu Kasus, Verben, lokalen Relatoren u. a. finden sich in den ein zelnen Unterkapiteln. Neben den dort beschriebenen Hauptausdrucksmitteln der Lokalisation gibt es mit geringerer Häufigkeit und Verbreitung noch weitere Morpheme, die Räumlichkeit sprachlich abbilden können. Zu nennen sind hier z. B. lokale Klassifikatoren (z. B. in den Sprachen Nordamerikas), die Aussagen z. B. über die Gestalteigenschaften von Objekten ge ben. In lokal aufgebauten deiktischen Systemen (⇒3.4) können auch Determinierer spatiale Informationen enthalten. Ein besonderer Fall, der hier eigens behandelt wird (⇒2.3), sind die sog. Ortsbezugspartikeln des Hethitischen, die als Modifikatoren für andere lokale Ausdrucksmittel (v. a. Relatoren) auftreten. In manchen Sprachen schließlich gibt es verbale Affi xe, die begleitende Bewegungen ausdrücken können („VERB while going“), s. Levinson/Wilkins (2006c: 534 f.). Im Folgenden werden nun die sprachlichen Mittel, mit denen die Hethiter ihre räumli che Umgebung beschrieben haben, vorgestellt. Die Reihenfolge richtet sich grob nach dem grammatikalischen Status der jeweiligen Klasse (von stark bis wenig grammatikalisiert). Es sei nochmals besonders auf die Kurzgrammatik des Hethitischen (⇒1.3.1) verwiesen. Alle wichtigen Beispielsätze in diesem Kapitel sind nach den in Kapitel 1.3.3 erläuterten Prinzipien umschrieben und glossiert. Die in dieser Arbeit erfasste alt- und mittelhethitische Sprachgeschichte umfasst einen Zeitraum von nur rund zweihundert Jahren, dennoch sind innerhalb dieser Zeit besonders in der Syntax und im Formengebrauch der Raumgrammatik so grundlegende Veränderungen eingetreten, dass ihre Beschreibung ohne die Aufteilung in mindestens zwei synchrone Schnitte, die die althethitische und die jüngere mittelhethitische Sprachstufe vergleichen, un2 Im Verlauf der Sprachgeschichte sind hierbei allerdings beträchtliche Veränderungen zu beobachten, so werden statische und dynamische Lokalisation im Altheth. syntaktisch, morphologisch und lexikalisch unterschieden, wäh rend im Standard-Jungheth. oft nur noch das Verb einen Unterschied ausdrücken kann. 3 Einfach-monomorphemisch (z. B. dt. in) oder komplex-polymorphemisch (z. B. engl. in front of). Die Komplexität ist dabei (möglicherweise universal) ikonisch. Je komplexer das räumliche Verhältnis, desto komplexer das Raumgrammem. Die Grammeme selbst dürften dabei immer explizit sein, d. h. nicht nur als Reduplikation oder su prasegmentale Eigenschaften wie Kontrastakzent auftreten (Svorou 1994: 54). Im Urindogermanischen und einigen Tochtersprachen gibt es allerdings einen sog. endungslosen Lokativ, der nur durch eine andere Akzent-/Ablautstufe der Basis markiert wird (⇒2.1.3.5, 4.1.1.3). 4 Im Folgenden kommen die grammatikalisierten Ausdrucksmittel zur Sprache, von echten Mehrwortausdrücken wie z. B. engl. in front of kann im Heth. nicht die Rede sein, wenn man nicht einige Kombinationen von Place Words (⇒2.4.4) darunter subsumieren möchte. Natürlich auch mehrteilige Metaphern werden in Kap. 3.5 angesprochen.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
möglich wäre.5 Die Veränderungen betreffen nicht nur die Wortstellung von Lokalisationen (⇒2.2.1), sondern auch den Verlust eines Lokalkasus (⇒2.1.1) und v. a. die starke Zunahme der sog. Ortsbezugspartikeln (⇒2.3) und der multifunktionalen sog. Place Words (⇒2.4). Die beiden folgenden Tabellen zeigen die Häufigkeit der beiden letztgenannten Wortarten zunächst im Althethitischen (Tab. 2-1) und den Zustand des Mittelhethitischen (Tab 2-2) in absoluten und (gerundeten) Prozentzahlen: Althethitisch
ohne Place Word mit Place Word
Σ
ohne Ortsbezugspartikel
152 (45%)
97 (28%)
249 (73%)
mit Ortsbezugspartikel
56 (16%)
36 (11%)
92 (27%)
Σ
208 (61%)
133 (39%)
Tab. 2-1 | Quantitative Verteilung der Ortsbezugspartikeln und Place Words im Althethitischen
Mittelhethitisch
ohne Place Word mit Place Word
Σ
ohne Ortsbezugspartikel(n)
339 (19%)
527 (30%)
866 (49%)
mit Ortsbezugspartikel(n)
325 (18%)
580 (33%)
905 (51%)
Σ
664 (37%)
1107 (63%)
Tab. 2-2 | Quantitative Verteilung der Ortsbezugspartikeln und Place Words im Mittelhethitischen
Die Übersicht zeigt, dass besonders die Place Words stark zugenommen haben. Die Ortsbezugspartikeln haben dies ebenfalls, aber hauptsächlich dort, wo sie zusammen mit Place Words auftreten, während sich ihr selbständiger Gebrauch nur wenig verändert hat. 6 Waren im Althethitischen Sätze mit Ortsbezugspartikel und Place Word noch selten, sind sie im Mit telhethitischen die häufigste der möglichen Kombinationen. Bei der Zahl der Sätze hingegen, die Lokalkasus enthalten (altheth. ca. 63%, mittelheth. ca. 58%) und derer, die nur eine Ortsbezugspartikel (altheth. 6%, mittelheth. 8%) bzw. nur ein Place Word (altheth. 11%, mittelheth. 15%), jedoch kein anderes räumliches Ausdrucksmittel außerhalb des Prädikats aufweisen, sind die festzustellenden Veränderungen relativ gering.
5 Das ältere Mittelheth. nimmt hierbei eine Zwischenposition ein, stimmt aber in wesentlichen Charakteristika (außerhalb der Raumgrammatik) mit dem jüngeren überein. Im Jungheth., das über ca. 150 Jahre reich belegt ist, sind interessanterweise nur wenige Veränderungen in der Raumgrammatik festzustellen (vgl. Boley 2000: 369). Im Fol genden bezieht sich „ältere Sprache“ auf das Alt- und die ältesten Texte des Mittelheth., „jüngere Sprache“ auf die späteren Texte (grosso modo auch das Jungheth.). Die Abgrenzungskriterien zwischen älterem und jüngerem Mittel heth. bedürften allerdings noch einer systematischen Untersuchung, die noch zu leisten ist, so dass die Bewertung des Alters von Texten im Einzelfall zu revidieren sein könnte. 6 Tatsächlich hat er sogar abgenommen, was aus der tabellarischen Aufstellung nicht ersichtlich wird. In der jün geren Sprache sind viele OBP lexikalisch an Verben gebunden, z. B. =kkan kuen-zi ‚erschlagen, töten‘.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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Bereits aus diesen Zahlen lässt sich ablesen, dass es im Verlauf der hethitischen Sprachgeschichte bei den beiden Wortarten einen Grammatikalisierungsprozess gegeben haben muss, der durch semantische Verblassung zu einer höheren Selektionierbarkeit der Partikeln und Place Words geführt hat. Die einzelnen Veränderungen werden in den folgenden Unterkapiteln beschrieben.
2.1 Lokalkasus Verschieden stark ausgebaute Lokalkasussysteme finden sich in sehr vielen Sprachen praktisch überall auf der Welt, außer südlich der Sahara. 7 Lokalkasus sind besonders in SVO-/ SOV-Sprachen verbreitet und stehen i. d. R. neben weiteren Kasus. Das prototypische Lokalkasussystem ist dabei dreigliedrig und setzt die sog. Fundamentalrelationen „wo“, „wohin“, „woher“ als Lokativ, Allativ und Ablativ um. Die Anzahl der Ortskasus kann insgesamt zwischen einem einzigen und vierzig (im nordostkaukasischen Tabassaranischen) schwanken (Stolz 1992: 28–30, s. auch Creissels 2008). In dieser Arbeit wird die Ansicht vertreten, dass (mit Dahl 1987: 153–155) entgegen den Theorien der Kasusgrammatik (s. z. B. Fillmore 1968) keine universellen Tiefenkasus an zusetzen sind, sondern prototypische kognitive Kategorien, deren Menge und Universalität noch genauer zu bestimmen ist und die einzelsprachlich die Auswahl der Kasus verschieden beeinflussen. So genügt im Finnischen z. B. für die Wahl eines direktionalen Kasus bereits, dass der Zielort Ergebnis der Handlung ist (also z. B. auch bei „bleiben“), während andere Kategorien wie Bewegung oder Intentionalität keinen Einfluss haben (vgl. ⇒1.2). Die ältere Sprachstufe des Hethitischen verfügte über die zwei reinen Lokalkasus Direktiv und Ablativ, den teilweise lokal gebrauchten synkretistischen Dativ-Lokativ sowie den bisweilen als Lokalkasus verwendeten Akkusativ. Diese Kasus leisten im Althethitischen noch den Großteil der Lokalisation (s. Tab. 2-1). Wie in den anderen altindogermanischen Sprachen kann ein hethitischer Satz mehrere Lokalangaben gleichzeitig enthalten, auch wenn es dafür wenige Beispiele mit bloßem Kasus ohne Place Words gibt: 2.1-1a: KBo 3.22 39 f. (aS) karū mŪhnas LUGAL bisher (PN):NOM.SG König
URU
Zālpuwa dSiu(n)=ssumm[in
(ON)
UR U
] Nēsaz
Gottheit:AKK.SG=POSS.1PL.AKK.SG.C (ON):ABL
URU
Zālpuwa pēda[s]
(ON):DIR.SG hinschaffen:PRT.3SG.AKT
„Einst hatte Ohna, der König von Zalpa, unsere Gottheit von Nesa nach Zalpa gebracht.“ 7 In den Sprachen Mittel- und Südafrikas gibt es generell kaum Kasus, stattdessen aber Klassenaffixe, darunter auch lokativische (Stolz 1992: 24–29). In den modernen indogermanischen Sprachen Europas finden sich, mit Ausnahme des Baltischen, ebenfalls keine Lokalkasus. Der in der poln. Terminologie „Lokativ“ (miejscownik) genannte slawische Kasus wird im Russ. treffender als „Präpositiv“ (предложный падеж) bezeichnet; er kommt nur in Verbindung mit (lokalen wie nicht-lokalen) Präpostionen vor.
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2.1-1b: KBo 54.125+ II 16 (mH/mS) DUMU.LUGAL ⌈GU4⌉.ḪI.A-us UDU.⌈ḪI.A⌉-us Prinz
Rinder:AKK.PL
Schafe:AKK.PL
URU
Hanha⌈na⌉z
(ON):ABL
URU
Taniskuriya
(ON):D/L.SG
ses[hai] bestimmen:PRS.3.SG.AKT
„Der Prinz beordert die Rinder (und) Schafe von Hanhana nach Taniskuriya“8 Hethitisch weicht in einem Punkt allerdings bedeutend von der syntaktischen Verwendung der Kasus in den klassischen Sprachen und der funktional entsprechenden Präpositionalphrasen von den modernen europäischen Sprachen ab: Lokalkasus oder Verbindungen aus Kasus + Place Word können nur ein Verb (als Prädikat, Partizip, Infinitiv oder z. T. Verbal substantiv) und somit i. d. R. die Lokalisation des diesem zugeordneten Subjekts näher bestim men, die logische Prädikation eines anderen Satzglieds wie z. B. des Objekts in Ich sehe [[den Mann] [auf dem Baum]] ist nicht möglich.9 Dies ist auf eine syntaktische Restriktion des Hethitischen zurückzuführen, nach der Adverbiale nicht attributiv verwendet werden können.10 Die Ausnahmen von dieser Regel sind nicht sehr zahlreich. Im Rahmen der vorliegen den Arbeit konnte kein Beleg für ein attributives Adverb wie z. B. [[ Der Schirm] [hier]] gehört mir oder eine attributive Postpositionalphrase wie in dem obigen Beispiel gefunden werden, und für adnominale Kasus (außer den dezidiert attributiven Genetiv) lassen sich die folgenden vereinzelten Beispiele anführen: 2.1-2a: KBo 15.33+KBo 15.35 III 11 f. (mH/mS) nu=ssan LÚEN ÉTIM ŠA UDU.ŠIR ŠA GU4.MAḪ=ya auliya KONN=OBP Herr
QATAM
Haus GEN Schafbock
GEN Stier=KONN
GÍR.ZABAR-it
Kehle?:D/L.SG Bronzedolch:INS11
dāi
Hand:AKK.SG setzen:PRS.3SG.AKT
„Der Herr des Hauses setzt die Hand mit einem Bronzedolch an die Kehle ? von Schafbock und Stier.“ 2.1-2b: KBo 3.22 2 (aS) nepisz=a(s)=sta
d
IŠKUR-unni āssus
Himmel:ABL=3SG.NOM.C=OBP (GN):D/L.SG
ēsta
gut:NOM.SG.C KOP:PRT.3SG.AKT
„Er war dem Wettergott vom (= im) Himmel angenehm/lieb.“ 8 Ein Bsp. mit Place Words ist DAM LÚGUDU12 andan siunas É-ri sarh[ul]iyas per[an arta] „Die Frau des Gesalbten steht drinnen im Tempel vor dem Pfeiler?“ (KBo 17.15 Rs.! 13'; aS). 9 Adjektive (vielleicht nur solche resultativen Charakters?) können hingegen Kasusattribute annehmen, z. B. tessummius tarlipit sūwamus „mit t.-Flüssigkeit volle/gefüllte Becher“ (KBo 17.1+ I 26' f.; aS). Für Infinitiv und Verbalsubstantiv mit adverbialem Modifikator s. IBoT 1.36 I 70–72 (mH/mS; →2.5.5-1a). 10 So für die Place Words schon Salisbury (2005: 225): „Hittite does not allow adnominal postpositional phrases, so the underlying position of all such phrases must be somewhere in the VP.“ Für die Kasus s. GHL (242), wo aber Infinitiv und Verbalsubstantiv nicht genannt werden. 11 Kaum GÍR ZABAR-it, grammatisch sollte man für den Dolch einen Instr. und für die Bronze einen Genetivus materiae erwarten.
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2.1-2c: KUB 33.111+HT 25 8' (vor-jH?/jS) d kuin LAMMA-⌈an⌉ nepis LUGAL-un iyauēn REL:AKK.SG.C (GN):AKK.SG
Himmel:LOK König:AKK.SG machen:PRT.1PL.AKT
„Kurunta, den wir zum König im Himmel gemacht haben, …“12 Der Beleg 2b, der dem (inhaltlich) ältesten historischen hethitischen Text angehört, ist auch wegen der Ortsbezugspartikel =asta außergewöhnlich, die bei einem statischen Ablativ des Orientierungspunktes (⇒2.1.2.3) fehlen sollte und auch sonst im Althethitischen anders als in der jüngeren Sprache bei einem expliziten Ablativ kaum verwendet wird. Wenn der Beleg nicht verderbt ist, könnte ihm eine nicht mehr verständliche räumliche Vorstellung zu Grunde liegen.13 Bei den folgenden beiden Beispielen mit zwei Lokalangaben ist zumindest unsicher, ob die eine Lokalangabe die andere nur in Apposition spezifiziert oder tatsächlich Attribut zu ihr ist. 2.1-3a: KBo 17.1+ II 25' f. (aS) NINDA ta=a(t)=ssan [ ] saruwan⌈ti⌉ ÉRIN.MEŠ-ti sēr d[āi] KONN=3SG.AKK.N=OBP (Brot):D/L.SG
Truppe(n):D/L.SG oben setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt es oben auf die „Truppe“ [eine Figur] auf dem/auf das s.-Brot.“ 2.1-3b: KBo 24.66+ I 36 f. (mH/mS) nu hūprushi ha[ss]ī
kattan [AN]A DINGIRLIM=kan menahhanda
KONN Räucherbecken:D/L.SG Herd:D/L.SG herab14 DAT
1-ŠU
Gottheit=OBP
gegenüber
sipanti
1:POSS.3.SG.M libieren:PRS.3SG.AKT
„Er libiert der Gottheit gegenüber einmal herab in das Räucherbecken auf dem/den Herd.“ Zu nennen ist noch die adnominale Verwendung des Instrumentals von Getränken mit Gefä ßen, z. B. DUGharharān ⌈GEŠTIN-it⌉ „ein h.-Gefäß mit Wein“ in KBo 3.34 II 1 (aH/jS), die sehr wahrscheinlich mit Melchert (1977: 254) „certain diachronically, and very likely synchronically as well“ aus partizipialen Konstruktionen wie tessummius tar⌈lipi⌉t sūwamus „mit t.-Flüssigkeit gefüllte Becher“ (KBo 17.1+ I 26' f.; aS) verkürzt ist. Von diesen Ausnahmen abgesehen, kann die grammatische Beschränkung bei der Attribution von Adverbialen durch das Einfügen eines untergeordneten Prädikates in Form eines Partizips (→4a) oder Relativsatzes (→4b) ausgeglichen werden:
12 Hierbei scheint es sich um eine feste Wendung zu handeln, s. für weitere Belege (mit regulärem Dat.-Lok. nepisi) Neu (1980a: 40 f.). 13 Attraktiv wäre H. Nowickis (2000) Deutung des Satzanfangs als nepis=z=asta mit endungslosem Lokativ (⇒2.1.3.5), doch kann die dann anzunehmende Reflexivpartikel =z nicht begründet werden, wie Hoffner/Melchert (GHL: 363, Fn. 9) betonen. In jedem Fall hätte dies keinen Einfluss auf das hier entwickelte Argument. 14 Es handelt sich hier nicht um eine Postpositionalphrase hassī kattan „beim Herd“, vgl. l. c. I 29: n(u)=at=san hūprushi hassī pessiyanzi „Man wirft es in das Räucherbecken auf dem/den Herd.“
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2.1-4a: KUB 17.10 II 29 f. (aH/mS) nu=ssan dTelipinus Ì.DÙG.GA-it pappa‹r›santa KONN=OBP (GN):NOM.SG Feinöl:INS
KASKAL-sa
besprengen:PTZ.AKK.PL.N Weg:AKK.PL.N15
iyanni gehen:IPFV:IMP.2SG.AKT
„Telibinu, wandere auf den mit Feinöl besprengten Wegen entlang!“ 2.1-4b: HKM 3 7–9 (mH/mS) apēl kuis KUR-e
ÉRIN.MEŠ n(u)=as=kan
DEM:GEN.SG REL:NOM.SG.C Land:D/L.SG Truppe(n)
lē
namma arha
KONN=3SG.NOM.C=OBP ferner
weg
wezzi
PROH kommen:PRS.3PL.AKT
„Die Truppen16, die sich in seinem Land aufhalten, sollen nicht wieder herauskommen.“ Wie bereits in Kapitel 1.3.1 erwähnt, stehen die lokalen Kasus überwiegend bei Substantiven mit unbelebtem Referenten (alle Neutra und einige Communia), während bei Personen, Tieren und belebt gedachten Objekten (z. B. Götterstatuen) der Dativ-Lokativ in dativi scher Funktion als prototypische Angabe eines selbständigen, zusätzlichen Partizipianten (s. Hettrich 2007: C.a.V.1) die meisten Funktionen übernimmt. Im Mittelhethitischen wird der Direktiv durch den Dativ-Lokativ ersetzt, der zusammen mit den stark zunehmenden Place Words und Ortsbezugspartikeln das wichtigste Element für die Lokalisation darstellt. Im Folgenden werden die einzelnen Kasus in ihren lokalen Funktionen und üblichen Kontexten – z. B. alleinstehend, mit Ortsbezugspartikel oder Place Word – vorgestellt. Dabei muss nicht zwischen Appellativa und Ortsnamen unterschieden werden, da letztere auf der sprachlichen Ebene kein besonderes Verhalten zeigen. 17 In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass die (Lokal-)Kasus „über einen eindeutig bestimmbaren Bedeutungskern verfügen, von dem aus alle Einzelverwendungen abgeleitet werden können“ (Hettrich 2007: B.a.I.), d. h., es wird versucht, für jeden Kasus zunächst eine prototypische Bedeutung 18 anzugeben, aus der sich in Kombination mit dem konkreten Kontext durch pragmatische Inferenz oder durch den Abbau einzelner semantischer Komponenten die einzelnen Kasusfunktionen ergeben, wie sie in traditionellen Grammatiken unterschieden werden. Ein Beispiel für pragmatische Inferenz ist die Unterscheidung von Adessiv und Inessiv bei einem allgemeinen Lokativ, die von der Gestalt des Relatums abhängt (Punkt/Oberflächenobjekt vs. Behälterobjekt) und nicht in der Kasusbedeutung selbst enthalten ist. Ein Beispiel für den nicht-prototypischen Gebrauch eines Kasus ist ein Ausdruck wie poln. jechać koleją „mit der Bahn fahren“, 15 Nicht Direktiv, der keine Erstreckung ausdrückt, wie sie vom durativen, nicht-zielorientierten iyanna/i-i ‚gehen, marschieren‘ gefordert wird. 16 Das Wort für „Truppe(n)“ ist im Hethitischen, trotz des Logogramms im Plural, grammatisch ein Singular. Die Lautung des Lexems ist unsicher. 17 Zu Bsp. und Eigenheiten in ihrer Schreibung s. aber Kap. 3.1.3. 18 Nicht zu verwechseln mit der „Grund-“ oder „Gesamtbedeutung früherer Ansätze, vgl. die kurze Zusammenfas sung bei Luraghi (2003: 12).
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bei dem der Instrumental nicht ein kontrollierbares, bewegliches Objekt bezeichnet (z. B. mit der Schaufel graben, s. Hettrich 2007: B.a.II), sondern ein großes, eigenbewegliches, auf das das Subjekt keinen wirklichen Einfluss hat.
2.1.1 Direktiv (Allativ) Der Bedeutungskern des Direktivs (auch: Allativ, Terminativ 19), der im Singular auf -a, im Plural auf -as endet (GHL: 76), ist der Ausdruck einer Richtung durch Bezeichnung des Ziels der Bewegung. Da ein statischer Sachverhalt kein räumliches Ziel haben kann, ist der Direktiv immer dynamisch.20 Aus verständlichem Grund ist er auch mit eigenbeweglichen Relata wie Personen oder Tieren wohl gar nicht belegt.21 Anders als die weiteren hier besprochenen Kasus hat der Direktiv ausschließlich lokale bzw. davon metaphorisch abgeleitete Funktionen. Entsprechend sind die Infinitive auf -ānna bei ablautenden Verben der mi-Konjugation (⇒1.3.1), formal Dir. Sg. eines Verbalabstraktums auf -ātar, ursprünglich räumlich zu verstehen, nicht etwa final.22 Das Bedeutungsspektrum dieses Kasus umfasst somit wie folgt: Richtung
-Erreichen direktivisch
+Erreichen terminativisch Punkt allativisch
Behälter illativisch
Abb. 2.1.1-1 | Semantisches Netzwerk der lokalen Funktionen des Direktivs
Der Direktiv kann sich mit dynamischen Place Words wie anda ‚hinein‘, srā ‚hinauf‘ usw. (⇒2.4.1) verbinden, daneben kommen im Satz keine statischen Lokalangaben mehr vor. 19 Der Terminus Allativ wird heute zwar überwiegend gebraucht, ist aber keineswegs ideal, da er als Hyponym von „Terminativ“ nur eine Unterfunktion zweiter Ordnung des Kasus bezeichnet. Angemessen wären die dt. Ausdrücke Ziel- oder Richtungskasus, doch würden sich diese nicht ins terminologische System der Kasusbenennung einfügen. 20 Kammenhuber (1979b und andernorts) nimmt zu Unrecht auch einen synchronen statischen Wert für den Direk tiv an, ein solcher ist für keinen einzigen Originalbeleg zwingend anzusetzen, sofern das lebendige Paradigma betroffen ist. Einige isolierte Formen wie kā ‚hier(her)‘, apiya ‚dort(hin)‘ können auch Ortsruhe bezeichnen (⇒4.1.1.1). 21 In jungen Abschriften sind einige Ausnahmen belegt, die man aber mit Starke (1977: 44) als verderbt bzw. hy perkorrekte Formen außer Acht lassen kann, da die Abschreiber den genauen Gebrauch des Dir. nicht mehr kannten. In KBo 18.151 Vs. 13 (aH?/aS?; vgl. →2.5.1.1-1b) könnte man ⌈Hurla bay⌉is „Er gab (es) dem?/zum? Hurriter“ lesen, doch sind kaum Zeichenspuren vorhanden, und eine eventuell dativische Funktion des Dir. stünde völlig isoliert. 22 Zu solchen „Infinitiven“ aus finalen Dativen im Ai. s. Hettrich (2007: C.a.V.2.1.6).
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Möglich sind natürlich auch Verbindungen mit in Bezug auf ihre Dynamik unbestimmten Place Words wie katta(n) ‚bei‘ (⇒2.4.2), vgl.: 2.1.1-1: KBo 20.71+ IV 8' (mH?/mS) [LUGAL]-us katta NA⁴huwasiya ar[i] König:NOM.SG dabei23 Stele?:DIR.SG24 ankommen:PRS.3SG.AKT
„Der König kommt bei (hinab zu?) der Stele? an.“ Ein direktivischer Ausdruck ist auch mit Quellangaben im selben Satz kombinierbar, im fol genden Beispiel mit ablativischem Dativ-Lokativ (+ =kkan): 2.1.1-2: KBo 54.125+ III 17' (mH/mS) [LÚBEL É URUHa]nhana=wa(r)=nas=kan ÍD-anna Herr
Haus (ON)=„“=1PL.D/L=OBP
arha merta
Fluss:DIR.SG weg
verschwinden:PRT.2SG.AKT
„»Herr des Lokalpalastes in Hanhana, du bist (von) uns weg zum Fluss verschwunden.«“ Entgegen der Behauptung Starkes (1977: 64 f.) kann ein Direktiv auch als Prädikativum in einem Nominalsatz fungieren. Ein klares Beispiel hierfür ist neben KUB 26.17 I 6' (mH/mS) der folgende Satz: 2.1.1-3: KBo 17.1+ III 13 (aS) L Ú [ KÚR-n]as=at pēta Feind:GEN.SG=3SG.NOM.N Ort:DIR.SG
„Es [üble Dinge] (soll) zum Ort des Feindes (gelangen)!“25 Der Direktiv stirbt nach dem Übergang vom Alt- zum Mittelhethitischen aus, seine Funktionen werden vom Dativ-Lokativ übernommen, wobei mehrere Faktoren zusammengewirkt haben dürften. Funktional besteht schon althethitisch eine Überschneidung mit dem DativLokativ, der von Anfang an auch in illativischer und allativischer Funktion sowie ausschließlich bei einigen häufigen Verben des Setzens/Stellens/Legens, die aus moderner Sicht dynamisch sind, verwendet wird (⇒2.1.3). Exklusiv ist der Direktiv nur in direktivischer Funktion bei Substantiven mit unbelebtem Referenten. Formal sind Direktiv und Dativ-Lokativ zudem im Plural, bei i-Stämmen teils auch im Singular,26 nicht geschieden.27 23 Sofern hier nicht katta ‚herab‘ (⇒2.4.1.3) vorliegt. Man beachte aber den weiteren Kontext: Z. 7' [LUGAL-u]s É ⌈hist⌉ās āska ari „Der König kommt am Tor des h.-Hauses an“, Z. 10' [LUG]AL-us NA⁴huwasiyaz wezzi „Der König kommt von der Stele?“, Z. 11' LUGAL-⌈us⌉ Kulillas arhuzzanas [ari t]a=as huw[asi]y[as p]eran tiyēzzi „Der König kommt am a.-Gebäude von Kulilla an und tritt vor die Stele(n) ?“. Von einer Abwärts- und v. a. anschließenden Auf wärtsbewegung ist nicht die Rede (auch nicht andernorts in meinem Korpus). Das Fehlen einer OBP in Z. 10' und andere Besonderheiten setzen das frühe Mittelheth. als Terminus ante quem für die Abfassungszeit des Textes fest. 24 Oder Dat.-Lok., der bei i-Stämmen zumeist formal identisch ist, s. gleich Fn. 26. 25 Da es sich um einen Gegensatz zur vorherigen Aussage handelt (ta=at āppa srā lē ⌈wēz⌉zi „Und es soll nicht wieder heraufkommen!“, Starke 1977: 12 f.), kann auch nicht das Prädikat elliptisch ausgelassen sein (zu erwarten wäre vielmehr paiddu ‚soll hingehen!‘). – Starke ist ebenfalls in der Aussage zu korrigieren, der Dir. (ebenso der Abl.) sei stets valenzgesteuert („Zentralposition“, 1977: 22 f., 41 f.), vgl. z. B. die Infinitive auf -anna (Josephson 1981 [1982]: 97).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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Die althethitische Syntax der dynamischen Lokalisation (s. u. ⇒2.2.1.1) ist hochgradig redundant, da sie morphologisch (Kasus), syntaktisch (Voranstellung des PW) und zweifach lexikalisch (PW und Verb), sowie teilweise sogar noch durch eine Ortsbezugspartikel markiert ist, vgl.: 2.1.1-4: Gesetze §93 (KBo 6.2 IV 36 f.; aS; ergänzt nach Exemplaren in jS) anda=as[=an28 parna nāwi paizzi] rein=3PS.NOM.SG.C=OBP Haus:DIR.SG noch nicht hingehen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn) er aber noch nicht ins Haus hineingegangen ist, …“ Als Kasus mit dem kleinsten Skopus und der schwächsten formalen Markierung ist der Direktiv somit nicht überraschend der mittelhethitischen „Ökonomisierung“ der Raumsyntax zum Opfer gefallen (so auch Luraghi 1986: 40, vgl. auch Mazoyer 2001). 2.1.1.1 Direktivisch Das Erreichen des morphologisch ausgedrückten Ziels ist semantisch im Direktiv nicht kodiert und kann daher nur aus dem Kontext inferiert werden. Eine Rolle könnte dabei wohl die Telizität des Prädikats spielen, doch ist der Direktiv im vorliegenden Korpus mit atelischen Prädikaten, wo eine direktivische Lesart zu erwarten wäre, überraschenderweise gar nicht belegt, es bleibt aber das Beispiel 1a zu vergleichen, das in als resultatives „wandte den Blick nach“ → „schaute in Richtung auf“ quasi-atelische Bedeutung hat. Mit telischen Prädikaten ist eher ein terminativisches (→1b) Verständnis des Direktivs erwarten, das Beispiel 1c kann allerdings auch direktivisch verstanden werden.29 2.1.1.1-1a: KBo 3.22 52 (aS) URU Salatiwara mēni=mmet (ON):DIR.SG
nēh[hun]
Gesicht:AKK.SG=POSS.1SG.AKK.SG.N wenden:PRT.1SG.AKT
„Ich wandte mein Gesicht der Stadt Saladiwara zu.“ 2.1.1.1-1b: KBo 20.71+ IV 7' (mH/mS) [LUGAL-u]s É⌈hist⌉ās āska
ari
König:NOM.SG (Gebäude):GEN.SG Tor:DIR.SG ankommen:PRS.3SG.AKT
„Der König kommt am Tor des h.-Hauses an.“ 26 Die Endung -i des Dat.-Lok. Sg. ist bei i-Stämmen (s. GHL: 86–92 für einen Überblick) schlecht sichtbar, weshalb teilweise schon vorgeschichtlich die Direktiv-Endung -iya für beide Kasus verwendet wurde. Mittelheth. wird sie zur normalen Endung des jetzt alleinigen Dat.-Lok. 27 Zusammen mit einem Place Word können Dat.-Lok. und Dir. in der älteren Sprache allerdings durchaus ausein andergehalten werden, vgl. nu kuis ÉRIN.MEŠ asandula n(u)=as=kan anda asandulas dālahhi „Die Truppen, die zur Garnison (bestimmt) sind, lasse ich in (ihre) Garnisonen hinein“ (KUB 26.17 I 6' f.; mH/mS), mit zweimaligem Dir., sofern es sich im ersten Fall nicht um eine versteinerte Form handelt. 28 Nicht anda=‹s›san s. die Diskussion unten bei 2.3.4-9. 29 Entscheidend ist demnach der weitere Kontext, vgl. mān DUMU-as URUMistūr[a]⌈ha⌉ paizzi mān=as URUKarikūr⌈is⌉ka āri „Wenn der Bedienstete auf dem Weg nach Misturaha ist und in Karigoriska ankommt, …“ ( KBo 25.112+ II 16' f.; aS).
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2.1.1.1-1c: Gesetze §42 (KBo 6.2 II 27; aS) n(u)=as l⌈ahha paizzi⌉ KONN=3SG.NOM.C Feldzug:DIR.SG hingehen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn) er auf einen Feldzug geht, …“ In dieser Bedeutung, d. h. ohne ausgedrücktes Erreichen des Ziels oder Eintritt in ein Behäl terobjekt, steht keine Ortsbezugspartikel. Die Anzahl der Belege ist insgesamt recht ge ring, darunter ist keiner mit logografischer Schreibung, zu erwarten wäre allerdings akkad. ANA (s. u.). 2.1.1.2 Terminativisch Neben dem eben genannten Bsp. 2.1.1.1-1b gibt es noch zahlreiche weitere Belege für das Erreichen eines Zielpunktes (allativisch) oder den Eintritt in ein Behälterobjekt (illativisch), für die in der Folge getrennt Beispiele folgen. Logografisch wird der terminativische Direktiv durch die dynamisch-topologische akkadische Präposition ANA (zugleich Dativ) markiert (in →1a allativ., in →1b illativ.): 2.1.1.2-1a: KBo 22.2 Vs. 3 f. (aH/aS?) ÍD-s=(m)a ANA A.AB.BA KUR Fluss:NOM.SG=KONN DAT Meer
Land
URU
Zalpu⌈wa⌉ pēda[s]
(ON):DIR?.SG
hinschaffen:PRT.3SG.AKT
„Der Fluss aber brachte (sie) zum Meer zum Land von Zalpa hin.“ 2.1.1.2-1b: Gesetze §19a (KBo 6.2 I 37'; aS) n(u)=an ANA ⌈KUR Luwi⌉[a p]⌈ēhutezzi⌉ KONN=3SG.AKK.C DAT Land
(ON):DIR.SG30 hinbringen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn) er ihn ins Luwier-Land hinbringt, …“ Allativisch Wenn das Ziel der Bewegung ein Punkt oder ein sonstiges Nicht-Behälterobjekt ist, steht der Direktiv ohne Ortsbezugspartikel: 2.1.1.2-2: KBo 17.3+ II 48' (aS) ta ḪUR.SAG-a dUTU-i mēnahhanda paimi KONN Berg:DIR.SG
(GN):D/L.SG entgegen
hingehen:PRS.1SG.AKT
„Und ich gehe der Sonnengottheit entgegen zum Berg.“ Allerdings kann durch die OBP =ssan ‚[Oberflächenkontakt]‘ (⇒2.3.4) betont werden, dass nicht nur ein Punkt, sondern eine Begrenzung oder Oberfläche erreicht und berührt wird (→3a, in →3b übertragen temporal):31 30 Sehr wahrscheinlich Dir., nicht Stammform, s. Starke (1977: 34). 31 Vgl. auch mit geneuerten Dat.-Lok. [n]u=ssan hinkan kūrur kāstan ANA ⌈KUR URUMi⌉ttanni [Ù? ANA ] KUR ⌈URUKizzuwatni⌉ Ù ANA KUR URUArzauwa tarnat[ten] „Lasst Verderben, Feindschaft, Hunger auf das Land Mittani und(?) auf das Land Kizzuwatna und auf das Land Arzawa (kommen)!“ (KUB 24.4+KUB 30.12 Vs. 21 f.; mH/mS?).
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2.1.1.2-3a: KBo 17.25 Vs.? 9' (aS) n(u)=a(n/t)=ssan ⌈kat⌉ta DUGGÌR.KIŠ⌈-ya⌉ lahueni KONN=3SG.ACC.C/N=OBP herab
Mischgefäß:DIR.SG gießen:PRS.1SG.AKT
32
„Wir schütten es in das Mischgefäß hinab.“ 2.1.1.2-3b: Gesetze §100 (KBo 6.2 IV 60; aS) [nu=ssa]n prā hmeshanda ar[nuzi] KONN=OBP voran Frühling:DIR.SG bringen:PRS.3SG.AKT
„Er bringt (die Tiere) durch (den Winter) bis zum (folgenden) Frühling.“33 Illativisch Mit Behälterobjekten drückt der Direktiv auch den Eintritt in sie hinein aus, 34 besonders dann, wenn es sich um die Bewegung von Personen handelt (→4a). Logisch nur eine Untermenge der terminativischen Lesart, ist die illativische doch kognitiv und auch auf der Ausdrucksseite von ihr abgehoben, denn nur in dieser Funktion kann sich der Direktiv mit der Ortsbezugspartikel =an ‚[Inklusion]‘ (→4b) und dem Place Word anda ‚hinein‘ u. a. (→4cd) verbinden. 2.1.1.2-4a: KBo 22.1 28' (aS) parna=ssa paisi Haus:DIR.SG=POSS.3SG.DIR.SG hingehen:PRS.2SG.AKT
„Du gehst in sein Haus.“ 2.1.1.2-4b: Gesetze §44b (KBo 6.2 II 35; aS) takkuw=at=an
parna=ma
kuelka
pessiezzi
wenn=3SG.AKK.N=OBP Haus:DIR.SG=KONN INDF:GEN.SG hinwerfen:PRS.3SG.AKT
„Wenn er es [Opferrückstände] aber in jemandes Haus hineinwirft, …“ 2.1.1.2-4c: KBo 34.45+KBo 38.185 3'–5' (mH?/mS) [īt]ten=wa(r)=kan TI-tar […] ap[ē]l parna hingen:IMP.2PL.AKT=„“=OBP Leben
anda
DEM:GEN.SG Haus:DIR.SG rein
pēd[atten] hinschaffen:IMP.2PL.AKT
„»Auf, bringt Leben (…) in sein Haus hinein!«“
32 Und zugleich „auf“, s. für weitere solche Fälle zweideutiger Relationen die Besprechung in Kap. 2.3.4. 33 So nach Starke (1977: 136). Nicht „durch den Frühling“, sachlich ist eine Fütterung der Tiere mit Heuvorräten im Winter, aber nicht mehr im Frühling nötig, zudem wird der Direktiv sonst ausschließlich zur Bezeichnung des Ziels, nicht der (räumlichen/zeitlichen) Erstreckung verwendet. Falsch daher auch Hoffner/Melchert (GHL: 263): Nicht der Direktiv drückt „movement through time“ aus, sondern das Place Word prā ‚voran, (temporal) weiter‘. Der Satz ist ein sehr gutes Beispiel für den modularen Aufbau der altheth. Raumgrammatik. 34 Unklar ist der Ausdruck von nicht-prototypischen Bewegungen zu einem Behälterobjekt hin ohne abschließenden Eintritt. Viele Belege mit bloßen Zielangaben könnten sowohl allativ. als auch illativ. verstanden werden, z. B. NIN.DINGIR-as É dTeteshafi paizzi „Die „Gottesschwester“ geht zum/in den Tempel der Teteshafi“ (KBo 21.93 II 9'; aH?/mS).
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2.1.1.2-4d: KBo 22.2 Rs. 14' (aH/aS?) s(u)=as srā URU-⌈ya⌉ pait KONN=3SG.NOM.C hoch Stadt:DIR.SG hingehen:PRT.3SG.AKT
„Er ging hinauf in die Stadt.“
2.1.2 Ablativ Die Grundbedeutung des Ablativs,35 der die numerusindifferente Endung -(a)z aufweist,36 ist die Trennung von Lokatum und Relatum. Am häufigsten erscheint er in dynamischer, räumlicher Lesung als Ausgangspunkt einer Handlung, von wo sich seine übertragene Funktion als Quelle eines Sachverhalts erklärt. Je nach Eigenschaft der Quelle ist er lokal ablativisch (von einem Punkt weg) oder elativisch (aus einem Behälterobjekt heraus) zu verstehen. Viel seltener ist eine perspektivische Lesart, in der der Ablativ den Orientierungspunkt eines statischen Sachverhalts angibt. Aus der kausalen Funktion (→1a) kann man eine instrumentale (→1b) ableiten, in der der Ablativ seit mittelhethitischer Zeit (vgl. Melchert 1977: 295 f.) erscheint und in Konkurrenz zum Instrumental (⇒1.3.1) tritt, den er junghethitisch schließlich völlig verdrängt (s. GHL: 267–269). 2.1.2-1a: KUB 9.22 III 30 (mH/mS) [nu] mān MUNUS t⌈es⌉haz parkuīs KONN wenn Frau
Traum:ABL rein:NOM.SG.C
„Wenn sich die Frau durch einen Traum als rein erweist, …“ 2.1.2-1b: KBo 15.33+KBo 15.35 II 32' (mH/mS) n(u)=asta DUGisnū⌈r⌉[es k]ue‹d›az IŠTU GADA DINGIRLIM KONN=OBP Backtrog:NOM.PL REL:ABL
ABL/INS Tuch
Gottheit
kriyantes zudecken:PTZ.NOM.PL.C
„Das Tuch der Gottheit, mit dem die Backtröge abgedeckt sind, …“ Direkt von der Grundfunktion des Kasus stammt der partitivische Ablativ (s. GHL: 267 f.), der aber nur sehr selten belegt ist, gewöhnlich steht sonst der partitivische Genetiv (GHL: 252).
35 Ein passenderer Terminus wäre „Separativ“, da Ablativ zugleich eine Unterfunktion des Kasus ist. Der Zwang der Tradition (nicht nur der Indogermanistik) ist aber zu stark für eine Namensänderung. – Monografisch wird der hethitische Ablativ in der Dissertation von Melchert (1977) zusammen mit dem Instrumental unter semantischen, formalen und etymologischen Gesichtspunkten behandelt. 36 S. GHL (76 f.). Vor =(y)a erscheint die ältere Form -(a)zzi, die sich auch noch beim Infinitiv findet (⇒4.1.1.2). Fehlerhaftes an-dur-za-ya „und drinnen“ in IBoT III 1 4' (jH) zeigt, dass -zi=ya nicht phonetisch, sondern lexikalisch bedingt ist.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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2.1.2-2a: KBo 8.91+ Rs. 16 (mH/mS) namma EGIR-anda ambassiēs huisauwaz ferner
danach
zeyantazi=ya
(Titel):NOM.PL lebendig:ABL.N kochen:PTZ.ABL.N=KONN
sipand[anzi] libieren:PRS.3PL.AKT
„Danach opfern die a. ferner von Rohem und von Gekochtem.“ 2.1.2-2b: HT 1 I 44 (mH/jS) n(u)=asta IŠTU UZUNÍG.GIG huisawaz KONN=OBP ABL/INS Leber
wākuen
lebendig:ABL beißen:PRT.1PL.AKT
„Wir haben von der rohen Leber abgebissen.“ Im obigen Beispiel 2b steht der Gebrauch des Ablativs der separativen Funktion sehr nahe, wenn er nicht sogar mit ihr identisch ist. Das würde das Auftreten der Ortsbezugspartikel =asta erklären, die sich sonst nur mit dem dynamischen Ablativ verbindet (s. u.). Die von Hoffner/Melchert (GHL: 265 f.) beschriebene direktivische Funktion hingegen existiert als solche nicht: Es handelt sich um die lexikalische Eigenschaft einiger adverbiell gebrauchter Appellativa (⇒2.5) und Pronomina mit Ablativ-Endung, die eine allgemeine, zunächst statische Orientierung angeben (⇒2.1.2.3), vgl. arahz ‚(von/nach) draußen‘ (erh(a)-/ ar(a)h(a)- ‚Grenze, Mark‘), iskisaz ‚rückwärtig, rückwärts‘ (iskis- ‚Rücken‘), tuedaz ‚auf deiner Seite‘ (jungheth.), 37 während man in der älteren Sprache keine paradigmatischen Ausdrücke wie z. B. parnaz *„zum Haus, auf der Seite des Hauses“ (mit =kkan/=asta immer „aus dem/vom Haus“!), sondern höchstens die oben genannte perspektivische Lesart findet. Das Bedeutungsspektrum des Ablativs kann man also folgendermaßen darstellen: Trennung separativisch -dynamisch statisch Ursache kausal Mittel instrumental
+dynamisch (Quelle) Punkt ablativisch
Teil partitivisch
Behälter elativisch Rahmen perlativisch
Abb. 2.1.2-1 | Semantisches Netzwerk der lokalen Funktionen des Ablativs 37 Das jungheth. mUrhe-Tesupaz „auf der Seite von Urhi-Tessub“ (im politischen Sinne) u. ä. Fälle (Melchert 1977: 291, 356 f., GHL: 266) ist eine Ausdehnung dieses Gebrauchs des statischen Ablativs in der jüngeren Sprache (erster Beleg im Madduwatta-Text, KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 57; mH/mS).
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Anders als der Direktiv kann der Ablativ in dynamischer Bedeutung nicht Prädikativum eines Nominalsatzes sein (s. Starke 1977: 22 f.), wohl aber in statischer. 38 Gewöhnlich steht der Ablativ nur bei Bezug auf unbelebte Objekte (Starke 1977: 122), es sind aber einige Beispiele mit Lebewesen bekannt,39 z. B.: 2.1.2-3: KUB 30.10 Rs. 20 (mH?/mS) mān=mu=kan annaz=ma kartaz
[k]ī
inan
wenn=1SG.D/L=OBP Mutter:ABL=KONN Herz:ABL DEM:AKK.SG.N Krankheit:AKK.SG
gulsta ritzen:PRT.2SG.AKT
„Ob du mir aus dem Leib der Mutter heraus diese Krankheit bestimmt hast, …“ Das Beispiel demonstriert gleichzeitig die temporale Verwendung des Ablativs („ab einem Zeitpunkt“).40 In den folgenden Unterkapiteln wird nur die grundlegende, lokale Funktion dieses Kasus besprochen. 2.1.2.1 Ablativisch In der älteren Sprache und teilweise darüber hinaus steht der gewöhnliche, dynamische Ablativ regelmäßig ohne Ortsbezugspartikel oder Place Words: 2.1.2.1-1a: KBo 3.22 58 (aS) KASKAL-az kuit āssu Weg:ABL
utahh[un]
REL:AKK.SG.N gut:AKK.SG.N herschaffen:PRT.1SG.AKT
„Das Gut, das ich vom Feldzug herbrachte, …“ 2.1.2.1-1b: IBoT 1.36 I 67 (mH/mS) nu GAL-yaz KÁ.GAL-az URUDUz⌈ak⌉kin karpanzi KONN groß:ABL
Tor:ABL
Riegel:AKK.SG heben:PRS.3PL.AKT
„Sie heben den Riegel vom (großen) Tor.“ Schon althethitisch kann aber eine separativische Ortsbezugspartikel (=asta, später =kkan) hinzutreten, ursprünglich wohl nur zur Emphase. Mittelhethitisch wird die Partikel bei dynamischen Konfigurationen jedoch zunehmend obligatorisch, wobei in ca. zwei Dritteln der Belege =kkan, in einem Drittel =asta steht: 2.1.2.1-2a: KUB 43.30 III 18' (aS) [n(u)?=a(t?=a)st]a? sūhz āppa DINGIR.LÚ.MEŠ-nas su[hhanzi] KONN=OBP
Dach:ABL zurück Gottheiten:D/L.PL
schütten:PRS.3PL.AKT
38 Z. B. bei der Beschreibung von Grenzverläufen, z. B. KBo 4.10 Vs. 21 (jH; s. GHL: 266). 39 Vielleicht nicht hierher gehört nu=wa(r) kuēz dUTU-az „»Von welcher Sonnengöttin?«“ (KBo 21.22 Vs. 25; aH/mS), da es sich hier wohl um die Statue der Sonnengottheit handelt. Mit GHL (66) kann man aber Starkes (1977: 122–126) Behauptung zurückweisen, dass der heth. Dat.-Lok. (zumindest in der alten Sprache) bei Lebewesen Dir., Abl. und Instr. obligatorisch ersetze (⇒2.1.3). 40 Für die vereinzelte Angabe eines Zeitabschnitts (GE6.KAM-z ‚nachts‘) s. GHL (266).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
49
„Man schüttet es wieder für die männlichen Götter vom Dach.“ 2.1.2.1-2b: KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 48 (mH/mS) istappesnaz=ma=kan PA5-an [i]yan Wasserbecken:ABL=KONN=OBP Kanal:NOM.SG machen:PTZ.NOM.SG.N
„Von dem Wasserbecken her aber ist ein Kanal gezogen.“ Häufiger steht der Ablativ aber sowohl mit Ortsbezugspartikel als auch einem separativischen Place Word (zumeist arha ‚weg‘, →3a), welches gelegentlich (wiederum in der älteren Sprache) auch alleine stehen kann (→3b): 2.1.2.1-3a: KBo 17.105+KBo 34.47 III 31 (mH/mS) d hadugēs=ma=kan IMIN.IMIN.BI-es KASKAL-az arha namma schrecklich:NOM.PL.C=KONN=OBP Plejaden:NOM.PL
Weg:ABL
weg
ferner
tiendu treten:IMP.3PL.AKT
„Die schrecklichen Plejaden aber sollen ferner vom Weg treten.“ 2.1.2.1-3b: KBo 17.19+KBo 25.52 II (aS) LUGAL-us halmasuittaz katta ⌈w⌉[ezzi] König:NOM.SG Thron:ABL
herab kommen:PRS.3SG.AKT
„Der König kommt vom Thron herab.“ Logografisch wird der ablativische Ablativ mit der multifunktionalen akkadischen Präposition IŠTU ‚aus, von, seit; mit, durch‘, die auch den Instrumental bezeichnet, wiedergegeben: 2.1.2.1-4: KBo 15.33+KBo 15.35 III 33 f. (mH/mS) GIŠ IŠTU ḪUR.SAGSidduwa kuit ey⌈an⌉ [uda]nzi ABL/INS (BN)
REL:AKK.SG.N Eibe?41:AKK.SG herschaffen:PRS.3PL.AKT
?
„Die Eibe , die man vom Berg Situwa herbringt, …“ 2.1.2.2 Elativisch/Perlativisch Der elativische Ablativ wird prinzipiell nicht anders konstruiert als der ablativische, die Tren nung hier dient daher eher der Übersicht. 42 Er steht in der älteren Sprache oft ohne (→1ab), später regelmäßig mit Place Word oder Ortsbezugspartikel (→1c), die aber auch schon althethitisch vorhanden sein kann (→1d): 2.1.2.2-1a: KBo 17.15 Rs. 19' (aS) É LUGAL-us=⌈sa⌉ mākziyaz wezz[i] König:NOM.SG=KONN (Gebäude):ABL kommen:PRS.3SG.AKT
„Und der König kommt aus dem m.-Gebäude.“ 41 Oder ein anderer immergrüner Baum, z. B. eine Eichenart. 42 Wie beim Direktiv (⇒2.1.1) ist auch hier mangels eindeutiger Bsp. unklar, wie untypische Konfigurationen mit Behältern wie „vom Haus weggehen“ behandelt werden.
50
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2.1.2.2-1b: KUB 30.32 I 18 f. (mH/mS) 3 TÚG ZA.GIN […] tuppas É-erz 3 Gewand blau
pianzi
Truhe:GEN Haus:ABL geben:PRS.3PL.AKT
„Man gibt drei blaue Gewänder (…) aus dem Lagerhaus.“ 2.1.2.2-1c: KBo 47.130+KBo 24.3 Vs. 4 f. (mH/mS) arunaz=kan sumanza43 huettiyami Meer:ABL=OBP Schilfrohr:AKK.PL ziehen:PRS.1SG.AKT
„Aus dem Meer ziehe ich die Schilfrohre.“ 2.1.2.2-1d: KBo 17.21+ 67 (aS) [ta=as]ta ZA.LAM.GAR-az wezzi KONN=OBP Zelt:ABL
kommen:PRS.3SG.AKT
„Er kommt aus dem Zelt.“ In Verbindung mit separativischen Place Words (meist prā ‚heraus‘, eigentlich ‚voran‘, s. u. 2.4.1.5) steht er nur sehr selten ohne Ortsbezugspartikel. Solche Fälle finden sich wieder v. a. in althethitischen Texten:44 2.1.2.2-2: KBo 3.22 5 (aS) [LUG]AL URUKussara URU-az katta [pa]ngarit u[et?]45 König
(ON)
Stadt:ABL herab Menge:INS
kommen:PRT.3SG.AKT
„Der König von Kussara kam(?) in Masse aus der Stadt herab.“ Auch der elativische Ablativ kann mit dem Logogramm IŠTU geschrieben werden: 2.1.2.2-3: KUB 15.34 III 35' f. (mH/mS) kinun=(m)a=smas=⌈kan⌉ kāsa IŠTU 7 PÚ.MEŠ sr⌈ā⌉ huettiyaniskeu⌈e⌉ni jetzt=KONN=2PL.AKK=OBP DEM.1 ABL/INS 7 Quellen
hoch ziehen:IPFV:PRS.1PL.AKT
„Jetzt ziehen wir euch aus den sieben Quellen hier herauf.“ Ein Sonderfall des elativischen Ablativs ist der Perlativ (Melchert 1977: 157, 292–295, 361, GHL: 267), der Bewegung durch ein Relatum aus einer dem Centrum deicticum (⇒3.4) zugewandten Perspektive bezeichnet.46 Deiktisch neutral wird dieses Konzept sonst mit einer Um43 Zur Bestimmung dieser Form s. Kloekhorst (2008: 780 f.). 44 In jüngeren Texten haben Ablative ohne OBP meist instrumentale oder statische Funktion (s. u.), nur mit Stadtoder Ländernamen findet man vielleicht etwas länger den alten Gebrauch, z. B. wes=(m)a A⌈NA dIŠKUR⌉ URUNe⌈ri⌉k U ANA DINGIR.MEŠ URUNerik SÍSK[UR.ḪI.A UR]UHattusaz URUHakmissi uppi[skaue]ni „Wir aber schicken dem Wettergott von Nerik und den Götter von Nerik regelmäßig Opfergaben von Hattusa nach Hakmis“ (KUB 17.21 IV 7–10; mH/mS). 45 In der Autografie ist ein Winkelhaken erkennbar, der als U [o] gedeutet wird. wet „kam“ wird allerdings immer mit dem Zeichen Ú [u/w] geschrieben, die übliche Ergänzung oder die Lesung sind daher unwahrscheinlich. 46 In vielen Sprachen, die keinen perlativischen/translativischen Kasus kennen (wofür im Heth. der Akk. dient, ⇒2.1.4), z. B. im Türk., Armen. oder Bask., wird der Abl. auch für die Angabe des Weges verwendet, s. Creissels (2008: 618). Ein gutes Bsp. ist mān=k[an] LÚMEŠEDI=ma Éhilamnaz prā paizzi n(u)=asta Éhilammar istarna arha GIŠ ŠU[KUR]=pat harzi „Wenn der Leibwächter aber durch den Torbau (Abl.) hinausgeht, behält er den Torbau hindurch (Akk.) den Speer“ (IBoT 1.36 I 50 f.; mH/mS).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
51
schreibung aus =kkan + Akk./Dat.-Lok. + istarna arha ausgedrückt (⇒2.4.4.1, 3.2.1), bei den Beispielen mit Ablativ, die man mit „durch“ übersetzt, liegen also wohl gewöhnliche elativische Ablative vor, bei denen das Relatum, eigentlich Wegpunkt der Bewegung, sprachlich als Ausgangspunkt konstruiert wird („aus dem Fenster“ = „durch das Fenster“), vgl: 2.1.2.2-4: IBoT 1.36 I 61 (mH/mS) n(u)=at=kan lusdaniyaz
katta pais[kand]a
KONN=3PL.NOM.C=OBP Seiteneingang?:ABL herab hingehen:IPFV:PRS.3PL.MP
„Sie gehen gewöhnlich aus dem/durch den Seiteneingang? hinab.“47 2.1.2.3 Statisch Die von Hoffner/Melchert genannten, schon althethitischen Beispiele (vgl. auch Laroche 1970: 38, Melchert 1977: 151–157, 290–292, 356–361), in denen der Ablativ einen Orientierungspunkt für eine weitere Lokalisation angibt, 48 bilden eine eigene, statische Instanz der separativen Grundbedeutung des Kasus. Besonders häufig ist diese Verwendung bei polaren Angaben wie „rechts“ vs. „links“ (→1a), es finden sich aber durchaus auch paradigmatische Formen (→1b): 2.1.2.3-1a: KBo 39.8 III 54 (mH/mS) [n]u pahhur ZAG-az GÙB-lazzi=ya warnuwanzi KONN Feuer:AKK.SG rechts:ABL links:ABL=KONN brennen:KAUS:PRS.3PL.AKT
„Man zündet rechts und links ein Feuer an.“ 2.1.2.3-1b: IBoT 1.36 I 10 f. (mH/mS) É nu halentūwaz=(m)a kuis KONN Palast:ABL=KONN
andurz kuzz
REL:NOM.SG.C innen
Mauer:NOM.SG
„Bei der Mauer, die sich vom Palast aus innen befindet, (stehen zwölf Leibwächter).“ Die Anweisung bezieht sich auf den „Innenhof der Leibgarde“ in der Königsburg in Hattusa. Wenige Zeilen später wird die Anordnung von Wächtern an der Mauer, die sich „vom Tor aus“ (oder „draußen“49?) befindet, geregelt. Der Ablativ gibt in diesen Fällen somit an, von welcher Seite her man sich auf dem Platz orientiert, was im Deutschen teilweise nach gebildet werden kann.
47 Weitere Bsp. mit āska- ‚Tor‘: KBo 17.105+KBo 34.47 III 23 (mH/mS), KBo 16.49+KBo 47.81 I 5' (aH/mS?). 48 Obwohl damit die konzeptionelle Grundlage gegeben ist, gibt es anders als in den meisten altidg. Sprachen im Heth. keinen Ablativus comparationis. Stattdessen steht der Dat.-Lok., s. GHL (274; dort auch zu einem möglichen jungheth. Bsp. eines Abl. beim Vergleich, der aber ein Fehler sein dürfte). 49 So HW2 (A: 197), allerdings kann ich das für diese Interpretation entscheidende und dort zitierte INA É=ma „im Haus aber …“ am Ende von Zeile 16 auf der Tafel nicht finden. andurz (s. u. 2.4.3.1) bezeichnet Lokalisation in einem Behälterobjekt (z. B. Häusern), es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass ein ummauerter Hof für die Hethiter nicht auch als ein solches galt.
52
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Eine weitere Abstraktion der Richtungsangabe/Perspektive zeigt das folgende Beispiel, in dem nur ein ganz allgemeiner Orientierungspunkt für die Handlung angegeben ist, der einem Lokativ nahe kommt: 2.1.2.3-2: KUB 24.13 14' f. (mH/jS) n(u)=an=z=(ss)an namma ser katta SAG.DU-az ēpzi KONN=3SG.AKK.C=REFL=OBP ferner
oben unten Kopf:ABL
ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Dann ergreift sie ihn oben und unten am Kopf.“ Bei dieser statischen Verwendung des Ablativs fehlt auch in jüngeren Texten die sonst übliche Ortsbezugspartikel (=asta bzw. =kkan), was darauf hinweist, dass diese nicht mit dem Kasus an sich, sondern dem Vorgang „Separation“ und damit dem Prädikat verbunden ist.50
2.1.3 Dativ-Lokativ In diesem Kasus sind der urindogermanische Dativ und Lokativ morphologisch vollständig zusammengefallen, seine Endung ist zumeist -i im Singular, -as im Plural (s. GHL: 74). Das Ergebnis ist ein hochfrequenter und funktional stark belasteter Kasus, dessen genauer Funktionsumfang umstritten ist. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang zwei kontroverse Thesen Starkes (1977), die den Ansatz einer Unterscheidung Personenklasse – Sachklasse und die Abgrenzung vom Direktiv (⇒2.1.1) betreffen. Wie Starke (1977: 68, 90 f., 122, 124) beobachtet hat, finden sich die konkreten Kasus von Ziel, Quelle und Mittel in Originalen der älteren Sprache nicht (Dir.) bzw. fast nicht (Abl., Instr.) mit belebten Zirkumstanten oder Aktanten, stattdessen steht der Dativ-Lokativ. Gegen Starke bedeutet dies jedoch nicht, dass die beiden genannten Partizipianten-Gruppen sich grammatisch unterschieden, indem der Dativ-Lokativ als Dativ bei der „Personenklasse“ die Kasus Lokativ (formgleich mit dem Dativ!), Direktiv, Ablativ und Instrumental bei der „Sachklasse“ verträte, sondern es handelt sich um eine semantisch begründete Belebtheitshierarchie:51 Wie in vielen, auch genetisch nicht verwandten Sprachen werden im Hethitischen eigenständig handlungsfähige Partizipianten (v. a. Menschen, Götter) anders behan delt als unbelebte Objekte. Bei Personen dominiert die dativische Lesart des Dativ-Lokativs, nämlich der prototypische Dativ der am Geschehen (un)mittelbar beteiligten bzw. von diesem betroffenen Person (dazu Dativus Commodi/Incommodi bzw. Dativ des Empfängers 52), daher ist nicht nur die Erklärung, sondern auch die Darstellung des Befundes bei Starke irrig, da der 50 Besonders gut könnte sich damit das Fehlen der OBP in HKM 25 4 f. (mH/mS, ebenso HKM 55 3 f. und wohl →2.1-1b) kāsa=mu mPisenis URUKasepūraz hatr⌈ā⌉[et] „Hier hat mir Piseni aus Kasebora geschrieben“ erklären: Die Tafel hat zwar ihren Ausgangspunkt in Kasebora, der Vorgang des Schreibens ist aber ortsfest, so dass der Satz keine eigentlich dynamische Konfiguration beschreibt, sondern der Constructio praegnans (s. gleich) nahekommt. 51 S. gegen Starke auch GHL (66). Die entstehende Dissertation von F. Esser (Marburg) setzt sich u. a. mit der heth. Belebtheitshierarchie und ihren Auswirkungen auf den Kasusgebrauch auseinander (s. als Skizze Esser 2010).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
53
„Dativ“ den „Lokativ“ bei Personen gerade nicht vertritt, sondern eine lokativische Lesart dort ohne Place Words nur ganz marginal oder vielleicht sogar gar nicht belegt ist. 53 Das unterschiedliche Verhalten ist also rein semantisch begründet, ein Mensch z. B. ist anders als ein Haus nicht als räumliches Ziel oder Quelle einer Bewegung geeignet, ebenso wenig als Werkzeug. Es sind andererseits durchaus auch unbelebte Objekte oder Abstrakta im Dativ belegt, vgl. neben →2.1.3.4-3a noch die folgenden (teils finalen) Dative: 2.1.3-1a: Gesetze §5 (KBo 6.2 I 3'; aS) parna=ssē=a suwayezzi Haus:DIR.SG=3SG.D/L.N=KONN schauen:PRS.3SG.AKT
„Er schaut dafür auch in das Haus (des Schuldigen).“54 2.1.3-1b: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 39 (mH/mS) [mā]n=wa(r)=t⌈ta⌉ mAttarsiya⌈s=a⌉ haluki wenn=„“=2.SG.D/L
ui[yazi]
(PN):NOM.SG=KONN Botschaft:D/L.SG herschicken:PRS.3SG.AKT
„»Wenn dir Atarsiya aber zur Botschaft schickt, …«“ 2.1.3-1c: KBo 20.19+KBo 20.25 I? 6' (aS) d ANA É [T]elipinu QATAMMA ispant[i] DAT Haus (GN)
ebenso
libieren:PRS.3SG.AKT
„Für den Tempel des Telibinu libiert er gleichermaßen.“55 Außer dort, wo er bei Personen die anderen konkreten Kasus vertritt, wird der Dativ-Lokativ nach Starke (1977: 51–66) im Althethitischen noch nicht in dynamischer Funktion zur Richtungs- oder Zielangabe verwendet, wofür ihm zufolge stattdessen ausschließlich der Direktiv (⇒2.1.1) steht. Diese klare funktionale Trennung erfordert allerdings unglaubwürdige Interpretationen für eine Reihe althethitischer Belege und wurde zu Recht u. a. von Hoffner/ Melchert (GHL: 259) kritisiert, die (ebd. 260, 263) Gegenbeispiele dynamischer Dativ-Lokative in alter Schrift anführen und auf einen anderen funktionalen Unterschied hinweisen: Der Di52 Vgl. für das Hethitische Nowicki (2002) und ausführlich für das Altindische Hettrich (2007: C.a.V.1.1./2). Der zweite Bedeutungskern des ai. Dativs, der Dativus Finalis (Hettrich 2007: C.a.V.2.), ist im Heth. wenig belegt. Anstelle der ai. Verbalnomina im Dat. stehen Infinitive, die formal wohl nicht auf einen Dat. zurückgehen, allerdings ist das häufige Auftreten des Dat.-Lok. zur Bezeichnung eines Objekts eines transitiven Verbs im Infinitiv (s. GHL: 333 f.) am besten aus finalen Dativen zu erklären; vgl. auch KBo 4.4 IV 13 bzw. 21 (jH) mit Dat.-Lok. bzw. Infinitiv. 53 Für inessivische oder illativische Dativ-Lokative von Personen konnte ich keine Belege finden. Adessiv. ist der Dativ in →2.1.3.2-1b, allativ. vielleicht in nu eshe pennis „Und er trieb (sie) zum Herren“ (KBo 3.34 I 25; aH/jS), doch versteht Nowicki (2002: 74 f.) den Satz mit guten philologischen Argumenten als „Er lief seinem Herren fort.“ Nowicki erkennt generell keine lokalen Dative an (72, 75) und behält trotz weitgehender Übereinstimmung mit der hiesigen Auffassung die Begriffe Personen- und Sachklasse bei (76 f.). 54 Anders Nowicki (2002: 72), der einen Dativus sympatheticus ansetzt. Dieser ab der mittelheth. Zeit gut belegte quasi-possessive Gebrauch ist aber in Originalen der alten Sprache noch nicht nachgewiesen (s. GHL: 258). 55 Das Auftreten eines nicht lokalen Dat.-Lok. bei einem schon lexikalisch lokalem Ausdruck ist beachtlich und wohl nicht selbstverständlich. Gegen eine Interpretation als Richtungsangabe „zum Tempel hin“ spricht das Fehlen solcher Ausdrücke neben ispānt-/ispant-i (huppari sipanti „Er libiert in eine Schale“ in KBo 20.67+ I 5' (aH?/mS) ist illativisch). Funktional keine Dative, sondern Lokative liegen in KBo 17.74+ IV 38'–40' (aH/mS) vor (gegen Neu 1970: 35), da diese parallel zu Postpositionalphrasen stehen.
54
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
rektiv werde bei einer größeren Bewegung, die eine essentielle Lageänderung des Subjekts erfordert (z. B. bei ye/a-tta(ri) ‚gehen‘ sowie den Verben mit den Präfixen pe- und u-, ⇒2.2.2) verwendet, der Dativ-Lokativ hingegen bei kleineren Bewegungen ohne bedeutende Ortsveränderung (bei Verben wie „schütten“ oder „libieren“). Diese Unterscheidung wird von den Belegen zwar tendenziell bestätigt, es finden sich aber auch Ausnahmen. Neben →2.1.3.1-1a mit Dativ-Lokativ bei einer größeren Ortsveränderung (ebenso KBo 3.23 10; aS) findet sich noch das folgende Beispiel mit Direktiv bei geringfügiger Bewegung (mit Parallelen im selben Text): 2.1.3-2: KBo 17.1+ III 8 f. (aS) wīlnas ÉRIN.MEŠ-an tessummius=sa Ton:GEN.SG Truppe:AKK.SG
taknā
hariemi
Becher:AKK.PL=KONN Erde:DIR.SG vergraben:PRS.1SG.AKT
„Ich vergrabe die „Truppe“ [eine Figur] und die Becher aus Ton in der Erde.“ Es kann sich hier durchaus um einen Grenzfall handeln, letztlich ist das Vergraben von mehreren Objekten aber ja durchaus eine Handlung, die mehr „Körpereinsatz“ (und damit die für den Direktiv bezeichnende Dynamik) erfordert als das Ausgießen eines Bechers. Weitere auf den ersten Blick widersprechende Belege sind weniger problematisch: 2.1.3-3: Gesetze §25 (KBo 6.2 I 58'; aS) [LUGAL?-w]an=na parna 3 GÍN KÙ.BABBAR daskēr König:GEN.PL=KONN Haus:DIR.SG 3 Schekel Silber
nehmen:IPFV:PRT.3PL.AKT
„Man nahm gewöhnlich drei Schekel Silber in den Palast.“ Das Transferverb „nehmen“ steht zwar gewöhnlich mit dem Dativ-Lokativ des Empfängers, explizit ist dieser im vorstehenden Satz aber nur als Genetiv-Attribut, als Ziel ist vielmehr ein Gebäude (bzw. eine Institution), in das die Strafzahlung gebracht wird. Im folgenden Beispiel (ebenso KUB 36.110 Rs. 9' f.; aH/aS?) bezeichnet der Direktiv ein entferntes Ziel, nicht die Bewegung des Kopfes: 2.1.3-4: KBo 3.22 52 (aS) URU Salatiwara mēni=mmet (ON):DIR.SG
nēh[hun]
Gesicht:AKK.SG=POSS.1SG.AKK.SG.N wenden:PRT.1SG.AKT
„Ich wandte mein Gesicht der Stadt Saladiwara zu.“ Die (fragend) von Hoffner/Melchert angesetzte Unterscheidung erlaubt also keine hinreichende Abgrenzung der Kasus. Vielmehr muss man beim Dativ-Lokativ wie beim Direktiv offenbar zwischen dem Ausdruck einer bloßen Richtung und dem tatsächlichen Erreichen eines Ziels (Terminativ) unterscheiden. Ersteres wird althethitisch nur mit dem Direktiv ausgedrückt, Letzteres auch mit dem Dativ-Lokativ. Dies ist verständlich, wenn man den Dativ-Lokativ nicht wie Starke (s. o.) entgegen den Belegen auf eine statische Funktion festlegt, son dern die beiden Lesarten des Terminativs – Illativ und Allativ – als dynamische Varianten der lokativischen Grundfunktionen Inessiv (⇒2.1.3.1) und Adessiv (⇒2.1.3.2) zulässt. Die weni-
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
55
ger häufige direktivische Funktion, die das Erreichen des Ziels nicht impliziert, lässt sich sekundär aus der allativischen herleiten und somit auch durch den Dativ-Lokativ ausdrücken, was beim Übergang vom Alt- zum Mittelhethitischen auch geschehen ist, so dass der damit jedes funktionalen Alleinstellungsmerkmals beraubte Direktiv verdrängt werden konnte (⇒2.1.3.3). Wichtig ist in jedem Fall die Feststellung, dass sich Dativ-Lokativ und Direktiv in der allativischen und illativischen Lesung von Anfang an überschnitten haben. Das komplexe semantische Netzwerk des Dativ-Lokativs (vgl. GHL: 257–262), einschließlich der geneuerten direktivischen Funktion, lässt sich schematisch mit Konzentration auf die räumlichen Aspekte wie folgt darstellen: Dativ-Lokativ
Dativ
Zweck Finalis56
3. Akt./Zirk. betr. Person
… Trennung separativisch
Lokativ Ort Punkt adessivisch
Behälter inessivisch
Ziel allativisch
Eintreten illativisch
-Erreichen direktivisch Abb. 2.1.3-1 | Semantisches Netzwerk der lokalen Funktionen des Dativ-Lokativs
Prinzipiell ist der Dativ-Lokativ auf keine spezielle topologische Relation festgelegt (vgl. Starke 1977: 48), man kann also alle grundlegenden Verhältnisse inferieren, die sich auf den Rand-, Nah- und bei Behältern auch Innenbereich von Objekten beziehen. 57 Diese Grundkonzepte enthalten keine Ausrichtung. Perspektivierte Relationen, die einen Referenzrahmen erforderlich machen („vor“ vs. „ hinter“ usw., ⇒3.1.2), können daher vom Dativ-Lokativ nicht alleine ausgedrückt werden, sondern nur zusammen mit Place Words (⇒2.4). Als Kasus für 56 Vgl. oben S. 54, Fn. 52. Neben Bsp. 1a vgl. besonders →2.1.3.2-6a. 57 Bei prototypischen Behälterobjekten wie Bechern, Kisten usw. ist funktional-pragmatisch auch bei einem allgemeinen Lokativ nur eine inessivische Lesung zu erwarten, untypische Relation wie „an dem Korb“ dürften daher kaum ohne zusätzliche Mittel auszudrücken sein. Wie es sich mit weniger typischen Behältern verhält, für die auch andere Relationen wichtig sind (z. B. Gebäude), ist mangels Belegen nicht zu klären. Offen bleibt daher auch die In terpretation von KBo 34.46+ II 18 (mH/mS?): mahhan=ma=at ⌈É-⌉[ri] aranzi „Sobald sie aber im/am Tempel ankommen, …“
56
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einen Punkt im Raum ist der Dativ-Lokativ natürlich auch das übliche Ausdrucksmittel auch für einen Zeitpunkt oder -raum, für Beispiele s. GHL (261 f.). Der separative Dativ-Lokativ ist, wie sich aus dem Schaubild ergibt, vom nicht-lokalen Dativ der betroffenen Person abgeleitet (vgl. Nowicki 2002: 68, schon erkannt von Neumann in Eichner/Neumann 1982–1983: 243, Fn. 8). Tatsächlich sind die meisten in der Literatur angeführten „separativen Dativ-Lokative“ des Hethitischen solche Dative bei Transferverben, die keine echten raumbezogenen Verben sind (⇒2.2) und typologisch einen Dativ erwarten lassen.58 Einige wenige Belege weisen aber darauf hin, dass der Dativ-Lokativ bei Personen über diese Fälle hinaus in gewissem Maße als Ersatz für den Ablativ verwendet wurde (s. u. ⇒2.1.3.4). Die obige Diskussion hat gezeigt, dass der Dativ-Lokativ sich schon in der alten Sprache mit dem Direktiv überschneidet. Dies geschieht allerdings nur in bestimmten Kontexten wie dem Illativ (vgl. pessiye/a-zi ‚hinwerfen‘ in KBo 6.2 II 33 (aS) erst mit Dativ-Lokativ, dann (II 35) mit Direktiv), weshalb es sich kaum um die beginnende Verdrängung des Direktivs durch den Dativ-Lokativ handeln kann, sondern eine ursprüngliche funktionale Gemeinsamkeit. Starke (1977: 40) hat unabhängig von dieser Beobachtung festgestellt, dass schon in der älteren Sprache die Verben dai/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘, tiye/a-zi ‚treten, sich hinstellen‘ und es/as-a(ri) ‚sich setzen‘ nie dynamisch mit dem Direktiv, sondern statisch mit Dativ-Lokativ konstruiert werden, wobei die Ausnahmslosigkeit (vgl. hingegen das erwähnte Schwanken des Gebrauchs bei pessiye/a-) zunächst überrascht. Die beiden scheinbar getrennten Phänomene lassen sich unter dem Begriff der sog. Constructio praegnans vereinen und erklären, deren Existenz Luraghi (2001: 33 f.) für das Hethitische bereits festgestellt hat (vgl. auch Kap. 3.2.1). Grundlage dieser in vielen altindogermanischen Sprachen belegten Konstruktion (⇒4.2.1) ist eine Verkürzung der gewöhnlichen Ereigniskette (1) Bewegung (dynamisches Verb) auf (2) ein Ziel hin (Zielkasus), anschließend (3) Verbleib (statisches Verb) an (4) dem Zielort (Kasus der Ortsruhe) um die beiden mittleren Elemente, so dass nur Anfang und Ende des mehrteiligen Gesamtvorgangs expliziert werden. Somit bedeutet dai/ti- „etwas so hinlegen, dass es dort liegen bleibt“, tiye/a„sich hinstellen und dann dort stehen bleiben“ usw. Interessant ist die Tatsache, dass die Constructio praegnans im Hethitischen weitaus häufiger und regelmäßiger erscheint als in seinen indogermanischen Schwestersprachen, wo sie eine „prägnante“ Ausnahme zum üblichen Sprachgebrauch darstellt. Da die Constructio praegnans nur bei Handlungen mit Nachzustand möglich ist, kann der bei ihr auftretende Dativ-Lokativ ausschließlich bei terminativischen (überwiegend illativischen) Ausdrücken erscheinen, ein Dativ-Lokativ der Richtung ist somit althethitisch theo58 Grundsprachlich stand in diesen Fällen allerdings wohl ein Akk. oder Abl. wie im Ai. oder älteren Lat. (s. Hett rich 2011: 93–97), so dass es sich um eine Neuerung des Heth. handelt, die unabhängig auch im Lat. und Dt. geschah.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
57
retisch gar nicht möglich und auch in der Praxis nicht zweifelsfrei belegt (⇒2.1.3.3). Auch wenn es sich in den meisten Beispielen um Fälle von Inklusion handelt, ist dies nicht das entscheidende Kriterium, wie die Belege mit tiye/a-zi ‚sich hinstellen‘ zeigen. Trotz der schließlich erfolgten Übernahme aller dynamischen Kasusfunktionen bleibt die unmarkierte Verwendung des Dativ-Lokativs die statische, denn in allen im Korpus belegten Nominalsätzen, gerade auch im Mittelhethitischen, ist er statisch zu verstehen, d. h., für eine dynamische Konfiguration muss ein passender Kontext (ein Bewegungsverb) vorhanden sein.59 2.1.3.1 Inessivisch/Illativisch Inessivisch Diese Funktion, die ausschließlich dem Dativ-Lokativ vorbehalten ist, drückt statische Inklusion aus. In der älteren Sprache, bei Ländern (und Städten, sofern diese als Behälterobjekt gelten sollten) noch bis in die jüngere Sprache (s. Boley 1989: 98 f.), steht er dabei regelmä ßig ohne Ortsbezugspartikel und häufig ohne Place Words: 2.1.3.1-1a: Gesetze §10 (KBo 6.2 I 17' f.; aS) nu ⌈É-ri⌉=ssi ⌈anneskezzi⌉ KONN Haus:D/L.SG=POSS.3SG.D/L.SG arbeiten:IPFV:PRS.3SG.AKT
„Er arbeitet in seinem Haus.“ 2.1.3.1-1b: HKM 3 7 (mH/mS) apēl kuis KUR-e
ÉRIN.MEŠ
DEM:GEN.SG REL:NOM.SG.C Land:D/L.SG Truppe(n)
„Die Truppen, die sich in seinem Land aufhalten, …“ Ohne zusätzliches Place Word steht der inessivische Dativ-Lokativ fast immer auch ohne Ortsbezugspartikel.60 Eine Ausnahme ist das folgende Beispiel, das zumindest Teilinklusion bezeichnet (vgl. noch KBo 16.50 14–16; mH/mS): 2.1.3.1-2: KBo 17.105+KBo 34.47 II 26' (mH/mS) n(u)=an=z=kan kissrī parsayezzi KONN=3SG.AKK.C=REFL=OBP Hand:D/L.SG zerbröseln:PRS.3SG.AKT
„Sie zerbröckelt es in der Hand.“ Umgekehrt kann der Dativ-Lokativ im Althethitischen ohne Ortsbezugspartikel, aber mit Place Word stehen: 59 Der Beleg nu=war=at=kan«=as» EGIR-pa dHalma⌈su⌉itti (KuT 49 7 f.; mH/mS) ist daher eher nicht als „»Es ist wieder zur Throngottheit (geschafft).«“ o. ä. zu verstehen, sondern als Adessiv „Es ist wieder bei der Throngottheit“ oder Destinativ „Es ist wieder für die Throngottheit (bestimmt).“ 60 Im Satz ⌈kāsa⌉=kan INA ŠÀBI KURTI hūman SIG5-in „Hier im Land ist alles in Ordnung“ (Bo 2006/01 4 f.; mH/mS) ist INA ŠÀBI sicher logograf. Schreibung von anda.
58
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.1.3.1-3: KUB 17.10 I 7 f. (aH/mS) INA ⌈É.GU4⌉ andan GU4.ḪI.A wisūriyantati LOK Kuhstall
drinnen Rinder
drücken:PRT.3PL.MP
„Im Kuhstall drängten sich die Rinder zusammen.“ Die übliche logografische Wiedergabe statischer Inklusion ist die statisch-topologische akkadische Präposition INA (s. auch das vorhergehende Bsp.):61 2.1.3.1-4: HKM 52 17 f. (mH/mS) n(u)=at uwami
INA É.GALLIM memahhi
KONN=3SG.AKK.N kommen:PRS.1SG.AKT LOK Palast
sagen:PRS.1SG.AKT
„Ich werde es im Palast ansprechen.“ Illativisch Gegen Starke (1977: 51–66), der einen unglaubwürdigen modalen Dativ-Lokativ ansetzen möchte (ebd. 57 f.), wird der Dativ-Lokativ auch schon althethitisch (→1ab) zur Bezeichnung des Illativs verwendet.62 Vgl.: 2.1.3.1-1a: Gesetze §79 (KBo 6.2 IV 12; aS) takku GU4.ḪI.A A.ŠÀ-ni pānzi wenn Rinder
Feld:D/L.SG hingehen:PRS.3PL.AKT
„Wenn Rinder auf/in ein (fremdes) Feld gehen, …“63 2.1.3.1-1b: KUB 33.59 III 11' f. (aS) GIŠ huppari=a[n] TÚGkursan [d]ais (Gefäß):D/L.SG=OBP Jagdtasche:AKK.SG setzen:PRT.3SG.AKT
„Sie legte die Jagdtasche in das h.-Gefäß hinein.“ 2.1.3.1-1c: IBoT 1.36 IV 30 (mH/mS) LÚ.MEŠ MEŠEDI kuwapi du[nnake]sni tisskanzi64 Leibwächter
wo
Innengemach
treten:IPFV:PRS.3PL.AKT
„… wo die Leibwächter gewöhnlich in das Innengemach65 treten.“ 61 Seltene Ausnahmen mit ANA sind z. B. KBo 24.66+ II 69 (mH/mS) und KUB 36.127 Vs.! 10' (mH/mS). Da INA auch das PW anda(n) (⇒2.4.1.1) wiedergeben kann, ist nicht immer klar, ob auf der Ebene der Sprache ein einfacher Lokativ oder eine Postpositionalphrase zu Grunde liegt. Entscheiden kann aber die OBP =kkan (⇒2.3.5), die von anda meist verlangt wird. 62 Die illativische Lesart des Dat.-Lok. kann vielleicht auf die Constructio praegnans (s. o.) zurückgeführt werden, die sogar mit dem statischen PW andan ‚drinnen‘ belegt ist (→2.4.1.1-3). 63 Anders Starke (1977: 53 f.): „auf einem Feld herumgehen“, doch wird für nicht zielgerichtete Bewegung gewöhnlich iyanna/i-i ‚gehen, marschieren‘ verwendet. Denkbar ist hier natürlich auch ein allativ. Dat.-Lok., vielleicht werden aber Felder als Behälter, in die man hineingeht, nicht als Oberflächen kategorisiert (man bedenke, dass z. B. Getreide und andere Feldfrüchte seinerzeit weitaus höher wuchsen als die heutigen Sorten). 64 ti-iš-ša-kán-zi [tiSkántsi]. 65 Eine Interpretation „zum Innengemach“, also ein Anhalten vor dem Eingang, ist natürlich auch möglich, mangels Kenntnis der Realien ist das nicht zu entscheiden. Ein sicheres alternatives Bsp. ist KBo 15.10+KBo 20.42 II 2 f. (mH/mS).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
59
Der illativische Dativ-Lokativ kann auch mit der meist dynamischen Ortsbezugspartikel =an ‚[Inklusion]‘ (→2a vgl. auch →1b darüber) oder dem Place Word anda ‚hinein‘ (→2b) vorkommen: 2.1.3.1-2a: KBo 30.33 I 20' (aS) [n(u)=]e=(a)n kissri=smi
dāi
KONN=3PL.AKK.N=OBP Hand:D/L.SG=POSS.3PL.D/L.SG setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt sie ihnen in die Hand.“ 2.1.3.1-2b: IBoT 1.36 I 48 (mH/mS) LÚ MEŠEDI=ma Éhilamni ⌈anda⌉ innar⌈ā ŪL⌉ tiyēzzi Leibwächter=KONN Torbau:D/L.SG rein
absichtlich NEG treten:PRS.3SG.AKT
„Ein Leibwächter tritt aber nicht gezielt in den Torbau hinein.“66 Logografisch wird der Illativ wie der statische Inessiv allerdings gewöhnlich mit INA umschrieben, d. h., auf der Schriftebene wird aufgrund der andersartigen Kategorisierung des Akkadischen nicht zwischen [±Dynamik] unterschieden, sondern zwischen [Inklusion] (INA) und [Richtung] (ANA). 2.1.3.1-3: IBoT 1.36 I 13 (mH/mS) nasma INA É-ŠU kuiski oder
tarnanz
LOK Haus:POSS.3SG.M INDF:NOM.SG.C lassen:PTZ.NOM.SG.C
„Oder jemand ist in sein Haus entlassen worden…“ Das folgende Beispiel ist im Kontext 67 unklar, =kkan dürfte wohl für =an ‚hinein‘ der althethitischen Vorlage stehen: 2.1.3.1-4: KUB 33.68 II 10 (aH/mS68) kardiya=tta=ma=at=kan
srā danzi
Herz:DIR.SG=POSS.2SG.DIR.SG=KONN=3SG.AKK.N=OBP hoch nehmen:PRS.3PL.AKT
„Sie nehmen sie in dein Herz (zu deinem Herzen?) hoch.“ 2.1.3.2 Adessivisch/Allativisch Adessivisch Bei Nicht-Behältern drückt der Dativ-Lokativ Nähe (→1a) oder Überschneidung (Kontakt, →1c) von Lokatum und Relatum aus, was durchaus auch metaphorisch verstanden werden kann (→1b):
66 Zum Fehlen von =kkan bei anda trotz Relatum s. u. 2.3.5. 67 Die Wendung erscheint als Parenthese in dem Satz „Wie (er) die s.-Nuss bricht und ihre Hülsen wegwirft (…), wirf du aber, Wettergott, das böse Wort fort.“ 68 Nach GHL (193, Fn. 121) aH/jS, Duplikat zu KBo 34.34 (aH/mS). Anscheinend liegt aber eine Verwechslung vor, die Schrift von KUB 33.68 ist m. E. spätes Mittelheth., dafür ist KBo 34.34 jS (junges ak, aḫ).
60
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.1.3.2-1a: Gesetze §50 (KBo 6.4 II 61 f.; aS) nu apē[l É-ŠU] ⌈kuel=a⌉
GIŠ
eyan
KONN DEM:GEN.SG.C Haus:POSS.3SG.M REL:GEN.SG.C=KONN Eibe?:NOM.SG
āski=ssi
sa⌈kuw⌉ān
Tor:D/L.SG.=POSS.3SG.D/L.SG.C beobachten:PTZ.NOM.SG.N
„Desjenigen Haus, bei dessen Tor eine Eibe? gehütet wird, …“ 2.1.3.2-1b: KBo 22.1 16' f. (aS) nu=smas gullakkuwan
sahzi
KONN=3PL.D/L.C abscheulich:AKK.SG.N suchen:PRS.3SG.AKT
„Er wird bei euch die Abscheulichkeit suchen.“ 2.1.3.2-1c: KBo 15.10+KBo 20.42 I 5 (mH/mS) n(u)=at harsas dāi KONN=3PL.AKK.N Dickbrot:D/L.PL setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt sie auf den Dickbroten ab/auf die Dickbrote.“ Zum im Hethitischen statisch konstruierten dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ im letzten Beispiel s. o. 2.1.3. Der Dativ-Lokativ steht sehr häufig als regierter Kasus mit Place Words 69 oder mit einer Kombination aus Ortsbezugspartikel und Place Word. Mit Ausnahme der Relation „auf“ (und „an“, s. gleich), steht er generell eher selten mit einer Partikel allein ohne zusätzliches Place Word. In solchen Fällen handelt es sich zumeist um eine allgemeine Anbin dung an den Kontext (⇒2.3.5): 2.1.3.2-2: KBo 16.97+KBo 40.48 Rs. 5 (mH/mS) keltis=kan GÙB-las issī (Teil der Leber):NOM.SG=OBP links:NOM.SG.C Mund:D/L.SG
„Die k. ist ungünstig („link“) am/im (auf dem?) „Mund“.“ Die topologische Relation „auf“ kann durch ser + Dativ-Lokativ allein ausgedrückt werden, in den meisten Fällen wird der Kontakt aber durch die Partikel =ssan (jünger =kkan) expliziert (s. u. Kap. 2.3.4, 2.4.1.2). Der Großteil der Beispiele für unerwartet fehlende Parti keln stammt aus der älteren Sprache. katta(n)/katti= ‚bei‘ (⇒2.4.2.2) steht hingegen regelmäßig ohne Ortsbezugspartikel: 2.1.3.2-3: ABoT 65 3 f. (mH/mS) tug=ga katta70 SIG5-i[n] ē[st]u du:D/L=KONN bei
gut
KOP:IMP.3SG.AKT
„Möge es auch bei dir in Ordnung sein!“
69 Die Rektion ist nur zusammen mit PW + arha in der Bedeutung „von einem Ort weg“ nachweisbar (⇒2.4.4.1). 70 Der Beleg zeigt, dass komitatives katta nach der altheth. Zeit nicht völlig ausgestorben ist (gegen Starke 1977: 185).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
61
Bei einigen der nicht-topologischen Place Words, die engeren Bezug zum Dativ-Lokativ haben, finden sich wiederum kaum Fälle ohne Ortsbezugspartikel (z. B. anda, istarna), während andere (z. B. peran, kattan) ganz regulär ohne diese auftreten, s. u. Kap. 2.4. Da der übliche Ausdruck für „bei“, katta(n)/katti=, logografisch zumindest in manchen Genres gewöhnlich mit akkad. MAḪAR ‚vor‘ umschrieben wird,71 drückt akkad. ITTI ‚mit, zu, bei‘ vielleicht den bloßen Dativ-Lokativ in dieser Relation aus, es konnten hierfür allerdings keine eindeutigen Belege in Form von Duplikaten gefunden werden. Man kann daher nicht ausschließen, dass sich hinter ITTI im folgenden und in anderen Beispielen ein sprachwirkliches hethitisches Place Word verbirgt. 2.1.3.2-4: IBoT 1.36 I 15 (mH/mS) n(u)=at ITTI LÚ.MEŠNI.DUḪ tianzi KONN=3PL.AKK.N KOM Pförtner
setzen:PRS.3PL.AKT
„Man stellt sie bei den Pförtnern ab.“ Der in Kap. 2.1.2.3 (S. 52, Fn. 48) erwähnte Dativ-Lokativ beim Vergleich (statt eines Ablativus comparationis) ist möglicherweise auf eine Metapher des lokalen Dativ-Lokativs zurückzuführen, wofür auch die zumindest in der jüngeren Sprache obligatorische Verwendung der Ortsbezugspartikel =kkan (bzw. =asta, ⇒2.3.3) spricht. Vgl.: 2.1.3.2-5: KUB 43.53 I 23 (aH/jS) iski‹s›=set=asta
iskisi
GAL-li
Rücken:NOM.SG=POSS.3SG.NOM.SG.N=OBP Rücken:D/L.SG groß:NOM.SG.N
„Sein Rücken ist bei/neben dem (anderen) Rücken groß. = Sein Rücken ist größer als der (andere) Rücken.“ Allativisch Wenn auch weniger gut als der Illativ (s. o.), so ist die allativische Lesart des terminativischen Dativ-Lokativs doch schon in der älteren Sprache belegt. Neben den folgenden Beispielen ist noch KBo 8.42 Vs.? 5' (aS) anzuführen: 2.1.3.2-6a: KBo 22.2 Rs. 5' (aH/aS?) su=wa(r) URUHattusi hingani
pāun
KONN=„“ (ON):D/L.SG Verderben:D/L.SG72 hingehen:PRT.1SG.AKT
„»Ich ging nach Hattusa (hinein), um zu sterben.«“ 71 Vgl. das besonders augenfällige katti=mi SIG5-in tuk=ka MAḪAR ŠEŠ.DÙG.GA-YA hūman SIG5-in ēstu „Bei mir ist (alles) in Ordnung. Auch bei dir, meinem lieben Bruder, soll alles in Ordnung sein“ ( HKM 2 17–19; mH/mS). – M. Cajnko (Ljubljana, per Netzpost) hat mich dankerswerterweise darauf hingewiesen, dass MAḪAR nur dort erscheint, wo eine rangmäßig höhere Person angesprochen wird (gewöhnlich in Briefen). Ihrer Untersuchung zufolge sind die logograf. Markierungen syntaktischer Relationen (besonders die an Stelle hethitischer PW) generell stark genregebunden. Inwiefern hinter den teils feinen semantischen Unterscheidungen auf der Schriftebene eine sprachwirkliche Varianz steht (was ich bezweifle), ist nicht zu eruieren. 72 Laut Starke existiert kein finaler Dativ im Altheth., der Lok. habe hier modale Bedeutung („im Tode“), dagegen zu Recht Hoffner/Melchert (2008: 260).
62
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.1.3.2-6b: KBo 17.74+ I 17 f. (aH/mS)73 LUGAL-us MUNUS.LUGAL-as=sa āppa [halmassui]tti pānzi König:NOM.SG Königin:NOM.SG=KONN
zurück Thron:D/L.SG
hingehen:PRS.3PL.AKT
„König und Königin gehen zurück zum Thron.“ Die Kategorisierung von Städten im Hethitischen ist nicht klar, 74 es ist aber typologisch verbreitet, hierfür allativische Präpositionen zu gebrauchen, zumindest in modernen Sprachen (vgl. dt. nach, engl. to, poln. do), obwohl man in aller Regel in die Städte auch hinein-, nicht nur zu ihnen hinfährt. Während man in der alten Sprache in dieser Funktion auch den Direk tiv findet (⇒2.1.1.2, z. B. KB 3.22 39–44, KB 22.2 Vs. 15), wird ab der mittelhethitischen Zeit nur noch der Dativ-Lokativ verwendet: 2.1.3.2-7: ABoT 65 Vs. 9 (mH/mS) URU nu Hattusi pennis KONN (ON):D/L.SG hintreiben:PRT.3SG.AKT
„Er ist nach Hattusa gefahren.“ Auch der allativische Dativ-Lokativ steht gewöhnlich entweder ohne Ortsbezugspartikel und Place Words oder mit beiden gleichzeitig. Im folgenden Fall ist die Ortsbezugspartikel =ssan ‚[Oberflächenkontakt]‘ aber eher Ausdruck des Erreichens eines Ziels: 2.1.3.2-8: KBo 32.19 III 47' f. (mH/mS) nu=wa(r)=ssan ammuk sumas tuēggas=s⌈ma⌉s KONN=„“=OBP
uwami
ich:NOM ihr:D/L Körper:D/L.PL=POSS.2PL.D/L.PL.C kommen:PRS.1SG.AKT
„»Ich werde zu euch selbst („gegen eure Körper“) kommen.«“ Zu vergleichen sind hier noch die Beispiele KBo 34.46+ III 29' f. und KBo 19.145 III 44' (beide mH/mS) mit wohl syntaktischem =asta (⇒2.3.3). Wie der Direktiv (⇒2.1.1) wird auch der allativische Dativ-Lokativ logografisch mit akkad. ANA ‚zu‘ umschrieben: 2.1.3.2-9: KBo 8.35 II 19' (mH/mS) nu mān ANA KUR URUHa⌈tt⌉i parhuwanzi uwatteni KONN wenn DAT Land
(ON)
angreifen:INF kommen:PRS.2PL.AKT
„Wenn ihr um anzugreifen ins Land von Hatti kommt, …“
73 Diese – wo überprüfbar – sehr getreue Abschrift des altheth. Texts KBo 17.11+ wird in dieser Arbeit aus Grün den der besseren Lesbarkeit anstelle des stark fragmentierten Originals zitiert, die Belege können aber als alt gelten. 74 Einerseits tritt die für Oberflächenobjekte typische Partikel =ssan (⇒2.3.4) bei Städten anders als z. B. bei Län dern und Bergen regelmäßig nicht auf, s. Boley (2000: 85–88; ein spätes Gegenbsp. ist HKM 36 46–48; mH/mS), andererseits lassen sich keine Verbindungen von Städten mit anda (⇒2.4.1.1), das für Inklusion spräche, finden.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
63
2.1.3.3 Direktivisch Direktivische Dativ-Lokative, bei denen nur eine Richtung eingeschlagen, aber kein Ziel erreicht wird, werden bei Objekten erst im Mittelhethitischen mit dem Aussterben des Direktivs gebräuchlich (→1ab), bei Personen sind sie schon althethitisch der einzige Ausdruck (→1c): 2.1.3.3-1a: KBo 32.14 III 42 (mH/mS) [ x x x -]ul⌈lu⌉ddu⌈us?⌉=ma ⌈s⌉rā nepisi (Gebäudeteil):AKK.PL=KONN
hoch
manninkuwahhas
Himmel:D/L.SG annähern:PRT.3SG.AKT
„Die Zinnen?/Spitze? aber ließ er hinauf dem Himmel nahe kommen.“ 2.1.3.3-1b: KBo 3.21 II 14 f. (mH?/mS) n(u)=asta tarhuilātar=tet
hatugātar=tet
KONN=OBP Heldentum:NOM.SG=POSS.2SG.NOM.SG.N Schrecken: NOM.SG=POSS.2SG.NOM.SG.N
DINGIR.MEŠ-as prā kallaranni Gottheiten:D/L.PL
neyan
voran ungünstiger Ausgang wenden:PTZ.NOM.SG.N
„Dein Heldenmut (und) dein Schreckensglanz sind für die Götter gegen das böse Ende gerichtet.“ 2.1.3.3-1c: Gesetze §195 (KUB 29.25+ IV 10; aS) [ta] DUMU.MUNUS-si=⌈ya⌉ s(a)lig[a] KONN Tochter:D/L.SG=KONN
sich nähern:PRS.3SG.MP
„Und (wenn) er sich der Tochter nähert, …“ Einen ersten Originalbeleg für den Richtungslokativ könnte das folgende Beispiel →2a darstellen, dessen paläografische Datierung aber nicht sicher ist. Interessanterweise werden solche Ausrichtungen ohne eigentliche Fortbewegung (ausschließlich? vgl. das unsichere →2c) mit dem Dativ-Lokativ ausgedrückt (→2b) 2.1.3.3-2a: KBo 38.12+ III 26' (aH/aS?) [LÚ.MEŠhapies p]⌈ē⌉di=smi=pat
ZAG-ni
1-ŠU
(Personengruppe):NOM.PL Ort:D/L.SG=POSS.3PL.D/L.SG.N rechts:D/L.SG 1:POSS.3.SG.M
wahanzi drehen:PRS.3PL.AKT
„Die h.-Leute wenden sich genau auf ihrem Platz einmal nach rechts.“75 2.1.3.3-2b: KBo 54.219+ I 16 f. (mH/mS) EGIR-⌈ŠU=ma⌉=as=z=kan ZAG-ni
⌈ne⌉yari
danach=KONN=3SG.NOM.C=REFL=OBP rechts:D/L.SG wenden:PRS.3SG.MP
„Danach aber wendet er sich nach rechts.“
75 In Zeile 27' folgt GÙB-liya ‚nach links‘; auch deshalb ist ein attributiver Bezug von kunni auf pēdi weniger wahrscheinlich.
64
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.1.3.3-2c: KBo 39.8 II 2 f. (mH/mS) kin[un=(m)a=wa(r)] apūs hūrtaus jetzt=KONN=„“
EME.ḪI.A dUTU-us
DEM:AKK.PL.C Fluch:AKK.PL Zungen
⌈GÙB-la⌉
(GN):NOM.SG links:DIR
[wahnuddu] drehen:KAUS:IMP.3SG.AKT
„»Jetzt aber soll die Sonnengottheit jene Flüche (und) Zungen nach links wenden (= wirkungslos machen).«“ 2.1.3.4 Separativisch (Dativ der betroffenen Person) Der Dativ-Lokativ kennt, wie bereits oben erwähnt, die aus anderen altindogermanischen Sprachen bekannten dativischen Funktionen (gegen Starke 1977: 75 f., 88 f.), darunter besonders den Dativ des Empfängers (→1a) und den der vom Sachverhalt begünstigten/benachteiligten Person (Dativus (in)commodi, →1b): 2.1.3.4-1a: Gesetze §22 (KBo 6.2 I 49'; aS) KUŠ nu=sse E.SIR-us pāi KONN=3SG.D/L.C Schuh:AKK.PL geben:PRS.3SG.AKT
„Er gibt ihm Schuhe.“ 2.1.3.4-1b: KBo 30.19+ Vs. 6' (aH?/mS) ta=a(n)=ssan siu⌈ni⌉=smi
hukanz[i]
KONN=3SG.AKK.C=OBP Gottheit:D/L.SG=POSS.3PL.D/L.SG schlachten:PRS.3PL.AKT
„Sie schlachten es darauf für ihre Gottheit.“ Der Ablativ (entsprechend Dir. und Instr.) ist bei Personen kaum belegt, da diese offenbar nicht als statische Quellen, sondern als eigenständige Teilnehmer des Sachverhalts gesehen wurden.76 Beim überwiegend mit dem Transferverb dā/d-i ‚nehmen‘ belegten Dativ der betroffenen Person wird die zumindest in den prototypischen Situationen gegebene Separation des transferierten Objekts im Althethitischen durch eine entsprechende Ortsbezugspartikel77 unterstrichen („jmdm. etwas nehmen“ (→2a) vs. „jmdm. etwas weg-/abnehmen“ (→2b)). Daneben oder stattdessen kann auch das Place Word arha „weg“ stehen (→2c). Ab der mittelhethitischen Zeit ist der Dativ-Lokativ in dieser Funktion kaum noch ohne Ortsbezugspartikel anzutreffen, selbst wenn arha steht (→2d).78
76 Dies ist ein typologisch zu erwartendes Verhalten, so nimmt man etwas auch im Dt. und vielen anderen Sprachen „jemandem“, nicht „von jemandem“ weg. Zudem ist der Abl. im Heth. wohl ein rezenter Kasus mit nur wenigen übertragenen Gebrauchsweisen (⇒2.1.2, 4.1.1.2). 77 In den Originalen steht =kkan, =asta ist vielleicht nur zufällig nur in Abschriften belegt, z. B. KBo 17.1+ IV 38, wo die OBP genau im Bruch steht. Vgl. die mittelheth. Bsp. n(u)=asta ANA LÚ.MEŠ ŠUKUR«.ḪI.A» GIŠŠU[KUR. ḪI.A] ⌈ar⌉ha tanzi „Man nimmt den Männern des Speeres die Speere ab“ (IBoT 1.36 III 38 f.; mH/mS) und KUB 45.47 III 24'–26' (mH/mS). =asta hatte zu dieser Zeit allerdings bereits auch syntaktische Funktion und konnte so an die Stelle von =kkan treten (⇒2.3.3).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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2.1.3.4-2a: KBo 17.1+ IV 14 f. (aS) [m]ān [a]yin wāyin pittuliu[s=sa wenn
LU]GAL-i MUNUS.LUGAL=ya
Leid:AKK.SG Weh:AKK.SG Angst:AKK.PL=KONN König:D/L.SG Königin:D/L.SG=KONN
[d]ask[ē]mi nehmen:IPFV:PRS.1SG.AKT
„Wenn ich König und Königin Leid, Weh und Ängste nehme, …“ 79 2.1.3.4-2b: KBo 17.1+ I 11' (aS) [k]āsata=smas=kan utniyandan
lālus
dāhhun
DEM.2=3PL.D/L.C=OBP Bevölkerung:GEN.PL Zunge:AKK.PL nehmen:PRT.1SG.AKT
„»Ich habe euch die (bösen) Zungen der Leute abgenommen.«“ 2.1.3.4-2c: KBo 17.32+KBo 41.21 15' (aH?/mS) [n]u=sse harā⌈tar arha dā⌉ KONN=3SG.D/L.C Sünde:AKK.SG weg
nehmen:IMP.2SG.AKT
„Nimm ihm die Sünde fort!“ 2.1.3.4-2d: IBoT 1.36 I 24 (mH/mS) GIŠ nu=ssi=kan GIDRU arha dāi KONN=3SG.D/L.C=OBP Stab
weg
nehmen:PRS.3SG.AKT
„Er nimmt ihm den Stab ab.“ Das folgende Bsp. 3a zeigt, dass dieser Komplex nichts mit einer starren Unterscheidung von „Personen-“ und „Sachklasse“ zu tun hat, erscheint doch ein unbelebtes Objekt im semantischen wie formalen Dativ. Beispiel 3b hingegen zeigt den konkret lokalen Gebrauch mit dem Ablativ (vgl. auch →5): 2.1.3.4-3a: KBo 17.1+ I 12' (aS) kardi=smi=ya?=at=kan80
dāhhu[n]
Herz:D/L.SG=POSS.2PL.D/L.SG.N=KONN=3SG.AKK.N=OBP nehmen:PRT.1SG.AKT
„»Ich habe es auch eurem Herzen weggenommen.«“ 2.1.3.4-3b: KBo 17.7+ IV? 6' f. (aS) GIŠ GIŠ ŠÚ.A-kaz=(s)mit ⌈NÁ⌉-az=(s)⌈mi⌉t
kartaz=(s)mit [
Thron:ABL=POSS.2PL.ABL Bett:ABL=POSS.2PL.ABL Herz:ABL=POSS.2PL.ABL
-g]az=(s)mit
dāhhun
X:ABL=POSS.2PL.ABL nehmen:PRT.1SG.AKT
„Ich habe (es) von eurem Thron, von eurem Bett, von eurem Herzen und von eurem [ ] genommen.“ 78 Einfaches Nehmen ohne Quellangabe wird hingegen immer ohne OBP ausgedrückt, vgl. nu=z ūk GIŠhu⌈hu⌉palli dā[hh]e „Und ich nehme mir das Becken ?“ (KUB 32.117+ III 13'; aS), EN SÍSKUR-z EGIR-pa ŪL kuitki dāi „Der Ritualherr nimmt sich nichts zurück“ (KBo 15.25 Rs. 29; mH/mS), vgl. Tjerkstra (1999: 137 f.). 79 Dies ist das einzige Bsp. für dreiwertiges dā-i ohne OBP oder PW, allerdings können in der Protasis von Konditionalsätzen die OBP unter nicht völlig klaren Umständen fehlen (⇒2.3). 80 kar-di-iš-mi-ya-at-kán, entweder mit Gleitlaut zwischen =smi und =at oder eher mit =ya ‚und, auch‘.
66
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Der Dativ-Lokativ kann auch einem Elativ gleichkommen, z. B. im Zusammenhang mit Tier opfern: 2.1.3.4-4: KBo 24.66+ I 43 (mH/mS) UZU nu=ssi=kan ŠÀ dāi KONN=3SG.D/L.C=OBP Herz
nehmen:PRS.3SG.AKT
„Und er nimmt ihm [dem geopferten Vogel] das Herz heraus.“ Vgl. den gleichen Satz mit verdeutlichendem prā in KBo 54.219+ I 33 (mH/mS). Der separative Dativ wird logografisch mit akkad. ANA ‚zu‘ umschrieben, nicht etwa mit IŠTU ‚von‘: 2.1.3.4-5: KUB 45.47 III 24'–26' (mH/mS) LÚ n(u)=a(t)=sta ⌈AZU⌉ ANA […] kissraz KONN=3SG.AKK.N=OBP Opferschauer DAT
ar⌈ha⌉ dāi
Hand:ABL weg
nehmen:PRS.3SG.AKT
„Der Opferschauer nimmt es [mehren namentlich genannten Personen] aus der Hand.“ Aus dem grundlegend nicht-lokalen Dativ der betroffenen Person wurde, wohl erst im Hethitischen, ein separative Dativ-Lokativ abstrahiert, der gewöhnlich, aber nicht immer bei Personen den Ablativ ersetzt.81 Diese Beispiele begründen aber keineswegs den Ansatz einer Unterscheidung Personenklasse – Sachklasse (⇒2.1.3). Die Belege sind nicht besonders zahlreich:82 2.1.3.4-6a: KUB 37.223 Vs. 2 (aS) ANA LÚ LÚsardias edi nea DAT Mann Helfer:NOM.SG jenseits wenden:PRS.3SG.MP
„Der Helfer wird sich von dem Mann abwenden.“ 2.1.3.4-6b: KUB 7.10 I 7 f. (mH?/jS) d mān=kan taknas=ma UTU-i
ḪUL-lu
KAxU-az wezzi
wenn=OBP Erde:GEN=KONN (GN):D/L.SG böse:AKK.SG.N Mund:ABL kommen:PRS.3SG.AKT
„Wenn Böses aus dem Mund der Sonnengöttin der Erde kommt, …“ 2.1.3.5 Endungsloser Lokativ Bei einigen Wörtern ist im Hethitischen ein rein singularischer sog. endungsloser Lokativ bezeugt (s. ausführlich Neu 1980a, GHL: 74), der keine dativischen Funktionen kennt und überwiegend statisch konstruiert wird. Im zu Grunde gelegten Korpus ist nur [təgān] ‚auf der Erde; zu Boden‘ (< *dhg̍hém, ⇒4.1.1.3) in verschiedenen Schreibungen gut vertreten:
81 Für einen Abl. mit einer Person s. →2.1.2-3, für einen Dat.-Lok. bei unbelebtem Relatum vgl. kī KUŠ.SA5 m[a]hhan isharnuwanzi nu=ssi=kan i[sha]rwātar arha ŪL paizzi „Wie man dieses rote Fell mit Blut bestreicht und (von) ihm die Blutröte nicht mehr abgeht, …“ (KBo 6.34+KUB 48.76 III 48-IV 1; mH/jS). 82 Ich danke F. Esser (Marburg) für eine Liste von Beispielen. Vgl. noch KUB 15.32 I 52–54 (mH/jS).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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2.1.3.5-1a: KBo 15.10+KBo 20.42 II 17 (mH/mS) [nu l]ahhurnuzi tagān dāi KONN Laubwerk:AKK.SG Erde:LOK.SG setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt das Laubwerk auf die Erde.“83 2.1.3.5-1b: KBo 17.74+ II 47 (aH/mS) LUGAL-us MUNUS.LUGAL-a[s=s]a asandas
tagān
sitzen:PTZ.GEN.SG Erde:LOK.SG84
König:NOM.SG Königin:NOM.SG=KONN
aruwa[nzi] sich verneigen:PRS.3PL.AKT
„König und Königin verneigen sich im Sitzen (bis) auf den Boden.“ 2.1.3.5-1c: KBo 17.76 I 5 (mH/mS?) n(u)=as dagān t[iy]⌈ē⌉zzi KONN=3SG.NOM.C Erde:LOK.SG treten:PRS.3SG.AKT
„Er tritt auf die Erde.“ 2.1.3.5-1d: KBo 24.1 8' (mH/mS) n(u)=an arha tagan KONN=3SG.AKK.C weg
tuw⌈ar⌉nai
Erde:LOK.SG zerbrechen:PRS.3SG.AKT
„Er zerschlägt ihn auf dem Boden.“ 2.1.3.5-1e: KUB 30.29 4 f. (mH/mS) [1]EN KUŠ+sarpassin85=(m)a=⌈kan⌉ GIŠkuppisnas 1
istarna [t]agān
Fellbezug?:AKK.SG=KONN=OBP Schemel?:D/L.PL inmitten Erde:LOK.SG
isp(a)ranzi ausbreiten:PRS.3PL.AKT
„Zwischen den Schemeln? aber breitet man je einen Fellbezug? auf der Erde aus.“ Gegen Neu (1984: 99) dürfte in dem unklaren siēt (KBo 22.1 29'; aS) aus formalen Gründen kein endungsloser Lokativ, sondern ein Instrumental vorliegen (mehr dazu in Kap. 4.1.4.4). Beim Wort für „Tag“ gibt der Lokativ verständlicherweise einen Zeitpunkt an (vgl. noch KUB 32.130 21 f.; mH/mS): 2.1.3.5-2: KBo 24.66+ IV 51–53 (mH/mS) nu DINGIR.MEŠ hūmandus IŠTU NINDA.SIG hantezziya KONN Götter
all:AKK.PL.C ABL/INS Fladenbrot
U4-at
erster:D/L.SG.C Tag:LOK.SG
mahhan kālutitta wie
reihum beopfern:PRT.3SG.MP
„Wie er alle Götter mit Fladenbrot am ersten Tag reihum beopfert hat, …“ 83 Ebenso KBo 17.74+ I 11 f. (aH/mS), KBo 17.105+KBo 34.47 III 24 f., KBo 23.92+ II 7'–9', KUB 45.47 II 3 (mH/mS). 84 Nach Cotticelli-Kurras (2007: 137) Akk. der Erstreckung, ein solcher sollte aber natürlich tēkan lauten. 85 Text: sarpassis°, ein Nom. Sg. lässt sich syntaktisch aber nicht einfügen, auch ein Asyndeton „Ein Fellbezug ?: Man breitet (ihn) … aus“ ist wegen der von istarna abhängigen Ortsbezugspartikel unmöglich.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Auf einem endungslosen Lokativ beruhen auch die Dativ-Lokative *pēri (É-ri) „im Haus“86 und kraitti „in der Flut“.87 Ein mögliches weiteres Beispiel findet sich im folgenden Kap. 2.1.4.3 sowie in ketkar (⇒2.6.1.1). taksan ‚zusammen, gemeinsam‘ (von taksan- ‚Fuge, Mitte‘, s. u. 2.5.7) ist als en dungsloser Lokativ nicht zu sichern, s. Neu (1980a: 13–15 und passim für weitere mögliche Beispiele). Aufgrund der wenigen Belege sind nur vorsichtige Aussagen möglich. Eine dynamische Lesart ist zwar in den Originaltexten an kaum einer Stelle zwingend, im Beispiel KBo 17.74+ II 47 aber nahe liegend88 und außerdem in junghethitischen Abschriften belegt (s. Neu 1980a: 9). tagān ist, wie es scheint, nicht mehr ins reguläre Paradigma von tekan ‚Erde‘ eingebunden, denn es verbindet sich nicht (mehr) mit Place Words 89 und steht nicht mehr in kontrastierendem Gebrauch mit nepisi „im Himmel“ (s. KUB 30.10 Vs. 4'; mH?/mS). Einige Beispiele für endungslose Lokative sind nur in junghethitischen Texten belegt und könnten eine marginale Produktivität dieser Kategorie (in Analogie zu frequenten Formen wie tagān und siwat) bezeugen, vgl. Neu (1980a: 16–19, 28–30, 37, 40 f.).
2.1.4 Akkusativ Der Akkusativ mit den Endungen -an (Sg. c.) und -us (Pl. c.) bzw. -Ø (Sg. n.) und -a (Pl. n., u. a., s. GHL: 71 f.) ist ein überwiegend nicht-lokaler Kasus zum Ausdruck des direkten Ob jekts mehrwertiger Verben und der davon abgeleiteten anderen Objektfunktionen (s. GHL: 246–248, Cotticelli Kurras 2007a). Wie in anderen indogermanischen Sprachen drückt er aber auch im Hethitischen die Erstreckung eines Objekts oder eines Sachverhalts in Raum und Zeit aus (s. GHL: 249). Dieser klassische sog. „Akkusativ des inneren Objekts“ ist nicht speziell räumlich,90 kann aber mit geeigneten Relata und Bewegungsverben einen zurückgelegten Weg wiedergeben (⇒2.1.4.1, vgl. Cotticelli Kurras 2007a: 134–136). Darüber hinaus gibt es eine besondere Verwendung des Akkusativs als eines echten Raumkasus, der zusammen mit der Satzpartikel =kkan (=asta; ⇒2.3.3/5) die Durchquerung einer Region oder das Passieren eines Wegpunktes bezeichnet (⇒2.1.4.2).91 Die Communis Opinio (z. B. GHL: 248 f., Zeilfelder 2001a: 25–39) nimmt neben diesen wegbezogenen Funktionen noch einen mit dem Direktiv (⇒2.1.1) vergleichbaren Richtungsakkusativ (⇒2.1.4.3) an, dessen Ansatz für das Hethitische aber m. E. nicht hinreichend philologisch 86 Statisch z. B. in den Gesetzen, §10, §98 (KBo 6.2 I 17' f./IV 54; aS), dynamisch in KBo 24.66+ III 62 f. (mH/mS). 87 S. KUB 36.110 Rs. 18' (aH/aS?), regulär müsste der Dat.-Lok. wohl *kretti heißen. 88 Allerdings ist die Verbindung mit aruwae-zi singulär, die Deutung somit unsicher. S. auch darunter zum Akk. 89 In solchen Positionen findet man stattdessen den regelmäßigen Dativ-Lokativ tagnī, vgl. duddupessar=ma SA5 taknī ⌈kat⌉t[a] huettianzi „Man zieht den roten Teppich?? hinab auf die Erde“ (KBo 54.126+ I 16'; mH/mS). 90 Die Funktion ist aber bereits grammatikalisiert und von der des echten Objekts abgesondert, wie die Setzung ei nes Subjektspronomens z. B. in →2.1.4.1-1a zeigt, was bei transitiven Verben unmöglich wäre (s. GHL: 280). 91 Vgl. auch die semantischen Rollen des Akkusativs bei Goedegebuure (2007a: 51 mit Fn. 29).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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gesichert ist. Der folgende Überblick beschränkt sich auf die primär oder sekundär lokalen Gebrauchsweisen des Akkusativs: Akkusativ nicht-lokal (Objekt)
lokal
… inneres Objekt
Erstreckung
Wegpunkt Vialis
Richtung? direktivisch
Abb. 2.1.4-1 | Semantisches Netzwerk der lokalen Funktionen des Akkusativs
Im Unterpunkt 2.1.4.4 werden noch einige nicht zuordenbare Belege genannt, besonders die Wendung huwai-/hui-i ‚laufen‘ + Akk. ist erklärungsbedürftig. Insgesamt ist der lokale Akkusativ nicht besonders häufig, nach Boley (2002: 136 f.) wird er später im Junghethitischen sogar weiter abgebaut. 2.1.4.1 Akkusativ der Erstreckung Der Akkusativ kann mit semantisch kompatiblen Verben (Bewegungsverben wie payi-zi ‚hingehen‘) und Substantiven, die bereits lexikalisch einen Weg oder einen Hintergrund mit einer gewissen Länge bezeichnen, für Angabe eines zurückgelegten Weges oder einer Ausdehnung ohne Ausdruck von Quelle oder Ziel verwendet werden. In aller Regel ist in diesen Sätzen keine Ortsbezugspartikel =kkan oder =asta enthalten. 2.1.4.1-1a: IBoT 1.36 III 25 (mH/mS) n(u)=as āppa=ya=pat apūn
KASKAL-an wezzi
KONN=3.SG.NOM.C zurück=KONN=PTK DEM:AKK.SG.C Weg:AKK.SG
kommen:PRS.3SG.AKT
„(Sobald er aber zurückkommt,) kommt er auch auf genau jenem Weg zurück.“ 2.1.4.1-1b: IBoT 1.36 I 12 (mH/mS) nassu KASKAL-an kuiski pēyanz oder
Weg:AKK.SG
INDF:NOM.SG.C hinschicken:PTZ.NOM.SG.C
„Entweder ist jemand auf den Weg geschickt worden, …“92 2.1.4.1-1c: KUB 17.10 II 29 f. (aH/mS) nu=ssan dTelipinus Ì.DÙG.GA-it pappa‹r›santa KONN=OBP (GN):NOM.SG Feinöl:INS
KASKAL-sa
besprengen:PTZ.AKK.PL.N Weg:AKK.PL.N93
92 Hier liegt eine kausative Ableitung des zu Grunde liegenden Schemas „einen Weg gehen“ (sozusagen „einen Weg gehen machen“) vor. Es handelt sich weder um einen Akk. des Weges noch um einen Akk. des Ziels, da der genannte Weg natürlich weder ein Abschnitt seiner selbst noch sein Endpunkt ist.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
iyanni gehen:IPFV:IMP.2SG.AKT
„Telibinu, wandere auf den mit Feinöl besprengten Wegen entlang!“ 2.1.4.1-1d: KBo 32.14 II 26 f. (mH/mS) n(u)=asta ÍD-an tapusa kuiēs KONN=OBP Fluss:AKK.SG seitlich
weses
REL:NOM.PL.C Weide:NOM.PL
„Die Weiden, die sich an der Seite des Flusses befinden, …“94 Beispiel (1d), das eine Ortsbezugspartikel enthält, scheint eine Ausnahme zu sein, doch abge sehen davon, dass ein übersetzter Text nicht völlig verlässlich ist, könnte auch das Place Word tapusa ‚seitlich‘ zusammen mit dem Akkusativ (alleine steht es ohne OBP!) die Verwendung von =asta bedingen (vgl. die Diskussion im nächsten Unterkapitel). Weiteren Belege für Akkusative der Erstreckung (sämtlich ohne OBP) sind IBoT 1.36 III 28, KBo 22.263+KUB 50.1 Vs. 15', KBo 23.8 9 (alle mH/mS) und eventuell (in temporaler Verwendung) KBo 22.2 Rs. 11' (aH/aS?). 2.1.4.2 Akkusativ des Weges Von den eben besprochenen inneren Akkusativen ohne zusätzliche Ortsbezugspartikeln oder Place Words sind die folgenden Verwendungsweisen zu trennen, die i. d. R. beide Ausdrucks mittel aufweisen. Sie geben einen Punkt (→1a) oder ein Wegstück (→1bc) an, an dem eine Bewegung entlang- oder hindurchführt.95 2.1.4.2-1a: IBoT 1.36 III 21 (mH/mS) apas=(m)a=kan sarkantin
EGIR-an arha paizzi
DEM:NOM.SG.C=KONN=OBP Prozessbeteiligter?:AKK.SG hinten
weg
hingehen:PRS.3SG.AKT
?
„Er geht hinter dem Prozessbeteiligten vorbei.“ 2.1.4.2-1b: IBoT 1.36 I 51 (mH/mS) n(u)=asta Éhilammar istarna arha KONN=OBP Torbau
inmitten weg
GIŠ
ŠU[KUR]=pat harzi
Speer=PTK
halten:PRS.3SG.AKT
„(Wenn der Leibwächter aber aus dem Torbau hinausgeht,) behält er (auf dem Weg durch) den Torbau hindurch den Speer.“
93 Nicht Direktiv, der sich nur in wenigen Wendungen mit =ssan verbindet (⇒2.3.4). Zum neutralen Kollektivum zu Communia (palsa- c. ‚Weg‘) s. o. 1.3.1, S. 28, Fn. 58. 94 Das hethitische „Der Rehbock – die Weiden, die sich seitlich den Fluss entlang befinden, jene (be)weidet er“ weicht in der Formulierung beträchtlich von der hurritischen Vorlage „Der Rehbock weidet an den diesseitigen Flüssen“ (nāli aga=vē=n(a)=āz=(v?)a nāv=(m)a sīe=n(a)=āz=(v?)a, Vs. I 26 f.) ab. ÍD-an kann aufgrund der mittelheth. Abfassungszeit des Textes nicht Gen. Pl. sein, auch ein endungsloser Lokativ wäre singulär, wenngleich formal möglich, da es auch ein n-stämmiges Wort für Fluss gibt (s. Kloekhorst 2008: 295). Eine andere Übersetzung dieser schwierigen Stelle bietet Neu (1996: 79). 95 Für diese Funktion des „wo entlang“ gibt es keinen etablierten Terminus, miteinander konkurrieren „Perlativ“, „Translativ“ oder „Vialis“.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
71
2.1.4.2-1c: KUB 13.3 II 11 (mH/jS) nu=smas=kan ḪUR.SAG-an parhanzi KONN=2PL.AKK.C=OBP Berg:AKK.SG
jagen:PRS.3PL.AKT
„Sie werden euch über einen Berg/durchs Gebirge jagen.“96 Die Belege enthalten fast alle den Komplex aus Place Word + arha ‚… durch/vorbei‘ (s. ausführlich unter 2.4.4.1), weshalb auf den ersten Blick nicht klar wird, ob die Ortsbezugspartikel von der Art des Relatums oder der Anwesenheit der Place Words – von denen viele aber keine oder nicht in solchem Maße regelmäßig eine Partikel erfordern – abhängt, da auch die Belege widersprüchlich scheinen: Einerseits fehlt im Beispiel (1c) ein Place Word, andererseits steht die Ortsbezugspartikel auch in Sätzen ohne Akkusativ (→2.4.4.1-4a). Da istarna arha (und ähnlich arha, ⇒2.5.1.1) als Präverb ohne kontextuell relevanten räumlichen Bezugspunkt auch ohne Ortsbezugspartikel belegt ist (→2.4.4.1-4b, 2.5.1.1-2c), scheint =kkan (⇒2.3.5) letztendlich ein eigenständiges Element des Satzes zu sein, das einen lokalen Akkusativ vertritt oder kataphorisch auf ihn verweist.97 Problematisch ist allein der folgende Beleg, bei dem man in jedem Fall eine Partikel erwarten sollte, auch wenn dies das einzige mir bekannte Beispiel ist, in dem arha alleine perlativischen Charakter hat: 2.1.4.2-2: IBoT 1.36 IV 8 (mH/mS) [ŠA] LÚ.MEŠ ŠUKUR māhhan Éhilammar GEN Leute
Speer
wenn
arha taksan
Torbau:AKK.SG weg
sār[iyas]=pat
zusammen Reihe:NOM.SG=PTK
paizzi hingehen:PRS.3SG.AKT
„Wenn eine ganze Marschreihe von Männern des Speeres gemeinsam durch den Torbau geht, …“98 Man kann vermuten, dass eine sprachwirkliche Ortsbezugspartikel aufgrund der logografischen Schreibung am Satzanfang auf der Ebene der Schrift unterdrückt wurde.99
96 GHL (248) interpretiert diesen Satz als Akk. des Ziels, was aber nicht nötig ist. Vgl. im Kontrast dazu die im Dat.-Lok. ausgedrückte tatsächliche Zielangabe in Z. 13: nu=smas=kan NA⁴⌈p⌉ēruni parhanzi „Sie werden euch auf einen Felsen jagen“ (hier sind weder „in“ noch „zu“ sinnvoll). Das weitere dort genannte Bsp. nu=z=kan arunan tapusa [ ] (KUB 17.7+ II 11 f.; jH) ist zu zerstört für eine Deutung, die von Hoffner/Melchert gegebene Ergänzung und Interpretation sind unsicher. 97 Das Fehlen der OBP im in 2.1.4.3 zitierten altheth. Beleg KBo 3.34 II 23 könnte dafür sprechen, dass =kkan auch in dieser Funktion des Akk. optional war, doch stammt das Bsp. aus einer jungheth. Abschrift, ist also unsicher. 98 Vgl. dazu die Besprechung unter →2.5.1.1-10. 99 Weitere Bsp., wo die OBP gegen jede Regel fehlt und sich zugleich satzeinleitend Logogramme finden, sind KBo 17.21+ 11 (aS; →2.4.1.5-7), KBo 4.11 17 (jH, →2.4.2.3-3), KUB 2.6 IV 11–13 (jH) und vielleicht KBo 19.145 III 38' f. (mH/mS). Meist handelt es sich um eine regelrechte Häufung akkad. und/oder sumer. Wortformen, so dass der Schreiber vielleicht in Verlegenheit war, eine passende Stelle für die Partikel zu finden.
72
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2.1.4.3 Akkusativ des Ziels/der Richtung Neben den eben besprochenen Angaben von Wegen oder Wegpunkten ist aus praktisch allen altindogermanischen Sprachen ein funktional nicht verwandter Akkusativ des Ziels bekannt, der allgemein auch für das Hethitische angesetzt wird. Diese Übertragung scheint aber nicht hinreichend begründet, denn Hethitisch weicht zum Einen im Vorhandensein eines produktiven Direktivs, der genau die angesprochene Funktion erfüllt (s. García Ramón 1995), von den anderen indogermanischen Sprachen ab, zum Anderen ist die philologische Basis für einen Richtungsakkusativ sehr schmal. Das einzige semantisch unleugbare Beispiel ist formal problematisch: 2.1.4.3-1: KBo 17.1+ IV 38 (aS) t(a)=us alki[st]ān tarnahhe KONN=3PL.AKK.C Ast:AKK??.SG lassen:PRS.1SG.AKT
„Und ich entlasse sie [Vögel] auf einen Ast.“ alkistan- (Nom. Sg. alkistas; auch thematisiert alkistana-) c. ‚Ast‘ lässt als n-Stamm statt der hier bezeugten Form vielmehr einen Akk. alkistanan erwarten (so auch in KUB 30.34 III 1 zu finden), auch sonst sind keine Stammformen eines *alkista- belegt.100 Rein formal könnte es sich also um einen endungslosen Lokativ (⇒2.1.3.5) handeln (vgl. formal dagān < *dhg̍hém ‚auf der Erde, zu Boden‘), der allerdings bei einem Wort wie alkistan-, das etymologisch unklar und mehrfach abgeleitet ist (*alK-/HolK-is-to-n-), nicht zu erwarten ist. Beide Erklärungsansätze erfordern nicht besonders plausible morphologische Zusatzannahmen. Dieses Beispiel könnte somit einen Rest des ansonsten ausgestorbenen grundsprachlichen Richtungsakkusativs (⇒4.1.1.4) darstellen, muss es aber nicht. Ein weiteres mögliches Beispiel, bezeichnenderweise wieder aus dem Althethitischen, ist im nächsten Unterkapitel zitiert (→2.1.4.4-3). Die bei Hoffner/Melchert (GHL: 248 f.) genannten anderen Belege können auch als Ak kusative des Weges verstanden werden (→2.1.4.2-1c). Die von Zeilfelder (2001a: 25–39) besprochenen Textstellen sind ebenfalls allesamt nicht beweiskräftig: Das Beispiel ispanti lahhemus hueskezzi (KBo 3.34 II 23; aH/jS) zeigt ja gerade eine Strecke mit mehreren Punkten und ist somit als „Er geht nachts die einzelnen Garnisonen ab“ zu verstehen, die Beispiele mit haliye/a-zi bzw. hlihla/i-i ‚knien‘ könnten Applikativa („beknien“) sein,101 ebenso wie allappahh-i + Akk. ‚etw. bespucken‘ (z. B. KBo 17.1+ I 36') vs. allappahh- + Dir. ‚in etw. spucken‘ (z. B. l. c. IV 31 f.), sich also auf die Affizierung des Objekts beziehen (so auch Zeilfelder 2001: 34 f. selbst). 100 Bei hāras, hāran- ‚Adler‘ (s. Kloekhorst 2008: 301 f.) findet man gelegentlich einen analogischen Akk. hāran (statt hāranan), allerdings nur in der jüngeren Sprache. 101 Zu dieser Valenzänderung s. Melchert (1981) mit dem Bsp. e/aku-zi + Akk. ‚für/auf (eine Gottheit) trinken‘. Allerdings müsste das Phänomen der Valenzänderung im Heth. einmal zusammenhängend untersucht werden, um hier zu sicheren Schlüssen zu gelangen. Die fraglichen Fälle könnten also genauso gut Richtungsakkusative sein.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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Ein weiterer der angeführten „eindeutigen“ Beleg für den Akkusativ der Richtung existiert so nicht: Der bei Zeilfelder (2001: 28) nach der alten Edition von Friedrich (1959: 62) gegebene Text von §106 der Gesetze – nu miyandan [tarnāi A.ŠÀ lukkiezzi] „Er lässt (das Feuer) auf ein Frucht tragendes (Feld und) steckt das Feld (dadurch) in Brand“ – ist aus den Exemplaren KBo 6.12 I 22 f. und KBo 6.11 I 4 f. (beide jS) falsch zusammengesetzt, vgl. die Übersicht in der neuen Edition von Hoffner (1997: 102 f.): Für ein tar-na-a-i ist in der Lücke kein Platz, miyandan ist vielmehr direktes Objekt von lukkiezzi „steckt in Brand“. Bessere Beispiele lassen sich nur finden, wenn man über den Rahmen dieser Arbeit hinaus junghethitische Niederschriften einbezieht. Wie ein sicherer Beleg für einen Akkusativ des Ziels mutet zunächst die folgende Stelle aus den Annalen Hattusilis I. an: 2.1.4.3-2: KBo 10.2 II 49 f. (aH/jS) nu=kan102 URUZippasnan GE6-az=pat KONN=OBP (ON):AKK.SG
srā pāun
Nacht:ABL=PTK hoch hingehen:PRT.1SG.AKT
„Noch in der Nacht ging ich nach Zipasna hinauf.“ Im Althethitischen wird „zu einer Stadt hinaufgehen“ sonst mit dem Direktiv ausgedrückt (→2.4.1.2-8b), was für eine funktionelle Gleichsetzung von Direktiv und Akkusativ zu sprechen scheint. Doch da es direkt vorher heißt nu INA URUZippasna pāun „Ich ging nach Zipasna“ (l. c. II 48), das Ziel also schon genannt ist, und da man dieselbe Konstruktion mit dem Akkusativ auch für das Besteigen von Bergen findet, 103 ist hier vielmehr der Aufstieg auf den Siedlungshügel gemeint, URUZippasnan ist also ein Akkusativ des Weges oder der Erstreckung. Bemerkenswert ist auch das folgende Variantenpaar, das als Wechsel von Direktiv und Akkusativ interpretiert wird: 2.1.4.3-3a: KUB 30.19 IV 8 (aH/jS) mān=wa(r)=kan Ú.SAL-wa pāisi KONN=„“=OBP
Wiese:DIR.SG hingehen:PRS.2SG.AKT
„»Wenn du zur/auf die Wiese gehst, …«“ 2.1.4.3-3b: KUB 39.8 IV 6 (aH/jS) mān=wa(r)=kan Ú.SAL-un pāisi KONN=„“=OBP
Wiese:AKK.SG hingehen:PRS.2SG.AKT
„»Wenn du zur/auf die Wiese gehst, …«“ Allerdings kann weder eine Veränderung der Vorlage durch den Kopisten 104 noch semantische Variation („zur Wiese“ – „über die Wiese hin“) ausgeschlossen werden. Der einzige mir
102 Die Ortsbezugspartikel ist wohl eine Interpolation des jungheth. Schreibers, srā (⇒2.4.1.2) steht altheth. stets ohne OBP. 103 man=kan ḪUR.SAGTehsinan s[rā] pāun „Ich wäre den Berg Tehsina hinaufgestiegen, …“ (KUB 19.37 III 49; jH). 104 Ein Grund dafür hätte sein können, dass wellu- ‚Wiese‘ in der alten Sprache neutral, jungheth. aber geschlechtig dekliniert wird.
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bekannte eindeutige Beleg für einen illativischen Akkusativ stammt aus einem hethitisch-luwischen Ritual aus Ištanuwa, wodurch Zweifel an der Normhaftigkeit des Ausdrucks bleiben: 2.1.4.3-4: KUB 35.135 Rs. 18' f. (jH) nu anda[n] URU-yan penniyanzi KONN hinein
Stadt:AKK.SG hintreiben:PRS.3PL.AKT
„Sie fahren in die Stadt hinein.“ Mangels eines einzigen unproblematischen Beispiels aus alt- oder mittelhethitischen Originalen sehe ich einen Akkusativ der Richtung für das Hethitische daher bestenfalls als marginal, sonst aber als nicht gesichert an.105 2.1.4.4 Unklare Fälle Es gibt einige Belege, in denen die Funktion und somit Übersetzung des Akkusativs unklar sind. Zwei Wendungen sind mehrfach belegt: Das wohl hattische Lehnwort halentiu/halentuwa (Sg./Pl. ohne Bedeutungsunterschied) ‚Palast(komplex)‘ bildet reguläre Formen für alle Kasus (außer Instr., s. HED III: 15–18). In der Bedeutung „in den Palast“ findet man aber auch die Grundform halentiu: 2.1.4.4-1: KBo 17.74+ II 33 (aH/mS) LUGAL-us āppa Éhalentiu paizzi König:NOM.SG zurück Palast:?.SG hingehen:PRS.3SG.AKT
„Der König geht in den Palast zurück.“ Diese Form wurde als Akkusativ der Richtung (Zeilfelder 2001) oder endungsloser Lokativ (Neu 1980a) verstanden. Da es sich wahrscheinlich um ein Lehnwort handelt, ist die Interpretation als irregulärer Dativ-Lokativ (nach Puhvel) aber vorzuziehen, auch wenn dieser völlig isoliert steht. Konkret kann es sich um einen hatt. „Lok. Pl.“ ha-le- (HED III: 19) handeln, der erst nur in dieser Funktion ins Hethitische übernommen wurde und zu dem dann sekundär Kasusformen gebildet wurden. Vorerst unklar106 ist auch die Deutung der folgenden, in Ritualen häufig anzutreffenden Wendung: 2.1.4.4-2: KBo 25.31 III 3' (aS) [hāss]an=kan 1-ŠU huyanzi Herd:AKK.SG=OBP 1:POSS.3SG.M laufen:PRS.3PL.AKT
„Man läuft einmal um den(?)/zum(?) Herd/am Herd entlang(?).“107 105 Das muss nicht heißen, dass es ihn nicht grundsprachlich und/oder in Vorstufen des Hethitischen gegeben habe. Tatsächlich könnte in tuwān ‚unlängst; später‘ (ursprünglich ‚lang‘, s. u. 2.4.3.3) ein Akkusativ des Ziels vorliegen. 106 Für die wahrscheinliche Lösung, einen Akk. des Weges, s. u. (⇒2.3.5). 107 Ebenso KBo 15.36 5', KBo 31.12 III 28 (aS), KBo 54.125+ II 7 (mH/mS) sowie in zahlreichen Kopien. Letzteres zeigt statt =kkan syntaktisches =asta (ebenso in KUB 10.39 III 6–8; vor-jH/jS). Unerklärlich, außer wohl als Versehen, ist nu=s⌈sa⌉n hassan huyanzi in KBo 29.72 Rs. 13' (mH/mS).
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Aus dem Kontext ergibt sich in keinem Fall, welcher Art die von huwai-/hui-i ‚laufen, eilen‘ beschriebene Relation ist, weshalb die traditionelle, einheitlich direktivische Übersetzung keine besondere Rechtfertigung hat (Zweifel auch bei Luraghi 2001: 44, Fn. 18). Das Verb kann sich in der älteren Sprache interessanterweise nicht mit dem Direktiv verbinden, s. Starke (1977: 40, zu §23 der Gesetze). Mit dem Königspaar hingegen steht die Wendung ohne Ortsbezugspartikel, wenn es sich nicht alternativ doch um einen Akkusativ des Ziels (⇒2.1.4.3) handeln sollte:108 2.1.4.4-3: KBo 17.1+ I 3' (aS) [3-i]s LUGAL-un MUNUS.LUGAL-an=na huyanzi dreimal König:AKK.SG Königin:AKK.SG=KONN
laufen:PRS.3PL.AKT
„Dreimal läuft man um(?)/zu(?) König und Königin/an König und Königin vorbei(?).“ Ein isolierter Fall stammt aus Vogelorakelprotokollen (vgl. denselben Satz mit =asta in l. c. II 33). Es handelt sich wohl um eine besondere Form des Akkusativs des Weges, der hier eine überquerte, nicht nur passierte, Linie bezeichnet (vgl. Sakuma 2009: 298–300): 2.1.4.4-4: KUB 18.5+KUB 49.13 II 13 (mH/mS) n(u)=as=kan ÍD-an āppa wet KONN=3SG.NOM.C=OBP Fluss:AKK.SG zurück kommen:PRT.3SG.AKT
„Und er kam wieder über den Fluss (geflogen).“
2.1.5 Andere Kasus Die übrigen Kasus des Hethitischen – Nominativ, Genetiv, Instrumental und Vokativ – erfüllen keine räumlichen Funktionen,109 wobei der Genetiv allerdings in der älteren Sprache als regierter Kasus von Postpositionen erscheint (⇒2.2.1, 2.4). Hoffner/Melchert (GHL: 269, vgl. Melchert 1977: 426) lehnen mögliche Beispiele eines Instrumentals in ablativischer Funktion in junghethitischen Abschriften alter Texte zu Recht als verderbte Hyperkorrektismen ab. Auch bei dem von Boley (2000: 26) in diesem Sinne als „Er nimmt das Befestigte von ihren Fingern ab“ gedeuteten kalulupi(t)=smit=asta isg[r]anta dāi (KBo 17.1+ I 19'; aS)110 ist angesichts des völligen Fehlens unzweifelhafter weiterer Belege vielmehr „Er nimmt das an ihren Fingern Befestigte ab“ zu verstehen. Dies bedeutet im Gegenzug aber auch keinen lokativischen Instrumental, es handelt hier stattdessen um den Ausdruck des Mittels (nämlich die Finger), mit denen die Ringe(?) gehalten werden, vgl. den 108 Dafür mag die Abwesenheit des OBP sprechen, allerdings ist es gut möglich, dass Personen als Relata anders als unbelebte (und unbewegliche) Objekte behandelt werden. Mangels weiterer Belege ist eine Entscheidung nicht möglich. 109 Der aus anderen altidg. Sprachen bekannte Instrumental des durchquerten Raums (vgl. Schmidt 1987: 145) ist im Hethitischen nicht belegt, das Konzept wird durch den Akkusativ des Weges (⇒2.1.4.2) ausgedrückt. 110 Vgl. kalulupizmid=asta [kalulubit=smiT=asta] ⌈is⌉granda dā⌈i⌉ in KBo 17.3+ I 14' (aS).
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Ausdruck kardit har(k)-zi „mit dem (= im) Herzen halten“ (→3.1.1.3-12). Wohl komitativ zu verstehen ist der fünfmalige Ausdruck (Körperteil):INS=at=kan dāu „Er soll es zusammen mit (dem entsprechenden Körperteil) wegnehmen“ in KBo 17.17+KBo 30.30 I? 8'–12' (aS, in sehr fragmentarischem Kontext), s. CHD (L-N: 45, gegen Boley 1989: 58, 2000: 25: „from“). Das Fragment n(u)=e kissart°111 (HHT 75 5'; aS), ist laut Starke (1977: 94) als „Sie sind mit (= in) der Hand“ mit einem prädikativen Instrumental zu verstehen, der funktional einem Lokativ nahe kommt. Da gleich darauf ein Bruch folgt, steht es jedoch überhaupt nicht fest, ob der Satz damit abgeschlossen ist oder ob in der Lücke nicht noch ein Verb oder weitere Satzteile folgen.
2.2 Verben Das Verbum nimmt im Hethitischen auf verschiedene Arten an der Lokalisation teil. Es bildet als Prädikat das Grundgerüst aller Sätze (ausgenommen Nominalsätze), drückt selbst aber keine lokalen Relationen aus.112 Vielmehr geben raumbezogene Verben113 zusätzliche Informationen über die Haltung (Positionsverben) oder die Art der Lageänderung (Bewegungsverben) ihres Bezugsobjektes, das zumeist durch das Subjekt ausgedrückt wird. 114 Transferverben gelten hier nicht als Bewegungsverben, sofern sie nicht eine Bewegung ihres zugehörigen Agens implizieren. Wegen der zentralen Rolle des Verbs in der Syntax bietet es sich an, die Wortstellung der Lokalkasus (⇒2.1) und der Place Words und Lokaladverbien (⇒2.4, 2.5) an dieser Stelle zu besprechen (⇒2.2.1), auch, um spätere Wiederholungen zu vermeiden.
2.2.1 Syntaktisches115 Wie bereits in Kapitel 1.3.1 erwähnt, ist Hethitisch eine SOV-Sprache, wobei das „O(bjekt)“ hier alle Arten von Ergänzungen und Angaben vertritt. Matrix- und Konstituentensätze unterscheiden sich nur in der Ab- bzw. Anwesenheit der Subjunktionen, von denen die Mehrzahl in Zweitposition auftritt. Auf die satzeinleitende Partikelkette, die nur im Althethitischen häufig 111 Das direkt auf ki-iš-šar-ta folgende Zeichen ist beschädigt, evtl. ⌈pát⌉. 112 Ein ganz seltener Sonderfall sind Ableitungen von dimensionalen Adjektiven, die in mindestens einem Fall die Relation von Objekt und Ort angeben: A.ŠÀ 7 tawallas=ma=ssan ANA GIŠGÌR.GUB GÌR.ḪI.A-ŠU parknut „Seine Füße aber legte er auf Fußschemel von sieben t. Fläche hoch“ (KBo 32.13 II 7 f.; mH/mS). 113 Dies ist eine semantische Definition. Diese Gruppe von Verben lässt sich weder über formale noch konsequent über syntaktische Kriterien (vgl. allerdings die Besonderheiten der gerichteten Verben im folgenden Unterkapitel) von anderen Verben trennen. 114 Bei Partizipien können auch andere Partizipianten Bezugspunkt eines Verbums sein, z. B. n(u)=an=san PANI ZAG.GAR.RA parsiyantas NINDAharsayas sākuwa katta nēāntas ser dāi „Er legt es [Dickbrot] vor dem Altar auf die gebrochenen, kopfüber gewendeten Dickbrote“ (KBo 20.67+ I 10' f.; aH?/mS). 115 Eine Monografie zur hethitischen Syntax fehlt bisher, Übersichtsdarstellungen finden sich in Salisbury (2005: 209–216) und GHL (406–429); eine rezente Untersuchung zu einzelnen Phänomenen (Kongruenz) ist Patri (2007a).
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fehlt, folgt das Subjekt, dann das Akkusativobjekt, das indirekte Objekt, 116 dann Adverbiale, Negationen und schließlich das Verb, das nur in seltenen Fällen die letzte Position verlässt (s. GHL: 408). Als Illustration mögen zwei typische Sätze genügen: 2.2.1-1a: KBo 17.1+ I 27' f. (mH/mS) d DUMU.É.GAL-is Hanta⌈se⌉pan LUGAL-i Palastbediensteter:NOM.SG (GN):AKK.SG
kissr⌈ī⌉
dāi
König:D/L.SG Hand:D/L.SG setzen:PRS.3SG.AKT
„Ein Palastbediensteter gibt dem König einen Hantasepa-Genius in die Hand.“ 2.2.1-1b: KBo 22.2 Vs. 4 f. (aH/aS?) [DING]IR.DIDLI-s=(m)a DUMU.MEŠ-us A.AB.BA-az srā dāer Götter:NOM.PL=KONN
Söhne:AKK.PL
Meer:ABL
hoch nehmen:PRT.3PL.AKT
„Die Götter aber nahmen die Kinder aus dem Meer auf.“ Vergleichsweise häufig werden Adverbiale aus Gründen der Emphase auch in die Position nach der Partikelkette gerückt. Die beträchtlichen diachronen Veränderungen bei der Nor malstellung der (lokalen) Adverbiale ist Gegenstand der Unterkapitel 2.2.1.1 – 2.2.1.3, in letzterem werden weitere Besonderheiten der Place Words dargestellt. Bei den lokalen Adverbialen (vgl. Boley 1985ab) herrscht eine feste Reihenfolge: Quelle (Abl.) – Ziel (Dir./Dat.-Lok.). In dem Korpus, das dieser Arbeit zugrunde liegt, findet sich keine Ausnahme zu dieser Regel (s. Tjerkstra 1999: 164). Auch die richtungsanzeigenden Place Words stehen ursprünglich vor der Zielangabe (⇒2.2.1.2). Vgl.: 2.2.1-2a: KBo 3.22 41 f. (aS) m [app]ezziyan=(m)a Anittas
LUGAL.GAL dSiu(n)=ssu[mmin
letzter:AKK.SG.N=KONN (PN):NOM.SG Großkönig URU
Zā]lpuwaz āppa
(ON):ABL
URU
Nēsa
Gottheit:AKK.SG=POSS.1PL.AKK.SG.C
pē[dahhun]
zurück (ON):DIR.SG hinschaffen:PRT.1SG.AKT
„Zuletzt? aber habe ich, Anitta, der Großkönig, unsere Gottheit von Zalpa zurück nach Nesa hingebracht.“ 2.2.1-2b: KUB 8.81+KBo 19.39 II 11' f. (mH/mS) URU mān=asta LÚpatteanz Hattusaz URUK[izzuwatni] paizzi wenn=OBP eilen:PTZ.NOM.SG.C (ON):ABL
(ON):D/L.SG
hingehen:PRS.3SG.AKT
„Wenn ein Flüchtling von Hatti nach Kizzuwatna (hinüber)geht, …“ Wenn Konstituenten anaphorisch durch Pronomina aufgenommen werden, treten diese in enklitischer Form in Erstposition, wodurch sich das genannte Schema hin zu O-S(-O2)-V ändert: 2.2.1-3: KBo 24.1+ 15' (mH/mS) MUNUS n(u)=at=si=kan ŠU.GI arha dāi KONN=3SG.AKK.N=3SG.D/L.C=OBP Alte
weg
nehmen:PRS.3SG.AKT
116 Salisbury (2005: 210) setzt für das Jungheth. eine Reihenfolge indirektes Objekt – direktes Objekt an, doch scheint der Akk. in der älteren Sprache dem Dat.-Lok. etwas häufiger voranzustehen.
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„Die Alte nimmt es ihm weg.“ Im Bereich der Konstruktionen mit räumlichem Bezug muss man aufgrund ihrer verschiedenen Ergänzungstypen zwei Gruppen von Verben unterscheiden, die Starke (1977: 22 f.) an hand des Althethitischen herausgearbeitet hat: Gerichtete Verben, mit denen allein sich alle dimensionalen Kasus verbinden können, und ungerichtete, mit denen die dynamischen Kasus Direktiv und Ablativ nicht auftreten. Diese Einteilung entspricht nicht völlig der Unterscheidung Bewegungsverb – Positionsverb, da sich bei den gerichteten Verben auch solche finden, die keine eigentliche Bewegung ausdrücken, z. B. halz(a)i-i ‚rufen‘ und umgekehrt Bewegungsverben wie huwai-/hui-i ‚laufen, eilen‘ zu den ungerichteten gehören. Die beiden Gruppen werden syntaktisch in den frühen Texten streng auseinandergehalten, fallen dann aber schrittweise zusammen und sind im Junghethitischen schließlich anhand der Wortstellung nicht mehr zu unterscheiden. Der Einfachheit halber wird die Syntax bzw. Lokalisation in Sätzen mit gerichteten bzw. ungerichteten Verben im Folgenden „dynamisch“ bzw. „statisch“ genannt, auch wenn diese Termini in einzelnen Fällen nicht zutreffen mögen. Ähnlich wie im Deutschen besteht das Inventar der hethitischen Bewegungsverben v. a. aus solchen, die unterschiedliche Bewegungsarten des Subjekts ausdrücken, dieses selbst aber nicht näher lokalisieren – dies wird von den Kasus, Ortsbezugspartikeln und/oder Place Words geleistet. Ihre Auswahl ist daher v. a. von objektiven, nicht-räumlichen Kriterien wie Mittel der Fortbewegung („gehen“ vs. „fahren“), Geschwindigkeit („gehen“ vs. „rennen“) oder Art des Objekts117 abhängig. Bei den deiktischen Verben, von denen es etwa ein Dutzend gibt, wird allerdings eine indirekt räumlich relevante Unterscheidung getroffen: Die Verben payi-/pai-zi ‚(hin)gehen‘ vs. we-/uwa-zi ‚(her)kommen‘, ped(a)-i ‚hinschaffen‘ vs. ud(a)-i ‚herbringen‘ u. a. enthalten die deiktischen Präverbien pe- bzw. u-, die recht genau dem dt. hin bzw. her entsprechen (⇒2.2.2.1, vgl. auch Kap. 3.2.2 und 3.4). Die Verben statischer Syntax (Positionsverben) drücken ähnlich wie im Deutschen nicht die eigentliche räumliche Relation aus – dies tun wiederum Kasus, Ortsbezugspartikel und/ oder Place Word –, sondern machen Angaben über Eigenschaften des Lokatum. Da diese kulturabhängig konzeptionalisiert werden, werden die Kriterien für die Auswahl der Positionsverben in Kap. 3.1.4 besprochen, im Folgenden wird nur die für sie typische Satzstellung vorgestellt. Aufgrund der starken diachronen Veränderungen bei den Adverbialen, die v. a. die Stel lung der Place Words betrifft, muss ihre Syntax auf drei Zeitstufen verteilt dargestellt werden.
117 So unterscheidet Heth. beim Transport gewöhnlich zwischen Objekten, Personen und Vieh (⇒2.2.2.1). Keine Rolle hingegen scheint das Medium der Fortbewegung gespielt zu haben, so gibt es keine Unterscheidung „gehen“ vs. „fliegen“ vs. „schwimmen“, auch die Haltung (z. B. „kriechen“) kommt nicht zum Ausdruck.
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2.2.1.1 Althethitisch Die Unterschiede zwischen dynamischer und statischer Syntax sind an der Position der Place Words und der Wahl der Kasus sichtbar. In Sätzen ohne jede Kasusform kann man gerichtete (→1a) und ungerichtete (→1b) Verben nicht anhand der Wortstellung unterscheiden, vgl.: 2.2.1.1-1a: KBo 17.43 I 13' (aS) ⌈prā⌉=[m]a=as paizzi voran=KONN=3SG.NOM.C hingehen:PRS.3PL.AKT
„Und sie gehen hinaus.“ 2.2.1.1-1b: KUB 36.104 Vs. 6 (aS) s(u)=an=asta eukta KONN=3SG.AKK.C=OBP trinken:PRT.3SG.AKT
„Er trank es aus.“ Dynamische Syntax In komplexeren Sätzen werden die dynamischen Place Words in der alten Sprache fast nur auf éine Art konstruiert (s. Starke 1977: 151): PW + Dir./Dat.-Lok. (⇒2.1)118 + dynam. Verb (andere Satzglieder gehen dem gewöhnlich voran): 2.2.1.1-2a: KBo 17.1+ II 28' f. (aS) MUŠEN hāran⌈an=na prā⌉ hilam[na?]
pētumeni
Adler:AKK.SG=KONN voran Torbau:DIR.SG hinschaffen:PRS.1PL.AKT
„Und den Adler bringen wir voran in den/zum Torbau.“ 2.2.1.1-2b: Gesetze §95 (KBo 6.2 IV 45 f.; aS) n(u)=an āppa ishi=ssi
pianzi
KONN=3SG.AKK.C zurück Herr:D/L.SG.=POSS.3SG.D/L.C geben:PRS.3PL.AKT
„Man gibt ihn seinem Herren zurück.“ Daneben findet sich ganz selten eine Vertauschung von Adverbialkasus und PW: (Dir./) Dat.Lok. + PW + dynam. Verb (s. Tjerkstra 1999: 159–161, gegen Starke 1977: 179 f.):119 2.2.1.1-3: KBo 17.43 I 11' (aS) LUGAL-i prā 1-ŠU paizzi König:D/L.SG voran 1:POSS.3SG.M hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er geht einmal zum König weiter.“
118 Der Dir. steht dabei bei unbelebten Objekten, der Dat.-Lok. bei Personen (⇒2.1.3). Bei der ablativ. Konstruktion =asta prā ‚her-/hinaus‘ lautet die Reihenfolge Abl. + prā + dynam. Verb. 119 Nicht zu vergleichen sind hier allerdings die Belege […] LUGAL-i prā ēpz[i] (KUB 43.30 II 8'; aS) und [ … LUGAL]⌈-i⌉ prā ēpzi (KBo 25.127+ III 25'–26'; aS) „…hält dem König … hin/…reicht dem König …“, da es sich hier um ein Präverb handelt (⇒2.2.2.2).
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Statische Syntax Anders als bei den dynamischen Verben gibt es in der statischen Syntax drei gut belegte Konstruktionen: 1. regierter Gen. + PW (bzw. PW mit Possessivpronomen, →4abe) + Verb – 2.a partitivische Apposition mit nachgestelltem Dat.-Lok. + Verb (nur mit anda(n), →4c) – 2.b partitivische Apposition (oder Postpositionalphrase?) mit vorangestelltem Dat.-Lok. (→4d): 2.2.1.1-4a: KUB 17.10 IV 27–28 (aH/mS) d Telipinuwas peran GIŠeya‹n›120 arta (GN):GEN.SG
vorne
Eibe?:NOM.SG stehen:PRS.3SG.MP
„Vor Telibinu steht eine Eibe?.“ 2.2.1.1-4b: KUB 43.30 III 11' (aS) katti=ssi=ma DINGIR pisen⌈es⌉ bei=POSS.3SG.D/L.C=KONN Gott
Mann:NOM.PL
„Bei ihm aber sind die männlichen Götter.“ 2.2.1.1-4c: Gesetze §98 (KBo 6.2 IV 54; aS) andan=(m)a É-ri kuit harkzi drinnen=KONN Haus:D/L.SG was:NOM.SG.N umkommen:PRS.3SG.AKT
„Was aber im Haus drinnen verloren geht, …“ 2.2.1.1-4d: KUB 36.110 Rs. 17'–18' (aH/aS?) appaliyallas=(m)a É[-er=set]
kraitti
pēran
Widersacher:GEN.SG=KONN Haus:NOM.SG=POSS.3SG.NOM.N Flut:D/L.SG vorne
w[etan] bauen:PTZ.NOM.SG.N
„Das Haus des Widersachers aber ist vor der Flut gebaut.“ 2.2.1.1-4e: KBo 3.22, 49 (aS) k[uis amm]el āppan LUGAL-us REL:NOM.SG.C ich:GEN121 hinten
kīsar[i]
König:NOM.SG werden:PRS.3SG.MP
„Wer nach mir König wird, …“ Gebrauch als Konjunktion Abweichend vom lokalen Gebrauch stehen Place Words in satzverknüpfender Funktion gewöhnlich am Satzanfang, sehr oft zusammen mit der Konjunktion =(m)a. Diese Stellung bleibt im Verlauf der Sprachgeschichte stabil (vgl. Salisbury 2005: 233–236), die folgenden Beispiele stammen folglich aus verschiedenen Perioden: 2.2.1.1-5a: KBo 17.1+ III 4 (aS) āppan(-)anda=ma=sse kē
memahhi
hinten=rein=KONN=3SG.D/L.N DEM:AKK.PL.N sagen:PRS.1SG.AKT 120 eyan- ist ein neutraler n-Stamm, eine Sandhi-Form ohne n (*h1eH-ō(n)) wäre nur bei Communia zu erwarten. 121 Vgl. mit Dat.-Lok. anzas=sa katta hūman S[IG5-i]n ‚Auch bei uns ist alles in Ordnung.‘ (KuT 50, 4; mH/mS).
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„Danach aber sage ich dazu Folgendes: …“ 2.2.1.1-5b: KBo 7.28+KBo 8.92 Vs. 23 (aH?/mS) prā=ma QATAMMA memai voran=KONN ebenso
sprechen:PRS.3SG.AKT
„Dazu aber spricht er ebenso.“ 2.2.1.1-5c: KBo 7.28+KBo 8.92 Rs. 42 (mH?/mS) m[a]hhan tagnās dUTU-un irhāet wie
katta=ma
sumās
Erde:GEN (GN):AKK.SG reihum beopfern:PRT.3SG.AKT darauf=KONN ihr:AKK
irhāet[ ] reihum beopfern:PRT.3SG.AKT
„Wie er die Sonnengöttin der Erde der Reihe nach beopfert hat und euch aber gleich dar auf beopfert hat, …“ 2.2.1.1-5d: IBoT 1.36 II 5 (mH/mS) EGIR-pa=ma=kan namma istarna 1 IKU122 danach=KONN=OBP
ferner
inmitten 1 (Maß)
„Danach aber ist ein Iku [ca. 15 m] (Abstand) dazwischen.“ 2.2.1.2 Älteres Mittelhethisch Nach der althethitischen Zeit geht der Direktiv zugunsten des Dativ-Lokativs langsam verloren, die Verbindung Gen. + regierendes PW wird durch die schon althethitisch vorhandene Alternative Dat.-Lok. + PW verdrängt, 123 gleichzeitig beginnen auch die enklitischen Possessiva zu schwinden und werden zunehmend durch die (orthotonen oder enklitischen) Personalia ersetzt. Die ursprünglich seltenste der althethitischen Wortstellungen für Lokalisationen, Lokalkasus + PW + Verb, wird immer häufiger, gerade aber in dynamischer Lesart kann sich die Voranstellung der Place Words gelegentlich noch sogar bis in Junghethitische halten. Zugleich wird die strikte Trennung zwischen richtungs- und ortsanzeigenden Place Words gelockert: Die Form andan (⇒2.4.1.1) kommt völlig außer Gebrauch, 124 kattan und katta (⇒2.4.1.3) bzw. āppan und āppa (⇒2.4.1.4) können synonym statisch wie dynamisch gebraucht werden. Die Verwendungshäufigkeit der Place Words und mit ihnen der Ortsbezugspartikeln (deren Anzahl gleichzeitig abnimmt) nimmt stark zu (vgl. die Einleitung zu Kap. 3). Das vergleichsweise schlecht belegte ältere Mittelhethitisch ist dabei eine typische Übergangsphase, in der man aus Sicht der alten Sprache korrekte Sätze neben solchen mit den durchgeführten Veränderungen findet.125 Im folgenden Beleg (→1a) aus der Zeit Tuthaliyas I. 122 Nicht 1=kan „by ones“ (so Boley 2000: 417). 123 Der jüngste mir bekannte Beleg für einen regierten Genetiv (kaum Dat.-Lok. Pl.) ist n(u)=as GIŠZA.LAM.GARas KÁ-as peran tiyezi „Er tritt vor den Eingang des Zeltes“ in KBo 40.123+ I 14 f., einer typisch mittelhethitischen Niederschrift des hurritischen Mundwaschungsrituals. 124 Im Junghethitischen wird sie in rein illativischer(!) Bedeutung analogisch neu geschaffen, s. Salisbury (1999). 125 Für eine Detailbesprechung s. Boley (1989, 2000 passim), mit den in 1.3.3 genannten Einschränkungen.
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(Ende 15. Jh. v. u. Z.) z. B. findet sich anda in alter dynamischer Wortstellung neben der innovierten Ortsbezugspartikel =kkan. Ein Direktiv kommt in dem Text nicht vor, 126 hinter É dürfte daher (und auch wegen akkad. INA) ein Dativ-Lokativ stehen. Bsp. →1b zeigt die nun übliche Nachstellung der ortsanzeigenden Place Words. 2.2.1.2-1a: KBo 15.10+KBo 20.42 I 12 (mH/mS) [nu]=⌈kan an⌉da INA É BELI pedanzi KONN=OBP drinnen LOK Haus Herr
hinschaffen:PRS.3PL.AKT
„Man bringt (sie) hinein ins Haus des Herren.“ 2.2.1.2-1b: KUB 17.21 IV 5 f. (mH/mS) nu DINGIR.MEŠ!-as ANA ⌈EZEN4.ḪI.A⌉ EGIR-an=pat arwasta KONN Gottheiten:GEN
DAT Feste
hinten=PTK
stehen:PRS.1PL.MP
„Wir kümmern uns um die Feste der Gottheiten.“ In der folgenden Abschrift z. B. hat der mittelhethitische Schreiber statisches andan und dynamisches anda der Vorlage aus Unverständnis über den Unterschied vertauscht: 2.2.1.2-2: KUB 17.10 IV 16 f. (aH?/mS) kuit andan paizzi
n(u)=a(t)=sta
namma srā ŪL
REL:NOM.SG.N drinnen hingehen:PRS.3SG.AKT KONN=3SG.NOM.N=OBP ferner
wezzi
anda=(a)d=an
hoch NEG
harkzi
kommen:PRS.3SG.AKT rein=3SG.NOM.N=OBP umkommen:PRS.3SG.AKT
„Was hinein(!)geht, kommt nicht wieder herauf, es geht drinnen(!) zu Grunde.“ 2.2.1.3 Jüngeres Mittelhethisch Die nach-althethitisch angelegten Tendenzen werden im jüngeren Mittelhethitisch weitgehend durchgeführt. Die unmarkierte Satzstellung ist jetzt OBP (– S – O) – Dat.-Lok. – PW – Verb (s. Tjerkstra 1999: 161). Der Direktiv ist ausgestorben, die Place Words stehen je nach Bedeutung mit Dativ-Lokativ oder Ablativ. =kkan ist auf dem Weg, alle anderen Ortsbezugspartikeln zu verdrängen (nur =ssan wird noch kontrastiv gebraucht), wozu es schließlich im Junghethitischen kommt. Gleichzeitig büßt es seine konkrete Bedeutung ein (⇒2.3, 2.3.5). Ein typisch mittelhethitisches Phänomen ist der satzinterne Gebrauch der Ortsbezugspartikeln (⇒2.3). Statische (→1ab) und dynamische (→1cd) Sätze sind jetzt also fast nur noch an der Bedeutung des Verbs zu unterscheiden, zudem bleiben die Place-Word-Paare ser ‚oben‘ – srā ‚hoch‘ (⇒2.4.1.2) bzw. peran ‚vorne‘ – prā ‚voran‘ (⇒2.4.1.5) weiter getrennt. Vgl.: 2.2.1.3-1a: IBoT 1.36 II 8 (mH/mS) n(u)=at LUGAL-i peran huyantes KONN=3PL.NOM.C König:D/L.SG vorne
laufen:PTZ.NOM.PL.C
„Sie laufen vor dem König.“ 126 Vgl. aber das Auftreten von vereinzelten Direktiven in Texten IBoT 1.36 und KUB 26.17 wohl aus der Zeit des folgenden Großkönigs Arnuwanda I.
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2.2.1.3-1b: KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 8 (mH/mS) [kui]tman=kan LUGAL MUNUS.LUGAL URUHattusi ser solange=OBP
König
Königin
(ON):D/L.SG oben
„Solange König (und) Königin in Hattusa oben sind?“ 2.2.1.3-1c: KBo 39.8 II 38 f. (mH/mS) nu=ssi=kan 2 BEL SÍSKUR ⌈is⌉sī KONN=3SG.D/L.C=OBP 2 Herr Opfer
anda allapahhanzi
Mund:D/L.SG drinnen spucken:PRS.3PL.AKT
„Die beiden Ritualherren spucken ihm in den Mund hinein.“ 2.2.1.3-1d: IBoT 1.36 III 62 (mH/mS) É n(u)=at=kan hilamni srā pēda⌈i⌉ KONN=3PL.AKK.N=OBP Torbau:D/L.SG hoch hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Er bringt sie zum Torbau hinauf.“ Diese Grundwortstellung kann natürlich modifiziert werden (v. a. pragmatisch, s. Hof fner/ Melchert 2008: 296), so treten die Negation und Indefinitpronomina gewöhnlich zwischen Place Word und Verb (→2a), lokale Adverbiale finden sich auch in der jüngeren Sprache noch gelegentlich in dieser Position (→2b), durch eine Linksverschiebung des Place Words an den Satzanfang oder unmittelbar hinter die Partikelkette kann der gesamte restliche Satz Modifikator und Prädikat trennen (→2c). 2.2.1.3-2a: KUB 17.21 I 21–23 (mH/mS) nu=smas U4-as ⌈ITU-as⌉ MU-ti
meyaniyas SÍSKUR.ḪI.A EZEN4.ḪI.A
KONN=2PL.D/L Tag:GEN Monat:GEN Jahr:D/L.SG Verlauf:GEN Opfer
kissan srā ŪL kuiski so
tittnuwan
Feste
harta
hoch NEG INDF:NOM.SG.C stellen:PTZ.AKK.SG.N halten:PRT.3SG.AKT
„Keiner hatte je für euch die täglichen, monatlichen und jährlichen Opfer (und) Feste so (wie wir) begangen.“ 2.2.1.3-2b: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 3 (mH/mS) m nu=ssan zik Madduwatta anda ANA AB[I dUTUŠI pa]ddais KONN=OBP du:NOM (PN):VOK
drinnen DAT Vater (Titel)
eilen:PRT.2SG.AKT
„Du, Matuwata, suchtest Zuflucht beim Vater meiner Majestät.“ 2.2.1.3-2c: KBo 17.105+KBo 34.47 III 7 f. (mH/mS) ⌈an⌉da=ma=kan āssuwa mīyawa hat⌈ta⌉nta
wed[du]
drinnen=KONN=OBP gut:NOM.PL.N lieb:NOM.PL.N weise:NOM.PL.N kommen:IMP.3SG.AKT
„Hereinkommen aber soll Gutes, Angenehmes, Weises.“ Die Syntax bleibt in dieser Form bis zum Abbruch der hethitischen Textüberlieferung kurz nach 1200 v. u. Z. weitgehend stabil, vgl. zum Junghethitischen Salisbury (2005: 216–236).
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2.2.2 Morphologisches und Lexikalisches Das hethitische Verbum wird nach Diathese, Modus, Tempus, Numerus und Person flektiert (⇒1.3.1). All diese Kategorien haben keinen ersichtlichen Einfluss auf seine Rolle in der hethitischen Raumgrammatik, die vielmehr semantisch-lexikalisch bestimmt ist. Bei der Kategorisierung einfacher Verben kann man diejenigen mit lokalem Bezug in zwei Gruppen aufteilen, Positionsverben (zum Ausdruck einer Lage) und Bewegungsverben (zum Ausdruck einer Lageänderung), die in den Kapiteln 3.1.4 und 3.2.2 besprochen und typologisch eingeordnet werden. Die Positionsverben sind syntaktisch ungerichtet (⇒2.2.1), die Bewegungsverben sind größtenteils gerichtet. Daneben gibt es morphologisch komplexe Verben, die von monomorphemischen Stämmen abgeleitet sind. In der Sprachwissenschaft, besonders der Indogermanistik, werden zwar näher zum Verb gehörende, modifizierende Elemente meist unterschiedslos unter der besonderen Klasse der sog. Präverbien zusammengefasst, doch gibt es keinen Grund, die im Be reich der Nomina gewonnene Kategorisierung der Wortbildungsarten nicht auch auf das Verbum zu übertragen, auch wenn die konkrete Anwendung aufgrund der morphologischen Unterschiede der beiden Domänen schwerer fallen mag. Allgemein betrachtet, leiten sich die Präverbien von den Adverbien (⇒2.4), die als Modifikatoren ja eine starke Bindung an das Verb haben, oder seltener Adpositionen, her. Es handelt sich um Affixe oder Partikeln, 127 die zusammen mit einer Verbalwurzel ein neues Verb ableiten, sie sind entsprechend syntaktisch wie semantisch völlig in das Verb integriert, man kann von einer Form der Inkorporation sprechen. Nach Lehmann (1995: 98) ist die Prä verbierung die Folge einer Verstärkung der Verb-Adverb-Relation. Solche Grammatikalisierungsvorgänge sind z. B. in der Entwicklung von alt- zu jüngeren indogermanischen Sprachen gut zu beobachten. In vielen Sprachen Europas und auch in anderen Erdteilen ist die Inkorporierung eines lokalen Adverbials in Präfixbildungen hochgradig produktiv (vgl. z. B. Wun derlich 1985b: 81–83). Bisweilen ist es schwierig, Präverbien von Adverbien abzugrenzen. Semantische Kriterien allein sind nicht in der Lage, Wortbildungskonstruktionen und Phraseologismen zu unterscheiden, weshalb syntaktische und morphologische Veränderungen feststellbar sein müssen, um zu einer sicheren Bestimmung gelangen zu können (vgl. Lehmann 1995: 99–101). Die Grenzen zwischen den Wortarten sind offensichtlich fließend, auch können verschiedene zeitliche Schichten vorliegen (Lehmann 1995: 100), man denke nur an die kaum noch lokalen deutschen sog. Partikelverben mit einfacher Präposition (z. B. ausgehen) gegenüber jüngeren Bildungen mit deiktischem Adverb (her-/hin-/r-ausgehen, vgl. Wunderlich 1985b: 54). Als Präverbien (= verbale Präfixe) gelten im Folgenden daher nur diejenigen Morpheme, die fest mit dem Verbstamm verbunden sind und nicht eigenständig auftreten (⇒2.2.2.1), 128 sowie eigenständige Elemente, die zusammen mit einem Verb ein neues Prädikat (erkennbar an ver127 Entweder fest verbunden oder z. B. im Englischen als Postfix unmittelbar nach der flektierten Form.
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änderter Valenz, vgl. Wackernagel 1928: 178 f.) ableiten. Genauer handelt es sich bei solchen Fällen (wie āppa tiye/a-zi + Akk. ‚jmd. unterstützen‘; ⇒2.2.2.2) wohl um komplexe Konversionen aus modifizierendem Adverbial + Verb, vergleichbar mit den altindogermanischen sog. éntheos-Komposita, die tatsächlich komplexe Adjektivkonversionen (Transponat *én dhh1sós „innen (ist) eine Gottheit“ > gr. éntheos ‚eine Gottheit in sich habend‘) sind. 129 Auch Reihenbildung ist ein Hinweis auf Grammatikalisierung zu einem Wortbildungsmorphem (vgl. für die nominale Wortbildung z. B. Ortner/Ortner 1984: 77, 180). Ohne die genannten Kriterien ist der Präverb-Status für konkrete Beispiele als nicht beweisbar abzulehnen. Man kann aber davon ausgehen, dass es sicher noch weitere Fälle von verbalen Antefixen (s. Fn. 129 eben) gibt, die nur aufgrund der unzureichenden Beleglage nicht zu sichern sind. Verbale Komposition, bei der sich wortfähige Lexeme fest mit einem Verb verbinden (z. B. im Esperanto anasiri ‚watscheln‘ < anaso ‚Ente‘ + iri ‚gehen‘), scheint es im Hethitischen nicht zu geben. 2.2.2.1 Deiktische Verben Nur zwei verbale Präfixe sind im Hethitischen synchron als solche erkennbar, 130 konstituieren aber die hochfrequente Gruppe der deiktischen Verben. Bei diesen handelt es sich um zumeist transitive Bewegungsverben, die eine zusätzliche deiktische Komponente aufweisen. Das Präverb u- (je nach Akzent [u/o]) drückt dabei eine auf das Centrum deicticum gerichtete, das Präverb pe- eine von ihm wegführende Bewegung aus. Die Präfixe sind mit einer einzigen Ausnahme (s. u.) fest mit dem Verbstamm verwachsen. Ihre Funktion lässt sich besonders gut anhand von Briefen bestimmen, da dort alle Personen vertreten sind. 2.2.2.1-1a: HKM 46 18–23 (mH/mS) ammug=(m)a=kan ŠA KASKAL GÍD.DA ich:NOM=KONN=OBP GEN Weg
sasanna
pēyiskemi
lang
LÚ.MEŠ
NÍ.ZUTIM
Spione
nu=mu
ḪUR.SAG
Hapidduini anda
(ON)
mahhan memian
schlafen:INF hinschicken:IPFV:PRS.1SG.AKT KONN=1SG.D/L wie
drinnen
EGIR-pa
Wort:AKK.SG zurück
udanzi herschaffen:PRS.3PL.AKT 128 Reine Univerbierung ist noch kein aussagekräftiges Kriterium für eine Wortbildungskonstruktion, wie Wackernagel (1928: 177 f.) gerade auch für Verben gezeigt hat, vgl. gr. édōke khōrous en(-h)idrúsasthai bōmoùs kaì teménea „er gab Grundstücke, um darin Altäre und Heiligtümer zu errichten“ (Herodot 2, 178, 4), wo das Proadverbial (⇒2.4) en keine besondere semantische oder dependentielle Verbindung mit dem Verb eingeht. 129 Um den widersprüchlichen Terminus „trennbares Präfix“ zu vermeiden, könnte man diese Art Präverbien, die sich nicht morphologisch mit dem Verbstamm verbinden, aber dennoch an vorhersagbarer Stelle davor auftreten, „Antefixe“ (in Analogie zu „Postfix“, z. B. russ. -ся ‚sich‘, das auf die konjugierte Verbalform folgt) nennen. Als Präverb gilt hier also ein verbales Prä- oder Antefix. 130 Für einige synchrone Simplizia wurde eine Zurückführung auf Präfixbildungen vorgeschlagen, z. B. watku-zi ‚springen‘ < *o-tkw- „weg-laufen“, wet(e)-zi ‚bauen‘ < *e-dheh1- „?-setzen“ (s. Kloekhorst 2008: 989 f., 1010), die aber unsicher sind und hier keine Rolle spielen.
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„Ich aber schicke immer wieder „Langstreckenspione“ ins Habituini-Gebirge hin, auch über Nacht. Sobald sie mir die Sache wieder berichten, …“ 2.2.2.1-1b: HKM 30 22 (mH/mS) n(u)=at=mu katti=mi
udau
KONN=3SG.AKK.N=1SG.D/L dabei=POSS.1SG.D/L.SG herschaffen:IMP.3SG.AKT
„Er soll es zu mir herbringen.“ 2.2.2.1-1c: HKM 66 11 (mH/mS) nu=wa(r)=tta=kkan ap⌈āt⌉=(m)a
pēhu[d]anz[i]
KONN=„“=2SG.D/L=OBP DEM:AKK.SG.N=KONN hinbringen:PRS.3PL.AKT
„»Dies aber werden sie dir hinbringen.«“ Das deiktische Zentrum (⇒3.4) ist, wie aus den Beispielen klar wird, fast immer der Sprecher, und zwar zum Sprechzeitpunkt, was am folgenden Bsp. →2 deutlich wird: Soldaten leisten hier einen Eid vor dem Grenzkommandanten und versichern ihm, später von ihren Wachposten aus Meldung zu erstatten. Dabei versetzen sie sich jedoch anders als im Deutschen nicht gedanklich an diesen Ort, sondern wählen den aktuellen Ort ihrer Eidesleistung als Bezugspunkt, zu dem sie etwas herbringen (und nicht etwa hin): 2.2.2.1-2: KBo 16.50 12 f. (mH/mS) nu ANA LÚBĒL ‹MA›AD!GAL!TI memiyan KONN DAT Herr
Wachturm
hudāk udummeni
Wort:AKK.SG sofort
herschaffen:PRS.1PL.AKT
„Wir bringen dem Grenzkommandanten die Sache sofort her.“ Gerade in Briefen finden sich aber auch Fälle, in denen der Sprecher die Position des Angesprochenen zum deiktischen Zentrum macht (Empfänger in →3a, Absender in →3b, vgl. noch HKM 18 Rs. 20 und KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 39), möglicherweise eine Form der Ehrerbietung oder einer gedanklichen Reise. Wenn keine 1. oder 2. Person an einem Sachverhalt beteiligt ist, kann entweder ein deiktisch neutrales Verb verwendet werden (s. u.), oder das deiktische Zentrum folgt dem Subjekt, wodurch die Opposition im Grunde aufgehoben wird (→3cd), zumindest in den meisten Fällen.131 Dabei werden in den klaren Beispielen durchgängig die Formen mit pe- verwendet, was sich auch im Verteilungsverhältnis von pe- und u-, nach einem Sample althethitischen Belege ca. 5 : 1, niederschlägt. 2.2.2.1-3a: HKM 59 8 (mH/mS) [n(u)]=at apadda wēr KONN=3PL.NOM.C dorthin
kommen:PRT.3PL.AKT
„Sie sind dorthin (= in deine Richtung) gekommen.“
131 Es gibt Ausnahmen, z. B. n(u)=an āppa kuiski uwatezzi „(Wenn ein Diener entläuft) und jemand ihn zurückbringt, …“ (Gesetze, §22, KBo 6.2 Vs. 48'; aS).
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2.2.2.1-3b: HKM 21 22–24 (mH/mS) tuel=wa(r) ⌈ku⌉e ṬUPPAḪI.A pedanzi du:GEN=„“
REL:AKK.PL.N Tafeln
⌈nu⌉=war=at=kan
hinschaffen:PRS.3PL.AKT KONN=„“=3PL.AKK.N=OBP
ammuk halzissahhi ich:NOM rufen:IPFV:PRS.1SG.AKT
„»Deine Tafeln, die man hinbringt 132, lese ich jeweils vor.«“ 2.2.2.1-3c: KBo 17.74+ II 26, 28, 33 (aH/mS) LUGAL-us tunnakesna paizzi […]
ta=sta
prā
König:NOM.SG Innengemach:DIR.SG hingehen:PRS.3SG.AKT KONN=OBP voran
paizzi […]
LUGAL-us
āppa
É
halentiu
paizzi
hingehen:PRS.3SG.AKT König:NOM.SG zurück Palast:LOK.SG hingehen:PRS.3SG.AKT
„Der König geht ins Innengemach. […] Er geht hinaus. […] Der König geht in den Palast zurück.“133 2.2.2.1-3d: HKM 24 50 (mH/mS) n(u)=an=⌈z=k⌉an URU-ri
⌈s⌉rā pehuteddu
KONN=3SG.AKK.C=REFL=OBP Stadt:D/L.SG hoch
hinbringen:IMP.3SG.AKT
„Sie [eine Truppe] soll es [Getreide] für sich in die Stadt hinaufbringen.“ Sehr ungewöhnlich hingegen ist der folgende Beleg, bei dem anscheinend Perspektive und intrinsische Bewegungsrichtung kollidieren und sich einer befriedigenden Deutung entziehen: 2.2.2.1-4: KBo 29.133+KBo 34.222 III 16 (mH/mS) ⌈n(u)⌉=an=z arha INA É-ŠU upp[āi] KONN=3SG.AKK.C=REFL weg
LOK Haus:POSS.3SG.M herschicken:PRS.3SG.AKT
„Er schickt sie (ihn?) weg in ihr (sein?/dessen?) Haus herein.“ Aus der Funktion „weg vom Centrum deicticum“ kann bei der dritten Person für pe- auch eine lokale Bedeutung „weg“ erwachsen, wie sie in den Maşat-Briefen in Fällen belegt ist, bei dem Feinde den Hethitern Vieh stehlen und es in ihr Land hinforttreiben, vgl. (ebenso HKM 17 Vs. 7): 2.2.2.1-5: HKM 10 37 f. (mH/mS) nu=wa(r) 40 GU4.ḪI.A 1 ME UDU.ḪI.A pennies KONN=„“
40 Rinder
1 100 Schafe
hintreiben:PRT.3SG.AKT
„»(Als ich im Land von Ishubita ankam, schlug der Feind in meinem Rücken Zikata) und trieb 40 Rinder und 100 Schafe hinfort.«“ 132 H. Eichner (Wien, per Netzpost) schlägt für solche Fälle eine deiktisch neutrale Übersetzung „überbringen“ vor. 133 Im Deutschen hätte ein Erzähler gewöhnlich entweder den Palast oder den Vorhof als Centrum deicticum festgelegt und von dort die Bewegungen des Königs mit hin und her beschrieben, im Heth. bleibt es hingegen nicht gleich. Erhellend ist hier auch die für ein Zitat zu lange Passage IBoT 1.36 III 23–30 (mH/mS): In Z. 23–26 erscheint ein Palastbediensteter, der etwas nachreicht, und aus Sicht des CD (Gerichtssaal) konsequent mit u-Verben beschrieben wird. Der in Z. 27–30 instruierte Leibwächter, der ihm folgen soll, erscheint stattdessen mit den „neutralen“ pe-Verben.
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Entsprechend der kontrastierenden Funktion von pe- und u- kommen die meisten mit ihnen bezeugten Verben in Paaren vor, oft findet sich daneben ein bedeutungsgleiches Simplex, das keine deiktische Komponente enthält: • payi-/pai-zi ‚hingehen‘ (→6ab) und we-/uwa-zi ‚(her)kommen‘ (→6ac) sind die am häufigsten gebrauchten hethitischen Bewegungsverben und das einzige intransitive Verbpaar mit den Präverbien pe- und u-. Das deiktisch neutrale Simplex ist ye/a-tta(ri) ‚gehen‘134 (→6f). Jede Art Medium oder Mittel der Bewegung sind mit diesen unmarkierten Verben kombinierbar, im gegebenen Kontext drücken sie also auch z. B. „fliegen“ (→6d) oder „fahren“ (→6e) aus. 2.2.2.1-6a: KBo 17.105+KBo 34.47 III 7 f. (mH/mS) n(u)=at=⌈kan⌉ prā paid⌈du an⌉da=ma=kan
āssuwa
KONN=3SG.NOM.N=OBP voran hingehen:IMP.3SG.AKT drinnen=KONN=OBP gut:NOM.PL.N
mīyawa
hat⌈ta⌉nta
wed[du]
lieb:NOM.PL.N weise:NOM.PL.N kommen:IMP.3SG.AKT
„Es soll hinausgehen, hereinkommen aber soll Gutes, Angenehmes, Weises.“ 2.2.2.1-6b: HKM 66 23 f. (mH/mS) n(u)=as mān ⌈ka⌉rū pānz KONN=3SG.NOM.C wenn bisher
hingehen:PTZ.NOM.SG.C
„Wenn er schon (hin)gegangen ist, …“ 2.2.2.1-6c: HKM 13 8 (mH/mS) kinun=(m)a=as namma ŪL wet jetzt=KONN=3SG.NOM.C ferner
NEG kommen:PRT.3SG.AKT
„Bisher ist er nicht gekommen.“ 2.2.2.1-6d: KUB 18.5+KUB 49.13 II 11 (mH/mS) namma=as priyawan tar.u.an pait ferner=3SG.NOM.C schräg
t.-Bereich hingehen:PRT.3SG.AKT
„Dann flog er [ein ālliya-Vogel] schräg im t.-Quadranten.“ 2.2.2.1-6e: IBoT 1.36 III 61 (mH/mS) māhhan GIŠhulugannis parna=ssa wie
paizzi
Kutsche?:NOM.SG Haus:DIR.SG=POSS.3SG.DIR.SG hingehen:PRS.3SG.AKT
„Wenn die Kutsche? nach Hause fährt, …“ 2.2.2.1-6f: KBo 17.105+KBo 34.47 III 24 (mH/mS) LÚ.MEŠ MUŠEN.DÙ=ya EGIR-an hūmantes iyanta Auguren=KONN
hinten
all:NOM.PL.C gehen:PRS.3PL.MP
„Und dahinter gehen alle Auguren.“
134 Archaisch auch i-zi ‚gehen‘, von dem der suppletive Imp. īt „geh!“ bzw. ītten „geht!“ von payi- stammt. Der Wechsel ins Mediopassiv erfolgte wohl zur Vermeidung von Homonymie mit ye/a-zi ‚machen‘.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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Eine Besonderheit ist die Verwendung von we-/uwa- und payi-/pai- (mit einer Verteilung von ca. 3 : 2, s. van den Hout 2003: 199) in der bereits in Kap. 1.3.1 erwähnten peri phrastischen Konstruktion zum Ausdruck der Verbindung zweier Handlungen (s. u. ⇒3.5.2). • ped(a)-i ‚hinschaffen‘ (→7a) und ud(a)-i ‚herschaffen‘ (→7b) haben Nicht-Eigenbewegliches oder Abstraktes zum Objekt. Das Simplex dā-/d-i ‚nehmen‘ weicht synchron deutlich ab, als Entsprechung ohne deiktische Komponente wird stattdessen arnu-zi ‚schaffen, bringen‘ verwendet (→7c). 2.2.2.1-7a: KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 51 f. (mH/mS) n(u)=asta GIŠMÁ istappesnas PA5-as is⌈tappesnaz⌉ KONN=OBP Schiff
prā ÍD=kan
Wasserbecken:GEN Kanal:NOM.SG Wasserbecken:ABL voran Fluss=OBP
anda pēd[a]⌈i⌉ drinnen hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Das Schiff bringt der Kanal des Wasserbeckens aus dem Wasserbecken hinaus in den Fluss.“ 2.2.2.1-7b: KBo 15.33+KBo 15.35 III 33 f. (mH/mS) GIŠ IŠTU ḪUR.SAGSidduwa kuit ey⌈an⌉ [uda]nzi ABL/INS (BN)
REL:AKK.SG.N Eibe?:AKK.SG herschaffen:PRS.3PL.AKT
?
„Die Eibe , die man vom Berg Situwa herbringt, …“ 2.2.2.1-7c: KUB 17.21 II 6 f. (mH/mS) nu=smas=⌈san⌉ DINAM arnuskeuwani KONN=2PL.D/L=OBP Rechtssache bringen:IPFV:PRS.1PL.AKT
„Wir bringen euch hiermit die Rechtssache in dieser Angelegenheit (=ssan) vor.“ • pehut(e)-zi ‚hinbringen‘ (→8a) und uwat(e)-zi ‚herbringen‘ (→8b) können wie ped(a)-i und ud(a)-i Abstraktes ausdrücken (→8c), bezeichnen gewöhnlich aber die Bewegung von Eigenbeweglichem, zumeist Menschen.135 Das Simplex dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ weicht formal und semantisch ab. Auch hier dient arnu-zi ‚schaffen, bringen‘ als funktionale Entsprechung ohne verbindliche Deixis (→8d). 2.2.2.1-8a: Gesetze §19a (KBo 6.2 I 37'; aS) n(u)=an ANA ⌈KUR Luwi⌉[a p]⌈ēhutezzi⌉ KONN=3SG.AKK.C DAT Land
(ON):DIR.SG136 hinbringen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn) er ihn [einen entführten Hethiter] ins Luwier-Land hinbringt, …“ 2.2.2.1-8b: HKM 13 10–12 (mH/mS) n(u)=an MAḪAR dUTUŠI leliwahhūanzi!137 uwateddu KONN=3SG.AKK.C bei
(Titel)
hasten:INF
herbringen:IMP.3SG.AKT
135 Eine Ausnahme ist HKM 24 50 (s. →3d oben) mit unbelebtem Objekt. 136 Sehr wahrscheinlich Dir., nicht Stammform, s. Starke (1977: 34). 137 Die Tafel hat sicher versehentlich le-li-wa-aḫ-ḫu-u-an-kán.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Er soll ihn eiligst vor meine Majestät herführen.“ 2.2.2.1-8c: KUB 31.42 II 8–10 (mH/jS) LÚ nasma=kan LÚaras ari oder=OBP
kuiski
kūruras
memian
Freund:NOM.SG Freund:D/L.SG138 INDF:NOM.SG.C Feindschaft:GEN Wort:AKK.SG
peran pēhutēzzi vorne
hinbringen:PRS.3SG.AKT
„Oder einer bringt ein Wort der Feindschaft vor den anderen.“ 2.2.2.1-8d: HKM 15 10–13 (mH/mS) n(u)=an MAḪAR dUTUŠI INA U4 3KAM leliwahhuanzi arnutten KONN=3SG.AKK.C bei
(Titel)
LOK Tag 3
hasten:INF
bringen:IMP.2PL.AKT
„Bringt sie eiligst in drei Tragen vor meine Majestät!“ • penna/i-i ‚hintreiben‘ (→9a) und ūnna/i-i ‚hertreiben‘ (→9b) bezeichnet die Bewegung von Lebewesen durch Zwang. I. d. R. ist damit das Treiben von Tieren gemeint, woraus sich durch Auslassung des Objekts eine quasi-intransitive Bedeutung ‚fahren‘ ableitet (→9c), es können aber auch Personen gewaltsam bewegt werden. Das etymologische Simplex ist ne- a(ri), nai- i ‚(sich) wenden‘, funktional zugehörig ist jedoch dessen reduplizierte Ableitung nanna/i- i ‚treiben‘ (→9d). 2.2.2.1-9a: Gesetze §79 (KBo 6.2 IV 13; aS) nu=us āppa ishi=ssi
pennai
KONN=3PL.AKK.C zurück Herr:D/L.SG=POSS.3PL.D/L.SG.C hintreiben:PRS.3SG.AKT
„Er bringt sie [entlaufene Rinder] zu ihrem Besitzer zurück.“ 2.2.2.1-9b: KUB 45.47 II 4 (mH/mS) n(u)=asta! 1 UDU anda ūnniyanzi KONN=OBP 1 Schaf drinnen hertreiben:PRS.3PL.AKT
„Man treibt ein Schaf herein.“ 2.2.2.1-9c: ABoT 65 Vs. 9 (mH/mS) URU nu Hattusi pennis KONN (ON):D/L.SG hintreiben:PRT.3SG.AKT
„Er ist nach Hattusa gefahren.“139 2.2.2.1-9d: KBo 38.12+ II 20 (aH/aS?) LUGAL-as pēran 2-at 2⌈-at nan⌉[nianta] König:GEN.SG vorne
2:INS?140 2:INS? treiben:PRS.3PL.MP
„Sie werden je zu zweien vor den König getrieben.“
138 Die Wendung aras aran usw. wird wie russ. друг друга ‚einander‘ in reziprokem Sinne verwendet. 139 Für ein Bsp. mit ūnna/i-i s. HKM 70 11 f (mH/mS). 140 Die Bestimmung der Endung ist unsicher, s. GHL (156).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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• pey(e)-zi ‚hinschicken‘ (→10a) und uiy(e)-zi ‚herschicken‘ (→10b) sind auf Menschen, i. d. R. Boten beschränkt. Ein Simplex liegt synchron nicht mehr vor. 2.2.2.1-10a: IBoT 1.36 I 12 (mH/mS) nassu KASKAL-an kuiski pēyanz oder
Weg:AKK.SG
INDF:NOM.SG.C hinschicken:PTZ.NOM.SG.C
„Entweder ist jemand auf den Weg geschickt worden, …“ 2.2.2.1-10b: HKM 55 29 f. (mH/mS) LÚ.MEŠ⌉
TEMIYA=mu kuwat ŪL uyeskettani
Boten=1SG.D/L
warum NEG herschicken:IPFV:PRS.2PL.AKT
„Warum schickt ihr meine Boten nie zurück?“ Außerhalb dieser Korrelation finden sich Verben, die entweder keine Entsprechung mit dem kontrastierenden Präverb haben, oder die synchron kein funktionales Paar mehr bilden: • pessiye/a-zi ‚(weg-, ver)werfen‘ (→11a) und ūssiye/a-zi ‚(einen Vorhang) auf-, wegziehen‘ (→11b) sind pe- und u-Bildungen zum Simplex siye/a-zi ‚schießen‘, synchron aber trotz der formalen und etymologischen Korrelation semantisch nicht aufeinander bezogen. Sie enthalten somit auch keine deiktische Komponente.141 2.2.2.1-11a: KBo 17.105+KBo 34.47 II 32' f. (mH/mS) idālun
kardimiyattan sāuwar
böse:AKK.SG.C Zorn:AKK.SG
arha namma pessiya‹t›ten
Groll:AKK.SG weg
ferner
werfen:IMP.2PL.AKT
„Werft ferner den bösen Zorn (und) Groll weg!“ 2.2.2.1-11b: KBo 20.10+KBo 25.59 I 1 f. (aH/mS?) KUŠ NÍG.BÀR-an ūssiyanz[i] Vorhang:AKK.SG
wegziehen:PRS.3PL.AKT
„Man zieht den Vorhang auf.“142 • pe(-)har(k)-zi ‚(hin)halten, bringen‘ verbindet sich mit unbelebten Objekten, die dargereicht werden. Aufgrund der geringen Belegmenge ist nicht festzustellen, ob es trotz des Fehlens eines *u(-)har(k)-zi eine deiktische Bedeutungskomponente aufwies. Eine Besonderheit ist die Trennbarkeit des Präfixes, die nicht nur im grafischen Spatium, sondern besonders auch in der Stellung der Partikel in pē=pat harkanzi (KBo 17.65+ Vs. 48; mH/mS) deutlich wird. 2.2.2.1-12: KBo 24.34+KBo 41.128 20' (aH?/mS; ergänzt nach Duplikat KBo 12.42; jS) hal⌈kiyas=(m)a=wa(r)⌉ GEŠTIN-as mekki p[ē harweni] Getreide:GEN.SG=KONN=„“ Wein:GEN.SG viel:AKK.SG.N hin halten:PRS.1PL.AKT
„»Getreide aber und Wein reichen wir in Menge dar.«“ 141 Die separative Bedeutung von pessiye- lässt sich aber nur aus deiktischem ‚hin(fort)‘ erklären, was also vorhistorisch vorhanden. Dies ist bei ūssiye- nicht zwingend der Fall. 142 Schon althethitisch findet sich bei dieser Wendung auch die OBP =asta, vgl. fragmentarisches [ KUŠNÍG.BÀ]R =asta ūssiyanzi in KBo 25.17 I 2 (aS).
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
• uppa/i-i ‚(her)schicken‘ findet sich mit Personen und Objekten (→13a). Das Simplex pai-/ pi-i ‚geben‘ weicht in der Bedeutung synchron ab, ein *peppa/i-i gibt es nicht.143 Möglicherweise hat das Verb daher seine deiktische Bedeutung verloren, vgl. Bsp. →13b, in dem Sprecher und Centrum deicticum abzuweichen scheinen, ohne dass eine 2. Person (wie in Briefen) beteiligt ist. 2.2.2.1-13a: HKM 30 18 (mH/mS) kinun=(m)a=m⌈u⌉ G[EME?-Y]A?
arha uppi
jetzt=KONN=1SG.D/L Dienerin=POSS.1SG weg
herschicken:IMP.2SG.AKT
„Schicke mir jetzt meine Dienerin(?) her!“ 2.2.2.1-13b: KBo 17.65+ Vs. 39 (mH/mS) [n(u)=]an apēz u⌈pa⌉hhi KONN=3SG.AKK.C DEM:ABL herschicken:PRS.1SG.AKT
„Ich schicke sie [eine Festbeschreibung] von dort her(?).“ • wedae-zi ‚(her)bringen, führen‘ schließlich ist ein Simplex (idg. *edh- ‚führen‘), das nur mit Personen als Objekten belegt ist und aufgrund der phonetischen Ähnlichkeit mit u-Verben wohl eine deiktische Bedeutung angenommen hat. Die Belege sind nicht zahlreich und wurden früher als Variante von uda/i-i angesehen, auch da im Junghethitischen unter dessen Einfluss analogisch Formen der hi-Konjugation bei dem Verb bezeugt sind. 2.2.2.1-14: IBoT 1.36 III 9 (mH/mS) nu sarkantiyus kuis
LÚ
MEŠEDI w⌈idā⌉ezz[i]
?
KONN Prozessbeteiligter :AKK.PL REL:NOM.SG.C Leibwächter
herbringen:PRS.3SG.AKT
?
„Der Leibwächter, der Prozessbeteiligte herführt, …“ 2.2.2.2 Place Words als Präverbien Von den drei in 2.2.2 genannten Kriterien für Präverbien trifft das der morphologischen Bin dung nur auf die deiktischen Präfixe pe- und u- zu (⇒2.2.2.1). Die multifunktionalen Place Words (⇒2.4) hingegen verwachsen nie mit einem Verb, auch nicht im Fall von Phraseologismen (s. u.); z. B. treten Negation, Relativa u. a. Wörter regulär zwischen Place Word und Verbalform (⇒2.2.1.3). Die einzige bekannte Ausnahme ist das lexikalisierte Partizip antiyant- ‚Schwiegersohn‘ zu anda ye/a-tta(ri) ‚(r)eingehen‘, also „der (ins Haus der Schwiegereltern) Eintretende“,144 wobei die Univerbierung wohl dem Gebrauch als Appellativum geschuldet ist. Die unten behandelten Phraseologismen können als Ganzes nominalisiert werden, dies ist jedoch noch kein Beweis für Komposition, sondern nur für eine semantische Einheit. Aus Wortbildungssicht handelt es sich bei Beispielen wie peran huyatalla- ‚Anführer‘ (zu peran huwai-/hui-i „vorne laufen“ → ‚anführen‘), prā handandātar ‚göttliche Vorsehung‘ (zu prā 143 Vgl. aber die Augenblicksbildung peppiessar ‚Sendung‘ des nicht-heth. Schreibers in VBoT 1 28 (mH/mS), in Analogie zu uppiessar ‚Sendung‘. 144 Vgl. akkad. errēbu ‚neues Familienmitglied‘ zu erēbu ‚eintreten‘.
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handant- „voran-geordnet“ → ‚göttlich geleitet‘) oder GÚ-tar srā appātar ‚Rüstigkeit‘ („das Den-Oberkörper-aufrecht-Halten“) um Ableitungen aus Modifikator + Kopf, die nicht mit Zusammenbildungen aus Objekt und Verb – die es im Hethitischen nicht gibt – zu vergleichen, sondern parallel zu Bahuvrīhi-„Komposita“ zu sehen sind (s. Brosch 2008: 16–24). Es sind allerdings erste Ansätze von Konfigurationalität zu beobachten, sogar in einem älteren Text: Im folgenden poetisch stilisiertem Beleg wurde das Prädikat, bestehend aus Place Word und Verb, nach links vor das Subjekt verschoben, 145 die Stellung der Place Words ist also schon in der älteren Sprache nicht mehr beliebig. 146 2.2.2.2-1: KUB 17.10 IV 14 (aH/mS) āppa huettiyat 7 GIŠhattalu zurück ziehen:PRT.3SG.AKT 7 Riegel:NOM.SG
„Zurückgezogen hat er die sieben Riegel.“ In einigen wenigen Fällen ist eine veränderte Valenz von PW + Verb feststellbar. 147 Während āppan tiye/a-zi als konkret räumliches „hinter jmd./etw. treten“ mit Genetiv (→2a) bzw. jünger Dativ-Lokativ (→2b) steht, wird es in den Bsp. →2c und →2d als transitives Verb mit dem Akkusativ und übertragener Bedeutung ‚sich um jmd./etw. kümmern‘ verwendet, was sich syntaktisch nicht aus voneinander unabhängigem āppan und tiye- erklären lässt: 2.2.2.2-2a: KBo 17.74+ I 3 f. (aH/mS) LÚ.MEŠ MEŠEDI-an āppan [tienzi] Leibwächter:GEN.PL hinten
treten:PRS.3PL.AKT
„Sie treten hinter die Leibgarde (hin).“ 2.2.2.2-2b: IBoT 1.36 II 28 (mH/mS) GIŠ n(u)=as widuliya EGIR-an [ti]⌈yazi⌉ KONN=3SG.NOM.C Wagenkorb?:D/L.SG hinten
treten:PRS.3SG.AKT
?
„Er tritt hinter den Wagenkorb .“ 2.2.2.2-2c: HKM 24 53 f. (mH/mS) namma apūn ÉRIN.MEŠ ferner
DEM:AKK.SG.C Truppe(n)
URU
Kasepūra EGIR-an=pat tiya
(ON)
hinten=PTK
treten:IMP.2SG.AKT
148
„Ferner sorge auch für jene Truppen von Kasebora.“
145 Gegen eine umgekehrte Auffassung, die Rechtsversetzung des Objekts hinter das Prädikat, spricht der direkt vorausgehende Satz mit einer ähnlichen Inversion: hāsta LÚNI.DU8 7 GIŠIG „Geöffnet hat der Pförtner die sieben Türen.“ Eine solche Verschiebung ist nicht möglich bei einer Verbindung von Dat.-Lok. und Verb (s. Boley 1985a: 9). 146 Dies impliziert weiterhin jedoch keine Univerbierung von PW und Verb, wie die Stellung der Enklitika in dem Beispiel prā=an=kan huettiat UDUN-niyaz „Er zog es heraus aus dem Ofen“ (KBo 32.12 III 10; mH/mS) zeigt. 147 Es mag weitere Fälle geben, in denen die Ergänzungen bei der Präverbierung oberflächlich gleich bleiben, sich aber die semantischen Rollen ändern. Solche Bsp. sind nur durch umfangreiche Einzeluntersuchungen zu finden. 148 Anders Hoffner (2009: 139): „Furthermore station those troops behind (i. e., in the outskirts of) Kašepura“, doch wären in dieser Bedeutung die OBP =ssan (⇒2.4.1.4) und eine Markierung des Ortsnamens als Dat.-Lok. (⇒2.1.3) zu erwarten.
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2.2.2.2-2d: HKM 63 17 f. (mH/mS) nu BELUMEŠ-TIM EGIR-an tiyanun KONN Herren
hinten
treten:PRT.1SG.AKT
„Ich habe mich um die Herren gekümmert.“ Ein weiteres sicheres Beispiel für eine transitive Verbindung aus Place Word und intransitivem Bewegungsverb stammt aus einem junghethitischen Orakel: 2.2.2.2-3: KUB 22.70 Vs. 37 (jH) m Pallān=na=wa(r)=kan EGIR-an iyahhut (PN):AKK.SG=KONN=„“=OBP hinten
gehen:IMP.2SG.MP
„»Verfolge auch den Pallā!«“ Weniger sicher ist hingegen der folgende althethitische Beleg (mit einigen Parallelen), da die Satzgrenzen nicht klar sind: Sollte udnē ‚Land‘ Objekt zu au-/u-i ‚sehen‘ (mit anda ‚einwärts, hinein‘ → ‚neiden‘, vgl. gleichbedeutendes lat. in-uideo) sein, dürfte es sich bei anda tatsächlich um ein Antefix handeln. Starke (1977: 137) fasst udnē hingegen als Nominativ in Prolepsis auf. 2.2.2.2-4: KBo 25.122 III 1' (aS) [u]⌈dnē⌉ anda ⌈lē⌉ au[tti] Land:AKK?/NOM?.SG rein
PROH sehen:PRS.2SG.AKT
„Neide das Land nicht!/(Was) das Land (betrifft), sieh nicht (neidisch) hinein!“ Als unleugbare Verbindung aus Antefix und Verb tritt aber bereits in alten Texten prā e/app- zi ‚jmd. etw. hinstrecken, reichen‘ (→5a) auf (vgl. Boley 2009: 109 f., Nowicki 2002: 70 f.: „für […] nach vorne langen“), das sich vom Simplex (→5b) dadurch unterscheidet, dass ein Dativ-Lokativ nicht als Quelle, sondern als Ziel interpretiert wird. Ein Weglassen des Place Words ergibt also eine gegenteilige Lesart. 2.2.2.2-5a: KUB 43.30 II 8' (aS) [UGULA LÚ.]MEŠMUḪALDIM marnuandas Aufseher
Köche
ispantuziassar LUGAL-i
prā
Gerstenbier?:GEN.SG Spende:AKK.SG König:D/L.SG voran
ēpz[i] ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Der Aufseher der Köche hält dem König die Spende aus Gerstenbier? hin.“ 2.2.2.2-5b: KBo 25.61+ II? 10 (aS) LÚ SAGI LUGAL-i NINDA.GUR4.RA ēp⌈zi⌉ Mundschenk König:D/L.SG Dickbrot
ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Der Mundschenk nimmt dem König das Dickbrot ab.“149 149 Ab der mittelheth. Zeit wird die Separation stets durch =kkan (=asta), also „ab-nehmen“, expliziert. Möglicherweise ist aber auch hier eine OBP zu verstehen, die durch die logografische Schreibung unterdrückt wurde (s. o. S. 72, Fn. 99).
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Ein verwandtes syntaktisches Merkmal von Präverbien ist ihre Wiederholung in Adpositionalphrasen wie in über den Fluss übersetzen. Dafür gibt es im hethitischen Korpus nur ein einziges Beispiel (s. Boley 1985b: 237): 2.2.2.2-6: KUB 43.56 III 12' f. (mH?/jS) nu eshani kattan NINDA.SÍG kattan appanzi KONN Blut:D/L.SG unten
Fladenbrot
unten
ergreifen:PRS.3PL.AKT
„Man nimmt das Fladenbrot unter dem Blut(fluss) [des eben getöten Schweins] in die Hand.“ Es handelt sich hier allerdings wohl um die phraseologische Wendung kattan e/app-zi ‚unternehmen; in die Hand nehmen‘, weshalb die beiden Place Words durchaus auch unabhängig voneinander sein können. Alternativ kann kattan appanzi aber auch als Inchoativum zu einem kattan harkanzi „man hält darunter“ verstanden werden, womit das Place Word tatsächlich verdoppelt wäre. Auch wenn diese Lösung inhaltlich sogar wahrscheinlicher sein mag, kommt dem Beleg aufgrund fehlender Parallelen kein besonderer Aussagewert zu, auch da ein Fehler beim Abschreiben nicht auszuschließen und an dieser Stelle wahrscheinlich ist. Als drittes Hauptmerkmal wurde oben das distributive Kriterium der Reihenbildung genannt, d. h., Place Words, die in einer wiederkehrenden, von ihrer Grundbedeutung abwei chenden Funktion mit verschiedenen Verben auftreten, können einen ersten Schritt zu einer Wortbildungskonstruktion hin getan haben, da Phraseologismen nicht in vergleichbarer Weise produktiv sind. Es sind mehrere Beispiele von in dieser Weise spezialisierten Place Words bekannt. Recht häufig belegt ist srā ‚aufwärts, hoch‘ (⇒2.4.1.2) in der Bedeutung „zur Verfügung, bereit“ (s. CHD Š: 225 f.), z. B. srā ar-tta(ri) ‚zur Verfügung stehen, ausreichen‘ (ar-tta(ri) ‚stehen‘), srā handae-zi ‚verfügbar machen‘ (handae-zi ‚ordnen‘) oder „vollständig“ (ebd. 226–228), z. B. srā sanh-zi ‚komplett säubern‘ (sanh-zi ‚suchen; (+ =kkan) säubern‘, vgl. dt. auf-räumen), srā tittnu-zi ‚vollenden‘ (tittnu-zi ‚(auf)stellen‘). In der letztgenannten, Totalität ausdrückenden Funktion ist auch prā ‚vorwärts, voran‘ (⇒2.4.1.5) belegt, allerdings etwas weniger häufig (s. CHD P: 126), z. B. prā sarni(n)k-zi ‚vollständig entschädigen‘ (sarni(n)k-zi ‚entschädigen‘), prā klank-i ‚vollständig besänftigen‘ (klank-i ‚beruhigen, besänftigen‘).150 Über die eben behandelten Antefixe und die in 2.2.2.1 besprochenen Präfixe hinaus gibt es, wie bereits einleitend erwähnt, keine Präverbien, für die sich morphologische Wortbil dungsprozesse (Derivation oder Komposition), wie sie in vielen modernen europäischen Sprachen geläufig sind, nachweisen ließen. Stattdessen muss man in den meisten Fällen davon ausgehen, dass die Place Words als modifizierendes Adverbial eigenständige Satzteile sind. Ein solches Place Word kann aber freilich semantisch mit einem Verb eine Einheit bil150 Bsp.: mān 12 LÚ.MEŠMEŠEDI=ma srā ŪL arta „Wenn aber keine zwölf Leibwächter zur Verfügung stehen“ (IBoT 1.36 I 11 f.; mH/mS); ⌈UGULA⌉ LÚ.MEŠ GIŠBANŠUR srā suppiyahhi „Der Aufseher der Tafeldecker reinigt den Tisch“ (KUB 43.30 II 10'; aS); nu=ssan prā klānkanz ēs „Sei in dieser Sache völlig besänftigt!“ (KUB 24.2 I 13; mH?/jS).
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den und zu einem Phraseologismus lexikalisiert werden, 151 z. B. peran huwai-/hui-i „vorne laufen“ → 1. ‚anführen‘, 2. ‚unterstützen‘, kattan tiye/a-zi „danebentreten“ → ‚unterstützen‘, āppan ar-tta(ri) „dahinter stehen“ → ‚sich kümmern‘, arha dāla/i-i „weglassen“ → ‚unbehelligt lassen‘, prā handant- „voran-geordnet“ → ‚göttlich geleitet‘. 152 Formal sind solche Verbindungen nicht von nicht-lexikalischem PW + Verb oder von Antefix + Verb zu unterscheiden; letztere können lediglich eine veränderte Valenz aufweisen. Lexikalisch eingebundene Place Words werden auch in deverbale Ableitungen übernommen (für Bsp. s. o.). Salisbury (2005: 216–236) versucht in ihrer Studie zum Junghethitischen, weitere Kriterien für die Unterscheidung von Präverbien und den anderen Funktionen der Place Words zu finden. In der Tat kann sie einen funktional begründeten Unterschied in der Stellung der Ne gation (ebd. 234) ausmachen, vgl. die Reihenfolge Negation – PW – Verb in →7ab gegenüber PW – Negation – Verb in →7cd: 2.2.2.2-7a: Bo 86/299 I 11 (Bronzetafel; jH) md LAMMA-as=ma=kan ŪL kuwapikki anda ēsta (PN):NOM.SG=KONN=OBP NEG irgendwo
drinnen KOP:PRT.3SG.AKT
„Kurunta aber war keineswegs darunter (= beteiligt).“ 2.2.2.2-7b: KBo 16.63+KUB 34.45 11 (mH/mS?) m Tapanunas=kan kuwapi kunati ⌈nu⌉=z (PN):NOM.SG=OBP wann
ŪL sēr ēsun
schlagen?153:PRT.3SG.MP KONN=REFL NEG oben KOP:PRT.1SG.AKT
„»Als Tabanuna erschlagen(?) wurde, war ich nicht darüber (= hatte keine Aufsicht).«“ 2.2.2.2-7c: HKM 48 11–13 (mH/mS) nu=nnas=kan UR.MAḪ parsanas KONN=1PL.D/L=OBP Löwe
sarmiyas
kū⌈ra⌉las=sa
Leopard154:NOM.SG Wildhund?:NOM.SG (Tier):NOM.SG=KONN
anda ŪL appantes drinnen NEG ergreifen:PTZ.NOM.PL.C
„Ein Löwe, ein Leopard, ein Wildhund? und ein k.-Tier sind für uns dabei nicht gepackt worden.“
151 Nichts anderes sind die sog. trennbaren Präfixe des Deutschen, auch wenn sie traditionell als Präfixe gelten und zusammen mit den untrennbaren Präfixen behandelt werden. Manche von ihnen sind nicht einmal lexikalisiert (z. B. hinübergehen, ineinanderschieben), die Zusammenschreibung (wo sie denn möglich ist) ist demnach willkürlich. 152 Ein Bsp. für jedes Lexem möge genügen: nu=mu apiya=ya [dIŠTA]R GAŠAN-YA peran hūw[āis] „Auch dort unterstützte mich Ištar, meine Herrin“ (KUB 1.1+ II 37 f.; jH); nu ANA mTarhini ŠA LU[GAL DINGIR.MEŠ ka]ttan tiyēr „Die Götter des Königs standen Tarhini bei“ (KBo 16.17 III 38; jH); nu DINGIR.MEŠ!-as ANA ⌈EZEN4.ḪI.A⌉ EGIR-an=pat arwasta „Wir kümmern uns um die Feste der Gottheiten“ (KUB 17.21 IV 5 f.; mH/mS); n(u)=as arha dalahhun „Ich ließ sie [Städte] unbehelligt“ (KUB 19.37 III 40; jH); n(u)=as=mu=kan prā handantesta „Und sie [Ištar] leitete mich“ (KUB 1.1+ I 21; jH). 153 Für dieses Hapax s. u. →2.4.1.2-6a. 154 Der Leopard ist wohl die einzige Pantherart, die jemals in Anatolien heimisch war, daher kann die übliche Über setzung ‚Panther‘ präzisiert werden. Freundlicher Hinweis M. Popko.
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2.2.2.2-7d: KUB 8.81+KBo 19.39 III 4 f. (mH/mS) [nu]=sse=ssan mān BELŠU ser ŪL [sa]rnikzi KONN=3SG.D/L.C=OBP wenn Herr:POSS.3SG.M oben NEG entschädigen:PRS.3SG.AKT
„Wenn sein Herr seinetwegen keinen Ersatz leistet, …“ Dieser Unterschied besteht jedoch gegen Salisbury nicht zwischen freiem Adverb und Präverb, sondern zwischen zwei Funktionen der selbständigen Place Words, nämlich Proadverbial (‚drinnen‘, ‚darüber‘) und relationalem („reinem“) Adverbial (‚innen, einwärts‘, ‚oben‘, s. die Einleitung zu Kap. 2.4). Gerade die Tatsache, dass im Falle des angeblichen Präverbs die Negation zwischen Place Word und Verb tritt, in dem des unabhängigen Adverbs hingegen nicht, spricht dagegen, dass das Phänomen etwas mit dem Grad der Bindung an das Verb zu tun hat, die ja bei einem Präverb stärker sein sollte als bei einem Adverb. 2.2.2.3 Ortsbezugspartikeln als Präverbien? Die im folgenden Kapitel 2.3 dargestellten Ortsbezugspartikeln (=an, =apa, =asta, =ssan, =kkan) sind ursprünglich, wie in den frühen althethitischen Texten noch deutlich wird, semantisch autonome optionale Modifikatoren des Prädikats oder ganzen Satzes, 155 daher unterscheiden sie sich von anderen Adverbien und den Place Words zunächst nur durch die Wackernagel‘sche Wortstellung. Im Verlauf der Sprachgeschichte büßen sie jedoch zunehmend ihre Eigenständigkeit ein und signalisieren als Partikeln bestimmte Lesarten von Verben oder v. a. Kombinationen aus Place Words und Verb, 156 wobei ihre Anzahl im Rahmen dieser Grammatikalisierung konsequenterweise reduziert wird (auf zuletzt allein =kkan). In diesem Zusammenhang ist zu untersuchen, ob manche Verbindungen aus Ortsbezugspartikel und Verb(-Komplex) die drei oben (⇒2.2.2) aufgestellten Kriterien für Präverbien157 erfüllen, wobei nochmals betont werden soll, dass rein semantische Modifikation m. E. für den Ansatz einer besonderen Morphemart nicht ausreicht. Aus syntaktischen Gründen 158 kommt von diesen für die Partikeln nur die Veränderung der Valenz als Zeichen eines abgeleiteten Prädikats in Frage. Der Akkusativ des Weges (⇒2.1.4.2) könnte hierfür ein Beispiel sein, allerdings ist der philologische Befund nicht völlig eindeutig. Der Akkusativ drückt ohne Weiteres gewöhnlich nicht einen Punkt oder Teilweg aus, der im Verlauf eines Bewe gungsereignisses passiert wird, sondern es tritt =kkan (jünger dafür auch syntaktisches =asta) hinzu. Während huwai-/hui-i alleine ‚laufen‘ ohne räumlichen Bezug bedeutet, könnte man 155 Als Ausdruck eines Kontakts zwischen Relans und Relatum kommt =ssan allerdings einem Relator nahe, ohne dabei aber obligatorisch zu werden oder gar Rektion zu entwickeln. 156 Vgl. z. B. =kkan zur Angabe eines kontextrelevanten Bezugsortes (⇒2.3.5) oder =asta, das dem PW prā ‚voran‘ die Lesart ‚aus‘ verleiht (⇒2.3.5). 157 Aufgrund der Distanzstellung als Antefixe, vgl. S. 86, Fn. 129. 158 Aufgrund des festen Platzes in der Partikelkette ist morphologische Verschmelzung mit dem Verb ausgeschlossen, ohne eine solche oder ein anderes klares Kriterium ist aber auch das der Reihenbildung wertlos: Zwar erscheint =kkan (sekundär) bei einigen Verben als Zeichen von Perfektivität (⇒2.3.5), verhält sich aber kaum anders als ugs. dt. mal in gleicher Funktion (Ich hab das mal aufgeschrieben), das man wohl kaum als Präverb bezeichnen würde. Das zeigt besonders das Fehlen (von =kkan wie von mal) bei infiniten Verbformen.
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=kkan huwai-/hui-i + Akk. als zweiwertiges, also offensichtlich deriviertes ‚(Orte) ablaufen‘ (vgl. unten 2.3.5, auch für Bsp.) verstehen. 159 Der unten wiederholte Beleg →2.1.4.4-3 und das in Kap. 2.1.4.3 zitierte KBo 3.34 II 23 (aH/jS) 160 weisen aber wohl einen Akkusativ des Weges ohne =kkan auf, so dass die Partikel möglicherweise zumindest ursprünglich nur der Verdeutlichung einer autonomen Kasusfunktion diente und erst später (vielleicht) obligatorisch wurde. Es handelt sich in jedem Fall um ein marginales Phänomen. 2.2.2.3-1: KBo 17.1+ I 3' (aS) [3-i]s LUGAL-un MUNUS.LUGAL-an=na huyanzi dreimal König:AKK.SG Königin:AKK.SG=KONN
laufen:PRS.3PL.AKT
„Dreimal läuft man um(?)/zu(?) König und Königin/an König und Königin vorbei(?).“
2.3 Ortsbezugspartikeln Die Ortsbezugspartikeln (auch „Ortspartikeln“, „local particles“ oder „sentence particles“ genannt) =an, =apa, =asta, =ssan und =kkan besetzen den letzten Slot der satzeinleitenden Partikelkette und sind wie diese eine Besonderheit der anatolischen Sprachen, die zwar intensiv erforscht wurde, aber in manchen Details und auch prinzipiellen Fragen – ob z. B. eine lokale oder eine aktionale161 Grundbedeutung vorliegt – umstritten ist.162 Aufgrund des Fehlens vergleichbarer Ausdrucksmittel in den geläufigen modernen Sprachen und der teilweise wohl recht abstrakten und unpräzisen Bedeutung (vgl. besonders =kkan) ist es kaum möglich, alle möglichen Verwendungsweisen der Ortsbezugspartikeln sicher zu erklären. Ziel ist es, die wichtigsten Tendenzen für ihren Gebrauch zu beschreiben. 159 Ein theoretisches Problem ergibt sich dadurch, dass =kkan als Funktor, der eine bestimmte Lesart eines Kasus vorgibt, zugleich als Vorstufe einer Adposition gesehen werden kann, je nachdem, wie das „Endprodukt“ des Grammatikalisierungsprozesses (der im Heth. nicht fortgesetzt wurde) aussähe. Vgl. die Diskussion zu Haug (2009), der die Funktion der „Lokalpartikeln“ bei Homer auf diese Weise bestimmt, in der Einleitung zu Kap. 2.4. 160 Die zwei Textstellen könnten zwar philologisch angefochten werden, da es sich bei der einen um eine Abschrift handelt und bei der anderen der Satzanfang beschädigt ist, das Weglassen einer kompletten Satzeinleitung mit =kkan im ersten Fall und eine Lesung [nu=k]an! statt zum folgenden Satz paralleles [3-i]š im zweiten wären aber kaum zu begründen. 161 So Josephson (1972). Die von ihm angesetzten feinen aktionalen Unterschiede – =ssan: interterminal (aber gleichzeitig kann eine Grenze für die Handlung genannt sein!), =kkan/=an: terminativ mit Nachzustand, =asta/=apa: terminativ mit Betonung der Grenze (vgl. die Zusammenfassung ebd. 416 f.) – sind m. E. aus den Texten nicht zu ge winnen. Die Feststellungen, was gerade betont werde oder nicht, sind entsprechend zirkulär (vgl. besonders die Er klärungsversuche zu den satzinternen Partikeln; 399–404), zudem werden die diachronen Veränderungen, die besonders =kkan und =asta (jünger auch =ssan) betreffen, zu wenig berücksichtigt. Völlig beliebig wird sein Ansatz mit der Bemerkung „When the aspectual particle [=kkan; C.B.] is not used but the fulfillment of the action should nevertheless be stressed, the particle -(a)sta is found“ (385). 162 Für einen knappen Überblick s. GHL (364–366). Zu erwähnen ist hier noch die inakzeptable These von Lee (1966), der die OBP für bedeutungsentleerte, ja austauschbare ehemalige Demonstrativa (=asta < =as + „deikt.“ -ta, =ssan und =kkan seien Akkusative) hält. Auch Kestemont (1972) erkennt auf Basis des Gebrauchs in jungheth. Staatsverträgen nur die syntaktische Verwendung von =kkan (⇒2.3.5) an bzw. schreibt dem aussterbenden =ssan fälschlich eine solche zu.
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Die Verwendung der Ortsbezugspartikeln hat sich in der vergleichsweise kurzen in dieser Arbeit untersuchten Periode und darüber hinaus so stark verändert wie keine zweite sprachliche Domäne. Während man es im Althethitischen noch mit fünf semantisch relativ autonomen, eher spärlich gebrauchten topologischen Adverbien oder adverb-ähnlichen Partikeln163 zu tun hat, werden diese spätestens mit Beginn der mittelhethitischen Sprachperiode in Anzahl und Bedeutung weiter reduziert, so dass im späten Junghethitischen nur noch das semantisch fast völlig entleerte =kkan produktiv ist, andererseits wird ihre Verwendung dank der Koppelung an Lokalisationen mit Place Words um mehr als das zweifache ausgeweitet (vgl. die Statistik in der Einleitung). Durch eine Grammatikalisierungskette werden also die verschiedenen Ortsbezugspartikeln letztlich durch =kkan + PW ersetzt (vgl. Luraghi 2001). Die Verallgemeinerung von =kkan ist dabei keine zwangsläufige Entwicklung, sondern basiert auf voneinander unabhängigen, teilweise vielleicht zufälligen Einzelschritten (⇒2.3.5). Bei der Untersuchung der Partikeln sind einige distributive Besonderheiten zu beachten. Bisweilen kann bei parallelen Sätzen eine Partikel aus dem ersten Satz in den folgenden wei ter gelten. Neben dem folgenden Beispiel, das die Konstruktion Dat.-Lok. + anda + lalukke/iss-zi zunächst korrekt mit =kkan einführt, um sie dann ohne die Partikel zu wiederholen, vgl. noch KuT 49 17–19 (mH/mS): 2.3-1: KUB 15.34 II 26–28 (mH/mS) uddani=kan ANA SÍG SA5 mahhan an[da lā]lukkissan Wort:D/L.SG=OBP DAT Wolle rot
DINGIR.MEŠ LÚ.MEŠ
GIŠ
Gottheiten
Zeder
Männer
wie
ANA
drinnen glänzen:PTZ.NOM.SG.N DAT
EREN tueggas[=sa
a]nda QATAMMA
Körper:D/L.PL=KONN drinnen ebenso
la⌈lu⌉kkesdu glänzen:IMP.3SG.AKT
„Wie es in der Sache für die rote Wolle glänzend geworden ist, soll es für die Körper der männlichen Zederngötter ebenso glänzend werden.“ Aus unklaren Gründen fehlt die Partikel =kkan regelmäßig in der Protasis von Konditionalsätzen mit takku ‚wenn‘ (s. GHL: 373 für Bsp.). Andere Kombinationen (z. B. mit jünge rem mān ‚wenn‘) sind jedoch möglich, vgl. die folgenden Belege mit verschiedenen Kombinationen: 2.3-2a: Gesetze §44b (KBo 6.2 II 35; aS) takkuw=at=an parna=ma kuelka
pessiezzi
wenn=3SG.AKK.N=OBP Haus:DIR.SG=KONN INDF:GEN.SG werfen:PRS.3SG.AKT
„Wenn er es [Opferrückstände] aber in jemandes Haus hineinwirft, …“
163 =an, =ssan, =apa und =kkan kann man auf Adverbien/Relatoren (⇒2.4) in Wackernagel‘scher Wortstellung zurückführen (Luraghi 2001: 47 f., 51; ⇒4.1.3). Sie unterscheiden sich damit zumindest ursprünglich funktional nicht prinzipiell von den Place Words.
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2.3-2b: KUB 8.81+KBo 19.39 II 11' f. (mH/mS) URU mān=asta LÚpatteanz Hattusaz URUK[izzuwatni] paizzi wenn=OBP eilen:PTZ.NOM.SG.C (ON):ABL
(ON):D/L.SG
hingehen:PRS.3SG.AKT
„Wenn ein Flüchtling von Hatti hinüber [=asta] nach Kizzuwatna geht, …“ 2.3-2c: IBoT 1.36 I 50 (mH/mS) mān=k[an] LÚMEŠEDI=ma Éhilamnaz prā paizzi wenn=OBP
Leibwächter=KONN Torbau:ABL voran hingehen:PRS.3SG.AKT
„Wenn der Leibwächter aber aus dem Torbau hinausgeht, …“ 2.3-2d: KUB 8.81+KBo 19.39 III 4 f. (mH/mS) [nu]=sse=ssan mān BELŠU ser ŪL [sa]rnikzi KONN=3SG.D/L.C=OBP wenn Herr:POSS.3SG.M oben NEG entschädigen:PRS.3SG.AKT
„Wenn sein Herr seinetwegen keinen Ersatz leistet, …“ Möglicherweise duldet takku direkt neben sich keine Ortsbezugspartikel, wohl aber mit einem Zwischenelement (→2a) oder im gleichgeordneten Gliedsatz (→2.3.5-1f), während mān, das takku ab der mittelhethitischen Zeit ersetzt, keine solchen Beschränkungen kennt. Die Ortsbezugspartikeln sind syntaktisch eindeutig Adjunkte des Prädikats, ursprünglich als autonome Modifikatoren, später als Modifikatoren der Place Words bzw. von Postpositionalphrasen, die ihre Rolle übernehmen. Entsprechend fehlen die Partikeln hingegen regelmäßig bei infiniten Verbformen wie Partizipien, Verbalsubstantiven oder Infinitiven (vgl. →3a vs. →3b),164 Partizipien in Prädikatsfunktion zählen jedoch wie ein finites Verb (→3cd). 2.3-3a: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 3 (mH/mS) [man?=ta]=kkan kuenta PTK=2SG.AKK=OBP schlagen:PRT.3SG.AKT
„Er hätte dich getötet.“ 2.3-3b: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 60 (mH/mS) m nu EG[IR-pa?] tuk=pat Madduwattan kunanna KONN zurück
du:AKK=PTK (PN):AKK.SG
san[hiski]t
schlagen:INF suchen:IPFV:PRT.3SG.AKT
„Er unternahm einen neuen Versuch dich, Matuwata, zu töten.“ 2.3-3c: KUB 17.10 IV 28 (aH/mS) GIŠ KUŠ eyaz=kan UDU-as kursas
kankanz
Eibe?:ABL=OBP Schaf:GEN.SG Vlies:NOM.SG hängen:PTZ.NOM.SG.C
„An die Eibe? ist das Vlies eines Schafes/eine Jagdtasche aus Schaffell gehängt.“ 2.3-3d: KBo 17.105+KBo 34.47 III 17 (mH/mS) ANA dLAMMA KUŠkursas=si=ssan kuis DAT (GN)
SÍG BABBAR anda
Vlies:GEN=3SG.D/L.C=OBP REL:NOM.SG.C Wolle weiß
drinnen
164 Vgl. CHD (Š: 155): „As a principle of correct syntactic analysis, the verbal component in a clause normally only influences the occurrence of a local particle when it is a finite form. Participles, infinitives, etc., that are not predicates but satellite to a finite verbal predicate generally play no role.“
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101
hmankanz anbinden:PTZ.NOM.SG.C
„Die weiße Wolle, die ihr, der Schutzgottheit des Vlieses, angebunden ist, …“ Für die Bestimmung der Funktion der Ortsbezugspartikeln ergeben sich methodische Proble me in der Gestalt, dass einerseits für den Zeitraum der größten semantischen Distinktion zwischen den einzelnen Partikeln die Beleglage am schlechtesten ist, andererseits in der gut belegten jüngeren Sprache fast alle Partikeln von =kkan verdrängt sind und kaum kontrastiv untersucht werden können. Die Wiedergabe der AUF-Relation (Superposition mit Kontakt) durch =ssan (⇒2.3.4), ser (⇒2.4.1.2) oder =ssan ser mit Dativ-Lokativ zeigt zudem, dass zumindest einige Partikeln optional und abhängig von der Nachdrücklichkeit der Aussage stehen können (vgl. z. B. aus dem Zimmer – aus dem Zimmer heraus, auf dem Dach – oben auf dem Dach). Gerade in der alten Sprache stehen die Ortsbezugspartikeln selbständig zur Bezeichnung eines räumlichen Konzepts und fehlen, wenn dieses bereits durch ein anderes Ausdrucksmittel expliziert wird. Vgl. →4a mit Ablativ ohne =asta und →4b mit =asta ohne Ablativ gegenüber jüngerem →4c, in dem die Partikel kataphorisch (als mittelheth. Neuerung) neben dem Ablativ steht: 2.3-4a: KBo 25.84 4' (aS) MUNUS.LUGAL-⌈as⌉ ZA.⌈LAM⌉.GAR-az wezzi Königin:NOM.SG
Zelt:ABL
kommen:PRS.3SG.AKT
„Die Königin kommt aus dem Zelt.“ 2.3-4b: KBo 17.43 I 15' (aS) UZU ÚR=asta dāi Glied=OBP
nehmen:PRS.3SG.AKT
„(Er nähert sich dem Suppentopf? und) er nimmt ein Glied heraus.“ 2.3-4c: KBo 23.74 II 8' (mH/mS) mān=asta ZA.LAM.GAR-az wezzi wenn=OBP Zelt:ABL
kommen:PRS.3SG.AKT
„Wenn er aus dem Zelt kommt, … “ Gut sichtbar wird die lokale Funktion der Ortsbezugspartikel in der älteren Sprache z. B. bei dem Verb s(a)lik-a/zi, das ausdrückt, dass sich das Lokatum auf das Relatum zubewegt (vgl. den ein Eintrag im CHD Š: 100–104; anders Nowicki 2002: 69: ‚hinlangen‘). Ohne Partikel heißt es somit meist ‚sich nähern‘ (→5a, vgl. mit Personen →2.1.3.3-c), die Partikel =ssan ‚[+Kontakt]‘ hingegen kann in der Bedeutung ‚auf/an etwas gelangen‘ (→5b) hinzutreten, entsprechend hat es mit =an ‚[+Inklusion]‘ die Bedeutung ‚eindringen‘ (→5c, kein Bsp. in mS): 2.3-5a: KBo 17.43 I 15' (aS) DUG ta TU7-sa s(a)liga KONN Suppentopf?:DIR.SG sich nähern:PRS.3PL.MP
102
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Er nähert sich dem Suppentopf?.“ 2.3-5b: KUB 5.7 Vs. 34 (mH?/jS) UR.GI7=san kuit GIŠBANŠUR-i s(a)likta Hund=OBP
weil Tisch:D/L.SG
sich nähern:PRT.3SG.AKT/MP
„Weil ein Hund auf/an den Tisch gelangt ist, …“165 2.3-5c: KUB 31.4+ Vs. 9 (aH/jS) ta=an karda=sma
s(a)l[ikti]
KONN=OBP Herz:DIR.SG=POSS.3PL.DIR.SG.C sich nähern:PRS.2SG.AKT
„Du [angesprochen ist ein Pfeil] wirst in ihr Herz eindringen!“ Mit dem Aussterben der Ortsbezugspartikel =an wird die spezifizierende Funktion vom Place Word anda ‚drinnen, hinein‘ übernommen, vgl.: 2.3-6: KBo 15.33+KBo 15.35 II 19' f. (mH/mS) LÚ.MEŠ NINDA.DÙ.DÙ=ma kuedani witeni Bäcker=KONN
issanauwanta
QATEMEŠ-ŠUNU
REL:D/L.SG.N Wasser:D/L.SG Hände:POSS.3PL.M
anda s(a)likian⌈ta⌉
teigverschmiert:NOM.PL.N drinnen sich nähern:PRT.3PL.MP
„Das Wasser, in das die Bäcker mit ihren teigverschmierten Hände hineingetaucht sind, …“166 Wie die in den folgenden Unterkapiteln dargelegten Funktionsbestimmungen der einzelnen Partikeln zeigen, sind diese schon zu Beginn der Überlieferung nicht als eine einheitliche oder symmetrisch aufgebaute Klasse anzusehen, sondern eher über ihre gemeinsame Position zu definieren. Nach dem Verschwinden von =an und =apa und dem Übergang von =asta zu einer Konjunktion bzw. Variante von =kkan, drücken die Partikeln nur noch zwei getrennte Grundfunktionen aus: =ssan bezeichnet weiterhin konkret Oberflächenkontakt (v. a. in der AUF-Relation), =kkan (=asta) hingegen abstrakt einen für die Handlung Kontext relevanten Bezugspunkt (anaphorisch), oder es verweist auf solchen (Lokalkasus) im Satz (kataphorisch).167 Dabei sind die Partikeln auf topologische Relationen beschränkt; Place Words für nicht-topologische (perspektivierte) Relationen und zudem topologische, die keinen direkten Kontakt ausdrücken (andurz, manninkuwan), stehen gewöhnlich ohne Ortsbezugspartikel. Die Partikeln fehlen zumeist auch, wenn das Place Word fehlt. 165 Ein weiteres Bsp. (mit einem Altar) ist KBo 23.106 Rs. 15 f. (mH/jS). Belege in älteren Originalen fehlen zufällig. 166 S. CHD (Š: 102) zu den Schwierigkeiten der Übersetzung, da QATEMEŠ-ŠUNU weder Subjekt noch Objekt sein kann (die passivische Übersetzung im CHD ist verfehlt). Ich betrachte LÚ.MEŠNINDA.DÙ.DÙ … QATEMEŠ-ŠUNU als partitiv. Apposition. 167 Der gegen Boley (1989: 94 f.) schon in der älteren Sprache festzustellende phorische Wert der Partikeln (vgl. ta DUG TU7-sa s(a)liga UZUÚR=asta dāi „Er nähert sich dem Suppentopf? und nimmt ein Glied heraus“; KBo 17.43 I 15'; aS) wird später noch weiter ausgebaut, besonders durch die innovativen kataphorische Funktion. Diese für die Textkohärenz wichtige Eigenschaft haben schon Goetze (1963: 100) und Carruba (1969: 10 f., 18) konstatiert.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
103
Selten treten =kkan und =ssan in lokaler Funktion im Satzinneren statt in der satzeinleitenden Partikelkette auf (Belege bei Josephson 1972: 399–404 und v. a. Neu 1993). Die Parti kel =asta hingegen kommt dort wohl nie vor, 168 während =an und =apa zur Abfassungszeit der Belege schon außer Gebrauch sind, es handelt sich nämlich um ein beinahe rein mittelhe thitisches Phänomen. Im Junghethitischen sind nur noch ganz wenige Belege zu finden (z. B. LUGAL-us anda=kan paizzi; IBoT III 1 Vs. 22 f.), vgl. Boley (2000: 48–50, 81 f.). 169 Die internen Partikeln treten an das Bezugswort eines Place Words, wie =kkan im folgenden Beispiel, das sich ab der mittelhethitischen Zeit fest mit anda ‚drinnen, hinein‘ verbindet (s. u. ⇒2.3.5 und 2.4.1.1): 2.3-7: KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 51 f. (mH/mS) n(u)=asta GIŠMÁ istappesnas PA5-as KONN=OBP Schiff
is⌈tappesnaz⌉
prā ÍD=kan anda
Wasserbecken:GEN Kanal:NOM.SG Wasserbecken:ABL voran Fluss=OBP drinnen
pēd[a]⌈i⌉ hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Das Schiff bringt der Kanal des Wasserbeckens aus dem Wasserbecken hinaus in den Fluss.“ Ausgehend von solchen Beispielen könnte der satzinterne Gebrauch der Ortsbezugspartikeln als innovative Lösung für den Konflikt der zur reinen Satzverknüpfung entwickelten Partikel =asta und den noch konkrete Bedeutung tragenden Partikeln =kkan (für Inklusionen) und =ssan (für Oberflächenrelationen) gedeutet werden, d. h. letztere müssen wegen des von =asta besetzten Slots in der satzeinleitenden Partikelkette an eine andere Stelle im Satz ausweichen. Gegen Carruba (1969: 23) u. a., die einen Archaismus vermuten,170 handelt es sich zwar sicher um eine mittelhethitische Neuerung, da alt- und frühmittelhethitische Belege fehlen, doch die Begründung der „Verdrängungstheorie“ steht im Widerspruch zum sprachlichen Befund, denn die Mehrheit der Belege weist am Satzanfang gar keine Partikel auf, so dass =kkan oder =ssan problemlos in die übliche Position hätten treten können.171 Vgl.: 2.3-8a: KBo 15.33+KBo 15.35 II 21' (mH/mS) n(u)=at IŠTU DUGGÌR.⌈KIŠ⌉ IT⌈TI⌉ KONN=3SG.AKK.N ABL/INS Mischkrug
?
bei
GIŠ
BÚGIN É.ŠÀ-ni=kan
Kasten
Innengemach:D/L.SG=OBP
anda tianzi drinnen setzen:PRS.3PL.AKT 168 Für zwei sehr fragliche Bsp. s. Boley (2000: 48 f.), ein möglicher Beleg ist ta UZUSA sumanzana(s)=sta anda t(a)rupiyami „Ich flechte die Sehne in die Schilfrohre ein“ (KBo 11.11 I 2; mH?/jS), s. Neu (1993: 144 f.). 169 Das aus einem altheth. Text stammende LÚ«.MEŠ»ALAM.ZU9 pū⌈ri⌉=ssan kar⌈p⌉zi „Ein Rezitierer ?, er hebt (es) an seine Lippe“ (KBo 38.12+ II 24; aH/aS?) wird von Hoffner/Melchert (GHL: 408 f.) als „Left-dislocation“ erklärt. 170 Die zum Vergleich angeführten ital. Formen wie lat. me=cum „mit mir“, umbr. asa=ku „am Altar“ sind selbst nicht archaisch, sondern innovativ, und sogar unabhängig voneinander entstanden, s. Fortson (2010). 171 Außerdem stellt sich die Frage, ob man sonst nicht einfach zwei Partikeln aneinanderreihen könnte, vgl. das spätjungheth. n(u)=asta=kkan (KUB 26.12+21.42 IV 7). Das doppelte =asta (na-aš-ta-aš-ta) in KBo 21.90 Rs. 46' (aH/mS) hingegen ist sicher ein Versehen.
104
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Man stellt es mit einem Mischkrug? beim Kasten in das Innengemach hinein.“ 2.3-8b: KBo 24.66+ I 36 f. (mH/mS) nu hūprushi ha[ss]ī
kattan [AN]A DINGIRLIM=kan menahhanda
KONN Räucherbecken:D/L.SG Herd:D/L.SG unten
1-ŠU
DAT
Gottheit=OBP
gegenüber
sipanti
1:POSS.3.SG.M libieren:PRS.3SG.AKT
„Er libiert der Gottheit gegenüber einmal hinab in das Räucherbecken auf dem Herd.“ Die Ortsbezugspartikel in →8b ist durch menahhanda bedingt (⇒2.5.4), ihre Verschiebung zu dessen Bezugswort ist höchstwahrscheinlich von den beiden anderen Dat.-Lok. hūprushi und hassī verursacht, auf die ein übliches nu=kkan fälschlich hätte bezogen werden können. Eine solche Disambiguierung bei mehreren Lokalangaben haben bereits Neu (1993: 151) und Luraghi (2001: 52) sicher zu Recht als Ursache für Ortsbezugspartikeln außerhalb der Wackernagel‘ schen Wortstellung angenommen. Ähnlich verhält es sich im folgenden Bsp. →9a mit =ssan (ebenso l. c. IV 43 f., KUB 20.88 IV? 14 f.), wo =kkan sonst eine Lesung von dāi als Form von dā-/t-i ‚nehmen‘ statt dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ und somit eine Fehlinterpretation „Jene vier Vögel aber nimmt er vor den vier Beinen des Stuhls von(?) den n.-Gebäckstücken herunter“ implizieren würde: 2.3-9a: KBo 24.66+ III 57 f. (mH/mS) apūs=(m)a 4 MUŠEN.ḪI.A DEM:AKK.PL.C=KONN 4 Vögel
ANA
NINDA
GIŠ
keshiyas ANA 4
Stuhl:GEN
GIŠ
GÌR.MEŠ peran katta
DAT 4 Füße
vorne
herab
nahhidas=san dāi
DAT (Gebäck):D/L.PL=OBP setzen:PRS.3SG.AKT
„Jene vier Vögel aber legt er vor den vier Beinen des Stuhls auf n.-Gebäckstücken ab.“ 2.3-9b: KBo 17.75 I 47 f. (mH/mS) n(u)=an=san ANA GIŠBANŠUR GAL KONN=3SG.AKK.C=OBP DAT Tisch
groß
NINDA
wagesni=⌈ssan⌉ ser
Brotbissen?:D/L.SG=OBP oben
dāi setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt es auf den großen Tisch auf einen Brotbissen?.“ Im vorstehenden Bsp. →9b wird die doppelte „auf“-Relation durch das zweimalige =ssan redundant expliziert, obwohl der Kontext hinreichend Klarheit geben dürfte, im vergleichbaren altheth. KBo 17.1+ II 25' f. genügt jedenfalls einfaches =ssan. Einige vermeintliche Beispiele für interne Ortsbezugspartikeln sind tatsächlich anders zu erklären. So handelt es sich bei →10a der folgenden Beispiele um eine Ellipse des Verbs des ersten Satzes, der mit tamai endet, bei →10bc um parataktische Aufzählungen: 2.3-10a: KBo 24.66+ II 12–14 (mH/mS) nu=ssan ANA DUGGAL.ḪI.A wātar KONN=OBP DAT Becher
GEŠTIN=ya tamai
Wasser:AKK.SG Wein=KONN
ANA
ander:AKK.SG.N DAT
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
105
DUG
āhrūshiya=ssan
Ì.GIŠ
tamai
lāhui
Räucherschale:D/L.SG=OBP Sesamöl ander:AKK.SG.N gießen:PRS.3SG.AKT
„Er gießt weiteres Wasser und Wein in Becher (und) weiteres Sesamöl in eine Räucher schale.“ 2.3-10b: KBo 5.7 Rs. 21 (mH/mS) 15,5 IKU A.ŠÀ INA KASKAL URUHat⌈ti⌉=kan ⌈ZAG⌉-az 15,5 (Maß) Feld
LOK Weg
(ON)=OBP
rechts:GEN
„15,5 Iku [ca. 232,5 m] Feld, auf dem Weg nach Hattusa auf der rechten Seite.“ 2.3-10c: KBo 5.7 Rs. 22 (mH/mS) 28 IKU UŠALLUM RET GU4.ḪI.A [IŠTU] ⌈É⌉ 28 (Maß) Aue
Weide Rinder
LÚ
urianni=kan ZAG-az
ABL/INS Haus (Titel)=OBP
rechts:ABL
sarran abtrennen:PTZ.NOM.SG.N
„28 Iku [ca. 420 m] Aue und Weide für Rinder, vom Anwesen des u.-Funktionärs rechts abgetrennt.“ Für Sätze, die eine Ortsbezugspartikel am Anfang und eine weitere im Satz enthalten, kann man der Auffassung von Neu (1993: 138) und Tjerkstra (1999: 156) zustimmen, dass das Auftreten auf Verschränkung zweier OBP-bedürftiger Konstruktionen beruht, was besonders am ersten oben genannten Beispiel zu sehen ist, wo =asta durchaus nicht abstrakte, sondern konkrete Bedeutung (ablativisch mit prā) hat und =kkan entsprechend von anda + DativLokativ bedingt ist. Das erklärt das Fehlen entsprechender Beispiele in der älteren Sprache, in der die Partikel noch weitaus seltener auftreten und kaum obligatorisch sind, aber nicht das weitgehende Verschwinden der Konstruktion im Junghethitischen. Für Letzteres gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten, die sich nicht gegenseitig ausschließen müssen: Zum Einen könnte bei der Kombination zweier Konstruktionen mit Ortsbezugsartikel auf eine der beiden verzichtet worden sein, um die ungewöhnliche Stellung der zweiten Partikel zu vermeiden, 172 zum Anderen war in der jungen Sprache nur noch das unspezifische =kkan produktiv (⇒2.3.5), dessen Doppelung eher vermieden wurde, denn ebenso wie zweifaches =ssan (s. oben) gibt es hierfür nur sehr weniger Beispiele (s. Neu 1993: 141–143). In der Gesamtschau lassen sich satzinterne Ortsbezugsartikeln entweder durch die Kombination zweier Konstruktionen oder aus Gründen der Deutlichkeit erklären. Unverständlich bleibt nur der Beleg →8a, bei dem keine dieser Ursachen vorliegt. Vielleicht wollte der Schreiber eine besonders weite Sperrung zwischen Partikel und der Kasusform im Dativ-Lokativ vermeiden. Es gibt im Übrigen keine Hinweise, dass die Position von Ortsbezugspartikeln in der gesprochenen Sprache freier als in den üblichen Texten gewesen wäre. In den der Umgangs172 Es würde sich damit um einen im Ansatz stecken gebliebenen und wieder rückgängig gemachten Sprachwandel handeln (allerdings nicht um ein Bsp. für Degrammatikalisierung!). Dafür spricht auch, dass die mittelheth. Belege aus insgesamt sehr wenigen verschiedenen Texten stammen (die meisten aus KBo 24.66+).
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sprache nahe stehenden Briefen findet sich gar kein sicherer interner Gebrauch, in Frage kämen nur zwei Stellen aus einem brieflichen Vogelorakelprotokoll aus Maşat: 2.3-11: HKM 47 50 f. (mH/mS) n(u)=asta hūtās=ma=kan
per[a]n SIG5-az zilawan SIG5-az mān=ma
KONN=OBP Eile:NOM.SG=KONN=OBP vorne
ārsintaran=kan
gut:ABL längs
GUT:ABL wenn=KONN
tar.u.an aumen
(Vogel):AKK.SG=OBP t.-Bereich sehen:PRT.1PL.AKT
„Und dann (war) aber Eile, im vorderen Bereich aus dem günstigen (Bereich), längs aus dem günstigen (Bereich), als wir aber den a.-Vogel im t.-Quadranten gesehen hatten.“ Beim ersten =kkan dürfte es sich aber um einen Anakoluth handeln, wobei das nu des zweiten Satzes unterdrückt und die Partikelkette an das letzte Wort des vorherigen Satzes angefügt wurde, man hat es also eigentlich nicht mit internem Gebrauch zu tun. Das zweite = kkan lässt sich weder grammatisch noch kontextuell – höchstens als ganz allgemeines „dort“ – begründen und ist vielleicht ein Versehen in dem verdichteten und hochgradig elliptischen Text (zum Verständnis dieser Textsorte s. Kap. 2.7) Weitere Bemerkungen allgemeiner Natur finden sich am Ende von Kap. 2.3.5, in dem die Entwicklung der Ortsbezugsartikeln in der hethischen Sprachgeschichte noch einmal zusammengefasst wird, während in den folgenden Unterkapiteln 2.3.1 – 2.3.4 die einzelnen Partikeln nach Möglichkeit isoliert betrachtet werden.
2.3.1 =an Diese Ortsbezugspartikel ist sowohl funktional wie auch etymologisch ohne Probleme zu bestimmen. =an ist die lautgesetzliche Fortsetzung von uridg. *en ‚(dr)innen, einwärts‘ und drückt Inklusion aus. Für Belege s. Josephson (1972: 339–334) sowie HW 2 (A: 69 f.) und GHL (377 f., mit weiterer Lit.), eine Einzelbesprechung ist Oshiro (1990 [1992]). = an ist nur in Texten aus der althethitischen Zeit belegt, alle von Josephson genannten möglichen mittelhethitischen Belege mit der Zeichenkette -za-an enthalten die Partikel =ssan (s. u.). In Originaltexten oder mittelhethitischen Abschriften finden sich insgesamt nur ein gutes Dutzend Belege.173 Selten steht die Partikel allein: 2.3.1-1: Gesetze §44b (KBo 6.2 II 35; aS) takkuw=at=an parna=ma kuelka
pessiezzi
wenn=3SG.AKK.N=OBP Haus:DIR.SG=KONN INDF:GEN.SG werfen:PRS.3SG.AKT
„Wenn er es [Opferrückstände] aber in jemandes Haus hineinwirft, …“ 173 Unsicher ist u. a. ta=an GIŠZA.LAM.GAR-as pēhudanzi „Man bringt ihn(?) ins Zelt hin“ (KBo 25.31 II 16'; aS), das auch das Enklitische Personale =an ‚ihn‘ enthalten könnte. Sollten die Etyma der Partikel und des Pronomens (*en bzw. *(h1)om) im Heth. auch lautlich zusammengefallen sein (als [ən] oder [an]), wäre Homonymenflucht éin Grund für das Verschwinden der OBP.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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Vgl. noch KBo 17.1+ I 20', unsicher ist KBo 25.31 II 16', wo auch enkl. = an ‚ihn‘ möglich ist. In den meisten Fällen steht =an aber zusammen mit anda (⇒2.4.1.1),174 z. B.: 2.3.1-2: KBo 17.1+ I 32' (aS) ÉRIN.MEŠ-n=an kuis
anda pētai
Truppe:AKK.SG=OBP175 REL:NOM.SG.C rein
hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Wer die „Truppe“ [eine Figur] hineinbringt, …“ In den originalen und kopierten Stellen hat =an meistens dynamische Bedeutung (illativ, so auch Oshiro 1990 [1992]), nur zweimal findet sich statisches „drinnen“. Vgl.: 2.3.1-3a: KBo 17.1+ I 22' f. (aS) d harkanzi=ma=⌈an⌉176 Hantasepes anduhsas
harsā[r=r]a
halten:PRS.3PL.AKT=KONN=OBP (GN):NOM.PL Mensch:GEN.SG Kopf:AKK.PL=KONN GIŠ
ŠUKUR.‹ḪI›.A=ya
Speere=KONN
„Die H.-Genien aber halten innen (=in der Hand?) sowohl menschliche Köpfe als auch Speere.“ 2.3.1-3b: KUB 17.10 IV 7 (aH/mS) anda=(a)d=an harkzi rein=3SG.NOM.N=OBP umkommen:PRS.3SG.AKT
„Es geht drinnen [im Kessel] zu Grunde.“ =an ist nicht direkt mit statischem andan ‚drinnen‘ belegt, die Vorlage des davor stehenden, modernisierten Beispiels dürfte es aber enthalten haben. Wie die Beispiele zeigen, drückt =an gewöhnlich vollständige Inklusion aus. Wie anda kann es aber auch Teilinklusion und auch „location on a body“ (⇒3.1.1.3) ausdrücken: 2.3.1-4a: KBo 17.1+ I 20' (aS) [n(u)=]e=(a)n kissri=smi
dāi
KONN=3PL.AKK.N=OBP Hand:D/L.SG=POSS.3PL.D/L.SG setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt sie ihnen in die Hand.“ 2.3.1-4b: Gesetz §78 (KBo 6.2 IV 10 f.; aS) KUŠ nu=sse=an177 husan nasma KONN=3SG.D/L.C=OBP (Objekt):AKK.SG oder
KUŠ
tarusha
anda dāi
(Objekt):AKK.PL rein
setzen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn) er ihm [dem Rind] h. oder t. anlegt, …“ 174 Möglicherweise um eine Verwechslung mit =an ‚ihn‘ zu vermeiden (s. die vorherige Fußnote), vielleicht aber auch aufgrund semantischer Verblassung. Da =an keine andere Bedeutung als anda zu haben scheint, war der Schwund aus sprachöknomischer Sicht unvermeidlich. 175 Oshiros (1990 [1992]: 4) alternativer Ansatz eines pleonastischen Akkusativs statt der OBP ist unbegründet. 176 Wie Oshiro (1990 [1992]: 5) feststellt, ist das Auftreten der Partikel hier nicht sicher (möglicherweise radiertes -an) und auch eine dynamische Lesart „sie halten … einwärts (gerichtet)“ nicht auszuschließen, doch genügt auch der folgende Beleg für den Ansatz einer statischen Funktion von =an, die ja auch etymologisch zu erwarten ist (s. Kap. 4.1.3.1).
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Da die beiden ledernen (KUŠ) Geschirrteile ? nicht näher zu bestimmen sind, muss auch ihre räumliche Anordnung unsicher bleiben. Allerdings ist bei Rindern nicht mit Trensen und so mit tatsächlicher Inklusion (im Maul) zu rechnen, auch wenn es sich wohl kaum rekonstruieren lässt, welche Art Anspannung außer dem Joch (heth. yūg-, yuga-) in Anatolien im 2. Jtsd. v. u. Z. verwendet wurde.178 Das Beispiel legt nahe, dass für eine „location on a body“ (was später mit =ssan anda ausgedrückt wird) nicht ursprünglich =apa anda (so Boley 2000: 236), sondern =an anda verwendet wird, vgl. auch das folgende Unterkapitel.
2.3.2 =apa Etwas länger als =an hat sich =apa bis in die frühe mittelhethitische Zeit gehalten, 179 in Originalen oder frühen Kopien ist es insgesamt nur wenig häufiger als =an bezeugt. Für eine Auflistung der Belege (inkl. Kopien) s. Josephson (1972: 322–334), sowie HW 2 (A: 125–130) und GHL (378–382, mit weiterer Lit.). Für =apa gelten nach den Vokalen e, i und u dieselben morphonologischen Sandhi-Regeln wie für das besser bezeugte =asta (⇒2.3.3). Für diese Partikel lässt sich allerdings nicht bereits auf den ersten Blick eine Funktion ausmachen. Die bis vor kurzem vorgetragenen Vorschläge (Konvergenz, „up against“, „heran“, vgl. Carruba 1969: 10, Josephson 1995: 174 und 2010: 186–188) können jeweils nur einen Teil der Belege erklären. Wie Boley (1989: 69–71) feststellt, tritt =apa mit anderen Verben auf als die anderen Ortsbezugspartikeln, sowie häufiger mit anda. Es kommt fast ausschließlich in dynamischen Konfigurationen vor. Der funktional und etymologisch befriedigendste Ansatz bisher stammt von Rieken (2004), die =apa in ähnlicher Weise mit dem Place Word āppa ‚zurück, wieder; (altheth.) danach‘ korreliert wie =an mit anda, auch wenn das gemeinsame Auftreten jeweils verschieden stark ausgeprägt ist. 180 Die Ortsbezugspartikel bedeutet daher zunächst räumlich ‚zurück‘ (→1ab), was z. B. gut zu den Belegen mit we-/uwa-zi ‚kommen‘ passt, sowie übertragen-zeitlich ‚wieder‘ (→1c; Rieken 2004: 245–247), was gerade auch die Beispiele erklären kann, die dem häufigen Bedeutungsansatz ‚daran‘ widerspre chen (z. B. mit arai-/ari-i ‚sich erheben‘), vgl.: 177 Der Unterschied im Sandhi zwischen nu=sse=an und n(u)=e=(a)n im vorherigen Bsp. ist lautlich nicht zu erklären, vielleicht war es gerade bei einer im Schwund begriffenen Partikel wie =an möglich, die übliche Elision aus Deutlichkeitsgründen rückgängig zu machen bzw. zu unterdrücken. 178 Als großes Lederobjekt käme das Kumt in Frage, das aber erst etwa 1000 Jahre später erfunden worden ist. 179 Bei einigen Texten in mittelheth. Schrift ist nicht klar, ob es sich um Originale oder Abschriften älterer Texte handelt, da es außer =apa keine Hinweise auf altheth. Sprache gibt. Die Erwähnung von Mittani und Kizzuwatna im frühmittelheth. Gebet KUB 24.4+KUB 30.12 spricht zwar gegen eine altheth. Komposition, schließt aber das Vorhandensein älterer Elemente nicht aus. 180 Unabhängig von den hier genannten Ansätzen lässt sich beobachten, dass =apa auffällig häufig mit hūmant- ‚jeder, ganz, all‘ und in Kontexten, wo eine Gesamtheit der (genannten) Dinge betroffen ist (das ganze Land, etw. ganz aufessen/ersetzen/erledigen), auftritt. Wenn es somit überhaupt eine lokale Bedeutung hat, dann könnte es daneben auch schon früh eine aspektuelle Funktion (perfektiv/telisch) herausgebildet haben.
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2.3.2-1a: KBo 15.10+KBo 20.42 III 58' (mH/mS) n(u)=at=apa EGIR-pa lē wezzi KONN=3SG.NOM.N=OBP zurück
PROH kommen:PRS.3SG.AKT
„Es soll nicht wieder (hierher) kommen!“ 2.3.2-1b: KBo 24.54+ I 7 (aS) ⌈nu⌉=us=apa tanzi KONN=3PL.AKK.C=OBP nehmen:PRS.3PL.AKT
„Man nimmt sie zurück.“ 2.3.2-1c: KUB 32.117+ II 9 (aS) n(u)=apa hassueni KONN=OBP öffnen:PRS.1PL.AKT
„Wir öffnen (am nächsten Morgen) wieder.“ Vgl. noch KBo 17.74+ I 31 (aH/mS). Den ersten Beleg kann man gut mit dem sehr ähnlichen ta=at āppa srā lē ⌈wēz⌉zi „Und es soll nicht wieder heraufkommen!“ (KBo 17.1+ III 12 f.; aS) vergleichen, in dem die (redundante) Ortsbezugspartikel fehlt. Die Bedeutung ‚wieder‘ erscheint in vielen Kontexten, in denen von Rekompensation die Rede ist, vgl. Rieken (2004: 248 f.) und das folgende Beispiel in einer junghethitischen Abschrift der Gesetze : 2.3.2-2: Gesetze §110 (KUB 29.23 14; aH/jS) andan=apa apē[nissuwan pāi] dazu=OBP
ebensoviel
geben:PRS.3SG.AKT
„Dazu gibt er ebensoviel wieder.“181 Darüber hinaus rechnet Rieken mit einer bei dem zu Grunde liegenden āppa nicht vorhandenen abstrakteren Bedeutung „in Erwiderung“ → „seinerseits, im Gegenzug, entsprechend“ (ebd. 249–253, vgl. auch dt. wiederum), was in einigen Fällen gut aufgeht: 2.3.2-3a: KUB 43.53 I 4' (aH/jS) ayis=sit=apa
KA!xU-i
dā[k]ki
Mund:NOM.SG=POSS.3SG.NOM.SG.N=OBP Mund:D/L.SG gleichen:PRS.3SG.AKT
„Sein Mund entspricht dem (anderen) Mund.“ 2.3.2-3b: KUB 30.10 Vs. 20' (mH?/mS) huiswatar=m(u)182=apa anda hingani Leben=1SG.D/L=OBP
hminkan
drinnen Verderben:D/L.SG anbinden:PTZ.NOM.SG.N
hingan=(m)a=m(u)=apa
anda huiswanni=ya hminkan
Verderben=KONN=1SG.D/L=OBP drinnen Leben:D/L.SG
anbinden:PTZ.NOM.SG.N
„Das Leben einerseits ist mir mit dem Tod verbunden, der Tod andererseits ist mir auch mit dem Leben verbunden.“ 181 Im Duplikat KBo 6.11 I 19 (aH/jS) wechselt die OBP mit =sse „zu ihm“ (abstrakt): anda=‹s›se=ya apēnissūwan pāi „Und dazu er gibt ihm ebensoviel“, vgl. das identische altheth. Original §128. 182 Zur Analyse s. GHL (396).
110
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Vgl. l. c. Rs. 19 f. Bisweilen scheint die Übersetzung aber auch beliebig, bzw. nicht immer ist eine korrelative Struktur zwingend gegeben. Hier wird das einleitend erwähnte methodische Problem, nicht-obligatorische Elemente mit verblasster Bedeutung zu bestimmen, deutlich sichtbar. Wie bereits erwähnt, tritt =apa häufiger mit dem Place Word anda ‚hinein, hinzu‘ auf, auch bei Verben, die sonst nicht mit anda vorkommen. Boley (2000: 236) deutet die Belege als „location on a body“, ein Gebrauch, der später von =ssan anda übernommen wird (⇒3.1.1.3). Im vorherigen Abschnitt wurde jedoch ein unzweifelhaftes Beispiel mit der Partikel =an in dieser Konstruktion angeführt, was zusammen mit den semantischen Schwierigkeiten, die die meisten Belege von =apa mit anda bereiten, gegen Boleys Ansatz spricht. Rieken (2004: 253–255) geht in diesen Fällen stattdessen von einem Ausdruck „in entsprechender Weise zu … hinzu“ > „wie …“ aus, was zu besser verständlichen Übersetzungen führt, vgl.: 2.3.2-4a: KUB 36.110 Rs. 9' f. (aH/aS?) nu=z=apa utniyanz hūmanz
iskis=smet
anda
KONN=REFL=OBP Land:NOM.SG all:NOM.SG.C Rücken:AKK.SG=POSS.3PL.AKK.SG.N rein URU
Hattusa lagan
(ON)
hard[u]
neigen:PTZ.AKK.SG.N halten:IMP.3SG.AKT
„Wie Hattusa soll das ganze Land seinen Rücken geneigt halten.“ 183 2.3.2-4b: KUB 24.13 14'–16' (mH/jS) n(u)=an=z=(ss)an namma ser katta SAG.DU-az ēpzi KONN=3SG.AKK.C=REFL=OBP ferner
n(u)=an=si=(a)pa
oben unten Kopf:ABL
namma
KONN=3SG.AKK.C=3SG.D/L.C=OBP ferner
UZU
ÚR
Glied
UZU
ergreifen:PRS.3SG.AKT
ÚR anda appeskezzi
Glied
drinnen ergreifen:IPFV:PRS.3SG.AKT
„Dann ergreift sie ihn oben und unten an seinem Kopf. Und dann ergreift sie ihn [den Opfermandanten] wie ihn [den Kopf] Glied um Glied.“ Das letzte Beispiel, hier in der Übersetzung von Rieken (2004: 254 f.), ist besonders aussage kräftig, da hier auf eine einfache Handlung eine gleiche Handlung folgt. Insgesamt ist Riekens Ansatz im unglücklicherweise eng gesteckten Rahmen des Erreichbaren sehr plausibel und allen Alternativen vorzuziehen, =apa passt als ursprünglich lokales, dann aber auch übertragen (pragmatisch) gebrauchtes Element gut in das Bild der anderen Ortsbezugspartikeln. Da =apa als einzige Ortsbezugspartikeln keine topologische Bedeutung hat und sich nicht funktional mit den anderen Partikeln überschneidet, ist gut verständlich, dass es im Rahmen der Reduzierung dieser Klasse im Mittelhethitischen nicht wie die anderen von =kkan
183 Vgl. auch KUB 24.4+KUB 30.12 Rs. 11 (mH/mS?): n(u)=apa lē āssāues [idālauas anda] harkanzi „Die Guten sollen nicht wie die Schlechten umkommen.“
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
111
(⇒2.3.5) abgelöst wird, sondern völlig schwindet, wobei seine Funktionen zum Großteil von dem Place Word āppa (⇒2.4.1.4) übernommen werden.184
2.3.3 =asta Zu dieser Partikel s. v. a. Boley (1989: 51–63, 2000: passim) und GHL (382–384, mit weiterer Lit.). Der Eintrag im HW 2 (A: 426–491) kann als Materialsammlung gebraucht werden, die dort gebotenen Analysen sind aufgrund der überholten Chronologie allerdings nur von sehr eingeschränktem Nutzen. Bevor die Entwicklung der Partikel skizziert wird, sollte die Verteilung ihrer Allomorphe =asta und =sta geklärt werden. Eine einfache Regel kann nicht formuliert werden, da die Distribution weder morphonologischen (so GHL: 32) noch phonetischen Kriterien konsequent folgt. Es ist auch umstritten, ob ursprünglich =sta mit Anaptyxe in manchen Verbindungen (so z. B. Tischler, HEG II: 1119) oder = asta mit gelegentlicher Elision (so HW 2) vorliegt. Diese Arbeit hält als Zitierform am verbreiteten =asta fest, gerade auch um der Parallelität mit =apa (⇒2.3.2) willen, das bei einem wohl ererbten anlautenden a ähnliche Sandhi-Regeln aufweist, auch wenn bei =asta mehr dafür spricht, dass das Allomorph =sta das ursprünglichere ist (⇒4.1.3.3). • Das Allomorph =sta steht nach satzeinleitenden Partikeln mit Ausnahme der auf u endenden: Z. B. nach Vokal te-eš-ta < ta + =e + =asta in KBo 17.18 II 5 (aS) und nu-ušši-iš-ta < nu + =us + =ssi + =asta in KBo 32.14 II 44 (mH/mS), nach Konsonant tu-ušt[a] < ta + =us + =asta in KBo 17.1+ IV 25 (aS).185 • In mindestens einem Fall steht es nach der Endung -s eines Appellativums, nämlich LUGAL-uš-ta < hāssus + =asta in KBo 20.58+KUB 34.118 Vs. II? 9' (aH?/mS). • Bei den Pronomina der 3. Person werden im Nominativ und Akkusativ Singular die Auslautkonsonanten s, n und d vor =asta elidiert. D. h., na-aš-ta bzw. ta-aš-ta stehen trotz der üblichen Umschrift als n(u)=asta bzw. ta=asta auch für nu/ta + =as/=an/=at + =asta, vgl. das völlige Fehlen von *ta-/na-ša-aš-ta, *ta-/na-na-aš-ta und *ta-/na-d/ta-aš-
184 Laut Boley (2000: 355–357) hingegen wurde =apa lāk-/lak-i ‚beugen, krummschlagen‘ von =kkan übernommen. Aufgrund der vermutlichen Bedeutung von =apa ist aber fraglich, ob sich sich hierbei um eine Kollokation handelt oder nicht eher um wörtliches „zurückschlagen“ = „einschlagen“ (von Zähnen). 185 Nach z, unabhängig von dessen etymologischer Quelle, erscheint wohl durchgehend die Form =sta, was phonetisch offenbar [°tsta] ergibt. Dieses erscheint geschrieben teils als °z-ta, vgl. ne-ez-ta = n(u)=e=z=(s)ta (in unvollständigem Kontext (KBo 8.79 Rs. 14'; mH/mS, s. Kammenhuber 1979a: 188), nu-uz-ta = nu=z=(s)ta (KUB 30.10 Vs. 11'; mH?/mS), teils als °za-aš-ta (vgl. zu dieser Schreibung S. 20, Fn. 49), vgl. ut-ni-ya-an-za-aš-ta = utniyanz=sta (KUB 1.16 II 62; aH/jS; gegen HW 2 A: 439 nicht utniyanz + =tta ‚dich‘), nu-uš-za-aš-ta [nuststa] = nu=us=z=sta (KUB 53.15 II 21'; mH/jS). Beispiele mit der Partikel =z schließen dabei die Anwesenheit der enklitischen Personalia =as/=an/=at aus, wie sie bei einigen Belegen mit dem Abl. vorliegen dürften, z. B. ne-pí-iš-za-aš-ta [nebistsasta] = nepisz=a(s)=sta (KBo 3.22 2; aS).
112
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
ta (vgl. Carruba 1964: 428).186 Ein besonders klares Beispiel ist der kopierte Beleg n(u)=at=kan namma srā lē wezzi „Es soll nicht wieder heraufkommen!“ (KUB 33.8 III 13 f.; aH/jS), der für älteres n(u)=a(t)=sta namma srā ŪL wezzi (KUB 17.10 IV 16 f.; aH/mS) steht. • Nach auf u endenden Partikeln und allen auf Konsonanten (außer s?) endenden anderen Wörtern steht =asta, wobei das u elidiert wird. Z. B. ka-lu-lu-pí-iz-mi-da-aš-ta < kalulupit + =smid + =asta in KBo 17.3+ I 14' (aS), nu-ma-aš-ta < nu + =mu + =asta in KUB 36.75 III 12 (mH/mS). Vgl. dagegen URUḪa-ra-aḫ-šu-as < Harahsu + =as (KBo 22.2 Rs. 7'; aH/aS?). Die so erzeugte Undeutlichkeit der Pronomina vor =asta ist vielleicht Grund dafür, dass mit ihnen ab etwa Arnuwanda I. nur noch die Partikel =kkan verwendet wird (s. Boley 2000: 52). =asta ist ab dieser Zeit fast nur noch mit dem Konnektor nu als na-aš-ta belegt.187 Für =asta im Althethitischen wird meist eine separativische Grundfunktion angenommen, was bei Belegen wie dem folgenden, in dem nur die Partikel die Bewegungsrichtung anzeigt, einleuchtet: 2.3.3-1: KBo 25.12+ IV 9 (aS) t(a)=e=sta pānzi KONN=3PL.NOM.C=OBP hingehen:PRS.3PL.AKT
„Sie gehen hinaus.“ =asta kommt dabei in der älteren Sprache fast ausschließlich in elativischer Funktion vor, es sind aber auch ablativische Konfigurationen belegt:188 2.3.3-2: KBo 17.1+ IV 25 (aS) t(a)=u(s)=st[a s]rā tumēni KONN=3PL.AKK.C=OBP hoch nehmen:PRS.1PL.AKT
„Und wir nehmen sie (von dort) auf.“ Vgl. noch l. c. I 19'. Bisweilen ist unklar, ob eine ablativische oder eine elativische Lesart der Ortsbezugspartikel vorliegt: 2.3.3-3: KUB 43.30 II 20' (aS) ⌈m⌉ān=a!sta GAL-ri pēdai wenn=OBP
Becher:AKK.SG hinschaffen:PRS.3SG.AKT
186 Ausnahme ist allein ša-na-aš-ta < su + =an + =asta in KUB 36.104 Vs. 6 (aS); wie šu-⌈uš-ta⌉ < su + =us + =asta (KBo 3.38 Vs. 16; aH/jS) zeigt, hat dies nichts mit der Konjunktion su an sich zu tun. 187 Eine seltene Ausnahme ist mān=asta in IBoT 1.36 IV 23 sowie in KUB 8.81+KBo 19.39 II 11' (beide mH/mS). Den Wechsel von nu + Enklitikon + =kkan vs. nu + =asta hat bereits Oettinger (1976: 67–70) festgestellt, ihn allerdings als rhythmisch bedingt erklärt. 188 Eine Beschränkung auf die elativ. Bedeutung (so fragend Josephson 1995: 170, gegenüber ablativ. =kkan) ist aufgrund solcher klaren Bsp. nicht möglich. Boley (2009: 111) wiederum setzt eine ganz andere Grundbedeutung, nämlich deiktisches ‚her‘ an. =asta ist jedoch auch altheth. schon mehrfach mit Verben mit dem Präverb pe- ‚hin‘ bezeugt (z. B. KBo 17.18 II 5 und hier Bsp. 1 und 3).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
113
„Wenn er einen Becher hinaus-/hinfortbringt, …“ Auffällig ist aber die Verbindung von =asta mit dem Mediopassiv von handae-zi ‚ordnen, fügen‘, die etwa ‚sich anschließen‘ bedeutet und keine Quellangabe enthält: 2.3.3-4: KBo 25.33+KBo 20.14 I 9 (aS) [m]ān=asta GAL-ŠUN[U LUGAL-i wenn=OBP
ha]ndāetta
groß:POSS.3PL.M König:D/L.SG ordnen:PRS.3SG.MP
„Wenn ihr Anführer mit dem König eingereiht wird, …“ Weitere Belege hierfür sind KBo 38.12+ III 25' (aH/aS?), KBo 25.31 II 11' (aS), IBoT 1.36 III 20 (mH/mS; im Text sonst mit =kkan). Man kann jedoch nicht von einer isolierten Wendung sprechen, da ein solcher terminativischer Gebrauch auch mit translativen Verben wie zai-/zi-i ‚überqueren‘ oder sarr-tta(ri) ‚(Eide u. ä.) überschreiten‘ bezeugt ist (→5a). 189 Hoffner/Melchert (GHL: 383 f.) nehmen daher sicher zu Recht in Anschluss an Josephson (1995), der das russ. Präfix за- sowie die luwische Ortsbezugspartikel =tta vergleicht, eine komplexere Grundbedeutung „Wechsel von einer räumlichen Domäne in eine andere durch Überschreiten einer Grenze“ an. So lässt sich in der Tat auch verstehen, warum das Place Word prā ‚vorwärts‘ (⇒2.4.1.5) zusammen mit =asta (später =kkan) die Lesart „hin-/heraus“ erhält.190 Die Deutung von →5b ist hingegen nicht klar, denn die Verbindung von =asta, Dativ-Lokativ und prā ist einzigartig und der Kontext unzureichend, um die möglichen Deutungen zu verifizieren. 2.3.3-5a: KBo 16.25 34' (mH/mS, etwa Tuthaliya I.) ser=asta kuitki sarran oben=OBP INDF:NOM.SG.N überschreiten:PTZ.NOM.SG.N
„[S]omething concerning (it) has been transgressed.“ (CHD Š: 238) 2.3.3-5b: KBo 21.22 Vs. 10' (aH/mS) ⌈n(u)=asta⌉ kinūbi prā īt KONN=OBP (Gefäß):D/L.SG voran hingehen:IMP.2SG.AKT
„Geh zum k.-Gefäß weiter(?)/hinaus(?), (und bring das k.-Gefäß her)!“ Schon früh hat sich neben der lokalen auch eine aktionale Bedeutungsnuance ausgebildet, ganz wie ihre deutsche Entsprechung drückt die Partikel in den folgenden Beispielen Te lizität aus: 2.3.3-6a: KUB 36.104 Vs. 6 (aS) s(u)=an=asta eukta KONN=3SG.AKK.C=OBP trinken:PRT.3SG.AKT 189 Die meisten Belege hierfür stammen allerdings aus der mittelheth. Zeit, in der =asta bereits mit =kkan wechselt. In alter Schrift fehlen Bsp. mit zai-/zi- und sarr-; in §43 der Gesetze, wo von der Überquerung eines Flusses die Rede ist, oder auch in §79 (Rinder, die auf ein fremdes Feld gehen), fehlt =asta im Konditionalsatz. 190 Unterstützend zum paläografischen Befund kommt hinzu, dass =asta zusammen mit prā überdurchschnittlich häufig belegt ist (in ca. 38% der Fälle, allgemein hingegen entfallen nur ca. nur 28% der Belege von = kkan und =asta auf letzteres).
114
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Er trank es aus.“ 2.3.3-6b: KBo 20.11+KBo 8.85 Rs. 5' f. (aS) n(u)=asta ispanti n(u)=a(n)=ssan
hukanzi
KONN=OBP libieren:PRS.3SG.AKT KONN=3SG.AKK.C=OBP schlachten:PRS.3PL.AKT
„Er gießt aus, und man schlachtet es [ein Schaf] daran [an der Stele ? des Telibinu].“191 Althethitisch ist =asta aufgrund seiner Bedeutung nur in dynamischen Konfigurationen anzutreffen. Die einzige Ausnahme ist der auch sonst (s. die Einleitung zu 2.1) ungewöhnliche Satz vom Beginn des Anitta-Textes:192 2.3.3-7: KBo 3.22 2 (aS) nepisz=a(s)=sta
d
IŠKUR-unni āssus
Himmel:ABL=3SG.NOM.C=OBP (GN):D/L.SG
ēsta
gut:NOM.SG.C KOP:PRT.3SG.AKT
„Er war dem Wettergott vom (= im) Himmel angenehm.“ In der alten Sprache hat =asta die Funktion eines richtungsanzeigenden Adverbials und kann entsprechend als alleinige Lokalangabe stehen: 2.3.3-8a: Gesetze §79 (KBo 6.2 IV 13; aS) mān=asta MUL.ḪI.A-es wenzi wenn=OBP Stern:NOM.PL
kommen:PRS.3PL.AKT
„Wenn die Sterne hervorkommen, …“ 2.3.3-8b: KBo 17.43 I 15' (aS) DUG ta TU7-sa s(a)liga
UZU
ÚR=asta dāi
KONN Suppentopf?:DIR.SG sich nähern:PRS.3PL.MP Glied=OBP
nehmen:PRS.3SG.AKT
?
„Er nähert sich dem Suppentopf und nimmt ein Glied heraus.“ Mit einem Ablativ ist es daher redundant und steht nur in weniger als einem Zehntel der Fälle mit expliziter Quellangabe, wohl in verstärkender Funktion. Erst in mittelhethitischer Zeit wird eine Ortsbezugspartikel (=asta oder häufiger =kkan) mit dem separativischen Ablativ (⇒2.1.2.1/2) obligatorisch. 2.3.3-9a: KBo 17.21+ 67 (aS) [ta=a(s)=s]ta ZA.LAM.GAR-az wezzi KONN=OBP
Zelt:ABL
kommen:PRS.3SG.AKT
„Er kommt aus dem Zelt heraus.“ 2.3.3-9b: KBo 20.67+ II 63 (aH?/mS) 191 Dieser Beleg ist sehr interessant, da in ihm Libation und Opfer getrennt aufgezählt werden. Stattdessen erscheint später als übliche Ritualhandlung =kkan/=asta (Tier):AKK ispant-i, was gewöhnlich mit „ein Tier opfern“ übersetzt wird. Angesichts des hiesigen Belegs scheint es möglich, dass es sich bei der späteren Wendung um ein Zeugma aus den beiden Einzelhandlungen (Libation – vermutlich auf das Opfertier – und Schlachtung) handelt. 192 Das Z. 3 folgende n(u)=a(s)=sta sollte aus syntaktischen Gründen als Missverständnis des altheth. (Ab- ?)Schreibers gestrichen werden, s. Boley (2000: 205 f., laut der die Vorlage möglicherweise vor-altheth. ist).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
115
n(u)=asta
NINDA
zippulasnaz 1 NINDA.GUR4.RA GE6
KONN=OBP (Brotsorte):ABL
1 Dickbrot
dāi
schwarz nehmen:PRS.3SG.AKT
„Er nimmt ein schwarzes Dickbrot von dem z.-Brot.“ 2.3.3-9c: KUB 13.1+ I 6 f. (mH/mS) LÚ.MEŠ haliya[talles] katta nāwi n(u)=asta kuitman h[aliy]az KONN=OBP solange
Abschnitt:ABL Wächter:NOM.PL
uwan[zi]
herab noch nicht kommen:PRS.3PL.AKT
„Solange die Wächter noch nicht aus dem Abschnitt herabgekommen sind, …“ =asta kann sich mit Place Words spezifizierend verbinden (→10a), steht dann aber auch redundant neben ablativischen Place Words (→10b). Mit prā ‚vorwärts‘ signalisiert die Partikel ursprünglich eine elativische Lesart der Gesamtkonstruktion (→10c), diese geht aber in der Folge auf prā über, so dass =asta schließlich durch die unmarkierte Partikel =kkan ersetzt wird (→10d). 2.3.3-10a: KBo 7.28+KBo 8.92 Rs. 40 (mH?/mS) nu m⌈ā⌉n uwatteni n(u)=as⌈ta⌉ āssu KONN wenn
srā udatten
kommen:PRS.2PL.AKT KONN=OBP gut:AKK.SG.N hoch herschaffen:IMP.2PL.AKT
„Wenn ihr kommt, bringt (von dort) Gutes herauf.“ 2.3.3-10b: KBo 17.105+KBo 34.47 II 37' f. (mH/mS) n(u)=asta LÚ.MEŠMUŠEN.DÙ=ya UZUKAxU-ŠUNU IŠTU KONN=OBP Auguren=KONN
ānsantes
NINDA.Ì.E.DÉ.A arha
Mund:POSS.3PL.M ABL/INS Rührkuchen
weg
asandu
abwischen:PTZ.NOM.PL.C KOP:IMP.3PL.AKT
„Die Münder der Auguren sollen vom Rührkuchen abgewischt sein.“ 2.3.3-10c: KBo 17.18 II 5 (aS) t(a)=e=sta prā pānz[i] KONN=3PL.NOM.C=OBP voran hingehen:PRS.3PL.AKT
„Und sie gehen hinaus.“ 2.3.3-10d: KUB 55.43 IV 30' (mH/mS) n(u)=at=kan prā pānzi KONN=3PL.NOM.C=OBP voran hingehen:PRS.3PL.AKT
„Und sie gehen hinaus.“ Wie das letzte Beispielpaar zeigt, wird =asta ab der mittelhethitischen Zeit in lokaler Funktion zunehmend von =kkan verdrängt, zuerst neben Ablativ und Place Words, dann auch bei ablativischen Verben. Es steht ab dem 14. Jh. nur noch als Variante von =kkan (in konditionierter Verteilung, s. o.), vgl. Boley (2000: 37–39, 41 f., 46–48, 59 f.). Der Wechsel von =kkan und =asta ist z. B. bei kue(n)-/kun-zi ‚töten‘193 und ispānt-/ispant-i ‚opfern‘, die obliga193 Z. B. findet sich in der Anklageschrift gegen Madduwatta bei diesem zweimal = asta statt üblichem =kkan (KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 64, 72; mH/mS).
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
torisch eine Partikel verlangen, zu beobachten. Die erwähnte rhythmische Verteilung ist an folgendem Paar gut sichtbar: 2.3.3-11a: KBo 15.25 Vs.16 (mH/mS) nu=ssi=kan KAxU-i anda NINDA.Ì.E.DÉ.A tehhi KONN=3SG.D/L.C=OBP Mund:D/L.SG drinnen Rührkuchen
setzen:PRS.1SG.AKT
„Ich setze ihm Rührkuchen in den Mund.“ 2.3.3-11b: KBo 15.25 Vs. 27 (mH/mS) n(u)=asta ANA KU6 KAxU-i anda NINDA.Ì[.E.DÉ.A tehhi] KONN=OBP DAT Fisch Mund:D/L.SG drinnen Rührkuchen
setzen:PRS.1SG.AKT
„Und einem Fisch lege ich Rührkuchen in den Mund.“ In KUB 18.5+KUB 49.13 (mH/mS) wechseln =kkan (II 13) und =asta (II 33) sogar in einem ansonsten völlig gleichen Satz. Länger erhalten bleibt =asta in seiner syntaktischen Funktion: Von der separativischen Bedeutung ‚daher, daraus‘ her entwickelt es sich wohl schon in der älteren Sprache (→12a, die Datierung ist allerdings unsicher) zu einer reihenden Konjunktion ‚und dann‘, die sich auch mit räumlich inkompatiblen Konfiguration, z. B. Nominalsätzen (→12b; vgl. noch HKM 70 5–7; mH/mS) oder mit dem Place Word anda ‚drinnen, hinein‘ (→12c) verbinden oder an der Stelle anderer Partikeln (→12d, vgl. auch oben zu =kkan) stehen kann. 2.3.3-12a: KBo 21.22 Vs. 18–20 (aH/mS?) nu labarnas talukaus MU.ḪI.A-us usneskemi […] KONN (Titel):GEN.SG lang:AKK.PL.C Jahr:AKK.PL MUNUS
tawanannas talukaus
(Titel):GEN.SG
n(u)=asta
wägen:IPFV:PRS.1SG.AKT KONN=OBP
MU.ḪI.A-us usneskemi
lang:AKK.PL.C Jahr:AKK.PL
wägen:IPFV:PRS.1SG.AKT
„Ich wäge die langen Jahre des Labarna. […] Und ich wäge die langen Jahre der Ta wananna.“ 2.3.3-12b: KBo 32.14 II 26 f. (mH/mS) n(u)=asta ÍD-an tapusa kuiēs KONN=OBP Fluss:AKK.SG seitlich
weses
REL:NOM.PL.C Weide:NOM.PL
„Die Weiden, die sich an der Seite des Flusses befinden, …“194 2.3.3-12c: KUB 17.10 IV 27–31 (aH/mS) n(u)=asta anda UDU-as Ì-an KONN=OBP rein
halkias
kitta
d
GÌR-as
G[EŠ]TIN-as kitta
Getreide:GEN.SG (GN):NOM.SG Wein:NOM.SG
UDU kitta
n(u)=asta anda
Schaf:GEN.SG Fett:NOM.SG liegen:PRS.3SG.MP KONN=OBP rein
n(u)=asta anda GU4
liegen:PRS.3SG.MP KONN=OBP rein
Rind
n(u)=asta anda MU.KAM GÍD.DA DUMU.MEŠ-latar
Schaf liegen:PRS.3SG.MP KONN=OBP rein
Jahr
lang
Nachkommenschaft:NOM.SG
kitta 194 Zu dieser Stelle s. o. Kap. 2.1.4.1 (Bsp. 1d).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
117
liegen:PRS.3SG.MP
„(Vor Telipinu steht eine Eibe ?. Aus/An der Eibe? hängt eine Jagdtasche aus Schaffell.) Drinnen liegt Schaffett, drinnen liegen der Sumuqan des Getreides (und) Wein, drinnen liegen ein Rind (und) ein Schaf, drinnen liegen lange Jahre (und) Nachkommenschaft.“ 2.3.3-12d: IBoT 4.14+KBo 24.4 Rs. 5' f. (mH?/jS) n(u)=asta NINDA.GUR4.RA.MEŠ IŠTU 9 GIŠGA[G ŠENNUR? KONN=OBP Dickbrote GI Š
[ GA]G MA.NU
Pflock
ABL/INS 9 Pflock
Ù
9? ]
Pflaumenbaum KONN 9
katta tarmāezzi
Kornelkirsche herab nageln:PRS.3SG.AKT
„Er pflockt die Dickbrote mit neun Pflöcken aus Pflaumenbaumholz(?) und neun(?) Pflöcken aus Kornelkirschholz am Boden fest.“195 Es bedarf einer eigenen, syntaktisch-pragmatisch orientierten Studie, um die Verwendungskritieren von konjunktionalem =asta genauer festzulegen und von anderen Ausdrucksmitteln der Informationsstruktur (z. B. nu zum Anschluss des Comments) abzugrenzen, was die vorliegende Arbeit nicht zu leisten vermag.196 Als Teil der Bedeutung der Partikel an sich steht diese Gebrauchsweise aber außer Frage. Oft könnte in den Fällen, in denen =asta als vermeintliche Variante von =kkan steht, tatsächlich eher der syntaktische Gebrauch vorliegen, d. h. = asta besetzt als Konjunktion nur den sonst von =kkan eingenommen Slot in der satzeinleitenden Partikelkette und wird gar nicht als inhaltsgleich aufgefasst. Dafür spricht, dass =asta anders als =kkan (oder =ssan) nicht satzintern vorkommt, also keine konkret räumliche Bedeutung mehr hat. Doch könnte dies auch auf die rhythmische Distribution zurückzuführen sein, nach der n(u)=asta als festes Element am Satzanfang nicht mehr verschiebbar war. Der syntaktische Gebrauch wird ab dem späten Mittelhethitischen ebenfalls von =kkan übernommen (⇒2.3.5), als letztlich funktionsloses Element wird =asta im Junghethitischen dann schnell abgebaut. Schon mittelhethitisch findet sich auch nu=(k)kan (z. B. KBo 39.8 II 55, KBo 15.10+KBo 20.42 III 45'), in neu komponierten Texten vom Ende des 13. Jhs. ist =asta fast nicht mehr vorhanden.197 Ein besonders deutliches Beispiel für den völligen Verlust der (konkreten) Bedeutung von =asta ist das in der spätjunghethitischen Instruktion für
195 katta tarmae-zi ‚rituell mit einem Pflock am Boden festnageln‘ steht ursprünglich ohne OBP (vgl. KBo 17.1+ III 9; aS), später mit =ssan (nicht in Originalen, aber vgl. KUB 12.44 III 6'–9'; mH/jS) und schließlich mit =kkan (z. B. KBo 39.8 II 16; mH/mS), sonst aber nie mit =asta, das sich mit =ssan semantisch nicht überschneidet. 196 Nach Möglichkeit möchte ich dies in Form eines eigenen Artikels nachreichen. Die rege Forschung der letzten Jahre zur Informationsstruktur im Hethitischen (vgl. Goedegebuure 2003, Rieken/Widmer 2009) stimmt zuversichtlich, dass sich auch syntaktisches =asta fassen lässt. 197 Schon bei Mursili II ist es sehr selten, vgl. Boley (2000: 74–76). Das daher unerwartete mehrmalige Auftreten auf der Bronzetafel (Tuthaliya IV., letztes Drittel des 13. Jhs. v. u. Z.) könnte auf bewusste Archaisierung oder eine Art gehobenes Register zurückgehen, aber natürlich auch auf eine gewisse Restproduktivität hinweisen.
118
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Prinzen, Herren und Obere belegte, in früheren Zeiten undenkbare n(u)=asta=kkan (KUB 26.12+21.42 IV 7).198
2.3.4 =ssan Für diese Partikel, geschrieben -Vš-ša-an, -°C-ša-an, -za-an (nach =z ‚sich‘),199 liegt ein ausführlicher Eintrag im Chicago Hittite Dictionary (Š: 126–155) vor, der eine Fülle an Beispielen bietet, die hier nicht wiederholt werden müssen. Die Funktion von =ssan ist recht gut zu bestimmen, in fast allen sicheren Belegen betont es die Beteiligung bzw. Berührung der Oberfläche eines Objekts, seine Bedeutung ist daher abstrakt als [Oberflächenkontakt] (oder zumindest [Kohäsion]) zu beschreiben.200 Vgl. die folgenden Beispiele, die Kontakt auf (→1a mit explizitem Relatum, →1b ohne), an (→1c) und unter (→1d) einem Objekt sowie um etwas herum (→1e) bezeichnen: 2.3.4-1a: IBoT 1.36 I 24 f. (mH/mS) n(u)=⌈an=san⌉ ista[n]āni
EGIR-pa dāi
KONN=3SG.AKK.C=OBP Postament:D/L.SG zurück
setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt es auf das Altarpostament zurück.“ 2.3.4-1b: KBo 39.8 I 21 (mH/mS) nu=s⌈sa⌉n ⌈QA⌉TAM tianzi KONN=OBP Hand
setzen:PRS.3PL.AKT
„Sie legen die Hand darauf.“ 2.3.4-1c: KBo 15.33+KBo 15.35 III 11 f. (mH/mS) nu=ssan LÚEN ÉTIM ŠA UDU.ŠIR ŠA GU4.MAḪ=ya auliya KONN=OBP Herr
QATAM
Haus GEN Schafbock
GEN Stier=KONN
GÍR.ZABAR-it
Kehle?:D/L.SG Bronzedolch:INS
dāi
Hand:AKK.SG setzen:PRS.3SG.AKT
198 Die Stelle aus einem Vogelflugprotokoll n(u)=asta hūtās=ma=kan per[a]n SIG5-az zilawan SIG5-az „Und dann (war) aber Eile, im vorderen Bereich aus dem günstigen (Bereich), längs aus dem günstigen (Bereich)“ (HKM 47 50; mH/mS) betrachte ich eher als Anakoluth, s. die Einleitung zu diesem Unterkapitel. 199 Wie vor =asta (⇒2.3.3) kann auch vor =ssan der Auslaut der enklitischen Pronomina =as, =an und =at elidiert werden. Nach der Konjunktion nu ist dies unproblematisch, vgl. n(u)=a(n)=ssan (na-aš-ša-an) hukanzi „Man schlachtet es [ein Schaf] darauf“ (KBo 20.11+KBo 8.85 Rs. 5' f. ; aS), mit ta der älteren Sprache ist das Pronomen jedoch nicht mehr sichtbar, vgl. ta=a(n)=ssan () siu⌈ni⌉=smi hukanz[i] „Sie schlachten es darauf für ihre Gottheit“ (KBo 30.19+ Vs. 6'; aH?/mS). Solche Fälle werden bisher unrichtig als ta=ssan umschrieben. Für n(u) + =an/t + =ssan findet sich aber auch restituiertes (oder nur analytisch geschriebenes?) na-an-ša-an bzw. na-at-ša-an. – Ob -za-an im Jungheth. tatsächlich nicht mehr als =z=(ss)an, sondern als Variante von =z verstanden wurde (Boley 2000: 259 f.), ist nicht sicher, es dürfte sich bei den Bsp. zumindest z. T. auch um doppelt gesetztes Personale han deln, ähnlich wie in jungheth. n(u)=at=si=at (GHL: 411 f.) 200 So auch prinzipiell schon Josephson (1995: 167), der =ssan ser ‚auf‘ richtig als Superposition kombiniert mit Nähe analysiert.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
119
„Der Herr des Hauses setzt die Hand mit einem Bronzedolch an die Kehle ? von Schafbock und Stier.“ 2.3.4-1d: KBo 3.21 II 17 f. (mH?/mS) ektas=ma=ddu=ssan irhaz
UL nahsariyawanz
arha UL
Fangnetz:GEN.SG=KONN=2SG.D/L=OBP Grenze:ABL NEG sich fürchten:PTZ.NOM.SG.C weg
NEG
wezzi kommen:PRS.3SG.AKT
„Ein sich nicht Fürchtender entgeht dir nicht aus („von unter“) dem Rund des Fangnetzes.“201 2.3.4-1e: KBo 20.92+ II! 33' (aH?/mS?202) kuis=sa=[ss]an UDU.ḪI.A-as SÍG-as REL:NOM.SG.C=KONN=OBP Schafe:D/L.PL
Wolle:NOM.SG
„Die Wolle, die sich (noch) an/auf den Schafen befindet, …“ Beleg 1d ist dabei das einzige Beispiel für den Bezug von =ssan auf ein ablativisches Relatum („von an“), sonst ist es stets allativisch oder lokativisch zu verstehen, was wohl etymologisch bedingt ist (⇒4.1.3.4). Eine Erweiterung der Grundbedeutung ist der Ausdruck „funktionalen“, aber nicht mehr unbedingt physischen Kontakts, d. h. unmittelbare Nähe ohne direkte Berührung, 203 vgl.: 2.3.4-2: IBoT 1.36 I 4 (mH/mS) É n(u)=⌈at=s⌉an hīlas ⌈KÁ⌉[-i]
⌈tien⌉zi
KONN=3PL.NOM.C=OBP Hof:GEN Tor:D/L.SG treten:PRS.3PL.AKT
„Sie stellen sich am Hoftor hin.“ Auch im Deutschen steht hier die Kontakt anzeigende Präposition an, denn tatsächlich könnte kein Objekt oder keine Person zwischen die aufgestellten Leibwächter und das Tor kommen, auch wenn sie sich nicht unbedingt daran anlehnen. Während =ssan im Althethitischen sonst nur in statischen Konfigurationen und z. B. nie mit anda ‚hinein‘ oder srā ‚hinauf‘ vorkommt, kann es sich in dieser Funktion auch mit dem Direktiv verbinden, ausgedrückt wird das Erreichen einer Grenze, vgl.: 2.3.4-3: Gesetze §100 (KBo 6.2 IV 60; aS) [nu=ssa]n prā hmeshanda ar[nuzi] KONN=OBP voran Frühling:DIR.SG bringen:PRS.3SG.AKT
201 Vgl. davor leliwanz=ma=ssan ekz=tes KUR-e katta hūppan harzi „Dein schnelles Fangnetz aber hält das Land niedergeworfen“ (l. c. 15 f.). Ein weiteres Bsp. für „unter“ mit Kontakt könnte in ⌈GI⌉[kurtall]as=san kuis ZÌ.DA-it suuanz ŠAPAL GIŠBÚGIN kittat „Den mit Mehl gefüllten Flechtkorb, der unter dem Kasten stand, …“ (KBo 15.33+ KBo 15.35 II 14' f.; mH/mS) vorliegen (→3.1.2.1-3b). 202 Vgl. die Diskussion zu Bsp. 2.4.1.3-1d. 203 Hierzu gehören sicher auch die speziellen Wendungen =ssan āppan ‚bei‘ (mit Städten, ⇒2.4.1.4) und =ssan peran ‚an‘ (mit Flüssen, ⇒ 2.4.1.5).
120
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Er bringt (die Tiere) durch (den Winter) bis zum (folgenden) Frühling.“204 In der Praxis bezeichnet =ssan meistens die „auf“-Relation, also Superposition mit Kontakt, wofür es dutzende Belege gibt. 205 Diese Relation kann zwar durch den Dativ-Lokativ allein ausgedrückt werden,206 in den allermeisten Fällen treten aber die Partikel und/oder das Place Word ser ‚oben‘ (verdeutlichend) hinzu. Im jüngeren Mittelhethischen wird die Verbindung =ssan ser zunehmend durch das ebenso eindeutige, aber weniger redundante =kkan ser ersetzt.207 Die letzten vereinzelten Belege für =ssan finden sich bei Tuthaliya IV (s. CHD Š: 155). Die Relation „über“ wird hingegen durch Dativ-Lokativ mit ser ohne =ssan (bzw. =kkan) ausgedrückt. Neben den bereits genannten Beispielen vgl. noch mit ser: 2.3.4-4a: KBo 24.66+ III 54 f. (mH/mS) n(u)=as=san ⌈ANA⌉ NINDA.SIG ser zikkezzi KONN=3PL.AKK.C=OBP DAT
Fladenbrot
oben setzen:IPFV:PRS.3SG.AKT
„Er legt sie oben auf das Fladenbrot.“ 2.3.4-4b: KUB 30.29 6 (mH/mS?) [nu=]⌈z=(ss)an⌉ MUNUS-z GIŠkuppisnas
sēr esa
KONN=REFL=OBP Frau:NOM.SG Schemel?:D/L.PL oben sitzen:PRS.3SG.MP
„Die Frau setzt sich oben auf die Schemel?.“ 2.3.4-4c: KUB 55.43 IV 10' (mH/mS) KUŠ n(u)=an=kan kursi ser dāi KONN=3SG.AKK.C=OBP Vlies:D/L.SG oben setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt es auf das Vlies.“ Für ser + Dat.-Lok. in der Bedeutung „über“ s. u. 2.4.1.2. Problematisch für den Ansatz von =ssan als ‚[Oberflächenkontakt]‘ sind allerdings einige Belege für zwei Sätze, die häufiger in Ritualen vorkommen und gewöhnlich mit „über“ übersetzt werden, wobei bei den meisten Belegen =ssan erwartungsgemäß fehlt, manchmal aber belegt ist: 2.3.4-5a: KBo 17.1+ II 17' f. (aS) [u]g=(m)a=smas=san ÉRIN.MEŠ-an sē[r] 3-ŠU ich=KONN=3PL.D/L.C=OBP Truppe:AKK.SG
wahnūmi
oben 3:POSS.3.SG.M drehen:KAUS:PRS.1SG.AKT
„Ich aber schwenke/drehe die „Truppe“ [eine Figur] dreimal über(?) ihnen.“
204 Zur Interpretation s. o. 2.1.1.1. Ebenso n(u)=e=ssan p[r]ā [Í]D-pa pānzi „Sie gehen weiter bis an den Fluss“ (KBo 10.11 I 2 f.; aH/jS). 205 Aus sachlichen Gründen kommen andere Konfigurationen mit Oberflächenbezug seltener vor, ihre Belege zei gen aber auch =ssan (⇒3.1.1.3). 206 Z. B. beim Wort für „Weg“, das aber auch mit Partikel stehen kann, vgl. das mittelheth. CTH 138 18' (ohne =ssan) gegenüber 63' (mit =ssan). 207 Später auch allein stehendes =ssan, vgl. n(u)=as=kan GIŠ⌈pā⌉puli tianzi „Man stellt sie auf das Backbrett ?“ (KUB 55.43 III 33'; mH/mS), vgl. auch KBo 20.72+ IV 9' (mH/mS). In den spät-mittelheth. Texten ist ein Schwanken zwischen =kkan (ser) und =ssan (ser) zu beobachten, z. B. im erwähnten KUB 55.43 oder in KUB 45.47.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
121
2.3.4-5b: KBo 39.8 II 35 (mH/mS) MUNUS n(u)=an=smas=kan ŠU.GI ser ēpzi KONN=3SG.AKK.C=3PL.D/L.C=OBP Alte
„Und die Alte hält
208
oben ergreifen:PRS.3SG.AKT
es über sie.“
Der zweite Beleg209 ist wohl der im späten Mittelhethisch zunehmenden Ausbreitung von =kkan bei ser, das junghethitisch in lokaler Bedeutung regelmäßig mit dieser Partikel steht (s. Boley 2000: 155–158), geschuldet, in der jüngeren Sprache geht also die Unterscheidung „auf“ vs. „über“ verloren. Beim ersten Beleg besteht die Schwierigkeit, dass die Bedeutung der religiösen Praxis, Figuren o. ä. über jemandem zu schwenken unklar ist, letztlich kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Truppenfigur auf dem Kopf der Opfermandanten gedreht wird,210 vielleicht war auch beides möglich. Diese Belege reichen nicht aus, den aus den zahlreichen anderen Belegen gewonnenen, hier vorgestellten Bedeutungsansatz zu verwerfen, auch da sonst wohl überhaupt keine Ratio für die Verwendung der Ortsbezugspartikel zu gewinnen wäre. Eine metaphorische Erweiterung von ‚auf‘ ist die Verwendung von =ssan in der Bedeutung ‚für, zugunsten, wegen‘. Sehr häufig tritt auch hier das Place Word ser ‚oben‘ hinzu. Die Tatsache, dass =ssan in dieser Bedeutung auch alleine vorkommen und ser auch noch im Mittelhethischen alleine, wenn auch sehr selten „wegen“ ausdrücken kann, zeigt aber, dass der übertragene Gebrauch von der „auf“-Relation und nicht vom Place Word abhängig ist. Somit ist die Bedeutungsangabe „wegen (etc.)“ für ser in den Wörterbüchern zumindest für die früheren Phasen der hethitischen Sprache irreführend. Im späten Mittelhethitisch ändert sich die Situation durch den Ersatz von =ssan durch =kkan bei ser jedoch grundlegend (⇒2.4.1.2). Gerade der Wandel von lokalem wie nicht-lokalem =ssan ser zu =kkan ser zeigt, dass „wegen“ bis zum Beginn der Großreichszeit als Metapher von „auf“ verstanden wurde und kein selbständiger Ausdruck war. Vgl.: 2.3.4-6a: KUB 17.21 I 3–5 + 545/u I 7–9 (mH/mS) nu=ssan sumās DINGIR.MEŠ-as nahsarattan KONN=OBP ihr:D/L Gottheiten=D/L.PL
URU
Hattusas=pat KUR-ya
Ehrfurcht:AKK.SG (ON):GEN=PTK
Land:D/L.SG
zikkewani setzen:IPFV:PRS.1PL.AKT
„Nur im Land Hatti setzen wir Ehrfurcht für euch dauerhaft fest.“
208 e/app-zi ist eigentlich die ingressive Entsprechung zu durativem har(k)-zi ‚haben, halten‘ und daher wie in der Glossierung meistens als „ergreifen“ zu verstehen. In diesem Fall geht es jedoch um die Lageänderung eines bereits gehaltenen Objekts, was im Deutschen nicht genau nachgebildet werden kann (im Esperanto könnte man es präzise mit ekteni übersetzen). 209 Weitere, weniger verlässliche Bsp. in jungheth. Schrift sind KUB 12.58 I 33 und KBo 3.7 IV 12 f. (s. CHD Š: 130). 210 Vgl. l. c. 27' f. [t]a LUGAL-as MUNUS.LUGAL-as=s[a] ketkar=smet dāi „Er legt es König und Königin auf (oder an?) den Kopf.“
122
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.3.4-6b: KUB 8.81+KBo 19.39 III 4 f. (mH/mS) [nu]=sse=ssan mān BELŠU ser ŪL [sa]rnikzi KONN=3SG.D/L.C=OBP wenn Herr:POSS.3SG.M oben NEG entschädigen:PRS.3SG.AKT
„Wenn sein Herr seinetwegen keinen Ersatz leistet, …“211 Vgl. ohne ser noch KUB 17.21 I 19 f., HKM 39 4 f. sowie die Beispiele im CHD (Š: 152 f.). Ohne =ssan findet man ser im Korpus der Originaltexte nur in der für das Althethitische typischen nominalen Rektion, d. h. mit Genetiv oder enklitischem Possessivpronomen, 212 sowie in einem isolierten Beleg: 2.3.4-7: KUB 17.10 III 8 (aH/mS) d nu Telipinui sēr arha duwān warnunun KONN (GN):D/L.SG oben weg
dahin
brennen:KAUS:PRT.1SG.AKT
„Um Telibinu willen (oder: Von über Telibinu weg) habe ich (ihn) hier ganz verbrannt.“ Die vom CHD (Š: 154, s. dort für Bsp.) angesetzte Verwendung „Accompanying ideas of measuring or counting“ kann leicht von wörtlichem „auf“ oder übertragenem „für, wegen“ abgeleitet werden. Für =ssan wird von vielen (s. CHD Š: 146–148, GHL: 376 f.) auch ein Gebrauch [Inklu sion] angesetzt, womit [Oberflächenkontakt] als einfache Grundbedeutung verworfen wird. Tatsächlich sind die dafür angeführten Belege aber anders zu interpretieren. Mit anda(n) ‚drinnen‘ bezeichnet =ssan wohl eine Teilinklusion, d. h. Lokalisation in Schalen und ähnlichen konvexen Behältern, sowohl „auf“ als auch „in“ denen sich also etwas befinden kann. Für Beispiele und weitere Diskussion s. u. 3.1.1.3. Andere scheinbar unleugbare Belege für eine Bedeutung „in“ sind philologisch problematisch: 2.3.4-8: KBo 12.112 Rs. 11–13 (mH/jS) nu=wa(r)=ssan GIŠIG GIM-an [… weh]atta KONN=„“=OBP
anni=ssi
Tür
wie
DUMU-las=sa=wa(r)=ssan
drehen:PRS.3SG.MP Kind:NOM.SG=KONN=„“=OBP
[andan QĀTAMMA w]ehattaru
Mutter:D/L.SG=POSS.3SG.D/L.SG drinnen
ebenso
drehen:IMP.3SG.MP
„»Wie sich eine Tür [in der Türpfanne o. ä.] dreht, soll sich das Kind ebenso in seiner Mutter wenden.«“ Abgesehen davon, dass es sich um eine beschädigte Abschrift handelt, ist das zweifache =ssan leicht durch die für die magische Wirkung nötige Parallelität der Sätze zu erklären; mit dem wirklichen Sprachgebrauch muss das Beispiel daher nichts zu tun haben. 213 Die junghethitischen Abschriften der althethitischen Fassung von §93 der Gesetze bieten für den doppelt vorkommenden Satz „(Wenn) er aber noch nicht ins Haus hineingegangen 211 Es handelt sich hierbei offenbar um eine alte Rechtsformel (altheth. =sse), in den beiden folgenden Zeilen erscheint gleichbedeutend geneuertes mān=si!=kan BELŠU ser ŪL sarnikzi. 212 S. Boley (2000: 244); offensichtlich ist die Partikel also – zumindest in der altheth. Zeit – an den Dat.-Lok. ge bunden, während das optionale ser davon unabhängig, also keine Postposition, sondern ein Adverb ist.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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ist, …“ am Anfang einmal an-da-ša-an und einmal an-da-aš-ša-an, was bisher als anda= ssan (bzw. anda=‹s›san) interpretiert wurde (Boley 2000: 16, GHL: 376). Das fragmentarische althethitische Exemplar zeigt allerdings auch das scheinbar verschriebene an-da-š[a-an], das zusammen mit der Lectio difficilior jungheth. an-da-ša-an auf eine andere Interpretation hinweist: 2.3.4-9: Gesetze §93 (KBo 6.2 IV 36 f.; aS, ergänzt nach jungheth. Abschrift) anda=as[=an parna nāwi paizzi] rein=3PS.NOM.SG.C=OBP Haus:DIR.SG noch nicht hingehen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn) er aber noch nicht ins Haus hineingegangen ist, …“214 Die Partikel =an ist auch sonst in den althethitischen Gesetzen belegt (§44b, §78), das einmalige =ssan kann daher als Versehen des junghethitischen Kopisten angesehen werden, der die Zeichenkette der Vorlage falsch verstanden hat. Die junghethitische Abschrift IBoT 3.141 IV 13 des althethitischen Telipinu-Mythos bietet ein [a]nda=at=san harkdu „Es soll drinnen [im Kessel] zu Grunde gehen!“ (dagegen mit =kkan in KUB 33.8 III 14!), doch zeigt das mittelhethitische Exemplar KUB 17.10, dass für das Original ebenfalls die Partikel =an anzusetzen ist (vgl. anda=ad=an harkzi „Es geht drinnen zu Grunde“ in IV 7).215 Die Bedeutung „in“ liegt ebenfalls nicht in der Wendung =ssan anda es-/as-zi ‚(auf einer Tafel) enthalten sein‘ (CHD Š: 146 f., ebenso andere Verbindungen = ssan anda(n)) vor, es handelt sich hier um den „location on a body“-Gebrauch, bei dem die Partikel Kontakt als Resultat einer terminativen Handlung ausdrückt (⇒3.1.1.3). Es gibt auch keinen Grund, die Wendung =ssan nepisi (s. CHD Š: 147, Boley 2000: 148, 150) wegen der modernen Übersetzung „im Himmel“ nicht wörtlich als „auf dem Himmel“ zu verstehen. „Auf dem Herzen“ (CHD Š: 147) ist ebenso eine eingängige Metapher. Erläuterungsbedürftig ist allein noch der folgende Beleg: 2.3.4-10: KUB 15.34 III 33' f. (mH/mS) ⌈n(u)⌉=at=san ANA 7 PÚ.MEŠ anda ish[uw]āi KONN=3PL.AKK.C=OBP DAT 7 Quellen
drinnen schütten:PRS.3SG.AKT
„(Sieben Fladenbrote zerbröselt er.) Er schüttet sie in die sieben Quellen hinein.“ Bei Betrachtung der Realien ist eine Übersetzung „auf die sieben Quellen“ wohl ange messener, denn die Brotkrumen dürften zunächst auf der Wasseroberfläche schwimmen. Die Parti213 Gesetzt den Fall, dieser Gebrauch wäre sprachwirklich, müsste die Bedeutung von =ssan von ‚[Oberflächenkontakt]‘ zu allgemeinem ‚[Kontakt]‘ modifiziert werden. Zusammen mit anda(n) würde Heth. entsprechend unterscheiden, ob sich Lokatum und Relatum bei einem Inklusionsverhältnis berühren (z. B. Kind im Mutterleib, Feuer in der Feuerschale) oder nicht (z. B. Person im Haus), womit sich alle Belege befriedigend erklären lassen ( ⇒4.1.3.4). 214 So auch Goedegebuure (2007a: 37). Ein möglicher weiterer Belege für eine solche Verbindung anda + =as + =an ist KBo 20.10+KBo 25.59 I 3 (aH/mS?), wenn mit HW2 (A: 260) anda=as=an ⌈wiz⌉zi „Er kommt herein“ statt anda s⌈an⌉h[a]nzi zu lesen ist. Auf dem Foto sind keine lesbaren Spuren mehr zu erkennen. 215 In der altheth. Vorlage für IBoT 3.141 mag dabei *an-da-na-ta-an (andan=at=an) gestanden haben, von wo aus die vermeintliche Verbesserung -ta-an (��) → ‹-at›-ša!-an (𒀜𒊭�) verständlich ist.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
kel =ssan erlaubt dem Hethiter hier eine feine Nuancierung, die man in den modernen Spra chen nicht nachbilden kann. Der Beleg ist also kein Gegen-, sondern geradezu ein Vorzeigebeispiel für die Grundbedeutung von =ssan, es konnten im Korpus allerdings keine möglichen Kontrollbeispiele mit schweren, sofort sinkenden Objekten gefunden werden. =ssan beschreibt regelmäßig auch das Austreten von Fett auf der Oberfläche von gekochtem Fleisch (vgl. Goedegebuure 2007a: 37 f. mit Fn. 4): 2.3.4-11: KBo 8.91+ Vs. 9' (mH/mS) mahhan=ma=ssan zēyandaz ari wie=KONN=OBP
kochen:PTZ:ABL ankommen:PRS.3SG.AKT
„Wie es aber aus dem Gekochten darauf ankommt [d. h. Fett austritt], …“ Neben der eben genannten „location on a body“ bzw. in Überschneidung damit dürfte auch die Bedeutungsnuance „gegen“ (s. CHD Š: 148–150) auf den von Anfang an belegten (→3) terminativischen Gebrauch von =ssan zurückgehen. Wie beim deutschen Äquivalent finden sich hierfür neben noch konkret-räumlichen (→12a) auch abstrakt-übertragene (→12b) Gebrauchsweisen. 2.3.4-12a: KBo 32.19 III 47' f. (mH/mS) nu=wa(r)=ssan ammuk sumas tuēggas=s⌈ma⌉s KONN=„“=OBP
uwami
ich:NOM ihr:D/L Körper:D/L.PL=POSS.2PL.D/L.PL.C kommen:PRS.1SG.AKT
„»Ich werde zu euch selbst („gegen eure Körper“) kommen.«“ 2.3.4-12b: KUB 30.10 Rs. 2 (mH?/mS) nu=mu=ssan arha pa⌈skut⌉ta KONN=1SG.AKK=OBP weg
zurückweisen:PRT.3SG.AKT
„Er vernachlässigte mich ganz.“ Insgesamt lässt sich die Ortsbezugspartikel =ssan funktional fast genauso gut und sicher fassen wie =an (s. o.). Unklar bleibt allerdings ihr Gebrauch in der Metapher = ssan prā au-/u-i ‚ignorieren‘ („auf(?) jmd. voranschauen“, s. CHD Š: 154 f.), sowie in dem folgenden Beleg: 2.3.4-13: IBoT 1.36 III 58 (mH/mS) GÙB-laz=ma GIŠkāpur harzi
GIŠ
GIDRU=z=(ss)an anda
links:ABL=KONN (Objekt):AKK.SG halten:PRS.3SG.AKT Stab=REFL=OBP
dazu
harzi halten:PRS.3SG.AKT
„Mit der linken aber hält er das k. und (daran?) zusätzlich seinen Stab fest.“216 Eine sekundäre Bindung von =ssan an ser ‚oben‘ und srā ‚hinauf‘ aufgrund phonetischer Ähnlichkeit (so fragend GHL: 377 u. a.) ist hingegen nicht festzustellen, die Kookku renz von =ssan und ser nimmt vom Alt- zum Mittelhethischen sogar leicht ab (durch Ausbreitung von 216 Wie bereits oben (Kap. 2.1.4.4, S. 75, Fn. 107) erwähnt, ist die Verwendung von =ssan statt =kkan in KBo 29.72 Rs. 13' (mH/mS) ohne Parallele und womöglich ein Versehen des Schreibers.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
125
=kkan), mit srā ist es mittelhethitisch nur fünfmal belegt (altheth. fehlen Belege ganz). Vielleicht hat sich =ssan aber zusammen mit ser etwas länger gehalten als mit anda („location on a body“, ⇒3.1.1.3), wenn die sich im Ritual für den Wettergott von Kuliwisna findende entsprechende Verteilung nicht bloß zufällig ist (vgl. das Schwanken von =kkan und =ssan z. B. in KUB 45.47): 2.3.4-14a: KBo 17.105+KBo 34.47 III 11 (mH/mS) aras=san ari ser ⌈h⌉minkanz Freund:NOM.SG=OBP Freund:D/L.SG217 oben binden:PTZ.NOM.SG.C
„Das eine (Brot) ist auf das andere gebunden.“ 2.3.4-14b: KBo 17.105+KBo 34.47 III 18 (mH/mS) ⌈par⌉huenas=(m)a=kan kuis DINGIR-ni
anda ishiyanz
(Getreide):NOM.SG=KONN=OBP REL:NOM.SG.C Gottheit:D/L.SG drinnen binden:PTZ.NOM.SG.C
„Das p.-Getreide, das an die Gottheit gebunden ist, …“ Zuletzt ist noch die Theorie Boleys (1989: 47 f., 2000: 400) zu erwähnen, dass = ssan die hier vorgestellte Bedeutung nur sekundär herausgebildet habe und gerade im Althethitischen noch die grammatische Funktion des Ausdrucks einer abgeschlossenen Handlung (Perfekt) aufweise. Abgesehen von prinzipiellen Bedenken wie dem schwer denkbaren Übergang von einer abstrakten zu einer konkreten Bedeutung ist aber zum Einen der Gebrauch für den Oberflächenkontakt schon althethitisch voll ausgebildet, wie zahlreiche Beispiele zeigen, und zum Anderen sind die für den angeblichen perfektischen Gebrauch angeführten Belege wenig aussagekräftig. So ist =ssan dai-/ti-i ‚etw. auf etw. legen‘ natürlich telisch und zusammen mit dem Präteritum meist perfektisch, was aber nicht der Partikel geschuldet ist. Andere Belege wiederum sind ganz anders zu verstehen. Das folgende Satzgefüge aus der Zalpa-Erzählung enthält nach der alten Auffassung eine Partikel (so Boley 1992: 11): 2.3.4-15: KBo 22.2 Vs. 14 (aH/aS?) kuin=wa(r) sanhiskeueni
UMMANI=san
wemiyauen
REL:AKK.SG.C=„“ suchen:IPFV:PRS.1PL.AKT Mutter:POSS.1PL=OBP finden:PRT.1PL.AKT
„»Die wir immerfort suchen, – wir haben unsere Mutter gefunden.«“ Es ist nach Starke (1979: 51, Fn. 8; zustimmend Neu 1992: 152) jedoch ganz anders aufzufassen: kuin=wa(r)
sanhiskeueni
UMMANI
s(u)=an
REL:AKK.SG.C=„“ suchen:IPFV:PRS.1PL.AKT Mutter:POSS.1PL KONN=3SG.AKK.C
wemiyauen finden:PRT.1PL.AKT
„»Unsere Mutter, die wir immerfort suchen, haben wir gefunden.«“218
217 Vgl. russ. друг друга (→2.2.2-3b).
126
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.3.5 =kkan Diese Ortsbezugspartikel, traditionell als „-kan“ angesetzt, phonetisch sicher aber [ka/ən] mit Fortis,219 macht den grundlegenden Umbau der hethitischen Raumgrammatik augenfällig: Im Althethitischen wohl noch Adverbial mit recht geringer Frequenz – wenig höher als =an (⇒2.3.1) oder =apa (⇒2.3.2) –, entwickelt sich =kkan im Mittelhethitischen zur häufigsten und im Junghethitischen zur einzigen produktiven Partikel (s. Kloekhorst 2008: 433 für eine Statistik), indem es schrittweise die Funktionen von =an (nach dem Altheth.), dann =asta (im frühen Mittelheth.) und zuletzt =ssan (im späten Mittelheth.) übernimmt, während =apa außer Gebrauch gerät. Dies bedeutet aber auch ein großes methodisches Problem: Die Grundbedeutung von =kkan kann nur anhand der nicht zahlreichen und zudem nicht immer klaren Belege in alter Schrift (s. u.) bestimmt werden und muss zudem den möglichen Etymologien und der späte ren Entwicklung gerecht werden. Eine solche Funktionsbestimmung von altheth. =kkan ist bisher nicht überzeugend gelungen, weshalb sich z. B. Hoffner/Melchert (GHL: 366–374) auf das Aufzählen der Kontexte, in denen die Partikel erscheint, beschränken. Während die meisten Hethitologen zumindest ursprünglich eine lokale Bedeutung ansetzen, 220 behauptet F. Josephson (1972: 416 f.) einen aktionalen Wert (wie = an terminativ mit Nachzustand), während J. Boley (2000, 2001) eine pragmatische Funktion (Hervorhebung grammatisch peripherer Elemente) vermutet. Diese alternativen Ansätze sind nicht haltbar, 221 ebenso wenig aber auch eine globale einfach-räumliche Bedeutungsangabe wie ‚dazu‘. Bevor der althethitische Befund vorgestellt wird, sei zum besseren Vergleich der Belege der mittelhethitische Gebrauch von =kkan skizziert, der unten ausführlich beschrieben wird: Die Partikel steht (neben =asta) mit dem Ablativ in dynamischen Konfigurationen, mit dem Akkusativ des Weges, mit einzelnen Lexemen (z. B. ispānt-/ispant-i ‚libieren‘ i. S. v. ‚opfern‘, kuen-/kun-zi ‚schlagen‘ i. S. v. ‚töten‘, prā ‚voran‘ i. S. v. ‚heraus‘) und den Place Words anda 218 Die Syntax ist in beiden Fällen etwas ungewöhnlich (fehlendes Bezugswort im Relativsatz gemäß der ersten In terpretation, Rechtsverschiebung des Objekts hinter das Prädikat gemäß der zweiten Auffassung), aber jeweils pragmatisch zu motivieren. Es ist auch eine dritte Interpretation denkbar: In -ša-an könnte das Possessivum =ssi/a- als personenneutrales ‚eigen‘ (wie sein Etymon *so-, zur lautgesetzlichen Grundlage unabhängig Rieken 2010b und Brosch 2011 [2012]) vorliegen, das im Heth. gewöhnlich für die dritte Person des Singulars, altheth. aber noch vereinzelt auch für den Plural verwendet wird (→2.2.2.1-9a). 219 Vgl. Schreibungen wie ták-kán (z. B. KBo 17.18 II 9; aS), nu-uk-kán (z. B. KBo 20.34 Vs. 8; mH/mS), nu-utták-kán (z. B. KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 10; mH/mS). Vereinfachende Schreibungen wie nu-kán (passim ab ca. 1400) dienen der Vermeidung der aufwändigen Zeichen UK ( �) und AK (�), s. Kloekhorst (2008: 432 f.). – Von allen Partikeln ist =kkan phonetisch und grafisch am stabilsten, was für seine Verbreitung vielleicht von Vor teil war (freundlicher Hinweis J. Klinger, vgl. schon Kammenhuber 1979a: 188), dagegen ist =an verwechselbar mit dem enkl. Pronomen =an ‚ihn‘, vor =asta (und z. T. =ssan) werden wichtige Enklitika nicht sichtbar (⇒2.3.3), und =ssan ist nach =z schwerer zu erkennen (-za-an, von jungheth. Schreibern vielleicht bisweilen als Variante von =z missverstanden, s. S. 119, Fn. 199). 220 Z. B. Carruba (1969: 10): ‚(da)hin, dazu‘, aus verkürztem kattan ‚dabei‘ (⇒2.4.2.2). 221 Zur Widerlegung Boleys s. Goedegebuure (2007a). Zur Ablehnung von Josephsons Ansatz s. die Einleitung zu 2.3.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
127
‚drinnen, in, hinein‘, srā ‚hinauf‘ und katta ‚herab, hinab‘, wenn diese einen räumlichen Bezugspunkt (explizit mit Lokalkasus oder implizit aus dem Kontext) haben. Es steht auch in satzverknüpfender Funktion und nimmt den Wert anderer Partikeln in folgenden, parallelen Sätzen auf. In den Originaltexten in alter Sprache ist =kkan nur in wenigen verschiedenen Kontexten belegt, für die jeweils ein Beispiel folgt. Vgl. zu dieser Liste noch →3b anda=⌈kan⌉222 halīnas tessummius tar⌈lipi⌉t sūwamus 2-TAM pētumeni „Wir bringen zweimal mit t.Flüssigkeit gefüllte Becher aus Ton hinein“ mit dem ersten Belege für =kkan anda. 2.3.5-1a: KBo 17.1+ I 11' (aS) [k]āsata=smas=kan utniyandan
lālus
dāhhun
DEM.2=3PL.D/L.C=OBP Bevölkerung:GEN.PL Zunge:AKK.PL nehmen:PRT.1SG.AKT
„»Ich habe euch die (bösen) Zungen der Leute abgenommen.«“223 2.3.5-1b: KBo 17.74+ IV 4' (aH/mS)224 ta=kkan wāki KONN=OBP beißen:PRS.3SG.AKT
„Er beißt (es) ab.“225 2.3.5-1c: KBo 17.2 I 6' (aS) mān=kan kalulupi=smi als=OBP
kānk[i]
Finger:D/L.SG=POSS:3PL.D/L.PL hängen:PRS.3SG.AKT
„Wenn er (es) an ihrem Finger aufhängt, …“226 2.3.5-1d: KBo 25.31 III 3' (aS) [hāss]an=kan 1-ŠU huyanzi Herd:AKK.SG=OBP 1:POSS.3SG.M laufen:PRS.3PL.AKT
„Man läuft einmal um den(?)/zum(??) Herd/am Herd entlang(?).“ 2.3.5-1e: Gesetze §48 (KBo 6.2 II 51 f.; aS) n(u)=as=kan hāpp(a)raz [sme]nzi227 KONN=3SG.NOM.C=OBP Handel:ABL sich entfernen:PRS.3SG.AKT
„Er muss auf den Kaufpreis verzichten.“
222 Anders HW2 (A: 128): anda=⌈ap⌉, die OBP =apa steht mit anda sonst aber nie in illativ. Bedeutung (⇒2.3.3). 223 Vgl. noch fünffaches (Körperteil):INS=at=kan dāu in KBo 17.17+KBo 30.30 I? 8'–12' (aS) „Er soll es zusammen mit … wegnehmen“ (vgl. Melchert 1977: 172, nicht glaubhaft Boley 1989: 58, 2000: 25: „from“). 224 Aufgrund der Ausbreitung von =kkan in jüngerer Zeit sind Abschriften alter Texte keine zuverlässige Quelle. Diese häufige Wendung, bei der kein konkurrierendes =asta belegt ist, ist jedoch sicher alt. 225 Vgl. n(u)=an=kan wāki „Er beißt es ab“ (KBo 30.86 Vs.? 7; mH/mS), =kkan steht hier nicht als Proadverbial ‚davon‘, sondern als Modifikator des Verbs. 226 Vgl. [ta]=kkan [g]āpinan kuwapitta 1-an gānghhi „Und überall hänge ich einen Faden auf“ (KBo 17.1+ IV 17; aS). 227 Ohne =kkan ‚sich entfernen, vorübergehen‘, mit =kkan ‚verzichten, abtreten‘, s. CHD (S: 120 f.).
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.3.5-1f: Gesetze §146 (KUB 25.85+ II 9; aS) ta=kkan pēran walhzi KONN=OBP vorne
schlagen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn aber ein anderer kommt und) zuerst/vorher (beim Kauf?) zuschlägt(?), …“ 2.3.5-1g: KBo 3.23 10 f. (aS) n(u)=at=kan sanha[n]
ēsdu
KONN=3SG.NOM.N=OBP suchen:PTZ:NOM.SG.N KOP:IMP.3SG.AKT
„Er soll sauber sein.“ 2.3.5-1h: KBo 17.18 II 9' (aS) ta=kkan paizzi KONN=OBP hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er (nimmt ein Gefäß und) geht fort.“ 2.3.5-1i: KUB 31.143 II 16 (aS) nu=kkan 2-is 8-tas ⌈maki⌉tas
akkuskēsi
KONN=OBP zweimal 8:D/L.PL (Objekt):D/L.PL trinken:IPFV:PRS.2SG.AKT
„Du trinkst zweimal für(?) je acht m.-Objekte.“ Unklar ist das sprachliche Alter und die genaue Übersetzung des folgenden Beispiels →2a (s. die Bemerkung zu diesem Satz unter →2.4.4.4-1c). Im Bsp. →2b scheint =kkan verstärkende Funktion, ähnlich arha ‚weg, fort‘ (⇒2.5.1.1), zu haben. 2.3.5-2a: KBo 21.22 Vs. 37 (aH/mS) katta!(-)srā=at=kan NA4-t wedan herab=hoch=3SG.NOM.N=OBP Stein:INS bauen:PTZ.NOM.SG.N
„Es ist nach unten (und) oben(?)/von unten nach oben(?) aus Stein gebaut.“ 2.3.5-2b: KBo 23.4+ III 4 f. (aH/mS)228 n(u)=at=kan wārsta § […]
n(u)=[a]t=kan
haspdda
KONN=3SG.AKK.N=OBP abstreifen:PRT.3SG.MP KONN=3SG.AKK.N=OBP schneiden:PRT.3SG.AKT
„Er erntete es ab. [§-Strich …] Er holzte es ab229.“ Aus diesen Belegen ergibt sich zwar keine offensichtliche Funktion, eine lokale (topologische) Bedeutung scheint aber plausibel. Klar ist, dass =kkan im Althethitischen in anderen Gebrauchsweisen als in der jüngeren Sprache erscheint, so steht es z. B. nur einmal neben dem Abl. (→1e), in →1a steht es paragrapheneinleitend, also nicht anaphorisch. Es steht immer mit dem separativen Dativ (⇒2.1.3.4) mit dā-/d-i ‚nehmen‘, wo das separative =asta in Originalen gar nicht belegt ist, sowie als einzige Partikel neben kānk-/kank-i ‚aufhängen‘. 228 Nach Groddek (1999: 47) spricht nichts für ein höheres Alter des Textes, der eher eine mittelheth. Komposition sei. Doch aktives yezzi „geht“ (Rs. III 6) ist hocharchaisch ([étsi] ← *ētsi < *h1é-ti), außerdem findet sich die typisch altheth. (s. GHL: 41) Assimilation na-aš-ši < nu + =at + =ssi (Rs. III 8). 229 So nach Melchert (2007b). Anders Groddek (1999: 40, 46; im Anschluss an J. Puhvel): „verfahren“. Geschrieben ḫa-aš-pád-da für [XaSpta].
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
129
Weder ein rein separativischer (ablativischer) Wert (so Josephson 1995: 170) noch andere näher liegende Bedeutungen wie ‚um … herum‘ (kank-), ‚am angegebenen Ort‘ (passend zur mittelheth. Funktion) oder ‚damit‘ (passend zur möglichen Etymologie *k̍om ‚zusammen, mit‘) können mehr als einen Teil der Belege erklären. Am erfolgversprechendsten scheint, =kkan funktional-etymologisch auf ähnliche Weise mit katta ‚herab‘ (⇒2.4.1.3, nicht katta(n) ‚dabei‘230) zu verbinden wie =an mit anda und =apa mit āppa (⇒2.3.1/2). Eine ähnliche Idee hat bereits Pedersen (1938: 154–159) geäußert, =kkan aber aus gekürztem kattan ‚unten, darunter‘ hergeleitet und das Moment der Vernichtung (=kkan kuen- = gr. katatheínō ‚erschlagen‘) betont. Die Partikel ist aber wie katta zumindest ursprünglich vergleichbar mit lat. de, das besonders als Präverb die Bedeutung ‚herab‘ hat, sonst aber auch allgemein separativisch ‚weg, von‘ bedeutet 231 und oft nur in verstärkender Funktion steht (wie arha). Dieser Ansatz erklärt auf einfache Weise nicht nur die Belege mit ablativischen und Transferverben (zu →1a ‚jmd. etw. abnehmen‘ vgl. lat. demere, zu →1b ‚abbeißen‘ vgl. demordere, zu →1e vgl. decedere ‚zurücktreten‘, zu →1h ‚weggehen‘ vgl. jünger arha payi-/pai-zi), sondern auch diejenigen mit kank- („herabhängen lassen“, vgl. lat. suspendere de/ex/ab ‚an etw. aufhängen‘, sowie auch KUB 17.10 IV 28232). Während die konkrete Bedeutung die Wendung =kkan kuen- als „nieder-schlagen“ erklären kann, so kann man wie beim Präverb lat. de- auch eine abstrakte, telische Funktion ansetzen, z. B. bei →1g =kkan sa(n)h-zi ‚ab-suchen → reinigen‘ (s. CHD Š: 168–171, ebenso vielleicht →1i ‚austrinken‘) oder später belegtem =kkan sa(n)hu-zi ‚(fertig)rösten‘ (z. B. KBo 15.10+KBo 20.42 III 45'; mH/mS, vgl. lat. decoquere ‚ab-, fertigkochen‘). Die Sonderfälle →1d und →1f lassen sich so ebenfalls erklären, nämlich =kkan huwai- als ‚etw. ablaufen‘ (vgl. lat. decurrere) – somit „Man läuft einmal am Herd entlang“ –, und das semantisch unklare =kkan walh-zi könnte als Terminus technicus ‚(den Preis) herabdrücken‘ verstanden werden. Von dieser Grundlage aus lassen sich die späteren Funktionen der Ortsbezugspartikel durch zunehmende Desemantisierung leicht erklären (s. u.). 233 Eine offene Frage ist nur noch die mittelhethitische Verallgemeinerung von =kkan mit anda (⇒2.4.1.1), die dazu wenig passend erscheint. In dem althethitischen Bsp. →3b hilft wieder der Vergleich mit dem Lateinischen: Hier könnte man parallel deferre verwenden, das ursprünglich zwar ‚(her)abtragen‘, unter Vernachlässigung des Ausgangspunktes, dafür aber mit Zielpunkt auch ‚weg-, hintragen‘ bedeutet. Im konkreten Fall (→3b) ersetzt =kkan die im Rückgang befindliche Partikel 230 katta(n) ‚dabei‘ steht auch im Mittelheth. stets ohne (verstärkendes) =kkan/=asta, während die inhaltsgleichen Partikeln beim separativen Abl. verallgemeinert werden, nachdem =asta altheth. beim Abl. noch kaum auftritt (⇒2.3.3). Zum etymologischen Zusammenhang von *k̍om mit *k̍m̥-t- ‚herab, dabei‘ s. Kap. 4.1.3.5, 4.1.4.2. 231 Zur Überschneidung von Delativ und Ablativ vgl. auch dt. ab – her-/hinab, abwärts. Die funktionale Nähe dürfte kognitiv begründet sein, denn was sich von einem Lokatum ablöst, fällt bei passender Ausgangslage bedingt durch die Schwerkraft herab, so trivial dies auch klingen mag. 232 GIŠeyaz=kan UDU-as KUŠkursas kankanz „An die Eibe? ist das Vlies eines Schafes gehängt./Aus der Eibe? hängt eine Jagdtasche aus Schaffell“ (aH/mS), ein sog. Point-to-point attachment (⇒3.1.1.3). – Ein solche Vermutung findet sich schon bei Boley (1992: 17): „-kan may indicate a sence ‘hang off of’ rather than a simple Loc.“ (zu Bsp. →1c). 233 Vgl. auch die ablativische Partikel frz. en, it. ne < lat. inde ‚daher‘ (Boley 1989: 105–111).
130
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
=an (→3a), die an dieser Stelle lautlich unkenntlich und verwirrend gewesen wäre (anda + =an ‚hinein‘ ≈ andan ‚drinnen‘) vielleicht auch aufgrund phonetischer Nähe und einer bereits nicht mehr spezifischen Bedeutung.234 2.3.5-3a: KBo 17.1+ I 32' (aS) ÉRIN.MEŠ-n=an kuis
anda pētai
Truppe:AKK.SG=OBP REL:NOM.SG.C rein
hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Wer die „Truppe“ [eine Figur] hineinbringt, …“ 2.3.5-3b: KBo 17.1+ I 26' f. (aS) anda=⌈kan⌉235 halīnas tessummius=sa rein=OBP
tar⌈lipi⌉t
sūwamus
2-TAM
Ton:GEN.SG Becher:AKK.PL=KONN (Flüssigkeit):INS voll:AKK.PL.C zweimal
pētumeni hinschaffen:PRS.1PL.AKT
„Wir bringen zweimal mit t.-Flüssigkeit gefüllte Becher aus Ton hinein.“ Im Mittelhethitischen sind =an und das ortsangebende andan ausgestorben, dafür steht =kkan jetzt regelmäßig mit anda (vgl. zum Ersatz von =an →3ab), wenn dieses einen Ort oder ein Ziel im Dativ-Lokativ neben sich hat („in“) oder solche aus dem Kontext, meist dem vorheri gen Text, zu ergänzen sind („drinnen“/„hinein“). Der kognitiv bedeutende Spezialfall, dass das Ziel eine Oberfläche ist („an, auf“, sog. Location on a body, ⇒3.1.1.3) wird zunächst noch mit der Oberflächenkontakt bezeichnenden Partikel =ssan (⇒2.3.4) ausgedrückt. Wenn kein räumlicher Bezugspunkt, sondern nur eine Bewegungsrichtung gegeben ist („einwärts“, oft auch übertragen), steht anda ohne =kkan, vgl. Salisbury (2005: 20 f.), die die junghethitischen Beispiele →4ab anführt. Vgl. besonders den Kontrast in →4c und den impliziten Bezug in →4d: 2.3.5-4a: Bo 86/299 I 23 (Bronzetafel; jH) nu=ssi ABUYA ZAG anda huettiat KONN=3SG.D/L.C Vater:POSS.1SG Grenze drinnen ziehen:PRT.3SG.AKT
„Mein Vater hat seine Grenze eingezogen (= verkleinert).“ 2.3.5-4b: KBo 5.8 II 30 (jH) antuhsatar=ra=z=kan kuit
tēpauwaz anda [hu]ettiyan
Bevölkerung=KONN=REFL=OBP obwohl gering:ABL drinnen ziehen:PTZ.AKK.SG.N
harta halten:PRT.3SG.AKT
„Obwohl er die Bevölkerung bei sich in geringer Zahl zusammengezogen hatte, …“
234 Ob =kkan sich auch schon mit anda verbinden konnte, als die OBP =an noch lebendig war (wofür typologischetymologische Parallelen sprechen, ⇒4.1.3.5), ist mangels Belegen unklar. 235 Anders HW2 (A: 128): anda=⌈ap⌉, die OBP =apa steht sonst aber mit anda nie in illativ. Bedeutung (⇒2.3.2).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
131
2.3.5-4c: HKM 18 l. Rd. 4 f. (mH/mS) n(u)=an anda ēpten
n(u)=an=kan
ÉSAG.ḪI.A236
KONN=3SG.AKK.C drinnen ergreifen:IMP.2PL.AKT KONN=3SG.AKK.C=OBP Speicher
anda ishūitten drinnen schütten:IMP.2PL.AKT
„Bringt es [Getreide] ein und schüttet es in die Speicher hinein.“ 2.3.5-4d: KBo 21.47+ III 11' (mH/mS) nu=kan GAL.ḪI.A GIR4 kuiēs KONN=OBP Becher
anda kianta
Brennofen REL:NOM.PL.C drinnen liegen:PRS.3PL.MP
„(Er öffnet den Kasten.) Die gebrannten Becher, die darin liegen, …“ =kkan als Angabe eines im Kontext relevanten Bezugspunktes237 (vgl. auch Boley 2000: 414 f., GHL: 373 u. a.), der Quelle, Ort und Ziel sein kann, findet sich auch zusammen mit anderen Ausdrucksmitteln, gerade bei srā ‚hoch‘ (⇒2.4.1.2), somit srā ‚aufwärts‘ – =kkan srā ‚hinauf von/zu‘ („von/zu einem Punkt hoch“) und katta ‚herab, hinunter‘ (⇒2.4.1.3). Von dort aus nimmt =kkan fast die Bedeutung ‚dort‘ an,238 was gut sichtbar wird bei Place Words, die sich gewöhnlich nicht mit Ortsbezugspartikel verbinden, z. B. ortsanzeigende wie peran (→5a, vgl. Boley 2000: 416) oder prā (⇒2.4.1.5) in der Bedeutung ‚voran‘, das sonst selbst mit explizitem Ziel ohne Partikel steht, um es von =asta/=kkan prā ‚hin-/heraus‘ zu unterscheiden: 2.3.5-5a: Bo 2006/01 11 f. (mH/mS) URU Dupura=smas=kan kuit peran (ON)=3PL.D/L.C=OBP
weil vorne
„(Die Leute von Tasli wagen es nicht, zu mir zu kommen,) weil sich Tubora dort [=kkan: auf dem Weg von Tasli zum Sprecher] vor ihnen befindet.“239 2.3.5-5b: HKM 25 18 (mH/mS) n(u)=as=kan ANA KISLAḪ prā arnutten KONN=3PL.AKK.C=OBP DAT Dreschplatz voran schaffen:IMP.2PL.AKT
„(Zieht nach Kasebura. […]) Bringt sie dort [=kkan] weiter zum Dreschplatz.“ Da im letzten Beispiel von frisch geerntetem, noch nicht eingelagertem Getreide die Rede ist, ist eine Übersetzung „(aus dem Speicher/aus der Stadt) hinaus“ hier unwahrscheinlich. 236 Nach Hoffner (2009: 128). Die Autografie bietet -tén. 237 Ein anschauliches Bsp. ist auch KUB 9.22 II 42 f. (mH/mS, ebenso II 31–33): („Die zwei Pflöcke, die außerhalb vor dem Tor des Innengemachs sind, schlägt er“) nu=ssan DUGkappin srā dāi ⌈ser⌉=ma=an=kan isdapi „Er setzt ein k.-Gefäß (auf sie) drauf und verschließt es dort [=kkan] oben.“ 238 S. Boley (2000: 153 f.). Dies könnte die Kollokation von = kkan mit āss-zi ‚bleiben‘ erklären, vgl. neben IBoT 1.36 III 42 (mH/mS) noch z. B. nu=wa(r)=kan mān wet namma kuit⌈ki⌉ āssan „»Wenn (dort) irgendetwas übrig geblieben sein sollte, …«“ (HKM 66 16 f.; mH/mS). 239 Dagegen üblicher Gebrauch ohne =kkan: [ E]N.SÍSKUR=ya=smas peran parkuis ēsdu „Auch der Ritualherr soll vor euch rein sein“ (KUB 43.58 I 49; mH/mS) u. v. a. (⇒2.4.1.5).
132
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
In dieser Funktion ist =kkan weitgehend unabhängig vom Prädikat oder Place Words, wie auch Hoffner/Melchert (GHL: 372 f.) anhand des folgenden Beispiels zeigen, bei dem die Partikel aufgrund des gemeinsamen Kontextes in allen Sätzen steht. Da der Beleg überwiegend dynamische Ablative enthält, ist =kkan aber nur mit dem bloßen Dativ-Lokativ sasti überraschend: 2.3.5-6: KBo 4.2 IV 28–32 (jH) IŠTU GIŠBANŠUR=ma=z=kan kuēzz240 azzikenun ABL/INS Tisch=KONN=REFL=OBP
GAL=ya=kan
kuēzz
IŠTU
REL:ABL essen:IPFV:PRT.1SG.AKT ABL/INS
akkuskenun
sasti=ya=z=kan
Becher=KONN=OBP REL:ABL trinken:IPFV:PRT.1SG.AKT Bett:D/L.SG=KONN=REFL=OBP
kuedani
seskeskenun
IŠTU
URUDU
ÁBxA=ya=z=kan
REL:D/L.SG schlafen:IPFV:IPFV(!):PRT.1SG.AKT ABL/INS Waschbecken=KONN=REFL=OBP
kuēzz
arreskenun
REL:ABL waschen:IPFV:PRT.1SG.AKT
„Mein Tisch, an („von“) dem ich immer aß, und der Becher, aus dem ich immer trank, und mein Bett, in dem ich immer schlief, und mein Waschbecken, aus dem ich mich im mer wusch, …“ Spätestens ab dem Beginn der mittelhethitischen Periode, vielleicht schon etwas früher (vgl. Boley 2000: 42–44, 423), beginnt =kkan, schrittweise die Funktionen von =asta zu übernehmen, das mit der Zeit zur bloßen, teilweise komplementär verteilten Variante wird (⇒2.3.3). =kkan erscheint bei allen Arten ablativischer Ausdrücke, beim Ablativ unterscheidet es zunehmend zwischen echten Quellangaben (mit OBP) und statischem Gebrauch als Orientierungspunkt oder anstelle des Instrumentals (ohne OBP, ⇒2.1.2), die Partikel ist also von der Gesamtbedeutung des Satzes abhängig, nicht mechanisch von einem Kasus. Im jüngeren Mittelhethitisch hat =kkan das ursprüngliche =asta auch bei translativen Verben völlig ersetzt (→7ab), dafür findet sich die Variante =asta auch im Bereich des altheth. =kkan (→7c, vgl. →1g) oben. 2.3.5-7a: KUB 30.10 Vs. 12' (mH?/mS) lingain=na=sta ŪL kussanka sarrahhat Eid:AKK.SG=KONN=OBP NEG jemals
überschreiten:PRT.1SG.MP
„Auch einen Eid habe ich niemals überschritten.“ 2.3.5-7b: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 42 (mH/mS) m zig=(m)a=kan Maddu[watt]as ŠA! ABI dUTU[ŠI lingā]us? du:NOM=KONN=OBP (PN):NOM.SG
GEN Vater (Titel)
Eide:AKK.PL
sarratta überschreiten:PRT.2SG.MP
„Du aber, Matuwata, hast die Eide auf den Vater meiner Majestät übertreten.“ 240 ku-e-ez-za, ebenso im Folgenden.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
133
2.3.5-7c: KUB 17.10 I 24–26 (aH/mS) īt=war=asta pargamus
ḪUR.SAG.DIDLI.ḪI.A sāh §
hingehen:IMP.2SG.AKT=„“=OBP hoch:AKK.PL.C Berge
hā⌉rīus=kan
suchen:IMP.2SG.AKT
⌈hall⌈ūm⌉us sāh
Tal:AKK.PL=OBP tief:AKK.PL.C suchen:IMP.2SG.AKT
„»Geh, durchsuche die hohen Berge! [§-Strich] Durchsuche die tiefen Täler!«“ =asta wird nach Verlust der konkreten Bedeutung v. a. als syntaktische Verknüpfung ver wendet, wobei die genauen Kontexte des Auftretens noch zu klären sind. In der jüngeren Sprache wird auch diese Funktion von =kkan übernommen, woraufhin =asta im Junghethitischen langsam ausstirbt (s. Boley 2000: 73–75). Wie bei diesem kann man den syntaktischen Gebrauch von =kkan besonders gut in Kontexten sehen, die sonst keine Partikel verlangen: 2.3.5-8a: HKM 52 30 f. (mH/mS) namma=kan ANA É-YA ferner=OBP
LÚ
UKU.UŠ
peran tittnut
DAT Haus:POSS.1SG Schwerbewaffneter vorne
stellen:IMP.2SG.AKT
„Ferner stelle einen Schwerbewaffneten vor meinem Haus auf.“241 2.3.5-8b: HKM 24 59 (mH/mS) nu=war=a[t=k]an hatrām[i] KONN=„“=3SG.AKK.N=OBP schreiben:PRS.1SG.AKT
„»Und ich werde es schreiben.«“242 Zu dieser Zeit beginnt =kkan auch, in den Bereich von =ssan (⇒2.3.4) einzudringen, das bis dahin eigenständig geblieben war. Durch die Verlagerung der Lokalisation auf die Place Words (⇒2.4/5) und das Aussterben der anderen Partikeln ist im 14. Jh. =ssan aber nur noch neben anda distinkt (=kkan anda ‚in‘ – =ssan anda ‚an, auf‘), so dass es neben ser ‚oben‘ (→9ab) und schließlich auch neben anda (→9cd) langsam von =kkan ersetzt wird, zunächst in Form freier Variation im Text. Allein stehendes =ssan + Dat.-Lok. i. S. v. ‚auf, an‘ wird vereinzelt auch durch bloßes =kkan vertreten (z. B. KUB 55.43 III 33'; mH/mS), im Junghethitischen aber eher durch =kkan srā, wofür es bereits mittelhethitische Beispiele gibt (⇒2.4.1.2, vgl. Boley 2000: 124, 178). Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat die Partikel keinerlei konkrete Bedeutung mehr, sondern ist nur noch ein abstrakter „Switch“ zwischen unterschiedlichen Bedeutungen der verschiedensten Ausdrucksmittel (z. B. beim Abl., prā, ser). 2.3.5-9a: KUB 55.43 II 4 f. (mH/mS) n(u)=an=san EGIR[-pa] ANA DINGIRLIM is⌈k⌉rantas KONN=3SG.AKK.C=OBP wieder
DAT Gottheit
ser
feststecken:PTZ.D/L.PL.C oben
241 Hier könnte auch der Gebrauch als allgemeiner lokaler Bezugspunkt vorliegen, da der Ort vorerwähnt ist. 242 Das Verb hatrae-zi mit dem Dat.-Lok. steht sonst ohne OBP. Syntaktischer Gebrauch liegt vielleicht auch in nu=kan NA⁴huwasiḪI.A GÌR-a[z] lagāri „Die Stelen? tritt er mit dem Fuß um“ (KBo 24.1 13'; mH/mS) und kēzi=ya=ka[n] ku⌈i⌉ēs weses „Die Weiden, die sich diesseits befinden, …“ (KBo 32.14 II 28; mH/mS) vor.
134
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
dāi setzen:PRS.3SG.AKT
„Er setzt ihn wieder auf die festgesteckten Gottheiten.“ 2.3.5-9b: KUB 55.43 IV 10' (mH/mS) KUŠ n(u)=an=kan kursi ser dāi KONN=3SG.AKK.C=OBP Vlies:D/L.SG oben setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt es [Brot] auf das Vlies.“ 2.3.5-9c: KUB 45.47 II 14 (mH/mS) n(u)=at=san Ì-i anda sūniyazzi kONN=3SG.AKK.N=OBP Öl:D/L.SG drinnen tauchen:PRS.3SG.AKT
„Er taucht es in Öl ein.“ 2.3.5-9d: KUB 45.47 I 53 (mH/mS) [n(u)]=at=kan ANA Ì GIŠSERDI anda sūniyazzi KONN=3SG.AKK.N=OBP DAT Öl Olive
drinnen tauchen:PRS.3SG.AKT
„Er taucht es in Olivenöl ein.“ Die Partikel kommt darüber hinaus in verschiedenen Spezialbedeutungen vor, teilweise mit einzelnen Verben.243 Beim Akkusativ des Weges, der besonders neben einigen Place Words bzw. Place-Word-Kombinationen zu finden ist (⇒2.1.4.2, 2.4.2.3, 2.4.4.1), steht =kkan wohl zum Ausdruck des räumlichen Referenzpunktes. Eine Besonderheit ist der Gebrauch mit einer Namensnennung, der laut Boley (2000: 241–245) nur in mittelhethitischen Ritualen auftritt: 2.3.5-10: KBo 17.54+ I 7' (mH/mS) n(u)=an=kan ŠUMŠU
tezzi
KONN=3SG.AKK.C=OBP Name:POSS.3SG.M sprechen:PRS.3SG.AKT
„Er nennt ihn beim Namen.“ Vielleicht handelt es sich aufgrund der geringen Zahl der Belege gar nicht um eine besondere, heute unverständliche Konstruktion, sondern um syntaktisches =kkan.244 Es gibt natürlich noch weitere Fälle, bei denen der Gebrauch der Partikel nur schwer nach den hier (oder von anderen) aufgestellten Regeln zu erklären ist. Aufgrund der sehr allgemeinen Bedeutung besteht natürlich auch die Gefahr, nicht beweisbare Nuancen in Belege hineinzulesen. In den folgenden Beispielen könnte z. T. die aus dem Althethitischen bekannte 243 S. Boley (2000: 273–384) für zahlreiche Bsp., die Interpretation ist jedoch häufig zweifelhaft, auch nehmen jungheth. Abschriften, die gerade bei =kkan kaum einen Aussagewert haben, einen zu großen Platz ein. – In vielen Fällen ersetzt auch hier =kkan andere OBP, vgl. ispānt-/ispant-i ‚libieren‘, das beim Tieropfer ursprünglich mit =asta (i. S. v. „(zum Opfer) ausgießen“) steht und mittelheth. regelmäßig mit =kkan auftritt. 244 In einigen ähnlichen, aber nicht gleichen Fällen ist die OBP ablativisch zu verstehen, vgl. n(u)=asta ⌈ŠUMMI⌉ LUGAL tagnās dUTU-i peran āssu tarsk[ī] „Sprich den Namen des Königs vor der Sonnengöttin der Erde immer wieder gut aus“ (KBo 7.28+KBo 8.92 Vs. 19; mH?/mS), evtl. auch =kkan halz(a)i-i „aus-rufen“ = ‚laut vorlesen‘ in HKM 21 22–24. Vielleicht ist von hier aus eine analogische Übertragung der Partikel auf andere Konstruktionen aus diesem Bedeutungsbereich erfolgt.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
135
telische Funktion von =kkan vorliegen (→11bc),245 aber z. B. in →11a ist die Ratio für das Auftauchen von =kkan ebenso unklar wie sein Fehlen in →11d (ebenso in →2.3-6). Erklärungsbedürftig ist auch das einleitend (⇒2.3) besprochene Fehlen der Partikel im Konditionalsatz mit takku. 2.3.5-11a: KBo 24.45+ Rs. 9 (mH/mS) 7 hazizi KÙ.BABBAR iyan=ma=at=kan 7 Ohr
Silber
IŠTU
1 GÍN
machen:PTZ.NOM.SG.N=KONN=3SG.NOM.N=OBP ABL/INS 1 Schekel
KÙ.BABBAR Silber
„Sieben „Ohren“(?) aus Silber, gemacht ist es [= jedes davon (=kkan)?] aber aus einem Schekel Silber.“ 2.3.5-11b: KBo 15.10+KBo 20.42 I 37 (mH/mS) nu=z=kan KUR-e hassik⌈du⌉ KONN=REFL=OBP Land:NOM.SG sich sättigen:IMP.3SG.AKT
„Das Land soll sich sattessen.“ 2.3.5-11c: KBo 24.66+ IV 67 (mH/mS) kinun=na=as=kan ⌈QATAMMA sun⌉nai jetzt=KONN=3PL.AKK.C=OBP ebenso
„Und jetzt füllt er sie ebenso.“
füllen:PRS.3SG.AKT
246
2.3.5-11d: IBoT 1.36 I 48 (mH/mS) LÚ MEŠEDI=ma Éhilamni ⌈anda⌉ innar⌈ā ŪL⌉ tiyēzzi Leibwächter=KONN Torbau:D/L.SG drinnen absichtlich NEG treten:PRS.3SG.AKT
„Ein Leibwächter tritt aber nicht gezielt in den Torbau hinein.“247 Die weitere Entwicklung im Junghethitischen sei hier nur kurz angerissen: =kkan wird auf Kosten von =asta und =ssan weiter verallgemeinert, bis es spätestens ab der Mitte des 13. Jhs. die einzige produktive Ortsbezugspartikel ist. Aus dem Gebrauch mit dā-/d-i ‚nehmen‘ erfolgt eine Ausweitung auf den Dativus incommodi bei Verben des Sterbens (vgl. Boley 2000: 223–228, GHL: 371 f.248), z. B.: 2.3.5-12: KBo 4.14 III 37 f. (jH) nu=kan BE-an ANA LUGAL ARAD.MEŠ ZI KONN=OBP wenn
DAT König
Diener
akkanzi
Seele sterben:PRS.3PL.AKT
245 Zum Weiterleben dieser Funktion bis ins Jungheth. vgl. z. B. man=si kattan tehhun mān=an=kan katta tehhun „Ich hätte sie belagern und erobern können“ (KBo 2.5 I 4; jH). 246 Gegen Boley (2000: 333 f.) steht =kkan bei Verben des Füllens auch mit einfachem Akk., ohne Instr. 247 Vielleicht gibt der Dat.-Lok. hier einen allgemeinen Ort für die Handlung an, nicht deren Ziel (also „er tritt im Torbau nicht ein“ = „stellt sich hin“?). In solchen Fällen steht keine Partikel, vgl. n(u)=at apiya anda daisten „Set it (i. e., the case) down there“ (HKM 60 15; mH/mS; Übersetzung bei Hoffner 2009: 212). 248 Der Verweis auf (ugs..) engl. to die on someone geht jedoch fehl, es handelt sich eher um eine ablativ. Metapher wie im (ugs.) dt. „jmdm. wegsterben“.
136
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Wenn die bevorzugten Diener des Königs sterben, …“ Während sonst keine neuen Verwendungsweisen hinzukommen, geht der Partikelgebrauch allgemein im Junghethitischen etwas zurück, besonders bei statischer Lokalisation mit anda und ser (vgl. Boley 2000: 174–179) ist eine größere Freiheit bei der Setzung als im Mittelhethitischen zu beobachten. Dabei wird =kkan anscheinend auf anda statt auf den gesamten Lokalisationsausdruck bezogen, vgl. LUGAL-us anda=kan paizzi (IBoT III 1 Vs. 22 f.; jH). Da die Partikel in der jüngeren Sprache bei anda verallgemeinert wurde, hat sie keine sichtbare Funktion mehr, weshalb sie aus ökonomischen Gründen zu schwinden beginnt (Boley 2000: 424). Diese spätjunghethitische neue Entwicklung wurde durch das Ende des Hethiterreichs und das mutmaßliche baldige Aussterben der Sprache abgebrochen. Insgesamt betrachtet zeigt sich, dass die Reduzierung der Ortsbezugspartikeln von fünf auf zuletzt eine keine zwangsläufige Entwicklung aufgrund einer besonders flexiblen globalen Bedeutung (z. B. ‚[Topologisch]‘) von =kkan gewesen ist, sondern dass sich diese Partikel in mehreren, teilweise vielleicht zufälligen Schritten ausgebreitet hat – bei =an evtl. wegen phonetischer Ähnlichkeit, bei =asta wegen semantischer Überschneidung, =apa fiel von alleine weg, =ssan schließlich war zuletzt nur noch bei anda kontrastiv und somit unökonomisch.249 Die Veränderungen lassen sich in dem Schaubild 2.3.5-1 auf der folgenden Seite zusammenfassen. Es ist zu betonen, dass sich die auf die Reduzierung der Ortsbezugspartikeln hinauslaufende Entwicklung aus dem Hethitischen selbst erklären lässt, d. h. aus dem spezifischen Gebrauch der Partikeln und ihren Bedeutungsüberschneidungen. Es ist daher trotz des wohl parallelen Gebrauchs der Ortsbezugspartikeln =tar (≈ =ssan) und =tta (≈ =kkan) des (Keilschrift-)Luwischen nicht nötig, von einem kontaktinduzierten Sprachwandel auszugehen (so Rieken 2006: 280, 2009: 43, Yakubovich 2010a: 63).250
249 Einen etwas anderen Weg zeichnet Goedegebuure (2007a: 48): Während die OBP im Altheth. konkret lokal sind und nicht-dimensionale Verben wie harp-tta(ri) ‚die Seite wechseln, sich verbinden‘ ohne OBP stehen, komme es im frühen Mittelheth. zu einer gewissen Abstraktion hin zu allgemeiner Gerichtetheit von Handlungen mit Bezug auf be lebte Aktanten, wobei =ssan ‚zu‘ und =asta ‚von‘ bedeuteten. Später im Mittelheth. würden diese Funktionen dann von =kkan übernommen. Zum Einen kennt =ssan allerdings schon in der alten Sprache die übertragene Bedeutung ‚gegen‘ (s. CHD Š: 148–150; die Belege sind zwar aH/jS, aber zu zahlreich und zu abweichend von der jungen Sprache, als dass sie allesamt verderbt sein könnten), zum Anderen wird die ablativ. Komponente von =asta mittelheth. ja gerade schnell abgebaut, außer bei ablativ. Verben. 250 Für einige Anmerkungen allgemeiner Art zum heth.-luw. Sprachkontakt s. die Einleitung von Kapitel 4.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
137
=apa
=asta
=an
=kkan
=ssan
aH 1
mH
2 3 4 5
jH 6 Abb. 2.3.5-1 | Entwicklung der Ortsbezugspartikeln vom Alt- zum Junghethitischen 251
2.4 Lokale Adverbien und Place Words Neben Kasusformen und Ortsbezugspartikeln können im Hethitischen auch andere Lexeme allein stehend oder in Verbindung mit weiteren Ausdrucksmitteln als lokale Adverbiale im Satz fungieren. Der kleinere Teil von ihnen sind gewöhnliche Lokaladverbien wie andurz ‚innen‘, kā ‚hier‘ (⇒2.4.3 und ein Gutteil der Wörter in ⇒2.5, 2.6.1, 2.6.2), der zahlenmäßig und vom Gebrauch her größere sind die sog. statischen und dynamischen Place Words, 252 z. B. andan ‚innen, drinnen, in‘, tapusa ‚seitlich‘ (⇒2.4.1, 2.4.2, 2.5.1, 2.5.4, 2.5.5). 253 Die Einteilung in drei Gruppen (allerdings mit fließenden Übergängen 254) erfolgt auf Grundlage ihres Vorkommens in vier syntaktischen Funktionen, die die umseitig folgende Übersicht zeigt:
251 Beschriftung der Pfeile: 1: Übergang der (pleonastischen) Konstruktion =an anda → =kkan anda; 2: schrittweiser Übergang der separativen Bedeutung von =asta auf =kkan; 3: Unterdrückung von =kkan in allen Gebrauchsarten durch =asta in Funktion einer Konjunktion (bisweilen aber satzinternes =kkan); 4: Übergang aller Funktionen von =asta zu =kkan, =asta nur noch Variante; 5: Übergang aller Funktionen von =ssan zu =kkan, =ssan nur noch Variante; 6: Ende der Überlieferung, vorher Schwundtendenzen von =kkan. 252 Ein Hinweis zur Terminologie: Boley (1989 etc.) u. a. gebrauchen „Place Words“ für beide genannten Gruppen, Melchert (z. B. GHL) u. a. hingegen „local adverbs“, ebenfalls für beide. Da die in 2.4.1 etc. behandelten Lexeme al lerdings nicht nur Adverbien sind, sondern sich daneben auch reine Adverbien finden, werden die andernorts austauschbaren Termini distinktiv verwendet, auch wenn die Trennung nicht immer scharf ist (z. B. bei arha). 253 Das in Vogelorakeln auftretende angebliche Lokaladverb priyawan entfällt, da seine bisher unklare Bedeutung unlängst als ‚schräg‘ bestimmt werden konnte, s. Sakuma (2009: 110–112). 254 So ist arha z. B. ursprünglich ein Adverb (erstarrte Kasusform), wird aber auch als sehr produktives Präverb ge braucht (⇒2.5.1.1). Das Adverb kunnaz ‚rechts‘ (ebenfalls eine Kasusform) fungiert auch als Relator (⇒2.4.3.5).
138
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
relationales („freies“) Adverb Proadverbial Präverb Postposition statische PW
255
+
+
(+)
+
dynamische PW
+
+
+
(-)
Lokaladverbien
+
(-)
(-)
(-)
Tab. 2.4-1 | Syntaktische Funktionen von Place Words und Lokaladverbien (Klammern = eingeschränkt)
Aus der Tabelle lässt sich entnehmen, dass die Place Words anders als die Lokaladverbien als Relatoren fungieren. Unter diesem Oberbegriff kann man zwei oder mehr Wortarten oder Ge brauchsweisen von Wörtern mit mehreren Verwendungsweisen verstehen, die allesamt die Relation zweier Objekte oder Sachverhalte zueinander beschreiben, d. h. im hiesigen Kontext, die Relation eines Objektes oder Sachverhalts zu einem Ort. Typologisch betrachtet sind dies zum Einen relationale Substantive, wie sie z. B. im Türkischen und Japanischen ausgeprägt sind, zum Anderen je nach Sprache entweder Adpositionen, Proadverbiale und lokale „Adverbien“ (vgl. auch ⇒2.4.3), oder eine neu anzusetzende Klasse von Lexemen, die (lokalen) Relatoren i. e. S., welche die drei vorgenannten Wortarten umfasst. Der folgende Exkurs skiz ziert einige allgemeine Aspekte der morphologischen Grundlage von Relatoren. Exkurs: Zunächst zu den relationalen Substantiven: Hierbei handelt es sich um Substantive, die sich syntaktisch wie alle anderen Mitglieder dieser Wortklasse verhalten, funktional aber durch ihre abstrakte Grundbedeutung (z. B. „Unterseite“, „Vor-Bereich“) oder Metaphorisierung einer konkreten Bedeutung (z. B. Fuß in am Fuß des Berges) lediglich relationalen Inhalt wie z. B. die deutschen Präpositionen haben. Im Türkischen stehen so Abstrakta wie ön ‚Vorderseite, Vor-Bereich“ nach dem Bezugswort im Genetiv und mit enklitischem Possessivsuffix, die Fundamentalrelationen (⇒2.4.1) werden durch die regulären Kasusendungen für Dativ (= Allativ), Lokativ und Ablativ am relationalen Substantiv ausgedrückt, z. B. evin önünde „vor dem Haus“, evin önünden „von vor dem Haus weg“. Ein solches System ist mnemotechnisch vorteilhaft (keine Sonderregeln, Ausnutzung einer einzigen lexikalischen Basis), die Formen sind aber für hochfrequente Ausdrücke für lokale Relationen vergleichsweise lang, was Zipfs Gesetz256 widerspricht. Viele Sprachen kennen daher eine morphologisch gesonderte, womöglich geschlossene Klasse 257 kurzer Funktionswörter relationalen Inhalts, die Adpositionen. Je nach Position zum Bezugswort treten sie als Prä- (z. B. dt. vor …), Ambi- (wegen …/… wegen), Zirkum- (um … willen) oder Postpositionen (… halber) auf. Adpositionen gelten häufig als indeklinabel, tatsächlich werden sie aber 255 Die sog. nicht-korrespondierenden Place Words istarna, katta(n), priyan und p(ar)rānda (⇒2.4.2) teilen die Funktionsvielfalt der statischen PW. 256 Je häufiger ein Wort gebraucht wird, desto kürzer und polysemer ist es (s. König/Kortmann 1991: 111). 257 Nach Rauh (1990) und König/Kortmann (1991: 109) seien Adpositionen eine offene Klasse, dagegen hält Svorou (s. gleich) sogar die lokalen Adverbien für eine geschlossene Klasse. Die drei wichtigsten Argumente für Letzteres, 1. es handle sich um reine Strukturwörter mit 2. geringer Eigenbedeutung, wobei es 3. keine Neuzugänge gäbe, treffen im Heth. kaum zu, da die PW neben weitgehend autonomen Kasus auftreten, nur wenig desemantisiert sind und im Verlauf der Sprachgeschichte auch neue PW in adpositionaler Funktion auftreten.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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viel häufiger flektiert als angenommen (Stolz 1990). Im Deutschen gibt es einige Vorstufen aus Präposition + bestimmten Artikel (am, ans, zur), im Italienischen ist ein solches System aber für sieben Grundpräpositionen fast vollständig ausgebaut, so dass man von präpositionaler Flexion sprechen kann, zu vergleichen sind noch die konjugierten Präpositionen der keltischen Sprachen (ebd. 335– 340). Das Bezugswort einer Adpositionen ist dieser syntaktisch untergeordnet und nicht direkt vom Verb abhängig (Lehmann 1995: 74 f.). Im Deutschen sind sie außer für topologische Relatio nen auch für den relativen und den intrinsischen Referenzrahmen verwendbar, nicht aber für absolu te Ausdrücke (Wunderlich 1985b: 75, vgl. allgemein Levinson 2003: 105). In Europa herrschen Prä positionen vor, Postpositionen finden sich weitaus seltener. Sie treten mit verschiedenen Kasus in Verbindung, aufgrund ihrer Entwicklung aus verdeutlichenden Adverbien neben semantischen Kasus oder regierten Substantiven (s. u.) stehen sie gewöhnlich mit dem Genetiv oder einem anderen obliquen Kasus, sofern solche noch vorhanden sind. Im Ungarischen und im Albanischen gibt es al lerdings auch Adpositionen mit dem Nominativ. Funktional treten die Adpositionen neben oder anstelle von Lokalkasus (⇒2.4.1) auf, auch etymologisch kann es hier enge Verbindungen geben, vgl. Stolz (1992). Die Form der Adpositionen (vgl. Svorou 1994: 108) ist abhängig von ihrer historischen Quelle, ihrer Bedeutung und auch dem syntaktischen Kontext: In vielen Sprachen findet man freie Adpositionen neben Substantiven, aber affi gierte am Pronomen, vgl. dt. wegen Peter – meinetwegen. Sie können ein- (z. B. dt. in) oder polymorphemisch (z. B. engl. in front of) sein. Bei Adpositionen nominaler Herkunft gibt es bisweilen solche mit bewahrten obsoleten Kasusendungen. Dies kann funktional nützlich sein (vgl. das oben zu den relationalen Substantiven Gesagte!), da es den Rückgriff auf éin Lexem für bedeutungsnahe Varianten erlaubt (s. Stolz 1990: 349).
Eng mit den eben genannten Adpositionen verwandt sind auch die sog. Proadverbiale („Pronominaladverbien“).258 Im Grunde handelt es sich hierbei um phorische Adpositionen, deren Bezugswort aus dem Ko(n)text ergänzt werden muss, sie vertreten also Adverbiale in gleicher Weise, wie Pronomina Substantive vertreten. Im Deutschen bestehen sie aus dem deiktischen Adverb da(r)- und der entsprechenden Adposition (z. B. darin, davor). Die in den letzten Absätzen angeführten Ähnlichkeiten von Adpositionen, Proadverbialen und Adverbien, die sich im Deutschen durch formale Kriterien klar in drei Wortarten aufteilen lassen (z. B. vor – davor – vorne), macht ein theoretisches Problem augenscheinlich, das zunächst kurz erörtert werden muss. Die Sprachwissenschaft befindet sich in einer terminologischen Falle, wie der erhellende Artikel von Rauh (1999) gezeigt hat: Die Bezeichnungen für Wortarten werden von den Linguisten zu Unrecht gleichzeitig für grammatische Kategorien verwendet, z. B. wird ein adverbial gebrauchtes Adjektiv (Der Vogel singt schön) „Adverb“ genannt.259 Dies wird dadurch begünstigt, dass in den europäischen Sprachen die prototypischen Vertreter der Haupt258 S. zu diesem Komplex Steinitz/Lang (1969: 148–153, vgl. auch die Übersicht ebd. 154). Bei Sprachen wie Türkisch oder Japanisch (s. o.) entsprechen den Proadverbialen relationale Substantive ohne explizites Bezugswort, aber evtl. mit Possessivum.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
wortarten auch grammatische Kategorien bilden, z. B. Objekt (semant.) = Substantiv (lexi kal.) = artikelfähig (grammat.). Erschwerend kommt hinzu, dass die seit der Antike überkommenen Grundwortarten heute noch trotz aller Probleme verwendet werden (ebd. 371–373). Dies führt zu einer unzureichenden Trennung der verschiedenen sprachlichen Domänen (387 f.). Eine Konsequenz dieser Praxis ist der Versuch, Transitivität auch bei Adpositionen/ Adverbien einzuführen (wonach Adverbien = intransitive Adpositionen oder Adpositionen = transitive Adverbien sind;260 368–371). Eine grammatische Kategorie ist eine Kategorisierung lexikalischer Einheiten auf Grundlage grammatischer Eigenschaften (Rauh 1999: 373). Die Wortarten werden von vielen als grammatische Kategorien angesehen, dies führt jedoch zu einer stetigen Vermehrung ihrer Anzahl (teils mit nur einem Mitglied!) und weiteren Schwierigkeiten (373–377). Während grammatische Kategorien aber aristotelisch aufgebaut sind, d. h., ihre Kategorienbildung be steht in der Auflistung der nötigen Eigenschaften, sind die Wortarten als prototypisch anzusetzen, d. h. als Menge möglicher Eigenschaften mit der typischen Unschärfe an den Rändern und dem Übergang zu anderen Prototypen, wobei man zwischen Ober- (z. B. „Möbel“), Ba +sis- („Stuhl“) und Unterbegriffen („Küchenstuhl“) unterscheiden kann (377 f.). Statt die Wortarten auf jeweils éine grammatische Kategorie abbilden zu wollen, sollte man daher versuchen, für jede lexikalische Einheit „individuelle Merkmalmengen“ (381) grammatischer Eigenschaften (z. B. +def, +deic, 3person, +count, -duration) anzugeben (Rauh 1999: 381– 383). Wie sich gerade auch für das Hethitische zeigt (s. u.), unterscheiden nicht alle Sprachen formal zwischen den drei oben genannten Kategorien, was die Frage aufwirft, ob man in solchen Fällen nicht eine einzige (prototypisch definierte) Wortart ansetzen sollte, die sich durch einzelne (aristotelisch definierte) grammatische Eigenschaften in ihrem Gebrauch unterscheidet. Augenfällig wird dies bei den relationalen Substantiven: Sie bleiben sowohl, wenn sie wie eine Adposition mit Bezugswort verbunden werden, als auch, wenn sie wie ein Proadverbial mit Possessivum oder wie ein Adverb frei stehen, dennoch jeweils ein Substan tiv. Bei Verlust verschiedener substantivischer Eigenschaften durch Grammatikalisierung ist daher eine Aufteilung in Adverbien und Adpositionen, wie sie in der Forschungsliteratur zu finden ist (⇒4.2.2) nicht zu rechtfertigen, zumindest solange der Relator formal gleich bleibt. D. h., ein ehemaliges Substantiv X ‚Oberseite, Über-Bereich‘ einer gegeben Sprache, das indeklinabel geworden und morphologisch isoliert ist, wird nach der traditionellen Terminologie „Adposition“ genannt, wenn es ein Bezugswort (im Genetiv) regiert, „Proadverbial“, wenn es alleine, 259 Dass solche Adjektive in vielen Sprachen formal markiert sind (-ly im Engl., -ment(e) in den romanischen Sprachen, -e im Esperanto usw.), ist kein Argument für eine eigene Wortklasse. Es handelt sich vielmehr um eine Art Kongruenzmarkierung, was z. B. im Esperanto bei der Substantivierung von Partizipien sichtbar wird: bele kanti „schön singen“ → bele kantanta „schön singend“, aber nicht → *bele kantanto „schön Singender“. 260 Diesen Weg geht z. B. Haug (2009: 104 –106), der im Grunde die gleiche unspezifische Wortart wie den gleich zu besprechenden „Relator“ ansetzt, sie aber „preposition“ nennt, wobei das Relatum „must either be overtly present, or given anaphorically or deictically“ (106).
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aber mit Bezug auf den Ko(n)text steht, und „Adverb“ (wieder mit Vermischung von lexikalischer und grammatischer Kategorie), wenn es keinen phorischen Wert hat, 261 obwohl Bedeutung und Form gleich sind. Es ist angemessener, hier eine eigene Wortart „Relator“ (i. e. S.) mit drei verschiedenen Gebrauchsweisen anzusetzen, solange diese sich nur in jeweils einem einzigen Kriterium unterscheiden. Für das Beispiel X bedeutet dies: 1. Adposition „über/auf“ [-syntaktisch/-semantisch gesättigt] Relator 2. Proadverbial „darauf, darüber“ [+syntaktisch/-semantisch gesättigt] 3. (sog.) Adverb „oben“ [+syntaktisch/+semantisch gesättigt] Die Nähe zwischen diesen Gebrauchsweisen kann auch für den Sprecher verwirrend sein, da sich in gewissen Kontexten Bedeutungsgleichheit einstellen kann (z. B. Lokativ + „Adverb“ = Genetiv + Adposition), was Sprachwandel auslösen kann (⇒4.2.2). Neben den abgeleiteten Adverbien und Proadverbialen kann es natürlich in den Sprachen der Welt auch verschiedenste ursprüngliche Adverbien mit räumlichem Bezug geben. Sie können topologische ebenso wie alle Arten perspektivierter Relationen (vgl. Levinson 2003: 105) ausdrücken, daneben gibt es eine Fülle deiktischer Adverbien, so dass diese Wortart wohl die größte inhaltliche Anwendungsbreite aller spatialen Ausdrucksmittel hat, 262 wobei die deiktische Verwendung aufgrund ihrer fehlenden Valenz überwiegt (Wunderlich 1985b: 75 f.). Nach Svorou (1994: 31) gehören die Lokaladverbien wie Adpositionen und Endungen in die Grammatik („spatial grams“), da sie eine geschlossene Klasse darstellen: Die Anzahl der Elemente ist gering, und sie werden nicht derivativ neu gebildet, sondern durch Grammatikalisierung verschiedener anderer Elemente erneuert. Zudem enthalten sie mehr „relational“ als „material content“ (im Sinne E. Sapirs), indem sie zur Strukturierung der Sprache dienen.263 Mögliche Reste von Flexion sind, wie generell bei den „kleineren“ Wortarten, immer aus den Hauptwortarten entlehnt und nicht produktiv oder regelmäßig (de Groot 2000: 821). Flektierte Adverbien sind extrem selten (ebd. 830; vgl. Esperanto hejme ‚daheim‘ → hejmen ‚nach Hause‘ mit der Endung des Obliquus). Neben den zwei- oder dreiteiligen Systemen der ortsanzeigenden deiktischen Adverbien in Europa (vgl. u. ⇒2.6) sind auch differenziertere, bis zu 88-teilige, bekannt, bei denen man durchaus morphologische Regelmäßigkeiten findet, vgl. Denny (1985). Syntaktisch gesehen drücken Adverbien zumeist die nach ihnen benannten Adverbialen (in Form von Angaben, nur selten von Ergänzungen) aus, 264 wobei die Art der Relation vom Adverb abhängt, nicht von der Valenz des Verbs. Seltener können sie auch Attribute von No 261 In dieser Funktion kann es wie echte Adverbien auch zum Präverb grammatikalisiert werden, vgl. Kap. 2.2.2. 262 In manchen Sprachen können Adverbien eine begleitende Bewegung ausdrücken (VERB while going, s. Levinson/Wilkins 2006c: 534 f.), dringen also sogar in den Bereich der dynamischen Verben vor. 263 Bei Annahme dieser Argumentation wird auch die Behauptung von König/Kortmann (1991: 109), Adpositionen seien eine offene Klasse, fragwürdig, da sie ja zweifelsohne noch stärker grammatikalisiert sind als die Adverbien. Andererseits bietet Rauh (1990) einige Argumente, die für eine offene Klasse „Adposition“ sprechen, vgl. S. 139, Fn. 257. 264 Eine „V[erb-]A[dverb] relation is a head-modifier relation“ (Lehmann 1995: 87).
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minalphrasen (Wem gehört [der Schirm hier]?), bisweilen auch selbst Prädikat sein (s. Seiler 1992 am Bsp. des Griechischen). Adverbien nominalen Ursprungs stehen oft mit Substantiv in Juxtaposition im selben Kasus. Sie sind aber prinzipiell selbständig und bilden daher keine gemeinsame Konstituente (Lehmann 1995: 90). Um zum hethitischen Material zurückzukehren, lassen sich bei den Place Words vom Alt- zum Mittelhethitischen hin umwälzende Veränderungen in fast allen Aspekten beobachten. Wie bereits oben in der Syntax des Verbums (⇒2.2.1) beschrieben wurde, wurde das komplexe System des Althethitischen mit Unterscheidung von statischer und dynamischer Syntax und drei verschiedenen Kongruenzmustern265 zugunsten eines einfacheren umgebaut, das eine weitgehend einheitliche Wortstellung mit Dativ-Lokativ-Kongruenz aufweist und vom jüngeren Mittelhethitischen bis zum Ende der Überlieferung stabil bleibt. Zugleich nahm die Häufigkeit der Place Words (vgl. die Einleitung zu Kap. 2) und ihre Rolle bei der sprachlichen Lokalisation auf Kosten der Ortsbezugspartikeln und Kasus deutlich zu (vgl. zu diesem Grammatikalisierungsprozess Luraghi 2001). Die ortsanzeigenden Place Words sind funktional sehr vielfältig, was am häufig belegten peran ‚vor, vorne, davor‘ gezeigt werden kann. Mit vorangestellten Genetiv oder enklitischem Possessivum (teilweise mit speziellen Sandhi-Formen der PW) handelt es sich sicher um Adpositionen: 2.4-1a: KBo 25.31 II 8' (aS) NIN.DINGIR-as LÚ GIŠGIDRU-as266 ⌈pēra⌉n ⌈huwā⌉i (Priester):NOM.SG
Mann Stab:GEN.SG
vorne
laufen:PRS.3SG.AKT
„Die „Gottesschwester“ läuft vor dem Herold.“ 2.4-1b: KBo 3.22 78 f. (aS) ap[ās=(m)a p]ēra(n)=mmit
kunnaz
esari
DEM:NOM.SG.C=KONN vorne=POSS.1SG.ABL/INS.N rechts:ABL sitzen:PRS.3SG.MP
„Er sitzt vor mir zur Rechten.“ Die Place Words können aber auch mehrere adverbielle Funktionen ausfüllen. Während z. B. im Deutschen Proadverbiale („Pronominaladverbien“; Terminus nach Steinitz/Lang 1969: 148) und relationale („reine“/„freie“ Adverbien) formal getrennt sind (davor – vorne, darüber – oben usw.) werden die hethitischen Place Words hierfür fast unterschiedslos gebraucht,267 vgl. →2a (Proadverbial) gegenüber →2b (relational):
265 D. h., richtungsanzeigende PW mit Dir., ortsanzeigende mit Gen. oder Dat.-Lok. 266 Hinter LÚ GIŠGIDRU verbirgt sich im Heth. wahrscheinlich ein einzelner Terminus, vgl. den Akk. LÚ GIŠGIDRU -an in KUB 46.8 II 2' f. die Genetivendung bezieht sich somit auf den ganzen Ausdruck, nicht nur auf GIŠGIDRU (freundlicher Hinweis M. Popko). 267 Zu Besonderheiten in der Wortstellung s. o. (⇒2.2.2.2). Ein Lokaladverb wie andurz ‚(dr)innen‘ (⇒2.4.3.1) hingegen wird gewöhnlich nur relational verwendet.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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2.4-2a: KUB 15.34 III 23' f. (mH/mS) n(u)=asta wātar kuwa⌈pi⌉ prā arszi KONN=OBP Wasser:NOM.SG wo
nu
GIŠ
BANŠUR peran
voran fließen:PRS.3SG.AKT KONN Tisch
vorne
tianzi setzen:PRS.3PL.AKT
„Wo Wasser herausfließt, stellt man einen Tisch davor auf.“ 2.4-2b: KBo 17.55+ I 8' f. (mH/mS) [p]eran=kan IŠTU GADA kriyanzi vorne=OBP
ABL/INS Tuch
zudecken:PRS.3PL.AKT
„Vorne verhüllt man (es/sie) mit einem Tuch.“ Nach der althethitischen Zeit kommt die Verbindung Gen. + PW außer Gebrauch und wird durch Dat.-Lok. + PW ersetzt; PW + enkl. Possessivum bleibt nur in erstarrten Wendun gen268 erhalten. Es steht außer Frage, dass die Place Words nach Dativ-Lokativ im Mittel- und Junghethitischen Postpositionen sind:269 2.4-3a: IBoT 1.36 II 22 (mH/mS) GIŠ nu huluganniya ⌈peran⌉ GAL KONN Kutsche?:D/L.SG
vorne
groß
LÚ.MEŠ
sālashas huyanz
Kutscher?:GEN
?
laufen:PTZ.NOM.SG.C
?
„Vor der Kutsche läuft der Oberste der Kutscher .“ 2.4-3b: CTH 138 18' (mH/mS) [nu]=ssi
peran srā KASKAL-si itten
KONN=3SG.D/L.C vorne
hoch Weg:D/L.SG
hingehen:IMP.2PL.AKT
„Geht vor ihm auf dem/den Weg hinauf.“ Zunächst unklar ist aber der Status dieser Verbindung im Althethitischen. Neben der besprochenen Konstruktion mit Genetiv können die Place Words dort nämlich auch nach (→4a) oder auch vor (→4b) einem Dativ-Lokativ auftreten.270 2.4-4a: KBo 22.2 Vs. 13 f. (aH/aS?) nu=z=(m)a271 DUMU.N[IT]A.MEŠ karti=⌈smi⌉ KONN=REFL=KONN Söhne
peran
Herz:D/L.SG=POSS.3PL.D/L.SG vorne
268 V. a. katti=mi/=ti „bei mir/dir“ in Briefen. Sehr häufig wird dann die Person durch ein enkl. Pronomen am Satz anfang zusätzlich ausgedrückt, z. B. n(u)=as=si katti=ssi ēszi „Er sitzt bei ihr“ (KBo 17.65+ Vs. 21; mH/mS). 269 Die Grammatikalisierung ist aber selbst in der jungen Sprache nicht so weit gediehen, dass neben die Postpositi onalphrasen anda bzw. arha/prā + Kasus die jüngeren, essentiell bedeutungsgleichen Adverbien andurz bzw. arahz träten wie im dt. „im Haus drinnen“ oder „aus dem Haus heraus“. Dies zeigt, dass auch bei den adpositionellen PW der jüngeren Sprache noch ein höherer Grad an semantischer Autonomie gegeben ist. 270 Aufgrund der wenigen Belege lässt sich nicht ausmachen, ob ein funktionaler Kontrast die Kasuswahl bedingt oder ob es sich um freie Variation handelt. Es fällt allerdings auf, dass von acht Belegen für die PW ser, kattan, āppan und peran mit Dat.-Lok. nur einmal (→2.4-8) ein belebtes Relatum steht, während bei den zehn Belegen mit dem Gen. je fünf auf belebte und unbelebte Bezugswörter entfallen. 271 Geschrieben nu-uz-za.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
mēmier sprechen:PRT.3PL.AKT
„Da sprachen die Söhne aber vor ihrem Herzen zu sich: …“ 2.4-4b: KUB 17.10 I 13 (aH/mS) sēr=(m)a=sse=ssan halenzu
huwais
oben=KONN=3SG.D/L.C=OBP (Pflanze):NOM.SG laufen:PRT.3SG.AKT
„Auf ihm wucherte die h.-Pflanze.“272 Statt als Adpositionalphrase kann man diese – darunter praktisch alle Beispiele mit vorangestelltem Place Word – auch als Apposition aus Lokalkasusform und Lokaladverb(ial) sehen wie in den folgenden Beispielen, in denen die beiden Lesarten nicht bedeutungsgleich sind: 2.4-5a: KUB 17.10 IV 15 (aH/mS) kattan dankui taknī ZABAR palhi unten
dunkel:D/L.SG.N Erde:D/L.SG Bronze
arta
Kessel:NOM.PL stehen:PRS.3SG.MP
„Unten in der dunklen Erde [nicht: *Unter der dunklen Erde] stehen Kessel aus Bronze.“ 2.4-5b: KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 8 (mH/mS) [kui]tman=kan LUGAL MUNUS.LUGAL URUHattusi ser solange=OBP
König
Königin
(ON):D/L.SG oben
„Solange König (und) Königin in Hattusa oben [nicht: *über/auf Hattusa] sind?“ Da in den meisten Fällen ein Verständnis der Place Words als eigenständige Adverbiale oder als Adpositionen dieselbe inhaltliche Interpretation erlaubt („an ihrem Herzen vorne/vor ihrem Herzen“, „an ihm oben/auf ihm“; vgl. Starke 1977: 172 f.), konnten auch die Konstruk tionen als bis auf den Kasus (und evtl. die Reihenfolge) identisch verstanden werden, was zum Mittelhethitischen hin zu einer Vereinheitlichung der scheinbaren Varianten führte. Dass nicht von Anfang an Adpositionen mit zwei verschiedenen Rektionen vorliegen, ist an sich schon wenig wahrscheinlich und kann auch experimentell angefochten werden: Während Haug (2009: 110–112, ähnlich schon Luraghi 2003: 76–79) durch die Weglassprobe gezeigt hat, dass die traditionell ebenfalls als eine Art Place Words verstandenen „Lokalpartikeln“ bei Homer tatsächlich überwiegend schon Adpositionen sind, da ohne sie die Beispielsätze ungrammatisch werden oder eine gänzlich andere Deutung erhalten, hat die Anwendung dieser Methode auf 54 althethitische Belege mit Place Word und lokalem Dativ-Lokativ 273 ergeben, dass sich in den meisten Fällen die Gesamtinterpretation des Satzes ohne das Place Word nicht oder nur geringfügig ändert (s. auch ⇒4.2.2), sofern unser Sprachverständnis eine solche Beurteilung erlaubt. Nur in sieben Fällen ist eine Diskussion im Einzelnen notwendig:
272 Vor einem nicht-enklitischen Bezugswort ist im Originalkorpus nur andan ‚drinnen‘ belegt. Es dürfte kein Zufall sein, dass andan auch als einziges ortsanzeigendes PW im Altheth. nicht mit Gen. belegt ist. Dies spricht dafür, dass Place Words vor einem Dat.-Lok. nicht als Präpositionen (bzw. linksverschobene Postpositionen) zu interpretieren sind (ebenso Francia 2002: 26, dagegen Salisbury 2005: 232 f.).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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2.4-6: KBo 17.1+ I 3' f. (aS) 3-kis=(m)a=smas sī[na]n
[p]rā ēpzi
dreimal=KONN=3PL.D/L.C Figur:AKK.SG voran ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Dreimal aber hält er ihnen die Figur hin.“ Wie oben (⇒2.2.2.2) bereits dargelegt wurde, liegt in der Verbindung prā e/app-zi ‚jmd. etw. hinstrecken, reichen‘ der erste sichere Beleg für ein hethitisches Präverb (Antefix) vor, das sich durch eine veränderte Valenz nachweisen lässt. Entsprechend kann man im diesem Beispiel (sowie in den parallelen KUB 43.30 II 8' und KBo 17.74+ II 39; aS bzw. aH/mS) das Place Word nicht ohne tiefgreifende Veränderungen in der Interpretation des Satzes entfernen, es handelt sich aber gerade nicht um eine Adposition, die den Dativ-Lokativ des Ziels genauso wenig erklären könnte. 2.4-7: KUB 36.110 Rs. 11' f. (aH/aS?) nu=sse=(a)pa utniyanz hūmanz
anda inarahhi
KONN=3SG.D/L.C=OBP Land:NOM.SG all:NOM.SG.C rein
stärken:PRS.3SG.AKT
„Das ganze Land erteilt (erlangt? ) Stärke wie er.“ 274
Bei =apa … anda handelt es sich um eine komplexe Wendung „in entsprechender Weise zu … hinzu“ > „wie …“ (⇒2.3.2) ohne Ausdruck einer echten Relation. Auch wenn anda hier nicht weglassbar ist, kann man kaum von einer Adposition sprechen. Anders sieht es hingegen im folgenden Beispiel aus: 2.4-8: KBo 17.15 Rs. 18' (aS) ⌈DUMU.É⌉.GAL LUGAL-i peran huwai Palastbediensteter
König:D/L.SG vorne
laufen:PRS.3SG.AKT
„Ein Palastbediensteter eilt dem König voraus.“ Ohne Place Word hat der Dativ-Lokativ bei Personen gewöhnlich eine dativische Lesung (⇒2.1.3), so dass höchstens noch eine Ziel-, nicht aber eine Ortsangabe zu verstehen wäre (diese fehlt aber gerade bei huwai-/hui-i!). Als Funktor bestimmt peran also die Interpretation des Kasus, was ein deutliches Anzeichen für einen syntaktischen Kopf ist (s. Haug 2009: 273 Davon 24 Stellen in alter Schrift: Ges. §78, Ges. §79, Ges. §95, Ges. §98, Ges. §128, Ges. §146, KBo 17.15 Rs. 13', KBo 17.15 Rs. 18', KBo 17.18 II 13, KBo 17.3+ II 48', KBo 17.43 I 11' f., KBo 18.151 Vs. 4, KBo 18.151 Rs. 12, KBo 22.2 Vs. 13 f., KBo 25.36 III 8', KBo 17.1+ I 3' f., KBo 17.1+ II 19' f., KBo 17.1+ II 25' f., KBo 38.12+ II 28 f., KUB 32.117+ III 14' f., KUB 36.110 Rs. 11' f., KUB 36.110 Rs. 17', KUB 43.30 II 8', KUB 43.30 III 18' und 31 Belege in mittelheth. Abschrift, wobei nicht alle Texte rein altheth. Kompositionen sein dürften, aber jedenfalls auch ältere Partien enthalten: KBo 17.74+ I 17 f., KBo 17.74+ II 13, KBo 17.74+ II 36 f., KBo 17.74+ II 39, KBo 17.74+ II 40, KBo 21.22 Vs. 10', KBo 21.22 Vs. 15, KBo 23.4+ II 16' f., KBo 3.21 II 3 f., KBo 3.21 II 8 f., KBo 3.21 II 12 f., KBo 3.21 II 14 f., KBo 3.21 III 14 f., KBo 3.21 III 21, KBo 7.28+KBo 8.92 Vs. 19, KUB 17.10 I 6 f., KUB 17.10 I 7, KUB 17.10 I 7 f., KUB 17.10 I 10–12, KUB 17.10 I 12 f., KUB 17.10 I 13, KUB 17.10 I 17 f., KUB 17.10 I 27 f., KUB 17.10 III 3, KUB 17.10 III 8, KUB 17.10 IV 15, KUB 33.68 II 17 f., KUB 43.23 Vs. 6 –8, KUB 43.23 Rs. 15' f., KUB 43.23 Rs. 17'–19'. 274 Das Verb ist eigentlich transitiv (Faktitivum), dennoch ist im Satz kein Objekt enthalten und auch keines aus dem Kontext zu ergänzen; die Übersetzung bleibt daher unsicher.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
112). Der Kasus selbst muss damit aber noch nicht regiert sein, da er sinngemäß steht, was ja gerade ein Vorteil (bessere Motivation) gegenüber dem mit peran kombinierbaren Genetiv ist.275 Wie das folgende Beispiel zeigt, genügen auch einfache lokale Adverbien, hier kunnaz ‚rechts‘, um eine lokativische Lesart des Dativ-Lokativs bei Personen zu bewirken. 2.4-9: KBo 20.67+ III 20 (aH?/mS) nu NI[NDA.GU]R4.RA kuis KONN Dickbrot
nu
GAL
KONN groß
LÚ.MEŠ
MEŠEDI paizzi
Leibwächter
ZAG-az huyanz
n(u)=as
ANA
hingehen:PRS.3SG.AKT KONN=3SG.NOM.C DAT
NINDA.GUR4.RA tapusz Dickbrot
LUGAL-i
REL:NOM.SG.C König:D/L.SG rechts:ABL laufen:PTZ.NOM.SG.C
ti⌈y⌉ēzzi
Seite:ABL treten:PRS.3SG.AKT
„Der Oberste der Leibgarde geht hin und tritt neben das Dickbrot, das rechts vom König geht.“ Wenn also auch nicht alle Eigenschaften von Adpositionen gegeben sind, hat man es doch mit einer dorthin führenden Entwicklung zu tun. Bei einer Zielangabe wie im nächsten Beispiel hingegen ist peran weglassbar, da das gewöhnlich absolut stehende te-/tar-zi ‚sprechen, sagen‘ gelegentlich auch mit einfachem Dativ-Lokativ des indirekten Objekts belegt ist (für Bsp. s. HEG III: 140 f.).276 2.4-10: KBo 7.28+KBo 8.92 Vs. 19 (aH?/mS) d n(u)=asta ⌈ŠUMMI⌉ LUGAL tagnās UTU-i KONN=OBP Name
König
peran āssu
Erde:GEN.SG (GN):D/L.SG vorne
gut:AKK.SG.N
tarsk[ī] sprechen:IPFV:IMP.2SG.AKT
„Sprich den Namen des Königs vor der Sonnengöttin der Erde immer wieder gut aus.“ Die folgenden weiteren Beispiele aus mittelhethitischen Niederschriften älterer Texte sind natürlich wegen der möglichen Modernisierungen nicht verlässlich. Umso interessanter ist die Tatsache, dass sich selbst dort kaum Belege finden, bei denen das Place Word nicht weglassbar wäre. 2.4-11: KBo 21.22 Vs. 15 (aH/mS) n(u)=at=si anda arān KONN=3SG.NOM.N=3SG.D/L.SG.C rein
ēstu
ankommen:PTZ.NOM.SG.N KOP:IMP.3SG.AKT
„(Was Labarnas, des Königs Sinn und Herz begehrt), soll bei ihm angekommen sein.“ 275 Boley (1985a: 20) merkt an, dass peran huwai-/hui-i nie mit dem Gen. belegt ist, was ebenfalls für eine zumindest frühere Trennung von Dat.-Lok. und PW in dieser Wendung spricht. Die zu Grunde liegende Konstruktion muss daher ursprünglich einen noch eindeutigen Lokativ wie z. B. in ai. gurau vasati „er wohnt beim Lehrer“ enthalten haben, der bei Personen schon im Altheth. nur noch ganz vereinzelt belegt ist, wenn überhaupt (s. o. S. 54, Fn. 53). 276 Ein Zweifel bleibt allerdings bestehen, da hier im Gegensatz zu den anderen Bsp. die OBP =asta enthalten ist, vgl. die Übersetzung „aus-sprechen“. Zumindest im Dt. hat aussprechen aber im Gegensatz zu sagen keine Leerstelle für einen Dativ; für das Heth. lässt sich mangels Belegen keine Aussage darüber treffen.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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Neben ā/ar-i ‚ankommen, erreichen‘ steht bisweilen verstärkendes anda ohne eine greifbare Bedeutungsnuance. Da diese Verbindung auch ohne Bezugswort bzw. ā/ar-i mit Dativ-Lokativ in gleicher Bedeutung ohne anda belegt sind,277 handelt es sich sicher nicht um eine Postposition. 2.4-12: KUB 17.10 III 8 (aH/mS) d nu Telipinui sēr arha duwān warnunun KONN (GN):D/L.SG oben weg
dahin
brennen:KAUS:PRT.1SG.AKT
„Um Telibinu willen (oder: Von über Telibinu weg) habe ich (ihn) hier ganz verbrannt.“ Zufällig ist der vorstehende Satz je nach Interpretation auch ohne ser sinnvoll (Dativus commodi „für Telibinu), im Grunde ist das Place Word aber notwendig. Nicht jedoch deswegen, weil es eine Postposition wäre, sondern da das Konzept „wegen, um … willen“ im Hethitischen eine Metapher des lokalen „auf“ ist, das durch =ssan (⇒2.3.4), ser (⇒2.4.1.2) oder beide in Kombination ausgedrückt wird. Das Place Word bildet also keine Phrase mit dem Dativ-Lokativ und könnte auch durch die Ortsbezugspartikel ersetzt werden. Im folgenden Beispiel ist der Dativ-Lokativ hingegen eindeutig regiert (für weitere Bsp. s. HED H: 95): 2.4-13: KBo 3.21 II 12 f. (mH?/mS) d d Anus=ma=⌈t⌉ta ÉN.LÍL-as=sa
sargawanni
handa
ANA
(GN):NOM.SG=KONN=2SG.AKK (GN):NOM.SG=KONN Erhabenheit:D/L.SG entsprechend DAT
LÚ.MEŠ KÚR-ŠUNU Leute
wemiyauwanzi tuk
Feind:POSS.3PL.M finden:INF
wātarnahher
du:AKK.SG beauftragen:PRT.3SPL.AKT
„An und Enlil beauftragten dich, ja dich, entsprechend deiner Erhabenheit, ihre Feinde zu finden.“ Ohne handa ‚gemäß, entsprechend‘ (⇒2.5.3.1) hätte sargawanni keinen syntaktischen Bezugspunkt, es steht daher nicht sinngemäß, sondern als regierte Kasusform. Das Alter die ses Beispiels ist allerdings unklar. In althethitischen Originalen ist handa noch nicht neben Substantiven belegt, der vorliegende Text wiederum enthält zwar älteres Wortgut (vgl. hatriēssa in II 8, andan in III 15), ist aber aus inhaltlichen wie sprachlichen Gründen sicher keine althethitische Komposition. Während also für das Althethitische nur ein oder zwei Fälle von Postpositionen zu finden sind, wurde im Mittelhethitischen der Übergang der Adpositionalphrasen vom Genetiv zum Dativ-Lokativ vollzogen, was in den meisten Fällen weiterhin aber nicht sichtbar ist, da dieser Kasus fast immer semantisch-syntaktisch gut motiviert ist. 278 Man kann jedoch in einigen Fällen mit doppeltem Place Word die Rektion eindeutig nachweisen, vgl. die beiden 277 Z. B. n(u)=at 3 ÁMUŠEN=ya anda erer „Sie [Orakelvögel] und drei Adler trafen (dort) ein“ (HKM 47 55; mH/mS) bzw. mahhan=ma=wa(r) URUHattusi arwen „»Als wir in Hattusa ankamen, …«“ (KBo 16.61 4; mH/mS?), mit Person z. B. nu=mu=ssan mān hūdāk ŪL erteni „Wenn ihr aber nicht sofort zu mir kommt, …“ (KBo 5.3 IV 20 f.; jH). 278 Gerade die Tatsache, dass bei der nicht-lokalen Postposition iwar ‚wie, nach Art von‘ der Gen. auch in der jüngeren Sprache erhalten bleibt, zeigt, dass seine Ersetzung bei den PW in erster Linie semantisch begründet ist.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
folgenden Beispiele, die ohne peran ungrammatisch würden oder eine andere Lesart (mit Dativ-Lokativ des Ziels) erhielten: 2.4-14a: IBoT 1.36 III 25 (mH/mS) ANA LÚ.MEŠMEŠEDUTI=ma=as=kan
peran arha wezzi
DAT Leibwächter=KONN=3SG.NOM.C=OBP vorne
weg
kommen:PRS.3SG.AKT
„Er geht („kommt“) aber vor den Leibwächtern weg.“ 2.4-14b: KBo 14.20 I 21 (jH) nu hingani kuit [per]an arha tarnah[hun] KONN Seuche:D/L.SG weil vorne
weg
lassen:PRT.1SG.AKT
„Weil ich vor der Seuche geflohen bin.“ Wie in Kap. 4.1.4.2 bzw. 4.2.2 dargelegt wird, ist der differenzierte, redundante althethitische Befund nur auf zwei ursprünglich getrennte syntaktische Gebrauchsweisen relationaler Substantive – als Adposition und als Adverb(ial) – zurückzuführen. Inwieweit diese von den Sprechern des Althethitischen noch wahrgenommen wurde, lässt sich nicht sagen; in den meisten Fällen ist kein Unterschied in Bedeutung oder Verwendung feststellbar, wie z. B. die parallelen Belege →15a (Dat.-Lok.) vs. →15b (Gen.) zeigen:279 2.4-15a: KBo 25.36 Rs. III 8 (aS) [h?]assāi280 tapusz 1-ŠU
dāi
Herd:D/L.SG Seite:ABL 1:POSS.3.SG.M setzen:PRS.3SG.AKT
„[ ? ] stellt er seitlich vom Herd(?) einmal hin.“ 2.4-15b: KBo 17.18 Vs. II (aS) ta=an hassās peran tianzi KONN=3SG.AKK.C Herd:GEN.SG vorne
setzen:PRS.3PL.AKT
„Man stellt es vor den Herd.“ Dagegen geht Boley (1985b: 234 f.) für die Verbindung mit Dativ-Lokativ nur von ei nem „nuclear use“ aus, d. h. einer valenzbedingten engen Bindung ans Verb, die nur präverba le oder (markiert) initiale Stellung zuließe, während die Verbindung mit Genetiv auch in anderen Positionen auftritt. Eine Überprüfung der Belege in alter Schrift hat jedoch gezeigt, dass es kein hinreichend langes Beispiel gibt, bei dem der Dativ-Lokativ überhaupt in einer anderen Position stehen könnte.281 Im Mittelhethitischen lassen sich die postpositionale und die adverbiale Verwendungsweise aufgrund der einheitlichen Wortstellung jedenfalls nur noch semantisch unterscheiden (vgl. →5b oben). 279 Weitere jeweils parallele Fälle der alten Sprache sind KBo 22.2 Vs. 13 f. (Dat.-Lok., →2.4-4a) vs. KBo 17.15 Rs.! 13' (Gen., →2.4.4-1b), KBo 17.1+ II 19' f. (Dat.-Lok.) vs. l. c. I 31' (Gen.) oder KBo 17.15 Rs. ! 18 (Dat.-Lok.) vs. KBo 25.31 Vs. II 8' (Gen.). – Mit Fritz (2005: 18 f.) muss auch beachtet werden, dass Rektion entgegen einer ver breiteten Meinung nicht automatisch bedeutet, dass die regierte Kasusform keine Eigenbedeutung mehr haben kann, syntaktische Rektion und semantische Autonomie können zumindest in einer Übergangsphase nebeneinander bestehen. 280 Zur Form s. Neu (1979: 189, Fn. 33).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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Ohne weiteren lokalen Bezug können die Place Words auch als verbale Modifikatoren stehen. Zumeist handelt es sich dann nur um phraseologische Verbindungen wie im folgenden Beispiel, in einigen wenigen Fällen können sie aber zu echten Präverbien 282 (allerdings nur in Form von Antefixen, nicht als Präfixe) werden. 2.4-16: KUB 1.1.+ II 37 f. (jH) nu=mu apiya=ya [dIŠTA]R GAŠAN-YA KONN=1SG.D/L dort=KONN (GN)
peran hūw[āis]
Herrin:POSS.1SG vorne
laufen:PRT.3SG.AKT
„Auch dort unterstützte mich Ištar, meine Herrin.“ All diese verschiedenen Gebrauchsweisen begründen jedoch noch keineswegs den Ansatz eines Wortartenunterschiedes. So wie ein relationales Substantiv nicht die Wortart wechselt, wenn es wie eine Adposition ([im Vorbereich/Vorderteil] des Hauses), ein Proadverbial (im (erwähnten/folgenden) Vorbereich/Vorderteil) oder ein relationales („reines“) Adverb (im/am Vorbereich/Vorderteil) verwendet wird, so kann man auch die syntaktischen Rollen der Place Words unter einer einzigen Wortart zusammenfassen, die ich nach ihrem gemeinsamen Nenner, nämlich Relationen zwischen Objekten in Form orthotoner Lexeme auszudrücken, Relator nennen möchte (s. o. zu einer allgemeinen Diskussion). Die forschungsge schichtlich bedeutende Frage (⇒1.3.2), ob in den Place Words nun eine einzige Wortart vorliegt oder drei, 283 ist daher konzeptuell verfehlt und beruht auf einer Vermischung von syntaktischen und lexikalischen Kategorien, v. a. von Adverb und Adverbial, s. zu der zu Grunde liegenden „terminologischen Falle“ Rauh (1999). Die richtungsanzeigenden Place Words sind im Althethitischen hingegen keine Relatoren, sondern Adverbien, die als Proadverbiale oder modifizierende Adverbien (vielleicht auch schon als Präverbien, →2.2.2.2-4) fungieren. Während sie im Althethitischen vor dem Direktiv stehen (→17a), folgen sie in der jüngeren Sprache auf den Dativ-Lokativ (→17b), wie die statischen Place Words (⇒2.2.1.1-3). Mit dem Ablativ sind sie alt- wie mittelhethitisch nachgestellt (→17c): 2.4-17a: KBo 17.1+ II 28' f. (aS) MUŠEN hāran⌈an=na prā⌉ hilam[na?]
pētumeni
Adler:AKK.SG=KONN voran Torbau:DIR.SG hinschaffen:PRS.1PL.AKT
281 Angesichts des nicht-valenzgesteuerten, nicht-ersten bzw. -letzten Dat.-Lok. in →2.4-10 (aH/mS oder sehr frühes mH) halte ich Boley Behauptung daher für nicht bewiesen. Angaben und Ergänzungen mit Beteiligung von PW finden sich sowohl mit Gen. (z. B. KBo 17.1+ I 31': Ergänzung, KBo 25.31 Rs. ! 8': Angabe; beide aS) als auch mit Dat.-Lok. (z. B. KBo 17.1+ II 19' f.: Ergänzung, KBo 22.2 Vs. 13 f.: Angabe; beide aS). 282 S. o. Kap. 2.2.2.2 für die drei Kriterien morphologische Bindung, Ableitung eines neuen Prädikats (Valenzänderung) und Reihenbildung. Rein semantische Kriterien genügen in der Regel nicht, um Wortbildungskonstruktionen zu bestimmen oder von freien oder lexikalisierten Fügungen abzugrenzen. 283 Starke (1977) bestimmt die Place Words zu Unrecht als relationale Substantive. Das ist wohl diachron richtig (⇒4.2.2), synchron aber nicht, s. zuletzt dazu Melchert (2009a: 610): „In sum, Hittite local adverbs [= Place Words; C.B.] are synchronically adverbs, not nouns.“ Die Communis Opinio geht jedoch von einer Trias Adverb, Präverb, Postposition aus, die Funktion des Proadverbials wird gewöhnlich übergangen.
150
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Und den Adler bringen wir voran in den/zum Torbau.“ 2.4-17b: KBo 39.8 IV 21 f. (mH/mS) MUNUS nu ŠU.GI wātar GAL-az KONN Alte
nasma hupparaz
Wasser:AKK.SG Becher:ABL oder
ANA 2 BEL SÍSKUR
(Gefäß):ABL DAT 2 Herr Opfer
prā ēpzi voran ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Die Alte hält284 den beiden Ritualherren Wasser mit einem Becher oder einem h.-Gefäß hin.“ 2.4-17c: KBo 17.74+ I 13 (aH/mS [LUG]AL-us MUNUS.LUGAL=sa halmassu⌈it⌉t[az pr]⌈ā⌉ wenzi König:NOM.SG Königin:NOM.SG=KONN Thron:ABL
voran
kommen:PRS.3PL.AKT
„König und Königin kommen vom Thron hervor.“ Die dynamischen Place Words spezifizieren also die Handlung des Prädikats und damit ge wöhnlich die Bewegungsrichtung des Subjekts und dienen ursprünglich nicht zur Beschreibung des Verhältnisses von Lokatum und Relatum. Folgerichtig stehen sie mit den Zielangaben in (partitivischer) Apposition (⇒1.3.1, S. 24, Fn. 52) und gemäß den allgemeinen Regeln der hethitischen Adverbialsyntax diesen voran (⇒2.2.1). Wohl erst im späten Mittelhethitischen übernehmen manche dieser Place Words auch Relator-Funktionen, was sich an als Postpositionalphrasen interpretierbaren Fügungen wie in Bsp. →18a und besonders dem beginnenden Ersatz von =ssan (⇒2.3.4) durch =kkan srā wie in Bsp. →18b zeigt (vgl. Boley 2000: 124). 2.4-18a: KUB 12.11 IV 19 f. (mH/mS?) LÚ GIŠ AZU=ma=kan ZA.LAM.GAR-az prā hurlili Opferschauer=KONN=OBP Zelt:ABL
kissan
voran hurritisch:ADV so
memai sprechen:PRS.3SG.AKT
„Der Opferschauer spricht aus dem Zelt folgendermaßen auf Hurritisch: …“ 2.4-18b: KBo 39.8 IV 23 f. (mH/mS) nu=z=kan 2 BEL SÍSKUR wātar KONN=REFL=OBP 2 Herr Opfer
INA ⌈SAG⌉.DU-ŠUNU srā
Wasser:AKK.SG LOK Kopf:POSS.3PL.M
hoch
lāhuwanzi gießen:PRS.3PL.AKT
„Die beiden Ritualherren gießen das Wasser auf ihre Köpfe.“ Diese Fälle bleiben jedoch die Ausnahme, die im Deutschen und anderen Sprachen wichtige Unterscheidung zwischen einer bestehenden und einer entstehenden Relation (Präposition + Dat. bzw. Akk.) wird im Hethitischen nicht getroffen (mit Ausnahme der IN-Relation im Alt284 Vgl. zur Übersetzung von prā e/app-zi als ‚hinhalten‘ die Anmerkung zu →2.3.4-5b.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
151
hethitischen, ⇒2.4.1.1). Ortsangabe und Bewegungsrichtung sind nur bei den sog. korrespondierenden Place Words (⇒2.4.1) oppositionell aufgebaut, ansonsten wird dies nur lexikalisch (arha, ⇒2.5.1.1), durch die Konstruktion (menahhanda, ⇒2.5.4) oder durch den Kontext (katta(n), ⇒2.4.2.2) unterschieden. Die Place Words haben zwar einen bedeutenden Anteil an der Zunahme der Ortsbezugspartikeln im Mittelhethitischen, regelmäßig stehen aber nur anda, istarna, prā in elativischer Bedeutung, ser in der Bedeutung ‚auf‘, srā und katta mit impliziter oder expliziter Ziel- bzw. Quellangabe sowie optional arha mit =kkan/=asta bzw. =ssan (nur bei ser, ab dem späten Mittelheth. auch =kkan). Gemeinsam sind diesen Ausdrücken285 die Eigenschaften [Kontakt] und [Proadverbial], es sind also phorische topologische Ausdrücke, die die Verwendung einer Partikel fordern. Dies ist besonders sichtbar beim Vergleich von anda ‚drinnen‘ bzw. istarna ‚inmitten, darunter‘ mit dem relationalen andurz ‚innen‘, das ohne Ortsbezugspartikel steht. Die perspektivierten Place Words wie peran, āppan ‚hinten‘ oder die anderen topologischen wie katta(n) ‚bei‘ stehen fast immer ohne Partikel (vgl. auch Boley 1989: 98); und wenn doch, dann aus speziellen Gründen, die nichts mit den Place Words zu tun haben (⇒2.3). Althethitisch gibt es noch keine Bindung von Place Words und Ortsbezugspartikeln. Neben den Place Words gibt es eine jüngere286 Schicht von Lokaladverbien. Sie sind zunächst287 keine Relatoren und weisen keine engere Verbindung mit dem Verb auf, was oft durch ihre spezielle Bedeutung bedingt sein mag. Auch diese Lokaladverbien bedingen keine Ortsbezugspartikeln. Ihre Syntax ist weniger stark reglementiert als die der Place Words. Die Place Words und Lokaladverbien können ähnlich wie die Lokalkasus nicht attributiv verwendet werden wie z. B. in Ich beobachte [die Katze [auf dem Kratzbaum]] oder [Den Mann [hier]] trifft keine Schuld (vgl. Salisbury 2005: 225). Während es dennoch einige wenige Fälle von adnominalen Kasusformen außer dem Genetiv geben mag (⇒2.1), konnten keine Ausnahmen von der Regel bei den Place Words gefunden werden. Während die statischen Place Words Prädikativum in einem Nominal-/Kopulasatz sein können, sind dynamische in dieser Funktion nicht belegt.288 Als eigenständige Satzglieder können sie natürlich in klaren Kontexten elliptisch ausgelassen werden (vgl. dasselbe Phänomen mit OBP in →2.3-1), dies sagt jedoch nichts über ihren lexikalischen Status aus:289 2.4-19: Gesetze §95 (KBo 6.2 IV 47 f.; aS) sēr=set=wa(r) ⌈sarnik⌉mi
nu
sarnikzi
oben=POSS.3SG.AKK.SG.N=„“ entschädigen:PRS.1SG.AKT KONN entschädigen:PRS.3SG.AKT 285 Vielleicht mit Ausnahme von =kkan prā, vgl. ⇒2.3.3, 2.4.1.5. 286 Bezogen auf die Grammatikalisierung. Oft handelt es sich um erstarrte Kasusformen (z. B. tuwaz ‚von fern‘) oder sogar paradigmatische Formen (z. B. kunnaz ‚rechts‘ vom Adjektiv kunna- ‚recht‘). 287 Im späten Jungheth. dringt z. B. arahz ‚draußen‘ in den Bereich der PW arha ‚weg‘ und =kkan prā ‚hin-/heraus‘ ein (s. Boley 2000: 172 f.), offensichtlich als Beginn einer weiteren Grammatikalisierung. 288 Vgl. z. B. → 2.4.1.1-1a, 2.4.1.2-1f. Kein Gegenbeispiel ist →2.4.1.5-9, da prā hier keine lokale Funktion, sondern eine übertragene Bedeutung (‚gesondert, speziell‘) hat. 289 Patri (2007b mit weiteren heth. Bsp.) möchte im Vergleich mit dem Gr., Lat. und Slaw. stattdessen vom Gebrauch von Simplizia für bereits genannte Verba Composita sprechen.
152
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„(Wenn sein Herr sagt:) »Ich werde seinetwegen Entschädigung leisten.«, dann wird er Entschädigung leisten.“ Die nun folgende Darstellung der alt- und mittelhethitischen Sprachstufen wird hervorragend ergänzt von der ausführlichen Bearbeitung für das Junghethitische von Salisbury (2005), die aufgrund ihrer breiteren Materialbasis noch viele Detailbeobachtungen beisteuern kann.
2.4.1 Korrespondierende Place Words Wie bereits einleitend erwähnt, ist für das Althethitische und teilweise darüber hinaus eine Gruppe von zehn Place Words anzusetzen, die formal, syntaktisch und semantisch korrelierende Paare zu den fünf grundlegenden lokalen Relationen INNEN, OBEN, UNTEN, HIN TEN und VORNE bilden. Die richtungsanzeigenden (dynamischen) Place Words sind dabei synchron formal wie funktional Direktive, die ortsanzeigenden (statischen) Place Words sind funktional Lokative, formal aber nicht einheitlich und auch nicht mit dem Dativ-Lokativ in Übereinstimmung. Es muss betont werden, dass die Paare nicht mit den in der Rektion (Dat. vs. Akk.) wechselnden deutschen Präpositionen für die genannten Relationen vergleichbar sind, denn die dynamischen Place Words sind in erster Linie Adverbien, wie im Folgenden klar wird. Wären sie Relatoren, müsste man für das Althethitische zu einen X:GEN ser „auf X:DAT“ („im Oberbereich von X“) auch eine *X:GEN srā „auf X:AKK“ („in den Oberbereich von X“) finden, tatsächlich gibt es aber nur srā X:DIR „hoch zu X“, die dynamischen Place Words werden also nicht zur perspektivierten Lokalisation verwendet, sondern beziehen sich allein auf die im Prädikat ausgedrückte Handlung. Bei der IN-Relation fallen Lokalisation und Richtungsangabe jedoch sachlich zusammen, weshalb das Althethitische tatsächlich auch den Unterschied von dt. in + Dat. (andan + Dat.-Lok.) und in + Akk. (anda + Dir.) kennt (⇒2.4.1.1). Dies ist jedoch die einzige solche Stelle im System, weshalb es nicht verwundert, dass im Mittelhethitischen anda für beide Funktionen verallgemeinert wird, die Unterscheidung also entfällt. Wie die perspektivierten statischen Place Words gibt anda nun einen allgemeinen „Suchbereich“ (vgl. zu diesem Begriff Leys 1989: 99–102) an, in dem ein Sachverhalt lokalisiert wird. Im Falle von sich entwi ckelnden Handlungen mit Ortsveränderung ist dies die für die Aussage relevante Region, gewöhnlich eine Quelle oder ein Ziel. Es finden sich allerdings nur sehr wenige Beispiele für dynamische perspektivierte Konfigurationen bei gerichteten (⇒2.2.1) Verben. Im Althethitischen ist dies nur der folgende Beleg: 2.4.1-1: KBo 38.12+ II 20 (aH/aS?) LUGAL-as pēran 2-at 2⌈-at nan⌉[nianta] König:GEN.SG vorne
2:INS?290 2:INS? treiben:PRT.3PL.MP
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
153
„Sie werden je zu zweien vor den König getrieben.“ Im Mittelhethitischen gibt es einige Belege für peran in der Bedeutung vor + Akk.,291 doch mit Ausnahme von kattan (→2.4.1.3-1df) keine für die anderen Place Words. Aufgrund der anderen syntaktischen Rolle der richtungsanzeigenden Place Words besteht allerdings auch keine andere Wahl für einen solchen dynamischen und zugleich relationalen Ausdruck als die Verwendung statischer Syntax, die bereits oben besprochene Constructio praegnans (⇒2.1.3), deren außergewöhnlich häufige Verwendung im Hethitischen hierin ihre Begründung findet. 2.4.1.1 andan und anda • andan ‚innen, drinnen‘ (s. HW2 A: 97–107, Kammenhuber 1973, Salisbury 1999), geschrieben an-da-an oder selten an-ta-an, drückt Inklusion in jeder Art Behälterobjekt aus. Es kommt anders als die übrigen statischen Place Words auch im Althethitischen nicht mit Genetiv oder enklitischem Possessivum, sondern nur mit Dativ-Lokativ (bzw. alleinstehend) vor, scheint also schon bei Beginn der Überlieferung stärker grammatikalisiert zu sein. 292 Sein Bezugswort kann folgen oder voranstehen, wobei die Erstposition des Place Words oft der Emphase dient (→1c). 2.4.1.1-1a: §100 (KBo 6.2 IV 61; aS) takku IN.NU.DA andan N[U.GÁL] wenn
Stroh
drinnen NEG:KOP
„Wenn es drinnen [in der Scheune] kein Stroh gab, …“ 2.4.1.1-1b: KUB 17.10 I 12 f. (aH/mS) d Telipinus=(m)a pait293
marmari
andan ulista
(GN):NOM.SG=KONN hingehen:PRT.3SG.AKT Sumpf?:D/L.SG drinnen sich verstecken:PRT.3SG.AKT
„Und Telibinu versteckte sich schließlich im Sumpf?.“ 2.4.1.1-1c: Gesetze §98 (KBo 6.2 IV 54; aS) andan=(m)a É-ri kuit harkzi drinnen=KONN Haus:D/L.SG was:NOM.SG.N umkommen:PRS.3SG.AKT
„Was aber im Haus drinnen verloren geht, …“
290 Die Deutung der Endung ist unklar, s. GHL (156). 291 Vgl. KUB 55.43 III 27', KBo 17.105+KBo 34.47 III 13 f., KUB 45.47 38 f., KBo 24.66+ I 2 f., 13, III 62 f., KBo 15.32+ II 7, HKM 10 10 f. (alle mit zusätzlichem dynamischem PW in der Rolle eines Präverbs), KBo 23.72+ Rs. 13', KUB 36.44+KUB 53.20 14', HKM 13 9 f., alle mH/mS. 292 Der Unterschied kann nicht an seiner topologischen Bedeutung – im Gegensatz zu den perspektivierten PW peran, āppan, kattan (s. u.) – festgemacht werden, da das ebenfalls topologische katta ‚bei‘ altheth. durchaus mit Gen. vorkommt. 293 Die Satzgrenzen in diesem Paragraphen (I 10–13) sind nicht eindeutig, ich teile ihn folgendermaßen ein: dTelipinus=(m)a arha iyannis // halkin dImmarnin salhiantin mannittin ispiyatar=ra pēdas / gimri wēllui marmaras andan (Rechtsverschiebung) // dTelipinus=(m)a pait marmari andan ulista // sēr=(m)a=sse=ssan halenzu huwais.
154
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Vereinzelt kommt andan auch noch mittelhethitisch vor,294 mehrheitlich ist es aber von anda (s. u.) ersetzt worden. 2.4.1.1-2: KBo 24.45+KBo 38.196 Vs. 23' f. (mH/mS) [l]ukk(a)tta=ma=kan ANA É DINGIRLIM andan apēdani morgens295=KONN=OBP
DAT Haus Gottheit
ANA DINGIR.MEŠ-ŠU
[k]uptin
DINGIRLIM-ni U
drinnen DEM:D/L.SG.C Gottheit:D/L.SG KONN
walhanzi
DAT Gottheiten:POSS.3SG.M u. B.:AKK.SG schlagen:PRS.3PL.AKT
„Am Morgen aber schlägt man im Tempel drinnen für jene Gottheit und ihre (zugeordneten niederen) Gottheiten einen k.“ andan dient gewöhnlich der statischen Lokalisation, in der Constructio praegnans (⇒2.1.3) tritt es aber auch mit aus unserer Sicht dynamischen Verben auf (ebenso KBo 3.23 10; aS): 2.4.1.1-3: KBo 22.2 Vs. 3 (aH/aS?) nu DUMU.MEŠ-ŠU andan zikēt KONN Söhne:POSS.3SG.M(!) drinnen setzen:IPFV:PRT.3SG.AKT
„Sie setzte ihre Kinder nacheinander296 hinein.“ Nachdem andan im Mittelhethitischen ausgestorben ist, wird im Junghethitischen oder späten Mittelhethitischen eine Form andan in rein dynamischer Bedeutung analogisch neu gebildet (s. Salisbury 1999). Bei einigen mittelhethitischen Belegen von dynamischem andan ist daher nicht klar, ob es sich schon um frühe Vertreter dieser Neubildung (so wohl →4a) oder Beispiele für die Constructio praegnans, in denen zufällig noch andan statt anda steht (so vielleicht →4b), oder um den für die Periode des Aussterbens von andan anzunehmenden kurzzeitigen freien Wechsel von anda und andan handelt. Bei Abschriften sind zudem Veränderungen durch den Schreiber möglich (→4c). Vgl. die folgenden Beispiele: 2.4.1.1-4a: KBo 17.62+KBo 17.63 I 20' f. (mH/mS?) n(u)=an=kan É.ŠÀ-ni andan ūnniyanzi KONN=3SG.AKK.C=OBP Innengemach:D/L.SG drinnen hertreiben:PRS.3PL.AKT
„Man treibt es ins Innengemach herein.“ 2.4.1.1-4b: KBo 32.13 II 4 f. (mH/mS) d IŠKUR-as=kan LUGAL-us mahhan āskaz (GN):NOM.SG=OBP König:NOM.SG wie
andan wet
Tor:ABL drinnen kommen:PRT.3SG.AKT
„Wie der Wettergott, der König, von draußen hineingekommen war, …“
294 Bei einigen dieser Belege können ältere Vorlagen allerdings nicht ausgeschlossen werden. 295 Versteinerte 3. Sg. Ind. Präs. MP von lukk-tta ‚hell werden, dämmern‘; dabei ist unklar, ob lu-uk-kat-ta als [lukta] mit der Schreibung lu-uk-ta gleichzusetzen oder als [lukata] auf ein älteres *lukka zurückzuführen ist (s. Kloekhorst 2008: 531). 296 Die sk-Ableitung von dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ hat hier klar eine (objekts)distributive Bedeutung.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
155
2.4.1.1-4c: KUB 17.10 IV 16–17 (aH/mS) kuit andan paizzi n(u)=a(t)=sta
namma srā ŪL
REL:NOM.SG.N drinnen hingehen:PRS.3SG.AKT KONN=3SG.NOM.N=OBP ferner
hoch NEG
wezzi kommen:PRS.3SG.AKT
„Was hineingeht, kommt nicht mehr herauf.“ Akkadografisch wird das Place Word mit INA ‚in‘ wiedergegeben, wobei oft nicht klar ist, ob das Akkadogramm bloßen Dativ-Lokativ (⇒2.1.3) oder Dativ-Lokativ mit andan vertritt, es gibt allerdings einige Fälle von redundantem297 Logogramm, vgl.: 2.4.1.1-5: KUB 17.10 I 7 f. (aH/mS) INA ⌈É.GU4⌉ andan GU4.ḪI.A wisūriyantati LOK Kuhstall
drinnen Rinder
ersticken:PRT.3PL.MP
„Im Kuhstall drängten sich die Rinder zusammen.“ • anda ‚hin-/herein, einwärts, dazu‘ (vgl. die Lit. zu andan oben), geschrieben an-da oder selten an-ta, bezeichnet ursprünglich eine zur Inklusion führende Bewegung (→6a), wie der Befund des Althethitischen, wo anda in seiner illativischen Bedeutung mit dem Direktiv steht, zeigt (→6b): 2.4.1.1-6a: KBo 17.1+ I 21' f. (aS) wes[=(m)a] ⌈nam⌉ma anda [p]aiwani wir:NOM=KONN ferner
rein
hingehen:PRS.1PL.AKT
„(Wir gehen hinaus. Ich setze sie im Vorhof? ab.) Wir aber gehen dann hinein.“ 2.4.1.1-6b: Gesetze §93 (KBo 6.2 IV 36 f.; aS; ergänzt nach der jungheth. Abschrift) anda=as[=an298 parna nāwi paizzi] rein=3PS.NOM.SG.C=OBP Haus:DIR.SG noch nicht hingehen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn) er aber noch nicht ins Haus hineingegangen ist, …“ Auch mittelhethitisch ist anda weiter in solchem Gebrauch, jedoch stets mit dem Dativ-Lokativ. Im frühen Mittelhethitisch ist die althethitische dynamische Syntax mit vorangestelltem Place Word teilweise noch erhalten (→7a), die Ortsbezugspartikel =kkan (bzw. =asta, ⇒2.3.5) ist aber auch schon zu dieser Zeit obligatorisch, wenn im Satz eine explizite (→7b) oder aus dem Kontext zu ergänzende (→7c) Lokalangabe vorkommt. 2.4.1.1-7a: KBo 20.72+ II 4 (mH/mS) n(u)=asta suppaus NINDA.GUR4.RA.ḪI.A anda É.ŠÀ-ni KONN=OBP rein:AKK.PL.C Dickbrote
drinnen Innengemach:D/L.SG
297 Streng genommen ist es nicht redundant, da es das folgende Logogramm als Dat.-Lok. kennzeichnet und sich nicht vor einem syllabisch geschriebenen Wort findet, dennoch ist bei mittelheth. anda(n) kein anderer Kasus möglich, weshalb INA (ANA) auch weggelassen werden kann (vgl. z. B. [n(u)=a]t=san DUGāhrūshi Ì.GIŠ anda suniēzzi „Er taucht es in der Räucherschale in Sesamöl ein“, KBo 24.66+ II 45; mH/mS). 298 Nicht anda=‹s›san s. o. →2.3.4-9.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
pēda[nzi] hinschaffen:PRS.3PL.AKT
„Man bringt die reinen Dickbrote ins Innengemach hinein.“ 2.4.1.1-7b: KUB 55.43 I 7 (mH/mS) KUŠ n(u)=as=kan INA É kursas anda pēdanzi KONN=3PL.AKK.C=OBP LOK Haus Vlies:GEN drinnen hinschaffen:PRS.3PL.AKT
„Man bringt sie in das Haus des Vlieses hinein.“ 2.4.1.1-7c: KUB 30.32 I 15 (mH/mS) n(u)=asta299 wātar anda arssnuwanzi KONN=OBP
Wasser drinnen fließen:KAUS:PRS.3PL.AKT
„Man lässt dann Wasser hineinfließen.“ Neben dem Illativ ist der Ausdruck statische Lokalangaben (Inessiv) aber die Hauptfunktion von anda in der mittel- und junghethitischen Zeit. Hier ein typisches von hunderten Beispielen, bei denen =kkan (=asta) fast nie fehlt (vgl. unten Tab. 2.4.1.1-1): 2.4.1.1-8: HKM 19 11 f. (mH/mS) ÉRIN.MEŠ.ḪI.A=ma=wa(r)=kan ANŠE.KUR.RA.ḪI.A anda NU.GÁL Truppen=KONN=„“=OBP
Pferde
drinnen NEG:KOP
„»Truppen (oder) Wagentruppen gibt es darin [in der Stadt] aber nicht.«“ anda kann außerdem „unter“ i. S. v. „in einer Menge“ ausdrücken, wofür sonst meist istarna (⇒2.4.2.1) steht: 2.4.1.1-9: IBoT 1.36 II 31 (mH/mS) n(u)=as=kan AN[A L]Ú.MEŠMEŠEDI anda ⌈iyannai⌉ KONN=3SG.NOM.C=OBP DAT
Leibwächter
drinnen gehen:IPFV:PRS.3SG.AKT
„Er geht unter den Leibwächtern (mit).“ Bei Aufzählungen u. ä. bedeutet anda als freies Adverb in Erststellung „dazu, dabei“:300 2.4.1.1-10a: KBo 17.2 I 4' (aS) [a]nda=ma dazu=KONN
„Ferner aber: …“ 2.4.1.1-10b: KBo 15.25 Vs. 13 (mH/mS) anda=ma=kan kissan memahhi dazu=KONN=OBP so
sprechen:PRS.1SG.AKT
„Dabei/Dazu aber spreche ich folgendermaßen: …“
299 Die Partikel kann hier auch in reihender Bedeutung unabhängig vom Rest des Satzes stehen, vgl. oben 2.3.3. 300 Zur Verbindung =kkan/=asta anda mema/i-i s. besondere Kammenhuber (1973: 155–160), wobei die von der heutigen Communis Opinio abweichende Datierung der Texte zu beachten ist.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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Außerdem kommt es schon althethitisch als Präverb („ein-“) vor, teilweise in idiomatisierten Fügungen. Zusammen mit dem räumlichen Bezugspunkt der Handlung fehlt auch in der jüngeren Sprache häufiger die Partikel =kkan. 2.4.1.1-11a: Gesetze §55 (KBo 6.2 III 19; aS) nu=us anda sittariet KONN=3PL.AKK.C rein
„Und er vereidigte
?301
siegeln:PRT.3SG.AKT
sie mit Siegel.“
2.4.1.1-11b: KBo 25.122 III 1' (aS) [u]⌈dnē⌉ anda ⌈lē⌉ au[tti] Land:NOM?.SG rein
PROH sehen:PRS.2SG.AKT
„(Was) das Land (betrifft), sieh nicht (neidisch) hinein!/Neide das Land nicht!“ 302 2.4.1.1-11c: KBo 39.8 I 44 (mH/mS) n(u)=asta appuzzi anda hūlalezi KONN=OBP Talg:AKK.SG drinnen umwickeln:PRS.3SG.AKT
„Sie wickelt den Talg ein.“ Eine Besonderheit ist die Verwendung von anda beim Ausdruck „auf/an einem Körper befestigen bzw. fest sitzen“,303 was ursprünglich durch die Verbindung =an anda (⇒2.3.1), ab dem frühen Mittelhethitisch von =ssan anda (⇒2.3.4) und schließlich ab dem späten Mittelhethitisch von =kkan anda304 bezeichnet wird (zu einer Begründung dieses Gebrauchs s. u., 3.1.1.3). Das Place Word, nicht aber die Partikel, kann in einzelnen Fällen allerdings auch weggelassen werden (→12e). Z. B.: 2.4.1.1-12a: Gesetz §78 (KBo 6.2 IV 10 f.; aS) KUŠ nu=sse=an husan nasma KUŠtarusha KONN=3SG.D/L.C=OBP (Objekt):AKK.SG oder
anda dāi
(Objekt):AKK.PL rein
setzen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn) er ihm [dem Rind] ein h. oder ein t. anlegt, …“ 2.4.1.1-12b: KUB 17.21 I 15 f. (mH/mS) nu=ssan ⌈ku⌉edani DINGIRLIM-ni kuit
tuekki=ssi
KONN=OBP REL:D/L?.SG.C Gottheit:D/L?.SG REL:NOM.SG.N Körper:D/L.SG=POSS.3SG.D/L.SG.C
anda wizz[ap]an drinnen alt:NOM.SG.N 301 Wörtlich „siegelte ein“, wobei Starke (1977: 143) den Bedeutungsansatz von sittariye-zi als zu unsicher ablehnt. 302 Die erste Übersetzung nach Starke (1977: 137), die zweite nach der Communis Opinio. Ob udnē (und andere Objekte) wirklich aus dem Satz verschoben ist, ist syntaktisch nicht leicht feststellbar (zu Präverbien vgl. ⇒2.2.2.2). Die Bedeutung von anda au(s)-zi ist auf jeden Fall schon spezialisiert. 303 Ich übernehme den von Boley verwendeten Terminus „location on a body“ als selbsterklärende Bezeichnung und in Ermangelung eines traditionellen Ausdrucks. 304 Dadurch geht die inhaltliche Unterscheidung =ssan anda ‚auf, an‘ vs. =kkan anda ‚in‘ auf der Ausdrucksseite verloren. In manchen Texten (z. B. KBo 17.105+KBo 34.47) ist ein Schwanken zwischen den beiden Kombinationen für „location on a body“ zu beobachten, ähnlich wie beim Übergang von =ssan ser ‚auf‘ zu =kkan ser zu etwa derselben Zeit (⇒2.3.4).
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Was am Körper einer Gottheit [gemeint ist das Kultbild] alt geworden war, …“ 2.4.1.1-12c: KBo 17.105+KBo 34.47 III 17 (mH/mS) ANA dLAMMA KUŠkursas=si=ssan kuis DAT (GN)
SÍG BABBAR anda
Vlies:GEN=3SG.D/L.C=OBP REL:NOM.SG.C Wolle weiß
drinnen
hmankanz anbinden:PTZ.NOM.SG.C
„Die weiße Wolle, die ihr, der Schutzgottheit des Vlieses, angebunden ist, …“ 2.4.1.1-12d: KBo 39.8 I 31 f. (mH/mS) tueggas=(m)a=s[mas=ka]n SÍG ZA.GÌN SÍG SA5 suwil Körper:D/L.PL=KONN=3PL.D/L=OBP Wolle blau
Wolle rot
anda
Faden:NOM.SG drinnen
iyazzi machen:PRS.3SG.AKT
„An ihren Körpern aber befestigt sie einen Faden aus blauer und roter Wolle.“ 2.4.1.1-12e: KBo 39.8 II 5 f. (mH/mS) nu=kan ANA 2 BEL SÍSKUR kuit KONN=OBP DAT 2 Herr Opfer
suw⌈il⌉
tueggas
SÍG [ZA.GÌ]N SÍG SA5
REL:NOM.SG.N Wolle blau
Wolle rot
kitta
Faden:NOM.SG Körper:D/L.PL liegen:PRS.3SG.MP
„Den Faden aus blauer und roter Wolle, der an die Körper der beiden Ritualherren ange legt ist, …“ In einigen Fällen dürfte anda das Zusammengehen zweier vorher getrennter Personengruppen bezeichnen. Die Bewegung ist auf einen zwischen ihnen befindlichen (konstruierten) Mittelpunkt gerichtet, zu Grunde scheint also die Kernbedeutung „einwärts“ zu liegen: 2.4.1.1-13: IBoT 1.36 II 63 (mH/mS) mān=si peran=ma kuwapi KASKAL-is hatkus wenn=3SG.D/L.C vorne=KONN wo
n(u)=as
anda
Weg:NOM.SG eng:NOM.SG.C KONN=3SG.NOM.C drinnen
⌈paiz⌉[zi] hingehen:PRS.3SG.AKT
„Wenn/Wo aber der Weg irgendwo vor ihr [der in zwei Reihen marschierenden Truppe] eng ist, geht sie zusammen.“305 Diese Spezialbedeutung könnte auch in anda immiye/a-zi ‚zusammenschütten‘ (KUB 29.52 I 6 f.; mH/mS) für gewöhnliches menahhanda immiye/a-zi (⇒2.5.4) vorliegen, wenn nicht einfaches ‚dazumischen‘ gemeint ist.306
305 Anders Tjerkstra (1999: 76 f.), die wegen des heth. Singulars von einem einzelnen Leibwächter ausgeht, doch kann ÉRIN.MEŠ-az (Z. 60) trotz des grammatischen Singulars auch mehrere Soldaten bezeichnen. 306 Ein möglicher weiterer Belege ist MUŠEN.ḪI.A=ma partāuwar=set anda QATAMMA wisūriskezzi „Den Vögeln aber drückt er ihren Flügel ebenso ein/zusammen“ (KBo 24.66+ III 53 f.; mH/mS).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
159
Die folgende Tabelle 2.4.1.1-1 veranschaulicht die mittelhethitische Verallgemeinerung von =kkan (bzw. seiner Variante =asta) neben anda, die durch das Verschwinden von =ssan im Junghethitischen noch verstärkt wird und damit paradoxerweise wiederum den Abbau von =kkan in den jüngsten Texten ermöglicht (⇒2.3.5). 195 Belege,307 davon
ohne Lokalkasus mit Dativ-Lokativ
Σ
18 (10%)308
15 (8%)309
33 (18%)
4 (2%)
11 (6%)
15 (8%)
mit =kkan bzw. =asta
44 (24%)
88 (49%)
132 (73%)
Σ
66 (37%)
114 (63%)
ohne Ortsbezugspartikel mit =ssan
Tab. 2.4.1.1-1 | Belege für anda in mittelhethitischen Originalen (Prozentzahlen gerundet)
In lokaler Bedeutung wird anda akkadografisch meist mit INA ‚in‘ wiedergegeben, wobei wie bei andan oft nicht klar ist, ob das Akkadogramm bloßen Dativ-Lokativ oder Dativ-Lokativ mit Place Word vertritt, vgl. aber die folgenden redundanten Beispiele: 2.4.1.1-14a: KUB 17.10 I 7 f. (aH/mS) INA TÙR anda UDU.ḪI.A ⌈KI.2⌉310 LOK Viehhof drinnen Schafe
dito
„Im Viehhof (erstickten) die Schafe.“ 2.4.1.1-14b: KBo 15.10+KBo 20.42 I 12 (mH/mS) [nu]=⌈kan an⌉da INA É BELI pedanzi KONN=OBP drinnen LOK Haus Herr:GEN.SG hinschaffen:PRS.3PL.AKT
„Man bringt sie ins Haus des Herren hinein.“
307 Die 15 in der Tabelle nicht aufgeführten Belege weisen anderen Konstellationen auf, z. B. konnektives anda ‚dazu‘ (z. B. CTH 138 59', KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 23). 308 Das Fehlen ist mehrfach durch die Verbindung von anda mit einer nicht-finiten Verform bedingt (⇒2.3). In anderen Belegen handelt es sich um den Gebrauch als teils bedeutungsentleertes Präverb ( anda wemiye/a-zi ‚finden‘, anda pussae-zi ‚zerkleinern‘, anda ishiye/a-zi ‚einwickeln‘) oder adverbielles ‚einwärts‘ (z. B. KBo 24.66+ III 53 f.). 309 Zum Teil ist hier die OBP aus dem Vorsatz zu ergänzen (⇒2.3), zum Teil handelt es sich auch um nicht-lokale Dativ-Lokative. Beim freien Adverb ‚innen‘ fehlt in KBo 17.65+ Rs. 10 und KUB 33.62 II 16' f. (mit Experi encerDativ) die OBP, während sie in KBo 32.14 II 44 f. und KBo 32.15 II 22'–25' auftritt. Unklar ist mir auch das Fehlen von =kkan in IBoT 1.36 I 48 (→2.1.3.1-2b) und KBo 15.33+KBo 15.35 II 19' f. (→ 2.3-6), sowie in drei Belegen (KBo 20.48 Rs. 9', KBo 32.150 IV 8, KBo 38 I 6), die das Syntagma É anda „ins Haus hinein“ enthalten und so vielleicht älteres dynamisches anda parna ohne obligatorische OBP (altheth. mit optionalen =an, ⇒2.3.1) fortsetzen. 310 Das Sumerogramm KI.2 (KI.3 usw.) ist eine Abkürzung für wiederholte Elemente, in diesem Fall das Verb wisūriyantati „sie wurden zusammengedrückt“ aus dem vorhergehenden Satz. Die heth. Lesung ist handa ‚entsprechend‘ (vgl. KUB 33.62 II 11' f.; mH/mS), sofern nicht einfach das zu wiederholende Element zu ergänzen ist.
160
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.1.2 ser und srā • ser ‚oben‘, geschrieben še-(e-)er,311 bezeichnet Superposition und steht dabei mit dem Dativ-Lokativ (→1be usw.), im Althethitischen auch mit enklitischen Possessiva (→1c) oder auch dem Genetiv (→1d).312 Allein bzw. mit dem Dativ-Lokativ kann ser sowohl „über“ (→1b) als auch „auf“ (→1e) ausdrücken, in letzterem Fall steht es aber gewöhnlich mit der Ortsbezugspartikel =ssan ‚[Oberflächenkontakt]‘ (→1f; ⇒2.3.4), die allerdings im Althethitischen beim Possessivum oder Genetiv nicht erscheint (s. Boley 2000: 244) und im jüngeren Mittelhethitisch zunehmend durch =kkan ersetzt wird (→1g; erstmals in KUB 45.47 I 34). In dieser Übergangsphase können =kkan und =ssan im selben Text nebeneinander vorkommen. Die unmarkierte Lesung (in Nominalsätzen) des Place Words ist die statische Ortsangabe („über/auf“ + Dat.), mit Bewegungsverben dürfte es wohl wie peran auch außerhalb der Constructio praegnans dynamisch Zielorte angeben („auf/über“ + Akk.), allerdings findet sich hierfür kein sicheres Beispiel im Korpus.313 2.4.1.2-1a: KBo 17.74+ III 19' (aH/mS) sēr=pat aruwānzi oben=PTK sich verneigen:PRS.3PL.AKT
„Erst im Stehen („oben“) verneigen sie sich.“314 2.4.1.2-1b: KBo 23.92+ III 12' f. (mH/mS) ⌈LÚ.MEŠ URU⌉Hallapiya luliyas sēr aranta Leute
(ON)
Teich:D/L.PL oben stehen:PRS.3PL.MP
„Die Leute von Hallabiya stehen oberhalb der Teiche.“ 2.4.1.2-1c: KBo 17.1+ I 31' (aS) ser=smet=(m)a [G]ÍR ZABAR kitta oben=POSS.3PL.AKK.SG.N=KONN Dolch Bronze
liegen:PRS.3SG.MP
„Auf ihnen aber liegt ein Bronzedolch.“ 2.4.1.2-1d: KBo 17.1+ II 31' f. (aS) DUMU.É.[GA]L MUŠENhāran[an LUGAL-as MUNUS.LUG[AL-as]=sa Palastbediensteter
Adler:AKK.SG
König:GEN.SG Königin:GEN.SG=KONN
311 Die Pleneschreibung ist dabei in älteren Texten viel häufiger als in jüngeren. Erst im Jungheth. erscheint die sumerograf. Schreibung UGU ‚oben‘ (s. CHD Š: 210). In den Briefen aus Maşat (z. B. HKM 18 Rs. 18, HKM 71 26) findet sich aber bereits das Logogramm KUR.UGU ‚Oberes Land‘ (die heth. Lesung ist unbekannt). 312 Anders als peran, āppan steht ser auch altheth. schon überwiegend mit dem Dat.-Lok., was angesichts der nur bei diesem PW auftretenden Split-Genitive-Konstruktion (Genetiv + ser + Possessivum, s. Melchert 2009a: 615 mit Lit.) verwundert, da diese auf einen stärker nominalen Charakter hinweist, der Dat.-Lok. hingegen auf einen eher adverbiellen. 313 Ein mögliches Bsp. ist sēr=(m)a=sse=ssan halenzu huwais „Auf ihn lief die h.-Pflanze hinauf“ oder „Auf ihm wucherte die h.-Pflanze“ (KUB 17.10 I 13; aH/mS). 314 Anders GHL (296): „do reverence “upward”.“ ser ‚oben‘ und srā ‚nach oben‘ werden aber bis zum Ende der Überlieferung des Hethitischen weitestgehend auseinandergehalten (mit Ausnahme von stat. =kkan srā im Jungheth., ⇒2.4.1.2). Der Bezugspunkt der Superposition ist hier die frühere Sitzposition des Königspaares.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
161
sēr=[s]⌈met⌉
wa[hn]⌈uzzi⌉
oben=POSS.3PL.NOM.SG.N drehen:KAUS:PRS.3SG.AKT
„Ein Palastbediensteter schwenkt den Adler über König und Königin.“ 2.4.1.2-1e: KBo 39.166+ II 10' (mH/mS) ⌈ta⌉ ANA [U]ZUNÍG.GIG ser dāi KONN DAT Leber
oben setzen:PRS.3SG.AKT
„Und er legt (es) auf die Leber.“ 2.4.1.2-1f: KBo 8.91+ Rs. 18 (mH/mS) nu=ssan 2 DUMU.MEŠ-ŠU kuiēs
suhhi
ser
KONN=OBP 2 Söhne:POSS.3SG.M REL:NOM.PL.C Dach:D/L.SG oben
„Zwei seiner Söhne, die auf dem Dach sind, …“ 2.4.1.2-1g: KBo 45.47 I 34 (mH/mS) n(u)=⌈at⌉=kan A⌈NA⌉ NINDAnahhiti KONN=3SG.AKK.N=OBP DAT
ser dāi
(Brotsorte):D/L.SG oben setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt es auf das n.-Brot.“ Während „über“ ohne das Place Word nicht ausgedrückt werden kann, ist ser bei „auf“ nicht obligatorisch. Dieser Ausdruck besteht im Grunde aus dem bloßen Dativ-Lokativ, der alle Arten topologischer Relationen implizieren kann (s. o. 2.1.3., besonders →2.1.3.2-1c ), sowie in den meisten Fällen der Partikel =ssan, wobei die Superposition in etwa der Hälfte der Fälle aus dem Kontext zu ergänzen ist und in der anderen Hälfte durch eben ser expliziert wird.315 Neben ser sind im Übrigen auch andere präzisierende Ausdrücke (z. B. katta zur Beschreibung der Bewegungsrichtung) möglich: 2.4.1.2-2: KBo 24.66+ II 8 (mH/mS) n(u)=at=san katta ANA GIŠBANŠUR AD.KID KONN=3SG.AKK.N=OBP herab DAT Tisch
dāi
Rohrgeflecht setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt es auf den Flechttisch ab.“ Natürlich muss auch nicht jede Verbindung von =ssan und ser „auf“ bedeuten, die nicht-komponierte Bedeutung „oben an“ ist durchaus auch belegt, vgl.: 2.4.1.2-3: KUB 24.13 14' f. (mH/jS) n(u)=an=z=(ss)an namma ser katta SAG.DU-az ēpzi KONN=3SG.AKK.C=REFL=OBP ferner
oben unten Kopf:ABL
ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Dann ergreift sie ihn oben und unten an seinem Kopf.“ Vom lokalen „auf“ ist metaphorisch „betreffs, für, wegen“ abgeleitet, wobei die Verbindung zwischen den beiden Ausdrücken bis ans Ende der mittelhethitischen Zeit im Sprachgefühl
315 Der Ersatz von =ssan durch =kkan im Jungheth. hat anscheinend nicht zu einer Zunahme von lokalem ser geführt, stattdessen beginnt srā ‚hoch‘ sich als Relator „auf“ zu etablieren, s. u.
162
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
verankert ist, da für beide stets dieselben Varianten verwendet werden. 316 Vgl. neben den oben (⇒2.3.4) genannten Beispielen noch die folgenden: 2.4.1.2-4a: Gesetze §95 (KBo 6.2 IV 47 f.; aS) sēr=set=wa(r) ⌈sarnik⌉mi oben=POSS.3SG.AKK.SG.N=„“ entschädigen:PRS.1SG.AKT
„»Ich werde seinetwegen Entschädigung leisten.«“ 2.4.1.2-4b: KUB 30.10 Rs. 19 (mH?/mS) nu=mu=ssan sēr assul natta isduwari KONN=1SG.D/L=OBP oben Heil:NOM.SG NEG sichtbar werden:PRS.3SG.MP
„Um meinetwillen kommt kein Heil zutage.“ 2.4.1.2-4c: HKM 18 Rs. 26 f. (mH/mS) kinun=(m)a apēdani halkī jetzt=KONN
d
UTUŠI ser m⌈ek⌉ki
DEM:D/L.SG.C Getreide:D/L.SG (Titel)
oben sehr
hasket entscheiden:IPFV:PRT.3SG.AKT317
„Jetzt hat die Majestät über jenes Getreide ein endgültiges ? Urteil gefällt?.“ Gegen Melchert (2009a: 612) kann ser dabei aber auch alleinstehend „in Bezug darauf, deswegen“ bedeuten, vgl. in KBo 6.3 IV 55 (aH/jS) ishas=ses=(m)a se[r] sarnikzi „(Wenn ein Diener ein Haus anzündet,) leistet sein Besitzer deswegen Ersatz.“; das althethitische Original KBo 6.2 IV 56 zeigt vermutlich [sēr=si]t „seinetwegen“.318 Vgl. noch KBo 16.25 34' (mH/ mS) ser=asta kuitki sarran „something concerning (it) has been transgressed“ (CHD Š: 238). Mit dem Ersatz von =ssan durch =kkan im späten Mittelhethitisch (⇒2.3) ändert sich die Situation grundlegend, da das semantisch blasse =kkan eine Assoziation von „wegen“ mit „auf“ erschwert. Einfaches =kkan + Dat.-Lok. für „wegen“ kommt zwar noch vor (z. B. KUB 55.43 III 33'; mH/mS), aus Gründen der Deutlichkeit319 tritt aber meist ein Place Word hinzu, ser wird also zunehmend als obligatorisches Element empfunden und zur nicht-lokalen Postposition umgedeutet.320 Vgl. die modernisierte Version der oben zitierten Vertragsklausel (aus demselben Text!): 316 Also =ssan + Dat.-Lok., =ssan + Dat.-Lok. + ser, Dat.-Lok. + ser (bzw. die altheth. Alternativkonstruktionen); einfacher Dat.-Lok. ohne Weiteres wäre für „wegen“ zu unbestimmt und kommt daher nicht vor. 317 Die Verbalform ist problematisch. Formal ist eine andere Bestimmung als die hier gegebene kaum möglich, aber die Motivation der sk-Form ist nicht zu erkennen. Nach Hoffner (2009: 128 f.) zu hassik-zi ‚sich sättigen‘ i. S. v. „er hat deswegen die Nase gestrichen (mekki) voll“. 318 Man kann natürlich einwenden, dass der jungheth. Schreiber einfach das in seinem Dialekt nicht mehr lebendige Possessivum ausgelassen habe, doch dagegen spricht das gewissenhaft kopierte ishas=ses=(m)a mit einer für den Schreiber nicht weniger schwierigen Sequenz °še-ša (die Auslassung der im Original belegten Pleneschreibung bei ishās ist gerade in geschlossener Silbe nicht ungewöhnlich). 319 Da =kkan u. a. auch ablativische Funktion hat, könnte der Satz * n(u)=at=kan apēdani dāi um 1350 v. u. Z. sowohl als „Er legt es auf jenen“ als auch als „Er nimmt es jenem weg“ verstanden werden. 320 Im Jungheth. steht es in der übertragenen Bedeutung dann auch öfters ohne =kkan, das sich in der jungen Sprache bei ser ja sonst ausbreitet (s. Boley 2000: 155–158). Der Bezug von „wegen“ zu „auf“ geht also verloren.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
163
2.4.1.2-5: KUB 8.81+KBo 19.39 III 6 (mH/mS) mān=si!=kan BELŠU ser ŪL sarnikzi wenn=3SG.D/L.C=OBP Herr:POSS.3SG.M oben NEG entschädigen:PRS.3SG.AKT
„Wenn sein Herr seinetwegen keinen Ersatz leistet, …“ Ähnlich wie die Spezialbedeutung ‚heimlich‘ von kattan ‚unten‘ (⇒2.4.1.3) auf den Aspekt der (Un-)Sichtbarkeit zurückgeht, findet sich bei ser eine kognitiv bedingte Nuance, die Überwachung bzw. Kontrolle ausdrückt, wie sie die physikalische Superposition ermöglicht. Vgl. die beiden folgenden Belege: 2.4.1.2-6a: KBo 16.63+KUB 34.45 11 (mH/mS) m Tapanunas=kan kuwapi kunati ⌈nu⌉=z (PN):NOM.SG=OBP wann
ŪL sēr ēsun
schlagen?321:PRT.3SG.MP KONN=REFL NEG oben KOP:PRT.1SG.AKT
„»Als Tabanuna erschlagen(?) wurde, war ich nicht darüber (= hatte keine Aufsicht).«“ 2.4.1.2-6b: KBo 17.61 Vs. 15 (mH/mS) [sē]r=ma=mu DUMU.É.GAL arta oben=KONN=1SG.D/L Palastbediensteter
KAxU-ŠU
mān=an=kan
stehen:PRS.3SG.MP wenn=3SG.AKK.C=OBP
sahmi
Mund:POSS.3SG.M reinigen:PRS.1SG.AKT
„Über mir aber steht ein Palastbediensteter (zur Kontrolle/Hilfe), wenn ich seinen [eines Kindes] Mund reinige.“ Nach Ausweis der von dem Adverb abgeleiteten Verbalwurzel *ser- ‚aufpassen‘ (< *‚darüber sein‘, s. Oettinger 2000: 187, ⇒4.1.4.2) ist diese metaphorische Erweiterung schon grundsprachlich. Ansonsten wird ser im Hethitischen seltener für Metaphern als die Ausdrücke für „über“ in modernen Sprachen verwendet. Unklar ist die folgende Wendung, die einen rechts widrigen Vorgang beim Immobilienhandel bezeichnet (vielleicht Drücken des Preises oder Missachtung des Vorkaufsrechts einer anderen Person): 2.4.1.2-7: Gesetze §146 (KUB 25.85+ II 9 f.; aS) ta=ssan [happ(a)ri s]ēr happar yēzzi KONN=OBP Handel:D/L.SG oben Handel:AKK.SG machen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn aber ein anderer kommt und zuerst/vorher (beim Kauf) zuschlägt und seinen) Handel auf (des anderen) Handel macht, …“ • srā: ‚nach oben, hin-/herauf‘ (s. ausführlich CHD Š: 210–228) bezeichnet eine nach oben gehende Bewegung – sowohl auf den Agens zu als auch von ihm weg –, es kann mit Ausdrücken der Quelle (→8a) oder des Ziels (→8b) der Bewegung verknüpft werden.
321 Wohl eine Augenblicksbildung zu kuen-/kun-zi ‚(er)schlagen‘, dessen Passiv sonst durch āk-/akk-i ‚sterben‘ suppliert wird. Da es sich bei dem Text um ein Gerichtsprotokoll handelt, sind umgangssprachliche Ausdrücke durchaus zu erwarten.
164
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Im Althethitischen ist srā noch sehr selten (es erscheint in rund 1,5% der Belegsätze bzw. 4% der Sätze mit Place Words) und verbindet sich nicht mit Ortsbezugspartikeln, außer wenn diese als alleiniger Referenzpunkt stehen (→8c): 2.4.1.2-8a: KBo 22.2 Vs. 4 f. (aH/aS?) [DING]IR.DIDLI-s=(m)a DUMU.MEŠ-us A.AB.BA-az srā dāer Götter:NOM.PL=KONN
Söhne:AKK.PL
Meer:ABL
hoch nehmen:PRT.3PL.AKT
„Die Götter aber nahmen die Kinder aus dem Meer auf.“ 2.4.1.2-8b: KBo 22.2 Rs. 14' (aH/aS?) s(u)=as srā URU-⌈ya⌉ pait KONN=3SG.NOM.C hoch Stadt:DIR.SG hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er ging hinauf in die Stadt.“322 2.4.1.2-8c: KBo 17.1+ IV 25 (aS) t(a)=u(s)=st[a s]rā tumēni KONN=3PL.AKK.C=OBP hoch nehmen:PRS.1PL.AKT
„Wir nehmen sie von dort (her)auf.“ Im Mittelhethitischen wird srā deutlich häufiger gebraucht (3,5% bzw. knapp 6%, eine Steigerung um fast ein Drittel) und verbindet sich in späterer Zeit regelmäßig mit Ortsbezugspartikeln, zunächst mit =asta bzw. dessen Ersatz =kkan beim Ablativ, später erscheint es auch neben =kkan in direktivischer Bedeutung „auf“, ersetzt also die Ortsbezugspartikel =ssan (⇒2.3.4), die in der jüngeren Sprache abgebaut wird (vgl. Boley 2000: 124, 178). 323 Mit Ablativ (→9a) oder Dativ-Lokativ (→9b) findet sich ab der mittelhethitischen Zeit also regelmäßig =kkan (seltener =asta bzw. =ssan),324 ohne einen solchen Lokalkasus scheint die Verwendung der Partikel davon abhängig zu sein, ob im Kontext ein vorerwähnter, relevanter Bezugspunkt besteht (→9c) oder nicht (→9d). 2.4.1.2-9a: KBo 24.66+ I 14 (mH/mS) nu=kan «DUG» DUGāhrushiyaz GIŠEREN srā dāi KONN=OBP
Räucherschale:ABL Zeder
hoch nehmen:PRS.3SG.AKT
„Er nimmt Zedernholz aus der Räucherschale auf.“ 2.4.1.2-9b: IBoT 1.36 III 62 (mH/mS) É n(u)=at=kan hilamni srā pēda⌈i⌉ KONN=3SG.AKK.N=OBP Torbau:D/L.SG hoch hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Er bringt sie [eine Kutsche?] zum Torbau hinauf.“ 322 So auch noch im früh-mittelheth. KBo 23.92+ III 16' f.; später steht bei Städten hingegen regelmäßig = kkan, z. B. HKM 24 50, HKM 31 5–7, KBo 50.66+ Vs. 34. 323 Dieser Gebrauch wird im Jungheth. verallgemeinert, wo srā z. T. in der Bedeutung von ser erscheint (s. Boley 2000: 148, 150; CHD Š: 223–225) und wie dieses logografisch mit UGU geschrieben wird, wofür es keine Bsp. aus früheren Sprachstufen gibt. 324 Eine Ausnahme ist [n(u)]=an GIŠhassali srā tianzi „Man stellt ihn hoch auf den Schemel“ (KBo 35.229+ Rs. 13'; mH/mS).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
165
2.4.1.2-9c: KUB 15.34 III 37' (mH/mS) n(u)=asta srā u⌈wat⌉ten KONN=OBP hoch kommen:IMP.2PL.AKT
„(Jetzt ziehen wir euch aus den sieben Quellen hier herauf.) Also kommt (von dort) herauf!“ 2.4.1.2-9d: KBo 17.75 I 26 (mH/mS?) LUGAL-s=(m)a srā tiyēzzi König:NOM.SG=KONN hoch treten:PRS.3SG.AKT
„Der König aber steht auf.“ Im letzten Beispiel ist nur die Richtung der Bewegung von Interesse, nicht Quelle oder Ziel.325 Es ist natürlich methodisch nur schwer möglich, die für den damaligen Sprecher kontextrelevanten Informationen heute ohne subjektives Empfinden nachzuvollziehen, dennoch scheint die Verteilung der Ortsbezugspartikeln bei srā ohne Lokalkasus nicht zufällig zu sein, sondern sich in die einleitend (⇒2.3) dargestellten Entwicklungslinien der Ortsbezugspartikeln einzufügen. Die Wendung =kkan srā hat ihren Ursprung wohl in der Verbindung mit pappars-zi ‚(be)sprengen‘ und ähnlichen Ausdrücken genommen. Das Verb wird gewöhnlich mit dem Ziel im Akkusativ und der verwendeten Flüssigkeit im Instrumental verwendet (s. CHD P: 98), kann aber auch mit der Flüssigkeit im Akkusativ und dem Ziel im Dativ-Lokativ stehen (CHD P: 99). In letzterem Fall kann die Ortsbezugspartikel =ssan ‚[Oberflächenkontakt]‘ hinzutreten („etw. auf jmd. sprengen“, Bsp. nur in jungheth. Abschrift). srā drückt bei diesem Verb ursprünglich offensichtlich die von der Wasserschale (o. ä.) aufwärts zum Ziel (Götter statue, Opfermandant) gehende Handbewegung aus, konnte im Rahmen der Verdrängung von =ssan durch das unspezifische =kkan (⇒2.3.5) aber auch auf den Lokalkasus bezogen werden. Durch Abbau der Bedeutungskomponente [Dynamik] und damit Herstellung eines topologischen Bezugs auf das Relatum 326 konnte das Place Word im Junghethitischen zu einem breiter verwendbaren Ersatz für =ssan bzw. ser grammatikalisiert werden.327 Im späten Mittelhethitisch sind die Anfänge dieser Entwicklung zu erkennen: Während in Bsp. →10a 328 srā 325 Ein sehr interessantes Bsp. findet sich in KBo 15.33+KBo 15.35 II 32'–34' (mH/mS), wo von Gärteig für ein Ritual die Rede ist: n(u)=asta DUGisnū⌈r⌉[es k]ue‹d›az IŠTU GADA DINGIRLIM kriyantes n(u)=at PANI LÚEN ÉTIM srā appanzi „Man hält das Tuch, mit dem die Backtröge abgedeckt waren/sind, vor dem Herren des Hauses hoch [ohne OBP!]“, damit er prüfen kann, mān=⌈kan⌉ ÍB.TAG4 srā uwan „ob in ihnen [=kkan!] der Rest (des Teiges) aufgegangen ist.“ 326 Die dynamischen Place Words sind nichts anderes als die Verbalhandlung modifizierende Adverbien. Durch die Innovation einer Bezugnahme auf statische Objekte kann srā jungheth. wie ser als Relator („oben“) verwendet werden, unabhängig von der Bewegungsrichtung der Handlung. 327 Die gleiche Entwicklung findet sich in dt. auf, das als Präverb oft noch eine Bewegung nach oben bezeichnet, als Präposition aber topologische Lokalisation. 328 Ebenso in KUB 45.47 I 43–45 (mH/mS) und vielleicht auch in KUB 9.22 II 42 (mH/mS): (Die zwei Pflöcke, die außerhalb vor dem Tor des Innengemachs sind, schlägt er.) nu=ssan DUGkappin srā dāi „Er setzt ein k.-Gefäß darauf “ . Aus dem Kontext geht nicht hervor, auf welcher Höhe die Pflöcke/Nägel angebracht sind.
166
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
noch wörtlich verstanden werden kann, ist dies bei der nach unten gehenden Fließrichtung des Wassers in Bsp. →10b kaum möglich: 2.4.1.2-10a: KBo 39.8 III 20 (mH/mS) MUNUS ⌈nu=kan ŠU.GI ANA⌉ 2 BEL SÍSKUR wātar KONN=OBP Alte
DAT
2 Herr Opfer
srā papparszi
Wasser:AKK.SG hoch sprengen:PRS.3SG.AKT
„Die Alte sprengt Wasser an den beiden Ritualherren hinauf.“ 2.4.1.2-10b: KBo 39.8 IV 23 f. (mH/mS) nu=z=kan 2 BEL SÍSKUR wātar KONN=REFL=OBP 2 Herr Opfer
INA ⌈SAG⌉.DU-ŠUNU srā
Wasser:AKK.SG LOK Kopf:POSS.3PL.M
hoch
lāhuwanzi gießen:PRS.3PL.AKT
„Die beiden Ritualherren gießen das Wasser auf ihre Köpfe.“ Unklar ist in diesem Zusammenhang der folgende Beleg: 2.4.1.2-11: KBo 17.105+KBo 34.47 III 28 (mH/mS) nu=ssan MÁŠ.GAL.ŠIR GIŠlahhurnuziyas srā hū⌈kan⌉zi KONN=OBP Ziegenbock
Laub:D/L.PL
hoch schlachten:PRS.3PL.AKT
„Man schlachtet den Ziegenbock über(?) das Laubwerk.“ Eine Deutung von srā als Lagebestimmung des Opfertieres, als „(mit dem Nacken/Hals) nach oben“ (H. A. Hoffner im CHD Š: 223 f.) ist nicht möglich, da Place Words keine Attri bute zu Aktanten in obliquen Kasus sein können (s. die Einleitung zu diesem Unterkapitel). Entweder ist srā hier aus dem geneuerten Gebrauch mit =kkan auf das noch optionale =ssan übertragen worden, oder das Place Word bezieht sich auf den Blutfluss, der in einem hohem Bogen auf das Laub spritzen soll.329 srā ist in zahlreichen idiomatischen Wendungen belegt, die häufigsten sind srā ar-tta(ri) ‚zur Verfügung stehen‘, srā handae-zi ‚zurüsten, verfügbar machen‘, srā sanh-zi ‚vollständig reinigen‘ (vgl. aufräumen) und srā tittnu-zi ‚vollenden‘ (für Details s. CHD Š: 225–228): 2.4.1.2-12a: IBoT 1.36 I 11 f. (mH/mS) mān 12 LÚ.MEŠMEŠEDI=ma srā ŪL arta wenn 12 Leibwächter=KONN
hoch NEG stehen:PRS.3SG.MP
„Wenn aber keine zwölf Leibwächter zur Verfügung stehen, …“ 2.4.1.2-12b: HKM 24 54 (mH/mS) NINDA nu=z tūmatin srā mekki
handāeddu
KONN=REFL (Brotsorte):AKK.SG hoch viel:AKK.SG.N ordnen:IMP.3SG.AKT 329 Vgl. zu solchen „Richtungsangaben“ bei Tieropfern die Wendung „ein Tier in eine Opfergrube hineinschlachten“, z. B. KBo 39.8 II 32 (mH/mS). Unklar ist die völlig ungewöhnliche Verwendung von = ssan neben einem Ablativ in IBoT 1.36 IV 26 f. (mH/mS): nu=ssan GAL-az Ékāskastepaz srā [u?wa?]n⌈zi⌉ „Sie kommen(?) vom großen Haupttor herauf.“ Möglicherweise enthält dieser Satz eine Quell- (Abl.) und eine Zielangabe (= ssan i. S. v. „heran“) gleichzeitig.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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„t.-Brot soll sie [die Armee] in großer Menge für sich zurüsten.“330 2.4.1.2-12c: KUB 43.30 II 10' (aS) ⌈UGULA⌉ LÚ.MEŠ GIŠBANŠUR srā suppiyahhi Aufseher
Leute
Tisch
hoch säubern:PRS.3SG.AKT
„Der Aufseher der Tafeldecker reinigt den Tisch vollständig.“ 2.4.1.2-12d: KUB 17.21 I 21–23 (mH/mS) nu=smas U4-as ⌈ITU-as⌉ MU-ti
meyaniyas331 SÍSKUR.ḪI.A EZEN4.ḪI.A
KONN=2PL.D/L Tag:GEN Monat:GEN Jahr:D/L.SG Verlauf:GEN
kissan srā ŪL kuiski so
tittnuwan
Opfer
Feste
harta
hoch NEG INDF:NOM.SG.C stellen:PTZ.AKK.SG.N halten:PRT.3SG.AKT
„Keiner hatte je für euch die täglichen, monatlichen und jährlichen Opfer (und) Feste so (wie wir) begangen.“ In der Bedeutung ähnlich scheint der folgende Ausdruck zu sein, dessen Motivation aber un klar bleibt („etwas für sich hochmachen“ = „etwas wertschätzen“?): 2.4.1.2-13: KUB 24.4+KUB 30.12 Vs. 18 (mH/mS) [n]u=z=(ss)an DINGIR.MEŠ srā ŪL ⌈y⌉enzi KONN=REFL=OBP Götter
hoch NEG machen:PRS.3PL.AKT
„Und sie preisen die Götter nicht.“ 2.4.1.3 kattan und katta • kattan ‚unten‘ (für Belege s. HED K: 125–129) ist in alter Schrift fast nur als freies Adverb (→1ac) belegt, aber auch als Postposition mit dem Genetiv (→1b, vgl. auch →1d, das den Gebrauch mit Bewegungsverb zeigt). Spätestens ab der mittelhethitischen Zeit steht es regelmäßig mit dem Dativ-Lokativ (→1ef). Für das homonyme kattan ‚bei‘ s. u. 2.4.2.2. 2.4.1.3-1a: KBo 22.2 Rs. 11' (aH/aS?) MU 2KAM kattan ēsta Jahr 2
unten
KOP:PRT.3SG.AKT
„(Im dritten Jahr schließlich schloss der König Zalpa ringsum ein.) Zwei Jahre war er un ten.“ 2.4.1.3-1b: KUB 33.59 III 13' (aS) GIŠ ippias ⌈katt⌉an esadi (Baum):GEN.SG unten
sitzen:PRT.3SG.MP
330 Unabhängig davon ist der im Kontext verständliche unikale Ausdruck mān=wa(r)=[ka]n srā=ma kuis antūwahhas handāezzi nu=war=an kuwapi autti „»Wenn aber irgendeine Person heraufkommt, wie willst du sie sehen?«“ (IBoT 1.36 I 57; mH/mS). 331 Es handelt sich hierbei um eine feste Wendung, gewöhnlich im Dat.-Lok. witti meyani „im Jahr, in (seinem) Verlauf“ = „im Jahresverlauf“ (partitiv. Apposition), deren erster Bestandteil hier offenbar als unveränderlich (statt erwartetem *MU-as meyaniyas) gesehen wurde.
168
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Er setzte sich unter dem i.-Baum hin.“332 2.4.1.3-1c: KUB 17.10 IV 15 (aH/mS) kattan dankui taknī ZABAR palhi unten
dunkel:D/L.SG.N Erde:D/L.SG Bronze
arta
Kessel:NOM.PL stehen:PRS.3SG.MP
„Unten in der dunklen Erde stehen Kessel aus Bronze.“ 2.4.1.3-1d: KBo 20.92+ II! 35' f. (aH?/mS?333) nu=ssi apē=ya gēnuwa(n)=ssan
kattan
KONN=3SG.D/L.C DEM:NOM.PL.N=KONN Knie:GEN.PL=POSS.3SG.GEN.PL.N unten
weddu kommen:IMP.3SG.AKT
„Auch jene [Feindesländer] sollen unter seine Knie kommen!“ 2.4.1.3-1e: KBo 16.50 20 f. (mH/mS) linkiya=nnas=at [ka]ttan kittaru Eid:D/L.SG=1PL.D/L=3SG.NOM.N unten
liegen:IMP.3SG.MP
„Es soll uns unter Eid gelegt sein.“ 2.4.1.3-1f: KBo 39.8 III 24 f. (mH/mS) MUNUS n(u)=at ŠU.GI ANA 2 BEL SÍSKUR KONN=3SG.AKK.N Alte
DAT 2 Herr Opfer
TÚG
seknuwas ⌈katt⌉an
Mantel?:D/L.PL unten
ēpzi ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Die Alte hält es den beiden Ritualherren unter den Mantel?.“ Aus der kognitiven Komponente „nicht/schlecht sichtbar, geschützt, verborgen“ erklärt sich die Bedeutung ‚heimlich‘ (zusammen mit arha ‚weg‘, ⇒2.4.4.1) im folgenden Beispiel, mit dem sich poln. podsłuchać ‚belauschen‘, lat. subduco ‚heimlich wegführen‘, Esperanto subaĉeti ‚bestechen‘ u. a. vergleichen: 2.4.1.3-2: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 69 (mH/mS) n(u)=asta ⌈ANA⌉ LÚ.MEŠ URUD(a)lauwa imma kattan arha hatrāet KONN=OBP DAT
Leute
(ON)
fürwahr unten
weg
schreiben:PRT.3SG.AKT
?
„Er schrieb den Leuten von Tlos sogar heimlich.“ Im Mittelhethitischen wird die Unterscheidung statisch – dynamisch bei der UNTER-Relation weitgehend aufgegeben, so dass sich kattan auch mit Bewegungsverben in der Bedeutung ‚herab‘ oder ‚hinunter‘ findet, neben der Neubildung(?) kattanda (⇒2.4.4.6), während katta
332 Vgl. auch nepisas ka[ttan uliliskeddumat] „Ihr grüntet immerfort unter dem Himmel“ (KUB 29.3 I 11; aS; ergänzt nach der jungheth. Abschrift KUB 29.1 I 28). 333 Nach Popko (2003: 18 f.) handelt es sich um eine spätmittelheth. Niederschrift, die auf einer älteren (aber nicht unbedingt altheth.) Vorlage beruht. Eine Form wie gēnuwa(n)=ssan gehört eindeutig der älteren Sprache an, vgl. noch die Schreibung 𒀀𒁉𒂊𒀀 a-pé-ix-a für apē + =ya.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
169
‚abwärts‘ (s. darunter) auch statisch erscheint. Diese Austauschbarkeit spricht dagegen, dynamische Verwendungen von kattan als Constructio praegnans aufzufassen. 2.4.1.3-3a: KBo 15.33+KBo 15.35 III 1 f. (mH/mS) d n(u)=asta LÚAZU IŠKUR URUKuliwisna QADU NINDA.⌈ÉRIN⌉[.MEŠ] KONN=OBP Opferschauer (GN)
istanānaz
(ON)
COM
Soldatenbrot
kattan ⌈d⌉āi
Postament:ABL herab
nehmen:PRS.3SG.AKT
„Der Opferschauer nimmt den Wettergott von Kuliwisna zusammen mit dem Soldatenbrot vom Altarpostamen herab.“ 2.4.1.3-3b: KBo 20.67+ III 18 f. (aH?/mS) MUN-an=na=ssan kattan ⌈is⌉h[uw]ān Salz:NOM.SG=KONN=OBP unten
schütten:PTZ.NOM.SG.N
„Auch Salz ist darauf hinabgeschüttet.“ Akkadografisch wird kattan mit der Präposition ŠAPAL ‚unter‘ (jungheth. auch mit dem Sumerogramm GAM) wiedergegeben: 2.4.1.3-4: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 27 (mH/mS) nu=z kē uddār ŠAPAL NIŠ KONN=REFL DEM:AKK.PL.N Wort:AKK.PL unter
DINGIRLIM [dai]s[ta]
Leben Gottheit
setzen:PRT.3SG.AKT
„Diese Worte legte er unter Eid.“ • katta ‚abwärts, herab, hinab‘ (für Belege s. HED K: 125–129) hat im Althethitischen (wie kattan in der jüngeren Sprache) ein Homonym mit der Bedeutung ‚bei, mit‘, das jedoch anders konstruiert wird (⇒2.4.2.2). Als richtungsanzeigendes Adverb bedeutet es zunächst ‚abwärts, nach unten‘. Zusammen mit einem Bezugspunkt der Handlung steht es in der älteren Sprache meist334 mit einer Quellangabe im Ablativ, und dabei althethitisch immer ohne (→5a), mittelhethitisch immer mit (→5bc) Ortsbezugspartikel. katta ist funktional daher mit lat. dē ‚(von …) herab‘ zu vergleichen. Erst später verbindet es sich auch häufiger mit Zielangabe in der Bedeutung ‚hinab‘ (→5d), wofür schon vorher das komponierte kattanda (⇒2.4.4.6, vgl. Boley 2000: 158 f.) verwendet wird. 2.4.1.3-5a: KBo 17.19+KBo 25.52 II 8' (aS) LUGAL-us halmasuittaz katta ⌈w⌉[ezzi] König:NOM.SG Thron:ABL
herab kommen:PRS.3SG.AKT
„Der König kommt vom Thron herab.“ 2.4.1.3-5b: IBoT 1.36 IV 18 (mH/mS) māhhan=ma=kan LUGAL-us GIŠhuluganaz ⌈kat⌉ta tiyēzzi wie=KONN=OBP
König:NOM.SG Kutsche?:ABL herab
treten:PRS.3SG.AKT
334 Aber nicht ausnahmslos, vgl. als altes Bsp. katta dankui tēkan zahhis⌈kezz⌉[i] „Er schlägt immerfort (auf) die dunkle Erde hinab“ (KUB 17.10 II 34; aH/mS).
170
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Wie der König aber aus der Kutsche? hinabsteigt, …“ 2.4.1.3-5c: KBo 39.8 IV 19 f. (mH/mS) katta=war=a(t)=smas=kan :warsan
⌈ēstu
i⌉dālu
herab=„“=3PL.NOM.N=3PL.D/L.C=OBP abstreifen:PTZ.NOM.SG.N KOP:IMP.3SG.AKT böse:NOM.PL.N
uddār
KAxU-as EME-as
Wort:NOM.PL Mund:GEN Zunge:GEN
„»Sie seien von ihnen abgestreift, die bösen Worte von Mund und Zunge!«“ 2.4.1.3-5d: KBo 24.66+ I 20 f. (mH/mS) nu=ssan GIŠEREN katta ANA DUGGA[L MÊ] KONN=OBP Zeder
herab DAT Becher
dāi
Wasser setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt das Zedernholz hinab in (auf?) den Wasserbecher.“ Im Mittelhethitischen kann das Place Word gelegentlich auch als statisches ‚unten‘ verwendet werden: 2.4.1.3-6: KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 56 (mH/mS) nu kēdani mahhan ANA GIŠMÁ ūrkis KONN DEM:D/L.SG wie
DAT Schiff
k[atta] ⌈ŪL duk⌉[kā]ri
Spur:NOM.SG unten
NEG erscheinen:PRS.3SG.MP
„Wie bei diesem Schiff unten (/unter diesem Schiff) keine Spur zum Vorschein kommt, …“ katta kann im speziellen Kontext der Weitergabe von Generation zu Generation auch temporal verwendet werden (vgl. engl. to hand down, s. Salisbury 2005: 82)335. Alt- und mittelhethitisch finden sich zwar keine sicheren Beispiele für diesen Gebrauch (vgl. jungheth. →7a), die darauf aufbauende satzverknüpfende Verwendung als ‚(gleich) darauf, als nächstes‘ (s. Salisbury 2005: 83–86 mit vielen Bsp. 336) ist aber durchaus schon in der älteren Sprache belegt (→7b), mit der für konjunktionale Place Words üblichen Erststellung (⇒2.2.1.1). 2.4.1.3-7a: KUB 31.21+ III 21 (jH) [AB]UYA=pat=mu=kan kuiēs
ZAG.ḪI.A kat[ta dal]e?sta
Vater:POSS.1SG=PTK=1SG.D/L=OBP REL:AKK.PL.C Grenzen
herab
lassen:PRT.3SG.AKT
„Die Grenzen, die mir mein Vater hinterlassen hat, …“ 2.4.1.3-7b: KBo 7.28+KBo 8.92 Rs. 42 (mH?/mS) m[a]hhan tagnās dUTU-un irhāet wie
katta=ma
sumās
Erde:GEN (GN):AKK.SG reihum beopfern:PRT.3SG.AKT darauf=KONN ihr:AKK
irhāet[ ] reihum beopfern:PRT.3SG.AKT
335 Es ist nicht völlig auszuschließen, dass hier stattdessen aber auch katta ‚bei‘ (⇒2.4.2.2) vorliegt, vgl. im Deutschen temporales nach (zu nah). 336 Das von ihr (2005: 84 f.) in gleicher Weise gedeutete katta ariye/a-zi ‚ein Folgeorakel durchführen‘ ist im vorliegenden Korpus nicht belegt, dafür mehrfach (redundantes) arha ariye/a-zi ‚ausorakeln‘.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
171
„Wie er die Sonnengöttin der Erde der Reihe nach beopfert hat und euch aber gleich dar auf beopfert hat, …“ Eine interessante idiomatische Wendung ist sākuwa katta (nai-i) „die Augen nach unten (wenden)“ = ‚kopfüber/verkehrt herum (hinstellen)‘, die im Bsp. →8a als Koprädikat 337 verwendet wird: 2.4.1.3-8a: KBo 20.67+ II 8 f. (aH?/mS [n](u)=an=san istanani peran ANA KONN=3SG.AKK.C=OBP Postament:D/L.SG vorne
GIŠ
BANŠUR [s]ākuwa
DAT Tisch
katta338
Augen:AKK.PL herab
huwappi anordnen:PRS.3SG.AKT
„Er ordnet es [Dickbrot] vor dem Altarpostament auf dem Tisch kopfüber an.“ 2.4.1.3-8b: KBo 20.67+ I 10' f. (aH?/mS) n(u)=an=san PANI ZAG.GAR.RA parsiyantas KONN=3SG.AKK.C=OBP vor
sākuwa
Altarpostament
NINDA
harsayas
brechen:PTZ.D/L.PL.C Dickbrot:D/L.PL
katta nēāntas
ser dāi
Augen:AKK.PL herab NOM.SG=POSS.2SG.NOM.SG.N:PTZ.D/L.PL.C oben setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt es [Dickbrot] vor dem Altarpostament auf die gebrochenen, kopfüber gewendeten Dickbrote.“ Zur logografischen Schreibung (in lokaler Funktion) s. o. bei kattan. 2.4.1.4 āppan und āppa • āppan ‚hinten, (da)hinter, nach‘ (für Lit. s. u. āppa), geschrieben a-ap-pa-an, drückt die relative oder intrinsische HINTEN-Relation bzw. temporale Posteriorität aus, sowohl als Adverb (→1a) als auch als Postposition, die althethitisch überwiegend mit dem Genetiv (→1b) steht. 2.4.1.4-1a: KBo 17.74+ I 7 (aH/mS; ergänzt nach dem Paralleltext) [LÚMEŠEDI hass]an [āp]pan dāi Leibwächter
Herd:AKK.SG hinten
setzen:PRS.3SG.AKT
„Ein Leibwächter stellt einen Herd dahinter.“ 2.4.1.4-1b: KBo 3.22 49 (aS) kuis ammel āppan LUGAL-us REL:NOM.SG.C ich:GEN hinten
kīsar[i]
König:NOM.SG werden:PRS.3SG.MP
„Wer nach mir König wird, …“ 337 Diese haben im Heth. ähnlich wie Adverbien keine besondere Markierung, vgl. das depiktive Koprädikat d Telipinus lēlaniyanz wet „Telibinu kam wütend her“ (engl. Telibinu came angry) in KUB 17.10 II 33 (aH/mS). 338 Wenn man katta hier als Attribut zu =an auffasst, läge hier die einzige Ausnahme zum Verbot adnominaler Adverbien im Heth. (⇒2.4) vor, wobei mir die Ellipse eines Partizips wie in →8b wahrscheinlicher scheint.
172
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Ab der mittelhethitischen Zeit steht āppan regulär mit dem Dativ-Lokativ und wie die anderen perspektivierten Place Words ohne Ortsbezugspartikel:339 2.4.1.4-2: IBoT 1.36 III 12 f. (mH/mS) EGIR-an=na=ssi 2 DUMU.MEŠ.É.GAL aranta hinten=KONN=3SG.D/L.C 2 Palastbedienstete
stehen:PRS.3PL.MP
„Und hinter ihm stehen zwei Palastbedienstete.“ In der Constructio praegnans kann āppan auch das Ziel einer dynamischen Handlung angeben, allerdings sind nur Beispiele für den absoluten Gebrauch ohne Bezugswort belegt. 2.4.1.4-3: KBo 25.31 II 7' (aS) ⌈āp⌉pan tiyēzz[i] hinten
treten: PRS.3SG.AKT
„Er tritt dahinter hin.“ Mittelhethitisch kommt es ähnlich wie bei kattan/katta (s. o.) zu einer Vermischung mit dem Gebrauch des richtungsanzeigenden Pendants āppa: 2.4.1.4-4: KUB 15.34 II 24 f. (mH/mS) nu=ssi ANŠE.KUR.RA.ḪI.A-⌈as ÉRIN⌉.MEŠ-as alsuwar KONN=3SG.D/L.C Pferde:GEN
istamassuwar
Truppe:GEN
Treue:AKK.SG
EGIR-an ta[rn]atten
Gehorsam:AKK.SG zurück
lassen:IMP.2PL.AKT
„Lasst Treue (und) Gehorsam von Wagen- (und) Fußtruppen zum ihm zurück(kehren)!“ Ein besonderer Gebrauch ist die Verbindung =ssan (jungheth. =kkan) āppan zusammen mit Städten, die die Bedeutung „bei“ zu haben scheint:340 2.4.1.4-5a: KUB 13.1+ III 13' f. (mH/mS) ANA URULIM-ya=ssan kue PÚ.ḪI.A EGIR-an DAT Stadt:D/L.SG=OBP
REL:NOM.PL.N Quellen
hinten/bei
„Zu den Quellen, die bei einer Stadt liegen, …“ 2.4.1.4-5b: HKM 74 4 f. (mH/mS) INA URUZiggasta=wa(r)=‹s›san tuel LOK (ON)=„“=OBP
20 NAPŠADU EGIR-an
du:GEN.SG 20 Personal
hinten/bei
„»Bei Zikasta halten sich 20 deiner Leute auf.«“ Einige weitere eindeutige Beispiele stammen aus den junghethitischen Annalen Mursilis II. (KUB 19.37 III 36–40). Gegen eine wörtliche Übersetzung „hinter“ spricht, dass in keinem 339 D. h., āppan alleine oder mit dem Dat.-Lok. führt nicht zur Verwendung einer OBP, die natürlich dennoch stehen kann, dann aber aus anderen Gründen (z. B. = ssan zum Ausdruck von Kontakt in ABoT 65 Rs. 9' f. ( →2.4.1.4-7), =kkan beim ablativ. Dat.-Lok. in HKM 24 51). 340 S. Boley (2000: 150, 184 f., 323 f.), Hoffner (2009: 234 mit Anm. 186), nicht erkannt von Francia (2002: 59). Bei Flüssen wird für die „bei/an“-Relation wiederum ohne ersichtlichen Grund =ssan peran verwendet (⇒2.4.1.5).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
173
Beleg eine Begründung auftaucht, weshalb ein Objekt nun genau „hinter“ der Stadt liegen sollte und nicht etwa „vor“ oder „neben“ – wofür es keinerlei Belege gibt. 341 Weniger klar ist der folgende Satz: 2.4.1.4-6: HKM 5 11 f. (mH/mS) nu=ssan apūn ⌈GU4.ḪI.⌉A EGIR-an ēpdu KONN=OBP DEM:AKK.SG.C Rinder
hinten/bei
ergreifen:IMP.3SG.AKT
„Let him take the cattle nearby.“ (Boley 2000: 184) Da =ssan āppan bei diesem Verständnis Attribut zum Objekt GU 4.ḪI.A wäre (gegen eine solche Konstruktion s. o. 2.4), ist vielleicht doch eher „ Er soll jene Rinder versammeln“ zu übersetzen. Die Verbindung =ssan + āppan erscheint noch in einer idiomatischen Wendung, die aber wohl wörtlich als „hinten an jmd. liegen“ (vgl. dt. jemandem im Nacken sitzen) zu verstehen ist: 2.4.1.4-7: ABoT 65 Rs. 9' f. (mH/mS) ABUKA=wa(r)=mu=ssan EGIR-an=pat kittari Vater:POSS.2SG.M=„“=1SG.AKK=OBP hinten=PTK
liegen:PRS.3SG.MP
„»Dein Vater verfolgt mich richtiggehend.«“342 Ein zweites Beispiel für diese Metapher ist KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 2 (mH/mS; mit geneuerten =kkan). Nach Hoffner (2002: 168) findet sich im folgenden Beispiel sowie in KuT 50 51–55 (mH/mS) ein Terminus technicus der Verwaltungssprache Dat.-Lok. + āppan dai-/ti-i „jmd. etwas hinter-legen“ = „jmd. mit etwas beauftragen“: 2.4.1.4-8: KBo 16.63+KUB 34.45 13 (mH/mS) nu=mu tuppi ANA GAL.GEŠTIN EGIR-an da[i]s KONN=1SG.D/L Tafel:AKK.SG DAT (Titel)
hinten
setzen:PRT.3SG.AKT
„(Als ich aber [nach meiner Genesung] hinaufging,) hatte er mir die Tafel für den Weinoberen aufgetragen.“ Ab der mittelhethitischen Zeit wird āppan überwiegend logografisch mit EGIR(-an) ‚hinter, nach‘ geschrieben, in der Bedeutung „danach, später“ erscheint stattdessen EGIR-ŠU, das auch für āppanda (EGIR-anda, ⇒2.4.4.6) steht, weshalb die Lesung im konkreten Fall meist unsicher bleiben muss. Die sumerografischen Schreibungen sind dabei tendenziell jünger, die syllabischen (a-ap-pa-an) tendenziell älter.
341 Eine mögliche Erklärung könnte die Lokalisierung der Objekte gemäß einer (mentalen) Wegangabe sein, d. h. die Stadt wird als Station auf dem (aus einer beliebigen Richtung kommenden) Weg verstanden, nach (āppan) der gleich (=ssan) das zu verortende Objekt kommt, vgl. hanz anda URU-ya paizzi „Er geht vorne (= zuerst?) in die Stadt hinein“ (KUB 9.28 IV 16; jH). Es würde sich demnach also um eine lokal verwendete temporale Angabe handeln (zu diesem Phänomen s. Ehrich 1989). Für eine andere Erklärung s. u., Kap. 4.1.4.2. 342 Oder positiv „Dein Vater steht fürwahr hinter mir“ (so Melchert 1979: 60). Möglicherweise ist wie bei Städten hier auch von einer Bedeutung ‚bei‘ auszugehen.
174
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.1.4-9a: KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 54 (mH/mS) nu=ssi namma ūrkis EGIR-an ŪL dukkāri KONN=3SG.D/L.C ferner
Spur:NOM.SG hinten
NEG erscheinen:PRS.3SG.MP
„(Wie) nach ihm ferner keine Spur zum Vorschein kommt, …“ 2.4.1.4-9b: KUB 45.47 I 29 (mH/mS) GIŠ EGIR huprushi=ma BANŠUR AD.KID hinten Räucherbecken=KONN Tisch
dāi
Rohrgeflecht setzen:PRS.3SG.AKT
„Hinter dem Räucherbecken stellt er einen Flechttisch auf.“ • āppa ‚zurück, wieder; (altheth.) danach‘,343 geschrieben a-ap-pa, ist aufgrund seiner zusätzlichen repetitiven Bedeutung deutlich häufiger belegt als āppan (im Verhältnis von etwa 3:1) und vielfältig mit anderen Lokalangaben kombinierbar (→10ef). 2.4.1.4-10a: Gesetze §48 (KBo 6.2 II 52; aS) ta=z āppa d⌈āi⌉ KONN=REFL zurück nehmen:PRS.3SG.AKT
„Er nimmt (es) sich zurück.“ 2.4.1.4-10b: KBo 3.22 41 f. (aS) m [app]ezziyan=(m)a Anittas
LUGAL.GAL dSiu(n)=ssu[mmin
letzter:AKK.SG.N=KONN (PN):NOM.SG Großkönig URU
Zā]lpuwaz āppa
(ON):ABL
URU
Nēsa
Gottheit:AKK.SG=POSS.1PL.AKK.SG.C
pē[dahhun]
zurück (ON):DIR.SG hinschaffen:PRT.1SG.AKT
„Zuletzt? aber habe ich, Anitta, der Großkönig, unsere Gottheit von Zalpa zurück nach Nesa hingebracht.“ 2.4.1.4-10c: Gesetze §79 (KBo 6.2 IV 13; aS) nu=us āppa ishi=ssi
pennai
KONN=3PL.AKK.C zurück Herr:D/L.SG=POSS.3PL.D/L.SG.C hintreiben:PRS.3SG.AKT
„Er bringt sie zu ihrem Besitzer zurück.“ 2.4.1.4-10d: KBo 3.22 50 (aS) URU nu Hattusan āppa asās[i] KONN (ON):AKK.SG wieder besiedeln:PRS.3SG.AKT
„(Wer) Hattusa wieder besiedelt, …“
343 S. HW2 (A: 148–162), wo auch āppan behandelt ist. Die zuerst von Goetze (1933: 23) angesetzte Bedeutung „weg, fort“ ist nicht zu sichern (so auch HW2 A: 148), vielmehr ist bei allen Bsp. „zurück“ „wieder“, oder vielleicht auch stärker desemantisiertes „wiederum“ (vgl. =apa, ⇒2.3.2) zu übersetzen. Für eine Postposition āppa + Abl. plädiert jetzt wieder Francia (2010), doch könnten dafür nur zwei Belege angeführt werden (→2.1.2.1-2a, KUB 30.10 Vs. 15'), und ein jüngeres =z istanzani āppa mema(i)-i „aus seiner Seele sprechen“ (Francia 2010: 163–166) ist nicht glaubwürdig, da es die Ersetzung eines gut motivierten ursprünglichen Abl. durch einen nicht motivierten Dat.-Lok. voraussetzen muss, was den Entwicklungslinien der heth. Kasus diametral entgegenliefe.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
175
2.4.1.4-10e: KUB 55.43 II 4 f. (mH/mS) n(u)=an=san EGIR[-pa] ANA DINGIRLIM is⌈k⌉rantas KONN=3SG.AKK.C=OBP wieder
DAT Gottheit
ser
feststecken:PTZ.D/L.PL.C oben
dāi setzen:PRS.3SG.AKT
„Er setzt ihn wieder auf die festgesteckten Gottheiten.“ 2.4.1.4-10f: VSNF 12.10 IV 14' f. (mH/mS) n(u)=at=kan ⌈EGIR⌉-pa hassī KONN=3SG.AKK.N=OBP wieder
anda pessiēzzi
Herd:D/L.SG drinnen werfen:PRS.3SG.AKT
„Er wirft es wieder auf/in den Herd.“ Aus der Bedeutung ‚wieder‘ hat sich der reihende Gebrauch „danach“ mit Erstposition (⇒2.2.1) entwickelt. In dieser Funktion ist āppa nach der althethitischen Zeit (→11a)344 nur noch vereinzelt (→11b) sowie in dem éntheos-„Kompositum“ appa-siwatt- ‚Zukunft‘ belegt, an seine Stelle tritt āppanda ‚danach‘ (⇒2.4.4.6). 2.4.1.4-11a: KBo 3.1 I 13 (aH/jS) [EGI]R⌈-pa⌉ mHattusi[l]is hassuwet danach
(PN):NOM.SG König sein:PRT.3SG.AKT
„Danach war Hattusili König.“ 2.4.1.4-11b: IBoT 1.36 II 5 (mH/mS) EGIR-pa=ma=kan namma istarna 1IKU345 danach=KONN=OBP
ferner
inmitten 1 (Maß)
„Danach aber ist ein Iku [ca. 15 m] (Abstand) dazwischen.“ Nach-althethitisch steht āppa bisweilen auch für āppan (und umgekehrt, s. o.): 2.4.1.4-12: IBoT 1.36 I 34 f. (mH/mS) ANA GIŠhuluganni=ma=at EGIR-pa 1 IKU ⌈iya⌉nta DAT Kutsche?:D/L.SG=KONN=3PL.NOM.C hinten
1 (Maß) Gehen:PRS.3PL.MP
„Sie gehen aber ein Iku (ca. 15m) hinter der Kutsche?.“346 Logografisch wird das Place Word wie auch āppan mit EGIR ‚hinter, nach‘ (meist als EGIRpa) geschrieben, in der Bedeutung „danach, später“ aber auch EGIR-ŠU; diese Schreibung steht allerdings auch für āppanda. Wie bei āppan tritt die sumerografische Schreibung erst ab der mittelhethitischen Zeit häufiger auf.
344 Unsicher ist das Original KBo 17.43 I 12', hier ist auch eine Übersetzung „zurück“ möglich. 345 Nicht 1=kan „by ones“ (so Boley 2000: 417). 346 Angesichts solcher Bsp. ist die Behauptung Salisburys (2005: 34), āppa werde nie als Postposition gebraucht, nicht nachzuvollziehen.
176
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.1.4-13: KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 59 f. (mH/mS) nu
ÍD-as
māhhan EGIR-pa ŪL arsiēzzi
KONN Fluss:NOM.SG wie
zurück
NEG fließen:PRS.3SG.AKT
„Wie ein Fluss nicht zurückfließt, …“ 2.4.1.5 peran und prā • peran ‚vorne, davor, vor‘, geschrieben pé-(e-)ra-an347, bezeichnet den Bereich vor einem Relatum, sowohl im relativen als auch intrinsischen Referenzrahmen (s. Kap. 3.1.2), übertragen auch zeitliche Anteriorität (→1ab). Es verbindet sich im Althethitischen mit dem Gen. (→1c), Dativ-Lokativ (→1d) oder enklitischen Possessiva (→1e). Als freies Adverb ist es in althethitischer Schrift nur im nicht völlig klaren Beispiel →1a belegt, vgl. aber das mittelhethitische Beispiel →1b: 2.4.1.5-1a: Gesetze §146 (KUB 25.85+ II 9; aS) ta=kkan pēran walhzi KONN=OBP vorne
schlagen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn aber ein anderer kommt und) zuerst/vorher (beim Kauf) zuschlägt, …“ 2.4.1.5-1b: KBo 17.62+KBo 17.63 I 17' (mH/mS) n(u)=an peran karū handān harkanzi KONN=3SG.AKK.C vorne
bisher ordnen:PTZ.AKK.SG.N halten:PRS.3PL.AKT
„Sie haben sie schon vorher vorbereitet.“ 2.4.1.5-1c: KBo 17.18 II 8 (aS) ta=an hassās peran tianzi KONN=3SG.AKK.C Herd:GEN.SG vorne
setzen:PRS.3PL.AKT
„Man stellt es vor den Herd.“ 2.4.1.5-1d: KBo 17.15 Rs.! 18' (aS) ⌈DUMU.É⌉.GAL LUGAL-i peran huwai Palastbediensteter
König:D/L.SG vorne
laufen:PRS.3SG.AKT
„Ein Palastbediensteter eilt dem König voraus.“ 2.4.1.5-1e: KBo 3.22 78 f. (aS) ap[ās=(m)a p]ēra(n)=mmit
kunnaz
esari
DEM:NOM.SG.C=KONN vorne=POSS.1SG.ABL/INS.N rechts:ABL sitzen:PRS.3SG.MP
„Er sitzt vor mir zur Rechten.“ In einer Constructio praegnans drückt peran auch die Zielregion eines Bewegungsverbs aus (dt. vor + Akk.). Dieser Befund ist besonders wichtig, denn für die anderen Koordinaten (hin347 Die Pleneschreibung findet sich v. a. in älteren Texten. Die früher übliche Umschrift „ piran“ beruht auf der auch prinzipiell unangebrachten „Default-Lesung“ pí für das Zeichen 𒁉. In jungen Texten finden sich die Abkürzungen pé.an und pé. – Für Belege und Gebrauch, gerade auch zu metaphorischen Wendungen, s. ausführlich CHD (P: 291– 311).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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ten, oben, unten) finden sich fast keine Beispiele (vgl. aber 2.4.1.3-1df) und er zeigt, dass die ortsanzeigenden Place Words auch für intrinsische Lokalisationen mit Bewegungsverben verwendet werden, während für die dynamischen Place Words in dieser Funktion Belege (zunächst) gänzlich fehlen. Letztere sind vielmehr adverbielle Richtungsanzeiger für die Verbalhandlung („ein-, vor-, rück-, auf-, abwärts“) und keine Relatoren.348 2.4.1.5-2: KBo 38.12+ II 20 (aH/aS?) LUGAL-as pēran 2-at 2⌈-at nan⌉[nianta] König:GEN.SG vorne
2:INS?349 2:INS? treiben:PRT.3PL.MP
„Sie werden je zu zweien vor den König getrieben.“ Im Mittelhethitischen findet sich der gleiche Gebrauch, aber nur noch in Verbindung mit dem Dativ-Lokativ. Eine Ortsbezugspartikel wird nicht verlangt, kann aber kombiniert werden: 2.4.1.5-3: KBo 15.25 Vs. 26 (mH/mS) nu=ssan ÍD-i peran 1 GUNNI iyam[i] KONN=OBP Fluss:D/L.SG vorne
1 Herd
machen:PRS.1SG.AKT
„Ich stelle direkt am Fluss einen Herd her.“ Das vorherige Beispiel ist eines von mehreren (vgl. l. c. Vs. 6, KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 60 f.; mH/mS) für die Kombination =ssan + Fluss + peran, die unmittelbare Nähe zu einem Fluss ausdrücken dürfte (so auch Boley 2000: 183), da Flüsse keine kanonischen Vorder- oder Rückseiten haben.350 Auffälligerweise wird für diese Konfiguration bei Städten das Place Word āppan (⇒2.4.1.3) verwendet, ebenfalls mit =ssan. Da keine kognitiv begründbare Ursache für dieses Phänomen zu finden ist, könnte es sich um idiomatische Wendungen handeln, deren ursprüngliche Motivation nicht mehr zu erkennen ist. In KUB 30.38+ I 49 f. (vorjH/jS) fehlt peran in dieser Konstruktion (n(u)=an […] ÍD-i=ssan warnu[zi] mit interner OBP), möglicherweise aus Versehen. In zwei Kontexten wird peran metaphorisch ähnlich wie im Deutschen gebraucht: 2.4.1.5-4a: KUB 30.10 Rs. 14 (mH?/mS) nu=mu É-YA inani
peran pittuliyas É-er
KONN=1SG.D/L Haus:POSS.1SG Krankheit:D/L.SG vorne
Angst:GEN Haus:NOM.SG
kisat werden:PRT.3SG.MP
„Mein Haus ist vor Krankheit zu einem Haus der Angst geworden.“351
348 S. o. 2.4. srā ‚hoch‘ (s. u.) bildet ab der späten mittelheth. Zeit eine solche Funktion aus und beginnt, ser ‚oben‘ zu ersetzen. 349 Die Deutung der Endung ist unklar, s. GHL (156). 350 Es ist natürlich nicht völlig auszuschließen, dass dies für einzelne markante Flüsse (wie den Halys/Kızılırmak, der in weitem Bogen das heth. Kernland umfließt) doch der Fall war, zumindest deiktisches „diesseits“ – „jenseits“ ist mit einem Fluss (höchstwahrscheinlich dem genannten Kızılırmak) belegt (s. §22 der Gesetze).
178
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2.4.1.5-4b: HKM 1 11–13 (mH/mS) nu=z PANI LÚKÚR mekki KONN=REFL vor
Feind
pahhssnuanz352
ēs
viel:AKK.SG.N schützen:KAUS:PTZ.NOM.SG.C KOP:IMP.2SG.AKT
„Sei vor dem Feind sehr vorsichtig!“353 Auch sonst finden sich naheliegende metaphorische Ausweitungen wie „vor jmd.“ → „in jmds. Anwesehenheit/Hörweite/Gesichtsfeld/Gedanken“ (für Bsp. s. CHD P: 296–298), sowie Übertragungen von der räumlichen auf andere Domänen, z. B. den Rang (vgl. peran huwai-/hui-i ‚anführen‘ < „davor laufen“) oder die Zeit (Bsp. s. o., vgl. auch Zuntz 1936: 98– 102). Das Place Word wird akkadografisch mit der Präposition (ANA) PANI ‚vor‘ (jungheth. auch PAN) geschrieben: 2.4.1.5-5a: KUB 36.44+KUB 53.20 14' (mH/mS) BĒL DINGIRLIM PANI DINGIRLIM paizzi Herr Gottheit
vor
Gottheit
hingehen:PRS.3SG.AKT
„Der Gottesherr geht vor die Gottheit.“ 2.4.1.5-5b: KBo 15.25 Rs. 4 (mH/mS) n(u)=as=san ANA GIŠBAN[ŠUR AD.KID] ANA PANI DINGIRLIM KONN=3PL.AKK.C=OBP DAT Tisch
Rohrgeflecht vor
Gottheit
tehhi setzen:PRS.3SG.AKT
„Und ich lege sie vor die Gottheit auf den Flechttisch.“ • prā ‚vorwärts; weiter; hinaus‘ (s. CHD P: 109–130), geschrieben stets pa-ra-a354 und traditionell parā umschrieben, hat in Abhängigkeit von seiner Konstruktion stark voneinander abweichende Bedeutungen, die sich aber alle auf zu Grunde liegendes ‚vorwärts‘ (Bewegung nach vorne in intrinsischer Perspektive) zurückführen lassen. 355 Als freies Adverb bedeutet es „voran (→6a), weiter(hin), außerdem (häufig mit =(m)a, namma), dann, über-(geben etc.)“, mit Nomina je nach Bezugspunkt „aus (… zu)“ (mit ablativ. OBP 356 und Abl. oder Dat.-Lok. 351 Vgl. Hoffner (2002: 164 f.) für weitere Bsp. von kausalem peran, sowie Dunkel (1990) zur grundsprachlichen Herkunft dieses Ausdrucks. Hoffner merkt an, dass es interessanterweise nur in negativem Kontext verwendet wird. Dort (ebd. 165) finden sich auch Anmerkungen zur Verwendung von peran zum Ausdruck von Rangunterschieden (der Rangniedere steht stets „vor“ (d. h. im Angesicht) dem Ranghöheren). 352 pa-aḫ-ḫa-aš-ša-nu-an-za [pəXSnu/owānts], vgl. die Schreibungen pa-aḫ-ḫa-aš-nu-° und pa-aḫ-ša-nu-°. 353 So die übliche Übersetzung. Da es aber selbstverständlich sein sollte, dass die in den Maşat-Briefen angespro chenen Grenzkommandeure angesichts der ständigen Bedrohung durch die Kaškäer in ständiger Abwehrbereitschaft sein müssen, werden mit dieser Wendung vielleicht konkretere Vorkehrungen gegen feindliche Gruppen angeordnet. 354 In KUB 31.143 II 16 bzw. 22 (aS) findet sich allerdings die vereinfachende Schreibung pa-ra-ma°. 355 Vgl. aber die Anmerkungen zu temporalen prā unten. 356 Altheth. =asta, mittelheth. meist =kkan. In Sätzen mit dem Ablativ fehlt eine OBP nur in einem Fall (KBo 19.145 III 38' f.; mH/mS), doch weist dies als übersetzter Text auch sonst Merkwürdigkeiten auf und kann daher nicht als verlässliche Quelle dienen. Vielleicht ist die Partikel wegen der logografischen Schreibung am Satzanfang auch nur grafisch unterdrückt (s. o. S. 72, Fn. 99).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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– aber nie beiden gleichzeitig!) bzw. „weiter zu“ (mit Dir./Dat.-Lok. bzw. direktiv. OBP). Im adverbiellen Gebrauch tritt das Place Word auch als Āmreḍita prā prā ‚immer weiter, immer mehr‘ auf.357 2.4.1.5-6a: KBo 17.1+ II 28' f. (aS) MUŠEN hāran⌈an=na prā⌉ hilam[na?]
pētumeni
Adler:AKK.SG=KONN voran Torbau:DIR?.SG hinschaffen:PRS.1PL.AKT
„Auch den Adler bringen wir voran/nach vorne in den Torbau.“ 2.4.1.5-6b: KBo 17.1+ I 3' f. (aS) 3-kis=(m)a=smas sī[na]n
[p]rā ēpzi
dreimal=KONN=3PL.D/L.C Figur:AKK.SG voran ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Dreimal aber hält358 er ihnen die Figur hin.“ 2.4.1.5-6c: KBo 24.66+ IV 56 (aS) n(u)=as prā damedani
ANA
LÚ
AZU
pāi
KONN=3SG.NOM.C voran ander:D/L.SG.C DAT Opferschauer geben:PRS.3SG.AKT
„Er gibt sie einem anderen Opferschauer weiter.“ 2.4.1.5-6d: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 20 (mH/mS) ⌈nam⌉ma=w[a(r)=z] prā tamāin hapātin fener=„“=REFL
ZI[-it]
lē
tamai
KUR-e
voran ander:AKK.SG.C Ackerland:AKK.SG ander:AKK.SG.N Land:AKK.SG
[ēs]tari
Seele:INS PROH sitzen:PRS.2SG.MP
„»Ferner sollst du kein anderes Ackerland (und überhaupt) kein anderes Land eigenmächtig besetzen.«“ 2.4.1.5-6e: KBo 17.62+KBo 17.63 IV 15' (mH/mS) prā=ma=wa(r) M[U-an]ni ŠA DUMU.MUNUS āssū voran=KONN=„“ Jahr:D/L.SG GEN Tochter
udallu
gut:AKK.PL.N herschaffen:IMP.1SG.AKT
„»Im nächsten Jahr will ich Gutes von einer Tochter herbringen.«“ 2.4.1.5-6f: KBo 15.10+KBo 20.42 I 8 f. (mH/mS) KÙ.BABBAR […] URUDU kuitta prā tepu Silber
Kupfer
dāi
jeder:AKK.SG.N voran gering:AKK.SG.N nehmen:PRS.3SG.AKT
„Silber, (…) und Kupfer, von allem nimmt er jeweils ein bisschen.“ 2.4.1.5-6g: KBo 3.22 46 f. (aS) d s(u)=⌈an Halmas⌉[uiz]359 dSīus=smis KONN=3SG.AKK.C (GN):NOM.SG
prā
Gottheit:NOM.SG=POSS.3PL.NOM.SG.C voran
357 Im vorliegenden Korpus gibt es keine Belege, aber vgl. z. B. in KUB 57.63 II 39 –41 (aH?/jS) nu labarnas LUGAL-was antu=ssit prā prā makkiskettaru „Die Habe Labarnas, des Königs, möge sich immer weiter vermehren.“ 358 Vgl. das zu Bsp. 2.3.4-5b oben Gesagte. 359 Ergänzung und Übersetzung nach Singer (1995).
180
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
pais geben:PRT.3SG.AKT
„Ihre Gottheit Halmaswit übergab sie [die Stadt Hattusa].“ 2.4.1.5-6h: HKM 60 17 f. (mH/mS) [nam]ma=as=mu=kan duw[ā]n p[r]ā naisten ferner=3PL.AKK.C=1SG.D/L=OBP hierher?
„Dann entsendet sie hierher(?)
360
voran wenden:IMP.2PL.AKT
zu mir.“
2.4.1.5-6i: IBoT 1.36 I 74 (mH/mS) n[(u)=a]t=kan prā ŠA LÚM[EŠ]EDI Éhīlaz KONN=3PL.NOM.C=OBP voran GEN Leibwächter
wiskandari
Hof:ABL kommen:IPFV:PRS.3PL.MP
„Sie kommen stets durch den Hof der Leibgarde heraus.“ 2.4.1.5-6j: KBo 25.61+ III? 12' (aS) ta=a(t)=sta prā pēdai KONN=3SG.AKK.N=OBP voran hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Er bringt es hinaus.“ 2.4.1.5-6k: KBo 17.43 I 11' f. (aS) LUGAL-i prā361 1-ŠU paizzi König:D/L.SG voran
1:POSS.3.SG.M hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er geht einmal zum König weiter.“ Das folgende Beispiel könnte entgegen der obigen Aussage bedeuten, dass ‚hinaus‘ die Default-Lesung von prā ist, doch kann die Ortsbezugspartikel auch nur grafisch unterdrückt sein (s. S. 72, Fn. 99). Tatsächlich wäre die elativische Lesart ohne die zusätzliche translative Komponente von =asta (⇒2.3.3) kaum aus der Grundbedeutung ‚vorwärts‘ abzuleiten (oder umgekehrt). 2.4.1.5-7: KBo 17.21+ 11 (aS; ergänzt nach Duplikaten) [LÚ GIŠ]⌈BANŠUR⌉ NINDAzippulasne prā pēdai Mann Tisch
(Brotsorte):AKK.SG voran hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Ein Tafeldecker bringt das z.-Brot hinaus.“ In der elativischen Bedeutung wird prā logografisch mit akkad. IŠTU ‚aus‘ geschrieben, wobei oft nicht klar ist, ob die akkadografische Schreibung bloßen Ablativ oder eben Ablativ mit prā vertritt, redundante Schreibungen *IŠTU X prā (ähnlich INA X anda(n), s. o. 2.4.1.1) konnten im Rahmen dieser Arbeit nicht gefunden werden. 362 Durch die Parallelität mit Sätzen
360 Oder „später“, ⇒ 2.4.3.3. 361 Das direktiv. PW ist gegen die übliche altheth. Regel hier nachgestellt, vielleicht zur Emphase von LUGAL -i, s. Tjerkstra (1999: 161); nach Starke (1977: 179 f.) aber handelt es sich um einen lokativischen Dativ. 362 Im Text KUB 29.7+KBo 21.41 kommen IŠTU und prā mehrmals in éinem Satz vor, jedoch nicht in der Bedeutung „aus“, sondern als prā e/app-zi ‚hinhalten‘ (z. B. Vs. 13, 21, 26).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
181
mit prā kann bei Belegen wie dem folgenden aber auf ein tatsächlich zu Grunde liegendes Place Word geschlossen werden: 2.4.1.5-8: KUB 32.135+ I 2 f. (mH/mS) māhhan=ma=kan ⌈LUGAL⌉-us IŠTU wie=KONN=OBP
É.DU10.ÚS.SA wezzi
König:NOM.SG ABL/INS Waschungshaus
kommen:PRS.3SG.AKT
„Wenn aber der König aus dem Waschungshaus kommt …“ Melchert (2008b) setzt aufgrund der Wendungen duwān prā ‚lange vorher‘ (⇒2.4.3.3) und peran prā ‚im Voraus‘ (⇒2.4.4.6) auch eine temporale Bedeutung ‚vorher‘ (ähnlich peran) für prā an. Diese wäre dann wohl genauso ursprünglich wie ‚voran‘ und schon vor Be ginn der Überlieferung weitgehend ausgestorben. Interessant ist auch ein nicht-lokaler, nicht-temporaler Gebrauch, 363 in dem prā ähnlich wie hanti (⇒2.5.3.2) ein außer der Reihe stehendes, besonderes Objekt bezeichnet (etwa wie dt. extra): 2.4.1.5-9: HKM 70 5–7 (mH/mS) n(u)=as⌈ta⌉ kāsa ÉRIN.MEŠ.ḪI.A prā tuk=pat KONN=OBP
DEM.1 Truppe(n)
ēszi
voran du:D/L=PTK KOP:PRS.3SG.AKT
„Die Truppen hier sind ja extra für dich/bei dir.“ 364 Das Auftreten einer Ortsbezugspartikel weist darauf hin, dass die wörtliche Grundlage dieser Übertragung nicht die Bedeutung ‚weiter‘ (→ „weiterer, zusätzlicher“), sondern ‚heraus‘ (→ „herausgenommen, gesondert“) ist. Vielleicht ist daneben noch *prā(-)negna- ‚(nicht gleichrangiger) Halbbruder‘ (Brosch 2008: 45 f.) zu vergleichen, doch lässt sich dieser auch aus der Komponente ‚weiter‘ erklären.
2.4.2 Nicht-korrespondierende Place Words Diese Place Words unterscheiden nicht morphologisch zwischen Orts- und Richtungsangabe, welche vielmehr durch das entsprechende Verb ausgedrückt werden. Formal ähneln sie teils den dynamischen Place Words (istarna, katta), teils den statischen (istarni=, priyan), deren vier syntaktische Funktionen sie auch kennen (⇒2.4). Nur in einem Fall (p(ar)rānda) lässt sich die Entwicklung dieser nicht-korrespondierenden Place Words beobachten, es ist daher synchron unklar, ob sie die in 2.4.1 genannte Opposition verloren oder nie ausgebildet haben.
363 Für weitere übertragene Gebrauchsweisen s. die ausführliche, wenn auch heute teils überholte Liste von Zuntz (1936: 68–80). 364 Anders CHD (P: 118): „Only you have extra troops.“ Für eine genaue Festlegung der Übersetzung fehlt es an aussagekräftigen Bsp.
182
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.2.1 istarna, istarni= • istarna, vor enklitischen Possessivpronomina (im Dat.-Lok. Sg.) istarni=365 ‚inmitten, zwischen‘ (für Belege s. HED I/II: 478–481), geschrieben fast nur iš-tar-na/ni-, drückt eine Inklusion ohne Kontakt oder vollständige Umschließung aus. Es steht dabei ab der mittelhethitischen Zeit regelmäßig mit der Ortsbezugspartikel =kkan (bzw. =asta, s. Boley 1989: 98 f., 2000: 138) und dem Dativ-Lokativ (→1cde), im Althethitischen ist daneben auch der Gebrauch mit dem Genetiv366 oder enklitischem Possessivpronomen (→1b) belegt. 2.4.2.1-1a: KBo 22.2 Vs. 6 (aH/aS?) mān MU.ḪI.A istarna pāer als
Jahre
inmitten hingehen:PRT.3PL.AKT
„Als Jahre inzwischen vergangen/dazwischengegangen waren, …“ 2.4.2.1-1b: KBo 3.60 II 2 (aH/jS) kuis istarni=smi
antuwa⌈hhis⌉367 a[ki]
REL:NOM.SG.C inmitten=POSS.3PL.D/L.PL.N Mensch:NOM.SG sterben:PRS.3SG.AKT
„Ein Mensch, der unter/bei ihnen stirbt, …“ 2.4.2.1-1c: CTH 138 104' (mH/mS) istarna=ma=an=kan wemiyanzi inmitten=KONN=3SG.AKK.C=OBP finden:PRS.3PL.AKT
„(Wenn) man es [Vieh des Feindes] darunter [Vieh des Vertragspartners] findet, …“ 2.4.2.1-1d: KUB 30.29 4 f. (mH/mS) [1]EN KUŠ+sarpassin368=(m)a=⌈kan⌉ GIŠkuppisnas 1
istarna [t]agān
Fellbezug?:AKK.SG=KONN=OBP Schemel?:D/L.PL inmitten Erde:D/L.SG
isp(a)ranzi ausbreiten:PRS.3PL.AKT
„Zwischen den Schemeln? aber breitet man je einen Fellbezug? auf der Erde aus.“ 2.4.2.1-1e: KBo 39.8 III 55 (mH/mS) [nu=]kan istarna 7 NA⁴huwasi isgranzi KONN=OBP inmitten 7 Stele?:AKK.SG feststecken:PRS.3PL.AKT
„(Sie zünden rechts und links ein Feuer an.) Dazwischen stecken sie sieben Stelen? fest.“ Mit der ersten Person (Plural) kann istarna entsprechend „untereinander“ ausdrücken, vgl. istarni=summe KUB 26.81 I 7 (aH?/jS; in fragmentarischem Kontext). 365 Ein selbständiges istarni existiert nicht, der von Puhvel (HED I/II: 478) als (völlig ungrammatisches!) istarni=ma=w[ar=]an=wa(r)=nnas=kan gedeutete Beleg iš-tar-ni-ma-x[ ]x-an-wa-an-na-aš-kán (KUB 23.101 II 18; jH) ist mit Cotticelli-Kurras (2007b: 182, Fn. 13) vielmehr als istarni=su!‹m›m[i=m]an=wa(r)=nnas=kan zu verstehen. 366 In KBo 25.112 III 11', in stark beschädigtem Kontext; in II 12' hingegen findet sich der Dat.-Lok. 367 Diese Form (für altes antuwahhas, jünger antuhsas) ist wohl auf ein Eingreifen des Abschreibers zurückzuführen, sprachhistorisch ist ein i-Stamm nicht zu erwarten. 368 Zur Emendation s. o. →2.1.3.5-1e.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
183
Eine besondere Verbindung, die anscheinend speziell die adverbielle Funktion von istarna unterstreichen soll, ist istarna pēdi ‚in der Mitte‘, das junghethitisch reich bezeugt ist, in meinem Korpus aber nur einmal (IBoT 2.39 Rs. 31; mH/mS) vorkommt. Logografisch wird das Place Word mit sumer. ŠÀ „(im) Herz(en)“ wiedergegeben, wofür sich im hier verwendeten Korpus keine klaren Beispiele finden lassen, vgl. aber jungheth. KUB 1.1 I 7 (DINGIR.MEŠ-as=kan istarna) gegenüber l. c. IV 88 (ŠÀ DINGIR.MEŠ). 2.4.2.2 katta(n), katti= katta, vor enkl. Possessivpronomina (im Dat.-Lok. Sg.) katti= ‚(da)bei, (da)mit, zu‘, geschrieben kat-ta/ti (selten ka-at-ta), drückt althethitisch als Postposition mit dem Genetiv (→1a) räumliche Nähe ohne Kontakt und davon ausgehend Begleitung (→1b) aus. 369 Möglicherweise ist in IBoT 1.36 II 27 f. (→1d) in dynamischer Konfiguration („zu“, →1cf) eine besondere Konstruktion mit Direktiv anzusetzen, doch ist hier wie auch in einigen anderen Beispielen nicht völlig klar, ob nicht eher das homonyme katta ‚herab‘ (⇒2.4.1.3) vorliegt. Mittelhethitisch wird katta weitgehend370 von kattan + Dat.-Lok. verdrängt (s. u.), das Allo morph katti= vor enklitischen Possessivpronomina (→1b) hält sich als versteinerte Wendung noch mindestens bis zum Ende der mittelhethitischen Zeit (vgl. die Belege aus Maşat, →1ce). 371 2.4.2.2-1a: KBo 24.54+ III 10' (aS) n(u)=e hassas katta! esanta KONN=3PL.NOM.C Herd:GEN.SG dabei
sich setzen:PRS.3PL.MP
„Sie setzten sich beim Herd hin.“ 2.4.2.2-1b: KBo 22.2 Rs. 15' (aH/aS?) Ù ÉRIN.MEŠ katti=smi KONN Truppen
dabei=POSS.3PL.D/L.SG
„Und die Truppen waren bei/mit ihnen (= auf ihrer Seite).“ 2.4.2.2-1c: HKM 30 22 (mH/mS) n(u)=at=mu katti=mi
udau
KONN=3SG.AKK.N=1SG.D/L dabei=POSS.1SG.D/L.SG herschaffen:IMP.3SG.AKT
„Er soll es zu mir herbringen.“
369 Nach Starke (1977: 186) ist die Grundbedeutung „(zusammen) mit“, doch ist der Weg vom Komitativ zu loka lem „bei, neben“ wenig wahrscheinlich, daher setze ich als Grundbedeutung lokales „bei“ an, woher sich „mit“ sowie dynamisches „zu“ leicht ableiten lassen. 370 Gegen Starke (1977: 185) aber nicht völlig, vgl. Bsp. 1e. 371 Die enkl. Possessiva waren zu dieser Zeit schon lange nicht mehr in lebendigem Gebrauch, entsprechend tauchen Doppelungen der Pronomina wie in Bsp. 1 f und Fehler wie der folgende auf: kinun=(m)a=kan kās[a] mKastandan [?] […] katti=sumi prā nehhun „Jetzt aber habe ich Kastanda (…) von hier zu euch(!) entsandt“ (HKM 57 18–22; s. GHL: 139 mit Fn. 16).
184
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.2.2-1d: IBoT 1.36 II 27 f. (mH/mS) māhhan=ma=as ⌈katta⌉ Ékāskast[ep]a ari wie=KONN=3SG.NOM.C dabei?
Haupttor:DIR.SG ankommen:PRS.3SG.AKT
„Wie er aber (unten?) beim Haupttor eintrifft, …“372 2.4.2.2-1e: ABoT 65 Vs. 3 f. (mH/mS) ka[tti=mi] SIG5-in tug=ga dabei=POSS.1SG.D/L.SG gut
katta SIG5-i[n] ē[st]u
du:D/L=KONN dabei gut
KOP:IMP.3SG.AKT
„Bei mir ist (alles) in Ordnung, möge es auch bei dir in Ordnung sein!“ 2.4.2.2-1f: KUB 32.130 12 f. (mH/mS) d nu=mu IŠTAR ṢERI katti=mi KONN=1SG.D/L (GN)
Feld
udanzi
dabei=POSS.1SG.D/L.SG herschaffen:PRS.3PL.AKT
„Man wird die Ištar des Schlachtfeldes zu mir herbringen.“ Akkadografisch wird katta mit den Präpositionen MAḪAR, ITTI ‚bei, vor, mit‘ und IŠTU ‚von, durch, mit‘ wiedergegeben, wobei nicht klar ist, ob diese jeweils für katta oder kattan stehen: 2.4.2.2-2a: HKM 58 3 (mH/mS) MAḪAR ŠEŠ.DÙG.GA-YA hūman bei
SIG5-in ēsdu
lieber Bruder:POSS.1SG all:NOM.SG.N gut
KOP:IMP.3SG.AKT
„Bei meinem lieben Bruder soll alles in Ordnung sein!“ 2.4.2.2-2b: KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 59 (mH/mS) [n(u)]=as ITTI m[M]adduwatta373 pait KONN=3SG.NOM.C bei
(PN)
hingehen:PRT.3SG.AKT
„Er ging zu Matuwata“ 2.4.2.2-2c: IBoT 1.36 I 51 f. (mH/mS) GIŠ nu ŠUKUR ITTI LÚNI.DUḪ dāi KONN Speer
bei
Pförtner
setzen:PRS.3SG.AKT
„Er stellt den Speer beim Pförtner ab.“ 2.4.2.2-2d: IBoT 1.36 III 29 f. (mH/mS) n(u)=as IŠTU DUMU.É.GAL paizzi KONN=3SG.NOM.C ABL/INS Palastbediensteter
hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er geht mit dem Palastbediensteten.“ Wie bereits erwähnt, ist ab der mittelhethitischen Zeit kattan + Dat.-Lok. der übliche Ausdruck für räumliche Nähe, zumindest bei Beteiligung einer Person:
372 Der König fährt aus der Burg heraus in die Stadt hinab. ā/ar-i ‚ankommen, gelangen, erreichen‘ verbindet sich auch sonst mit dynamischen Place Words, was in der Übersetzung nur schwer nachzuahmen ist. 373 In der Autografie fehlt versehentlich -ta, das auf der Tafel aber vorhanden ist.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
185
2.4.2.2-3a: IBoT 1.36 II 20 (mH/mS) LÚ ŠUKUR.KÙ.SI22=ma=smas kuis Mann Goldspeer=KONN=3PL.D/L.C
kattan artat
REL:NOM.SG.C dabei
stehen:PRT.3SG.MP
„Der Goldspeer-Mann aber, der bei ihnen stand, …“ 2.4.2.2-3b: IBoT 1.36 I 36 (mH/mS) DUG kaltiya=wa(r) kattan paimi Nachttopf:D/L.SG=„“ dabei
hingehen:PRS.1SG.AKT
„»Ich gehe auf den Topf.«“374 Auffälligerweise sind in allen sicheren Beispielen, auch jenen mit katta, mindestens Lokatum oder Relatum eine Person.375 Dies mag damit zusammenhängen, dass es für die Lokalisation mit den Relata Stadt und Fluss idiomatisierte Ausdrücke mit āppan (⇒2.4.1.4) bzw. peran (⇒2.4.1.5) gibt. Weitere Beispiele mit nahe beieinander lokalisierten Objekten fehlen. Dass sich katta (katti=) und kattan in direktivischer Funktion darin unterscheiden, dass sie jeweils eine Bewegung zu einem Ort bzw. zu einer Person ausdrücken (so Tjerkstra 1999: 137), kann auf Basis des vorliegenden Korpus nicht bestätigt werden, die mittelhethitischen Belege zeigen sowohl katta als auch kattan mit Objekten,376 mit Personen ließ sich überhaupt nur ein einziges Beispiel in dynamischer Syntax finden (katta in KBo 32.14 III 41, vgl. aber das folgende Bsp.). Gegen Melchert (2009a: 610 f.) steht kattan nicht ausschließlich als Postposition, sondern kann auch ohne Bezugswort im Satz auftreten, wie das folgende Beispiel (mit einmaliger Nachstellung des PW) zeigt: 2.4.2.2-4: HKM 71 4 (mH/mS) BELU(-) man=wa(r) ūnnatti Herr
IRR=„“
⌈katt⌉an
hertreiben:PRS.2SG.AKT dabei
„»Herr, kämst du nur hergefahren!«“377 2.4.2.3 priyan und p(ar)rānda Diese beiden Place Words werden zusammen behandelt, da sich ihre Bedeutungen und Konstruktionen teilweise überschneiden. Zunächst aber einige Anmerkungen zur Beleglage:
374 Wenn hier nicht „hinunter“ gemeint ist. Überhaupt ist auch in vielen Belegen von kattan kontextuell unklar, welche der beiden Bedeutungen vorliegt. Bei kattan hat sich die Homonymie vergrößert, da es ebenso wie kattan ‚unten‘ mit Dat.-Lok. konstruiert wird. 375 Ein unsicheres Gegenbsp. ist nu=us dametani NA⁴p[ēr]uni ka⌈ttan⌉ isparrier „Man hat sie unter/bei einem anderen Felsen ausgebreitet“ (KBo 15.10+KBo 20.42 II 1 f.; mH/mS). 376 Z. B. IBoT 1.36 II 27 f. (mH/mS), KBo 20.71+ IV 8' (mH?/mS) bzw. IBoT 1.36 I 36, KBo 12.19 III 16' f. (mH/mS). 377 Zwei in der Lesung bzw. im Kontext unsichere Bsp. für alleinstehendes katta sind ⌈nu⌉ 2 LÚ.MEŠ L[I]M ṢERI ⌈katta?⌉ iyanta „Zwei der „Tausend des Schlachtfeldes“ marschieren mit“ (IBoT 1.36 II 51 f.; mH/mS) und nu=us katta plahsiyanzi „Man umhüllt sie mit einer Decke“ (KUB 29.50 Vs.? 25; mH/mS).
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
priyan (s. CHD P: 151–153), nach der Transliteration pa-ri-(ya-)an gewöhnlich pariyan umschrieben,378 ist erst im 14. Jh. belegt. Im Junghethitischen findet man selten ein von diesem Place Word abgeleitetes oder mit p(ar)rānda gekreuztes Adverb par(r)ianda ‚hinüber‘. Zumindest synchron nichts mit priyan zu tun hat das Adverb priyawan ‚schräg‘ (s. Sakuma 2009: 110–112; ⇒4.1.4.4). p(ar)rānda (CHD P: 135–137) ist im Mittelhethitischen durch die Univerbierung der Place Words prā ‚voran‘ und anda ‚hinein‘ entstanden. So findet man in Texten der älteren Sprache noch pa-ra-a an-da (KUB 33.68 II 17 f.; aH/mS) und pa-ra-a-an-da (KBo 30.39+ Rs. 6; aH/mS) bzw. pa-ra-a-an-ta (KBo 15.10+KBo 20.42 I 20; mH/mS, ca. Tuthaliya I.), im späteren Mittelhethitischen und durchgängig im Junghethitischen erscheint dann die Schreibung pár-ra-an-d/ta (z. B. KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 43; mH/mS, ca. Tuthaliya III.). Man muss hier wohl mit einer sprachwirklichen Anaptyxe und folgender Fortisierung des r rechnen, sowie Kürzung von ā in nicht-letzter Silbe (s. Kloekhorst 2008: 83, 98), also einer Entwicklung [prā.ənda] → [p(ə)rā(ə)nda] → [pəRanda]. Beide Place Words werden als „hinüber, jenseits“ (engl. across) übersetzt, wobei p(ar)rānda mit Dativ-Lokativ und stets mit der Ortsbezugspartikel =kkan (=asta) steht, priyan hingegen mit Akkusativ und oft, aber nicht ausnahmslos mit =kkan. Gleiche Funktion in Kombination mit verschiedenen Kasus 379 wäre ein klares Zeichen für Rektion, ein Verhalten, wie man es von klassischen Adpositionen kennt. Allerdings scheinen die Konstruktionen bei genauerer Betrachtung doch nicht identisch zu sein, auch das (Nicht-)Auftreten der Ortsbezugspartikel bei priyan muss noch geklärt werden. Gemeinsam ist beiden Place Words eine gedankliche Konstruktion zweier Regionen, die durch eine Grenze oder eine dritte Region voneinander getrennt sind. Die Ausgangsregion ist immer unbezeichnet und aus dem Kontext zu verstehen, die Ziel- und/oder die Übergangs region hingegen werden nach für beide Place Words identischen Prinzipien expliziert. Dabei wird jeweils nur entweder die Zielregion durch den Dativ-Lokativ oder die Übergangsregion durch den Akkusativ des Weges (⇒2.1.4.2) mit einem Kasus ausgedrückt, die Partikel =kkan (bzw. =asta) bezeichnet dabei die Übergangsregion, auch wenn diese im Kontext ohne Bedeutung oder ohne Ausdruck ist. Daraus ergibt sich das folgende, in sich stimmige Bild: p(ar)rānda bezeichnet in Einklang mit seiner ursprünglichen kompositionellen Bedeutung „vorwärts hinein“ immer den Übergang in die Zielregion (‚hinüber zu‘ 380) und steht ent-
378 Pleneschreibung pa-a° erscheint nur in zwei jungheth. Texten und ist etymologisch nicht zu erwarten, daher gehe ich von einem Stummvokal aus. Die einmalige und unerwartete Schreibung 𒉺𒊑𒂊� (HKM 46 9; mH/mS) lese ich pa-ri-yax-an (vgl. dazu Melchert 1994: 35), nicht pa-re-e-an. Bei pa-ri-ya (KBo 5.13 I 31; jH) ist wohl das letzte Zeichen versehentlich ausgelassen. 379 Vgl. für „übers Meer“ aruni parranda (KBo 3.4 II 31) – arunan p[riyan?] (KUB 8.50 III 8; jH; rekonstruiert nach der akkad. Version). Ansonsten werden p(ar)rānda und priyan nicht mit denselben Wörtern kombiniert, bei ersterem finden sich v. a. Länder (auch Wüsten, Krankheiten), bei letzterem v. a. Flüsse (auch Berge), also Objekte (bzw. Metaphern) mit weiterer vs. engerer Ausdehnung. 380 Gegen Boley (2000: 183 f.) kann eine „eindeutige“ Bedeutung „vor“ in keinem Bsp. ausgemacht werden.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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sprechend mit Dativ-Lokativ und =kkan. Keines der Beispiele ist zwingend mit „über“ zu übersetzen, vgl.: 2.4.2.3-1a: KBo 17.105+KBo 34.47 II 19' (mH/mS) n(u)=asta zig=ga hassās ANA dLAMMA KONN=OBP du:NOM=KONN Herd:NOM.SG DAT (GN)
āssu
KUŠ
kursas […] prā(-)anda
Vlies:GEN
hinüber
me⌈miski⌉
gut:AKK.SG.N sprechen:IPFV:IMP.2SG.AKT
„Und du, Herd, übermittle der Schutzgottheit des Vlieses, (…) stets Gutes.“ 2.4.2.3-1b: KUB 41.8 II 18 f. (mH/jS) n(u)=at=kan aruni parranda381 pēdāu KONN=3SG.AKK.N=OBP Meer:D/L.SG hinüber
hinschaffen:IMP.3SG.AKT
„Er [der Wind] soll es (wie ein Schiff) hinüber aufs Meer tragen.“ priyan findet man in derselben Konstruktion mit derselben Bedeutung: 382 2.4.2.3-2: HKM 46 8 f. (mH/mS) n(u)=as=kan mān INA KUR KONN=3SG.NOM.C=OBP wenn LOK Land
ḪUR.SAG
Sakddunuwa priyan paizzi
(ON)
hinüber hingehen:PRS.3SG.AKT
„Ob er in das Land Saktunuwa hinübergeht, …“ Im Junghethitischen ist allerdings ein Schwanken im Gebrauch der Partikel bei ansonsten gleichen Sätzen festzustellen. Die Ursache hierfür ist unklar:383 2.4.2.3-3: KBo 4.11 17 (jH) EGIR-ŠU ANA DINGIR.MEŠ LÚ.MEŠ priyan tarnanzi danach
DAT Gottheiten
Männer
hinüber lassen:PRS.3PL.AKT
„Danach lässt man (die Opfergaben) hinüber zu den männlichen Gottheiten.“ Mit dem Akkusativ und =kkan bezeichnet priyan hingegen die Übergangsregion, die auf dem Weg zur impliziten Zielregion passiert wird: 2.4.2.3-4: KUB 18.5+KUB 49.13 I 33 f. (mH/mS) n(u)=as=kan ÍD-an priyan pait KONN=3SG.NOM.C=OBP Fluss:AKK.SG hinüber hingehen:PRT.3SG.AKT
„Und er flog über den Fluss (in einen anderen Beobachtungsquadranten) hinüber.“
381 Das Duplikat KBo 10.45 II 52–54 (mH/jS) bietet stattdessen anda aruni „ins Meer hinein“, was entschieden gegen eine Interpretation „über das Meer hinweg“ spricht. 382 Eine metaphorische Ausweitung dieser Bedeutung dürfte „entgegen“, also „hinüber zu“ in negativer Haltung, sein, wie es in kēdani=ma=z=kan ⌈ANA⌉ NĪŠ DINGIRLIM priyan UL memai „Wenn er es aber entgegen diesem seinem Eid nicht sagt, …“ (KUB 21.42 I 23 f.; jH) zu finden ist. 383 Vielleicht handelt es sich wieder um die bereits erwähnte rein grafische Unterdrückung bei Logogrammen.
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Wenn die Zielregion ohne Bedeutung ist und nur eine begrenzte, vollkommen durchschrittene Region ausgedrückt werden soll, steht der bloße Akkusativ der Erstreckung ohne Ortsbezugspartikel (⇒2.1.4.1): 2.4.2.3-5: KUB 7.54 II 13 f. (jH) n(u)=at KASKAL-as hadares‹sar› KONN=3SG.AKK.N Weg:GEN
priyan ishūwanzi
Kreuzung:AKK.SG hinüber schütten:PRS.3PL.AKT
„Man schüttet es über die Wegkreuzung hinweg aus.“ Aus heutiger Sicht ist nicht immer nachzuvollziehen, wann in Sätzen mit mehreren gedachten Regionen eine Partikel nötig oder zulässig ist, Schwankungen bei ähnlichen Sätzen 384 weisen auf eine gewisse Freiheit im Gebrauch, d. h. verschiedene Grade der Explizitheit hin. = kkan kann auch bei Unterdrückung beider Regionen stehen (→6a), muss aber nicht (→6b): 2.4.2.3-6a: HKM 35 1–5 (mH/mS) m zig=(m)a=kan Pippapas ÉRIN.MEŠ UKU.UŠ du:NOM=KONN=OBP (PN):NOM.SG Truppe(n)
priyan leliwahhuwanzi
Schwerbewaffneter hinüber hasten:INF
uwate herbringen:IMP.2SG.AKT
„Du aber, Pipaba, bring die Schwerbewaffneten eiligst (hier) herüber.“ 2.4.2.3-6b: KUB 41.17 I 30 (jH) n(u)=at priyan pēdanzi KONN=3PL.AKK.N hinüber hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Man bringt sie hinüber.“ priyan kennt als freies Adverb ohne Partikel zudem einen statischen Gebrauch, in dem es in Opposition zu āppa(n) (⇒2.4.1.4) steht. Diese Verwendung ist aus der Bedeutung „hinüber“ nicht herleitbar385 und muss daher wohl in Übereinstimmung mit seiner Etymologie (⇒4.1.4.2) die Grundbedeutung des Wortes darstellen. Nicht völlig klar ist, wie sich aus „vor“ ein „hinüber“ entwickelt hat, eine Parallele ist aber jedenfalls mit p(ar)rānda und wohl auch wurzelgleichem gr. péran ‚jenseits, hinüber‘ gegeben. 2.4.2.3-7: KUB 15.32 II 26 f. (mH/jS) n(u)=at ābiyas DINGIR.LÚ.MEŠ-as priyan EGIR-pa=ya KONN=3PL.AKK.N Opfergrube:D/L.SG Götter:D/L.PL
vorne
hinten=KONN
marzaizzi verstreuen?:PRS.3SG.AKT
„Er verstreut? sie vorne und hinten für die männlichen Gottheiten der Opfergrube.“ 384 Vgl. n(u)=as=kan ÍD-an priyan tar.u.an wet „Und er kam im t.-Quadranten über den Fluss herüber(geflogen)“ (KUB 18.5+KUB 49.13 I 23 f.; mH/mS) – salwayas=ma gun. priyan p[ait] „Der s.-Vogel flog im g.-Quadranten hinüber“ (KUB 5.24 II 48; jH). 385 Die implizite Interpretation des CHD (P: 152 f.), priyan auch hier als „jenseits“ zu verstehen, wobei sich „vorne“ nur aus der Perspektive ergebe, ist nicht glaubwürdig, u. a. da in den Beispielen mit Opfergruben eine relativ kon struierte Vorderseite nicht jen-, sonder diesseitig liegen sollte (s. u. 3.1.2.3).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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2.4.3 Sonstige Lokaladverbien 2.4.3.1 andurz andurz ‚(dr)innen‘ (s. HW2 A: 122 f.), geschrieben immer an-dur-za, drückt relational den Innenraum eines dreidimensionalen Behälterobjekts aus. Es ist dabei stets statisch und fungiert gewöhnlich nicht als Postposition und nur im Kontrast mit arahz bzw. āskaz ‚draußen‘ als deiktisches Adverbial, worin es sich von anda ‚drinnen‘ (⇒2.4.1.1) unterscheidet. Auch wenn es nicht in alter Schrift 386 und zuerst in Beispiel 1a (aH/mS) belegt ist, muss die Bildung aus etymologischen Gründen älter sein, da sie die im Anatolischen sonst ausgestorbenen Elemente *en und *dhor- enthält (⇒4.1.4.3). Im kopierten Alt- und im Mittelhethitischen ist das Adverb trotz der Ablativ-Endung387 nur in statischer Bedeutung belegt. 2.4.3.1-1a: KUB 33.68 II 7 (aH/mS) GIŠ nu PÈŠ mahhan andurz LIM NUMUN-an harzi KONN Feige
wie
innen
1000 Samen:AKK.SG halten:PRS.3SG.AKT
„Wie die Feige innen 1000 Samen hat, …“ 2.4.3.1-1b: IBoT 1.36 III 53 (mH/mS) LÚ [nu=z] ⌈ku⌉is MEŠEDI andurz harzi KONN=REFL REL:NOM.SG.C Leibwächter
innen
„Der Leibwächter, der sich innen (auf)hält, …“
halten:PRS.3SG.AKT 388
Nicht in das Bild passt der folgende Beleg, in dem andurz die Funktion und Konstruktion (=kkan) des Place Words anda ‚drinnen‘ aufweist und zudem zusammen mit einer offenen Fläche verwendet wird: 2.4.3.1-2: Bo 2004/01 8 f. (mH/mS) NA ⁴huwasiya=⌈at⌉=kan andurz walhan[t]es Stele?:D/L.SG=3PL.NOM.C=OBP innen
NA
⁴perunes
schlagen:PTZ.NOM.PL.C Stein:NOM.PL
„Sie sind innerhalb des Stelen?-Kultbezirks, die behauenen Steine.“ Der außergewöhnliche Text ist von Luwismen durchsetzt (s. Lorenz/Rieken 2007). Dies und die für das Hethitische ungewöhnliche Konstruktion mit kataphorischem Pronomen =at (trotz explizitem Subjekt389) spricht dafür, dass der Satz kein (aus Sicht der sonstigen Texte) korrektes Hethitisch darstellt.
386 Die Form ⌈an-dur⌉-za-še-et in KUB 34.18 II 12' (vor-jH/jS) sei nach HW2 „wertlos“. 387 Diese ist nach Joseph (2000) allerdings nicht ursprünglich, zur Diskussion s. Kap. 4.1.4.3. 388 Dagegen l. c. III 19: „draußen“. Einen weiteren klaren Kontrast bietet KUB 36.12 III 6'–8' (jH): nu=smas dassauwa andurz arnuwandu arahz=ma GIŠharsandana⌈hiti⌉ KALAG.GA-us NA4.ḪI.A-us tarnandu „Man soll ihnen drinnen schwere Dinge bereitstellen, draußen aber soll man schwere Steine für das h.-Gerät lassen.“ 389 Vgl. einen ähnlichen Fall in der (übersetzten!) heth. Version der großen Bilingue, KBo 32.13 II 31 f. (→2.4.4.66–c).
190
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.3.2 manninkuwan man(n)inkuwan ‚nahe‘ (s. CHD L-N: 171–173), geschrieben ma-(an-)ni-(en/in-)ku-(u-)wa(a-)an, drückt räumliche oder übertragen zeitliche 390 Nähe aus. Es kann sich dabei mit einer Lokalangabe (im Dat.-Lok.) verbinden, die in Abhängigkeit vom Verb als Ort oder Ziel eines Vorgangs aufzufassen ist. Es besteht eine funktionale Ähnlichkeit mit dem Place Word katta(n) ‚bei‘ (⇒2.4.2.2). Formal ist das Adverb wohl der Nominativ-Akkusativ Sg. n. des Adjektivs man(n)inkuwant- ‚nah, kurz‘, das auf ein selbst nicht sicher belegtes (*)man(n)inkuwa- ‚dss.‘ zurückgeht (mit weiteren Ableitungen, s. CHD L-N: 170, 173 f.). Erst im Jung hethitischen findet sich auch eine akkadografische Wiedergabe QERUB. Alt- oder Mittelhethitisch gibt es zufällig keinen Beleg mit Bewegungsverb, vgl. aber das junghethitische Beispiel →1d. 2.4.3.2-1a: Gesetze §22 (KBo 6.2 I 48'; aS) takku manninkuan ē[pz]i wenn
nahe
ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Wenn er (ihn) in der Nähe ergreift.“ 2.4.3.2-1b: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 18 (mH/mS) nu[=wa(r)]=z A⌈NA⌉ KUR URUHatti=ya manninkuwan KONN=„“=REFL DAT
Land
(ON)=KONN
nahe
„»Du bist auch dem Land Hatti nahe.«“ 2.4.3.2-1c: IBoT 1.36 I 17 f. (mH/mS) 1 LÚMEŠEDI=ma kēz IŠTU
LÚ
MEŠEDI kuttaz
1 Leibwächter=KONN DEM:ABL ABL/INS Leibwächter
KÁ-as
mannikuwan
Mauer:ABL Tor:D/L.PL nahe
arta stehen:PRS.3SG.MP
„Ein Leibwächter aber steht auf der Seite der „Mauer der Leibwächter“, nahe dem Tor.“ 2.4.3.2-1d: KUB 48.123+ I 16 f. (jH) DINGIRLUM ANA dUTUŠI […] ḪUL-lu Gottheit
DAT (Titel)
mannenkuwan UL tarnatti
böse:AKK.SG.N nahe
NEG lassen:PRS.2SG.AKT
„Gottheit, (wenn) du Böses nicht in die Nähe der Majestät lässt, …“ 2.4.3.3 tuwa(-) Von einem Stamm tuwa- (zu einem idg. Abstraktum *deh2- ‚Erstreckung‘, ⇒4.1.4.3), lautlich wohl teils als [tóa-], teils als [tā-] zu interpretieren, sind drei versteinerte Kasusformen belegt, die synchron z. T. voneinander abweichende und nicht nur lokale Bedeutungen angenommen haben.
390 Nur in akkan[na]s=ma MU karū mannikūwan „Ist das Todesjahr schon nah?“ (IBoT 1.33 111; jH).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
191
• tuwa ‚fern, weit‘ (s. HEG III: 486) wird gewöhnlich eine statische Bedeutung gegeben, ein Großteil der Belege ist aber auch dynamisch als „in die Ferne“ lesbar. Dies würde wiederum dazu passen, die Form als alten Direktiv aufzufassen, denkbar sind aber auch ein Akkusativ Pl. n. (zum Ausdruck eines Wegs in der Ferne) oder (nach Melchert 1984: 30) der endungslose Lokativ eines eh2-Stammes. Es ist nur ein mittelhethitisches Beispiel bekannt, das semantisch aber zu den zahlreicheren junghethitischen passt. 2.4.3.3-1: KuT 50 17 (mH/mS) nu=kan TI8MUŠEN peran tuwa assuwaz pait KONN=OBP Adler
vorne
fern
gut:ABL
hingehen:PRT.3SG.AKT
„Ein Adler flog im vorderen Bereich aus dem günstigen (Bereich) in die/der Ferne.“ • tuwaz ‚von weitem, aus der Ferne‘ (s. HEG III: 486 f.) ist hingegen schon althethitisch be legt, eine von manchen angesetzte temporale Lesung („seit langem“) ist an keiner Stelle zwingend. 2.4.3.3-2: KBo 17.43 I 19' (aS) [LUG]AL-us tū⌈az⌉391 QATAM d[āi] König:NOM.SG von ferne Hand
setzen:PRS.3SG.AKT
„Der König legt von Weitem die Hand (daran).“ • tuwān (s. HEG III: 490 f.) ist fast nur in einer korrelativen Konstruktion belegt und wurde in dieser bisher mit ‚hierhin … dorthin‘ bzw. allein stehend mit ‚hierher‘ übersetzt; die nur junghethitisch belegte Verbindung duwān prā wurde als ‚bisher, bis jetzt‘ aufgefasst. Die Abweichungen in Akzent und Bedeutung von tuwa und tuwaz waren mehrfach Anlass, die Zusammengehörigkeit der drei Wörter in Zweifel zu ziehen.392 Melchert (2008b) hat jedoch vor Kurzem gezeigt, dass die einzelnen Verwendungsweisen neu bestimmt werden müssen und sich dabei unter einer Grundbedeutung ‚lang, spät‘ (vgl. lat. sērus ‚spät‘ zu air. sír ‚lang‘; Melchert 2008b: 205) vereinen lassen. Diese liegt noch in der Wendung duwān prā, jetzt ‚eine lange Zeit davor‘,393 vor. Daneben können diese Elemente aber zufällig auch nebeneinander vorkommen, vgl. Bsp. →3a (mit dem Verb prā nai-i ‚aussenden‘). Korrelatives duwān … duwān (→3de) enthält keine deiktische Komponente, sondern drückt nur zwei verschiedene Richtungen aus und ist auf ein ‚for a distance … for a distance‘ zurückzuführen (206). tuwān alleine hingegen ist mit Präsens (→3ac) als ‚später, gleich darauf‘ (vgl. engl. later), mit Präteritum (→3b) als ‚unlängst‘ (engl. lately) wiederzugeben. Zwar kann Melcherts Neuansatz die meisten Probleme dieser Wortsippe lösen, temporales ‚lately, later‘ kann aber nicht das 391 Geschrieben tu-u-⌈az⌉ [tōaz] ([tōˀaz]?), sonst meist tu-(u-)wa-az. Vgl. noch tu-az in KUB 25.36 V 4 (mH/mS). 392 Formal handelt es sich bei tuwān (jüngere Schreibung duwān) um einen Akk. Sg. c., vielleicht also um einen Richtungsakkusativ, der im Heth. zugunsten des Dir. aufgegeben wurde. Dunkel (1997: 71 f.) hingegen setzt einen adverbiellen Instrumental *-em an. Nach Melchert (2008b: 206) sei es ein Akk. der Erstreckung, zu einem idg. Wort für ‚Erstreckung‘. 393 Vgl. besonders KBo 2.2 III 19–27 (jH) mit Plusquamperfekt (duwān prā sallakartan harkun „ich hatte schon lange [nicht „bis jetzt“!] brüskiert“). Zu temporalem prā s. o. 2.4.1.5.
192
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
mehrfach belegte Auftreten von tuwān in Ritualbeschreibungen erklären (→3c, 4), wo sich Teilnehmer auf der Stelle in verschiedene Richtungen drehen, davon auch „einmal tuwān“. Es ist sinnvoll, wenn auch unsicher, hier eine lokale Bedeutung ‚in die andere Richtung‘ anzu nehmen, die vielleicht aus dem korrelativen duwān … duwān ‚in die eine Richtung … in die andere Richtung‘ abgeleitet wurde. 2.4.3.3-3a: HKM 66 24 f. (mH/mS) n(u)=an=mu=kan du⌈w⌉ān prā nai KONN=3SG.AKK.C=1SG.D/L=OBP spät(er)
voran wenden:IMP.2SG.AKT
„Entsende ihn danach zu mir.“ 2.4.3.3-3b: HKM 66 l. Rd. 1 (mH/mS) nu ammuk duwān h[a]treskatten KONN ich:D/L
spät(er) schreiben:IPFV:PRT.2PL.AKT
„Ihr schriebt mir unlängst wiederholt.“ 2.4.3.3-3c: KBo 38.12 III 30' (aH/aS?) [LÚ.MEŠhapies p]⌈ē⌉di=smi=pat
tuwān 1-ŠU
(Personengruppe):NOM.PL Ort:D/L.SG=POSS.3PL.D/L.SG.N=PTK herum? 1:POSS.3.SG.M
wahanzi drehen:PRS.3PL.AKT
„Die h.-Leute wenden sich eben auf ihrem Platz einmal um(?).“ 2.4.3.3-3d: Gesetze §166 (KUB 25.85+ III 2 f.; aS; ergänzt nach jungheth. Kopien) [kēl mēni=sset] tuwān kēl=l[a DEM:GEN.SG Gesicht:AKK.SG=POSS.3SG.AKK.SG.N dahin
mēni=sset
DEM:GEN.SG=KONN
tuwān nēanzi]
Gesicht:AKK.SG=POSS.3SG.AKK.SG.N dahin
wenden:PRS.3PL.AKT
„(Man schirrt Ochsen an.) Das Gesicht des einen richtet man in die eine, und das Gesicht des anderen in die andere Richtung.“ 2.4.3.3-3e: KUB 17.10 III 8 f. (aH/mS) d nu Telipinui sēr arha duwān warnunun KONN (GN):D/L.SG oben weg
dahin
tuwan=na
brennen:KAUS:PRT.1SG.AKT dahin=KONN
warnunun brennen:KAUS:PRT.1SG.AKT
„Um Telibinu willen (oder: Von über Telibinu weg) habe ich (ihn) hier ganz verbrannt, auch da habe ich (ihn) verbrannt.“ Der Beleg 3e weist eine nicht erwartete statische Lesung „hier … da“ auf. Althethitisch findet sich neben tuwān marginal eine Nebenform tuwānt(a), bei der nicht klar ist, ob es sich um eine weitere Kasusform (Instrumental?) oder eine andere Art Ableitung handelt.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
193
2.4.3.3-4: KBo 25.42 I? 12' (aS) [pēdi=ssi]=pat
tuwānt(a) 1-ŠU
Ort:D/L.SG=POSS.3SG.D/L.SG.N=PTK herum?
wēhzi
1:POSS.3.SG.M drehen:PRS.3SG.AKT
„Er wendet sich auf seinem Platz einmal um(?).“ 2.4.3.4 parz parz ‚-wärts?‘ (s. CHD P: 196 f.), geschrieben pár-za, pár-aš-za (auch pirz?), ist nur sehr selten belegt, in klarem Kontext zudem nur zusammen mit āppa ‚rückwärts‘, dem es semantisch nichts hinzuzufügen scheint:394 2.4.3.4-1: KUB 17.10 III 25 f. (aH/mS) nu māhhan GIŠŠEN-as ā[ppa parz] ŪL arsi!yēzzi KONN wie
Rinne:GEN.SG zurück -wärts NEG fließen:PRS.3SG.AKT
„Wie das (Wasser) der Rinne nicht rückwärts fließt, …“ 2.4.3.5 kunna- und GÙB-lakunna- ‚rechts, günstig‘ (s. HED IV: 245–247), geschrieben auch mit dem Logogramm ZAG, und GÙB-la- ‚links, ungünstig‘ (syllabische Schreibung unbekannt) drücken mit ihren Kasusformen – hinzuzudenken ist ein Wort für „Seite“ o. ä. (→1a) – die intrinsische und die relative Rechts-Links-Unterscheidung aus (⇒3.1.2.2/3), wobei der erstarrte Ablativ in Abhängigkeit vom Verb Quelle und Ort, der erstarrte Direktiv oder später Dativ-Lokativ hingegen Ziel an gibt. Wie ein Place Word können kunnaz und GÙB-laz dabei auch adpositional verwendet werden (→1f). 2.4.3.5-1a: IBoT 1.36 I 69 f. (mH/mS) LÚ.MEŠ ME⌈ŠEDI=ma⌉ Éarkiwi tapusz Leibwächter=KONN
ZAG-z
tienzi
Vorraum395:D/L.SG Seite:ABL rechts:ABL treten:PRS.3PL.AKT
„Die Leibwächter aber stellen sich auf der rechten Seite des Vorraums auf.“ 2.4.3.5-1b: KBo 3.22 78 f. (aS) ap[ās=(m)a p]ēra(n)=mmit
kunnaz
esari
DEM:NOM.SG.C=KONN vorne=POSS.1SG.ABL/INS.N rechts:ABL sitzen:PRS.3SG.MP
„Er sitzt vor mir zur Rechten.“ 2.4.3.5-1c: KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 42 (mH/mS) t(a)rupan=ma=at GÙB-laz flechten:PTZ.NOM.SG.N=KONN=3SG.NOM.N links:ABL 394 Als Ablativ zu peran ‚vorne‘ und prā ‚voran‘ (⇒4.1.4.2) liegt eine ursprüngliche Bedeutung ‚von vorne‘ nahe, was sich mit āppa gut verbinden lässt („von vorne nach hinten“). Synchron stehen diesem Bedeutungsansatz aber der (unvollständige) Beleg mit prā (KBo 17.30 Rs. 10'; aS) und die Tatsache entgegen, dass in Sätzen mit Quell- und Zielangaben sonst immer die Quelle zuerst genannt wird (vgl. Tjerkstra 1999: 164) – parz steht aber immer nach. Es hat daher wohl keine besondere Bedeutung (mehr). 395 Übersetzung ‚Vorraum, Gewölbe‘ nach Popko (2009: 21).
194
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Geflochten aber ist er [ein Strick] von links.“ 2.4.3.5-1d: KBo 38.12+ III 26' (aH/aS?) [LÚ.MEŠhapies p]⌈ē⌉di=smi=pat
ZAG-ni
1-ŠU
(Personengruppe):NOM.PL Ort:D/L.SG=POSS.3PL.D/L.SG.N rechts:D/L.SG 1:POSS.3.SG.M
wahanzi drehen:PRS.3PL.AKT
„Die h.-Leute wenden sich eben auf ihrem Platz einmal nach rechts.“396 2.4.3.5-1e: KBo 39.8 II 2 f. (mH/mS) kin[un=(m)a=wa(r)] apūs hūrtaus jetzt=KONN=„“
EME.ḪI.A dUTU-us
DEM:AKK.PL.C Fluch:AKK.PL Zungen
⌈GÙB-la⌉
(GN):NOM.SG links:DIR
[wahnuddu] drehen:KAUS:IMP.3SG.AKT
„»Jetzt aber soll die Sonnengottheit jene Flüche (und) Zungen nach links wenden (= wirkungslos machen).«“ 2.4.3.5-1f: KBo 52.13+ II 4–6 (mH/mS) d BUNENE SUKKAL-KA kunnaz=tet (GN)
iyatta
Wesir:POSS.2SG.M rechts:ABL=POSS.2SG.ABL gehen:PRS.3SG.MP
d
Misarus=(m)a
SUKKAL-KA
GÙB-laz=tet
iyatta
(GN):NOM.SG=KONN Wesir:POSS.2SG.M links:ABL=POSS.2SG.ABL gehen:PRS.3SG.MP
„Bunene, dein Wesir, geht zu deiner Rechten, Misaru, dein Wesir, aber geht zu deiner Linken.“397
2.4.4 Kombinationen von mehreren Place Words Place Words und andere Lokaladverbien können problemlos in gleicher oder verschiedener syntaktischer Position unabhängig voneinander vorkommen, wie die folgenden Beispiele zeigen: 2.4.4-1a: KBo 24.45+KBo 38.196 Rs. 14 f. (mH/mS) GEŠTIN=ya=kan EGIR-an⌈da⌉ āpiti anda sipanti Wein=COMM=OBP
danach
Opfergrube:D/L.SG drinnen libieren:PRS.3SG.AKT
„(Er schüttet sie in die Opfergrube hinab,) danach libiert er auch Wein in die Opfergrube.“ 2.4.4-1b: KBo 17.15 Rs.! 13' (aS) DAM LÚGUDU12 andan siunas Ehefrau (Titel)
É-ri
sarh[ul]iyas
per[an
drinnen Gottheit:GEN.SG Haus:D/L.SG Pfeiler?:GEN.SG vorne
396 In Zeile 27' folgt GÙB-liya ‚nach links‘; auch deshalb ist ein attributiver Bezug von kunni auf pēdi weniger wahrscheinlich. Ein sicheres Bsp. ist jedenfalls KBo 54.219+ I 16 f. (mH/mS). 397 Vgl. noch ABoT 44 I 65––67 (mH/jS) und ZAG-na=ma=ssi=kan „rechts von ihm“ (KUB 34.18 III 6; vorjH/jS).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
195
arta] stehen:PRS.3SG.MP
„Die Frau des „Gesalbten“ steht drinnen im Tempel vor dem Pfeiler?.“ 2.4.4-1c: KBo 21.47+ III 7' (mH/mS) p⌈rā=ma⌉ [x? ā]ppa GIŠhatalkisnas KÁ.GALTIM yezi dazu=KONN zurück
Weißdorn:GEN
Tor
machen:PRS.3SG.AKT
„Darüber hinaus aber macht er wieder ein Tor aus Weißdorn.“ Für junghethitische Beispiele sowohl zufälliger wie auch systematischer Kombinationen mit einer Feingliederung nach der Funktion der einzelnen Lexeme s. Salisbury (2005: 169–208). Treten mehr als zwei Place Words in einem Satz auf (→2), handelt es sich dabei immer um zufällige Anhäufungen wie bei den vorgenannten. 2.4.4-2: KUB 18.5+KUB 49.13 I 29 f. (mH/mS) ⌈Á⌉MUŠEN=ma=kan EGIR ÍD EGIR-an srā assuwaz wet Adler=KONN=OBP
hinter
Fluss hinten
hoch gut:ABL
kommen:PRT.3SG.AKT
„Der Adler aber kam im hinteren Bereich hinter dem Fluss aus dem günstigen (Bereich) herauf.“ Daneben gibt es aber systematisch darstellbare Kombinationen von Place Words, die sich durch eine besondere Bedeutung auszeichnen und in den folgenden Unterkapiteln behandelt werden.398 2.4.4.1 Verbindungen mit arha399 Das spätestens in althethitischer Zeit entstandene arha ‚weg, fort‘ (⇒2.5.1.1) kann sich mit fast allen statischen Place Words (außer anda(n) ‚drinnen‘) verbinden und dabei zwei verschiedene Ausdrücke bilden: PW + arha kann entweder „aus einem durch das PW bestimmten Bereich heraus“ (ohne Angabe des Ziels) oder „durch einen durch das PW bestimmten Bereich hindurch“ bzw. „an … vorbei“ bedeuten. So bedeutet istarna ‚inmitten‘ mit arha entsprechend „aus … heraus“ bzw. „(mitten) durch“, für katta(n)/katti= ‚(da)bei‘ ist wohl nur die Bedeutung „an … vorbei“ belegt (vgl. aber Bsp. →6b), peran/āppan/ser/kattan arha bedeuten „vor/hinter/über/unter … weg“ bzw. „vorne/hinten/oben/unten vorbei“, 400 awan arha scheint „von … weg“ bzw. „(seitlich) vorbei“401 zu bedeuten. 398 Auch wenn es mehrere Verbindungen mit anda (⇒2.4.1.1) gibt, werden diese nicht in einem eigenen Punkt behandelt, da es sich nicht um eine einheitliche Klasse wie z. B. beim folgenden PW + arha handelt, sondern um vereinzelte Lexikalisierungen, s. u. 2.4.4.6. 399 Eine um syntaktische Analysen und einen weiteren Blick ins Jungheth. vermehrte Behandlung der Konstruktion PW + arha erscheint in den Akten des 8. Internationalen Kongresses der Hethitologie, Warschau, September 2011. 400 Für peran arha s. CHD (P: 307–309). Logografisch in KuT 50 34 f. (mH/mS): nu māhhan mUp⌈na⌉llis IŠTU MAḪAR BELI ūnnis „Als Upnalli von vor dem Herren herfuhr, …“ 401 So auch Melchert (1996: 135): „to go past (the side of)“, ohne auf die Systemhaftigkeit des Ausdrucks zu verweisen.
196
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Unterschieden werden diese Bedeutungen durch die Art der Kodierung des Relatums und die An- bzw. Abwesenheit der Ortsbezugspartikel =kkan (bzw. =asta). Das bedeutet allerdings auch, dass z. B. Sätze ohne explizite Angabe des Relatums mehrdeutig sind. Er schwerend kommt außerdem hinzu, dass man zwischen Konstruktionen mit transitiven und intransitiven Verben unterscheiden muss. In der Bedeutung „durch“ steht das Relatum bei intransitiven Verben (→1) im Akkusativ (s. dazu 2.1.4.2), bei transitiven Verben (s. u. →3) hingegen bezeichnet der Akkusativ das Lokatum, das Relatum hingegen steht im Dativ-Lokativ. Vgl. für intransitive Verben, immer mit Ortsbezugspartikel =kkan (=asta):402 2.4.4.1-1a: KBo 39.8 IV 6 (mH/mS) ⌈n(u)=as=kan⌉ pahhur istarna ⌈arha⌉ paizzi KONN=3SG.NOM.C=OBP Feuer:AKK.SG inmitten weg
hingehen:PRS.3PL.AKT
„Er geht durch das Feuer hindurch.“ 2.4.4.1-1b: KUB 17.10 IV 1 f. (aH/mS) UDU-us=ta=kkan ⌈katti⌉=ti
arha [paizz]i
Schaf:NOM.SG.C=2.SG.AKK403=OBP dabei=POSS.2SG.D/L.SG weg
hingehen:PRS.3SG.AKT
„Ein Schaf geht bei/an dir vorbei.“ 2.4.4.1-1c: KBo 24.63+KBo 23.43 III 11' f. (mH/mS) n(u)=asta EN.⌈SÍSKUR⌉ apiya404 KÁ.GAL.ḪI.A kattan arha ⌈pa⌉izzi KONN=OBP Ritualherr
dort
Tor(e)
unten
weg
hingehen:PRS.3SG.AKT
„Der Ritualherr geht dort unter dem Tor durch.“ 2.4.4.1-1d: IBoT 1.36 III 21 (mH/mS) apas=(m)a=kan sarkantin
EGIR-an arha paizzi
DEM:NOM.SG.C=KONN=OBP Prozessbeteiligter?:AKK.SG hinten
weg
hingehen:PRS.3SG.AKT
?
„Er geht hinter dem Prozessbeteiligten vorbei.“ 2.4.4.1-1e: IBoT 1.36 III 32 f. (mH/mS) n(u)=as=kan sarkantin
peran arha ŪL paizzi
KONN=3SG.NOM.C=OBP Prozessbeteiligter?:AKK.SG vorne
EGIR-an arha=as=kan hinten
weg
NEG hingehen:PRS.3SG.AKT
paizzi
weg=3SG.NOM.C=OBP hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er geht bei dem Prozessbeteiligten ? nicht vorne vorbei. Er geht (vielmehr) hinten vorbei.“
402 Die OBP fehlt hingegen in dem einen Fall, bei dem arha alleine „an … vorbei“ ausdrückt, s. 2.5.1.1-10. 403 Formal ist auch ein Dativ möglich, doch würde das Bsp. dann als einziges von der üblichen Konstruktion abwei chen. Aussagekräftige Belege für katta(n)/katti= fehlen. 404 𒀀𒁉𒂊𒀀 a-pí-ix-a, e ist hier halbvokalisch (e̯) zu verstehen.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
197
2.4.4.1-1f: IBoT 1.36 II 41 f. (mH/mS) LÚ.MEŠ n(u)=as=kan MEŠEDUTIM DUMU.MEŠ.É.GAL=ya awan arha KONN=3SG.NOM.C=OBP Leibwächter
Palastbedienstete=KONN
?
weg
paizzi hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er geht an den Leibwächtern und den Palastbediensteten vorbei.“ Beim letzten Beleg übersetzt das CHD (P: 30) hingegen „to walk away from, leave“, aber da für fehlt zum Einen die doch regelmäßig verwendete Dativ-Markierung ANA, zum Anderen vgl. folgendes Beispiel, das die Bedeutung „an … vorbei“ sichert: 2.4.4.1-2: KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 25 f. (mH/mS) zig=(m)a=wa(r)=mu=kan awan arha [tarna …] du:NOM=KONN=„“=1.SG.AKK=OBP ?
mahhan=ma=an=z=kan
weg
lassen:IMP.2SG.AKT
GAL.GEŠTIN awan arha tarnas
wie=KONN=3SG.AKK.C=REFL=OBP (Titel)
?
weg
lassen:PRT.3SG.AKT
„»Du aber lass mich passieren.« (…) Als der Weinoberste ihn aber bei sich 405 passieren ließ, …“ Auch transitive Verben wie in Bsp →2 weisen regelmäßig =kkan/=asta auf, außer wenn bereits =ssan (zum Ausdruck von Kontakt bei ser ‚oben‘, →3b) steht: 2.4.4.1-3a: KUB 36.127 Rs.! 8' (mH/mS) ANA KUR-⌈ŠU=war406=an=kan⌉
istarna arha ŪL tarnai
DAT LAND:POSS.3SG.M=„“=3SG.AKK.C=OBP inmitten weg
NEG lassen:PRS.3SG.AKT
„Er lässt ihn nicht durch sein Land (marschieren).“ 2.4.4.1-3b: KBo 15.33+KBo 15.35 II 14' (mH/mS) nu=smas=san ser arha GADA-an huettianzi KONN=3PL.D/L.C=OBP oben weg
Tuch:AKK.SG ziehen:PRS.3PL.AKT
„Man zieht ein Tuch über sie [Backtröge mit Teig] drüber.“ 407 2.4.4.1-3c: KBo 18.54 Rs. 15' f. (mH/mS) nu=kan BÀD [GIM-a]n kattan arha haddannieskeuen KONN=OBP Mauer wie
unten
weg
stechen:IPFV:IPFV:PRT.1PL.AKT
„Als wir die Mauer unterminieren [„unten entlang durchstoßen“] wollten, …“ 408
405 Die Reflexivpartikel drückt hier das Relatum aus, ist also Bezugswort des Place Words awan. Vgl. Salisbury (2005: 237–240) zu jungheth. Bsp., in denen =z von PW regiert wird. 406 Der Abstand zwischen wa und an ist sehr eng für ein ra, jedoch sind in jedem Fall Zeichenreste zu erkennen und eine Alternative nicht zu finden. 407 Vgl. l. c. II 32' f.: n(u)=asta DUGisnū⌈r⌉[es k]ue‹d›az IŠTU GADA DINGIRLIM kriyantes n(u)=at PANI LÚEN ÉTIM srā appanzi „Das Tuch, mit dem die Backtröge abgedeckt waren, hält man vor dem Herren des Hauses hoch“ (am nächsten Tag, die Tröge waren also abgedeckt). 408 Nach Singer (2008: 261), dort (257) auch zur Datierung des Textes.
198
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.4.1-3d: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 73 (mH/mS) namma=kan mMad[duwattas LÚ.MEŠ UR]UD(a)lauwa ANA KUR ferner=OBP
(PN):NOM.SG
Leute
(ON)
DAT Land
URU
Hat⌈ti EGIR⌉-an
(LN)
hinten
[ar]ha=pat nais weg=PTK
wenden:PRT.3SG.AKT
„Ferner aber brachte Matuwata die Leute von Tlos? sogar zum Abfall von Hatti.“409 Beim letzten Beispiel ist nicht klar, ob die Metapher wörtlich auf perlativem „jmd. hinter jmd. vorbeileiten“ oder separativem „jmd. hinter jmd. wegleiten“ beruht, die Verwendung von =kkan spricht tendenziell, aber keineswegs entscheidend für erstere Möglichkeit. Gewöhnlich stehen die perlativischen Verbindungen aus PW + arha auch ohne explizites Relatum mit Ortsbezugspartikel (→4a), außer wenn dieser räumliche Bezugspunkt wohl ohne Bedeutung ist (→4b, s. Boley 2000: 139, 311): 2.4.4.1-4a: HKM 6 7 f. (mH/mS) apās=wa(r)=kan istarna arha wet DEM:NOM.SG.C=„“=OBP inmitten weg
kommen:PRT.3SG.AKT
„Er kam (dort) hindurch.“ 2.4.4.1-4b: KUB 17.28 IV 46 f. (mH/jS) nu EGIR ÍD UN-an MÁŠ.TUR UR.TUR ŠAḪ.TUR istarna arha KONN hinter
Fluss Mensch:AKK.SG Zicklein
Welpe
Ferkel
inmitten weg
kuranzi schneiden:PRS.3PL.AKT
„Hinter dem Fluss410 schneidet man einen Menschen, ein Zicklein, einen Hundewelpen (und) ein Ferkel durch.“ In der Bedeutung „von … weg“ stehen intransitive wie transitive Verben gleichermaßen mit dem Relatum im Dativ-Lokativ,411 während die Ortsbezugspartikel ohne sofort erkennbaren Grund auch bei sonst gleichen Sätzen stehen oder (häufiger) ausbleiben kann. Dies erinnert an das gleiche Schwanken von einfachem (=kkan) arha mit Dativ-Lokativ (⇒2.5.1.1), wie dort handelt es sich vermutlich auch hier um verschiedene Grade der Explizitheit, =kkan unterstreicht dabei die Separation also nochmals. Vgl.:
409 Vgl. n(u)=an=kan mSunassuras EGIR-an=na arha lē naīski „Und du, Sunassura, sollst ihn danach auch nicht zum Abfall bringen“ (KUB 8.81+KBo 19.39 II 8' f.; mH/mS). Wie diese Stelle und datten=ma=ssi=kan lē kuitman kuit[ki] „Nehmt ihm inzwischen nichts weg!“ (HKM 17 l. Rd. 4; mH/mS) zeigen, gibt es gegen GHL (344) bereits mittelheth. Belege für le + Imp. 410 Dies ist eine allgemeine Lokalisation der ganzen Szenerie, nicht des Schneidens im Speziellen, und somit unab hängig von istarna arha. 411 Dies zeigt, dass der Kasus hier von den Place Words als Postpositionen regiert wird (⇒2.3), da sinngemäß ein Ablativ stehen müsste, vgl. dagegen KUB 43.23 Rs. 15' f. und KUB 43.23 Rs. 17'–19' (aH/mS) mit Abl. und unabhängigem Place Word.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
199
2.4.4.1-5a: ABoT 65 Rs. 10 (mH/mS) EGIR-an arha=war=as=mu ŪL namma nēari hinten
weg=„“=3SG.NOM.C=1.SG.D/L NEG ferner
wenden:PRS.3SG.MP
„»Er lässt von mir nicht mehr ab.«“ („Er wendet sich hinter mir nicht mehr ab.“412) 2.4.4.1-5b: IBoT 1.36 III 25 (mH/mS) ANA LÚ.MEŠMEŠEDUTI=ma=as=kan
peran arha wezzi
DAT Leibwächter=KONN=3SG.NOM.C=OBP vorne
weg
kommen:PRS.3SG.AKT
„Er geht („kommt“) aber vor den Leibwächtern weg.“ 2.4.4.1-5c: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 62 (mH/mS) nu=ssi peran arha tarnas KONN=3SG.D/L.C vorne
weg
„Du liefst vor ihm davon.“
lassen:PRT.2SG.AKT
413
2.4.4.1-5d: KUB 29.52 IV 6 (mH/mS) nu=smas sasdus kattan ⌈ar⌉ha d⌈anz⌉[i] KONN=3PL.D/L.C Bett:AKK.PL unten
weg
nehmen:PRS.3PL.AKT
„Die Lager nimmt man unter ihnen weg.“ 2.4.4.1-5e: KBo 24.66+ I 3 f. (mH/mS) [nu=k]an DUGhalwanius ANA DINGIRLIM per[a]n arha dāi KONN=OBP Rhyton:AKK.PL DAT Gottheit
vorne
weg
nehmen:PRS.3SG.AKT
„Er nimmt die Rhyta von vor der Gottheit weg.“ 2.4.4.1-5f: KUB 45.47 II 8 (mH/mS) LÚ nu AZU NINDA.SIG!? ANA DINGIRLIM peran arha dāi KONN Opferschauer Fladenbrot
DAT Gottheit
vorne
weg
nehmen:PRS.3SG.AKT
?
„Der Opferschauer nimmt das Fladen brot vor der Gottheit weg“ Wie erwähnt, können Sätze ohne Relatum mehrdeutig sein. Viele sind im Kontext klar: 2.4.4.1-6a: IBoT 1.36 III 66 (mH/mS) LÚ.MEŠ nu MEŠEDUTI DUMU.MEŠ.É.GAL=ya EGIR-an arha pattiyanzi KONN Leibwächter
Palastbedienstete=KONN
hinten
weg
eilen:PRS.3PL.AKT
„Die Leibwächter und die Palastbediensteten eilen dahinter weg.“ 2.4.4.1-6b: HKM 7 24 f. (mH/mS) n(u)=asta LÚ.MEŠ URUGasg⌈a⌉ kattan arha anku KONN=OBP Leute
(ON)
dabei
weg
ŠUPUR
unbedingt schicken:IMP.2SG
„Und schick die Kaska-Leute unbedingt herbei!“414
412 Der Satz kann auch positiv interpretiert werden, i. S. v. „Er wird sich nicht mehr von mir abwenden“ (so Mel chert 1979: 60). 413 Zu der Kollokation vgl. nu hingani kuit [per]an arha tarnah[hun] „Weil ich vor der Seuche geflohen bin“ (KBo 14.20 I 21; jH), vgl. CHD (P: 308) und Salisbury (2005: 184: „gave way“).
200
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
Bei anderen Belegen, die z. T. bereits metaphorische Ausdrücke enthalten, ist sogar bei An gabe des Relatums die zu Grunde liegende Konfiguration nicht sicher zu bestimmen: 2.4.4.1-7a: KBo 17.105+KBo 34.47 III 4 (mH/mS) n(u)=asta ANA dLAMMA KUŠkursas ser arha wahnuzi KONN=OBP DAT (GN)
Vlies:GEN oben weg
drehen:KAUS:PRS.3SG.AKT
„Sie schwenkt es über der/die Schutzgottheit des Vlieses (hin?/weg?).“ 2.4.4.1-7b: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 69 (mH/mS) n(u)=asta ⌈ANA⌉ LÚ.MEŠ URUD(a)lauwa imma kattan arha hatrāet KONN=OBP DAT
Leute
(ON)
fürwahr unten
weg
schreiben:PRT.3SG.AKT
?
„Er schrieb den Leuten von Tlos sogar heimlich.“ In einem Einzelfall steht das wohl transitive415 har(k)-zi ‚haben, halten‘ mit einem Relatum im Akkusativ, doch lässt sich das einfach aus der Tatsache erklären, dass nicht das Objekt hier das Lokatum ist, sondern wie bei intransitiven Verben das Subjekt: 2.4.4.1-8: IBoT 1.36 I 51 (mH/mS) n(u)=asta Éhilammar istarna arha KONN=OBP Torbau
inmitten weg
GIŠ
ŠU[KUR]=pat harzi
Speer=PTK
„Er behält den Torbau hindurch den Speer.“
halten:PRS.3SG.AKT
416
Im Gegenzug erscheint einmal die transitive Konstruktion mit intransitivem payi-/pai-zi ‚(hin) gehen‘, sofern hier nicht „weg … von“ gemeint ist, wofür der Kontext aber nicht spricht: 2.4.4.1-9: IBoT 1.36 IV 10 f. (mH/mS) n(u)=as=kan AN[A DUMU.M]EŠ.É.[GA]LTIM [GÙ]B-laz awan arha KONN=3SG.NOM.C=OBP DAT
Palastbedienstete
links:ABL
?
weg
paizzi hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er geht links an den Palastbediensteten vorbei.“ Laut Boley (2000: 311) wurde im Junghethitischen die intransitive Konstruktion mit Akkusativ zugunsten der mit Dativ-Lokativ aufgegeben, wodurch der Unterschied zwischen „an … vorbei“ und „von … weg“ höchstens noch durch das gelegentliche Fehlen der Ortsbezugspartikel bei Letzerem ausgedrückt werden konnte. Möglicherweise ist der vorhergehende Beleg ein erstes Anzeichen für diese Entwicklung, vielleicht ist AN[A DUMU.M]EŠ.É.[GA]LTIM [GÙ]B-laz aber auch als Postpositionalphrase „zur Linken der Palastbediensteten“ zu verstehen, womit es sich hier um keine eigentliche Ausnahme mehr handeln würde. 414 Vielleicht ist kattan hier aber nicht auf den Ausgangs-, sondern auf den Zielpunkt bezogen, womit es von arha unabhängig wäre. 415 Kriterien für Transitivität sind für das Hethitische noch gesondert zu bestimmen. Im Deutschen ist von den Ent sprechungen von har(k)- jedenfalls haben nicht transitiv, da es nicht passivierbar ist, wohl aber halten. 416 Eher nicht (mit HW2 A: 274) „hält er durch den Torbau hindurch die Lanze (von sich) weg“, da u. a. das zu er wartende =ssi (oder =z) „(von) sich“ fehlt.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
201
Bei der folgenden idiomatischen Wendung ist zunächst nicht klar, ob kattan wörtlich als „unten“ oder „bei“ zu verstehen ist, also ob etwas nicht zu Berücksichtigendes „unten weg“ oder wie im Deutschen „beiseite“ gelegt werden soll. Nur der Vergleich mit der in Verträgen häufig auftretenden Formel linkiya kattan dai-/ti-i bzw. ki-tta(ri) „unter Eid legen“ bzw. „liegen“ (z. B. KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 13 f., KBo 16.50 20 f.) erlaubt eine Entscheidung zugunsten der ersten Option. 2.4.4.1-10: KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 10 f. (mH/mS) n(u)=at kattan arha k⌈it⌉taru KONN=3SG.AKK.N unten?/dabei? weg
liegen:IMP.3SG.MP
„Es soll unberücksichtigt sein.“ Die Kombination mit dem dynamischen arha zeigt hier deutlich, dass ki-tta(ri) ‚liegen‘ als ‚gelegt sein‘ das Passiv von dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ suppliert. Natürlich können Place Words und das häufig nur verstärkende arha auch zufällig nebeneinander vorkommen: 2.4.4.1-11: HKM 63 22 f. (mH/mS) ŠEŠ-KA=ma EGIR-an arha huwais Bruder:POSS.2SG.M=KONN hinten
weg
laufen:PRT.3SG.AKT
„Dein Bruder aber ist danach weggelaufen.“ Wohl ebenfalls nicht hierher (als scheinbare Konkurrenz zu istarna arha) gehört arha taksan in IBoT 1.36 IV 8 (mH/mS), das eine singuläre Reihenfolge der Glieder aufweist und besser als zufällige Verbindung „gemeinsam durch“ mit alleinigem arha (s. dort) zu verstehen ist.417 Ganz unsicher, da ergänzt, ist die Verbindung āppa arha im folgenden Beispiel. Auch wenn der Text so korrekt wiederhergestellt worden sein sollte, ist die unten angegebene übli che Übersetzung unzureichend, da sie arha ignoriert, obwohl es bei we-/uwa-zi ‚kommen‘ nicht pleonastisch steht. Möglicherweise handelt es sich um eine Variante von āppan arha i. S. v. „hinten vorbei“ und meint einen plötzlichen Überfall, also „er kam hinten herum (ge schlichen)“: 2.4.4.1-12: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 60 (mH/mS) ā[ppa]=ma=⌈kan⌉ mAttarissiyas ⌈LÚ URU⌉Āhhiyā arha wet zurück=KONN=OBP (PN):NOM.SG Mann (ON)
weg
kommen:PRT.3SG.AKT
„Dann aber kam Atarsiya, der Mann von Āhhiya, zurück.“ (?)
417 Die Verbindung taksan arha „in der Mitte weg“ in Vogelflugorakeln (z. B. n(u)=as taksan arha pait „Er flog in der Mitte weg“, KUB 18.5+KUB 49.13 I 32; mH/mS) dürfte eine mit peran (usw.) arha vergleichbare Konstruktion sein, allerdings regiert das Adverb taksan kein Bezugswort, im vorliegenden Korpus und wohl auch in den jungheth. Texten sind jedenfalls keine Belege mit Dat.-Lok. (und auch nicht mit =kkan) zu finden. Bsp. mit einem einzelnen Vogel zeigen dabei, dass man es hier nicht mit der nicht-lokalen Bedeutung von taksan, „zusammen“, zu tun hat, s. Sakuma (2009: 116 f.).
202
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.4.2 Verbindungen mit awan Die „Partikel“ awan (s. HW2 A: 635 f.), geschrieben a-wa-an, findet sich nie allein, sondern immer vor den Place Words arha ‚weg‘, katta ‚abwärts‘418 und (erst jungheth.) srā ‚aufwärts‘ in präverbalem Gebrauch. Nach der Communis Opinio hat awan nur verstärkende Funktion, diese Annahme wurde aber m. W. nie an Belegstellen bewiesen, sondern scheint eher eine Notlösung in Ermangelung einer klaren Eigenbedeutung. 419 Tatsächlich ist eine emphatische Funktion unwahrscheinlich, denn zum Einen ist aus dem Kontext der Belege nie ersichtlich, warum gerade hier eine Emphase notwendig wäre, zum Anderen scheint awan an manchen Stellen unabhängig vom folgenden Place Word zu stehen: 2.4.4.2-1a: KUB 6.45+KUB 30.14 III 72 f. (jH) d 10-nili=ma=mu awan srā iyanni (GN):ADV=KONN=1.SG.D/L ?
hoch marschieren:IMP.2SG.AKT
„[G]o up alongside me in true Stormgod fashion.“ (CHD Š: 214) 2.4.4.2-1b: KBo 15.33+KBo 15.35 II 16' (mH/mS) DUG n(u)=an isnūras awan katta tianzi KONN=3SG.AKK.C Backtrog:D/L.PL ?
herab setzen:PRS.3PL.AKT
„(Den mit Mehl gefüllten Flechtkorb, der unter dem Kasten stand –) Man stellt ihn bei?/neben? den Backtrögen nieder.“ Zu Bsp. 1a vermerkt das CHD (Š: 214): „although it has sometimes been claimed (cf. HED A, s. v.) that awan never occurs outside of a combination with a second preverb and merely strengthens the latter, in the present combination awan seems to relate to the dat. -mu “together with me” and the šarā [= srā; C.B.] to the verb.“ Da awan zusammen mit arha zum Ausdruck der Vorbeibewegung verwendet wird (→2, 3; ⇒2.4.4.1), liegt eine konkrete Bedeutung ‚neben‘ (so Rost 1953: 355 f. für KBo 39.8 II 33 f., 52 f.) zwar nahe, wird aber da durch unwahrscheinlich, dass man dann auch ein Auftreten von awan unabhängig von anderen Place Words erwarten sollte. Es muss irgendwie die Bewegungen „fort“, „abwärts“ und (zumindest sekundär) „aufwärts“ spezifizieren. 2.4.4.2-2: IBoT 1.36 II 41 f. (mH/mS) LÚ.MEŠ n(u)=as=kan MEŠEDUTIM DUMU.MEŠ.É.GAL=ya awan arha KONN=3SG.NOM.C=OBP Leibwächter
Palastbedienstete=KONN
?
weg
418 In einigen Fällen könnte aber auch katta ‚bei‘ vorliegen, das sonst allerdings nicht präverbal gebraucht wird. Vgl. ANA AŠAR DINGIRLIM=pat awan katta GIŠGAG.ḪI.A walhantes „Genau am Platz der Gottheit sind Pflöcke eingeschlagen“ (KUB 55.43 I 9 f.; mH/mS). Da an diesen Pflöcken danach Vliese aufgehängt werden, können sie kaum in den Boden „hinab“geschlagen sein, doch vielleicht handelt es sich auch um eine idiomatische Wendung. Deutlich ist die Parallele tapusa=ya 1 GIŠBANŠUR AD.KID […] tianzi – awan katta=ma […] 1 GIŠBANŠUR AD.KID […] tianzi „Man stellt seitlich(?) einen Flechtaltar […] auf“ (KBo 40.123+ I 8 f. bzw. 11 f.; mH/mS). 419 Melchert/Oettinger (2009: 56) übersetzen awan mit ‚herbei‘, was aber mit vielen der hier aufgeführten Bsp. nicht kompatibel ist. Zudem findet sich in meinem Korpus kein Satz mit awan, der ein Prädikat mit dem dann zu erwartenden Präfix u- zeigt (stattdessen zweimal pe- und ansonsten deiktisch neutrale Verben).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
203
paizzi hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er geht an den Leibwächtern und den Palastbediensteten (entlang) vorbei.“ Das CHD (P: 30) übersetzt diese Verbindung mit „to walk away from, leave“, die Vorbeibewegung wird aber durch den folgenden Beleg bezeugt: 2.4.4.2-3: KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 25 (mH/mS) zig=(m)a=wa(r)=mu=kan awan arha [tarna] du:NOM=KONN=„“=1.SG.AKK=OBP ?
weg
lassen:IMP.2SG.AKT
„»Du aber lass mich passieren!«“ Viele Belege sind weiterhin unklar, besonders das folgende Beispiel ist auffällig, da man im Matrixsatz doch eigentlich Ablativ und =asta (=kkan) erwarten würde: 2.4.4.2-4: KUB 13.1+ II 18' f. (mH/mS) hanissu⌈war=ma⌉=kan ku⌈it⌉ awan katta mumm[ie]tta Putz:NOM.SG=KONN=OBP REL:NOM.SG.N ?
kuttas
⌈n(u)=at⌉
herab fallen:PRS.3SG.MP KONN=3SG.AKK.N
awan arha daskandu
Wand:D/L.PL ?
weg
nehmen:IPFV:IMP.3PL.AKT
„Den Verputz aber, der herunterbröckelt, soll man von den Mauern abnehmen.“ Gegen einen separativen Dativ („den Mauern wegnehmen“) spricht die Abwesenheit der Ortsbezugspartikel, es hat vielmehr den Anschein, als würde der Dativ-Lokativ von awan regiert, ähnlich wie in Bsp. →1a (vgl. 2.4.4.1).420 Vgl. noch die folgenden Beispiele für den Gebrauch von awan: 2.4.4.2-5a: KUB 43.58 I 6 (mH/mS) GIŠ EREN=ya=ssan awan katta ⌈kit⌉ta Zeder=KONN=OBP
?
herab liegen:PRS.3SG.MP
„Auch Zeder(nholz) ist darin niedergelegt.“ 2.4.4.2-5b: IBoT 1.36 IV 10 f. (mH/mS) n(u)=as=kan AN[A DUMU.M]EŠ.É.[GA]LTIM [GÙ]B-laz awan arha KONN=3SG.NOM.C=OBP DAT
Palastbedienstete
links:ABL
?
weg
paizzi hingehen:PRS.3SG.AKT
„Er geht links an den Palastbediensteten (entlang?) vorbei./Er geht links von den Palastbediensteten weg.“ Ein Bedeutungsansatz für awan ist vorerst nicht möglich, es zeichnen sich aber zwei Möglichkeiten ab, die aber kaum bewiesen werden können. Einerseits könnte awan „der Länge nach, längs, entlang“ bedeuten (vgl. besonders Bsp. →2, 4, 5b), es bestünde aber weiterhin 420 Ob die Tatsache, dass nicht die Simplizia mau-/mu-i ‚fallen‘ und dā-/d-i ‚nehmen‘ verwendet werden, in diesem Kontext von Bedeutung ist, ist unklar. Vielleicht handelt es sich um distributiven Gebrauch.
204
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
das Problem, das stark beschränkte Auftreten zu erklären; andererseits kann der traditionelle Ansatz eines verblassten ablativischen Relators („herab von“, ⇒4.1.4.4) trotz der oben genannten Probleme Bestand haben, wenn man annimmt, dass es synchron zu einer Neuinterpretation der Bedeutung von awan auf Basis der festen Wendungen kam – worin diese bestand, ist allerdings nicht klar. Ob ein Bezug zu den Adverbien priyawan ‚schräg‘ (vgl. luw. prī ‚voran, fort‘) und zilawan ‚längs‘ (luw. zīla ‚danach?‘) besteht (⇒2.7, 4.1.4.4), ist aufgrund der ungeklärten Bedeutung nicht zu entscheiden. 2.4.4.3 Ausdruck von Quelle und Richtung Durch zwei aufeinanderfolgende Place Words des Ausgangspunktes und des Zieles einer Handlung kann diese räumlich recht genau beschrieben werden. 421 Erwartungsgemäß steht dabei die Quelle vor dem Ziel, das durch ein richtungsanzeigendes Place Word ausgedrückt wird, während das erste Place Word trotz ablativischer Bedeutung in der ortsanzeigenden Form steht, seine Funktion muss also kontextuell inferiert werden. Im Korpus sind nur Beispiele für die vertikale Dimension belegt, es spricht aber sicher nichts dagegen, dass es auf der Horizontale Verbindungen wie peran āppa „von vorne nach hinten“, das jungheth. in übertragenen Bedeutungen erscheint (s. CHD P: 306 f.), usw. gege ben hat. Unwahrscheinlich ist es hingegen, dass bei den topologischen Relationen „von innen nach außen“ oder „aus der unmittelbaren Nähe fort“ (usw.) ebensolche zweiteiligen Ausdrücke vorhanden waren, da es hierfür spezialisierte Place Words – =asta (=kkan) prā bzw. (=kkan) arha – gibt und die Art der Relation ja bereits implizit durch Angabe von Quelle oder Ziel klar ist. 2.4.4.3-1a: KUB 43.23 Rs. 15' f. (aH/mS) d nu ser katt[a] nēpisz ⌈IŠKUR?⌉-as LUGAL-i KONN oben herab
miyatar
Himmel:ABL (GN):NOM.SG
tar⌈hu⌉ili
GIŠ
tūri
[āssu]
huiswatar
König:D/L.SG gut:AKK.SG.N Leben:AKK.SG
piske[ddu]
Wachstum:AKK.SG stark:AKK.SG.N Lanze:AKK.SG geben:IPFV:IMP.3SG.AKT
„Von oben herab, vom Himmel soll der Wettergott dem König immerfort gutes Leben, Wachstum (und) siegreiche Lanze geben!“ 2.4.4.3-1b: KUB 43.23 Rs. 17'–19' (aH/mS) katta(-)srā=ma422 taknāz suhmilis taganze⌈pas⌉
taknās=sa
unten(-)hoch=KONN Erde:ABL fest?:NOM.SG.C Erdgenius:NOM.SG Erde:GEN.SG=KONN
421 Eine solche Konfiguration mit zusätzlicher Wegangabe (z. B. im Akk. des Weges) ist nicht belegt. 422 Die Form katta für erwartetes kattan ‚unten‘ (vgl. ser katta l. c. 15') ist entweder auf eine Neuerung des Ab schreibers zurückzuführen oder als Sandhi-Form katta(n) srā ([kətã(-)Srā]?) mit dem für die alte Sprache typischen Ausfall von n vor s (z. B. n(u)=a(n)=ssan in KBo 20.11+KBo 8.85 Rs. 5'; aS; jünger stattdessen n(u)=an=san) anzusehen, so auch Melchert (1979: 60, Fn. 6).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
205
d
UTU-us
ANA LUGAL […] piskeddu
(GN):NOM.SG DAT König
geben:IPFV:IMP.3SG.AKT
„Von unten hinauf, aus der Erde aber soll(en) der feste ? Erdboden und die Sonnengöttin der Erde dem König immerfort [gutes Leben etc.] geben!“ 2.4.4.3-1c: KBo 24.45+KBo 38.196 Vs. 22' (mH/mS) namma É DINGIRLIM ser katta GIŠhuimpaz harnuwanzi ferner
Haus Gottheit
oben herab Decke423:ABL besprengen:PRS.3PL.AKT
„Ferner besprengt man den Tempel von oben nach unten von der Decke aus.“ Die Stellung der Ablative in den angeführten Belegen ist bemerkenswert. Es handelt sich bei ser … nepisz (usw.) um eine partitivische Apposition, da erst eine sehr allgemeine Orientierung und dann die spezielle Region genannt wird, doch offenbar wurde die Zusammengehörigkeit von Quell- und Zielangabe bei den Place Words als so eng empfunden – man beachte noch das geringe Spatium und den möglichen Sandhi in 1b –, dass katta bzw. srā direkt hinter ser bzw. katta(n) gerückt wurden. Die Beispiele zeigen, dass die Place Words trotz der verschiedenen Funktionen, die ihnen die klassische Grammatik hier gibt („freies Adverb“ vs. „Präverb“), auf der Ebene der Syntax gleich behandelt werden, d. h. aus der gemeinsamen Linksverschiebung in den ersten beiden Belegsätzen kann nicht unbedingt auf gemeinsame Funktion geschlossen werden. 2.4.4.4 Korrelative Konfigurationen Es können auch zwei Place Words, die die entgegengesetzten Richtungen einer Dimension bezeichnen, in einem Satz zusammen vorkommen, anders als im vorherigen Unterkapitel bezeichnen sie aber nicht einen Weg, sondern parallele Handlungen in den entsprechenden Re gionen (→1ab) oder auf diese hin (→1c). Wie die ersten beiden Beispiele zeigen, ist die Bindung zwischen den Place Words weniger stark als in 2.4.4.3. 2.4.4.4-1a: KBo 40.179+ IV 16' (mH/mS) ga[lga]ltūri EGIR-an peran=na huyan[zi] Tamburin:NOM.PL hinten
vorne=KONN laufen:PRS.3PL.AKT
„Hinten und vorne laufen Tamburine [d. h. Tamburin-Spieler].“ 2.4.4.4-1b: KBo 20.72+ III 14' (mH/mS) [? sē]r 1-ŠU kattan=na 1-ŠU oben
sipanti
1:POSS.3.SG.M unten=KONN 1:POSS.3.SG.M libieren:PRS.3SG.AKT
„Er libiert einmal oben und einmal unten.“ 423 Es ist zwar a priori nicht klar, ob sich der Ablativ auf den Ausgangspunkt der ausführenden Person(en) oder auf das gespritzte Wasser bezieht, aber da man bei den Ritualhandlungen wohl auf dem Boden steht (bzw. zumindest nicht an der Decke hängt), kann das in seiner Deutung umstrittene Gebäudeteil huimpa- sinnvollerweise hier nur auf das Wasser bezogen werden und muss dann ‚Decke‘ bedeuten, da ja von oben nach unten gespritzt wird. So auch jetzt im HW2 s. v. („Deckenbalken(?)“).
206
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.4.4-1c: KBo 21.22 Vs. 37 (aH/mS) katta!(-)srā=at=kan NA4-t wedan herab-hoch=3SG.NOM.N=OBP Stein:INS bauen:PTZ.NOM.SG.N
„Es ist nach unten (und) oben aus Stein gebaut.“ Die Einordnung von Bsp. 1c hier ist nicht völlig sicher, denkbar wäre auch ein katta(n) + srā „von unten nach oben“ wie in →2.4.4.3-1b, beide Übersetzungsmöglichkeiten sind sinnvoll. 2.4.4.5 Präzisierende Place Words Unter diesem Oberbegriff seien Kombination im Grunde voneinander unabhängiger Place Words zusammengefasst, die eine partitivische Apposition dahingehend bilden, dass das zweite Place Word die vom ersten bezeichnete Region enger eingrenzt. Hier sind alle Arten von Kombinationen zu erwarten und auch belegt, vgl. die folgende Auswahl (unsicher ist noch die Verbindung [EGIR?-a]nda prā e/app-zi ‚dahinter hinhalten‘ in KBo 24.45+KBo 38.196 Vs. 29' f.; mH/mS): 2.4.4.5-1a: KUB 15.34 III 24' f. (mH/mS) peran katta=ma 7 PÚ.MEŠ iyanzi vorne
unten=KONN 7 Quellen
machen:PRS.3SG.AKT
„Unten davor aber gräbt man sieben Quellen.“ 2.4.4.5-1b: KUB 20.88 IV? 14 f. (mH/mS) GIŠ n(u)=at halpūtili peran katta huisuwas=san KONN=3SG.AKK.N (Gerät):D/L.SG vorne
UZU
suppayas ser
herab lebendig:D/L.PL=OBP rein424:D/L.PL oben
dāi setzen:PRS.3SG.AKT
„Er legt es vor dem h.-Altar? auf das rohe reine Fleisch ab.“ 2.4.4.5-1c: KBo 20.72+ III 21' (mH/mS); ebenso KBo 39.8 II 54 ser=(m)a=ssan kardias UZU.Ì.UDU ⌈an!da ti⌉an[zi] oben=KONN=OBP Herz:GEN Schaffett
drinnen setzen:PRS.3PL.AKT
„Oben drauf aber legt man Schaffett des Herzens hinein.“ 2.4.4.5-1d: HKM 19 23 f. (mH/mS) kāsma=kan mPāhina⌈kk⌉en=na EGIR-anda prā nehh[i] DEM.2=OBP (PN):AKK.SG=KONN dahinter
voran wenden:PRS.1SG.AKT
„Auch den Pāhinake schicke ich zu dir hinterher.“ 2.4.4.5-1e: KBo 32.14 III 41 (mH/mS) nu=ssi=kan hūt[a]nus kattanta taknās KONN=3SG.D/L.C=OBP Baugrube:AKK.PL hinab
dUTU-i
katt[a
Erde:GEN (GN):D/L.SG dabei
424 Dass es sich hier um eine Substantivierung „reines Fleisch“ von suppi- ‚rein‘ handelt, ist an den Determinativ UZU ‚Fleisch‘ erkennbar, was in der Glossierung nicht angemessen wiedergegeben werden kann.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
207
a]rnut schaffen:PRT.3SG.AKT
„Seine Baugruben trieb er hinab bis zur Sonnengöttin der Erde.“ 2.4.4.6 Weitere (lexikalisierte) Verbindungen āppa(-)anda und āppan anda
Während die Place Words āppa ‚zurück‘ und anda ‚hinein‘ schon voralthethitisch zu einem neuen Adverb āppanda ‚danach‘ verwachsen sind (s. u.), existiert m. E. ein * āppan(-)anda (gegen Starke 1977: 194 f.) in der älteren Sprache nicht. Bei den drei āppan und anda aufweisenden Belegen (→1abc)425 in alter Schrift ist jeweils noch die Funktion der einzelnen Bestandteile klar erkennbar, nicht eine gemeinsame neue Bedeutung. Dass im Bsp. 1c āppan(-) anda gemeinsam vor den satzeinleitenden Partikeln stehen und auch ansonsten kein Spatium geschrieben wird, besagt nur, dass es sich um dasselbe Satzglied und evtl. eine Akzenteinheit handelt, nicht, dass sie éin Wort sind (vgl. oben 2.4.4.3). Ab der mittelhethitischen Zeit wird die Sippe von āppa° überwiegend, im Junghethitischen fast ausschließlich mit dem Logogramm EGIR geschrieben. Daher ist nicht auszuschließen, dass in späterer Zeit ein Adverb/ Place Word *āppananda entstanden ist, doch im vorliegenden Korpus ist es nicht belegt.426 2.4.4.6-1a: Gesetze §37 (KBo 6.2 II 10; aS) n[u=kan? sard]iyes āppan(-)anda pā[n]z[i] KONN=OBP Helfer:NOM.PL hinten rein
hingehen:PRS.3PL.AKT
„(Wenn jemand eine Frau entführt und) Helfer danach (in den Kampf) gehen, …“ 2.4.4.6-1b: KBo 17.1+ I 33' f. (aS) ÉRIN.MEŠ-n=an āppan(-)anda pētai Truppe(n):AKK.SG=OBP hinten rein
hinschaffen:PRS.3SG.AKT
„Dahinter/Danach bringt er die „Truppe“ [eine Figur] hinein.“ 2.4.4.6-1c: KBo 17.1+ III 4 (aS) āppan(-)anda=ma=sse kē
memahhi
hinten rein=KONN=3SG.D/L.N DEM:AKK.PL.N sprechen:PRS.1SG.AKT
„Danach aber sage ich dazu (Folgendes): …“ Das oben erwähnte āppanda hingegen ist bereits zweimal in althethitischen Texten belegt, davon einmal in logografischer Schreibung (→2b). Es vereint zunächst die beiden nicht-lokalen Gebrauchsweisen von āppa ‚danach‘ und anda ‚dazu‘ und verdrängt ersteres in dieser Funktion im Mittelhethitischen.
425 Geschrieben a-ap-pa-an(-)an-da, nicht etwa *a-ap-pa-na-an-da! Vgl. auch Otten/Souček 1969: 93 f., die allerdings ebenfalls eine Spezialbedeutung ‚hinterher‘ ansetzen. 426 Die jungheth. Abschrift des pal. Brotopferrituals KBo 19.150+IBoT 2.35 bietet auf Vs. I 4 a-ap-pa-an-na-an-da.
208
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.4.6-2a: KBo 17.43 I 5' (aS) LÚ.MEŠ hapies āppa(-)anda wenzi (Personengruppe):NOM.PL danach
kommen:PRS.3PL.AKT
„Die h.-Leute kommen danach.“ 2.4.4.6-2b: KBo 17.18 II 6 (aS) LÚ.MEŠ hapies EGIR-ŠU wenzi (Personengruppe):NOM.PL danach
kommen:PRS.3PL.AKT
„Die h.-Leute kommen danach.“ Sumerografisch findet sich neben EGIR-ŠU auch die Schreibung EGIR-anda: 2.4.4.6-3: KBo 20.112+KBo 14.89 I 6' (mH/mS) namma EGIR-anda d⌈Tū⌉napin udanzi ferner
danach
(GN):AKK.SG herschaffen:PRS.3PL.AKT
„Ferner bringt man danach Tonabi her.“ Das letzte Beispiel zeigt auch die bisweilen anzutreffende Verwendung von redundantem namma ‚ferner‘ und ähnlichen Ausdrücken neben āppanda. In der jüngeren Sprache verbindet sich das Place Word auch postpositionell in der lokalen Bedeutung von āppan (⇒2.4.1.4) mit dem Dativ-Lokativ. Dieser Gebrauch ist wohl auf sekundären Einfluss von āppa(n) zurückzuführen und nicht auf eine ursprüngliche ebenfalls lokale Komponente, da es dafür im alt- und mittelhethitischen Korpus noch keine eindeutigen Belege gibt, vielleicht mit Ausnahme des folgenden: 2.4.4.6-4: KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 58 (mH/mS) kāsa=‹s›mas Ì.DÙG.GA LÀL=ya EGIR-anda lāhun DEM.1=3PL.D/L.C Feinöl
Honig=KONN danach(?)
gießen:PRT.1SG.AKT
„Hier habe ich ihnen Feinöl und Honig hinterhergegossen/hinter ihnen ausgegossen.“
peran prā427 Die Herkunft dieser Kombination, die vom CHD (P: 303) mit „previously, in advance, befo rehand, ahead of time“ übersetzt wird, ist nicht völlig klar. Melchert (2008b) setzt hierfür und für duwān prā ‚lange vorher‘ (⇒2.4.3.3) ein temporales prā ‚vorher‘ an, das allein stehend ausgestorben und in der vorliegenden Wendung durch das synchrone Wort für ‚vorher‘, peran, recharakterisiert worden ist. Unmissverständliche Beispiele finden sich v. a. in junghe thitischen Texten (s. Salisbury 2005: 205 f.). Während Belege in alter Schrift fehlen, ist bei den mittelhethitischen Bezeugungen nicht immer klar, ob es sich um die feste Verbindung oder zufälliges peran neben prā handelt (so sicher in →5cd). Bsp. 1a, das zweifaches prā enthält, zeigt aber in jedem Fall, dass schon für diese Zeit eine besondere Verbindung anzusetzen ist. 427 Die jungheth. „Nebenform“ peran pran in KBo 5.6 II 31 ist wohl nur eine Sandhi-Schreibung, s. Salisbury (2005: 205 mit Fn. 132).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
209
2.4.4.6-5a: KBo 15.32+ I 4 f. (mH/mS) n(u)=asta LÚEN ÉTIM peran prā ANA dIŠKUR KONN=OBP
Herr
Haus vorne
URU
Kuliwisna mugāuanzi pr[ā
voran DAT (GN)
(ON)
anbeten:INF
voran
paizzi] hingehen:PRS.3SG.AKT
„Der Herr des Hauses geht hinaus, im Voraus ein Bittgebet an den Wettergott von Kuliwisna zu richten.“ 2.4.4.6-5b: KBo 23.10+KBo 43.37 Vs. I? 16' f. (mH/mS) GIŠ ANA PÚ=ma=ssan ZA.LAM.GAR.Ḫ[I.A] peran prā tarnan DAT Quelle=KONN=OBP Zelt(e)
vorne
„Vor der Quelle ist schon ein Zelt aufgestellt.“
voran lassen:PTZ.NOM.SG.N
428
2.4.4.6-5c: KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 19 f. (mH/mS) f EGIR-ŠU=ma gangatiŠAR GÁB.Z[U.Z]U fSilallūhi nakkiuas danach=KONN
nakkuwas=sa
(Pflanze):AKK.SG Ausgebildete
gangatiŠAR
damai
(PN)
peran
(Objekt):D/L.PL vorne
prā ēpzi
Substitut:GEN=KONN ander:AKK.SG.N (Pflanze):AKK.SG voran ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Danach aber hält Silallohi, die „Ausgebildete“, eine g.-Pflanze vor die n.-Statuen und eine andere g.-Pflanze den Substituten hin.“ 2.4.4.6-5d: KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 23 f. (mH/mS) EGIR-ŠU=ma gangatiŠAR IŠTU LUGAL ANA UNUT MUNUS.LUGAL danach=KONN
(Pflanze):AKK.SG ABL/INS König
menahhanda nakkuwas entgegen
DAT Gerät
Königin
peran prā ēpzi
Substitut:D/L.PL vorne
voran ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Danach aber hält sie die g.-Pflanze vor den Substituten vom König her dem Gerät der Königin entgegen.“
kattanda Wohl als Zusammenrückung aus katta ‚abwärts, herab‘ (⇒2.4.1.3) + anda ‚hinein‘ (⇒2.4.1.1) spätestens im Mittelhethitischen429 gebildet, ergänzt kattanda als zielorientiertes „hinunter (zu)“ das quellorientierte katta. Die Verbindung mit anda ist nicht nur an der obligatorischen Verwendung von =kkan (=asta) sichtbar, sondern auch daran, dass die meisten Belege eine Konfiguration „nach unten hinein“ aufweisen. 428 Die Verbindung =ssan + peran mit einer Quelle erinnert an denselben Ausdruck mit Flüssen, der unmittelbare Nähe ausdrückt (⇒2.4.1.5). 429 Die sprachlich ältesten Originaltexte mit kattanda sind KBo 24.45+KBo 38.196 und die Tafeln der hurritisch-hethitischen Bilingue (KBo 32.13, 32.14), die vom Anfang des 14. Jhs. stammen. Ganz unsicher ist der Beleg n(u)=asta dIŠKUR-nas tān anna[s=s]is [katt]anta? pait „Die Großmutter?? des Wettergottes ging hinunter“ (KBo 21.22 Vs. 43 f.; aH/mS); sollte wirklich kattanta zu lesen sein, könnte die Verbindung schon der alten Sprache angehören. Im altheth. Illuyanka-Mythos gibt es weitere Belege, allerdings in junger Abschrift (z. B. KUB 17.5 I 13). – Hluw. INFRA-tanta /tsantanta/ ‚unten‘ ist wegen der abweichenden Bedeutung wohl hiervon unabhängig.
210
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.4.4.6-6a: KBo 39.8 II 33 (mH/mS) namma=an=kan kattanda tianzi ferner=3SG.AKK.C=OBP hinab
setzen:PRS.3PL.AKT
„Dann setzt man es unten hinein.“ 2.4.4.6-6b: KBo 24.45+KBo 38.196 Rs. 14 (mH/mS) n(u)=at=kan āpiti kattanda ishuwāi KONN=3PL.AKK.N=OBP Opfergrube:D/L.SG hinab
schütten:PRS.3SG.AKT
„Er schüttet sie in die Opfergrube hinab.“ 2.4.4.6-6c: KBo 32.13 II 31 f. (mH/mS) n(u)=at=kan miyauēs=pat
galulupēs
[ANA B]IBRI kattanta
KONN=3PL.NOM.C=OBP vier430:NOM.PL.C=PTK Finger:NOM.PL DAT
Rhyton
hinab
kiantari liegen:PRS.3PL.MP
„Sie, eben vier Finger, sind in ein Rhyton (hinab- und) hineingelegt.“ Da ki-tta(ri) auch als Resultativum zu dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ fungiert (⇒3.1.4), ist eine statische Übersetzung „liegen unter einem Tiergefäß (Rhyton)“ (Neu 1996: 225) nicht zwingend.431
p(ar)rānda Dieses aus prā und anda zusammengesetzte Place Word wird weiter oben im Zusammenhang mit priyan besprochen (⇒2.4.2.3).
arahzanda Diese Kombination wird unten in Kap. 2.5.1.3 zusammen mit verwandten Ableitungen besprochen.
2.5 Relationale Nomina und Körperteilbezeichnungen Aufgrund ihrer Gestalteigenschaften und/oder ihrer relativen Lage können die Bezeichnungen menschlicher oder (seltener) tierischer Körperteile in vielen Sprachen der Welt metaphorisch zur Lokalisation verwendet werden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen spontanen und vereinzelten Metaphern wie der Bezeichnung des Randes und des durchstoßenen Bodens eines Vorratspithos als „Lippe“ (pūri-) bzw. „Hintern“ (arra-, ⇒3.5.2) und regulären Aus-
430 So nach dem Hurr., auch wenn der Plural des Kardinale sonst mi-e-(ya-)wa-aš lautet (s. GHL: 157). 431 Der Relator in der hurr. Vorlage ist ein Hapax und hilft bei der Übersetzung nicht weiter. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die heth. Übersetzung auf einem Missverständnis des Originals beruht. Neus Übersetzung könnte damit sachlich, doch nicht grammatisch richtig sein.
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drucksmitteln. Letztere sind im Hethitischen nicht besonders häufig und auf einige wenige Ausdrücke beschränkt, s. die Unterkapitel 2.5.3–2.5.6. Auch relationale oder ähnliche, Teile oder Regionen bezeichnende Substantive wurden anders als in manchen Sprachen im Hethitischen kaum zu Relatoren oder Lokaladverbien grammatikalisiert. Mit der einzigen Ausnahme des hochfrequenten arha ‚weg‘ (⇒2.5.1.1) gibt es nur wenige und eher selten belegte Bildungen, s. die Unterkapitel 2.5.1, 2.5.2 und 2.5.7. Bisweilen (z. B. bei hant- ‚Stirn, Vorderseite‘) ist nicht zu klären, ob die Körperteilbezeichnung vom relationalen Substantiv ausging oder umgekehrt, eine gemeinsame Behandlung der entsprechenden Lexeme scheint daher angebracht.
2.5.1 Ableitungen von erh(a)-/ar(a)h(a)- c. ‚Grenzgebiet, Umgrenzung‘ Dieses Substantiv, das entsprechend den antiken Vorstellungen von Grenzen nicht eine abstrakte Linie, sondern ein Gebiet bezeichnet (vgl. dt. Mark vs. Grenze), ist Basis für drei Place Words bzw. Lokaladverbien, von denen sich besonders arha ‚weg‘ im Laufe der Sprachgeschichte stark ausgebreitet hat. 2.5.1.1 arha arha ‚weg‘432 findet sich nur in dynamischen Konfigurationen, nie im Nominalsatz, und wurde spätestens im Althethitischen von einem Direktiv („zur Umgrenzung“ 433) zu einem Place Word mit separativischer Bedeutung grammatikalisiert, d. h., der zunächst nur im plizite ablativische Aspekt rückte auf Kosten der expliziten Zielangabe in den Vordergrund. Typologisch vergleichbar ist z. B. dt. weg < ahd. in weg „auf den Weg“, ebenso engl. away < on way. Das Alter der Entwicklung ist wegen des komplizierten althethitischen Befundes nicht völlig klar: In sicher alter Schrift findet sich arha in KBo 20.25+KBo 20.19 Vs.? 8' in völlig zerstörtem Kontext (]x-iwaz arha i[spa]nti). Das Festritual KBo 20.10+KBo 25.59 (→1a), das vielleicht erstmals ein funktional als Place Word zu bestimmendes arha bietet, steht entweder paläografisch schon am Übergang zum Mittelhethitischen oder ist gar eine mittelhethitische Kopie eines alten Textes. Der sehr ungewöhnliche mantische Text KBo 18.151 (→1b, s. Soysal 2000) wurde bisher oft als mittelhethitisch klassifiziert, van den Hout (2009) möchte ihn aber unter die ersten überhaupt auf Hethitisch geschriebenen Texte einordnen, 434 älter
432 S. HW2 (A: 259–287), die chronologische Einordnung der Belege dort ist aber überholt. 433 Wohl in direktiv. Lesart, da in diesem Fall nur der Einbezug der pragmatisch inferierten Quelle für die Grammatikalisierung nötig ist, während bei einer terminativ. Lesart zugleich der Zielpunkt aus der Bedeutung hätte entfernt werden müssen. 434 Der Duktus der Tafel stehe dem von Alalaḫ (VII), von woher die Hethiter wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 16. Jh. v. u. Z. die Keilschrift entlehnt haben (s. Rüster/Neu 1989: 15), näher als der der gewöhnlichen, im Schriftbild sehr einheitlichen altheth. Originale.
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noch als z. B. KBo 22.1. Ist dies der Fall, muss arha schon vor Beginn der Überlieferung zum Place Word geworden sein, da es in diesem Beispiel bereits als redundantes Präverb fungiert. 2.5.1.1-1a: KBo 20.10+KBo 25.59 I 2 (aH/mS?) ⌈LUGAL⌉-us arha paizzi König:NOM.SG weg
hingehen:PRS.3SG.AKT
„Der König geht weg.“ 2.5.1.1-1b: KBo 18.151 Rs.? 8 (aH?/aS?) āssu arha tuhset gut:AKK.SG.N weg
schneiden:PRT.3SG.AKT
„Er schnitt das Gute ab.“ Es fällt auf, dass sogar in den althethitischen Texten in mittelhethitischer Abschrift Quell- und Zielangaben und die Ortsbezugspartikel =kkan (bzw. =asta) fehlen.435 Möglicherweise ergab sich die Verschiebung der Perspektive vom Ziel auf die Quelle daher zuerst in der Funktion eines Präverbs – entsprechend dt. weg-, ab-, fort- –, in der sich arha in den verschiedensten Kombinationen findet, dabei bei separativischen Verben oft auch redundant (vgl. auch Bsp. 1b): 2.5.1.1-2a: KBo 17.105+KBo 34.47 II 32' f. (mH/mS) idālun kardimiyattan sāuwar arha namma pessiya‹t›ten böse:AKK.SG.C Zorn:AKK.SG
Groll:AKK.SG weg
ferner
werfen:IMP.2PL.AKT
„Werft ferner den bösen Zorn (und) Groll weg!“ 2.5.1.1-2b: HKM 63 23 f. (mH/mS) n(u)=as=z
arha INA É-ŠU
KONN=3SG.NOM.C=REFL weg
pait
LOK Haus:POSS.3SG.M hingehen:PRT.3SG.AKT
„Er ging zu seinem Haus heim/weg.“ 2.5.1.1-2c: IBoT 1.36 III 13 f. (mH/mS) māhhan=ma sarkantin arha tarnanzi wie=KONN
Prozessbeteiligter?:AKK.SG weg
lassen:PRS.3PL.AKT ?
„Wenn man aber einen Prozessbeteiligten entlässt, …“ 2.5.1.1-2d: KBo 19.145 III 40' (mH/mS) LÚ GIŠ-[r]u⌈wan⌉dan=ma=kan arha tarnumen Mann anpflocken:PTZ.AKK.SG.C=KONN=OBP weg
lassen:PRS.1PL.AKT
„»Den Angepflockten aber haben wir (vom Pflock) freigelassen.«“
435 Allein in ektas=ma=ddu=ssan erhaz ŪL nahsariyawanz arha ŪL wezzi „Ein sich nicht Fürchtender entgeht dir nicht aus („von unter“) dem Rund des Fangnetzes“ (KBo 3.21 II 17 f.; mH?/mS) ist ein Abl. enthalten, der Text ist als jüngere Komposition mit einigen älteren Elementen aber nicht zuverlässig, arha ist möglicherweise erst zur Abfassungszeit in den Text gelangt.
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In dieser Funktion steht arha überwiegend ohne Ortsbezugspartikel, mit Dativ-Lokativ des Ziels fehlt diese immer. Die letzten beiden Beispiele weisen darauf hin, dass =kkan ähnlich wie bei srā (⇒2.4.1.2) in Abhängigkeit von einem im Kontext relevanten Bezugspunkt 436 steht bzw. fehlt (s. Boley 2000: 164). Bei expliziter Angabe einer Quelle im Ablativ oder ablativischem Dativ-Lokativ steht hingegen immer eine Ortsbezugspartikel, die Beispiele ohne eine solche (z. B. KUB 29.7+ KBo 21.41 Vs. 39) enthalten instrumentale Ablative. Vgl.: 2.5.1.1-3a: KBo 15.33+KBo 15.35 II 29' f. (mH/mS) lukk(a)tta437=ma=kan māhhan ⌈LÚEN ÉTIM É.ŠÀ-n⌉az morgens=KONN=OBP
wie
Herr
prā wezzi
Haus Innengemach:ABL voran kommen:PRS.3SG.AKT
„Wenn am Morgen aber der Herr des Hauses aus dem Innengemach herauskommt, …“ 2.5.1.1-3b: KBo 32.14 II 18 (mH/mS) apās LÚ-as apel=kan
URU-az kuis
arha
DEM:NOM.SG.C Mann:NOM.SG DEM:GEN.SG.C=OBP Stadt:ABL REL:NOM.SG.C weg
huwais laufen:PRT.3SG.AKT
„Jener Mann (ist es), der aus seiner eigenen Stadt weggelaufen ist.“ 2.5.1.1-3c: IBoT 1.36 I 24 (mH/mS) GIŠ nu=ssi=kan GIDRU arha dāi KONN=3SG.D/L.C=OBP Stab
weg
nehmen:PRS.3SG.AKT
„Er nimmt ihm den Stab ab.“ Vor diesem Hintergrund verwundert die Debatte, ob es bei arha eine Unterscheidung von „heim“ vs. „fort“ durch die Ab-/Anwesenheit von =kkan gebe (s. Goetze 1933: 21, 23 f., 27, Boley 1989: 123 f.). Es handelt sich um zwei verschiedene Konstruktionen, bei denen die Ortsbezugspartikel nur éin Bestandteil ist. arha ohne =kkan und Lokalkasus ist jedenfalls nach Ausweis der hier bekannten Belege nicht auf eine Bedeutung „heim“ festzulegen.438 Es ist nicht völlig klar, ob neben der ablativischen Grundbedeutung (Verlassen des Nahbereichs eines Relatums) auch eine elativische Funktion (Verlassen des Innenbereichs eines Relatums anzusetzen ist. Da arha nie zusammen mit Behälterobjekten wie z. B. Gebäude(tei le)n oder Städten belegt ist, und Fälle, in denen es im Deutschen mit „aus“ übersetzt wird (z. B. mit Ländern), nur ein abstraktes Inklusionsverhältnis ausdrücken, ist es trotz gewisser 436 Dieser muss sich nicht auf die Quellangabe beschränken, vgl. den zu ergänzenden Lokativ in nu=wa(r)=kan halkius arha warskezzi „Er erntet das Getreide (bei der erwähnten Stadt) ab“ (HKM 25 9 f.; mH/mS). Ein besonders klares Bsp. für die kontextualisierende Funktion von =kkan liegt in HKM 3 7–10 (mH/mS) vor: apēl kuis KUR-e ÉRIN.MEŠ n(u)=as=kan namma arha lē wezzi apiya=as ēstu „Die Truppen, die sich in seinem Land aufhalten, sollen (von dort) nicht wieder herauskommen, (sondern) sie sollen dort bleiben.“ 437 Vgl. zu dieser Form S. 155, Fn. 295. 438 Boley weist besonders auf KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 54 (mH/mS) n(u)=at=z arha pāer URUMarāsa[n URU-an?] kattan lukkiēr „Und sie gingen weg und zündeten die Stadt M. an“ hin. Nach der üblichen Interpretation wären die Feinde „heimgezogen“ und hätten also eine ihrer eigenen Städte niedergebrannt.
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Überschneidungen439 wahrscheinlich, dass es keine elativische Bedeutung hat. Es ist allerdings zum Ausdruck des Beendens einer Teilinklusion belegt (→4a), sowie im Übergangsbe reich von elativischer und ablativischer Funktion (→4b): 2.5.1.1-4a: KUB 45.47 III 24'-26' (mH/mS) LÚ n(u)=a(t)=sta ⌈AZU⌉ ANA […] kissraz KONN=3SG.AKK.N=OBP Opferschauer DAT
ar⌈ha⌉ dāi
Hand:ABL weg
nehmen:PRS.3SG.AKT
„Der Opferschauer nimmt es [mehreren genannten Personen] aus der Hand.“ 2.5.1.1-4b: KUB 17.6 I 19' f. (aH?/jS) GIŠ zig=ga=war=asta lutta[nz] arha lē du:NOM=KONN=„“=OBP Fenster:ABL weg
autti
PROH sehen:PRS.2SG.AKT
„(Wenn ich aufs Feld gehe,) schau du auch nicht aus dem Fenster!“440 Pleonastisch tritt arha nicht nur bei separativischen Verben auf, sondern kann fast bedeutungsleer als verstärkende Partikel auch vor anderen Verben in jeder Konstruktion stehen. Dabei kann zwischen Simplex und Verbum compositum bisweilen kein Bedeutungsunterschied mehr ausgemacht werden, z. B. bei pussae-zi, arha pussae-zi (und anda pussae-zi, z. B. KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 24!) ‚zerkleinern‘. Weitere Beispiele: 2.5.1.1-5a: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 47 (mH/mS) [n(u)]=asta ÉRIN.MEŠ mMadduwatta [hūm]antan=pat arha h[aspe]r KONN=OBP
Truppe(n)
(PN)
all:AKK.SG.C=PTK weg
schneiden:PRT.3PL.AKT
„Die Truppen des Matuwata vernichteten sie wahrlich in ihrer Gesamtheit.“ 2.5.1.1-5b: HKM 66 19 (mH/mS) nu=war=⌈at⌉ arha duwarnandu KONN=„“=3SG.AKK.N weg
zerbrechen:IMP.3PL.AKT
„»Man soll es zerbrechen.«“ 2.5.1.1-5c: HKM 30 18 (mH/mS) kinun=(m)a=m⌈u⌉ G[EME?-Y]A?
arha uppi
jetzt=KONN=1SG.D/L Dienerin:POSS.1SG weg
herschicken:IMP.2SG.AKT
„Schicke mir jetzt meine Dienerin(?) her!“ Entsprechend groß ist die Anzahl idiomatisierter Wendungen mit arha (vgl. schon Zuntz 1936: 26–37). Eine häufige Kollokation ist z. B. arha ariye/a-zi „ausorakeln“ (d. h. durch Orakel bestimmen, →6b), bei diesem Verb sind im Junghethitischen gleichbedeutend auch andere Präverbien belegt. Z. B.:
439 Die semantische Ähnlichkeit ist sichtbar an Synonymen wie prā/arha tarn(a)-i ‚entlassen, freilassen‘, so heißt es in der hurr.-heth. Bilingue einerseits prā tarnumar ‚Freilassung‘ (z. B. KBo 32.19 II 21; mH/mS), andererseits apūs arha kuit tarnum[e]⌈ni⌉ „Gesetzt den Fall, wir lassen sie frei/fort, …“ (l. c. II 26'). 440 Solche Kontexte mit ursprünglich einer Quell- und Zielangabe („aus dem Fenster zur Grenze“) dürften für die Umdeutung von arha zum Adverb maßgeblich verantwortlich sein.
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2.5.1.1-6a: KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 10 f. (mH/mS) n(u)=at kattan arha k⌈it⌉taru KONN=3SG.NOM.N unten
weg
liegen:IMP.3SG.MP
„Es soll unberücksichtigt sein.“ 2.5.1.1-6b: KBo 16.63+KUB 34.45 15 (mH/mS?) [nu=w]ar=at=z uwaweni t[a]ksan arha ariyaueni KONN=„“=3SG.AKK.N=REFL kommen:PRS.1PL.AKT zusammen weg
orakeln:PRS.1PL.AKT
„»Wir werden es gemeinsam durch Orakel bestimmen!«“ 2.5.1.1-6c: KUB 8.81+KBo 19.39 II 8' f. (mH/mS) m n(u)=an=kan Sunassuras EGIR-an=na arha lē KONN=3SG.AKK.C=OBP (PN):NOM
hinten=KONN
weg
naīski
PROH wenden:IPFV:IMP.2SG.AKT441
„Du, Sunassura, sollst ihn auch nie hinten wegleiten (= zum Abfall bringen).“ In einigen Fällen ist die Verwendung von arha oder der Ortsbezugspartikel nicht klar, möglicherweise handelt es sich hierbei auch um idiomatische Wendungen oder verstärkendes arha: 2.5.1.1-7: HKM 64 16 f. (mH/mS) n(u)=a(s?=)sta warpuwanzi arha walher KONN=3PL.AKK.C?=OBP umzingeln?:INF weg
schlagen:PRT.3PL.AKT
„Und sie schlugen zu, um sie zu umzingeln(?).“ Mit der Ortsbezugspartikel =ssan ist arha nicht belegt, außer in verstärkender Funktion, in der arha unabhängig von der Konstruktion des Verbs steht. Belegt ist es allerdings in KUB 30.10 Rs. 3 und im folgenden Beispiel mit pasku-zi ‚zurückweisen, vernachlässigen, ignorieren‘, das sich häufiger mit =ssan in der Bedeutung „gegen“ (⇒2.3.4) verbindet: 2.5.1.1-8: KUB 31.130+ Vs. 15' f. (mH/mS) n(u)=an=san arha paskuwanz[i] KONN=3.SG.AKK.C=OBP weg
zurückweisen:PRS.3PL.AKT
„Sie ignorieren ihn völlig.“ Im folgenden Beleg scheint arha „auseinander“ zu bedeuten, die Rede ist von einer in zwei Reihen aufgeteilten Truppe von Leibwächtern: 2.5.1.1-9: IBoT 1.36 II 62 (mH/mS) arha=ma=as 3 IKU iy⌈at⌉ta weg=KONN=3SG.NOM.C 3 (Maß) gehen:PRS.3SG.MP
„Sie geht aber drei Iku [ca. 45 m] auseinander/getrennt.“ Zuletzt bezeichnet arha in Verbindung mit einem anderen Place Word (z. B. istarna) auch die Durchquerung einer Region (⇒2.4.4.1), häufig in Kombination mit einem Akkusativ des We-
441 Vgl. hierzu S. 199, Fn. 409.
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ges (⇒2.1.4.2). Einmal ist es dabei auch ohne weiteres Place Word belegt (taksan dürfte hier nicht-lokale Bedeutung haben): 2.5.1.1-10: IBoT 1.36 IV 8 (mH/mS) [ŠA] LÚ.MEŠ ŠUKUR māhhan Éhilammar GEN Leute
Speer
wenn
arha taksan
Torbau:AKK.SG weg
sār[iyas]=pat
zusammen Reihe:NOM.SG=PTK
paizzi hingehen:PRS.3SG.AKT
„Wenn eine ganze Marschreihe von Männern des Speeres gemeinsam durch den Torbau geht, …“442 Im Mittelhethitischen wurde von arha das Adverb arhaya(n) ‚abseits, gesondert‘ abgeleitet (→11), das junghethitisch in den Bereich von arha eindringt (s. HW2 A: 287–289, das die ältesten Belege fälschlich auf Mursili II. datiert). 2.5.1.1-11: KUB 29.8+ II 14–16 (mH/mS) LÚ nu AZU kuis sēhelliya
widār
arhayan harzi
KONN Opferschauer REL:NOM.SG.C rein:AKK.PL.N Wasser:AKK.PL gesondert
halten:PRS.3SG.AKT
„Der Opferschauer, der die reinen Wässer gesondert hält, …“ Außerdem findet sich ab Suppiluliuma I. eine Verwendung als Postposition in der Bedeutung „von“ (mit =kkan; s. Boley 2000: 170 f.), was sich leicht aus der separativischen Kon struktion herleiten lässt. 2.5.1.2 arahz Formal ein Ablativ, hat arahz (a-ra-aḫ-za, s. HW2 A: 235–238) gewöhnlich die statische Bedeutung ‚draußen‘ (→1a), nur mit dem Präverb pe- ‚hin-‘ hat es direktivische („nach draußen“, →1b) und mit u- ‚her-‘ die von seiner Form her zu erwartende ablativische Funktion („von draußen“, →1c). arahz ist ein lokales Gegenstück zu andurz ‚(dr)innen‘ (⇒2.4.3.1). 2.5.1.2-1a: KBo 24.45+KBo 38.196 Rs. 7 (mH/mS) nu a⌈ra⌉hz ANA PANI DINGIRL[IM āpi KONN draußen
vor
Gottheit
kinua]nzi
Opfergrube:AKK.SG öffnen:PRS.3PL.AKT
„Man öffnet draußen vor der Gottheit eine Opfergrube.“ 2.5.1.2-1b: KBo 24.54+ I 8 f. (aS) nu=us arah[z] pēhudanzi KONN=3PL.AKK.C draußen hinbringen:PRS.3PL.AKT
„Man bringt sie nach draußen.“
442 Anders CHD (Š: 257): „When only half of the file of spearmen has passed the portico“, doch bedeutet taksan(n.) allein nicht ‚Hälfte‘ (sondern die Rückbildung taksan(-)sarra-) und müsste als Teil des Subjekts mit dem individualisierenden Suffix -ant- auftreten, da Neutra nicht als Agens auftreten (GHL: 66 f.).
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2.5.1.2-1c: KBo 17.74+ I 22 (aH/mS) LÚ SAGI 1 NINDA.GUR4.RA arahz udai Mundschenk 1 Dickbrot
draußen herschaffen:PRS.3SG.AKT
„Ein Mundschenk bringt ein Dickbrot von draußen her.“ 2.5.1.3 arahzanda Dieses Place Word (s. HW2 A: 238–241), wahrscheinlich eine Verbindung aus arahz (s. darüber) und anda ‚hinein‘ (⇒2.4.1.1), drückt Lokalisation im Außenbereich eines Relatums (→1a) oder Bewegung in diesen hinein (→1b) aus, also ‚ringsum, außen herum‘. Da es stets ohne Ortsbezugspartikel und bereits im Anitta-Text (→1c) auftritt, liegt sicher das alte dynamische anda vor, nicht das mittelhethitisch geneuerte statische anda ‚drinnen‘. Daher dürfte die ortsanzeigende Verwendung von arahzanda wohl sekundär sein. Im Junghethitischen erscheint das Place Word schließlich auch als Postposition. 2.5.1.3-1a: KUB 24.4+KUB 30.12 Vs. 16 (mH/mS) nu kurewanas443 KUR.KURTIM k[u]e arahzand[a] KONN unabhängig?:GEN? Länder
REL:NOM.PL.N ringsum
„Und die Territorien, die ringsum liegen, …“ 2.5.1.3-1b: HKM 73 21 f. (mH/mS) nu=tta ŠU.ḪI.A-us arahzanda assuli KONN=2SG.D/L Hände:AKK.PL ringsum
harkandu
Heil:D/L.SG halten:IMP.3PL.AKT
„Sie sollen ihre Hände im Guten um dich halten.“ 2.5.1.3-1c: KBo 22.2 Rs. 10' (aH/aS?) INA MU 3KAM LUGAL-us pait LOK Jahr 3
URU
Zalpan
a⌈ra⌉hzanda
König:NOM.SG hingehen:PRT.3SG.AKT (ON):AKK.SG ringsum
wetet bauen:PRT.3SG.AKT
„Im dritten Jahr schließlich schloss der König Zalpa ringsum ein.“
2.5.2 Ableitungen von āska- c. ‚Tor‘ Als einziges Lexem, das weder relationale Bedeutung im engeren Sinne hat noch eine Körperteilbezeichnung ist, kennt āska- (s. HW2 A: 407–420, besonders 418 f.) eine Verwendung als Adverb „(von/nach) draußen“, wobei der Ablativ āskaz ablativisch (→1ab) und statisch (→3) verwendet wird, der Dativ-Lokativ āski und der Direktiv āska hingegen direktivisch (→1c). Diese Entwicklung ging wohl von āskaz „vom Tor“ = „von draußen“ aus.444 Am häu443 Vgl. zu dieser Form die Bemerkungen unter arahzena(nt)- (⇒2.6.4.1 mit Fn. 487). 444 Oder vielleicht auch von polaren Ablativen (⇒2.1.2.3) in korrelativen Wendungen, vgl. āsk[az] – andurz „draußen – drinnen“ in IBoT 3.1 2' f. (jH).
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figsten ist der ablativische Gebrauch zusammen mit dem Verb ud(a)-i ‚herschaffen‘ (→1ab), wobei an diesen Belegen die Grammatikalisierung des Wortes erst sichtbar wird, da āskaz auch mittelhethitisch ohne Ortsbezugspartikel steht, während sonst fast alle dynamischen Ablative in dieser Periode von =kkan oder =asta begleitet werden (⇒2.1.2). Während man bei →1a noch grafische Unterdrückung der Ortsbezugspartikel beim Logogramm vermuten könnte, zeigt →1b klar, dass adverbialisiertes āskaz keine Partikel erfordert, entsprechend dürften diese im Bsp. →1c mit dem elativ. prā ‚hinaus‘ zusammenhängen. Zudem sind durch das Aussterben des althethitischen Direktivs die mittelhethitischen Belege mit āska als erstarrte Formen anzusehen. 2.5.2-1a: KBo 20.61+ I 58' (mH/mS) [DUMU.É.GA]L! 1 NINDA.GUR4.RA EMṢA āskaz Palastbediensteter
1 Dickbrot
sauer
uda[i]
Tor:ABL herschaffen:PRS.3SG.AKT
„Ein Palastbediensteter bringt ein saures Dickbrot von draußen her.“ 2.5.2.1-1b: KUB 20.11 II 16' (mH/mS) LÚ SAGI.A-as NINDA.GUR4.RA EMṢA ās⌈ka⌉z udai Mundschenk:NOM.SG Dickbrot
sauer
Tor:ABL herschaffen:PRS.3SG.AKT
„Der Mundschenk bringt saures Dickbrot von draußen.“ 2.5.2-1c: KBo 17.55+ I 5' (mH/mS) 1 NINDAtakarm[un?=kan? LÚS]AGI prā āska
pēdai
1 (Brotsorte):AKK.SG=OBP Mundschenk voran Tor:DIR.SG hinschaffen:PRS.3.SG.AKT
„Der Mundschenk bringt ein t.-Brot nach draußen.“ Der Text KBo 17.55+ ist zwar sprachlich frühmittelhethitisch (ser=(m)a=ssan in II 11, anda ohne =kkan in II 12 f.), ein Direktiv ist zu dieser Zeit zwar noch denkbar, v. a. die enge Paral lele mit dem folgenden Satz (mit paradigmatischem, nicht adverbiellem āskaz) aber spricht für die übertragene Bedeutung „nach draußen“:445 2.5.2-2: KBo 17.105+ III 23 (mH/mS) n(u)=asta 3 NINDA.KU7 […] prā āskaz KONN=OBP 3 süßes Brot
pēdai
voran Tor:ABL hinschaffen:PRS.3.SG.AKT
„Sie bringt drei süße Brote (…) aus dem/durch das Tor hinaus.“ Der Unterschied zwischen übertragener und wörtlicher Bedeutung ist oft nicht fundamental (vgl. Bsp. →1a). Entsprechend ist in einigen Belegen nicht klar, welche von beiden vorliegt; neben IBoT 1.36 I 33 vgl. z. B. noch:
445 Zudem wird eine Konstruktion wie „zum Tor/Fenster/Hof hinaus“, wo das direktivisch konstruierte Relatum eine überschrittene Grenze bezeichnet, im Hethitischen nicht verwendet. Vgl. als weiteres Bsp. [n(u)]=an=kan prā āska pessiezzi „Er wirft ihn (einen Stein) hinaus“ (KBo 23.23+KBo 33.11 Rs. 80'; mH/mS).
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2.5.2-3: IBoT 1.36 I 16 (mH/mS) āskaz=ma kuis kuzz Tor:ABL=KONN REL:NOM.SG.C Mauer:NOM.SG
„An der Mauer aber, die sich draußen/vom Tor her befindet, …“446
2.5.3 Ableitungen von hant- (Genus unklar) ‚Stirn, Vorderseite‘ Diese Körperteilbezeichnung (s. HW2 Ḫ: 158–162) wird auch als relationales Substantiv verwendet und ist in den anatolischen Sprachen noch als Appellativum erhalten, während in den anderen indogermanischen Sprachen nur daraus grammatikalisierte Adverbien oder Adpositionen überlebt haben (⇒4.1.4.4). Interessanterweise drücken die von hant- abgeleiteten Wörter im Hethitischen überwiegend nicht-räumliche Konzepte oder Relationen aus. Der Vollständigkeit halber sei ihr Gebrauch hier kurz aufgeführt. 2.5.3.1 handa, handas Dieser Relator (s. HW2 Ḫ: 162, 171 f.), formal mehrdeutig,447 hat keine lokale Funktion, sondern bedeutet als Adverb oder Postposition ‚gemäß, entsprechend‘ (logograf. QATAMMA): 2.5.3.1-1a: HKM 73 11 f. (mH/mS) n(u)=at mān handa MUNUS KONN=3SG.NOM.N wenn entsprechend Frau
URU
Hawalta
(ON)
„Wenn es sich entsprechend verhält – (gemeint ist) die Frau aus Hawalta –, …“ 2.5.3.1-1b: KBo 3.21 II 12 f. (mH?/mS) d d Anus=ma=⌈t⌉ta ÉN.LÍL-as=sa
sargawanni
handa
ANA
(GN):NOM.SG=KONN=2.SG.AKK (GN):NOM.SG=KONN Erhabenheit:D/L.SG entsprechend DAT
LÚ.MEŠ KÚR-ŠUNU Leute
wemiyauwanzi tuk
Feind:POSS.3PL.M finden:INF
wātarnahher
du:AKK beauftragen:PRT.3PL.AKT
„An und Enlil beauftragten dich, ja dich, entsprechend deiner Erhabenheit, ihre Feinde zu finden.“ 2.5.3.2 hanti Dieses Adverb (s. HW2 Ḫ: 187–191) mit der Bedeutung ‚getrennt, gesondert‘ (→1a), als indeklinables (Quasi-)Adjektiv ‚Extra-‘ (→1b), erscheint auch als Āmreḍita hanti hanti ‚zu glei446 Vgl. Z. 10: nu Éhalentūwaz=(m)a kuis andurz kuzz „Bei der Mauer, die sich vom Palast innen befindet, …“ M. E. bezieht sich die Instruktion für die Aufstellung der Palastgarde in der Gestalt auf einen der Höfe von Büyükkale, dass die Wächter im Hof entlang der Außenmauer (āskaz „vom Tor aus (gesehen)“) und entlang der Palastmauer (halentūwaz „vom Palast aus (gesehen)“) stehen. 447 Es könnte sich um einen Dir. Sg. bzw. Pl. handeln. Wenn hant- neutrales Genus haben sollte, käme für handa auch ein Nom.-Akk. Pl. in Frage.
220
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
chen Teilen‘ (→1c). Auch wenn es im gewöhnlichen Gebrauch nicht mehr lokal ist, könnte seine ursprüngliche Bedeutung „auf der/zur Vorderseite“ (Dat.-Lok. Sg.) noch in der Wendung hanti tiye/a-zi ‚vor Gericht bringen‘ (vgl. →1d) vorliegen, allerdings ist deren Motivation nicht klar.448 Denkbar ist „(im Streit) gegenübertreten“ mit einer abgeleiteten lokalen Bedeutung wie in gr. antì, ai. ánti ‚gegenüber‘ (deren Etymon *h2ént-i „auf der Stirn/Vorderseite“ in heth. hanz fortgesetzt ist, s. u.). 2.5.3.2-1a: KBo 24.45+KBo 38.196 Vs. 16' (mH/mS) nu kuinna hanti ekuzi KONN jeder:AKK.SG.C getrennt trinken:PRS.3SG.AKT
„Jeden trinkt er einzeln.“ 2.5.3.2-1b: KBo 17.65 Vs. 13 (mH/mS) n(u)=at hanti tuppi KONN=3SG.NOM.N getrennt Tafel:D/L.SG
„Es (steht) auf einer Extra-Tafel.“ 2.5.3.2-1c: Gesetze §33 (KBo 6.2 II 8; aS) āssu=smet hanti h[anti] sarr[a]nzi Gut:AKK.SG=POSS.3PL.AKK.SG.N getrennt getrennt teilen:PRS.3PL.AKT
„Sie teilen ihr Gut zu gleichen Teilen auf.“ 2.5.3.2-1d: KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 27 f. (mH/mS) m nu=ssi kēdani uddanī Antahittās=pat G[AL ] KONN=3SG.D/L.C DEM:D/L.SG.N Sache:D/L.SG (PN):NOM.SG=PTK (Titel) m
[Ma?]zlauwas=sa LÚ
URU
Kuwallia hantitiyatalles [ēser?]
(PN):NOM.SG=KONN Mann (ON)
Anzeiger:NOM.PL KOP.PRT.3PL.AKT
„In dieser Sache waren ja Antahitā, der [ ] und [Ma ?]zlauwa, der Mann von Kuwalliya, seine „Anzeiger“.“ 2.5.3.3 hanz Das Lokaladverb (s. HW2 Ḫ: 193–195)449 ist in seiner wörtlichen Bedeutung ‚vorne, von vorne‘ (Abl. oder Dat.-Lok.) in alt- und mittelhethitischen Originalen zufällig nicht erhalten, aber wohl für §164 der althethitischen Fassung der Gesetze zu rekonstruieren (s. HW 2 Ḫ: 194). Vgl. aus der jungen Sprache: 2.5.3.3-1: KUB 9.28 II 12 f. (jH) nu hanz kuis arta KONN vorne REL:NOM.SG.C stehen:PRS.3SG.MP
448 Auffällig ist jedenfalls der Gegensatz zu der Metapher āppan tiye/a-zi ‚unterstützen‘ mit entgegengesetztem „hinten“, vgl. EGIR-a[n=wa(r)=ssi] ŪL tiyami hanti=ya=wa(r)=ss[i] ŪL tiyami „»Auf seine Seite werde ich nicht treten, ihm gegenübertreten werde ich auch nicht.«“ (KUB 26.12+21.42 II 6–8; jH; ergänzt nach parallelen Stellen). 449 Daneben findet sich auch zweimal analogisch hanzan, s. Kap. 4.1.4.3 für eine Erklärung.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
221
„Wer vorne steht, …“ Im Mittelhethitischen belegt ist dagegen die auf der lokalen Bedeutung basierende Metapher hanz har(k)-zi ‚aufpassen, hilfreich sein, respektieren‘: 2.5.3.3-2a: KUB 32.130 31 f. (mH/mS) ammel=z ANA SAG.DU-YA assuli
TI-anni
hanz harsi
ich:GEN=REFL DAT Kopf:POSS.1.SG Heil:D/L.SG Leben:D/L.SG vorne halten:PRS.2SG.AKT
„Du bist meiner Person gegenüber zum Heil (und) Leben hilfreich.“ 2.5.3.3-2b: KUB 17.21 IV 13 (mH/mS) nu=wa(r)=z hanzan sumes harten KONN=„“=REFL vorne
ihr:NOM halten:IMP.2PL.AKT
„»Seid ihr nur respektvoll [gegenüber unseren Opfergaben]!“
2.5.4 menahhanda menahhanda ‚entgegen, gegenüber, in Blickrichtung auf‘ (s. CHD L-N: 274–288), geschrieben me-(e-)na-aḫ-ḫa-an-d/ta, erst im 13. Jh. auch logografisch IGI-anda, drückt im Grundsatz aus, dass Lokatum und Relatum, die beide eine intrinsische Vorderseite haben, 450 vis-àvis stehen oder sich entsprechend aufeinander zubewegen.451 In dieser lokalen Bedeutung steht menahhanda in statischer Konfiguration mit DativLokativ (‚gegenüber‘) fast immer mit der Ortsbezugspartikel =kkan (bzw. =asta):452 2.5.4-1a: IBoT 1.36 II 9 (mH/mS) ⌈2⌉ LÚ.MEŠ ŠUKUR.KÙ.SI22=ma=kan LUGAL-i 2
Leute
Goldspeer=KONN=OBP
menahhanda ZAG-az
König:D/L.SG gegenüber
rechts:ABL
ara[nta] stehen:PRS.3PL.MP
„Zwei Goldspeer-Männer aber stehen gegenüber dem König auf der rechten Seite.“ 2.5.4-1b: KBo 24.66+ I 36 f. (mH/mS) nu hūprushi ha[ss]ī kattan [AN]A DINGIRLIM=kan menahhanda KONN Räucherbecken:D/L.SG Herd:D/L.SG unten
DAT
Gottheit=OBP
gegenüber
450 Es müssen allerdings nicht immer Gesichter (heth. mena-) sein, z. B. verneigt sich in IBoT 1.36 IV 24af. (mH/ mS) jemand in Richtung eines Rades, vermutlich dessen Außenseite. 451 Anders als im Dt. ist dies im Heth. aber vielleicht nicht auf die Horizontale beschränkt, vgl. die wohl vertikale Ausrichtung in suhhi=kan ser dUTU-i menahhanda 2 GIŠBANŠUR AD.KID [k]āriyanda dāi „Auf dem Dach stellt er zwei bedeckte Flechtaltare der Sonne(ngottheit) „gegenüber“ auf“ (KUB 6.45+ I 4 f.; jH; ebenso KBo 11.14 I 3) – sofern hier mit der „Sonne“ nicht einfach „Osten“ gemeint ist (vgl. zu deren Gleichsetzung KBo 3.22 11 f.). 452 Die Partikel fehlt in KUB 2.6 IV 11–13 (jH), am Satzanfang steht dabei ein Logogramm, was vielleicht zu einer nur grafischen Unterdrückung geführt hat (vgl. oben S. 72, Fn. 99).
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
1-ŠU
sipanti
1:POSS.3.SG.M libieren:PRS.3SG.AKT
„Er libiert der Gottheit gegenüber einmal hinab in das Räucherbecken auf dem Herd.“ Im Beispiel 1b ist der satzinterne Gebrauch von =kkan bemerkenswert (ebenso l. c. II 3 f., IV 33). Die Verschiebung hin zu *siuni „der Gottheit“ ist wahrscheinlich auf die beiden anderen Dativ-Lokative hūprushi und hassī zurückzuführen, auf die =kkan nicht bezogen ist, was bei einem üblichen nu=kkan am Satzanfang aber unklar geblieben wäre. In dynamischer Konstruktion, ebenfalls mit Dativ-Lokativ (‚entgegen‘), steht menahhanda jedoch ohne Partikel (vgl. Boley 2000: 180 f.), vgl.: 2.5.4-2a: KBo 17.3+ II 48' (aS) ta ḪUR.SAG-a dUTU-i mēnahhanda paimi KONN Berg:DIR.SG
(GN):D/L.SG entgegen
hingehen:PRS.1SG.AKT
„Und ich gehe der Sonnengottheit entgegen ins Gebirge.“ 2.5.4-2b: KUB 43.58 II 37' f. (mH/mS) namma gangatiaz GEŠTIN s[r]ā DINGIR.MEŠ-as menahhand[a] 9-ŠU ferner
(Pflanze):ABL Wein
hoch
Gottheiten:D/L.PL
entgegen
9:POSS.3.SG.M
papparszi sprengen:PRS.3SG.AKT
„Dann sprengt er mit der g.-Pflanze neunmal den Wein an den Götter(statue)n hinauf.“ Die zufällig nur junger Schrift belegte Kombination von Verben des (An-)Sprechens mit menahhanda wurde von den Hethitern offensichtlich dynamisch verstanden („jmd. entgegensprechen“ statt „jmd. gegenüber sprechen“), da auch dort die Ortsbezugspartikel fehlt. 453 Die Partikel =kkan fehlt weiterhin, auch in statischer Bedeutung, wenn keine explizite Lokalangabe im Dativ-Lokativ vorhanden ist. Vgl.: 2.5.4-3a: KBo 22.2 Rs. 7' f. (aH/aS?) ÉRIN.MEŠ URUZalpa menahhanda wet Truppe(n)
(ON)
entgegen
kommen:PRT.3SG.AKT
„Die Truppen von Zalpa kamen (ihm) entgegen.“454 2.5.4-3b: KuT 53 III 33 f. (mH/mS) [D]UMU.É.GAL-=ma=z menahhanda [Š]A dIŠK[UR i]s⌈pa⌉ntu[zz]iassar Palastbediensteter=KONN=REFL gegenüber
GEN (GN)
Libationsgefäß:AKK.SG
453 Kein Gegenbsp. ist n(u)=asta LUGAL-⌈un⌉ DAM-ZU DUMU.MEŠ-ŠU hāssa hanzassa dIŠKUR-ni [menahhant]a āssu memisketten „Besprecht den König, seine Frau, seine Kinder (und) die Folgegenerationen gegenüber dem Wettergott immer wieder gut!“ (KUB 43.23 Vs. 6–8; aH/mS), da hier nicht „etwas zu jemandem“ gesagt, sondern „jemand jemandem gegenüber“ erwähnt wird, in statischer Konstruktion. 454 Die Festlegung auf „gegenüber“ bei Starke (1977: 193 f.) führt in solchen Bsp. zu ungrammatischen Übersetzungen. Heth. menahhanda ist an sich weder statisch noch dynamisch, sondern kann in diese beide Konstruktionsarten eingefügt werden.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
223
marnuwan
dāi
(Biersorte):AKK.SG nehmen:PRS.3SG.AKT
„Ein Palastbediensteter nimmt sich gegenüber ein Libationsgefäß des Wettergottes mit Gerstenbier?.“ Im Junghethitischen ist darüber hinaus nach Ausweis der Beispiele im CHD bei manchen Verben (z. B. mit Präverb prā, srā) ein Schwanken im Partikelgebrauch in ansonsten gleichen Konstruktionen zu beobachten. Der einzige Fall von =kkan mit menahhanda ohne ein Nomen im Dativ-Lokativ ist eine in ihrer Bedeutung unklare idiomatische Wendung (für Übersetzung und Diskussion s. CHD L-N: 287): 2.5.4-4: KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 16 (mH/mS) nu=wa(r)=kan KUR.KUR.ḪI.A LÚKÚR menahhanta hark KONN=„“=OBP
Länder
Feind
gegenüber
halten:IMP.2SG.AKT
„You must resist(?)/hold off(?) the enemy lands.“ menahhanda wird über den lokalen Gebrauch hinaus öfters metaphorisch verwendet. Die häufige abstrakte Bedeutung ‚in Bezug auf‘ (vgl. engl. with regard to) ist wie im Deutschen leicht aus konkreten Situationen wie „jmd. gegenüber einen Eid leisten“ (z. B. KUB 14.1+ KBo 19.38 Vs. 79; mH/mS) → „einen Eid auf jmd. (nicht unbedingt physisch Anwesenden) leisten“ herzuleiten. In diesem Gebrauch steht keine Ortsbezugspartikel, die Wendung stammt also entweder aus einer Zeit vor der Ausbreitung von =kkan oder hat ihren Ursprung in dynamischen Konfigurationen. Vgl.: 2.5.4-5a: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 28 (mH/mS) kuis=wa(r) ANA [ABI dUTU]ŠI Ù A[NA KUR REL:NOM.SG.C=„“ DAT Vater (Titel)
KONN DAT
Land
URU
H]atti me[na]hhanta
(ON)
gegenüber
kurur Feind:NOM.SG
„»Wer dem Vater meiner Majestät und dem Lande Hatti gegenüber Feind ist, …«“ 2.5.4-5b: HKM 53 23–25 (mH/mS) nu⌈=nnas?⌉ ŠA BELUMEŠ-TI mahhan NUMUN.ḪI.A menahhanda KONN=1PL.D/L GEN Herren
wie
Samen
gegenüber
nuntarnusi eilen:KAUS:PRS.2SG.AKT
„Wie kannst du dich für uns(?) in Bezug auf die Saat der Herren beeilen, …“ Eine weitere Spezialbedeutung mit Ortsbezugspartikel, Akkusativobjekt und einem Verb der Wahrnehmung ist „jemanden kommen sehen/hören/usw.“ Diese Bedeutung wird dann zu „jemanden erwarten“ weiterentwickelt; vgl.:
224
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.5.4-6a: HKM 2 9 (mH/mS) n(u)=an=z=kan menahhanda au KONN=3SG.AKK.C=REFL=OBP gegenüber
sehen:IMP.2SG.AKT
„(Ich habe zu dir schon Wagentruppen ausgesandt.) Halte nach ihnen Ausschau!/Erwarte sie (bei dir)!“ 2.5.4-6b: KBo 10.23 II 33 f. (jH) n(u)=asta LUGAL-un menahhanda uwanzi KONN=OBP König:AKK.SG gegenüber
sehen:PRS.3PL.AKT
„Sie sehen den König kommen./Sie erwarten den König.“ Da hier kein Dativ-Lokativ steht, kann diese Konstruktion nicht einfach aus einer der genannten räumlichen übernommen sein. Der Akkusativ muss vielmehr direktes Objekt des Verbs sein und menahhanda entsprechend Adverb, wobei die Motivation für diese Wahl nicht klar ist.455 Mit Verben des Mischens u. ä. bedeutet menahhanda schließlich „zusammen-, hinein-“. Vielleicht ist dieser Gebrauch aus dem gleichzeitigen Einfüllen zweier Zutaten in einen Behälter, die sich sozusagen aufeinander zubewegen, abstrahiert. Vgl.: 2.5.4-7a: KUB 32.58+ Rs. 5 (mH/mS) n(u)=an kēdas ANA GIŠINBIḪI.A menahhanda imiya[nzi] KONN=3SG.AKK.C DEM:D/L.PL DAT Früchte
entgegen
mischen:PRS.3PL.AKT
„Man mischt es mit diesen Früchten zusammen.“ 2.5.4-7b: KUB 45.47 III 17' f. (mH/mS) ⌈LÚ AZU⌉ ANA NINDA.MÁ ēshani Opferschauer DAT (Brotsorte)
menahhanda ishu⌈w⌉āi
Blut:D/L.SG entgegen
schütten:PRS.3SG.AKT
„Der Opferschauer schüttet (es [Fett]) mit Blut zusammen in/auf das „Schiffbrot“.“
2.5.5 Ableitungen von tapus- n. ‚Rippe, Seite, Rand‘ Vom Appellativum tapus- n. ‚Rippe, Seite, Rand‘ (s. HEG III: 138), geschrieben ta-pu-(ú-)š° (selten da-), leiten sich Ausdrücke für die intrinsische und relative Bezeichnung der lateralen horizontalen Dimension ab. Der schon althethitisch belegte Ablativ tapusz und der ab der mittelhethitischen Zeit bezeugte, formal aber ältere Direktiv tapusa treten beide in der Bedeutung ‚seitwärts, seitlich (von), neben‘ auf, wobei sich tapusa überwiegend (→1c), jedoch nicht ausschließlich (→1e) mit dynamischen Verben verbindet. Der endungslose Lokativ tapus im junghethitischen KBo 13.20 7' ist ein Hapax und nicht unbedingt alt. Die Place Words stehen 455 Möglicherweise muss man bis auf die etymologische Bedeutung von menahhanda, „den Gesichtern gemäß“ (s. Kap. 4.1.4.2), zurückgehen, also „jmd. dem Gesicht gemäß (d. h. von vorne, in der Herbewegung) sehen“. Einen möglichen alten Beleg (ohne OBP!) bietet KUB 33.59 III 10' f. (aS) dHannahannas=(m)a ēszi mēnahhanda wiskezzi „Hannahanna aber sitzt und schaut (der Biene) entgegen (= wartet auf die Biene).“
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
225
mit dem Dativ-Lokativ, althethitisch hingegen mit dem Genetiv, 456 und verlangen keine Ortsbezugspartikel. 2.5.5-1a: IBoT 1.36 I 71 f. (mH/mS) uktūri=ma=smas tiyauwa[r]=pat
[É]
ar⌈kiwi⌉
tapusz
ewig:NOM.SG.N=KONN=3PL.D/L.C Treten:NOM.SG=PTK Vorraum:D/L.SG Seite:ABL
„(Wenn es in irgendeiner Stadt aber nicht möglich ist, rechts hinzutreten, (dann) treten sie links hin.) Jedenfalls ist ihnen ununterbrochenes (Wache-)Stehen neben dem Vorraum (aufgetragen).“457 2.5.5-1b: IBoT 1.36 III 18 f. (mH/mS) n(u)=at sarkanti
andurz tapusa
iyanta
KONN=3PL.NOM.C Prozessbeteiligter ?:D/L.SG drinnen Seite:DIR.SG gehen:PRS.3PL.MP
„Sie gehen drinnen seitlich beim Prozessbeteiligten?.“ 2.5.5-1c: IBoT 1.36 III 64 f. (mH/mS) URU nesili458 kissan ⌈te⌉[zzi] tapūsa hethitisch
so
sprechen:PRS.3SG.AKT Seite:DIR.SG
„Er spricht auf Hethitisch folgendermaßen: »Zur Seite!«“ 2.5.5-1d: KBo 17.21+ 66 (aS) DUMU.⌈É⌉.GAL LUGAL-as tapusz Palastbediensteter
König:GEN
ŠUKUR dāi
Seite:ABL Speer
setzen:PRS.3SG.AKT
„Ein Palastbediensteter stellt einen Speer neben den König.“ (oder „nimmt“?) 2.5.5-1e: KBo 32.14 II 26 f. (mH/mS) n(u)=asta ÍD-an tapusa kuiēs KONN=OBP Fluss:AKK.SG seitlich
weses
REL:NOM.PL.C Weide:NOM.PL
„Die Weiden, die sich an der Seite des Flusses befinden, …“459
2.5.6 Ableitungen von iskis- n. ‚Rücken, Rückseite‘ Formen von iskis- n. ‚Rücken, Rückseite‘460 werden in der älteren Sprache noch nicht adverbiell verwendet. Die von Kronasser (1966: 310, Fn. 2) angesetzten iskisa ‚nach hinten‘ und iskisaz ‚von hinten, hinten‘ sind so im Korpus nicht zu finden, auch im folgenden Beispiel ist viel eher ein instrumentaler Ablativ, also ein paradigmatischer Ausdruck, anzusetzen: 456 Formal problematisch ist der einzige alte Beleg für den Dat.-Lok. [ h?]assāi tapusz 1-ŠU dāi „[ ] stellt er seitlich vom Herd(?) einmal hin“ (KBo 25.36 Rs. III 8'; aS), s. Neu (1979: 189, Fn. 33). 457 Der Beleg ist kein Gegenbsp. für die Vermeidung attributiver Adverbiale im Hethitischen (⇒2.1, 2.4), das Verbalsubstantiv tiyawar wird vielmehr mit verbaler Rektion konstruiert („Im-Vorraum-an-die-Seite-Hinstellen“). 458 URUné-ši-li. 459 Zu dieser Stelle s. o. →2.1.4.1-1d. 460 Oft findet sich der gleichbedeutende Plural, s. HED (I/II: 424 f.).
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INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.5.6-1: KBo 15.33+KBo 15.35 III 35 (mH/mS) n(u)=at IŠTU [TÚGE.ÍB TA]ḪAPŠI iskis⌈az KONN=3.SG.AKK.N ABL/INS Gürtel
Leder
karp⌉zi
Rücken:ABL wegtragen:PRS.3SG.AKT
„Er trägt sie [ein Eibe?] auf dem Rücken an einem Ledergürtel weg.“461 Im Junghethitischen finden sich hingegen einige erstarrte Formen, vgl. (dagegen KUB 47.90 II 11': [i]skisas!): 2.5.6-2: IBoT 3.148 III 44 f. (jH) nu=⌈kan⌉ DINGIR.MEŠ iskisa KONN=OBP Gottheiten
EGIR-an UDU.ḪI.A ahursihiyas
Rücken:AKK.PL? hinten
Schafe
Räucherschale:D/L.PL
⌈kis⌉an BAL-anzi so
libieren:PRS.3PL.AKT
„Man opfert den Gottheiten hinter dem Rücken folgendermaßen die Schafe bei den Räucherschalen.“
2.5.7 taksan Das Adverb mit der Bedeutung ‚in der Mitte, zusammen, gemeinsam‘ ist endungsloser Lokativ oder Nominativ-Akkusativ Sg. von taksan- n. ‚Fuge, Mitte‘ (s. HEG III: 43–45), wobei die Bedeutung ‚Fuge‘ ursprünglich (zu *tek-s- ‚weben, fügen wollen‘) und die Bedeutung ‚Mitte‘ sekundär ist (⇒4.1.4.4). Die räumliche Lesart des Adverbs ist also möglicherweise aus der komitativischen abgeleitet, vgl. in Bsp. →1d „sind zusammen angeordnet“ = „sind beieinander angeordnet“. In Bsp. →1b ist die lokale Bedeutung durch anda ‚drinnen‘ verdeutlicht. 2.5.7-1a: KBo 39.8 I 38 f. (mH/mS) n(u)=an=kan ANA 2 BEL SÍSKUR [t]aksan ser a[r]ha KONN=3SG.AKK.C=OBP DAT 2 Herr Ritual
mittig
oben weg
wahnuzi drehen:KAUS:PRS.3SG.AKT
„Sie schwenkt ihn in der Mitte über die beiden Ritualherren hinweg.“ 2.5.7-1b: KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 18 (mH/mS) n(u)=at an[da ta]ksan kuwasnuwanzi KONN=3SG.AKK.N drinnen mittig
küssen:KAUS:PRS.3PL.AKT
„Man lässt sie sie [die gangati-Pflanze] in der Mitte küssen.“
461 Ebenfalls kein Beleg für ein Adverb iskisa ist KBo 19.58+ Vs. 14' f. (mH/mS) mān=m[u=z … i]skisa warsiyanda ēs[du] „Wenn er mir [ ], sollen [ ] die Rück(seit)en freigehalten sein“, vgl. unmittelbar Z. 13' f. vorausgehendes mān=mu=z lahhi=ma kuw[api … ]x EGIR-pa UZUGABA-as warsiyanz ēsdu „Wenn [ ] irgendwo auf einem Feldzug [ ], soll dahinter die Brust(seite) freigehalten sein.“
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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2.5.7-1c: Gesetze §53 (KBo 6.2 III 7; aS) [t]akku LÚ GIŠTUKUL U LÚ.ḪA.LA-ŠU wenn
Mann Werkzeug
taksan
asanzi
KONN Teilhaber:POSS.3SG.M zusammen KOP:PRS.3PL.AKT
„Wenn ein Kleinbauer und sein Teilhaber zusammenleben, …“ 2.5.7-1d: IBoT 1.36 II 35 (mH/mS) ⌈n(u)⌉=a[t=k]an 3-ēs taksan
handāntes
KONN=3PL.NOM.C=OBP 3:NOM.PL.C zusammen ordnen:PTZ.NOM.PL.C
„Sie sind je drei beieinander geordnet.“
2.6 Weitere sprachliche Mittel Die in den vorherigen Kapiteln besprochenen Lokalkasus, Place Words, Ortsbezugspartikeln, ursprünglichen und abgeleiteten lokalen Adverbien und Verben bilden zusammen den größten und wichtigsten Teil der hethitischen Raumgrammatik. Daneben gibt es aber noch weitere sprachliche Mittel verschiedenster Zugehörigkeit, die Räumlichkeit direkt oder indirekt ausdrücken. Dabei spielen die im ersten Unterkapitel beschriebenen Deiktika eine wichtige Rolle, während die anderen in der Folge versammelten Ausdrücke von eher geringer Bedeutung und entsprechend dürftig belegt sind. Bei manchen raumbezogenen Ausdrücken handelt es sich um einzelne Lexeme, die nicht systematisch dargestellt werden können. Darunter fallen einzelne Verben, die weder zu den deiktischen (⇒2.2.2.1) noch zu den MANNER-Bewegungsverben (⇒3.2.2) oder Positionsverben (⇒3.1.4) gehören und hier kurz aufgeführt sind: • ūpp-zi ‚aufgehen‘ tritt nur in der 3. Ps. Sg. in Kollokation mit der Sonne auf. Neben dem Beispiel →1 vgl. noch →3.2.2-7b. Bisweilen wird die Bewegung noch mit redundantem srā ‚aufwärts‘ betont (nicht im vorliegenden Korpus belegt). 2.6-1: KBo 13.29 II 9 (mH/mS) mān=kan dUTU Ū[L] mēhuni wenn=OBP (GN)
ūpzi
NEG Zeitpunkt:D/L.SG aufgehen:PRS.3SG.AKT
„Wenn die Sonne(ngottheit) nicht zur rechten Zeit aufgeht, …“ • ā/ar-i ‚ankommen, erreichen, gelangen‘ steht mit dem Dativ-Lokativ ohne Ortsbezugspartikel (→2a, 3.2.2-ab), älter aber wahrscheinlich mit dem Direktiv, auch wenn die Belege nicht eindeutig sind (→2b). Anders als seine deutschen Entsprechungen, die eine punktuelle Aktionsart aufweisen, kann es mit richtungsanzeigenden Place Words kombiniert werden, ist also terminativ. 2.6-2a: KBo 16.61 4 (mH/mS?) mahhan=ma=wa(r) URUHattusi arwen wie=KONN=„“
228
(ON):D/L.SG ankommen:PRT.1PL.AKT
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„»Als wir in Hattusa ankamen, …«“ 2.6-2b: KBo 20.71+ IV 8' (mH?/mS) [LUGAL]-us katta NA⁴huwasiya ar[i] König:NOM.SG dabei Stele?:DIR.SG? ankommen:PRS.3SG.AKT
„Der König kommt bei (hinab zu?) der Stele? an.“462 • arnu-zi ‚in Bewegung setzen, schaffen, bringen‘, Kausativum zum vorgenannten ār-/ar-i oder zu ar-tta(ri) ‚stehen‘, ist deiktisch und in Bezug auf das bewegte Objekt neutral. 2.6-3a: KUB 33.59 III 5' (aS) pait NIM.LÀL-as n(u)=an
arnut
hingehen:PRT.3SG.AKT Biene:NOM.SG KONN=3SG.AKK.C schaffen:PRT.3SG.AKT TÚG
kursa[n]
Jagdtasche:AKK.SG
„Die Biene flog weg/hin und nahm sie auf, die Jagdtasche.“463 2.6-3b: KBo 8.91+ Rs. 15 (mH/mS) n(u)=at=kan mahhan INA É KONN=3SG.AKK.N=OBP wie
DINGIRLIM anda arnuanzi
LOK Haus Gottheit
hinein schaffen:PRS.3PL.AKT
„Wenn man es in den Tempel hineinbringt, …“ • ar(a)i-i ‚sich erheben‘ (aus einer sitzenden Position, →4a, 2.7-1a) kann wie das eben erwähnte ūpp- in jungen Texten mit srā ‚aufwärts‘ verstärkt464 und wie im Deutschen auch übertragen gebraucht werden (→4b). 2.6-4a: KBo 20.72+ IV 14' (mH/mS) MUNUS.LUGAL-as ar[āi] Königin:NOM.SG
sich erheben:PRS.3SG.AKT
„Die Königin erhebt sich.“ 2.6-4b: KBo 3.22 11 f. (aS) d UTU-az utnē [kuit ku]it=pat
arais
(GN):ABL Land:NOM.SG wer auch immer:NOM.SG.N=PTK sich erheben:PRT.3SG.AKT
„Welches Land sich auch immer im Osten [„von der Sonne her“] erhob, …“
462 Zur Besprechung dieser formal schwierigen Textstelle s. o. → 2.1.1-1. Ein weiterer möglicher Beleg mit Dir. ist māhhan=ma=as ⌈katta⌉ Ékāskast[ep]a ari „Wenn er aber beim Haupttor eintrifft, …“ in IBoT 1.36 II 27 f. (mH/mS), doch möchte ich, auch aufgrund des nicht allzu hohen Alters der Niederschrift, eine pseudologografische Stammschreibung nicht ausschließen. 463 Die Ankunft der Biene wird erst in Z. 11' berichtet, während vorher die Aktivitäten der Göttin Hannahanna wäh rend ihres Rückfluges genannt werden, daher bedeutet arnu- hier nicht endterminativ ‚schaffen‘, sondern anfangsterminativ ‚in Bewegung setzen‘. 464 Vgl. auch das Synonym srā tiye/a-zi („sich hinaufstellen“) in KBo 17.74+ I 6 (aH/mS).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
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2.6.1 Formen der Demonstrativpronomina kā-, apā- und aHethitisch verfügt über eine personenbezogene Deixis, 465 so assoziiert kā- einen Sachverhalt mit dem Sprecher (vgl. lat. hic), apā- mit dem Hörer (lat. iste) und a- mit der 3. Person (lat. ille). Auch wenn es sich hierbei im Grunde um pragmatische Kategorien handelt, spielen die Demonstrativa doch eine wichtige Rolle bei der Lokalisation: Die Assoziierung mit einer Person ist zumeist eine räumliche, aus der Position dieser Person ergibt sich automatisch die Po sition des Topiks. Besonders häufig sind bei den Demonstrativpronomina die korrelativen Konstruktionen belegt. Ihr erstes Glied ist eine Form des Demonstrativpronomens kā- (selten in Verbindung mit einer Konjunktion), das Folgeglied ist entweder wieder eine Form von kā- oder eine von a-466 in einer semantisch mit der ersten Glied kompatiblen Kasusform und meist mit den Konjunktionen =(y)a ‚und‘ oder =(m)a ‚aber‘. Wie bei duwān … duwān (⇒2.4.3.3) bezeichnet die Konstruktion die Korrelation eines näheren und eines (oder mehrerer) ferneren Elements, also z. B. ket … edi ‚diesseits … jenseits; hier … da‘, kez … kezzi=ya ‚hier … dort‘ usw. Wie das letztere Beispiel zeigt, genügt bereits die korrelative Konstruktion für den Ausdruck verschiedener Entfernungen, der Stamm des Folgegliedes ist um seine personale Deixis entleert, bzw. Entfernungen zueinander oder die Relation zum deiktischen Zentrum spielen gar keine Rolle mehr. Vgl. den folgenden Textausschnitt, in dem von drei (mutmaßlich) beieinander liegenden Erdlöchern467 die Rede ist: 2.6.1-1: KUB 33.59 III 7'–9' (aS) GIŠ kēdani ip[pias] sēr arta
kēdani=ma
GIŠ
hupparas
DEM:D/L.SG.N (Baum):NOM.SG oben stehen:PRS.3.SG.AKT DEM:D/L.SG.N=KONN (Gefäß):NOM.SG
katta kidari
kēdani=ma
pahhur
urāni
herab liegen:PRS.3SG.MP DEM:D/L.SG.N=KONN Feuer:NOM.SG brennen:PRS.3SG.AKT
„Über dem einen steht ein i.-Baum, in das andere ist ein h.-Gefäß hinabgelegt, im dritten brennt ein Feuer.“
2.6.1.1 Formen von kāEinige Formen des Demonstrativums der ersten Person sind aus dem Paradigma gelöst und werden als Lokaladverbien verwendet. Selten ist ein regulärer Lokativ (nicht Dativ-Lokativ) Sg. keti, der nur attributiv verwendet wird (s. HED IV: 5). Eine weitere Lokativbildung – 465 Zur Auffassung von Deixis, die als Überbegriff auch Phorik enthält, s. Kap. 3.4. Die heth. Demonstrativa sind erschöpfend von Goedegebuure (2003) behandelt worden. 466 Die Auswahl des zweiten Pronomens hängt nach Goedegebuure (2003: 219) davon ab, ob der Bezugspunkt in der Situation mit dem Centrum deicticum (⇒3.4) identisch ist (kā-), oder nicht (a-). 467 wattru-, das hier offensichtlich nicht ‚Wasserloch‘, bedeutet, wie auch aus etymologischen Überlegungen (trotz formaler Probleme) gewöhnlich übersetzt wird (s. Kloekhorst 2008: 989).
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auch wenn es sich formal um einen Ablativ-Instrumental handelt (⇒4.1.1.2) – liegt in ket (s. u.) vor.
kā(ni) Der einfache Ausdruck für „hier“ lautet althethitisch kāni, später kā468 (für Belege s. HED IV: 10). Das Adverb wird nur statisch konstruiert und kann auch im entsprechenden Kontext temporal gebraucht werden, vgl. die ungewöhnliche attributive Verwendung kā U4-at „an diesem Tag“ = „heute“ in KUB 43.63 Vs. 6 (jH). 2.6.1.1-1a: KBo 22.1 6' (aS) kāni LÚŠU.GI-essa NU.GÁL hier
Alter:NOM.SG
NEG:KOP
„Gibt es hier auch keine Ältestenrat?“ 2.6.1.1-1b: ABoT 65 Vs. 7 (mH/mS) n(u)=at ŪL kā KONN=3PL.NOM.C NEG hier
„Sie sind nicht hier.“ 2.6.1.1-1c: KBo 20.71+ I 27-29 (mH/mS) kā NINDAharsiya[lliya 2? N]INDA.GUR4.RA kianda hier Brotkorb:NOM.PL NINDA
2 Dickbrot
kā=ya
liegen:PRS.3PL.MP hier=KONN
harsiyalliya 2 NINDA.GU[R4.RA kia]nda
Brotkorb:NOM.PL
2 Dickbrot
liegen:PRS.3PL.MP ?
„Hier liegen in einem Brotkorb zwei Dickbrote, und da liegen in einem Brotkorb zwei Dickbrote.“
ket Trotz des formalen Anklangs an einen Instrumental hat dieses Wort (s. HED IV: 5 f., Neu 1980a: 20–23) lokativische Funktion (‚hier, diesseits‘) und ist daher (nach Neu) funktional als endungsloser Lokativ anzusprechen. Es ist von der älteren Sprache bis ins frühe Mittelhethitisch (KBo 30.114+ Vs. 3) zu finden und wird später durch kez (s. u.) ersetzt. Außerdem ist es in den Zusammenrückungen ketkar(-) ‚zum/am Kopf(ende)‘ (s. eigens) und ketpantalaz ‚von jetzt an, in Zukunft‘ (→2c) enthalten. 2.6.1.1-2a: Gesetze §22 (KBo 6.2 I 49'; aS) takku kēt ÍD-az wenn
diesseits Fluss:ABL
„Wenn (er ihn) diesseits des Flusses (ergreift, gibt er (ihm) 2 Schekel Silber).“
468 Diese Form selbst ist im Hethitischen morphologisch isoliert und daher wohl ebenfalls alt, sofern nicht eine irreguläre Wortkürzung kāni > kā vorliegen sollte. Außer im Altheth. ist kāni noch im mittelheth. Ritual der Allaiturahi belegt: kāni=wa(r) peran kuiski arta „Steht hier vorne jemand?“.
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2.6.1.1-2b: KBo 17.43 I 10' f. (aS) kēt=ta kēt=ta G[I-an] huetti⌈annā⌉i hier=KONN hier=KONN Rohr:AKK.SG ziehen:IPFV:PRS.3SG.AKT
„Er zieht ein Rohr hierhin und dorthin.“ 2.6.1.1-2c: KBo 19.145 III 45' f. (mH/mS) ke[tp]andalaz ishiandan lātten von jetzt an
binden:PTZ.AKK.SG.C lösen:IMP.2PL.AKT
„Von jetzt an löst den Gebundenen!“
kez Ursprünglich ein Ablativ „von diesem“ (→3a, zufällig nur jungheth. belegt), erlangt kez (s. HED IV: 6 f.)469 später lokativische Bedeutung (→3b) und tritt ab der mittelhethitischen Zeit an die Stelle des älteren ket (s. o.), vgl. besonders →3c im Gegensatz zu →2a. 2.6.1.1-3a: KUB 21.5 III 22 f. (jH) nasma mān BELU kuinki kēz oder
wenn Herr
KUR-az la⌈hhuwan⌉zi
INDF:AKK.SG.C DEM:ABL Land:ABL ins Feld ziehen:INF
uiyami herschicken:PRS.1SG.AKT
„Oder wenn ich irgendeinen Herren aus diesem Land für einen Feldzug herschicke, …“ 2.6.1.1-3b: KBo 20.34 Rs. 10 f. (mH/mS) ke‹ez›=ma 9-an lukkanzi [k]ezzi=ya
⌈9-an⌉ lukkanzi
DEM:ABL=KONN neun leuchten:PRS.3PL.AKT DEM:ABL=KONN neun
leuchten:PRS.3PL.AKT
„(Fackeln: zweimal je neun.) Auf der einen Seite leuchten neun, auf der anderen Seite leuchten (auch) neun.“ 2.6.1.1-3c: Gesetze §22 (KBo 6.3 I 57; aH/jS) takku ⌈kēz ÍD-az⌉ wenn
DEM:ABL Fluss:ABL
„Wenn (er ihn) diesseits des Flusses (ergreift, gibt er (ihm) 2 Schekel Silber).“
ketkar(-) Diese Zusammenrückung (für Belege s. HED IV: 201 f.) mit lokalem ket (s. o.) tritt sowohl als endungsloser Lokativ ketkar (schon in altheth. Schrift) als auch (zuerst in mittelheth. Niederschriften) als Ablativ ketkarz (ke-et-kar-za/-az), sowie Genetiv oder Dativ-Lokativ Pl. ketkaras (ke-et-kar-aš470) auf. Die Bedeutung ist bei allen Formen identisch ‚zum/am Kopf(ende)‘. Es ist fast nur mit dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ und dessen Resultativum ki-tta(ri) ‚lie469 e-ke-ez in n(u)=an ekēz GIG-z TI-nut „Rette sie vor/aus der Krankheit!“ (KBo 4.6 Rs. 22; jH) ist sicher als ed!ez (zu a- ‚jener‘) zu lesen (mit Verwechslung von � für �). 470 Die ungewöhnliche Schreibung (statt *ke-et-ka-ra-aš) könnte auf eine Aussprache [ketkars] hinweisen, s. Kap. 4.1.4.3 für einen Erklärungsversuch.
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gen, gelegt sein‘ belegt und unterscheidet nicht zwischen statischen und dynamischen Konfigurationen. Althethitisch wird es als Relator mit dem Genetiv (→4ab), später mit dem DativLokativ (→4c) konstruiert. 2.6.1.1-4a: KBo 20.72+ II 5 (mH/mS) nu GIŠ.NÁ-as ketkar(a)s tiyanzi KONN Bett:GEN
zu Haupte
setzen:PRS.3PL.AKT
„Man stellt (es) ans Kopfteil des Bettes.“471 2.6.1.1-4b: KBo 17.1+ IV 21 (aS) n(u)=e LUGAL-as MUNUS.LUGAL-as=sa [ke]tkar=smet KONN=3PL.AKK.N König:GEN.SG Königin:GEN.SG=KONN
zu Haupte=POSS.3PL.AKK.C
tēhhi setzen:PRS.1SG.AKT
„Und ich lege sie König und Königin an (auf?) den Kopf.“ 2.6.1.1-4c: KUB 9.22 III 6 f. (mH/mS) nu=ssi [k]et⌈kar⌉ 1 GIŠBANŠUR AD.KID KONN=3SG.D/L.C zu Haupte
1 Tisch
dāi
Rohrgeflecht setzen:PRS.3SG.AKT
„An ihren Kopf (= an das Kopfende ihre Bettes) stellt er einen Flechttisch.“
kāsa und kāsat(t)a/kāsma Diese Formen, die eine allgemeine Bezugnahme auf den Bereich der ersten Person (kāsa) bzw. der zweiten Person (kāsat(t)a/kāsma) bedeuten, wurden früher in Ermangelung einer genauen Funktionsbestimmung zunächst als Interjektionen ‚siehe (da)‘ u. ä. übersetzt. In neuerer Zeit werden sie in Anschluss an H. Hoffner (s. GHL: 323 f.) hingegen als bedeutungsgleiche Adverbien aufgefasst, die die Nähe von Aktzeit und Sprechzeit ausdrücken (ähnlich dt. gerade). Rieken (2009a) hat jedoch unlängst gezeigt, dass die Distribution und der Kontext der einzelnen Formen vielmehr darauf hinweisen, dass es sich um personenbezogene Ausdrucksmittel handelt, die den gesamten Sachverhalt der Sphäre des Sprechers bzw. des Hörers zuweisen.472 Wie bei den einfachen Demonstrativa ergibt sich die eigentliche Lokalisation dann durch pragmatische Inferenz. Je nach Kontext kann man kāsa daher mit ‚hier‘, ‚bei mir‘, ‚meinerseits‘ o. ä. bzw. ‚bei uns‘, ‚unsererseits‘ übersetzen. 2.6.1.1-5a: KUB 33.68 II 6 (aH/mS) kāsa GIŠPÈŠ DEM.1 Feige
„Hier (habe ich) eine Feige.“ 471 Vgl. unvollständiges nu GIŠ.NÁ-as ketkar (l. c. Rs. III 13') und mit ki- KBo 20.48 Rs.? 10' (mH/mS). 472 Hier wird allerdings der Ausdruck „deiktische Satzadverbien“ vor „pragmatische Satzpartikeln“ bevorzugt. Für die dritte Person existiert das Pendant āsma (⇒2.6.1.3).
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2.6.1.1-5b: HKM 3 ob. Rd. 21 (mH/mS) kāsa INA É-KA ŠALMA DEM.1 LOK Haus:POSS.2SG.M intakt
„Hier in deinem Haus ist (alles) in Ordnung.“ 473 kāsat(t)a, das im Mittelhethitischen durch kāsma ersetzt wird, bedeutet entsprechend ‚da‘, ‚bei dir‘, ‚deinerseits‘ bzw. ‚bei euch‘, ‚eurerseits‘. 2.6.1.1-6a: KBo 22.1 24' (aS) kāsatta=wa(r) utniya paitteni DEM.2=„“
Land:DIR.SG hingehen:PRS.2PL.AKT
„»Ihr geht eurerseits ins Land.«“ 2.6.1.1-6b: HKM 1 8–10 (mH/mS) nu=kan kāsma ANŠE.KUR.RA.ḪI.A prā nehhun KONN=OBP DEM.2 Pferde
voran wenden:PRT.1SG.AKT
„Ich habe Wagentruppen zu dir ausgesandt.“ Bei Transferverben, die ja sowohl die erste als auch die zweite Person betreffen, kann kāsa oder kāsat(t)a/kāsma stehen, meist wird jedoch die zweite Person betont: 2.6.1.1-7: KBo 17.1+ I 11' (aS) [k]āsata=smas=kan utniyandan
lālus
dāhhun
DEM.2=3PL.D/L.C=OBP Bevölkerung:GEN.PL Zunge:AKK.PL nehmen:PRT.1SG.AKT
„»Ich habe euch die (bösen) Zungen der Leute abgenommen.«“ 2.6.1.2 Formen von apāDieses Pronomen der zweiten Person weicht von kā- (s. o.) und a- (s. u.) insofern ab, als es nicht in korrelativen Konstruktionen erscheint, dafür aber als anaphorisches Pronomen der dritten Person, für die ein eigenes Personale fehlt, verwendet wird. Einige Formen haben sich auch hier aus dem Paradigma gelöst.
apez Dieser Ablativ kann neben der adverbiellen Funktion ‚(von) dort‘ (→1a) auch noch paradigmatisch „von diesem, davon“ (→1b) verwendet werden, so dass sich generell die Frage stellt, ob ein Adverb apēz angesetzt werden kann (vgl. HW2 A: 181). 2.6.1.2-1a: KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 14 (mH/mS) nu=wa(r) S[U.MEŠ] apēz kisari KONN=„“
Eingeweideomen DEM:ABL werden:PRS.3SG.MP
473 Der Absender berichtet dem Empfänger von dessen zurückgelassenem Hausstand. Der Beleg ist besonders aussagekräftig, da in vergleichbarem Kontext auch kā ‚hier‘ auftaucht, vgl. kā=ya INA É-K[A] hūma[n] SIG5-in ‚Auch hier in deinem Haus ist alles in Ordnung.“ (HKM 2 l. Rd. 1 f.; mH/mS).
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„»(Die Königin soll nach Samuha kommen,) so dass das Eingeweideomen (von) dort stattfinden soll?«“ 2.6.1.2-1b: KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 5 (mH/mS) nu=z DINGIRLUM apēz uddānaz parkuis KONN=REFL Gottheit
ēs
DEM:ABL Sache:ABL rein:NOM.SG.C KOP:IMP.2SG.AKT
„Du, die Gottheit, sollst von dieser Sache rein sein.“ 2.6.1.2-1c: KBo 5.7 Rs. 25 (mH/mS) n(u)=asta apēz sarran KONN=OBP DEM:ABL abtrennen:PTZ.NOM.SG.N
„Es ist (jetzt) davon [dem genannten Besitz] abgetrennt.“
apeda Diese reguläre Direktivbildung (‚dorthin‘) ist nur im Junghethitischen und jungen Abschriften althethitischer Texte belegt (s. HW 2 A: 180 f.), an ihrer Stelle erscheint meist apadda (s. danach).
apadda Dieses Adverb ist der übliche Ausdruck für ‚dorthin‘ (s. HW 2 A: 168–170). Im Junghethitischen findet sich auch eine Nebenform apaddan, die Bedeutung wird ‚dort, dabei‘ und ‚dafür, deswegen‘ (dafür meist apadda(n) ser) ausgedehnt, während es früher nur dynamisch verwendet wird. In Bezug auf die Bildung vergleichbar, aber seltener belegt, sind kuwatta ‚wohin‘ (nur in junger Schrift) und tamatta ‚anderswo(hin)‘, das in seinem ältesten Beleg (→2c) überraschenderweise statisch erscheint. 2.6.1.2-2a: KBo 54.126+ I 11' (mH/mS) nu DINGIRLAM arahz apadda pēdanzi KONN Gottheit
draußen dorthin
hinschaffen:PRS.3PL.AKT
„Man bringt die Gottheit dorthin nach draußen.“ 2.6.1.2-2b: HKM 59 8 (mH/mS) [n(u)]=at apadda wēr474 KONN=3PL.NOM.C dorthin
kommen:PRT.3PL.AKT
„Sie sind dorthin (= in deine Richtung) gekommen.“ 2.6.1.2-2c: KUB 43.23 Vs. 5 (aH/aS?) mān=as tamatta=ma KUR-ya wenn=3SG.NOM.C anderswo=KONN Land:D/L.SG
„Wenn er aber in einem anderen Land ist, …“
474 Der Absender nimmt hier bereits die Perspektive des Empfängers vorweg, vgl. Kap. 3.4.
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Der Beleg →2b zeigt, dass die personale Deixis von apā- auch im abgeleiteten Adverb bestanden haben muss, ansonsten wäre die lokale Angabe ohne jeden Nutzen für den Empfänger (ebenso CTH 138 57' f.).
apiya Dieses häufig belegte Adverb ‚dort‘ (s. HW2 A: 183 f.) wird neben dem statischen Gebrauch im Junghethitischen auch für ‚dorthin‘ und temporal für ‚damals‘ verwendet, wofür im Altund Mittelhethitischen klare Belege fehlen. 2.6.1.2-3a: KBo 22.2 Rs. 14' (aH/aS?) Ù LUGAL ŠU.GI apiya tālis KONN König
alt
dort
lassen:PRT.3SG.AKT
„Und den alten König ließ er dort.“ 2.6.1.2-3b: HKM 21 5 f. (mH/mS) apiya=ya475 [k]uis ser dort=KONN
REL:NOM.SG.C oben
„Wer dort oben (geblieben) ist, …“ In seiner lokativischen Funktion ist es noch paradigmatisch zu benutzen, vgl. apiya U4-at ‚an dem Tag‘ (z. B. KBo 17.74+ I 30; aH/mS), sowie den folgenden Beleg: 2.6.1.2-4: HKM 14 11–14 (mH/mS) nu=smas=san uwanzi
apiya pēdi
KONN=2PL.AKK=OBP kommen:PRS.3PL.AKT dort
tasuwahhanzi
Ort:D/L.SG blenden:PRS.3PL.AKT
„Man wird euch deswegen (=ssan) an Ort und Stelle blenden.“
apiyakku Diese fragend mit ‚ebendort ?‘ übersetzte Ableitung (s. HW2 A: 184 f.) ist im Korpus nur zwei mal belegt. Die etymologisch gewonnene Bedeutung „auch dort, ebendort“ (zu apiya und *-kwe ‚und, auch‘) passt gut, lässt sich philologisch aber nicht zweifelsfrei verifizieren. Vgl.: 2.6.1.2-5: KBo 39.8 IV 30 f. (mH/mS) NA kī=y[a=w]a(r) ⁴KIŠIB apiyakku ninikta[r]u ebendort?
DEM:AKK.SG.N=KONN=„“ Siegel
bewegen:IMP.3SG.MP
?
„Auch dieses Siegel soll ebendort gebrochen werden!“ 2.6.1.3 Formen von aDieses deiktische Pronomen der dritten Person hat ursprünglich nur im Singular Formen ausgebildet476 (im Jungheth. auch im Plural) und erscheint häufiger als zweites Glied korrelativer 475 𒀀𒁉𒂊� a-pí-yax-ya. 476 Die Zusammengehörigkeit der unregelmäßigen Stammformen asi, ūni, ini, ed- (s. Goedegebuure 2003: 107–183) ist im HW2 nicht erkannt bzw. bestritten worden, entsprechend ist für jede Form dort ein einzelnes Lemma angesetzt.
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Konstruktionen mit kā- (s. o.). Einige wenige Formen werden außerhalb des Paradigmas ge braucht.
edi Dieser funktionale Lokativ (s. HW 2 E: 139) steht in Opposition zu ket (jünger kez, ⇒2.6.1.1) und ist am besten mit ‚dort, auf der entfernten Seite‘ zu übersetzen. Die Belege für edi sind alle althethitisch, in den junghethitischen Texten ist es durch den Ablativ edez (edaz; s. HW2) ersetzt. Der Zeitpunkt des Übergangs zwischen den beiden Formen ist mangels mittelhethitischer Belege unklar. 2.6.1.3-1: Gesetze §22 (KBo 6.2 I 50'; aS) takku edi ÍD-az wenn
jenseits Fluss:ABL
„Wenn (er ihn) jenseits des Flusses (ergreift), …“ Das Adverb ist gewöhnlich statisch, nur in der Wendung edi ne-a(ri) „(sich) auf die andere Seite wenden“ erlangt es dynamische Bedeutung: 2.6.1.3-2: KUB 37.223 Vs. 2 (aS) ANA LÚ LÚsardias edi nea DAT Mann Helfer:NOM.SG jenseits wenden:PRS.3SG.MP
„Der Helfer wird sich von dem Mann abwenden.“
inissan Als regulärer Ausdruck für ‚folgendermaßen‘ ist inissan (jünger enissan) gewöhnlich rein modal zu verstehen. Hoffner (2009: 105 f.) kann anhand einiger junghethitischer Belege aber darlegen, dass es gelegentlich auch wie edi als ‚auf der entfernten Seite‘ (in Opposition zu kez ‚auf dieser Seite‘, s. o.) zu übersetzen ist. Es gibt hierfür auch einen mittelhethitischen Be leg: 2.6.1.3-3: HKM 6 5 f. (mH/mS) nu=wa(r)=z=kan URUHaparan inissan tmasta KONN=„“=REFL=OBP (ON):AKK.SG jenseitig drücken:PRT.3SG.AKT
„»Auf der entfernten Seite bedrängte er Habara (, Kasebora bedrängte er auf dieser Seite).«“ āsma
Während das Wort (für Belege s. HED I/II: 216 f.) früher u. a. als ‚erstens‘ gedeutet wurde (dagegen schon HED I/II: 217, Hoffner 2002–2003), lokalisiert es tatsächlich (wie kāsa und kāsma, ⇒2.6.1.1) als Satzadverb entsprechend seiner Ableitungsbasis a- einen ganzen Sachverhalt in einem Bereich, der weder mit dem des Sprechers noch des Hörers identisch ist. Es bedeutet also in etwa ‚dort‘, ‚bei ihm‘, ‚seinerseits‘ o. ä. bzw. ‚bei ihnen‘, ‚ihrerseits‘. Belege
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sind fast nur in junger Schrift zu finden (ein alter Beleg ist vielleicht KBo 22.2 Vs. 12; aH/ aS?). Im folgenden, sehr aussagekräftigen Beispiel unterhalten sich zwei Gottheiten und sehen eine dritte aus der Ferne kommen: 2.6.1.3-4: KUB 24.8 II 14 f. (mH/jS) āsma=war=a[s] wezzi
d
[UTU-u]s
DEM.3=„“=3SG.NOM.C kommen:PRS.3SG.AKT (GN):NOM.SG
„»Dort kommt sie, die Sonnengottheit!«“
2.6.2 Formen des Interrogativ-/Relativ-/Indefinitpronomens kui-/kuwaBei den Interrogativa und den davon abhängigen Relativ- und Indefinitpronomina unterscheidet Hethitisch nicht zwischen Ortsruhe und Hinbewegung. Die Quelle eines Sachverhalts kann hingegen mit einem eigenen, paradigmatischen Ausdruck erfragt werden. 2.6.2.1 kuez Als regulärer Ablativ „(irgend)woher“ dient das Wort als substantivisches und adjektivisches Interrogativum (→1a) und erscheint auch in Relativsätzen (→1b) und ist auch für indirekte Fragesätze zu erwarten (kein Beleg im Korpus vorhanden): 2.6.2.1-1a: KBo 21.22 22 f. (aH/mS) hās nu kuēz uwasi […]
nu=wa(r) kuēz
Seife:VOK.SG KONN wer:ABL kommen:PRS.2SG.AKT KONN=„“
suppayaz
welcher:ABL rein:ABL
„»Seife, woher kommst du? (…) Aus welchem Reinen?«“ 2.6.2.1-1b: KUB 17.21 II 12 f. (mH/mS) DINGIR.MEŠ-s=(m)a=kan argamanus [… ] kuēz Götter:GEN=KONN=OBP
Abgabe:AKK.PL
ar⌈ha⌉ piddāer
REL:ABL weg
bringen:PRT.3PL.AKT
„… von woher sie die Abgaben für die Götter herausgebracht haben.“ 2.6.2.2 kuwapi(t) Außerhalb des Paradigmas von kui- und daher nicht attributiv verwendbar, dient das Wort mit der Bedeutung ‚(irgend)wo(hin)‘ als substantivisches Interrogativum (→1a) und erscheint auch in indirekten Fragesätzen (→1b) und Relativsätzen (→1c). Die Unterscheidung zwischen Ortsruhe (→1ad) und Bewegung (→1bc) hängt schon althethitisch von der Bedeutung des Verbs ab. Das Allomorph kuwapi (nicht aber kuwapit) kann auch übertragen temporales „wann, wie“ (→1ef) ausdrücken. Außerdem erscheint es in korrelativer Konstruktion zum Ausdruck verschiedener Örtlichkeiten (→1g).
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2.6.2.2-1a: KBo 23.4+ III 8 f. (aH/mS)477 d IŠKUR-ta ⌈at⌉ta=su[mmi]
kuwapi ēsta
(GN):VOK.SG Vater:VOK.SG=POSS.1PL.VOK.SG wo
KOP:PRT.2SG.AKT
„»Wettergott, unser Vater, wo warst du?«“ 2.6.2.2-1b: HKM 6 9 f. (mH/mS) namma=wa‹r›=as=kan kuwapi pait ferner=„“=3SG.NOM.C=OBP wo
hingehen:PRT.3SG.AKT
„»Wohin er danach gegangen ist, (weiß ich nicht.)«“ 2.6.2.2-1c: KBo 22.2 Vs. 10 (aH/aS?) kuwapit arumen478 wo
ankommen:PRT.1PL.AKT
„»Wohin wir auch gelangt sind, …«“ 2.6.2.2-1d: IBoT 1.36 IV 29 f. (mH/mS) LÚ.MEŠ MEŠEDI kuwapi du[nnake]sni Leibwächter
wo
tisskanzi
Innengemach:D/L.SG treten:IPFV:PRS.3PL.AKT
„(Er stellt es im Hof ab,) wo die Leibwächter gewöhnlich in das Innengemach treten.“ 2.6.2.2-1e: KBo 15.10+KBo 20.42 II 2 f. (mH/mS) nu isnas kurtāli Ì ⌈LÀL⌉ kuwapi lāhuwan KONN Lehm:GEN.SG (Gefäß):D/L.SG Öl Honig
wo
gießen:PTZ.NOM.SG.N
„Sobald in das k.-Gefäß aus Lehm Öl (und) Honig gegossen ist, …“ 2.6.2.2-1f: IBoT 1.36 I 57 (mH/mS) nu=war=an kuwapi autti KONN=„“=3SG.AKK.C wo
sehen:PRS.2SG.AKT
„»(Wenn aber irgendeine Person heraufkommt,) wie willst du sie sehen?«“ 2.6.2.2-1g: HKM 25 6–8 (mH/mS) LÚ KÚR=wa(r) pangarit ispandaz kuwapi 6 M[E Feind=„“ LÚ
Menge:INS Nacht:ABL wo/wann 6 100
LÚ
KÚR] kuwapi=ma
Feind
4 ME
wo/wann=KONN 4 100
KÚR ya[ttari]
Feind
gehen:PRS.3SG.MP
„»Der Feind war („ist“) in der Nacht in Masse – hier/bald 600 Mann, da/bald 400 Mann des Feindes – auf dem Marsch.«“ Auf der Basis [kwabi] sind außerdem speziell indefinite (→2a) und verallgemeinernde (→2b) Ableitungen geschaffen worden.
477 Zur Datierung s. die Anmerkung zu Bsp. →2.3.5-2b. 478 Gegen die mögliche Lesung a-ú-me-en spricht das in Z. 11 folgende parallele a-ru-me-en.
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2.6.2.2-2a: KBo 17.1+ IV 13 (aS) kinun=(m)a n⌈at⌉ta kuwapikki pāun jetzt=KONN
nicht
irgendwo
hingehen:PRT.1SG.AKT
„Jetzt aber bin ich nirgendwohin gegangen.“ 2.6.2.2-2b: KBo 17.1+ IV 17 (aS) [ta]=kkan [g]āpinan kuwapitta 1-an KONN=OBP Faden:AKK.SG überall
gānghhi
1:AKK.SG.C hängen:PRS.1SG.AKT
„Und überall hänge ich einen Faden auf.“
2.6.3 Dimensionale Adjektive Ein weiterer Aspekt der sprachlichen Abbildung von Räumlichkeit ist die Beschreibung der Abmessungen mittels Adjektiven wie lang, breit, weit, hoch, tief, dick. Wie Lang (1989) gezeigt hat, werden Objekte nach ihren Gestalt- (Symmetrie-Achsen, Prominenz u. a.) und Lageeigenschaften (zu den drei kartesischen Koordinaten) kategorisiert, welche zusammengenommen ein „Objektschema“ ergeben (vgl. das Schaubild bei Lang 1989: 168). Obwohl das Hethitische freilich über Adjektive wie daluki- ‚lang‘, manninkuwant‚kurz‘, hatku- ‚eng‘, palhi- ‚breit‘, hallu- ‚tief‘, parku- ‚hoch‘ u. a. verfügt, ist ihre Analyse vor dem Hintergrund der kognitiven Kategorisierung und ein Vergleich mit den Ausdrucksmitteln moderner Sprachen unmöglich. Die Adjektive treten nämlich jeweils nur einzeln auf (z. B. „tiefe“ Täler in KUB 17.10 I 26, ein „enger“ Weg in IBoT 1.36 II 63, „lange“ Finger [wörtlich gemeint] in KBo 32.13 II 30), und es gibt nicht einen einzigen Beleg im vorliegenden Korpus, in dem ein Objekt in seinen Dimensionen mit den genannten Adjektiven genauer gemessen würde. Natürlich gibt es Größenangaben,479 nur ist bei ihnen die Dimension nicht hinreichend expliziert, z. B.: 2.6.3-1a: KBo 5.7 Rs. 21 (mH/mS) 15,5 IKU A.ŠÀ INA KASKAL URUHat⌈ti⌉=kan ⌈ZAG⌉-az 15,5 (Maß) Feld
LOK Weg
(ON)=OBP
rechts:GEN
„15,5 Iku [ca. 232,5 m] Feld, auf dem Weg nach Hattusa auf der rechten Seite.“ 2.6.3-1b: KBo 32.13 II 5 f. (mH/mS) nu=ssan ŠA A.ŠÀ IKU ANA GIŠŠÚ.A dIŠKUR-as pargauan esat KONN=OBP GEN Feld
(Maß) DAT Thron
(GN):NOM.SG hoch?:?480
sitzen:PRT.3SG.MP
479 V. a. auf Landschenkungsurkunden wie im Bsp. 1a. Da keine heth. Wirtschaftsverwaltung erhalten ist, sind diese Urkunden beinahe die einzigen, die genauere Mengen- und Maßangaben enthalten. Bedauerlicherweise sind sie aber fast ausschließlich mit Logogrammen (bzw. direkt auf Akkadisch) geschrieben, so dass ihr Aussagewert gering ist. 480 Diese Form hat keine Entsprechung im hurr. Original und ist auch im Heth. keine korrekte Form von parku- oder einer seiner Ableitungen. Ein Bezug auf den Thron ist wegen der Stellung unwahrscheinlich, zudem ist dessen Sitz fläche angegeben. Wenn es sich nicht um einen Fehler handelt, so doch um eine Augenblicksbildung.
240
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
„Er setzte sich erhöht? auf einen Thron von einem Iku [ca. 15 m] Fläche.“481 2.6.3-1c: KBo 18.54 Rs. 23' f. (mH/mS) kuis 4 sēkan kuis=ma
3 sēkan
REL:NOM.SG.C 4 Spanne?:AKK.SG REL:NOM.SG.C=KONN 3 Spanne?:AKK.SG
„(Denn inmitten der Festung gibt es Mauern), die eine ist vier Spannen ? (breit), die andere drei Spannen?, …“ Im Fall der dimensionalen Adjektive ist unsere Erkenntnismöglichkeit durch die Art der Überlieferung und das Fehlen von Muttersprachlern auf ein Minimum begrenzt. Einige Hinweise auf die gestaltabhängige Kategorisierung von Objekten kann allerdings die Auswahl des Positionsverbs liefern, s. Kap. 3.1.4.
2.6.4 Ableitungen von räumlichen Ausdrucksmitteln Die lokalen Adverbien und Place Words des Hethitischen nehmen als geschlossene Klasse nicht mehr an der Wortbildung teil. Es finden sich jedoch einige Adjektive, Verben und Sub stantive, die semantisch als Ableitungen von den genannten räumlichen Ausdrucksmitteln anzusehen sind. Ein Großteil von ihnen ist schon in vorhistorischer, teils auch grundsprachlicher Zeit gebildet worden und bezeugt bisweilen ältere Formen der Ableitungsbasen, als synchron vorhanden sind. Es handelt sich primär um Adjektive, von denen dann oft weiter Verben deriviert sind. Primär abgeleitete Verben sind allerdings auch belegt (s. Melchert 2009b). Substantive gehen hingegen alle auf diese Adjektive oder Verben zurück. Da dies nach den synchronen Regeln der hethitischen Wortbildung geschieht und Neubildungen somit jederzeit möglich waren, hat die folgende Auflistung Auswahlcharakter. Ein Gutteil der Belege stammt aus jungen Texten, was teils auf das größere Korpus dieser Periode, teils auf erst rezente Bil dung zurückzuführen ist. Sehr häufig haben die Bildungen metaphorische Bedeutungen angenommen, oftmals unter Verdrängung des konkreten räumlichen Aspekts. 2.6.4.1 Adjektive Die adjektivischen Ableitungen machen den attributiven Ausdruck einer lokalen Relation möglich, da Place Words oder ganze Postpositionalphrasen nicht attributiv verwendet werden können (⇒2.4). Für alle grundlegenden Place Words sind funktional korrespondierende Adjektive vorhanden, die selbst wiederum Basis für anderen Ableitungen, sogar Adverbien, sein können. • anturiya- ‚innen befindlich‘ (s. HW 2 A: 122) ist der adjektivische Ausdruck von anda(n) ‚drinnen‘ (⇒2.4.1.1) und andurz ‚(dr)innen‘ (⇒2.4.3.1), von dem oder dessen syntaktischer 481 Da hier und generell bei Feldern nur éine Zahl angegeben wird, stellt sich die Frage, ob es sich dabei nicht etwa um Quadratzahlen (sozusagen IKU2) handelt. Denkbar ist auch eine Angabe aller vier Seiten, also des Umfangs.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
241
Grundlage (s. Brosch 2008: 95 f.) es abgeleitet ist. Ob es auch für istarna ‚inmitten‘ (⇒2.4.2.1) steht, ist unklar. • srāzzi(ya)-482 ‚oberer‘ (s. CHD Š: 247–249), wovon das Abstraktum srāzziyātar ‚Höhe‘ (jungheth.; CHD Š: 250), das Faktitivum srāzziyahh-zi ‚die Oberhand gewinnen lassen‘ (im Rechtsstreit, Gegenteil katterahh-zi; ebd. 250) und das Fientivum srazziess-zi ‚die Oberhand gewinnen‘ (jungheth.; 251) regulär abgeleitet sind, gehört semantisch und formal zu ser ‚oben‘ (⇒2.4.1.2, mit Ablaut). Der Ablativ srāzziyaz ‚oben‘ (250 f.) ist schon in mittelhethitischer Zeit zum Adverb ‚(von) oben‘ erstarrt. Besonders interessant ist dabei der folgende Beleg, in dem es die Bedeutung „flussaufwärts“ (vs. katteraz „flussabwärts“) annimmt: 2.6.4.1-1: KBo 35.183+KBo 23.27 II 30'–35' (mH/mS) katterazi=ya ŪL +hānanzi483 […] A⌈NA⌉ ÍDMarass⌈an⌉ti=p!at=at unterer:ABL=KONN NEG schöpfen:PRS.3PL.AKT DAT
srāzziyaz
(FN):D/L.SG=PTK=3SG.AKK.N oberer:ABL
[h]āniyan⌈zi⌉ schöpfen:PRS.3PL.AKT
„Und flussabwärts schöpft man (das Wasser) nicht. (…) Man schöpft es immer flussaufwärts eben im Marassanta (= Kızılırmak).“ Ab der mittelhethitischen Zeit sind auch das zu ser gehörige Adjektiv sarli- ‚höchster, oberer, hervorragend‘ (s. CHD Š: 277 f.) und dessen Ableitung sarlae-zi ‚erhöhen, preisen‘ (ebd. 273 f.) belegt, wobei weitere luwoide Bildungen im Junghethitischen auf fremde Herkunft hinweisen könnten. Echt hethitisch ist jedenfalls das Adjektiv *srāmna- ‚oben befindlich‘, das substantiviert in NINDAsrāman- ‚Brotzuteilung‘ (ab aS, s. CHD Š: 239–243, Popko 2009: 23, Fn. 17) und im nur in junger Schrift 484 bezeugten srāmnaz ‚von oben herab‘ (CHD Š: 243, Forssman 1965: 20–23) vorliegt. • kattera- ‚unterer‘ (s. HED IV: 131–133), von dem sich junghethitisch die gleichbedeutende Ableitung katterezzi- findet, ist klar von katta(n) ‚unten, herunter‘ abgeleitet (⇒2.4.1.3) und wiederum Basis für katterahh-zi ‚unterliegen lassen‘ (im Rechtsstreit; ebd. 133; nur jS). • appezzi(ya)- ‚hinterer, letzter, geringster‘ (HW 2 A: 185–192) ist aufgrund der genauen formalen Übereinstimmung mit ai. ápatya- ‚Nachkömmling‘ u. a. eine sicher schon grund sprachliche Bildung zu āppa(n) ‚hinten, zurück‘ (⇒2.4.1.4).
482 Die Adjektive mit dem Suffix -(e)zziya- sind ursprünglich a-Stämme, werden ab der mittelheth. Zeit wegen for maler Mehrdeutigkeit aber zunehmend zu i-Stämmen umgebildet, so das man jungheth. überwiegend Nominative und Akkusative auf -is bzw. -in findet, s. Kloekhorst (2008: 264 f.). 483 Text: ḫa-an-da-an-zi. Zum Ausdruck „oben“ bzw. „unten“ für stromauf- bzw. -abwärts in §162 der Gesetze (nur jS) s. Melchert (1979: 59–62). 484 Vgl. aber memal=la srāmnaz arha ishuwāi „Er schüttet auch Mehl (von) oben aus“ (KBo 5.2 II 18 f.; mH/jS). Unklar ist der Status des Instrumentals sramnit in KUB 13.2 II 12 (mH/jS), vielleicht handelt es sich um eine hyperkorrekte Form (für übliches srāmnaz).
242
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
• hantezzi(ya)- ‚vorderer, erster‘ (s. HW 2 H: 174–186) gehört formal zur Sippe von hant‚Stirn‘ (⇒2.5.3), fungiert jedoch als Adjektiv zu peran ‚vorne‘ (⇒2.4.1.5)485 und zugleich als Ordinale zu siya- ‚eins‘. Auch hier wurde der Ablativ hantezziyaz zum Adverb ‚vorn, vorher‘ (nur jungheth.) umgedeutet. Im folgenden Beispiel steht er verstärkend neben peran: 2.6.4.1-2: KBo 5.2 III 18 f. (jH) nu GI.ḪI.A ANA GIŠŠÚ.A hantezziyaz peran KÁ.GAL yezzi KONN Rohre
DAT Thron
vorderer:ABL vorne
Tor
machen:PRS.3SG.AKT
„Die Rohre macht er vorne vor dem Thron zu einem Tor.“ Eine mögliche Ableitung von hantezzi(ya)- ist das semantisch und formal nicht genau bestimmte hantezumna- c. ‚Vorhof?, Vorhalle?‘ (s. HW2 H: 187). • arahzena(nt)- ‚draußen befindlich, umliegend‘ (jungheth. auch arahza-, arahziya-;486 s. HW2 A: 238, 241–244) ist die einzige Adjektiv-Ableitung, die nicht zu einem der korrespondierenden Place Words (⇒2.4.1) gehört. Dabei zeigt aber nur ein Teil der Belege Kongruenz (→3a), während aus unerklärlichen Gründen in anderen (→3b, also gegen HW 2 A: 241 schon vorjungheth.) die Form arahzenas, anscheinend ein Genetiv (also „der Umliegenden“) erscheint.487 2.6.4.1-3a: KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 44 (mH/mS) tapusa=kan kuiēs arahzeni KUR-ya
⌈pē⌉dantes
Seite:DIR.SG=OBP REL:NOM.PL.C umliegend:D/L.SG.N Land:D/L.SG hinschaffen:PTZ.NOM.PL.C
„Welche (Flüche) ins Ausland beiseite gebracht worden sind, …“ 2.6.4.1-3b: KBo 34.46+ III 26'–28' (mH/mS?) n(u)=asta arahzenas hūmantaz KUR-yaz [… ] welluwaz ⌈ar⌉ha KONN=OBP umliegend:GEN? all:ABL
Land:ABL
Wiese:ABL weg
ehu kommen:IMP.2SG.AKT
„Komm weg aus allen umliegenden Ländern (…) und Wiesen!“ 2.6.4.2 Verben Neben den eben genannten Verben, die von abgeleiteten Adjektiven in zweiter Ebene deriviert sind, gibt es auch solche, die auf ursprünglichen Adjektiven basieren:
485 Zu diesem Stamm könnte das Adjektiv p(a)rassi- ‚vorne befindlich?‘ (s. CHD P: 140) gehören. Es handelt sich wohl um einen Luwismus. Vorhistorisch gab es möglicherweise auch ein auf den Stamm *per- zurückzuführendes Adjektiv *prara-, wenn man das Verb p(a)rarahh-i ‚jagen?‘ (CHD P: 138; nur aH/jS) als *‚voran(laufen) lassen‘ darauf zurückführt (s. Kloekhorst 2008: 632 f.). 486 Dazu auch arahziya als Adverb in der Bedeutung von arahz, z. B. im Kontrast zu andurzi=ya „und innen“ in KUB 7.13. Vs. 5 bzw. 10 (jH). 487 Ein paralleles Verhalten findet sich beim in ähnlichem Kontext verwendeten kurewana-/kuirwana- ‚unabhängig, nicht lehenspflichtig‘ (o. ä.), vgl. →2.5.1.3-1a.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
243
• manninkuess-zi ‚kurz werden‘ und manninkuwahh-(z)i ‚kürzen, sich nähern‘ (s. CHD L-N: 170, 174) sind regelmäßige Ableitungen zu dem Adjektiv (*)manninkuwa- ‚nahe‘, das als Adverb manninkuwan als Relator ‚nahe bei‘ verwendet wird (⇒2.4.3.2). Im Junghethitischen erscheint in einer lexikalischen Liste (KBo 13.2 Vs. 16) die Augenblicksbildung manninkuwantatar ‚Kürze‘. • kunnahh-zi ‚richtig machen, Erfolg haben‘ (s. HED IV: 247) ist vom Adjektiv kunna‚recht(s), günstig‘ abgeleitet, sein Gegenteil ist GÙB-lahh-zi (⇒2.4.3.5). • parknu-zi ‚erhöhen‘ (s. CHD P: 157 f.) verdient besonders Beachtung, da es von einem di mensionalen Adjektiv (parku- ‚hoch‘) deriviert ist, im konkreten Kontext aber auch eine (entstehende) lokale Relation ausdrücken kann: 2.6.4.2-1: KBo 32.13 II 7 f. (mH/mS) A.ŠÀ 7 tawallas=ma=ssan ANA GIŠGÌR.GUB GÌR.ḪI.A-ŠU Feld
7 (Maß):GEN=KONN=OBP DAT Fußschemel
Füße:POSS.3SG.M
parknut erhöhen:KAUS:PRT.3SG.AKT
„Seine Füße aber legte er auf Fußschemel von sieben t. Fläche hoch.“ Schwach belegt sind auch durch Konversion direkt von Place Words abgeleitete Verben, Melchert (2009b) nennt neben einer anderen deadverbiellen Bildung488 die folgenden: • āppa/i-i ‚fertig sein‘ (s. HW2 A: 162 f.) passt semantisch 489 zu temporalem āppa/āppan ‚danach‘ (⇒2.4.1.4), die Flexionsklasse weist aber darauf hin, dass die formale Basis auf ein -i endete (*āppi, *opi, ⇒4.1.4.2), eine Variante, die in historischer Zeit nicht mehr bezeugt ist (Melchert 2009b: 336). Das Verb hat keine lokale Bedeutung, vgl.: 2.6.4.2-2: KBo 35.229+KBo 30.61+KBo 27.165 Rs.? 21' (mH?/mS) MUNUS.LUGAL āppai n(u)=as É.ŠÀ-na Königin
fertig sein:PRS.3SG.AKT KONN=3SG.NOM.C Innengemach:DIR.SG
paizzi hingehen:PRS.3SG.AKT
„Die Königin ist fertig und geht in das Innengemach.“ • pr(a)-i ‚hervorkommen, erscheinen‘ (s. CHD P: 134) hingegen geht direkt auf bezeugtes prā ‚voran; hinaus‘ zurück. Es ist im Korpus der alt- und mittelhethitischen Originale nicht belegt, vgl. aber die folgende Abschrift:
488 sann(a)-i ‚verschweigen, verheimlichen‘ zu einer Wurzel *sn̥h1- ‚abwesend, ungreifbar‘ (lat. sine ‚ohne‘ u. a.), die möglicherweise eine lokale Bedeutung hatte (vgl. ai. sanutár ‚abseits, fern‘, vgl. Dunkel 2007: 57), s. u. Kap. 4.1.4.4 zu sannapi sannapi. Das Verb sarai- (s. CHD Š: 238 f.) bedeutet wohl eher ‚zupfen‘ oder ‚entwirren‘ als ‚pflücken‘ (so Dunkel 2007: 57, zu srā). 489 Für die triviale Metapher „nach etwas sein“ > „fertig sein“ vgl. gleichbedeutend poln. być po czymś.
244
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
2.6.4.2-3: KUB 8.1 II 16 f. (aH/jS) KUR-e anda masas
prāi
BURU14.ḪI.A
Land:D/L.SG drinnen Heuschrecke:NOM.SG erscheinen:PRS.3SG.AKT Ernten
krāpi verzehren:PRS.3SG.AKT
„Im Land wird die Heuschrecke erscheinen und die Ernten vertilgen.“ • handae-zi ‚ordnen, fügen; anvertrauen‘ (s. HW2 H: 163–167) ist in seiner etymologischen Deutung umstritten. Während einige es auf hant- ‚Stirn‘ (⇒2.5.3) zurückführen (s. Kronasser 1966: 476), sei es nach Puhvel (HED III: 106 f., ebenso Melchert 2009b: 366, Fn. 2) vom Par tizip hānt- des Verbums h(ā)-zi ‚vertrauen‘ abgeleitet. Letzteres ist jedoch semantisch wie formal unglaubwürdig (so auch Kloekhorst 2008: 290 f.), da zum Einen die Bedeutung ‚ordnen‘ gegen Puhvel älter ist als ‚anvertrauen‘, was erst im Junghethitischen erscheint, und da zum Anderen zumindest die vor-junghethitisch gebildeten Verben der hatrae-Klasse auf o-Stämme (synchron a-Stämme) zurückgehen (s. Kloekhorst 2008: 132 f.). Formal wie semantisch einwandfrei ist hingegen eine Ableitung aus der nicht mehr lokal gebrauchten, 490 adverbialisierten Form handa ‚gemäß‘ (⇒2.5.3.1) von hant- (so Dunkel 2007: 57). • =kkan hantiyae-zi ‚bevorzugt behandeln, protegieren, versorgen‘ (s. HW 2 H: 191 f.) ist in seiner Interpretation ebenfalls unklar. Da das Verb nur im Junghethitischen belegt ist, wo die hatrae-Klasse fast uneingeschränkt produktiv ist, ist die Form seiner Basis nicht sicher zu be stimmen. Das HW2 lehnt eine direkte Herleitung aus hanti ‚getrennt, gesondert‘ (⇒2.5.3.2) ab, das Verb ist aber sowohl aus vorhistorischem *‚zur Vorderseite setzen‘ = ‚priorisieren‘ als auch aus ‚gesondert, extra behandeln‘ semantisch gut herleitbar, wobei die letztgenannte Lö sung aufgrund der Chronologie der Belege zu bevorzugen ist.
2.7 Exkurs: Die Fachsprache der Auguren Eine besondere Behandlung verdienen die im 14. Jh. aufkommenden Protokolle von Orakeln, die auf der Beobachtung des Rufes oder Fluges von Vögeln basieren. Sie verwenden auf diese Textgattung beschränkte, etymologisch weitgehend unklare 491 Termini, für die sichere Deutungen erst in der monumentalen Dissertation von Y. Sakuma 492 gewonnen werden konnten, die im Folgenden wiedergegeben wird. 490 Bei der schon althethitisch belegten Wendung =asta + Dat.-Lok. handae-tta(ri) „sich jmdm. anschließen, in Reihe gehen“ (o. ä.) wäre in vielen Bsp. auch eine konkrete räumliche Interpretation „jmdm. gegenübertreten“ (vgl. menahhanda, ⇒2.5.4) denkbar, bei manchen Belegen (z. B. IBoT 1.36 II 35; mH/mS) ist aber die herkömmliche Überset zung zu bevorzugen. 491 Der Ablativ ku(a)stayati ist eindeutig luwisch; zu priyawan ‚schräg‘ s. Kap. 4.1.4.4. 492 S. für die mittelheth. Vogelorakel Sakuma (2009: 252–334, v. a. 260–330). Die Darstellung ist freilich von der Untersuchung des viel umfangreicheren jungheth. Befundes (ebd. 81–251) abhängig. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte ist in Sakuma (2013) erschienen.
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
245
Der Ruf der Stimmvögel (aues oscines in der lat. Vogelorakelkunde, s. Sakuma 2009: 136 f., so auch alle weiteren Seitenverweise in diesem Kapitel) und die Bewegungen der Flugvögel (lat. aues alites) werden in speziell festgelegten Feldern (ebd. 84–86) beobachtet (au-/u-i ‚sehen‘; 93 f.). In den mittelhethitischen Texten, aber nicht mehr später, findet sich ein in vier Quadranten geteiltes Beobachtungsfeld um einen „Fluss“ (ÍD; 261 f.). Das Feld ist dabei in je zwei Bereiche – einen vorderen (ÍD-az srā) und einen hinteren (EGIR-an; 99–101, 261), einen günstigen (assuwaz/SIG5-z) und einen ungünstigen (ku(a)stayati/kus.; 102–105) – eingeteilt. Bei Bedarf können die einzelnen Quadranten durch die Termini tar. (= tarwiyalliyan) und gun. (vollständige Lesung unbekannt) bestimmt werden (105–108). Das Überqueren des Flusses (=kkan ÍD-an priyan „über den Fluss“) ist hierbei von Bedeutung (288–300). Der Augur stand zumindest in junghethitischer Zeit östlich des Beobachtungsfeldes, mit Blick auf die untergehende Sonne (Sakuma 2009: 86–89, 233–235; für eine Alternative s. Beal 2002: 73), vgl. das folgende Schaubild:
œ dUTU 2. Quadrant tar.
1. Quadrant gun.
EGIR-an
4. Quadrant tar.
ÍD-az srā
ÍD 3. Quadrant gun.
ku(a)stayati/kus. assuwaz/SIG5-z # Augur Abb. 2.7-1 | Räumlicher Aufbau eines mittelheth. Vogelorakels
Schon mittelhethitisch und dann junghethitisch ausschließlich findet sich ein doppeltes Beobachtungsfeld vor und hinter einem „Weg“ (KASKAL; 81 f., s. die grafische Überblicksdar stellung bei Sakuma 2009: 245). Bewegung zwischen den beiden Feldern ist dabei nicht Gegenstand der Beobachtung. Der vordere Bereich der Felder wird hierbei mit pe.-an (= peran) bezeichnet, der hintere weiterhin mit EGIR(-an). Die Verben payi-/pai-zi ‚(hin)gehen‘ und we-/uwa-zi ‚kommen‘ drücken aus, ob der Vogel aus einem Quadranten heraus-493 oder in ihn hineinfliegt, also Bewegungen von der (aus Sicht des Auguren) Quer- bzw. Längsachse des Beobachtungsfeldes weg bzw. zu ihnen hin (94–98, 104, 113–115, 117; vgl. Abb. 2.7-2); die Präverbien stehen also unabhängig von der Position des Beobachters. 493 Das endgültige Verlassen des Beobachtungsfelds wird mit munnae-tta(ri) ‚verschwinden‘ ausgedrückt (Sakuma 2009: 307–330).
246
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
payi-/pai-zi
we-/uwa-zi
Abb. 2.7-2 | Bewegungsrichtungen in den Beobachtungsquadranten
Die Ausrichtung zu den Grenzen des Beobachtungsbereichs wird durch die Adverbien priyawan (pa.-an) ‚schräg‘ und zilawan (zi.-an) ‚längs‘ angegeben (110–112): priyawan we-zi / payi-zi
zilawan we-zi / payi-zi
Abb. 2.7-3 | Schräg- und Längsflug in den Beobachtungsquadranten
Bewegungen entlang der Querachse werden hingegen durch die Bezeichnung des rechten (assuwaz) bzw. linken (kustayati) Ausgangsbereichs ausgedrückt. Im hinteren Bereich stehen dabei aus ungeklärtem Grund494 obligatorisch srā (assuwaz) „(aus dem Günstigen) hinauf“ bzw. katta (kustayati) „(aus dem Ungünstigen) herunter“ (101 f.). Standardmäßig besteht der lokale Teil eines Orakelprotokolls aus dem Sichtungsort (au-/u-i ‚sehen‘), der Herkunft (we-zi) und dem Ziel (payi-zi) des Vogels (92 f.). Bei Singvögeln ist nur der Ruf von Interesse, daher wird nur ihr Sichtungsort mit Nominalsätzen angegeben (131–138). Für jeden Abschnitt gibt es zulässige, leicht variierte Kombinationen der räumlichen Fachtermini (98 f., 116–118). Interessant ist dabei, dass die Ortsbezugsparti kel =kkan (in den frühen Texten auch =asta, s. u.) nur mit der Fachwortkombination A (Ort: vorderer/hinterer Bereich + Quelle: günstiger/ungünstiger Bereich; 99) sowie mit priyan ‚jenseits, hinüber‘ vorkommen (95; ⇒2.4.2.3), also den kombinierten Orts- und Quellangaben, während diejenigen, die den Flugwinkel (priyawan/zilawan) und andere Ortsangaben enthalten, keine Ortsbezugspartikel haben. =kkan/=asta sind daher wohl dem separativen Ablativ geschuldet, beim lokativischen Ablativ der Orientierung stehen sie nicht (⇒2.1.2). Einige Beispiele aus den wenig zahlreichen mittelhethitischen Vogelorakel-Texten (s. die Auflistung bei Sakuma 2009: 82) veranschaulichen das Gesagte: 494 Die Erklärung ebd. 102 aus den Naturgegebenheiten ist etwas problematisch, da einerseits die Quadranten 3 und 4 eben, andererseits Quadrant 2 höher als Quadrant 1 liegen müssten – eine wohl eher seltene Geländekonfiguration. Gleichzeitig gibt es keine Belege, die anderen Geländeformen Rechnung tragen würden (z. B. *katta assuwaz).
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
247
2.7-1a: KUB 18.5+KUB 49.13 II 7–11 (mH/mS) GIŠ harāwi=ma=ssan kuis ālliyas
ēsta
Pappel:D/L.SG=KONN=OBP REL:NOM.SG.C (Vogel):NOM.SG sitzen:PRT.3SG.MP
n(u)=as=kan
arha arais
KONN=3SG.NOM.C=OBP weg
gulzassa
n(u)=as=z
sich erheben:PRT.3SG.AKT KONN=3SG.NOM.C=REFL
āppa wet
n(u)=as=kan
EGIR ÍD
schicksalshaft:AKK.PL.N zurück kommen:PRT.3SG.AKT KONN=3SG.NOM.C=OBP hinten Fluss
EGIR-an srā assuwaz wet hinten
hoch gut:ABL
wet
n(u)=as=kan
ÍD-an
priyan
kommen:PRT.3SG.AKT KONN=3SG.NOM.C=OBP Fluss:AKK.SG jenseits
namma=as
priyawan tar.u.an pait
kommen:PRT.3SG.AKT ferner=3SG.NOM.C schräg
t.-Bereich hingehen:PRT.3SG.AKT
„Der a.-Vogel aber, der auf der Pappel saß, flog (von dort) auf und kam, ein (orakelrelevantes) Zeichen gebend, zurück(geflogen). Er kam im hinteren Bereich hinter dem Fluss aus dem günstigen (Bereich) hoch- und über den Fluss herüber(geflogen). Dann flog er schräg im t.-Quadranten.“ 2.7-1b: KUB 18.5+KUB 49.13 II 39 f. (mH/mS) namma=at=kan ÍD-an priyan tar.u.an pāer
namma=z
ferner=3PL.NOM.C=OBP Fluss:AKK.SG jenseits t.-Bereich hingehen:PRT.PL.AKT ferner=REFL
⌈āp⌉pa dāer zurück nehmen:PRT.3PL.AKT
„Dann flogen sie im t.-Quadranten über den Fluss hinüber. [§-Strich] Dann begaben sie sich in den Umkehrflug.“ 2.7-1c: HKM 47 39–41 (mH/mS) n(u)=as priyawan tar.u.an pait KONN=3SG.NOM.C schräg
ārsintaras=sa
n(u)=asta [h]ūsās495
t.-Bereich hingehen:PRT.3SG.AKT KONN=OBP (Vogel):NOM.SG
[p]eran SIG5-az zilawan SIG5-az
(Vogel):NOM.SG=KONN vorne
gut:ABL längs
gut:ABL
„Und er flog schräg im t.-Quadranten. Ein h.- und ein a.-Vogel (kamen) im vorderen Bereich aus dem günstigen (Bereich), längs aus dem günstigen (Bereich geflogen).“ Insgesamt betrachtet, folgt die Sprache der Vogelorakelprotokolle der gewöhnlichen hethitischen Grammatik, ihre frühere Unverständlichkeit beruhte einzig auf der Unklarheit der Fachtermini und der dahinter stehenden Realien.
495 Zur Lesung (statt eines Vogelnamens sasā-) s. Sakuma (2009: 409 f.).
248
INVENTAR UND VERWENDUNG DER RÄUMLICHEN AUSDRUCKSMITTEL
3 Die konzeptuelle Gliederung des Raums
Nachdem im vorherigen Kapitel 2 die lokalen Ausdrucksmittel des Hethitischen aus morphologisch-syntaktischer Sicht beschrieben wurden, sollen sie nun semantisch gruppiert in einen typologischen Kontext gestellt werden. Während Grundlegendes zur Versprachlichung des Raumes bereits in Kapitel 1.2 dargelegt wurde, werden hier zunächst die Ergebnisse der kognitiv und typologisch ausgerichteten neueren Forschung referiert und anschließend versucht, die universalen – oder besser: universal geformten – Kategorien im Hethitischen nachzuvollziehen, was allerdings aufgrund der Beleglage im Einzelnen nicht immer gelingen kann. Die folgenden Unterkapitel folgen einer grundlegenden Dichotomie in statische (3.1) und dynamische (3.2) Lokalisationen mit jeweils weiterer Untergliederung, die v. a. bei den zahlreichen statischen Kategorien notwendig ist. Nach diesem Hauptteil werden noch Maßangaben (3.3), deiktische Ausdrücke (3.4) und raumbasierte Metaphern (3.5) besprochen, die allesamt nicht mehr in den Kernbereich der hethitischen Raumgrammatik gehören.
3.1 Lokalisation I: Kodierung von Statik Bei der statischen Lokalisation bleibt das Verhältnis von Lokatum und Relatum über die Zeit gleich, was aber nicht bedeuten muss, dass deren absolute Lage über die Zeit konstant bleibt, denn zum Einen können sich Lokatum und Relatum parallel bewegen (vgl. Die Gans fliegt hinter dem Segelflieger oder Der Junge rollt im Fass den Berg hinunter), zum Anderen kann das Lokatum seine Lage innerhalb des Suchbereichs (⇒1.2.2) ändern, ohne dass in den meisten Fällen ein neuer Ausdruck gewählt werden muss: 1 Der Vogel fliegt im Zimmer (umher), Er läuft vor der Tür auf und ab. So, wie dynamische Vorgänge statisch versprachlicht werden können, können umgekehrt auch Zustände als gedachte Wege und somit mit dynamischen Ausdrucksmitteln wiedergegeben werden, z. B. Die Post liegt über den Hügel (Wunderlich 1985a: 349; vgl. auch Talmy 1996). Wie bereits oben erwähnt, sind die wichtigsten Unterkategorien der Lokalisation zum Einen die topologischen Relationen (⇒3.1.1), zum Anderen die auf einem kartesischen Koordinatensystem beruhenden, perspektivenabhängigen Relationen der Referenzrahmen (⇒3.1.2). Während darüber hinaus Ortsnamen nur am Rande zu erwähnen sind (⇒3.1.3), wird die ebenfalls hier zugehörige und je nach Sprache wichtige Kategorie der lokalen Deixis weiter unten in größerem Zusammenhang behandelt (⇒3.4).
1 Die (typischerweise) ungerichtete Bewegung wird im Deutschen aber meist durch herum, umher o. ä. unterstrichen.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
249
3.1.1 Topologie Die topologischen Relationen, also diejenigen, bei denen das Lokatum mit einer Teilregion (Innen-, Rand-, Nachbarschaftsregion) des Relatums zusammenfällt (z. B. dt. in, an, auf, um, bei, ⇒1.2.2), gehören zu den am besten erforschten Teilbereichen der Raumgrammatik. Auf Basis vergleichender Untersuchungen wurden ein Implikationsmuster für die zunehmend komplexere Einteilung des topologischen Raums aufgestellt (Levinson et al. 2003, ⇒3.1.1.1), eine Typologie für die sog. Basic Locative Construction erarbeitet (Levinson/Wilkins 2006c: 514–526, ⇒3.1.1.2) und eine vergleichbare, kognitiv begründete Skala zwischen den prototypischen Ausdrücken „in“ und „auf“ vorgeschlagen (Bowerman/Choi 2001, Brala 2007, ⇒3.1.1.3). Die Bedeutung der Topologie zeigt sich in mehreren Bereichen. So drücken Lokalkasus gewöhnlich nur topologische Relationen aus, nicht aber perspektivierte (Wunderlich 1985a: 346). Studien haben gezeigt, dass Kinder mit verschiedensten Muttersprachen topologische Relationen nicht nur als erste Raumkonzepte überhaupt erlernen (Piaget et al. 1971), sondern auch in einer festen Reihenfolge „in“ – „auf“ – „unter“/„(nahe) bei“ – „hinter“/„zwischen“ – „vor“ (Johnston/Slobin 1979), wobei die beiden Positionswechsel mit der Komplexität der Ausdrucksseite in der jeweiligen Sprache korrelieren. Dieser Befund spiegelt sich unmittelbar in der Sprache wider: Drossard (1993) hat für kaukasische Sprachen (lesgische Sprachgruppe) eine fast identische Skala der lokalen Kasus festgestellt, die maximal „in“ – „(nahe) bei“ – „auf/über“ – „unter“ – „hinter“ – „zwischen“ – „vor“ ausdrücken können. Die Sprachen kennen dabei zwischen zwei und sieben Relationen, wobei diese linear zunehmen, d. h., das Vorhandensein eines bestimmten Elements impliziert, dass alle links davon stehenden Elemente ebenfalls mit Kasusendungen vertreten sind, nicht aber unbedingt diejenigen zur Rechten. Seiler (1992, vgl. Skopeteas 2008: 42–44) setzt die Häufigkeit und das generelle Auftreten oder Fehlen von griechischen „Adpositionen“ (besser: lokalen Relatoren) in Prädikatsfunktion, für die éni ‚drinnen sein‘ > (= ist verbreiteter als) épi ‚dabei, darauf sein‘ > pára ‚daneben sein‘ > méta ‚inmitten, dazwischen sein‘ > péri ‚ringsum sein‘ > amphí (sic!) ‚herum, umher, auf beiden Seiten sein‘ (bei Homer nur ein Mal in Od. ζ 292) festzustellen ist, ebenfalls in Verbindung mit der genannten Reihenfolge. Die sich durch die beschriebene Evidenz aufdrängende und seit Piaget (s. o.) vorherr schende Vermutung, diese grundlegenden topologischen Kategorien seien universal durch eine (geschlossene?2) Kategorie primitiver Ausdrücke, bevorzugt Adpositionen („auf“ bzw. ON u. ä.), vertreten, wurde durch die Untersuchung von Levinson et al. (2003) anhand eines Samples von neun unverwandten Sprachen zurückgewiesen. Statt absoluter Universalien sind auch in diesem Bereich nur Hierarchien und Implikationsmuster anzusetzen, wie sie aus der morphosyntaktischen Typologie (J. H. Greenberg) bereits bekannt sind und für das Lexikon erstmals durch die bekannten sprachvergleichenden Studien zu den grundlegenden Farbbe 2
250
Vgl. die Bedenken gegen diese Communis Opinio bei Rauh (1990), ⇒2.4, S. 139, Fn. 257.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
zeichnungen3 etabliert wurden. So gelangt man zu der folgenden Reihe, deren aufsteigende semantische Komplexität mit einer Abnahme von Grammatizität einhergeht (vgl. Levinson et al. 2003: 509 f.): AT < IN < ON/UN DER < OVER/NEAR < ON TOP < ATTACHMENT < INSIDE < SPIKED/HANGING/DISTRIBUTED-OVER. Sprachen können also im Extremfall nur eine einzige Adposition besitzen (z. B. die Maya-Sprache Tzeltal) , die, natürlich zusammen mit anderen Ausdrucksmitteln, alle aufgezählten Inhaltskategorien wiedergibt. Wie bei den Farbtermini ergeben sich weitere Ausdrücke durch die schrittweise Ausgliederung einzelner Unterkonzepte – zuerst „in“, dann „unter“ oder „an/auf“ usw. – aus dem allgemeinen „bei“, und ebenso impliziert das Vorhandensein eines bestimmten Konzepts, dass alle „grammatischeren“ Kategorien zur Linken ebenfalls in der gegebenen Sprache vorkommen. Dabei muss das Fehlen einer Befestigung („attachment”) bezeichnenden Präposition z. B. im Englischen allerdings bedeuten, dass es einzelsprachlich in manchen Punkten Abweichungen geben kann. Das Implikationsmuster ist jedoch tatsächlich komplexer, als eine eindimensionale Reihung wiedergeben könnte, daher wird es in dem folgenden Schaubild in zwei Dimensionen dargestellt.4 Es kann einzelsprachlich nach rechts hin noch weiter differenziert sein.
AT
| |
|
|
IN (2D/3D) AT2
INSIDE IN2
| AT3 UNDER ON OVER ON-TOP ATTACHMENT
NEAR AT4 ON2 ON-TOP2 ATTACHMENT2 OVER ON2 OVER2 ON-TOP2 ATTACHMENT
Abb. 3.1.1-1 | Implikationsmuster topologischer Relationen nach Levinson et al. (2003: 512)
Zwei weitere eng verwandte Studien (Levinson/Wilkins 2006c, Brala 2007) haben den inneren Aufbau des topologischen Raumes und dessen einzelsprachliche Segmentierung untersucht. Gemeinsame Basis ist eine Serie von elf Konfigurationen, die von einer prototypischen „auf“-Relation (Tasse auf dem Tisch) bis zu einer prototypischen „in“-Relation reichen (Apfel 3 S. Berlin/Kay (1969), mit wichtigen Korrekturen in Kay/McDaniel (1978). 4 Ein Kasten bezeichnet eine durch éin Ausdrucksmittel wiedergegebene Kategorie, die geschweiften Klammern gemeinsame Ausgliederung aus einem Überbegriff. Letzteres wird durch einen Index markiert, um ein völlig allgemeines AT(1) (wie im Tzeltal) von einem in Opposition zu vielen anderen Kategorien stehenden AT 4 (wie im Englischen) zu unterscheiden.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
251
in der Schüssel),5 wobei diejenigen untersuchten Sprachen, die für diese Konfigurationen verschiedene Ausdrücke haben, jeweils mehrere benachbarte Kategorien zusammenfassen. Die Trennlinien zwischen den einzelnen Sprachen können dabei an verschiedenen Stellen verlaufen (s. das bei Brala 2007: 306–309 besprochene Manuskript von M. Bowerman und E. Pederson 1992): Englisch 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Support form below Mark on a surface Clingy attachment Hanging over/against Fixed attachment Point-to-point attachment Encircle with contact Impaled/spitted on Pierces through Partial inclusion Inclusion
Deutsch auf
Spanisch en
on an (?) in in
Abb. 3.1.1-2 | ON-IN-Skala nach Bowerman/Pederson (1992, bei Brala 2007: 308) mit Sprachbeispielen
Deutsch, Niederländisch u. a. Sprachen unterteilt diesen Gradienten mit in, an und auf, während z. B. Englisch und Kroatisch nur in und on und z. B. Spanisch und Portugiesisch nur en für alle Konfigurationen kennen. Für einzelne Bereiche kann es konkurrierende Ausdrücke geben, z. B. kann im Italienischen außer in der prototypischen „auf“-Konfiguration (1) neben su ‚an, auf‘ auch a verwendet werden. Es sind auch Übergangsbereiche mit zwei dann gleichberechtigten Relatoren bezeugt. Die Gruppierung entlang einer eindimensionalen Skala impliziert, dass die einzelnen Bereiche kohärent sind, also dass ein Ausdrucksmittel nur für benachbarte, nicht aber getrennte Positionen verwendet wird (Brala 2007: 308). Genau dies ist aber im Deutschen anscheinend der Fall, das auf für die Konfigurationen 1 und 2, aber auch für 8 (Apfel auf dem Pfeil) verwendet. Auch wenn der Sprachvergleich diesen Befund als seltene Ausnahme erweist, zeigt er doch, dass man nicht mit ausnahmslosen Universalien rechnen und argumentieren darf (vgl. oben zum ebenfalls nicht ausnahmslosen topologischen Implikationsmuster). Zudem organisieren nicht alle Sprachen Raum in einer vergleichbaren Weise. Zunächst aber zu den Studien: 1. Levinson/Wilkins (2006c: 514–526) operieren mit einem auf acht Konfigurationen reduzierten topologischen Raum („similarity space“) und konzentrieren sich auf die Frage nach der sog. Basic Locative Construction (BLC), also derjenigen grammatischen Konstruktion, die auf „Wo befindet sich X?“ antwortet (z. B. im Englischen: to be + Präpositional5 Zur Bedeutung gerade dieser beiden Relationen vgl. Brala (2007: 305): Sie werden als erste vom Kind erworben und ihre zugehörigen Relatoren sind die am häufigsten verwendeten. Sie sind auch am besten erforscht und gelten als Kandidaten für universale Prototypen.
252
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
phrase). Die Konfigurationen sind die folgenden (dargestellt mit der TRPS, ⇒1.2.1, S. 8, Fn. 19), wobei die vier oberen als grundlegende sog. „core scenes“ gelten: vertikale Relation
Behältnis
-Kontakt
+Kontakt
-Befestigung
Schnitt 1
+Befestigung
Schnitt 2 resultativ Haftung Schnitt 3 belebtes Relatum
Vertauschung von Lokatum und Relatum Schnitt 4
Abb. 3.1.1-3 | „Similarity space“ topologischer Relationen nach Levinson/Wilkins (2006c: 517)
Wie die Übersicht zeigt, werden die oberen vier Szenen typologisch regelmäßig mit der BLC wiedergegeben, im Einzelnen können dabei nach den Kriterien [±Kontakt] und [±Inklusion] verschiedene Relatoren verwendet werden. Ein erster möglicher Anlass zu einem Wechsel in eine andere Konstruktion besteht dann, wenn das Lokatum fest mit dem Relatum verbunden wird („attachment“). Weitere Kriterien, z. B. ein Lokatum, das salienter als sein Relatum ist, sind aus dem Schaubild ersichtlich, insgesamt zeigt die auf S. 254 folgende Aufstellung 3.1.14, welche kognitiven Faktoren eher für oder eher gegen die Verwendung der BLC wirken. Das Schaubild des topologischen Raumes ist gleichzeitig aber auch zur Darstellung des Gebrauchs unterschiedlicher Relatoren innerhalb der BLC verwendbar. Dabei wird ersichtlich, dass die Sprachen jeweils benachbarte Konfigurationen zusammenfassen (für Bsp. s. Levinson/Wilkins 2006c: 521, 525, für das Hethitische s. u.).
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
253
BLC Kontakt loses Lokatum Lokatum enthalten unbelebtes Lokatum oder Relatum relativ kleines Lokatum stereotype Relation gewöhnliches Lokatum (3D)
andere Konstruktionen befestigtes Lokatum 1-/2-dimensionales Lokatum
Entfernung Lokatum Teil des Relatums Relatum enthalten belebtes Lokatum oder Relatum relativ großes Lokatum unübliche Relation negativer Raum (Loch)
Abb. 3.1.1-4 | Begünstigende und behindernde Faktoren für die Wahl der Basic Locative Construction (nach Levinson/Wilkins 2006c: 515)
2. Nach Brala (2007) beschreibt die ursprüngliche Studie von Bowerman/Pederson bereits hinreichend die Sprachwirklichkeit, liefert aber keine Erklärung, welche kognitiven Konzepte die Kategorienbildung steuern (ebd. 309). Es stellt sich nun die Frage, ob lokale Relatoren überhaupt nach einer weit verbreiteten Ansicht geometrische Relationen kodieren,6 oder ob es sich dabei nicht nur um ein vereinfachtes Erklärungsmodell handelt. In einem Beispiel befindet sich Käse unter einer Käseglocke, während damit eingefangener Rauch sich in ihr befindet (Brala 2007: 303 f.). Trotz der gleichen geo metrischen Anordnung werden hier verschiedene Präpositionen verwendet, es müssen also noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Die klassische Position dazu formuliert Herskovits (1985): Eine einfache räumliche Relation sei nur die ideale Bedeutung einer Adposition, pragmatisch seien davon Abweichungen möglich, begründet durch Salienz, Relevanz, Toleranz und Typizität. Anders argumentiert Vandeloise (1991, Kurzfassung bei Brala 2007: 311), ihm zufolge ist das Element der Kontrolle kognitiv entscheidend für die Strukturierung der oben dargestellten ON-IN-Skala und die Auswahl des Relators. Die scheinbaren Grundkonzepte „Behälter“, „Einsatz“, „Auflage“ und „Befestigung“ stellten sich dabei als verschieden differenzierte Arten der Kontrolle heraus. Die Unterschiede in der Anzahl der Relatoren ergeben sich durch die Ebene der Hierarchie, auf der einzelsprachlich angesetzt wird. Vgl. das folgende Schaubild:
6
254
Dagegen hat sich früh Vandeloise (1991) ausgesprochen (⇒1.2.1).
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
control control in more than one direction containment
spanisch en control in the vertical axis support
virtual or effective control
effective control
direct control
control by intermediary
containment
tight fit
support
attachment
englisch in – on deutsch in – auf, an
Abb. 3.1.1-5 | Konzeptuelle Hierarchie nach Vandeloise (bei Brala 2007: 311) mit Sprachbeispielen
Auf den ersten Blick ist das Modell sehr überzeugend. Doch letztlich kommt auch Vandeloise auf der zweiten Ebene nicht ohne einen Raumbezug aus, was bei Brala (2007: 310, 313) deutlich wird, die als alternative Darstellung einen dimensionalen Bezug (auf: Bezug auf nur eine Dimension, an: zwei Dimensionen, in: drei Dimensionen) ansetzen möchte. Man kann das Schaubild wie folgt auch nach anderen, räumlichen und funktionalen Kriterien gliedern. Lokatum im Relatum enthalten Relatum ist Behälter
Lokatum beweglich
Lokatum unbeweglich
Behälter
Einsatz
spanisch en
Relatum ist Oberfläche
Lokatum unbefestigt Auflage
Lokatum befestigt
englisch in – on deutsch in – auf, an
Befestigung
Abb. 3.1.1-6 | Konzeptuelle Hierarchie nach Abb. 3.1.1-5 ohne Bezug auf den Aspekt der Kontrolle
Insgesamt betrachtet, dürften konkrete Kriterien ausschlaggebend für den Aufbau des nicht nur topologischen Raumes sein. Diese lassen sich jedoch nicht auf ein einziges Kriterium reduzieren (ob räumlich oder nicht), vielmehr enthält wohl jeder Relator eine Reihe sowohl spatialer als auch funktionaler Merkmale wie Schwerkraft, Kontakt, Geometrie und Kontrolle, ohne dass jedes von ihnen unbedingt Anteil am Gesamtsystem der Sprache haben muss. So spielt z. B. für die Opposition „über“ – „unter“ das pragmatisch inferierte Konzept der Sichtbarkeit eine wichtige Rolle (Klein 1990: 32 f.), nicht aber für andere Relatoren. Andere statische topologische Relationen können als Kombinationen der besprochenen punktuellen Konzepte von „auf“ über „in“ bis „bei“ verstanden werden, so handelt es sich bei „um“ um mehrere „bei“-Punkte, bei „durch“ um „in“-Punkte (Leys 1989: 104–106). Das
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
255
Konzept von „zwischen“ und „unter“ (u. ä.) kann als Sonderfall von „in“ mit zwei- oder mehrteiligem Relatum betrachtet werden, viele Sprachen drücken es auch mit einer Entsprechung von „in“ aus (vgl. Leys 1989: 101). Wie bereits gesagt, kategorisiert die Mehrzahl der Sprachen den topologischen Bereich nach Innen und Außen, es gibt daneben vereinzelt aber auch alternative Systeme. So gibt es im Koreanischen fünf Verben, die eher auf einzelne Eigenschaften von Lokatum oder Relatum bezogen sind, z. B. dass das Lokatum auf ein horizontales Relatum gelegt, auf den Kopf gestellt oder fest bzw. lose verbunden wird (Bowerman/Choi 2001: 480–484). Einen ganz anderen Weg schließlich geht das südkaukasische Lasische (vgl. Kutscher 2010: 259–261 mit Lit.): Sein System der verbalen Präfixe drückt nicht etwa die Ruheposition des Lokatums in Bezug auf das Relatum aus, sondern die Art und Weise, wie diese zustande gekommen ist (z. B. durch eine aufwärts oder abwärts führende Bewegung). Statische Lokalisation wird also über dynamische Mittel ausgedrückt. Auch im Hethitischen ist der starke Grad der Grammatikalisierung topologischer Ausdrucksmittel sichtbar, denn hierfür werden v. a. die Lokalkasus (⇒2.1) und die Ortsbezugspartikeln (⇒2.3) gebraucht, wie in den Unterkapitel 3.1.1.2 und 3.1.1.3 deutlich wird. Eine herausgehobene Position nimmt der Dativ-Lokativ ein, der im Althethitischen als Ausdruck für die Ortsruhe (WO, daneben auch WOHIN) mit den dynamischen Kasus Direktiv (WOHIN) und Ablativ (WOHER) am Ausdruck aller topologischen Relationen beteiligt ist und mit dem Abbau des Direktivs im Mittelhethitischen auch dessen Funktion übernimmt. Die alte Sprache ähnelt damit z. B. dem Englischen, das ebenfalls im topologischen Bereich zwischen Ort und Ziel (und natürlich Quelle) unterscheidet, nicht aber bei den Referenzrah men. Mit der Aufgabe der Unterscheidung auch in Bezug auf die Topologie wurde die jüngere Sprache dann typologisch z. B. dem Neugriechischen ähnlich. Der Dativ-Lokativ bildet zu nächst alleine ein Adverbial, zu dem präzisierende Place Words (⇒2.4) hinzutreten können. Er ist damit ursprünglich nicht regiert, wird dies aber durch den im Hethitischen zu beobachtenden Sprachwandel, der in der jüngeren Sprache zum weitgehenden Zusammenfall von Adpositionen (ursprünglich mit den Gen.) und freien Lokaladverbien (ursprünglich neben dem Dat.-Lok.) führt (⇒2.4, 3.1.1.4). Wie der eher spärliche Gebrauch im Althethitischen zeigt, dienen auch die Ortsbezugspartikeln ursprünglich nur optional zur Präzisierung oder Betonung einer topologischen Relation. Mit der Zeit werden sie bei gleichzeitiger Reduzierung ihrer Anzahl jedoch teils üblich (=ssan zum Ausdruck von Kontakt) bzw. sogar obligatorisch (=kkan/=asta in verschiedenen Funktionen). 3.1.1.1 Räumliches Implikationsmuster Levinson et al. (2003) haben gezeigt, dass bei den einfachen räumlichen Relatoren Zahl und Bedeutung nicht wahllos in den untersuchten Sprachen variieren, sondern in Hierarchien aufgebaut sind, vgl. Kapitel 3.1.1, besonders Abbildung 3.1.1-1.
256
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
Anhand der Lokaladverbien lässt sich dieses Schema auch für das Hethitische darstellen. Dabei ergibt sich allerdings eine besondere Aufteilung, die einen in dem von Levinson et al. untersuchten Sprachensample nicht enthaltenen Zwischenschritt dokumentiert: Nach der Ausgliederung von „in“ (das sich weiter verzweigen kann) wird das allgemeine „bei“ nicht binär, sondern gleich in drei Relationen aufgespalten, „bei (usw.)“, „unter“ und „auf/über/an“, das nochmals aufgespalten wird. Hethitisch zeigt so mit seinem katta(n) ‚bei, unter‘, dass der nächste Schritt nach der Ablösung von „in“ diejenige von „auf/über“ aus der allgemeinen Adposition „bei“ ist (s. ⇒5 für ein erweitertes Schema). Neu, wenn auch weniger überraschend, ist auch die Aufspaltung der untersten Kategorie in ON/ATTACHMENT vs. OVER/ON-TOP. Für das Hethitische stellt sich die konzeptionelle Aufgliederung der räumlichen Relatoren also wie folgt dar, der Übersicht halber sind die Oberkategorien mit eingezeichnet: INSIDE andurz AT
IN (2D/3D)
|
IN2 anda(n)
AT2
| |
AT3 katta(n) ON OVER ON-TOP ATTACHMENT
ON2 =ssan ATTACHMENT2 OVER ser ON-TOP2
Abb. 3.1.1.1-1 | Implikationsmuster topologischer Relationen im Hethitischen (vgl. Abb. 3.1.1-1)
Die Trennung von zwei- und dreidimensionaler Inklusion ist dabei nur fakultativ, da anda(n) beides bezeichnen kann und andurz bis zum Ende der mittelhethitischen Zeit nur sehr selten verwendet wird. Ebenso ist ser eigentlich ein absoluter Ausdruck ‚oben‘ und kann daher neben oder statt =ssan i. S. v. „auf“ verwendet werden (aber nicht i. S. v. „an“, ⇒2.4.1.2). 3.1.1.2 Die Basic Locative Construction Als Basic Locative Construction (BLC) bezeichnen Levinson/Wilkins (2006c: 514–519) diejenige topologische Konstruktion, die eine natürliche Antwort auf die Frage „Wo?“ darstellt, z. B. [Lokatum + Positionsverb + Relatum:D/L] (vgl. oben Kap. 3.1.1). Für das Hethitische ist die Beleglage leider nicht ganz einfach, im Korpus ist nur ein einziger Dialog belegt, in dem auf eine Frage nach dem Ort auch direkt geantwortet wird: 3.1.1.2-1: KBo 23.4+ III 8 f. (aH/mS)7 d IŠKUR-ta ⌈at⌉ta=su[mme]
kuwapi ēsta
(GN):VOC.SG Vater:VOC.SG=POSS.1PL.VOC.SG wo
7
KOP:PRT.2SG.AKT
Zur Datierung s. die Anmerkung zu Bsp. →2.3.5-2b.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
257
URU
⌈Li⌉hzini=w[a(r)] ⌈ē⌉sun
(ON):D/L.SG=„“
KOP:PRT.1SG.AKT
„»Wettergott, unser Vater, wo warst du?« – »Ich war in Lihzina.«“ Weitere Belege mit Städten als Relatum sind HKM 17 5 f. und HKM 47 8 (mH/mS). Der Dativ-Lokativ (⇒2.1.3) + Kopula oder Positionsverb ist also zumindest für die einfachen Lokalisationen der übliche Ausdruck, aber es ist nicht völlig klar, in welchem Umfang diese Kon struktion verwendet werden kann. Von den vier „core scenes“ kann der Dativ-Lokativ ohne Weiteres sicher „auf“ und „in“ ausdrücken. Für „über“ ist zusätzlich das Place Word ser (⇒2.4.1.2) notwendig, das in der alten Sprache auch den Genetiv regiert, für „in(mitten)“, also Inklusion ohne Kontakt, steht gewöhnlich anda(n) (⇒2.4.1.1) oder spezielles istarna (⇒2.4.2.1, 3.1.1.4). Dass hier der Dativ-Lokativ allein ausreicht, ist allerdings nicht auszuschließen. Es gibt natürlich einige Fälle, bei denen Lokatum und Relatum keinen direkten Kontakt haben, z. B. in Bezug auf Städte, doch ist nicht klar, ob die se und ähnliche Fälle nicht als Behälterobjekt kategorisiert wurden (vgl. o. am Ende von ⇒2.1.3.2). Alle klaren Fälle mit mehrteiligem Relatum zeigen jedenfalls ein Place Word, bei Kontakt von Lokatum und Relatum steht überwiegend eine Ortsbezugspartikel. Auch Relationen mit Befestigung und andere Besonderheiten werden regelmäßig mit dem Dativ-Lokativ ausgedrückt, hinzu tritt die Oberflächenkontakt anzeigende optionale Ortsbezugspartikel =ssan (⇒2.3.4). Beispiele hierfür finden sich bei der detaillierteren ONIN-Skala im folgenden Unterkapitel. Als Übersicht lässt sich der weitgehend gesicherte 8 hethitische Befund mit dem auf S. 259 folgenden Schaubild darstellen, im oben (Abb. 3.1.1-3) wiedergegebenen Schema lässt sich der funktionale Unterschied zwischen =ssan, anda und dem Dativ-Lokativ aber nicht hinreichend zeigen, hierfür müssen zwei zusätzliche Szenen eingefügt werden:
istarna 8 Die Ausweitung des Dat.-Lok., aber nicht von =ssan auf die Konfiguration „Lokatum hängt am Relatum“ (Bsp. Jacke am Haken) beruht allerdings auf nur einem einzigen Bsp. (→3.1.3.4)
258
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
ser
anda
=ssan Dat.-Lok.
Abb. 3.1.1.2-1 | Hethitischer „similarity space“ topologischer Relationen nach Levinson/Wilkins (2006c: 517)
3.1.1.3 ON-IN-Skala Die oben besprochene elfteilige Skala topologischer Relationen von M. Bowerman und E. Pederson (bei Brala 2007) versucht, zwischen prototypischem „auf“ und „in“ eine universale Abfolge aufzustellen, bei der es in den einzelnen Sprachen keine oder nur schrittweise Übergänge zwischen den Ausdrucksmitteln ohne Sprünge gibt (s. o., besonders Abb. 3.1.1-2). Da für das Hethitische nicht für alle Relationen der Skala gute Beispiele zu finden sind, wäre die daraus folgende formale Vorhersagbarkeit von Belang, da man die Lücken der Überlieferung aus den benachbarten Ausdrücken sicher auffüllen könnte. Leider ist die Universalität der Skala aber noch nicht gesichert, gerade im Deutschen gibt es ein ernstes Problem mit der Kategorie 8 („Impaled/spitted on“, ⇒3.1.1). Daher soll zunächst jede Einteilung einzeln besprochen werden.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
259
1) Support from below In dieser prototypischen Kategorie finden sich bewegliche Objekte, die von der Schwerkraft auf größeren, horizontalen Gründen gehalten werden. Hethitisch drückt dies mit dem DativLokativ aus, der in den meisten Fällen von der Ortsbezugspartikel =ssan (jünger =kkan) ‚[Oberflächenkontakt]‘ begleitet wird (→1a). Alternativ oder zusätzlich kann das Place Word ser ‚oben‘ die Superposition ausdrücken (→1b). 3.1.1.3-1a: KBo 15.10+KBo 20.42 III 60' (mH/mS) NA n(u)=at=san ⁴pēruni=pat dālai KONN=3SG.AKK.N=OBP Stein:D/L.SG=PTK lassen:PRS.3SG.AKT
„Er belässt es auf dem erwähnten Stein.“ 3.1.3.1-1b: KUB 9.22 III 9–10 (mH/mS) [NINDAn]ahiti=m⌈a=ss⌉an ser d30 dUTU [U] MUL iyantes (Brotsorte):D/L.SG=KONN=OBP oben (GN) (GN)
und Stern
machen:PTZ.NOM.PL.C
„Auf dem n.-Gebäck sind (Modelle von) Wettergott, Sonnengott und ein Stern geformt.“ 2) Mark on a surface In dieser Szenerie sind Lokatum und Relatum nicht trennbar, die Figur ist vielmehr fest mit der weiterhin horizontalen Oberfläche verschmolzen bzw. ist die manipulierte Oberfläche selbst. Ein gutes Beispiel hierfür ist in eine Tafel eingedrückte Schrift, die im Hethitischen wie in der vorherigen Kategorie mit Dativ-Lokativ + meistens =ssan (→2a), aber ohne ser (da keine Superposition vorliegt) ausgedrückt wird. 3.1.1.3-2a: KBo 8.91+ Rs. 25 (mH/mS) nu=ssan ŠA URUKizzuwatni annalli KONN=OBP GEN (ON):?9
tuppi
kissan kuit
alt:D/L.SG.N Tafel:D/L.SG so
was:NOM.SG.N
kitta⌈ri⌉ liegen:PRS.3SG.MP
„Was (/Weil) auf einer alten Tafel von Kizzuwatna folgendermaßen steht:“ 3.1.1.3-2b: KBo 17.65+ Vs. 13 (mH/mS) n(u)=at hanti tuppi KONN=3SG.NOM.N gesondert Tafel:D/L.SG10
„Es (steht) auf einer gesonderten Tafel.“ 3) Clingy attachment In dieser Anordnung steht das eigenständige Haften an der Oberfläche im Vordergrund, die Ausrichtung (vertikal/horizontal) ist daher von untergeordneter Bedeutung. Einfache Beispie9 Formal ein Dat.-Lok. Sg., der aber hier syntaktisch und wegen der vorausgehenden Genetiv-Markierung ŠA nicht möglich ist. Vermutlich handelt es sich um ein Versehen des Schreibers. 10 Oder Nom.-Akk. Sg. n. (so. HW2 Ḫ: 190), also „Es ist gesondert eine Tafel.“
260
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
le sind die Briefmarke auf dem Umschlag oder Regentropfen am Fenster, für das Hethitische lassen sich aber keine sicheren analogen Fälle finden. Es wäre Dativ-Lokativ + optionales =ssan zu erwarten. 4) Hanging over/against Anders als bei der vorherigen Anordnung werden Objekte in dieser durch besondere Befestigungen an einer vertikalen Fläche gehalten, z. B. ein mit dem Nagel an der Wand angebrach tes Bild. Hierfür findet sich nur in einer jungen Kopie eines Textes Hattusilis I. ein möglicher Beleg: 3.1.1.3-3: KBo 3.27 9 f. (wiederholt Z. 12; aH/jS) n(u)=an āski=[ssi] kankandu KONN=3SG.AKK.C Tor:D/L.SG=POSS.3SG.D/L.SG.C hängen:IMP.3PL.AKT
„Man soll ihn an seinem Tor aufhängen.“ Das Fehlen der erwarteten Ortsbezugspartikel =ssan (⇒2.3.4) ist angesichts der spärlichen Verwendung von Partikeln im Althethitischen nicht unbedingt ein Beweis, dass =ssan in solchen Fällen nicht stehen könnte. Positive Evidenz fehlt allerdings bisher. Das Verb kānk-/ kank-i ‚hängen‘ konkret ist aber selbst in alten Texten nur mit der Partikel =kkan belegt, die dabei nur stehen kann, wenn ein Bezugspunkt im Dativ-Lokativ im Satz enthalten ist. 5) Fixed attachment Objekte dieser Kategorie sind fest mit ihrem Grund verbunden und eigentlich ein Teil von ihm, aufgrund ihrer Salienz werden sie aber vielfach wie andere, bewegliche, lokalisiert. Ein Beispiel ist der Henkel an der Tasse. Im Korpus gibt es keinen direkten Beleg, der Lokatum und Relatum enthielte, zwei mögliche Beispiele (eines davon in junger Abschrift) sichern aber =ssan. Von einem metallenen Kessel mit Deckel heißt es: 3.1.1.3-4: IBoT 3.98+ I 24 (mH/jS) AN.BAR-as=san tarmus walha⌈n⌉du Eisen:GEN=OBP
Stift:AKK.PL schlagen:IMP.3PL.AKT
„Man soll Eisennägel daran (ein)hämmern.“ In einem althethitischen Ritual wird über ein eisernes Modell des Himmels, das in einem Gefäß liegt, Folgendes gesagt: 3.1.1.3-5: KBo 17.1+ I 9' (aS) [tarm]as=san11 9-an an⌈da⌉n kitta Pflock:GEN.SG=OBP neun drinnen
liegen:PRS.3SG.MP
„Darin (und darauf) „liegen“ neun Pflöcke (= stecken neun Nägel?).“ 11 Alternativ wären mit Rizza (2011: 23) auch die Interpretationen tarma=ssan (mit tarma als Kollektiv) oder gegen Rizza (2011: 23, Fn. 52) auch tarmas=sa=an (mit =(y)a ‚und‘ und der OBP =an) möglich, wenn auch letztere wenig wahrscheinlich und erstere für den hiesigen Zweck irrelevant ist.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
261
Bei Tischler (HEG III: 185) heißt es hierzu: „E. NEU erinnert […] an das Hieroglyphenzeichen […] ‚CAELUM‘. Dessen Variante 3 weist seitlich Punkte auf, welche die tarmes darstellen könnten.“ Es könnte sich hier also um fest angebrachte Objekte handeln, 12 sofern die Passage sachlich richtig gedeutet ist. Das Relatum wird zwar nie explizit erwähnt, ein anderer Kasus als der Dativ-Lokativ wäre hierfür jedoch nicht zu erwarten. 6) Point-to-point attachment In diese Kategorie fallen Objekte, die an einer einzelnen Stelle an anderen Objekten befestigt sind und somit nur durch eine punktuelle Befestigung an ihnen fixiert sind, z. B. ein Apfel an einem Zweig. Im Hethitischen findet sich hierfür bisher nichts völlig Sicheres, wahrscheinlich wird diese Konfiguration aber abweichend von den übrigen topologischen Ausdrücken mit dem Ablativ13 bezeichnet, was dem durch die Schwerkraft bedingten und nur durch die Befestigung verhinderten Auseinanderstreben von Lokatum und Relatum geschuldet sein dürfte. 3.1.1.3-6: KUB 17.10 IV 28 (aH/mS) GIŠ KUŠ eyaz=kan UDU-as kursas
kankanz
Eibe?:ABL=OBP Schaf:GEN.SG Vlies:NOM.SG hängen:PTZ.NOM.SG.C
„An die Eibe? ist das Vlies eines Schafes gehängt./Aus der Eibe ? hängt …“ Vgl., ebenfalls mit kānk-/kank-i und Ablativ (IŠTU), KUB 30.28 Vs. 33 f. (jH). Es ist aber nicht klar, ob dieses und das vorhergehende Beispiel nicht der Kategorie 4 (Hanging over/ against) zugeschrieben werden sollte. Das Fehlen von =ssan (⇒2.3.4) spricht allerdings für eine andere Konzeptionalisierung. 7) Encircle with contact Diese Kategorie drückt eine ringförmige Umschließung aus. Das prototypische Beispiel ist daher der Ring am Finger, für den es leider keine Belege im Hethitischen gibt. Allerdings ist ein paralleler Fall belegt:14 3.1.1.3-7: KBo 32.13 II 11 (mH/mS) nu=z=(ss)an anda ishuziyaet
taknās
d
UTU-us
KONN=REFL=OBP drinnen sich gürten:PRT.3SG.AKT Erde:GEN (GN):NOM.SG
„Sie umgürtete sich, die Sonnengöttin der Erde.“ 8) Impaled/spitted on Für diese Kategorie, deren prototypisches Beispiel eine aufgespießte Frucht ist, finden sich im alt- und mittelhethitischen Korpus keine klaren Belege. In junger Schrift sind aber Beispiele erhalten, die wieder eine Kombination aus Dativ-Lokativ und =ssan aufweisen. 12 Wobei allerdings auch partielle Inklusion möglich ist, s. u. Nr. 10 „Partial inclusion“. 13 Mit Ortsbezugspartikel, also in dynamischen Verständnis. 14 Eher nicht hierzu (aber vielleicht zur vorhergehenden Kategorie) gehört der Beleg mān=kan kalulupi=smi kānk[i] „Wenn er (es) an ihrem Finger aufhängt, …“ (KBo 17.2 I 6'; aS).
262
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
3.1.1.3-8: KUB 17.8 IV 22–24 (aH?/jS) nu=war=as=san lappiya[s] peran KONN=„“=3PL.AKK.C=OBP Hitze:GEN.SG vorne
LÚ
GIŠ
SIPA-as
turiya
Hirte:GEN.SG Stock:D/L?.SG15
pasker stecken:PRT.3PL.AKT
„»Wegen der Hitze steckten sie sie auf einen Hirtenstab.«“ Unsicher ist das folgende Beispiel, hier wird wohl eher die Position des Holzstückes beschrieben als die Tatsache, dass es in das Brot gesteckt ist. 3.1.1.3-9: KUB 15.34 I 5 f. (mH/mS) nu=ssan ANA NINDA.GUR4.RA ser KONN=OBP DAT Dickbrot
GIŠ
EREN pa⌈skan⌉
oben Zeder
stecken:PTZ.NOM.SG.N
„Zeder(nholz) ist oben auf einem Dickbrot festgesteckt.“ 9) Pierces through Auch hierfür finden sich keine Beispiele. Es handelt sich um dieselbe Konfiguration wie in 8) mit Vertauschung von Lokatum und Relatum, also um ein Objekt, das durch ein anderes gesteckt ist. Angesichts der Tatsache, dass es im Hethitischen keinen einfachen Ausdruck für das Konzept „durch“, sondern nur eine Inklusion ausdrückende Umschreibung verwendet wird (istarna arha „inmitten weg“, s. u. 3.1.1.4), könnte man vermuten, dass diese Kategorie wie Nr. 10 oder 11 behandelt wird. 10) Partial inclusion Teilweise (z. B. Zigarette im Mund) und vollständige (z. B. Zucker in einer Dose) Inklusion des Lokatum im Relatum wird im Hethitischen grundsätzlich mit Dativ-Lokativ ausgedrückt (→10a), zum dem sehr häufig andan (altheth.) bzw. anda (bei explizitem Grund nach-altheth. fast immer mit der Ortsbezugspartikel =kkan) tritt (→10b). 3.1.1.3-10a: KUB 45.5 Vs. II? 19' (mH/mS) [n(u)?=at? GÙB]-⌈li⌉ kisr!ī kunnaz
[k]israz
katta
KONN=3SG.AKK.N links:D/L.SG.C Hand:D/L.SG rechts:ABL.C Hand:ABL herab
warppiskezi waschen:IPFV:PRS.3SG.AKT
„In der linken Hand wäscht er es mehrmals mit der rechten Hand ab.“ 3.1.1.3-10b: KBo 47.130+ I 3 f. (mH/mS) aruni=ma=kan anda sumanzan
daskupāet
Meer:D/L.SG=KONN=OBP drinnen Schilfrohr:NOM.SG jammern:PRT.3SG.AKT
„Im Meer jammerte das Schilfrohr.“
15 Oder Direktiv; peran + Genetiv weist auf eine altheth. Vorlage hin.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
263
11) Inclusion Wie bei der vorherigen Kategorie ist der Dativ-Lokativ (+ andan/=kkan anda) das gewöhnliche Ausdrucksmittel für vollständige Inklusion. 3.1.1.3-11a: KUB 36.127 Vs.! 10' (mH/mS) n(u)=an ANA É-ŠU andan wemiyanzi KONN=3.SG.C DAT Haus: POSS.3SG.M drinnen finden:PRS.3PL.AKT
„(Wenn) man ihn in seinem Haus findet, …“ 3.1.1.3-11b: KBo 17.1+ I 7' f. (aS) hurtiyali=ma [AN.B]AR-as nēpis (Gefäß):D/L.SG=KONN Eisen:GEN.SG
1EN kitta
Himmel:NOM.SG 1
liegen:PRS.3SG.MP
„Im h.-Kessel aber liegt ein einzelner Himmel aus Eisen.“ 3.1.1.3-11c: KBo 23.4+ II 16' f. (aH/mS) ANA DUMU.LÚ.U19.LU=ma tuekki=ssi DAT Menschenkind=KONN
[a]ndan lalukkiet
Körper:D/L.SG=POSS.3SG.D/L.SG drinnen
hell sein:PRT.3SG.AKT
„Im Körper des Menschenkindes aber war es hell.“ 3.1.1.3-11d: KBo 32.14 II 10 (mH/mS) nu=ssi=kan ŠÀ-ŠU anda istarkkiat KONN=3SG.D/L=OBP Herz:POSS.3SG.M drinnen sich kränken:PRT.3SG.AKT
„Es kränkte ihn in seinem Herzen.“ Keine wirkliche Konkurrenz ist die Konstruktion har(k)-zi ‚halten‘ mit Instrumental (→12), bei der wohl vielmehr der Aspekt des Zusammen- bzw. Festhaltens betont wird. 3.1.1.3-12: KUB 33.68 II 8 (aH/mS) zig=(m)a ŠÀ-it [ā]ssu uddānaz hark du:NOM=KONN Herz:INS gut:AKK.SG.N Wort:ABL halten:IMP.2SG.AKT
„Halte du aufgrund der Worte Gutes im Herzen („mit dem Herzen fest“)!“ Interessanterweise kann die Ortsbezugspartikel =ssan, die die Beteiligung der Oberfläche betont und daher hier nicht zu erwarten wäre, zusammen mit bestimmten Gefäßen stehen. Soweit man es sachlich bestimmen kann, handelt es sich um nach oben offene Gefäße wie ei nen Korb (pattar), Becher (DUGGAL), aber nicht um geschlossene, z. B. Kannen ( DUGKUKUBU) oder Kessel mit Deckel, vgl.: 3.1.1.3-13a: KBo 15.32+ II 3 f. (mH/mS) nu=ssan [DUGpahhunalliya] ⌈pa⌉hhur
pranzi
KONN=OBP Feuerbecken:D/L.SG Feuer:AKK.SG blasen:PRS.3PL.AKT
„Im Feuerbecken facht man ein Feuer an.“
264
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
3.1.1.3-13b: KBo 15.10+KBo 20.42 I 7 (mH/mS) n(u)=at=san pattani ishuwān KONN=3SG.NOM.N=OBP Korb:D/L.SG schütten:PTZ.NOM.SG.N
„Es ist in einen Korb geschüttet.“ 3.1.1.3-13c: KBo 17.1+ I 9' (aS) [tarm]as=san 9-an an⌈da⌉n kitta Pflock:GEN.SG=OBP neun drinnen
liegen:PRS.3SG.MP
„Darin (und darauf) „liegen“ neun Pflöcke (= stecken neun Nägel?).“ Die Hethiter können also mit optionalem =ssan ausdrücken, wenn sich ein Lokatum sowohl in (Umschließung an mehreren Seiten) als auch auf („support from below“) einem Relatum befindet.16 Vergleichbar ist im Deutschen ein Relatum wie Pfanne, das zumindest umgangssprachlich in der Zuordnung zum Behälter- oder Oberflächenobjekt schwankt.17 Zusammenfassung Auch wenn nicht für alle Kategorien sichere und in einigen Fällen überhaupt keine Beispiele zu finden sind, ergibt sich insgesamt ein klares Bild: Der Dativ-Lokativ 18 kann alle topologischen Relationen bezeichnen, in der Regel tritt aber noch ein weiteres Ausdrucksmittel hinzu. Dabei werden nur bestimmte Bestandteile der Konfiguration berücksichtigt, nämlich ob 1.) die Oberfläche beteiligt ist (=ssan) oder 2.) Inklusion vorliegt (anda(n)). Dass die Schwerkraft bei der Kategorisierung eine wichtige Rolle spielt, sieht man nicht nur an der Präsenz von =ssan, sondern daran, dass die „point-to-point-attachment“-Konfiguration, die weder Oberfläche noch Inklusion ausdrückt, mit dem Ablativ aus dem System ausbricht. Als Übersicht kann man den Befund folgendermaßen darstellen:
16 Vgl. auch [h]ili=ssan anda „auf dem Hof“ (neben normalem hili=kkan anda „im Hof“) in KUB 33.16 8' (mH?/jS). Inklusion betonendes anda(n) fehlt allerdings in den meisten derartigen Fällen. 17 Während in der Pfanne üblich ist, findet sich seltener, aber durchaus verbreitet, auch der Ausdruck auf der Pfanne, nicht nur als Redensart anderer Bedeutung. 18 Der Dir. ist hierbei nur eine dynamische (⇒3.2.1) Variante des Dat.-Lok. und konstituiert kein konkurrierendes System.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
265
Hethitisch 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Support form below Mark on a surface Clingy attachment Hanging over/against Fixed attachment Point-to-point attachment Encircle with contact Impaled/spitted on Pierces through Partial inclusion Inclusion
?
?
Dat.-Lok.
=ssan
?
? anda(n)
Abb. 3.1.1.3-1 | ON-IN-Skala nach Bowerman/Pederson (bei Brala 2007: 308) im Hethitischen
In der konzeptuellen Hierarchie der topologischen Ausdrücke von Vandeloise (bei Brala 2007: 311, s. o. Abb. 3.1.1-5 und -6) setzt Hethitisch entweder wie z. B. das Spanische auf der obersten Ebene an, nämlich wenn nur der Dativ-Lokativ verwendet wird, oder es setzt wie z. B. das Englische auf der mittleren an, wenn = ssan bzw. anda(n) hinzugenommen werden. Dabei gibt es einen langen Übergangsbereich und Hethitisch unterscheidet zwischen zwei Arten der Inklusion (s. o. Nr. 11). In einer besonderen Verwendung kann anda nicht nur wie oben bei vollständigem oder teilweisem Einschluss auftreten, sondern auch schon vorher bei der sog. „location on a body“, die keine Inklusion, sondern Oberflächenberührung bezeichnet und funktional zwischen den Kategorien 3 und 7 einzuordnen ist. Da die genauen Konfigurationen aus den Belegen nicht zu gewinnen sind, kann dies nicht enger eingegrenzt werden. Der Ausdruck besteht aus der Ortsbezugspartikel =ssan, jünger =kkan,19 und sehr häufig anda in dynamischer Bedeutung (nicht statisch ‚drinnen‘!) und präverbaler Funktion: 3.1.1.3-14a: KBo 15.10+KBo 20.42 II 20 f. (mH/mS f nu=ssan kuit Zi. ANA BELI [tak]kisket KONN=OBP REL:NOM.SG.N (PN) DAT Herr
n(u)=at=san
EGIR-pa apedani
KONN=3SG.NOM.N=OBP zurück
anfügen:IPFV.PRT.3SG.AKT
taksan
⌈ē⌉stu
DEM:D/L.SG anfügen:PTZ.NOM.SG.N KOP:IMP.3SG.AKT
„Was Ziplantawiya dem Herren angehängt hat, soll zurück an sie angehängt sein.“ 3.1.1.3-14b: KUB 29.8+ I 46 f. (mH/mS) namma=ssan ANA KÁ.GALTIM kēz 1 MUŠEN.GAL anda hmankanzi ferner=OBP
DAT Tor
DEM:ABL 1 großer Vogel
drinnen anbinden:PRS.3PL.AKT
19 Der Gebrauch von =ssan ist (gegen Boley 2000: 236) nicht von =apa übernommen (⇒2.3.2 zu =apa anda). Durch den Übergang von =ssan zu =kkan wird die letzte formale Unterscheidung von dynamischem und statischem anda (das bereits früh mit =kkan erscheint) im späten Mittelheth. endgültig aufgegeben.
266
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
kēzzi=ya=ssan
1 MUŠEN.GAL anda hmankanzi
DEM:ABL=KONN=OBP 1 großer Vogel
drinnen anbinden:PRS.3PL.AKT
„Danach bindet man hier und dort je einen großen Vogel an das (große) Tor an.“ 3.1.1.3-14c: KBo 39.8 I 31 f. (mH/mS) tueggas=(m)a=s[mas=ka]n SÍG ZA.GÌN SÍG SA5 suwil Körper:D/L.PL=KONN=3PL.D/L=OBP Wolle blau
Wolle rot
anda
Faden:NOM.SG drinnen
iyazzi machen:PRS.3SG.AKT
„An ihren Körpern aber befestigt sie einen Faden aus blauer und roter Wolle. “ Da es sich um eine dynamische Konstruktion resultativen Charakters handelt, antwortet sie zwar auf die Frage „Wo?“, gehört aber nicht zur BLC (⇒3.1.1.2) und auch nicht zu der ja ebenfalls auf statische Ausdrücke beschränkte ON-IN-Skala. Eine Erklärung für diesen Gebrauch ist wohl im Vergleich mit Ausdrücken wie dt. eindrücken oder reinschlagen zu sehen, die eine auf einen unter der Oberfläche liegenden Punkt gerichtete Handlung ausdrücken, also sozusagen eine Bewegung, die nach innen ginge, wenn sie nicht von der Oberfläche aufgehalten würde. Verständlicher wird sie auch, wenn man bedenkt, dass anda nicht nur terminativisches „hinein“, sondern auch direktivisches „einwärts“ wiedergibt. Die Konstruktion erinnert an das System des Lasischen (s.o. 3.1.1).
3.1.1.4 Andere topologische Relationen Da unter dem Begriff Topologie alle Relationen, die ein Lokatum im Kontakt- oder Nahbereich eines Relatums beschreiben, zusammengefasst werden, sind neben den in der Praxis häufigsten Ausdrücken der BLC und ON-IN-Skala (⇒3.1.1.2/3) weitere in Gebrauch, von denen die beiden überwiegend statischen Ausdrücke im Folgenden vorgestellt werden, während die zumeist dynamischen weiter unten (⇒3.2.1) zur Sprache kommen. „zwischen, unter“ Diese Relation drückt Inklusion in einer inkohärenten Menge aus, d. h., ein Lokatum befindet sich nicht unbedingt im Kontakt-, aber zumindest im Nahbereich mehrerer Relata, die es ins gesamt umfassen. In rein räumlicher Bedeutung wird dies im Hethitischen mit istarna ‚inmitten‘ (⇒2.4.2.1) ausgedrückt, das in statischer Bedeutung ab der mittelhethitischen Zeit regelmäßig mit der Ortsbezugspartikel =kkan steht (s. Boley 1989: 98 f., 2000: 138). 3.1.1.4-1a: KBo 22.2 Vs. 6 (aH/aS?) mān MU.ḪI.A istarna pāer als
Jahre
inmitten hingehen:PRT.3PL.AKT
„Als Jahre inzwischen vergangen/dazwischengegangen waren, …“
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
267
3.1.1.4-1b: KUB 30.29 4 f. (mH/mS) [1]EN +KUŠsarpassin20=(m)a=⌈kan⌉ GIŠkuppisnas 1
istarna [t]agān
Fellbezug?:AKK.SG=KONN=OBP Schemel?:D/L.PL inmitten Erde:LOK.SG
isp(a)ranzi ausbreiten:PRS.3PL.AKT
„Zwischen den Schemeln? aber breitet man je einen Fellbezug? auf der Erde aus.“ 3.1.1.4-1c: KBo 40.123+ I 8 (mH/mS) nu=kan GADA istarna huettiyanzi KONN=OBP Tuch
inmitten ziehen:PRS.3PL.AKT
„Man spannt ein Tuch dazwischen.“ In übertragener Bedeutung „unter“ findet man neben istarna (→2a) auch anda ‚drinnen‘ (→2b; ⇒2.4.1.1) wie bei einer tatsächlichen Inklusion, vgl.: 3.1.1.4-2a: CTH 138 104' (mH/mS) istarna=ma=an=kan wemiyanzi inmitten=KONN=3SG.AKK.C=OBP finden:PRS.3PL.AKT
„(Wenn) man es [Vieh des Feindes] darunter [Vieh des Vertragspartners] findet, …“ 3.1.1.4-2b: KUB 30.10 Vs. 7' f. (mH?/mS) nu=mu=kan āssauas antuhsas
anda zik=pat [DINGIR-YA?]
KONN=1SG.AKK=OBP gut:D/L.PL.C Mensch:D/L.PL drinnen du=PTK Gottheit:POSS.1SG
harpta absondern:PRT.2SG.AKT
„Meine Gottheit(?), unter den guten Menschen hast nur du mich herausgehoben.“ „bei/nahe“ Neben der Randregion, in dem berührende Lokata lokalisiert werden können, hat jedes Re latum auch eine Nah- oder Nachbarschaftsregion (s. Wunderlich 1982: 5 f., ⇒1.2.1). Lokata in diesem Bereich können noch in Bezug auf das jeweilige Relatum lokalisiert werden, ohne mit ihm in direktem Kontakt oder Zusammenhang zu stehen. Wenn sich die Lokalisation auf den ganzen Nahbereich und nicht perspektivenabhängige Ausschnitte (⇒3.1.2) bezieht, befindet man sich noch im Rahmen der Topologie. Die einfachste Variante ist dabei eine unbestimmte statische Lokalisation im Nahbereich, entsprechend dt. bei bzw. bei etwas größerer Entfernung nahe. Im Althethitischen wird hierfür die Postposition katta mit Genetiv (bzw. katti= mit enkl. Possessivpronomen) verwendet, im Mittelhethitischen hingegen fast ausschließlich kattan mit Dativ-Lokativ, vgl.: 3.1.1.4-3a: IBoT 1.36 II 13 f. (mH/mS) GIŠ n(u)=as paizzi huluganni
⌈GÙB-z⌉
GIŠ
UMBIN kattan
KONN=3SG.NOM.C gehen:PRS.3SG.AKT Kutsche?:D/L.SG links:ABL Rad 20 Zur Emendation s. →2.1.2.5-1e.
268
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
dabei
tiyazzi treten:PRS.3SG.AKT
„Er stellt sich schließlich links beim/neben dem Rad der Kutsche ? hin.“ 3.1.1.4-3b: KBo 17.65+ Vs. 21 (mH/mS) n(u)=as=si katti=ssi
ēszi
KONN=3SG.NOM.C=3.SG.D/L dabei=POSS.3SG.D/L.SG sitzen:PRS.3SG.AKT
„Er sitzt bei ihr.“ 3.1.1.4-3c: IBoT 1.36 I 51 f. (mH/mS) GIŠ nu ŠUKUR ITTI LÚNI.DUḪ dāi KONN Speer
bei
Pförtner
setzen:PRS.3SG.AKT
„Er stellt den Speer beim Pförtner ab. “ Weitere Belege sind IBoT 1.36 II 18 f., 20 und III 34. Ein Beispiel für die logografische Schreibung mit akkad. ITTI ‚mit, zu, bei, gegen‘ (vgl. →3c) ist KBo 15.33+KBo 15.35 II 21' (mH/mS). Erschwerend kommt bei den Belegen mit katta(n) allerdings hinzu, dass zumindest ab der mittelhethitischen Zeit eine syntaktische oder formale Unterscheidung vom homonymen katta(n) ‚unten, herunter‘ nicht möglich ist und daher viele Belege zweideutig sind, z. B.: 3.1.1.4-4: KUB 12.19 III 16' f. (mH/mS) n(u)=as māh[han] GIŠeyani kattan KONN=3SG.NOM.C wie
ari
Eibe?:D/L.SG dabei?/unten? ankommen: PRS.3SG.AKT
„Wenn er bei/unter der Eibe? ankommt, …“ Ein weiteres Beispiel für diese Ambiguität ist KBo 23.92+ II 6'–9' (mH/mS). Darüber hinaus scheint die Kombination aus der Ortsbezugspartikel =ssan (in der späteren Sprache =kkan) und dem Place Word āppan ‚hinten, danach‘ mit Städten eine Sonderbedeutung ‚nahe bei‘ zu haben (⇒2.4.1.4), ebenso =ssan peran mit Flüssen (⇒2.4.1.5). Beim folgenden Beleg passt die frühe Datierung (15. Jh.) nicht zum jungen =kkan, doch ist die Sprache dieser einzigartigen topografischen Beschreibung wohl luwisch überformt und weist noch andere Besonderheiten auf (s. Lorenz/Rieken 2007). 3.1.1.4-5: Bo 2004/01 22 (mH/mS) NA ⁴huwasi URU-⌈ya?⌉=at=kan
EGIR-an
Stele?:NOM.SG.N Stadt:D/L.SG=3SG.NOM.N=OBP hinten/bei
„Eine Stele?: Sie befindet sich bei der Stadt.“ Größere Entfernung zum Relatum wird mit dem adverbialen Adjektiv manninkuwan ‚nahe‘ (⇒2.4.3.2) ausgedrückt: 3.1.1.4-6: IBoT 1.36 I 18 f. (mH/mS; vgl. →2.4.3.2-1c) kēz=ma IŠTU LÚ.MEŠ ŠUKUR.KÙ.SI22 kuttaz DEM:ABL=KONN ABL/INS Leute
Goldspeer
1 LÚ
ŠUKUR.KÙ.SI22
Mauer:ABL 1 Mann Goldspeer
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
269
KÁ-as
mannikuwan arta
Tor:D/L.PL nahe
stehen:PRS.3SG.MP
„Auf der anderen Seite der Mauer der Goldspeer-Männer steht ein Goldspeer-Mann nahe dem Tor.“
3.1.2 Referenzrahmen Wenn der Suchbereich, den ein topologischer Relator bezeichnet, aufgrund einer zu weiten Entfernung von Lokatum und Relatum zu groß für eine sinnvolle Lokalisation wird, 21 muss auf ein genaueres System der Ortsbestimmung zurückgegriffen werden. Die menschlichen Sprachen verwenden dafür Koordinatensysteme, die bereits einleitend (Kap. 1.2) genannten Referenzrahmen.22 Nach allgemeiner Ansicht gibt es drei verschiedene Referenzrahmen – absolut, intrinsisch und relativ (deiktisch) –,23 die sich durch die Ausrichtung der Achsen (vertikal, transversal, horizontal) unterscheiden, während ihr Nullpunkt immer im Relatum liegt. Da diese Art der Lokalisation also im Gegensatz zur topologischen einen zusätzlichen Bezugspunkt erforderlich macht, wird sie perspektiviert (engl. auch „angular“) genannt. Nach Levinson (2003: 314, vgl. Levinson/Wilkins 2006b: 22) kommt mindestens éin Referenzrahmen in jeder Sprache vor, wobei der deiktische den intrinsischen voraussetzt. I. d. R. werden aber nicht mehr als zwei Referenzrahmen gleichzeitig verwendet und dies oft in funktional komplementärem Gebrauch. So beschreibt der absolute Rahmen häufiger Orientierung, Bewegung und (zunehmende) Entfernung (Levinson/Wilkins 2006c: 549). In der Vertikalen nutzen alle Sprachen mindestens auch absolute Ausdrücke. Der intrinsische Referenzrahmen ist bis auf ganz wenige Ausnahmen in allen Sprachen der Welt vertreten und somit in der Verbreitung, nicht hingegen im Aufbau, universal. 24 Dabei hat das Relatum aufgrund seiner Gestalteigenschaften oder durch konventionelle Festlegung eine Vorderseite, von wo aus sich die anderen Richtungen des Koordinatensystems ergeben. Die Bestimmung der Vorderseite ist sprachspezifisch, in europäischen Sprachen z. B. spielen funktionale Aspekte eine wichtige Rolle (Bewegungsrichtung bei Fahrzeugen, bei Möbeln der zweckmäßige kanonische Gebrauch usw., s. Ehrich 1985: 142, 146), in Maya-Sprachen (z. B. Tzeltal) werden hingegen in erster Linie die Symmetrieeigenschaften des Relatums berücksichtigt (Levinson/Wilkins 2006b: 20 f.).
21 Die tatsächliche Entfernung hängt in hohem Maße von den Eigenschaften der beteiligten Objekte und der beabsichtigten Genauigkeit der Aussage ab. So kann topologisches bei in den folgenden verschiedenen Kontexten angemessen sein: „Der Zucker steht bei den Gewürzen“ – „Der Rasenmäher steht bei der Scheune“ – „Wertheim liegt bei Würzburg. 22 S. Levinson/Wilkins (2006b: 3), für eine ausführliche Darstellung s. Levinson (2003: 24–92). 23 Zu einem möglichen vierten s. u. 24 S. Levinson (2003: 314). Die australische Sprache Guughu Yimithirr scheint nur absolute Lokalisationen zu kennen.
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
Für die intrinsische Lokalisation ist also die Beschaffenheit des Relatums entscheidend, viele Objekte haben jedoch keine leicht festzulegenden Seiten, z. B. Bäume, Gewässer oder Kiesel. In einigen Sprachen, z. B. im Japanischen, wird dieses Problem durch Umschreibun gen gelöst (z. B. durch deiktisches „auf der zu-/abgewandten Seite“, s. Fillmore 1982: 40 f.), in anderen, z. B. in den Sprachen Europas, wird ein eigener Referenzrahmen, der sog. relative (auch: „deiktische“) verwendet. Dabei verläuft die transversale Achse des Relatums durch das Centrum deicticum (⇒3.4), das gewöhnlich mit dem Standpunkt des Sprechers übereinstimmt, in Ausnahmefällen aber auch verschoben werden kann, z. B. auf den Hörer. 25 Die dem Centrum deicticum zugewandte Seite des Relatum kann sprach- und situationsspezifisch entweder als Vorderseite („gegengerichtet“) oder als Rückseite („gleichgerichtet“) definiert werden. Im Deutschen sind statische Arrangements i. d. R. gegengerichtet, im Hausa ist dies hingegen von den Gestalteigenschaften des Relatums abhängig (Ehrich 1985: 140 f.26, Fillmore 1982: 40 f.). Der relative Referenzrahmen wird beim Spracherwerb als letzter angeeignet, v. a. wegen der schwierigen Rechts-Links-Unterscheidung (Levinson 2003: 313, Levinson/Wilkins 2006c: 542 f.). Der intrinsische hingegen wird vom Kind als erster erworben. Er ist vergleichsweise einfach, da er nur Lokatum und Relatum, aber keinen externen Bezug, sondern nur eine aus dem Relatum selbst konstruierten Ausrichtung enthält, und steht der Topologie daher nahe. In einigen außereuropäischen Sprachen, die dieses relative System nicht verwenden, gibt es neben dem intrinsischen noch einen sog. absoluten Referenzrahmen. Dabei werden eine oder zwei Achsen nach geografischen Referenzpunkten, die vom Relatum und einem möglichen Centrum deicticum unabhängig sind, z. B. Himmelsrichtungen, Flussverläufe oder Ber ge, festgelegt (Levinson/Wilkins 2006c: 514 f.). Es gibt hier also keine echten horizontalen oder transversalen Achsen, sondern nur abstrakte Richtungen. Dieses System bleibt nicht ohne Einfluss auf die Kognition. Sprecher von Sprachen mit absolutem bzw. relativem Referenzrahmen nehmen ihre Umwelt gemäß diesen Systemen wahr, was sich experimentell beweisen ließ: Auf die Aufforderung hin, eine Reihe von gleich ausgerichteten Objekten mit klar erkennbarer Vorderseite von einem Tisch vor den Probanden aufzunehmen und sie auf einen Tisch hinter ihnen aufzustellen, ordneten erstere die Objekte in der gleichen absoluten Blickrichtung an, während letztere sie spiegelverkehrt, also in der gleichen relativen Blickrichtung aufstellten (s. Neumann/Widlok 1996, Levinson 2003: 123–169). Eine Besonderheit ist die vertikale Achse, für die es auch in allen anderen Sprachen absolute Ausdrücke (vgl. dt. oben – unten) gibt, was sich durch die Grunderfahrung der Schwerkraft leicht verstehen lässt (Levinson 2003: 314). Die Oben-Unten-Ausrichtung kann in seltenen Fällen auch intrinsisch ausgedrückt werden, so kann mit oberhalb des Knies auch dann 25 Nach Levinson/Wilkins (2006c: 543 f.) ist der relative Referenzrahmen vom intrinsischen durch Verschiebung der Sprecher-Koordinaten auf das Relatum abgeleitet. 26 Der Aussage Ehrichs (1985: 140), in Gleichrichtung fielen deiktische und intrinsische Beschreibung zusammen, kann ich nicht zustimmen. Sie beruht auf der Fehlannahme, dynamische Konfiguration würden gleichgerichtet-deiktisch beschrieben, tatsächlich handelt es sich aber um eine intrinsische Lokalisation.
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eine Stelle auf dem Oberschenkel bezeichnet werden, wenn die betreffende Person gerade liegt oder kopfüber hängt (anders Vater 1996: 60–62). Man könnte hier von gefrorener absoluter Lokalisation sprechen. Nach Svorou (1994: 22 f.) gibt es über die genannten hinaus noch einen Bewegungsreferenzrahmen, der kontextbedingt seine Dimensionen ändern (z. B. bei einem rückwärts rol lenden Auto) oder typische Ausrichtung (z. B. bei Feuerwaffen, Ferngläsern) ausdrücken kön ne. Nach der hier angenommen Definition der Referenzrahmen handelt es sich aber nur um einen Sonderfall der intrinsischen Lokalisation, bei der Eigenschaften des Relatums, worunter auch seine Bewegung fällt, die Ausrichtung der Symmetrieachsen bestimmt. Zusätzlich zu dieser kurzen Darstellung sind noch einige Besonderheiten zu beachten. Die Koordinatensysteme sind mindestens polar mit einer Achse, nicht unbedingt aber kartesisch mit drei Achsen aufgebaut, d. h. sie können auch nur teilweise in einer Sprache vor handen sein (Levinson 2003: 314, Levinson/Wilkins 2006c: 549). Die Maya-Sprachen z. B. ken nen keine Rechts-Links-Unterscheidung, wohl aber einen intrinsischen Referenzrahmen. Verschiedene Referenzrahmen können in einem Satz nebeneinander vorkommen, aber nicht für dasselbe Denotat. Sie können durch die Wortwahl z. T. vereindeutigt werden, im Deut schen werden Nomina und die meisten Adverbien nur intrinsisch, Präpositionen hingegen relativ und intrinsisch verwendet (Ehrich 1985: 147 f.). Die Auswahl unter den verfügbaren Re ferenzrahmen scheint weniger von Kultur und Sprache als von Situation und Idiolekt abzuhängen (Neumann/Widlok 1996). Im Deutschen beispielsweise beeinflussen pragmatische Faktoren die Wahl zwischen relativer und intrinsischer Lokalisation (Ehrich 1985: 150–160),27 außerdem kann es, wie bereits erwähnt eine funktionale Aufteilung der Systeme geben. Zuletzt muss noch einmal genauer auf die Rechts-Links-Unterscheidung eingegangen werden: Während sich die Vorne-Hinten-Opposition leicht aus der Form des (nicht unbedingt menschlichen) Körpers ergibt, ist dieser in der lateralen Horizontale symmetrisch aufgebaut. Daher verwundert es nicht, dass es nur hier ein unspezifisches „neben“ gibt und manche Sprachen auch keine genaueren Ausdrücke für die beiden Seiten kennen. Die Definition der Konzepte „rechts“ und „links“ bereitet einige Schwierigkeiten, so ist der Sitz des Herzens oder der bevorzugte Gebrauch der Hände (Ehrich 1985: 131 f.) problematisch, da sich bei der Dre hung des Kopfes unabhängig von deren Ausrichtung eine Verschiebung dieser Opposition ergibt. Nach Klein (1983: 296 f.) sollte man sie daher als rein konventionell festgelegt ansehen. Der Gegensatz von relativem und intrinsischen System wird bei der Horizontalen im Alltag besonders sichtbar, wenn der Sprecher ein „von mir aus (gesehen)“ oder andere Spezifizierungen der Perspektive hinzufügt. Referenzrahmen werden i. d. R. durch lexikalische oder syntaktische Mittel ausge drückt, nicht durch morphologische (Levinson 2003: 314). Dabei wird der absolute gemäß 27 Auch beim selben Objekt kann je nach Achse ein verschiedenes System gewählt werden: Die Transversale eines Sessels (ausgerichtet nach dem, der darin sitzt) und eines Schranks (nach dem kanonischen Gebrauch) wird intrinsisch ausgerichtet, die Horizontale aber nur beim Sessel (was rechts vom Schrank ist, wäre links vom Sessel), s. Ehrich (1985: 146).
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den bekannten Sprachen mit Determinierern, relationalen Nomina, Adverbien und lokalen Verben wiedergegeben, der intrinsische mit Adpositionen, relationalen Nomina, Adverbien, lokalen Verben und nur selten mit Determinierern oder gar Kasus (die ja i. d. R. topologisch sind), der deiktischer Referenzrahmen wird mit Adpositionen, relationalen Nomina und Adverbien, selten mit Determinierern ausgedrückt (Levinson 2003: 105). Wie bereits in Kapitel 3.1 erwähnt wurde, unterscheidet Hethitisch bei den Referenzrahmen, die in den folgenden Unterkapiteln dargestellt werden, nicht zwischen Ortsruhe und Hinbewegung, für die perspektivierte Fortbewegung gibt es die in Kap. 2.4.4.1 beschriebene zweiteilige Konstruktion aus Place Word (als Postposition mit Dat.-Lok.) und arha ‚weg‘ (z. T. mit OBP =kkan/=asta). 3.1.2.1 Absoluter Referenzrahmen Wie in anderen altindogermanischen Sprachen fehlt auch im Hethitischen ein Bezugssystem, dessen horizontale und transversale Koordinaten an Umgebungsmarken oder Himmelsrichtungen ausgerichtet wären. Selbst wenn die indogermanische Grundsprache einen solchen Referenzrahmen gehabt haben sollte (wofür es keine Hinweise gibt), wäre es fraglich, dass er die Abwanderung aus der Urheimat, die sicher nicht in Anatolien lag, überdauert hätte. Es finden sich auch keine Hinweise darauf, dass es in der hethitischen Gesellschaft Ansätze zu einer Ausrichtung auf die Hauptstadt als Bezugspunkt gab, wie man es aus dem Römischen Reich oder Byzanz mit der Verwendung des Appellativums „Stadt“ i. S. v. Rom (vgl. Urbi et orbi) bzw. Konstantinopel (vgl. İstanbul < gr. eis tēn pólin „in die Stadt“) kennt. Auch die Himmelsrichtungen spielen im Hethitischen keine besondere Rolle: 28 In dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Korpus wird der Osten ein einziges Mal erwähnt (KBo 3.22 11 f.), die anderen Himmelsrichtungen kommen überhaupt nicht vor. Aus anderen Quellen ist ihre logografische Lesung bekannt (s. Tischler 2001b: 234): IM.SI.SÁ, IM ILTANU ‚Norden, Nordwind‘, IM.MAR.TU ‚Westwind, Westen‘, IM.KUR.RA ‚Ostwind, Osten‘, IM.U19.LU ‚Südwind, Süden‘. Die hethitische Lautung dieser Namen ist unklar. Obwohl die beiden syllabisch belegten Windnamen tarsmeni- und udumeni- morphologisch durchsichtig sind (sog. Imperativkomposita „Dörre das Gesicht“ bzw. „Befeuchte das Gesicht“, s. Brosch 2008: 87 f.), ist ihre Zuordnung zu einer der Himmelsrichtungen bisher nicht gesichert; sachlich kämen Nord- (tarsmeni-) bzw. Südwind (udumeni-) in Frage. Bei der vertikalen Dimension, die im Anschluss besprochen wird, verwenden alle bekannten Sprachen u. a. absolute Ausdrücke (s. o.), bzw., hier fallen absolute, in trinsische und relative Lokalisation in aller Regel zusammen.
28 Bezogen auf die Sprache. Auf einer ideellen Ebene ist ihre Bedeutung kaum zu leugnen, vgl. z. B. die Ost-WestAusrichtung der Auguren bei der Vogelschau (Sakuma 2009: 229–235).
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„über“ Hethitisch kennt für diese Kategorie das Place Word ser ‚oben‘ (⇒2.4.1.2), das allgemein Superposition ausdrückt. Bei Bedarf kann Kontakt („auf“) durch eine Ortsbezugspartikel (=ssan/=kkan) expliziert werden. Zum expliziten Ausdruck von Superposition ohne Kontakt gibt es kein sprachliches Mittel. Hethitisch zeigt damit das eher seltene typologischen Verhalten der Kategorie c) nach Skopeteas (2007: 346–349) an, wonach es eine gemeinsame „über/ auf“-Kategorie und genau eine der Unterkategorien gibt. 29 3.1.2.1-1: KBo 23.92+ III 14' (mH/mS; vgl. →2.4.1.2-1b) ta luliyas sēr zahhanda KONN Teich:D/L.PL oben kämpfen:PRS.3PL.MP
„Sie kämpfen oberhalb der Teiche.“ Zum Ausdruck von „auf“ (i. d. R. =ssan +Dat.-Lok. ± ser) s. o. 2.3.4, 2.4.1.2., 4.1.1.3/4.1.3.4. Im folgenden Beispiel wird „über“ ähnlich wie im Deutschen metaphorisch verwendet: 3.1.2.1-2: HKM 18 Rs. 26 f. (mH/mS) kinun=(m)a apēdani halkī jetzt=KONN
d
UTUŠI ser m⌈ek⌉ki
DEM:D/L.SG.C Getreide:D/L.SG (Titel)
oben sehr
hasket entscheiden:IPFV:PRT.3SG.AKT
„Jetzt hat die Majestät über jenes Getreide ein endgültiges Urteil gefällt.“ 30 „unter“ Auch heth. kattan ‚unten‘ (⇒2.4.1.3) lässt sich primär über die absolute Orientierung an der Schwerkraft definieren. Zu intrinsischem „unter“ (i. S. v. „verborgen, geschützt“) s. u. 3.1.2.2. 3.1.2.1-3a: KBo 15.32+ IV 4' (mH/mS; ergänzt nach den jungheth. Duplikaten) [GÌR.MEŠ=tas kat]tan miu ēstu Füße=POSS.2SG.D/L.PL.C unten
weich:NOM.SG.N KOP:IMP.3SG.AKT
„Unter deinen Füßen soll es weich sein.“ 3.1.2.1-3b: KBo 15.33+KBo 15.35 II 14' f. (mH/mS) ⌈GI⌉ [kurtall]as=san31 kuis ZÌ.DA-it suuanz
ŠAPAL
Flechtkorb:NOM.SG=OBP REL:NOM.SG.C Mehl:INS füllen:PTZ.AKK.SG.C unten
GIŠ
BÚGIN
Kasten
29 Allerdings legt die Behandlung des Konverbs zum Ausdruck von Nicht-Kontakt im Koreanischen, das der Kategorie b) angehört (keine Unterscheidung von „auf/über“), bei Skopeteas (2007: 341–343) nahe, dass er zweiteilige Ausdrücke nicht gelten lässt und Hethitisch somit ebenfalls in die Gruppe der Sprachen gehöre sollte, die nur die übergeordnete Kategorie kodieren (durch ser ‚oben‘). M. E. wiegt aber die Tatsache, dass Heth. dennoch ganz über wiegend zwischen Kontakt und Nicht-Kontakt bei Superposition unterscheidet und sich somit von Sprachen wie Korean. abhebt, wo dies nur bei besonderer Relevanz im Diskurs geschieht, schwerer als die Teilung des Ausdrucks auf der Oberfläche. Dass es sich um éin Konzept handelt, zeigt die metaphorische Verwendung von ‚auf‘ als ‚wegen, für‘ (⇒2.3.4). 30 Zur einer anderen möglichen Interpretation s. →2.4.1.2-4c, S. 163, Fn. 317.
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kittat liegen:PRT.3SG.MP
„Den mit Mehl gefüllten Flechtkorb, der unter dem Kasten stand, …“ 3.1.2.1-3c: KUB 24.1+ III 14 f. (jH) nu=smas KUR.KUR LÚKÚR ŠAPAL GÌR.MEŠ-ŠUNU zikki KONN=3PL.D/L Länder
Feind
unten
Füße:POSS.3PL.M
setzen:IPFV:IMP.2SG.AKT
„Lege die Feindesländer ihnen zu Füßen!“ 3.1.2.2 Intrinsischer Referenzrahmen Der beinahe universale intrinsische Referenzrahmen, bei dem das Koordinatensystem an Gestalteigenschaften oder funktionalen Aspekten des Relatums verankert wird, ist auch im He thitischen fest etabliert und stellt das Hauptmittel der Lokalisierung dar. Aufgrund unserer mangelnden Kenntnis der Realien ist schwer zu bestimmen, welche Eigenschaften eines Objekts ausschlaggebend für die Ausrichtung der Achsen sind. Im Vergleich mit den anderen indogermanischen Sprachen dürfte man eine Mischung aus Symmetrie und Funktion erwarten. Im Folgenden werden jeweils einige Beispiele, nach Möglichkeit sowohl syllabisch als auch logografisch geschriebene, für die sechs kartesischen Koordinaten „vor“ – „hinter“, „rechts“ – „links“ und „über“ – „unter“ gegeben. „vor“ Das übliche Ausdrucksmittel für „vor(ne)“ ist das Place Word peran (⇒2.4.1.5). 3.1.2.2-1a: IBoT 1.36 I 35 (mH/mS) LÚ nu=ssi kuis [MEŠE]⌈DI⌉ pera(n)=ssit KONN= 3SG.D/L.C REL:NOM.SG.C Leibwächter
artari
vorne=POSS.3SG.ABL/INS stehen:PRS.3SG.MP
„Der Leibwächter, der vor ihm steht, …“ 3.1.2.2-1b: KBo 15.33+KBo 15.35 II 13' (mH/mS) ⌈nu⌉ DUGisnūrus PANI ⌈DINGIR⌉LIM istanāni KONN Backtrog:AKK.PL.C vor
Gottheit
peran [tianzi]
Postament:D/L.SG vorne
stellen:PRS.3PL.AKT
„Man stellt die Backtröge vor die Gottheit vor das Altarpostament.“ Ein besonderer Fall der „vor“-Relation ist das in vielen Sprachen bekannte Konzept „gegenüber“, bei dem Lokatum und Relatum, von denen mindestens eines eine intrinsische Vorderseite haben muss, vis-à-vis stehen. Im Hethitischen wird dieses Zugewandt-Sein mit dem Place Word menahhanda (⇒2.5.4) ausgedrückt, das in statischer Bedeutung meistens mit der Ortsbezugspartikel =kkan steht, in dynamischer („entgegen“) jedoch ohne (s. Boley 2000: 180 f.): 31 Die Verwendung von =ssan hier ist nicht völlig klar. Entweder ist direkter Kontakt („unten an“), vergleichbar mit =ssan ser, gemeint, oder es handelt sich – wenig wahrscheinlich – um einen Vorausgriff auf das Abstellens im nächsten Satz (s. die Fortsetzung in →2.4.4.2-1b).
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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3.1.2.2-2a: KUB 29.8+ I 13 (mH/mS) menahhanda=ma=kan IŠTU ŠA dHepat hantezzin gegenüber=KONN=OBP d
Hepat dUTU
(GN)
(GN)
ABL/INS GEN (GN)
kuptin
ANA
erster:AKK.SG.C (u. B.):AKK.SG DAT
URU
Arinna=ya KI.2 (= walhanzi)
(ON)=KONN
dito32
„Gegenüber aber auf der Seite der Hebat schlägt man das erste k. für Hebat und die Sonnengöttin von Arinna.“ 3.1.2.2-2b: KBo 7.14+KUB 36.100 4 (aH/aS?) nu menahhanda ehu KONN gegenüber
kommen:IMP.2SG.AKT
„Komm (mir) entgegen!“ „hinter“ Diese Relation wird mit dem Place Word āppan (⇒2.4.1.4), seltener āppanda (⇒2.4.4.6), ausgedrückt. 3.1.2.2-3a: KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 58 f. (mH/mS) nu=smas ūrkis EGIR-an IŠTU Ì.DÙG.GA LAL=ya KONN=3PL.D/L Spur:NOM.SG hinten
iskannz
ABL/INS Feinöl
Honig=KONN
33
schmieren:PTZ.NOM.SG.C
„Ihre Spur ist dahinter/danach mit Feinöl und Honig gezogen.“ 3.1.2.2-3b: IBoT 1.36 II 38 (mH/mS) ANA GIŠhuluganni=ma=at EGIR-pa 1 IKU ⌈iya⌉nta DAT Kutsche?:D/L.SG=KONN=3PL.NOM.C hinten
1 (Maß) gehen:PRS.3PL.MP
„Sie gehen aber ein Iku [15m] hinter der Kutsche?.“ 3.1.2.2-3c: KUB 12.19 III 15' (mH/mS) kuit EGIR DINGIRLIM tianzi REL:AKK.SG.N hinten Gottheit
setzen:PRS.3PL.AKT
„Was man hinter die Gottheit setzt/stellt, …“ „über“ und „unter“ Vertikale Ausrichtung kann universell absolut definiert werden (⇒3.1.2). Bei einem Objekt in kanonischer Position fallen intrinsische und absolute Ober- bzw. Unterseite zusammen. Beim Verlassen der kanonischen Position, wofür sich in Korpussprachen oft nur schwer Beispiele finden lassen, geht nach Vater (1996: 60–62) auch der intrinsische Referenzrahmen verloren, doch dürfte man auch zu jemandem, der liegt, z. B. „Über deinem Knie sitzt eine Fliege“ sa -
32 Zur Verwendung dieses Logogramms vgl. S. 160, Fn. 310. 33 𒅖𒃷�� iš-kanan-za = [ıskāNts].
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
gen können, daher sind auch intrinsische Ausdrücke denkbar. Für das Hethitische konnten im Korpus aber kein solcher Fall gefunden werden. Dass „unter“ im Hethitischen wie im Deutschen und anderen Sprachen auch eine semantische Komponente „geschützt, nicht sichtbar“ enthält, die sogar die tatsächliche räumliche Relation übergehen kann (s. Klein 1990: 32 f.), zeigt das folgende, intrinsisch zu verste hende Beispiel: 3.1.2.2-4: KBo 39.8 III 24 f. (mH/mS) MUNUS n(u)=at ŠU.GI ANA 2 BEL SÍSKUR KONN=3SG.AKK.N Alte
TÚG
seknuwas ⌈katt⌉an
Mantel?:D/L.PL unten
DAT 2 Herr Opfer
ēpzi ergreifen:PRS.3SG.AKT
„Die Alte hält es den beiden Ritualherren unter den Mantel?.“ „rechts“ und „links“ Da man die im Text beschriebenen Konfigurationen nicht in der realen Welt überprüfen kann, ist es in den meisten Fällen nicht möglich die Perspektive der Beschreibung festzustellen. Wenn also von einer „rechten Hand“ (z. B. KUB 20.88 Vs.? I 2–4; mH/mS) oder dem „rechten Rad“ eines Wagens (IBoT 1.36 IV 24af.; mH/mS) die Rede ist, weiß man nicht, ob die Sicht des Sprechers oder des Relatums eingenommen wurde. Recht sichere Beispiele für eine intrinsische Lokalisierung sind hingegen die folgenden: 34 3.1.2.2-5a: KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 35 (mH/mS) urnirnis ZAG-az ānsanz Finger:NOM.SG rechts:ABL wischen:PTZ.NOM.SG.C
„Der „Finger“ (Teil der Leber) ist rechts abgewischt.“ 3.1.2.2-5b: KBo 9.140 III 11 f. (mH/mS) 1 EMṢA NINDA.GUR4.RA parsiyantan 1 sauer
Dickbrot
ANA dDAMKINA GÙB-laz
brechen:PTZ.AKK.SG.C DAT (GN)
links:GEN
dāi setzen:PRS.3SG.AKT
„Ein zerbrochenes saures Dickbrot legt er links von Damkina hin.“ Wie in vielen anderen Sprachen gibt es auch einen allgemeinen Ausdruck „neben, seitlich“, der die horizontale Ausrichtung, aber nicht die konkrete Seite angibt. Im Hethitischen werden dafür der Ablativ (ab der altheth. Zeit) oder Direktiv (ab der mittelheth. Zeit) von tapus‚Rippe, Seite‘ zusammen mit einer weiteren Lokalangabe verwendet. 3.1.2.2-6a: KBo 40.123+ I 8 f. (mH/mS) tapusa=ya 1 GIŠBANŠUR AD.KID Seite:DIR.SG=KONN 1 Tisch
ANA dNabarbi dSapusga tianzi
Rohrgeflecht DAT (GN)
(GN)
setzen:PRS.3SG.AKT
34 Vgl. auch KBo 32.13 II 26 f. (mH/mS).
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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„(Man zieht/spannt ein Tuch dazwischen.) Und an der Seite stellt man einen Flechtaltar für Nabarbi-Savoska auf.“ 3.1.2.2-6b: KBo 17.21+ 66 (aS) DUMU.⌈É⌉.GAL LUGAL-as tapusz Palastbediensteter
ŠUKUR dāi
König:GEN.SG Seite:ABL Speer
setzen?:PRS.3SG.AKT35
„Ein Palastbediensteter stellt (nimmt?) einen Speer neben den König.“ 3.1.2.3 Relativer Referenzrahmen Der relative Referenzrahmen, bei dem der Sprecher oder allgemein das Centrum deicticum Bezugspunkt für die Ausrichtung der transversalen Achse des Relatums ist, wird wie in ande ren altindogermanischen Sprachen auch im Hethitischen in großem Maße verwendet. Bei symmetrischen Objekten, für die deiktisch (⇒3.4) eine Vorder- bzw. Rückseite konstruiert wird, sind dabei Gleich- und Gegengerichtetheit dieser Achse in Bezug auf den Sprecher möglich, wobei beide Systeme in einer Sprache auch nebeneinander vorkommen können (s. o. 3.1.2). Für das Hethitische lässt sich anhand zweier Beispiele wahrscheinlich machen, 36 dass zumindest für statische Konfigurationen (wie z. B. im Deutschen) das gegengerichtete System verwendet wurde: 3.1.2.3-1a: KUB 55.43 IV 30' f. (mH/mS) n(u)=at=kan prā pānzi
nu=z
EGIR-pa EGIR
KONN=3PL.NOM.C=OBP voran hingehen:PRS.3PL.AKT KONN=REFL wieder GIŠ
AB.ḪI.A AŠARŠUNU
Fenster
hinten
appanzi
Platz:POSS.3PL.M ergreifen:PRS.3PL.AKT
„Sie gehen hinaus und nehmen hinter dem Fenster wieder ihre Plätze ein.“ 3.1.2.3-1b: KBo 38.1 6 f. (mH/mS) nu LUGAL-us É.ŠÀ-ni
anda paizzi §
n(u)=as
KONN König:NOM.SG Innengemach:D/L.SG drinnen hingehen:PRS.3SG.AKT KONN=3SG.NOM.C GIŠ
luttiya
⌈per⌉an tiyazz[i]
Fenster:D/L.SG vorne
treten:PRS.3SG.AKT
„Der König geht ins Innengemach hinein. [§-Strich] Er tritt vor das Fenster.“ „vor“ Wie beim intrinsischen Referenzrahmen ist der übliche Ausdruck heth. peran ‚vor(ne)‘ (s. o.).
35 Die Form ist mehrdeutig. Da der Kontext nicht klar ist und bei zweiwertigem dā/d-i ‚nehmen‘ regulär keine OBP steht, ist die Übersetzung mit dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ nicht sicher. 36 Unter der plausiblen Bedingung, dass das Centrum deicticum im Gebäude und nicht außerhalb liegt. Die dem Betrachter nahe Innenseite des Fensters ist als „vorne“, die Außenseite „hinten“.
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
3.1.2.3-2: KBo 15.33+KBo 15.35 III 2 f. (mH/mS) n(u)=an=san ŠA DINGIRL[IM] GIŠlahhuri KONN=3SG.AKK.C=OBP GEN Gottheit
luttiya
peran
Opfertisch:D/L.SG Fenster:D/L.SG vorne
tianzi setzen:PRS.3PL.AKT
„Man stellt ihn vor dem Fenster auf den Opfertisch der Gottheit.“ Verneigungen „vor dem Fenster“ werden öfters erwähnt, vgl. neben KBo 17.74+ I 13 f. (aH/ mS) z. B.: 3.1.2.3-3: KBo 38.1 7 (mH/mS) GIŠ n(u)=as luttiya ⌈per⌉an tiyazz[i] KONN=3SG.NOM.C Fenster:D/L.SG vorne
treten:PRS.3SG.AKT
„Er tritt vor das Fenster.“ „hinter“ Wie beim intrinsischen Referenzrahmen ist der übliche Ausdruck heth. āppan ‚hinten/hinter‘ (s. o.). 3.1.2.3-4a: KuT 49 18 f. (mH/mS) n(u)=as EGIR-an katta kustayati KONN=3SG.NOM.C hinten
KASKAL-si EGIR-an arha
herab ungünstig:ABL Weg:D/L.SG
hinten
weg
„Er (kam) im hinteren Bereich hinter dem Weg aus dem ungünstigen (Bereich) weg herab(geflogen).“ 3.1.2.3-4b: KUB 55.43 IV 31' (mH/mS) nu=z EGIR-pa EGIR GIŠAB.ḪI.A AŠARŠUNU KONN=REFL zurück
hinten Fenster
appanzi
Platz:POSS.3PL.M ergreifen:PRS.3PL.AKT
„Sie nehmen hinter dem Fenster wieder ihre Plätze ein.“ „über“ und „unter“ Eine relative Bezeichnung der vertikalen Relation (s. o. 3.1.2.1 zum absoluten Referenzrah men) ist nur in wenigen, eher konstruierten Fällen (z. B. durch eine auf dem Kopf stehenden Person) denkbar. Im vorliegenden Korpus ließ sich dafür kein Beispiel finden. „rechts“ und „links“ Im vorherigen Unterkapitel ist bereits die Schwierigkeit bemerkt worden, bei Rechts-LinksKonfigurationen die Perspektive festzustellen. Ein vergleichsweise sicheres Beispiel für eine relative Rechts-Links-Unterscheidung ist das folgende: 3.1.2.3-5: KBo 24.66+ II 20 f. (mH/mS) kunnaz=ma=kan [DUGā]hrūshiyaz GIŠEREN srā dāi rechts:ABL=KONN=OBP Räucherschale:ABL Zeder
hoch nehmen:PRS.3SG.AKT
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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„Aus der rechten Räucherschale aber nimmt er Zedernholz auf.“ Der Ausdruck „neben, seitlich“ (vgl. o. 3.1.2.2) ist marginal auch für den relativen Referenzrahmen belegt, vgl. das folgende Beispiel:37 3.1.2.3-6: KBo 20.67+ III 21 (aH?/mS) n(u)=as ANA NINDA.GUR4.RA tapusz KONN=3SG.NOM.C DAT Dickbrot
ti⌈y⌉ēzzi
Seite:ABL treten:PRS.3SG.AKT
„Er tritt neben das Dickbrot.“
3.1.3 Toponyme Unter „Ortsnamen“ kann man zwei verschiedene Gruppen verstehen, ortsbezogene Eigennamen und ortsbezogene Appellativa (z. B. Gebiet). Letztere werden hier nicht als Ortsnamen bzw. Toponyme bezeichnet, dafür aber alle Arten Namen für individuelle Örtlichkeiten, d. h. Gebäude, Siedlungen, Wege, Gewässer, Berge, Inseln, Landschaften und Länder. Als Objekt der Onomastik werden Ortsnamen weitestgehend unter diachronischen Aspekten untersucht, entsprechend fehlen typologische und kognitivistische Arbeiten zu diesem Thema.38 Sie sind in diesem Rahmen nur von untergeordneter Bedeutung, könnten aber in zweierlei Hinsicht von Interesse sein: Zum Einen zeigen Toponyme wie andere Eigennamen auch bisweilen ältere morphologische Formen (vgl. die lateinischen Lokative Romae „in Rom“, Rhodi „auf Rhodos“), zum Anderen könnte die Tatsache, dass sie anders als die meisten Appellativa bereits eine Ortsangabe enthalten, 39 zu syntaktischen Auffälligkeiten führen: Es lässt sich beobachten, dass Ortsangaben einzelsprachlich aus ökonomischen Gründen ohne zusätzliche Relatoren stehen können, vgl. die beiden folgenden Wendungen aus dem Berliner Nahverkehr: 3.1.3-1a (Hörbeleg, deutsch) Sie müssen Friedrichstraße einsteigen „Sie müssen an der (Haltestelle) Friedrichstraße einsteigen.“ 3.1.3-1b (Hörbeleg, türkisch) Berliner Straße‘yim40 (ON):KOP.1SG
„Ich bin an der (Haltestelle) Berliner Straße.“ 37 Sofern hier tatsächlich nur das Brot gemeint ist (→3.1.2.2-6b)! 38 Sofern solche überhaupt möglich wären. Untersuchen könnte man im Grunde nur den Vorgang der Neubenennung von Orten, sowie die gleich anzusprechende Syntax. 39 An sich haben Eigennamen natürlich kein Signifié, sondern verweisen nur auf ein individuelles Denotat. Dieser aber hat einen festen Ort. 40 Bei dem Ausdruck handelt es sich wohl um eine Lehnprägung nach dem deutschen Muster aus Bsp. →1a.
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
Bei der Untersuchung von Lokalangaben in einer gegebenen Sprache muss daher zunächst eine Unterteilung in Ortsnamen und Appellativa gemacht werden, um mögliche Besonderheiten ersterer sichtbar zu machen. Im Hethitischen nehmen Ortsnamen aller Art41 die lokalen Kasus Dativ-Lokativ, Direktiv und Ablativ (⇒2.1) an, die durch Place Words genauer bestimmt werden können. Sie unterscheiden sich syntaktisch offenbar nicht von lokal gebrauchten Appellativa, obwohl sie bereits als Lexem Orte bezeichnen. Boley (1989: 98 f., 2000: 85–88) weist allerdings darauf hin, dass Stadt- und z. T. Ländernamen länger als andere Nomina ohne die sich im Mittelhethiti schen immer weitere ausbreitende Ortsbezugspartikel =kkan stehen. Orthografisch werden Toponyme wie andere Eigennamen oft in der bloßen Stammform wiedergegeben, d. h. die sprachwirkliche Kasusendung ist nicht sichtbar: 3.1.3-2a: KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 13 f. (mH/mS) MUNUS.LUGAL=wa(r) URUSamuha weddu Königin=„“
(ON)
kommen:IMP.3SG.AKT
„»Die Königin soll nach Samuha kommen.«“ 3.1.3-2b: HKM 47 8 (mH/mS) URU wēs=nas Panada esuwen wir:NOM=1PL.D/L42 (ON)
KOP:PRT.1PL.AKT
„Wir waren in Panada.“ Die Ø-Markierung ist bei der Angabe von Zielen der Normalfall, 43 während sie bei statischer Lokalisierung auffällig selten ist. Orte können auch durch die Akkadogramme INA und ANA als Ort oder Ziel44 eines Sachverhalts markiert werden: 3.1.3-3a: KBo 54.125+ II 6 f. (mH/mS) nu=us=kan INA URUHanhana INA É KONN=3PL.AKK.C=OBP LOK (ON)
d
Telipinu anda pennianzi
LOK Haus (GN)
drinnen hintreiben:PRS.3PL.AKT
„Man treibt sie in Hanhana in den Tempel des Telibinu hinein.“ 3.1.3-3b: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 67 f. (mH/mS) nu=wa(r) namma ÉRIN.MEŠ URUD(a)lauwa ANA URUHinduwa sardiya KONN=„“
ferner
Truppe
(ON)
DAT (ON)
Ū[L]
Hilfe:D/L.SG NEG
wezz[i] kommen:PRS.3SG.AKT 41 Sie treten meist mit Determinativen auf, z. B. URU oder KI für Städte, ÍD für Flüsse, ḪUR.SAG für Berge, KUR für Länder. 42 Zum mittelheth. Gebrauch von Reflexivpronomen in Kopula-Sätzen s. GHL (413). 43 Vielleicht als Reminiszenz an den Direktiv, vgl. S. 282, Fn. 45? 44 Da nach der altheth. Zeit Ort und Ziel nicht mehr durch Kasus unterschieden wurden, findet man häufig auch Beispiele, wo INA das Ziel bezeichnet, z. B. nu INA URUKasepūra huettiyatten „Zieht nach Kasebora“ (HKM 25 13 f.; mH/mS). Für den umgekehrten Fall ist kein Bsp. zu finden, vgl. aber generell [n(u)]=at=kan ANA DUGÚTUL anda zanuanzi „Man kocht es in einem Topf“ (KBo 24.66+ II 69; mH/mS). – Akkadograf. Markierung ist auch im Genetiv (weglassbares ŠA) sowie Ablativ und Instrumental (obligatorisches IŠTU) üblich.
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„»Ferner werden die Truppen von Tlos? (nach) Hinduwa nicht zu Hilfe kommen.«“ INA + unflektierter Ortsname ist der Standard zum Ausdruck einer statischen Lokalisation. Eher seltene Fälle mit geschriebener Kasusendung 45 zeigen jedoch, dass es sich bei der fehlenden Markierung generell um ein rein grafisches Phänomen handelt: 3.1.3-4: KBo 3.22 55 (aS) URU nu Nēsi URU.DIDLI wetenun KONN (ON):D/L.SG Stadt:KOLL
bauen:PRT.1SG.AKT
„Ich baute die Anlagen? in Nesa.“
3.1.4 Positionsverben Das Verb spielt in den meisten Sprachen der Welt eine zentrale Rolle beim Ausdruck von Räumlichkeit, auch im Hethitischen, wo man Positions- und Bewegungsverben unterscheiden kann. Die Bewegungsverben werden dabei unten in 3.2.2 besprochen. Die Positionsverben sind aus typologischer Sicht sowohl ausdrucks- als auch inhaltsseitig äußerst variabel (s. allgemein Ameka/Levinson 2007 mit weiterer Literatur). Sie sind an der statischen Lokalisation beteiligt (in der Basic Locative Construction, ⇒3.1.1.2), ihre Zahl kann zwischen null und über einhundert schwanken. Das bedeutet, manche Sprachen setzen für Lokalisierungen nur wenige Verben 46 und sonst nur nicht-verbale Mittel (z. B. Relatoren) ein, während andere (z. B. Tzeltal, Nànáfwê) vielleicht nur eine einzige Adposition besitzen und das Verhältnis von Lokatum und Relatum durch eine Fülle von Positionsverben ausdrücken (vgl. Levinson/Wilkins 2006c: 524, Stolz 1992: 18 f.). In denjenigen Sprachen, die nur sehr wenige (bis zu sieben) solche Verben kennen, drücken diese auch gewöhnlich nicht die genaue Relation aus, sondern klassifizieren das Lokatum nach wenigen, sehr allgemeinen Kategorien,47 die in Abhängigkeit von den Gestalteigenschaften (z. B. „stehen“ für Objekte mit dominant vertikaler Achse) oder von einer unüblichen Ausrichtung des Lokatum verwendet werden.48 Es handelt sich dabei im Grunde nicht um eigene Positionsverben, sondern um einen lokalen Gebrauch der universal vorhandenen Verben für die menschliche Körperhaltung (Ameka/Levinson 2007: 854).49 In kanonischer Position des Lokatum entsprechen 45 In den ältesten Texten (z. B. KBo 3.22) werden die Kasus noch oft ausgeschrieben, im Laufe der Zeit aber immer häufiger weggelassen. Da der Direktiv Singular der fast ausschließlich a-stämmigen Städtenamen mit dem Stamm identisch ist, lässt sich bei einem Toponym auf -a nicht sicher entscheiden, welche Art der Schreibung vorliegt, da auch altheth. endungslose Ortsnamen vorkommen. 46 Im Extremfall gibt es gar keine Verben oder nur, wie im Englischen, eine Kopula, oder ein unspezifisches Verb. 47 Sehr häufig sind es Entsprechungen der Verben stehen, sitzen und liegen (Ameka/Levinson 2007: 850); vgl. auch Premper (1993: 134). 48 Sprachen können aber auch in ihren Bewegungsverben das Lokatum beschreiben, z. B. Atsugewi (s. Talmy 1985, Beavers et al. 2010: 368). 49 Dabei müssen nicht alle solchen Verben auch übertragen gebraucht werden, z. B. findet sich „liegen“ weitaus häufiger als Positionsverb als „kauern“. Zu den zehn deutschen Positionsverben s. Kutscher/Schultze-Berndt (2007).
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diese Verben semantisch der einfachen Kopula (i. S. v. „sich befinden“), die jeweils anderen Verben drücken nicht-kanonische, markierte Lagen aus (Premper 1993: 133 f.), vgl. dt. Die Tasse steht auf dem Tisch – Die Tasse liegt (umgestürzt/in Scherben) auf dem Tisch. Wie die englische Entsprechung The cup is on the table mit der bevorzugten Kopula zeigt, kann die Verwendung der Positionsverben selbst in nah verwandten Sprachen stark voneinander abweichen. In den Sprachen Europas gibt es durchweg nur wenige Positionsverben. Im Folgenden soll nun die semantisch bedingte Verteilung der einfachen 50 hethitischen Verben, die an statischen Lokalisationen beteiligt sind, erörtert werden. Die Syntax dieser Positionsverben, die sich in der älteren Sprache teils deutlich von der der Bewegungsverben (⇒3.2.2) unterscheidet, wurde bereits in Kap. 2.2.1 dargestellt. Generell lässt sich feststellen, dass die hethitischen Positionsverben ähnlich wie in den meisten europäischen Sprachen lediglich klassifizieren, während die eigentliche Lokalisation durch andere Mittel (Kasus, Ortsbezugspartikeln, Place Words) geleistet wird (Typ IIa in der Klassifikation von Ameka/Levinson 2007: 863 f.). Grundsätzlich wird dabei nach Menschen und anthropomorphen Objekten wie Statuen bzw. Tieren 51 auf der einen Seite und Objekten auf der anderen Seite unterschieden. Für die Lebewesen gibt es mehrere Verben, die die Körperhaltung ausdrücken (ar-tta(ri) ‚stehen‘, ki-tta(ri) ‚liegen‘, es-/as-a(ri)/zi ‚sitzen‘), sowie unbestimmtes es-/as-zi ‚sich befinden, sein‘ (im Nominalsatz auch Ø). Bei den Objekten treten neben der Kopula zwar auch die eben genannten Verben ar-tta(ri) und ki-tta(ri) auf, jedoch nach einer anderen Systematik. Die Belege lassen hierbei zwei gleichermaßen plausible Interpretationen zu: 1. In Abhängigkeit von den Gestalteigenschaften der Lokata steht ki-tta(ri) als unmarkiertes Glied der Opposition im Normalfall, ar-tta(ri) tritt dann auf, wenn Objekte eine dominante vertikale Ausrichtung aufweisen. Die Kopula es-/as-zi (bzw. Ø) tritt bei Lokata ohne eine gut schematisierbare Gestalt auf, z. B. bei Städten oder Gewässern. 2. Es ist aber auch eine funktionale Unterscheidung denkbar. Neben seiner Bedeutung ‚liegen‘ suppliert ki-tta(ri) als Resultativpassiv ‚gelegt sein‘ bekanntlicherweise auch das Verb dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘, d. h. man findet es mit dynamischen Place Words 52 und vielleicht auch in dynamischer Syntax wie mit Direktiv (wenn so korrekt, vgl. die Anmerkung) im folgenden Beispiel:
50 Gemeint sind hier also grundlegende Ausdrücke, die auf die Frage „Wo?“ antworten. Nicht hierher gehören komplexere Konstruktionen, z. B. mit einem Resultativpassiv, da sonst eine große Menge transformativer Verben als Positionsverben betrachtet werden müsste. 51 Hierfür gibt es nur sehr wenige Belege, v. a. mit Huftieren. Daher ist es unklar, wie kleinere Tiere wie Reptilien oder Insekten kategorisiert werden. 52 Ein eindeutiges Bsp. in altheth. Schrift ist kēdani=ma GIŠhupparas katta kidari „In das andere (Loch) ist ein h.Gefäß hinabgelegt“ (KUB 33.59 III 8' f.). Die Be lege aus mittelheth. Texten sind wegen der zunehmenden Aufgabe der Unterscheidung von Statik und Dynamik weniger aussagekräftig, allerdings ist es in KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 10 f. in Verbindung mit arha, das nie in Nominalsätzen auftritt (⇒2.5.1.1), eindeutig dynamisch.
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3.1.4-1: KBo 3.7 IV 12 f. (aH/jS) nu=s‹san› wattarwa ser NA⁴ŠU.U ŠÚ.A kitta KONN=OBP Loch:DIR.SG
oben Basalt
Thron liegen:PRS.3SG.MP
„Ein Thron aus Basalt ist oben auf das Loch gestellt.“53 Somit könnte ki-tta(ri) für kleinere, bewegliche Objekte stehen, ar-tta(ri) hingegen für größere, unbewegliche. Die Eigenschaften der Objekte passen nach Möglichkeit 1.) wie 2.) in aller Regel zusammen, weshalb eine Entscheidung schwer fällt. Allerdings legt der Gebrauch der Positionsverben bei Personen den gestaltabhängigen Ansatz 1.) nahe, zudem wäre die Wahl der Kopula in System 2.) erklärungsbedürftig. Das besondere Beispiel DUGpalhi- (→3.1.4.13ab) ist in beiden Systemen gleichermaßen plausibel zu erklären. 54 Die folgenden Beispiele sind nach Objekten und Personen (usw.) gegliedert. 3.1.4.1 Objekte
ki-tta(ri) ‚liegen, gelegt sein‘ 3.1.4.1-1a: KUB 30.29 2 f. (mH/mS?) nu=ssan kuedaniy[a ANA ] ⌈1⌉EN KONN=OBP REL:D/L.SG.N DAT
1
GIŠ
kuppisni
1EN
Schemel?:D/L.SG 1
GIŠ
sarpassis
Fellbezug?:NOM.SG
kitta liegen:PRS.3SG.MP
„Und auf jedem einzelnen Schemel? liegt je ein Fellbezug?.“ 3.1.4.1-1b: KBo 17.105+KBo 34.47 II 33' (mH/mS) PŪ-iy=a=smi NINDA.Ì.E.DÉ.A namma kittaru Mund:D/L.SG=KONN=2PL.D/L Rührkuchen
ferner
liegen:IMP.3SG.MP
„In euren Mund sei ferner Rührkuchen gelegt!“ 3.1.4.1-1c: KUB 43.30 IV 12' (mH/mS) n(u)=as=s[a]n hassī PANI dU.GUR kitta KONN=3SG.NOM.C=OBP Herd:D/L.SG vor
(GN)
„Er (ein Becher) steht auf dem Herd vor Nergal.“
liegen:PRS.3SG.MP 55
53 S. CHD (S: 130) für die sinnvolle Ergänzung nu-uš‹-ša-an›. Es ist allerdings sehr bedenklich, dass aktives dai-/ti-i ‚setzen, stellen, legen‘ auch altheth. nie mit Dir., sondern immer mit Dat.-Lok. erscheint (⇒2.1.3). Wahrscheinlich ist wa-at-tar-wa um ein einfaches AŠ (�) zu wattarwa‹s› (Dat.-Lok. Pl. oder, mit Neu 1980a: 35, Fn. 80, Gen. Sg.) zu emendieren. 54 Das CHD (P: 66 f.) etabliert für dieses Beispiel ein drittes System, nach dem ki-tta(ri) allgemeines „sich befinden“ ausdrücke, ich kann dafür aber in der Gesamtheit der Belege keine Basis ausmachen. In den Mursili-Annalen findet sich jedoch einmal dazu passendes asi=ma=kan URUAripsas Š[À A.A]B.BA kittari „Jenes Aripsa aber liegt im Meer“ (KBo 4.4 IV 5; jH). Ob es sich bei dieser Abweichung um eine diachronische Entwicklung handelt, ist nicht festzu stellen. 55 Für ein weiteres Beispiel s. KBo 58.110+ I 20 f. (mH/mS).
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ar-tta(ri) ‚stehen‘ 3.1.4.1-2a: HKM 19 5 f. (mH/mS) kāsa=wa(r)=ssan halkiḪI.A.-as karū arantes DEM.1=„“=OBP56
Getreide:NOM.PL bisher stehen:PTZ.NOM.PL.C
„»Das Getreide hier steht schon an.«“57 3.1.4.1-2b: KBo 44.125+ II 17 (mH/mS) INA URUTaniskuriya NA⁴huwasi ŠA dTelipinu art[ari] LOK (ON)
Stele?:NOM.SG GEN (GN)
stehen:PRS.3SG.MP
?
„In Taniskuriya steht eine Stele des Telibinu.“ Das Verb wird zudem bei Himmelskörpern als spezieller Terminus i. S. v. „stillstehen, stehen bleiben“ verwendet, s. die Belege im HED (I/II: 105 f.). Interessant ist das Gefäß (DUG)palhi- c./n. (wörtl. „der/das Breite“), ein verschließbares, in verschiedenen Größen belegtes Vorratsgefäß aus verschiedenen Materialien für Flüssigkeiten. Es ist zweimal mit ki-tta(ri) belegt (→3a; s. CHD P: 67), einmal in ähnlichem Kontext aber auch mit ar-tta(ri) (→3b): 3.1.4.1-3a: KBo 23.4+ II 9' (aH/mS) aruni=ma ⌈URUDU⌉-as palhaes
kianda[ri]
Meer:D/L.SG=KONN Kupfer:GEN.SG Kessel:NOM.PL liegen:PRS.3PL.MP
„Im Meer aber liegen Kessel aus Kupfer.“ 3.1.4.1-3b: KUB 17.10 IV 15 (aH/mS) kattan dankui taknī ZABAR palhi unten
dunkel:D/L.SG.N Erde:D/L.SG Bronze
arta
Kessel:NOM.PL stehen:PRS.3SG.MP
„Unten in der dunklen Erde stehen Kessel aus Bronze.“58 Dies ist der einzige Fall, bei dem das gleiche Objekt mit verschiedenen Positionsverben vor kommt. Das Gefäß könnte von seinen (zusammen mit der Größe variablen?) Gestalteigenschaften her vielleicht einen Grenzfall zwischen den „stehenden“ und den „liegenden“ Objekten darstellen. In dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Korpus konnten keine weiteren Zweifelsfälle dieser Art gefunden werden.
56 =ssan hier (nach Boley 2000: 107) perfektisch, im Sinne vom Erreichen einer Grenze (nämlich der Reife, ähnlich wie dt. an in der Übersetzung). 57 Ein Nom. Pl. auf -as ist ungewöhnlich, vgl. aber HKM 25 15 f. nu=ssan mān halkies arantes „Wenn das Getreide reif ist, …“ (fragmentarisch HKM 37 Vs. 14 f. mit Trauben). Als Alternativbeispiel kann man auch KUB 17.10 IV 27 f. (aH/mS) heranziehen: dTelipinuwas peran GIŠeya‹n› arta „Vor Telibinu steht eine Eibe?.“ 58 Mit demselben Relatum tekan ‚Erde‘ findet sich in KUB 33.8 III 7 (aH/jS) ki-tta(ri). Daher ist es unwahrscheinlich oder zumindest nicht beweisbar, dass der Unterschied auf kanonischer vs. nicht-kanonischer Verwendung beruht wie in dt. Der Teller steht/*liegt auf dem Tisch – Der Teller liegt/steht auf dem Boden (das Bsp. verdanke ich S. Kutscher, Mannheim).
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Kopula 3.1.4.1-4a: KUB 30.32 14 (mH/mS) É wattru kuit hestās
āski
Loch:NOM.SG REL:NOM.SG.N (Gebäude):GEN Tor:D/L.SG
„Das Loch, das sich am Tor des h.-Gebäudes befindet, …“ 3.1.4.1-4b: KBo 16.97+KBo 40.48 Rs. 45 (mH/mS) [GA]R=(m)a=ssan ANA GAR ser Sache?=KONN=OBP
DAT Sache? oben
„Eine Sache? (befindet sich) auf einer (anderen) Sache?.“ Weiterhin mit Kopula belegt sind Städte (Bo 2006/01 11 f.; mH/mS), Weiden (KBo 32.14 I 26 f.; mH/mS), Quellen (KUB 13.1+ III 13' f.), Mauern (IBoT 1.36 I 10, 16; mH/mS) 59 und Länder (KUB 24.4+KUB 30.12 Vs. 16; mH/mS?). Weitere Verben Außer den genannten gibt es keine grundlegenden Positionsverben im Hethitischen. Andere Relationen, z. B. „hängen“, werden durch eine Passivkonstruktion ausgedrückt, vgl.: 3.1.4.1-5: KUB 55.43 I 16 f. (mH/mS) 2 KUŠkursus SUMUN.ḪI.A=ma=kan INA É 2 Vlies:NOM.PL alt=KONN=OBP
kursas=pat
anda
LOK Haus Vlies:GEN=PTK drinnen
gankantes hängen:PTZ.NOM.PL.C
„Die zwei alten Vliese aber sind weiterhin im Haus des Vlieses aufgehängt.“ In jedem Fall ist auffällig, dass Hethitisch mit gerade einmal zwei Positionsverben (neben dem immer möglichen Existenzverb) ein Extrem bei den Sprachen mit einem „small contrastive set of locative verbs“ (Ameka/Levinson 2007: 864) bildet, für die die Typologen von etwa drei bis sieben Verben ausgehen. 3.1.4.2 Personen und anthropomorphe Objekte
ar-tta(ri) ‚stehen‘ Viele Belege hierfür finden sich in der Instruktion IBoT 1.36, z. B.: 3.1.4.2-1: IBoT 1.36 III 12 (mH/mS) IŠTU DUMU.MEŠ.É.GALTIM=ma GAL DUMU.MEŠ.É.GAL arta ABL/INS Palastbedienstete=KONN
groß
Palastbedienstete
stehen:PRS.3SG.MP
„Auf der Seite der Palastbediensteten steht der Oberste der Palastbediensteten.“
59 Bei dem Bsp. handelt es sich um die Wand eines Gebäudes, also nicht um eine freistehende Mauer.
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
Wie erwähnt, betrifft diese Systematisierung auch anthropomorphe Objekte. Im Korpus der Originaltexte finden sich zufällig keine Belege, aber vgl.: 3.1.4.2-2: KUB 1.1+ III 6 f. (jH) nu=nnas=kan DINGIRLUM anda artat KONN=1PL.D/L=OBP Gottheit
drinnen stehen:PRT.3SG.MP
„Die Gottheit stand für uns darin.“ Dass die Kategorisierung nach der Körperhaltung erfolgt, sieht man an dem folgenden Beispiel in nicht-kanonischer Position (vgl. auch den nächsten Abschnitt): 3.1.4.2-3: KBo 39.8 II 6 f. (mH/mS) isnas=sa=s[mas k]uiēs
2 ALAM peran katta kianta
Teig:GEN=KONN=3PL.D/L.C REL:NOM.PL.C 2 Figur
vorne
herab liegen:PRS.3PL.MP
„Die zwei Figuren aus Teig, die unten vor ihnen liegen/vor sie herabgelegt sind, …“
ki-tta(ri) ‚liegen‘ Es gibt durch Zufall im Korpus keine Beispiele mit einem Menschen, der im Bett (o. ä.) liegt, vgl. aber die folgenden Belege mit Figuren in nicht-kanonischer Position: 3.1.4.2-4a: KUB 17.10 IV 29 f. (aH/mS) d n(u)=asta anda halkias GÌR-as KONN=OBP rein
G[EŠ]TIN-as kitta
Getreide:GEN.SG (GN):NOM.SG Wein:NOM.SG
liegen:PRS.3SG.MP
„Drinnen [in einer Jagdtasche] liegen der Sumuqan des Getreides (und) Wein.“ 3.1.4.2-4b: KUB 17.10 IV 30 (aH/mS) n(u)=asta anda GU4 UDU kitta KONN=OBP rein
Rind Schaf liegen:PRS.3SG.MP
„Drinnen [in einer Jagdtasche] liegen ein Rind (und) ein Schaf.“
es-/as-a(ri)/zi ‚sitzen‘ 3.1.4.2-5a: KBo 20.10+KBo 25.59 I 7 (aH/aS?) LUGAL ⌈INA⌉ GIŠŠÚ.A esa König
LOK
Thron
sitzen:PRS.3SG.MP
„Der König sitzt auf dem Thron.“ 3.1.4.2-5b: KUB 18.5+KUB 49.13 II 7 (mH/mS) GIŠ harāwi=ma=ssan kuis ālliyas
ēsta
Pappel:D/L.SG=KONN=OBP REL:NOM.SG.C (Vogel):NOM.SG sitzen:PRT.3SG.MP
„Der a.-Vogel aber, der auf der Pappel saß, …“ 3.1.4.2-5c: KBo 17.1+ I 30' (aS) NINDA sarrui=m[a=ss]an ÉRIN.MEŠ-az ⌈ē⌉szi (Brotsorte):D/L.SG=KONN=OBP Truppe:NOM.SG sitzen:PRS.3SG.MP
„Auf dem s.-Brot aber sitzt die „Truppe“.“
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Es handelt sich hierbei nicht um Menschen, sondern eine Figur, wie das zwei Zeilen da rauf folgende Verb ped(a)-i ‚hinbringen‘ zeigt, das gewöhnlich nur mit unbelebten Objekten verbunden wird (s. CHD P: 350). Wenn der Ort des Sitzens angegeben ist, steht die Ortsbezugspartikel =ssan im Althethitischen mit einer Ausnahme (KBo 17.1+ I 30') nicht, im Mittelhethitischen tritt sie in den meisten Fällen jedoch hinzu (nicht in KBo 17.65+ Vs. 21, KUB 20.11 II 8'). Dies hängt sicher mit der allgemeinen Zunahme der Partikeln zusammen, denn der Übergang von aktivischem e/as-zi zu medialem e/as-a(ri) im Mittelhethitischen schloss eine Verwechslung mit der teilweise homonymen Kopula aus, vgl. auch den folgenden Abschnitt. Kopula Mit Nominalsätzen bzw. dem Verb es-/as-zi wird Lokalisierung ohne eine besondere Haltung angegeben, vgl. 3.1.4.2-6a: HKM 58 14 (mH/mS) LÚ.MEŠ IGI.NU.GÁL.ḪI.A hūmandus Blinde
apiya
all:NOM.PL.C dort
„Die Blinden sind alle dort.“ 3.1.4.2-7b: KBo 17.3+ III 29 (aS) mān LUGAL-us MUNUS.LUGAL=sa ispanti
asanzi
wenn König:NOM.SG Königin:NOM.SG=KONN Nacht:D/L.SG KOP:PRS.3PL.AKT
„Wenn König und Königin in der Nacht da sind, …“ 3.1.4.2-8c: KUB 36.104 Rs. 7' (aS) LÚ.MEŠ DUGUD LÚ.MEŠ ŠUKUR.ZABAR ⌈pera(n)⌉=smet Würdenträger
Leute
Bronzespeer
asanzi
vorne=POSS.3PL.AKK.SG.N KOP?:PRS.3PL.AKT
„Die Würdenträger und die Bronzespeer-Leute befinden sich vor ihnen.“ Wegen der Datierung auf die althethitische Zeit, für die man noch ein aktivisches e/as-zi ‚sitzen‘ erwarten kann, ist eine Entscheidung zwischen der gegebenen Übersetzung und der Alternative „… sitzen vor ihnen“ im letzten Beispiel nur aus dem Kontext möglich und hier nicht sicher.
3.2 Lokalisation II: Kodierung von Bewegung Als Phänomen mit zeitlicher Erstreckung werden Bewegungen bevorzugt durch Verben ausgedrückt, während andere Mittel wie Relatoren oder Kasusendungen oft nur verstärkend oder in dieser Hinsicht neutral hinzutreten. 60 Ähnlich wie bei der statischen Lokalisation darf man 60 Es gibt allerdings in manchen Sprachen Adverbien oder Affixe, die eine begleitende Bewegung angeben (VERB while going), bisweilen kann eine Bewegung auch ohne Verb ausgedrückt werden, z. B. auch durch einen bloßen Di rektiv (Levinson/Wilkins 2006c: 534 f.). Für ein solches Bsp. aus dem Hethitischen s. →2.1.1.1-1d.
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
hier nicht mit kleinteiligen Universalien, sondern nur allgemeinen kognitiven Prinzipien, die die Kategorienbildung steuern, rechnen. Die physiologische Grundlage der menschlichen Wahrnehmung von Bewegung kennt nur zwei verschiedene Typen (s. Radden 1989: 228): Die Teilveränderung des Bildes auf der Retina wird als Bewegung eines anderen Objekts wahrgenommen, die systematische komplette Veränderung dieses Bildes hingegen als Eigenbewegung. Darüber hinaus konstruiert das Gehirn auch dort Bewegung, wo keine existiert, so wird das schnelle Auftauchen zweier, nicht unbedingt gleichförmiger Objekte hintereinander an verschiedenen Orten im Wahrnehmungsfeld als Bewegung, gegebenenfalls mit Transformation, interpretiert (ebd. 228 f.). Die Form von Bewegungsverben hängt vom allgemeinen morphologischen Aufbau der jeweiligen Sprache ab, sie können daher kaum als eigene Klasse von Verben abgesondert werden. Bewegungsverben, besonders solche mit Präfix, sind zumindest im Deutschen in Bezug auf thematische Rollen (Transitivität, Applikativ) sehr flexibel (s. Wunderlich 1985b: 78 f.). In Europa unbekannt, aber in vielen Sprachen Afrikas und Asiens verwendet, sind Serialverben, d. h. zwei gewöhnlich gleich merk malhafte Verben mit éinem Subjekt, die Teile einer Gesamtsituation oder aufeinander bezogene Ereignisse beschreiben (König/Kortmann 1991: 118 f.) und die Funktion dynamischer und seltener auch statischer Relatoren anneh men können. Häufig drücken sie MANNER und PATH (⇒3.2.2) getrennt aus (z. B. „laufenbetreten“ = „hineinlaufen“ u. ä.). Im Folgenden sollen nun die zwei wichtigen Aspekte des dynamischen Raumausdrucks besprochen werden. Dies ist zum Einen die Frage, welchen Repräsentation die in den Kapiteln 3.1.1 bis 3.1.3 genannten statischen Konfigurationen und Kategorien in dynamischen Situation haben, d. h., beim Einnehmen oder Verlassen der jeweiligen Relation ( ⇒3.2.1), zum Anderen die bereits einleitend (⇒1.2.1) erwähnte einflussreiche Typologie der Bewegungsverben von L. Talmy (⇒3.2.2). Einige wichtige Fakten zur Kategorisierung und zum Ausdruck dynamischer Konfigurationen im Hethitischen wurden bereits in Kap. 2.2 genannt.
3.2.1 Dynamische Ausdrücke für die Kategorien aus 3.1.1 Die dynamischen Ausdrücke für topologische Relationen und Referenzrahmen sind bisher weitaus weniger ausführlich untersucht worden als ihre statischen Entsprechungen. Um einen dynamischen Ausdruck handelt es sich immer dann, wenn sich ein Lokatum nicht während des gesamten für die Aussage relevanten Zeitraums in dem durch den Relator oder das Verb ausgedrückten Suchbereich des Relatums (⇒1.2.2) befindet, sondern erst in diesen eintritt
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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oder ihn verlässt. Die so definierbaren drei 61 „Fundamentalrelationen“ (Stolz 1992: 31) „wo“ (Lokativ), „wohin“ (Allativ) und „woher“ (Ablativ) sind für die meisten Sprachen jedoch nicht gleichwertig, sondern verschieden markiert, wie die folgende Aufstellung S. C. Levinsons am Beispiel des Englischen zeigt: merkmallos 1 Dimension 2 Dimensionen 3 Dimensionen
Ort at on in
Ziel to onto into
merkmalhaft Quelle from off out of
merkmalhaft Abb. 3.2.1-1 | Merkmalhaftigkeit topologischer Ausdrücke (nach Levinson 2003: 100)
Ausdrücke für Quellen sind stärker markiert als diejenigen für Orte oder Ziele. Letztere fallen in den Sprachen der Welt häufiger formal zusammen, während Quelle und Ort bzw. Ziel gewöhnlich getrennt bleiben (s. Ikegami 1987: 125–127, für eine Ausnahme s. Kutscher 2010). Der Zusammenfall von Ziel und Ort ist psychologisch vergleichsweise einfach zu motivieren, da man eine Korrelation geht nach X = ist (dann) in X leicht herstellen kann, während geht von X weg = ist (dann) nicht mehr in X konzeptuell schwieriger ist.62 Ein weiterer Grund für die Dominanz des Ziels über die Quelle (Sätze mit Quelle erscheinen ohne Ziel unvollständig, umgekehrt nicht unbedingt) ist die Tatsache, dass für den Menschen ein Ergebnis psychologisch wichtiger ist als eine Ursache (Ikegami 1987: 135 f.). Auch Levinson/Wilkins (2006c: 533) merken an, dass eine Bewegung zum Centrum deicticum (⇒3.4) hin i. d. R. expliziert, eine Bewegung vom ihm weg hingegen oft nur pragmatisch ausgedrückt wird. 63 Gesetzt den Fall, dass ablativische Konzepte getrennt ausgedrückt werden, gibt es für die Wiedergabe von Lokativen und Allativen prinzipiell drei Möglichkeiten: Manche Sprachen unterscheiden über die Bedeutung des Verbs hinaus generell nicht zwischen Ort und Ziel, z. B. Neugriechisch (Είµαι στην Γερµανία „Ich bin in Deutschland“ – Πάω στην Γερµανία „Ich fahre nach Deutschland“). Andere Sprachen, z. B. Deutsch, machen wiederum einen vergleichsweise konsequenten Unterschied, wobei die Art der Markierung auch innerhalb der Sprache variieren kann: Es können verschiedene Relatoren (vgl. dt. bei – zu) oder verschiedene Kasus (z. B. dt. hinter dem Haus – hinter das Haus) verwendet werden. Die dritte Möglichkeit ist ein gemischtes System, bei dem nur Teilbereiche unterschieden werden. Hierbei scheinen die Sprachen aber nicht willkürlich vorzugehen, sondern nach einer inneren Sys61 Eine vierte, seltenere Möglichkeit ist die Nennung des Relatums als Wegpunkt einer weiter führenden Bewegung („wo entlang“). Sie ist in manchen kaukasischen Sprachen als sog. Translativ (auch: Perlativ, Lativ, Vialis) als Lokalkasus(reihe) kodiert (s. Drossard 1993: 64), im Grönländischen als Kategorie der deiktischen Adverbien (s. Denny 1985: 117). 62 S. Ikegami (1987: 131 f.). Zu der Asymmetrie von Quelle und Ziel sind in letzter Zeit mehrere psycholinguistische Arbeiten erschienen, z. B. Lakusta/Landau (2005), Creissels (2006), Regier/Zheng (2007). 63 Interessant ist allerdings die Tatsache, dass Quellangaben morphologisch auch auf Basis der antonymischen Zielangaben gebildet werden können, vgl. Pantcheva (2010).
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tematik. Im Englischen werden Ort und Ziel bei der Topologie unterschieden (vgl. das obige Schaubild), nicht aber bei den perspektivierten Ausdrücken (at the house – to the house; behind the house – Ø). Scheinbare Ausnahmen von dieser Systematik sind eher als andersartige Kategorisierungen anzusehen: Die in einigen altindogermanischen und z. B. heute noch im Slawischen anzutreffende Constructio praegnans, bei welcher der (funktionale) Lokativ das Ziel einer resultativen Handlung ausdrückt, 64 ist als eine gedankliche Abkürzung durch Vorwegnahme des Ergebnisses zu verstehen (⇒2.1.3, Einleitung). Ähnlich verhält es sich mit einigen Wendungen im Englischen wie John walked in the room oder Kim jumped on the bed, die wohl als Ausdruck punktueller Handlungen anzusehen und nur in bestimmten Kontexten (Nähe, evtl. klare Grenzen) verfügbar sind (s. Beavers et al. 2010: 363 f., mit weiterer Lite ratur). Die Verwendung verschiedener Kasus im Deutschen zum Ausdruck von Ortsruhe bzw. Bewegung trifft allerdings nur auf die Präpositionen zu, die nicht ausschließlich statisch (z. B. bei) oder dynamisch (z. B. zu) sind. Laut Leys (1989) kann man den Wechsel von Dativ (älter Genetiv) und Akkusativ und überhaupt die Verwendung der Kasus nach lokalen Präpositionen in einem größeren Rahmen erklären: Je nachdem, ob die Präpositionen einen oder mehrere Punkte (Wege oder mehrteilige/gestreckte Lokata) bezeichnet, steht der nicht-summative Dativ oder der summative Akkusativ (Leys 1989: 99–102), vgl. die Übersicht (ebd. 111). +/- summativ (an, auf, …) lokativ - summativ (bei, gegenüber, …) + summativ (um, durch) direktiv - summativ (zu/nach, bis, …) + summativ (gegen) Das statische um + Akk. ist somit als Weg aufzufassen, ähnlich wie das oben (⇒3.1, Einleitung) erwähnte Die Post liegt über den Hügel. Während die Bewegungsverben unten gesondert behandelt werden (⇒3.2.2), folgen nun einige Place Words, Adverbien oder Kombinationen von Ausdrucksmitteln, die zusammen mit Verben oder selten allein stehend Fortbewegung bezeichnen. „in/an/auf“ in dynamischer Lesart Die hier vorgestellten Konstruktionen sind die dynamischen Gegenstücke zu den Ausdrücken der ON-IN-Skala (⇒3.1.1.3), wobei die häufige, im Grunde nicht-statische „location on a body“ bereits am Ende des genannten Abschnitts mit Beispielen erläutert wurde. Im Althethitischen und etwas darüber hinaus wird eine zielgerichtete Bewegung, die zum Erreichen eines unbelebten Relatums führt, durch den Direktiv (⇒2.1.1) ausgedrückt (→1acde). Aufgrund der funktionalen Gleichwertigkeit von Direktiv und Dativ-Lokativ beim Ausdruck des Terminativs (⇒2.1.3) sind besonders für „in … hinein“ auch schon althethitisch 64 S. Skopeteas (2008: 40); z. B. gr. hoi mèn autō̃n euthùs en tō̃i potamō̃i épeson „Ihre Leute fielen sofort in den Fluss“ (Xenophon, Hellenica 3.4.24) mit en + Dat. statt eis + Akk.
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Dativ-Lokative belegt (→1b, für weitere Bsp. s. Kap. 2.1.3.1/2). Dieser Kasus ist beim Bezug auf Personen und ab der mittelhethitischen Zeit auch auf Sachen (→1f) der exklusive Ausdruck für die zahlreichen hier beschriebenen Relationen. 3.2.1-1a: Gesetze §44b (KBo 6.2 II 35; aS) takkuw=at=an parna=ma kuelka
pessiezzi
wenn=3SG.AKK.N=OBP Haus:DIR.SG=KONN INDF:GEN.SG hinwerfen:PRS.3SG.AKT
„Wenn er es aber in jemandes Haus hineinwirft, …“ 3.2.1-1b: Gesetze §44a (KBo 6.2 II 33; aS) ⌈takku LÚ-an⌉ pahhueni kuiski wenn
pessiezzi
Mann:AKK.SG Feuer:D/L.SG INDF:NOM.SG.C hinwerfen:PRS.3SG.AKT
„Wenn jemand einen Mann ins Feuer wirft, …“65 3.2.1-1c: IBoT 1.36 IV 15 f. (mH/mS) n(u)=at=kan kattera KÁ.GALTIM srā uwanzi KONN=3PL.NOM.C=OBP unterer:DIR.SG Tor
hoch kommen:PRS.3PL.AKT
„Sie kommen zum unteren Tor herauf.“ 3.2.1-1d: KBo 22.1 21' (aS) mān=smas ABI
parna=sma
tarnai
wenn=2PL.AKK.C Vater:POSS.1SG Haus:DIR.SG=POSS.2PL.DIR.SG lassen:PRS.3SG.AKT
„Wenn mein Vater euch zu eurem Haus lässt, …“ 3.2.1-1e: KUB 17.10 III 17 (aH/mS) ŪL=an gimra pēd[anzi] NEG=3SG.AKK.C Feld:DIR.SG hinbringen:PRS.3PL.AKT
„Man bringt es [Malz] nicht aufs Feld aus.“ 3.2.1-1f: KBo 16.97+KBo 40.48 Rs. 33 (mH/mS) INA URUSapinuwa GIŠDAG-ti kattan tīyanna LOK (ON)
Thron:D/L.SG dabei
treten:INF
„Ist in Sabinuwa zum Thron zu treten?“66 Weitere Belege sind KUB 17.21 I 15 f., IBoT 1.36 I 3–5, Beispiele in junger Schrift finden sich im CHD (Š: 139 f.). In junghethitischer Abschrift ist für den Ausdruck des partiellen Eindringens außerdem ein Direktiv mit der Partikel =an ‚[Inklusion]‘ (⇒2.3.1) belegt. 3.2.1-2: KUB 31.4+ Vs. 9 (aH/jS) ta=an karda=sma
s(a)l[ikti]
KONN=OBP Herz:DIR.SG=POSS.3PL.DIR.SG sich nähern:PRS.2SG.AKT
„Du [angesprochen ist ein Pfeil] wirst in ihr Herz eindringen!“ 65 Anders Starke (1977: 56 f.): „Wenn jemand einen Mann im Feuer verwirft, …“ (magische Verbrennung eines Ersatzbildes). Magische Praktiken erscheinen tatsächlich im folgenden Paragraphen 44b, der im Textvertreter KBo 4.3 mit §44a zusammengefasst ist, doch zwingt dies keineswegs zu einem statischen Verständnis des Dat.-Lok. 66 Ein Bsp. ohne PW ist KBo 15.33+KBo 15.35 III 11 f. (→2.1-2a).
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Aufgrund der unbestimmten Gestalt des Relatums im letzten Beispiel, das zudem bereits lexikalisch einen Ort ausdrückt, ist eine Fülle von Relationen („an“, „zu“, „in“, „auf“) denkbar, die Unbestimmtheit von Direktiv und Dativ-Lokativ in Bezug auf das Relatum ist also nicht immer durch den Kontext aufzulösen. 3.2.1-3: CTH 138 27' (§16'; mH/mS) LÚ nu KÚR kuedani pēdi wezzi KONN Feind
REL
Ort:D/L.SG kommen:PRS.3SG.AKT
„Der Ort, zu dem der Feind kommt, …“ „durch“ Das deutsche durch und viele Entsprechungen in anderen Sprachen sind zweideutig: Sie bezeichnen generell den Weg des Lokatum im Innenbereich des Relatums, letzteres kann aber sowohl ein einzelnes Objekt (z. B. eine Flüssigkeit oder durchlässige Masse) oder ein mehrteiliges (z. B. ein Wald) sein. Da Hethitisch eine explizite Partikel für Kontakt kennt (= ssan, ⇒2.3.4), ist a priori nicht klar, ob die beiden Lesarten von „durch“ auch in dieser Sprache mit einem einzigen Mittel ausgedrückt wurden. Leider ist für den ersten Fall (mit Kontakt) kein sicheres Beispiel zu finden. Das CHD (P: 205) übersetzt zwar in einem medizinischen Text (KUB 44.63 II 13'–15'; jH) „When it (sc. the infusion of herbs) is done (lit. cooked), he squeezes/rubs it with (his) hand (and strains it through a cloth)“, der letzte Satz ist jedoch wörtlich anders zu verstehen: 3.2.1-4: KUB 44.63 II 14' f. (jH) namma=at=kan IŠTU GADA arha widāezzi ferner=3SG.AKK.N=OBP ABL/INS Tuch
weg
herbringen:PRS.3SG.AKT
„Dann seiht er es [Kräuteraufguss] mit einem Tuch ab.“ IŠTU kann sowohl den Instrumental als auch den Ablativ, die im Junghethitischen morphologisch zusammengefallen sind, vertreten. Die Anwesenheit von arha ‚weg‘ mag vordergründig für eine ablativische Lesung sprechen, es kann aber auch das Verb modifizieren, wie im dt. ab-seihen. Ohne Kontakt drückt das Konzept „durch“, wie gesagt, die Durchquerung einer inkohärenten Menge aus, es handelt sich also um die dynamische Variante des in Kap. 3.1.1.4 erörterten „zwischen“. Wie bei diesem ist auch hier istarna beteiligt, allerdings nur in der speziellen Konstruktion (⇒2.4.4.1) mit =kkan/=asta arha und bei intransitivem Verben dem Akkusativ des Weges (→5ac), bei transitiven mit dem Dativ-Lokativ (→5b). Somit kennt das He thitische für „durch“ keinen einfachen Ausdruck, sondern umschreibt es mit einer Kombination aus den Informationen „Wegstrecke“ (Akk./Dat.-Lok.), „Inklusion in inkohärenter Menge“ (istarna) und „Wegbewegung“ (arha); die mentale Konstruktion eines vollständigen Weges
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(Beginn vor dem Relatum – Bewegung durch das Relatum – Verlassen des Relatums) ist dann der pragmatischen Inferenz überlassen.67 Beispiele: 3.2.1-5a: KBo 39.8 IV 6 (mH/mS) ⌈n(u)=as=kan⌉ pahhur
istarna ⌈arha⌉ paizzi
KONN=3SG.NOM.C=OBP Feuer:AKK.SG inmitten weg
hingehen:PRS.3PL.AKT
„Er geht durch das Feuer hindurch.“ 3.2.1-5b: KUB 36.127 Rs.! 8' (mH/mS) ANA KUR-⌈ŠU=war68=an=kan⌉
istarna arha ŪL tarnai
DAT LAND:POSS.3SG.M=„“=3SG.AKK.C=OBP inmitten weg
NEG lassen:PRS.3SG.AKT
„Er lässt ihn nicht durch sein Land (marschieren).“ 3.2.1-5c: IBoT 1.36 I 51 (mH/mS) n(u)=asta Éhilammar istarna arha KONN=OBP Torbau
inmitten weg
GIŠ
ŠU[KUR]=pat harzi
Speer=PTK
„Er behält den Torbau hindurch den Speer.“
halten:PRS.3SG.AKT
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Im späten Mittelhethitisch oder frühen Junghethitisch wird die Konstruktion durch den generellen Ersatz des Akkusativs durch den Dativ-Lokativ vereinheitlicht, womit der modulare Ausdruck der älteren Sprache allerdings verloren geht und istarna arha zu einer Art komplexen Postposition wird (vgl. Boley 2000: 139). „aus“ Das Beenden eines Inklusionsverhältnisses wird regelmäßig durch den Ablativ (⇒2.1.2.2) ausgedrückt (→6a). Optional, im Laufe der Sprachgeschichte aber zunehmend häufig, tritt die Ortsbezugspartikel =asta (→6bc) bzw. später obligatorisches =kkan hinzu (⇒2.3.5). Alternativ oder in Kombination mit der Ortsbezugspartikel findet sich zudem beim elativischen Ablativ das Place Word prā ‚heraus‘ (eigentlich ‚voran‘, →6b), in der deutschen Übersetzung auch arha ‚weg‘ (→6c), das an sich aber keine elativische Bedeutung hat (⇒2.5.1.1), vgl.: 3.2.1-6a: Gesetze §20 (KBo 6.2 I 42; aS) [takku AR]AD LÚ URUHatti IŠTU KUR Lūwiaz wenn
Sklave
Mann (ON)
ABL/INS Land
LÚ
URU
Hatti kuiski
(ON):ABL Mann (ON)
INDF:NOM.SG.C
tāyezzi stehlen:PRS.3SG.AKT
„Wenn irgendein Hethiter den Sklaven eines Hethiters aus dem Land Luwia entführt, …“
67 Die bei Tischler (2001b: 67) zu findende wörtliche Wiedergabe als „hinein (und) hinaus“ nimmt auf den Akk. und die Bedeutung von arha (‚weg‘, nicht ‚hinaus‘) nicht hinreichend Rücksicht und ist daher nicht vorzuziehen. 68 Zur Lesung vgl. S. 198, Fn. 406. 69 Zu diesem besonderen Fall mit scheinbar transitivem Verb s. die Diskussion von →2.4.4.1-8.
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3.2.1-6b: IBoT 1.36 I 64 f. (mH/mS) n(u)=asta 1 DUMU.É.GAL Éhalentūaz prā wezzi KONN=OBP 1 Palastbediensteter
Palast:ABL
voran kommen:PRS.3SG.AKT
„Ein Palastbediensteter kommt aus dem Palast heraus.“ 3.2.1-6c: KBo 34.46+ III 26'–28' (mH/mS?) n(u)=asta arahzenas hūmantaz KUR-yaz […] welluwaz ⌈ar⌉ha KONN=OBP umliegend:GEN? all:ABL
Land:ABL
Wiese:ABL weg
ehu kommen:IMP.2SG.AKT
„Komm weg aus allen umliegenden Ländern (…) und Wiesen!“70 3.2.1-6d: HKM 46 25–27 (mH/mS) URU nu=kan Tapiggaz GU4.ḪI.A UDU.ḪI.A katta QATAMMA tarsikkemi KONN=OBP (ON):ABL
Rinder
Schafe
herab ebenso
lassen:IPFV:PRS.1SG.AKT
„Aus Tabika lasse ich weiterhin entsprechend Rinder (und) Schafe hinab.“71 Das von Boley (2000: 139, 311) erwähnte istarna arha + Dat.-Lok. „out from among“ (gegenüber istarna arha + Akk. ‚durch‘, s. o.) findet sich nicht im vorliegenden Korpus, vgl. aber die junghethitischen Belege KUB 15.35+ I 41 f. und KBo 45.91 III 5‘. „zu, nach“ Hierbei handelt es sich um das dynamische Pendant zur oben beschriebenen statischen Lokalisation im Nahbereich eines Relatums (⇒3.1.1.4). Im Althethitischen wird eine Bewegung zu etwas hin ohne Erreichen des Ziels beim Bezug auf unbelebte Objekte ausschließlich durch den Direktiv (→7a; ⇒2.1.1.1) ausgedrückt, bei Personen durch den Dativ-Lokativ (→7b; ⇒2.1.3.3), der ab der mittelhethitischen Zeit auch die Funktionen des Direktivs übernimmt (→7c). Vgl.: 3.2.1-7a: Gesetze §42 (KBo 6.2 II 27; aS) n(u)=as l⌈ahha paizzi⌉ KONN=3SG.NOM.C Feldzug:DIR.SG hingehen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn) er auf einen Feldzug geht, …“ 3.2.1-7b: KBo 8.42 Rs.? 9 (aS) d ÍD-y=a72 pait Fluss:D/L=KONN gehen:PRT.3SG.AKT
„Er ging zum Fluss(gott).“
70 Die elativ. Bedeutung wird bereits durch den Abl. ausgedrückt, das PW arha unterstreicht die Separation. 71 Dieser Beleg zeigt im Übrigen, dass sich dynam. Lokalangaben nicht nur auf Bewegung des Subjekts beziehen müssen, vgl. ebenso KUB 15.34 III 28' (mH/mS). 72 Wohl Dat.-Lok., da der Fluss als belebte Gottheit gedacht ist, s. Starke (1977: 74 f.).
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3.2.1-7c: KBo 32.14 III 42 (mH/mS) [ x x x -]ul⌈lu⌉ddu⌈us?⌉=ma ⌈s⌉rā nepisi (Gebäudeteil):AKK.PL=KONN
hoch
manninkuwahhas
Himmel:D/L.SG annähern:PRT.3SG.AKT
„Die Zinnen?/Spitze? aber ließ er hinauf dem Himmel nahe kommen.“ Als logografischer Ersatz für beide Kasus wird in aller Regel akkad. ANA ‚für, zu‘ verwendet: 3.2.1-8: Gesetz §23 (KBo 6.2 I 51'; aS) n(u)=as ANA KUR Lu⌈wi⌉ya KONN=3SG.NOM.C DAT Land
paizzi
(ON):DIR.SG? hingehen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn ein Sklave entläuft) und ins Land Luwia geht, …“ In der älteren Sprachen werden die Kasusendungen bei Eigennamen häufiger als in der jünge ren geschrieben, aber keineswegs konsequent. Ob in Luwiya also auch ein Direktiv vorliegt, kann daher nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, ebenso wenig beim folgenden Beispiel: 3.2.1-9: KBo 17.3+ II 9' (aS) [L]UGAL-s=(m)a URUA⌈ri⌉nna paizzi König:NOM.SG=KONN (ON):DIR.SG? hingehen:PRS.3SG.AKT
„Der König aber geht nach Arinna.“ „weg“ Das Verlassen des Nahbereichs wird mit dem Ablativ (⇒2.1.2) ausgedrückt. Dazu können optional die Partikel =asta (→10a) oder =kkan treten, letztere ersetzt erstere ab der mittelhethitischen Zeit zunehmend (→10b; ⇒2.3.3/5). Oft wird die ablativische Funktion auch durch das Place Word arha ‚weg‘ (⇒2.5.1.1) verstärkt (→10c). 3.2.1-10a: KBo 20.67+ III 7 (aH?/mS) n(u)=asta 1 NINDA.GUR4.RA E[MṢ]A KONN=OBP 1 Dickbrot
sauer
NI NDA
[
z]ippulasnaz kuin
(Brotsorte):ABL
REL:AKK.SG.C
dāi nehmen:PRS.3SG.AKT
„Ein saures Dickbrot, das er vom z.-Brot nimmt, …“ 3.2.1-10b: KBo 32.14 II 18 (mH/mS) apās LÚ-as apel=kan
URU-az kuis
arha
DEM:NOM.SG.C Mann:NOM.SG DEM:GEN.SG.C=OBP Stadt:ABL REL:NOM.SG.C weg
huwais laufen:PRT.3SG.AKT
„Jener Mann (ist es), der aus seiner eigenen Stadt weggelaufen ist.“ 3.2.1-10c: KBo 15.31+KBo 40.160 IV 11' (mH/mS) n(u)=an arha ishuwai KONN=3SG.AKK.C weg
schütten:PRS.3SG.AKT
„Er schüttet ihn weg.“
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Da Personen und andere eigenbewegliche Objekte kaum zur Lokalisierung verwendet werden, sind Ablative bei ihnen fast nicht belegt (s. GHL: 66). Funktional vergleichbar und ebenfalls mit Ortsbezugspartikel und oft arha konstruiert sind Fälle mit separativen Dativ und Transferverben wie „wegnehmen“, der Nahbereich ist hier rein funktional (i. S. v. Kontrol le oder Besitz) zu verstehen: 3.2.1-11a: KBo 24.1+ 15' (mH/mS) MUNUS n(u)=at=si=kan ŠU.GI arha dāi KONN=3SG.AKK.N=3SG.D/L.C=OBP Alte
weg
nehmen:PRS.3SG.AKT
„Die Alte nimmt es ihm weg.“ 3.2.1-11b: Bo 3752 II? 4' (mH/mS73) ta=as=kan DUMU.É.GAL appis[kezzi] KONN=3PL.AKK.C=OBP Palastbediensteter
ergreifen:IPFV:PRS.3SG.AKT
„Ein Palastbediensteter nimmt sie alle weg.“ „um (… herum)“ Diese Relation zeigt an, dass das Lokatum den Großteil des Nahbereichs des Relatums einnimmt, es also teilweise oder völlig einschließt. Im Hethitischen wird dies mit dem zusammengesetzten Adverb arahzanda ‚außen herum‘ (aus arahz ‚außen‘ und anda ‚her-/hinein‘, also in etwa „in den Außenbereich“) ausgedrückt. Dabei wird zwischen Kontakt (→12a) und bloßer Nähe (→12b) nicht unterschieden, vgl.: 3.2.1-12a: KBo 20.34 Vs. 11 f. (mH/mS) nu 1 DUG KAŠ hupran KONN 1 Gefäß Bier
hassan
arahzanda siyessanit
(Kleidungsstück):AKK.SG Herd:AKK.SG ringsum
Bier:INS
gulszi ritzen:PRS.3SG.AKT
„Einen Bierkrug, das h.-Kleidungsstück und den Herd markiert er ringsum mit Bier.“ 3.2.1-12b: KBo 17.54+ IV 12 (mH/mS) ⌈n(u)=an⌉=kan arahzanda 3-ŠU KONN=3.SG.AKK.C=OBP ringsum
wahnuwanzi
3:POSS.3.SG.M drehen:KAUS:PRS.3PL.AKT
„Man schwenkt ihn dreimal herum.“ Die eben beschriebenen dynamischen Ausdrücke kommen (ebenso wie die dynamischen Place Words, ⇒2.4.1) nicht als Prädikativum im Nominal-/Kopulasatz vor, genügen also alleine nicht zum Ausdruck eines Bewegungsereignisses.74
73 Nach der Konkordanz gegen Neu (1979: 179) keine altheth. Schrift, wogegen auch die Form =as (statt älterem =us) spricht. 74 Vereinzelt können bloße Kasusformen eine Bewegung ausdrücken, die beiden einzigen eindeutigen Bsp. enthalten dabei den Direktiv (→2.1.1.1-1d, sowie KUB 26.17 I 6' f.)
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3.2.2 Bewegungsverben (Lexikalisierungsmuster) Die Syntax der Bewegungsverben, die sich in der älteren Sprache deutlich von der der Positi onsverben (⇒3.1.4) unterscheidet, später aber weitestgehend angleicht, wurde bereits oben in Kap. 2.2.1 beschrieben. Hier wird stattdessen eine typologische Einordnung derjenigen intransitiven hethitischen Verben versucht, die an dynamischen Konfigurationen beteiligt sind. Grundlage ist dabei die von L. Talmy begründete Unterscheidung zwischen den „verb-framed languages“ und den „satellite-framed languages“. Diese zweiteilige Typologie für Bewegungsverben hat Talmy 1985 vorgeschlagen und in der Folge ausgebaut (s. Talmy 1985, 2000: 21–146), sie ist bis heute Bezugsgröße für die Diskussion auf diesem Gebiet (vgl. Slobin 2004, Beavers et al. 2010 mit Literatur), un abhängig von ihrer Akzeptanz oder Zurückweisung. Eigentlich handelt es sich hierbei nur um einen Aspekt eines größeren Konzepts, dem der sog. Lexikalisierungsmuster (lexicalisation patterns), womit Talmy versucht, kognitiv begründete Organisationsprinzipien des Lexikons zu erfassen. Talmy identifiziert mehrere an einer dynamischen Lokalisation beteiligte abstrakte Elemente: Neben den obligatorischen FIGURE (Lokatum), GROUND (Relatum), MOTION (Information, dass es sich um ein Verb mit lokalem Bezug handelt) und PATH (Richtung der Bewegung: eintreten vs. verlassen usw.) finden sich auch zusätzliche Angaben, von denen MANNER (Art und Weise der Bewegung: gehen vs. rennen, fliegen vs. schwimmen usw.) die wichtigste ist. Die Theorie besteht darin, dass die Sprachen der Welt zwei verschiedene Lexikalisierungsmuster zeigen:75 Die Mehrzahl, z. B. die romanischen Sprachen (außer Räto romanisch), sowie viele außereuropäischen Sprachen, fassen in den Wurzeln ihrer Bewegungsverben neben der Information MOTION noch die Richtungsangabe PATH, während andere Informationen, besonders MANNER, außerhalb des Verbs durch andere Mittel (häufig ein Gerundium), ausgedrückt werden. Die anderen Sprachen, zu denen allerdings gerade die Mehrheit der europäischen gehört, kombinieren vielmehr MOTION und MANNER im Verb, die obligatorische Richtungsangabe müssen sie daher an anderer Stelle machen. Die letztgenannten Ausdrucksmittel, z. B. Präverbien oder lokale Adverbien, fasst Talmy unter dem Be griff „Satelliten“ zusammen. Nach der Form der ausgelagerten Elemente heißen die letztgenannten Sprachen daher „satellite-framed languages“, die erstgenannten wegen des bevorzugt verbalen Ausdrucks von MANNER bezeichnet Talmy als „verb-framed languages“. Der Vergleich dt. hinausgehen – frz. sortir hinauslaufen – sortir en courant hineingehen – entrer hineinlaufen – entrer en courant macht den Unterschied augenfällig (PATH ist unterstrichen, MANNER fett). Die Terminologie ist dennoch etwas unglücklich, da sie sich auf ein morphologisches Nebenphänomen statt 75 Vgl. ein ähnliches Konzept bei Šabršula (1998: 127 f.).
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den lexikalischen Kern bezieht. Da eine deutsche Entsprechung ohnehin fehlt, werden im Folgenden zusätzlich die Termini „bewegungsartorientierte“ bzw. „bewegungsrichtungsorientierte“ Sprachen verwendet. Da MANNER kein für eine verständliche Lokalisation obligatorisches Element ist, können entsprechende Angaben in den bewegungsrichtungsorientierten Sprachen weggelassen werden, wenn sie nicht betont werden müssen. Dies führt wiederum zu anderen, aus Sicht einer bewegungsartorientierten Sprache weniger lebhaften Formen z. B. von Erzählungen (vgl. zahlreiche Beispiele aus der sog. Frogstory bei Slobin 2004). Bewegungsrichtungsorientierte Sprachen verfügen dennoch natürlich über MANNER-Verben, doch ist ihre Anzahl zum Einen geringer, zum Anderen sind sie stärker markiert als in bewegungsartorientierten Sprachen und unterliegen kombinatorischen Restriktionen. So können sie nicht mit den bei anderen Verben (→1a) üblichen Zielangaben kombiniert werden (→1b), sondern nur mit Relatoren wie „bis“, die das Erreichen, aber nicht das Überschreiten einer Grenze („boundarycrossing“76) ausdrücken (→1c); vgl. die Bsp.: 3.2.2-1a (Beavers et al. 2010: 341; Französisch) Je suis allé
à la
librairie.
ich:NOM KOP:PRS.1SG.IND.AKT gehen:PTZ.PRT.NOM.SG.M zu ART:F.SG Buchladen
„Ich bin in den Buchladen gegangen.“ 3.2.2-1b (Beavers et al. 2010: 341; Französisch) ?? J’ ai boité
à la
librairie.
ich:NOM haben:PRS.1SG.IND.AKT hinken:PTZ.PRT.NOM.SG.M zu ART:F.SG Buchladen
„Ich bin in den Buchladen gehinkt.“ 3.2.2-1c (Beavers et al. 2010: 345; Französisch) La cire coule jusqu’ au ART:F.SG Wachs fließen:PRT.3SG.IND.AKT bis
bord de la
table.
zu:ART Rand von ART:F.SG Tisch
„Das Wachs floss bis an den Rand des Tisches.“ Talmys Typologie fasst einige z. T. schon vorher bekannte Phänomene unter einer ein heitlichen Erklärung zusammen und beschreibt ohne Zweifel nicht-zufällige sprachliche Muster. Es gibt dennoch sprachliche Befunde, die sich nicht mit diesem Ansatz erklären lassen. Levinson/Wilkins (2006b: 18, 2006c: 527, 530 f.) z. B. weisen darauf hin, dass die beiden Systeme in einer Sprache auch nebeneinander vorkommen können (vgl. engl. to go into – to enter). Es finden sich tatsächlich auch Belege für „boundary-crossing“ bei MANNER-Verben 76 Beachtenswert ist hier neben der kognitivistischen Literatur noch die Untersuchung von Horrocks (2004) zum typologischen Wandel des bewegungsartorientierten Alt- zum bewegungsrichtungsorientierten Neugriechischen. Er macht für die (Un-)Möglichkeit des „boundary-crossing“ bei Bewegungsverben nicht deren Lexikalisierungsmuster, sondern das Vorhandensein eines obligatorischen und morphologisch markierten Aspekts verantwortlich, der im Neugr. und den romanischen Sprachen eine pragmatisch „laxe“ Verwendung nicht-terminativischer Verben nicht erlaubt (Horrocks 2004: 188–193). Dieser Ansatz wäre es wert, anhand eines größeren Sprachensamples untersucht zu werden, besonders, wenn man das Verhalten der slaw. Sprachen (boundary-crossing trotz Aspekts) bedenkt.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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mit terminativen Adpositionen im umgangssprachlichen Französisch u. a. Verhalten, die für bewegungsrichtungsorientierte Sprachen als untypisch gelten: 3.2.2-2 (Beavers et al. 2010: 349; Französisch) Allez, courons dans la gehen:2PL.IMP.AKT laufen:PRS.1PL.IND.AKT in
maison!
ART:F.SG Haus
„Auf, lasst uns ins Haus laufen!“ In manchen Sprachen ist es schwierig, den für die Einordnung Ausschlag gebenden Teil des Prädikats zu identifizieren, denn sie drücken weder die Richtung, noch die Art und Weise der Bewegung in der Verbalwurzel – oder beide gleichberechtigt in Form von Serialverben – aus. Neuere Arbeiten modifizieren die Typologie daher dahingehend, dass sie statt zweier exklusiver Kategorien eine feinere und weniger strikte Einteilung ansetzen, ohne dabei die grundlegenden Erkenntnisse Talmys zu bestreiten. Nach Slobin (2004) u. a. muss man somit statt von einer klaren Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Kategorie vielmehr mit einer Skala von [-MANNER-orientiert] zu [+MANNER-orientiert] mit fließenden Übergängen rechnen. Die dazwischen liegenden Sprachen, bei denen Bewegungsart und Bewegungsrichtung relativ gleichberechtigt kodiert sind, gelten als „äquipollent“. Die Verwendung einer Konstruktion hängt von ihrer leichten Verfügbarkeit ab, so dass sich auch in bewegungsartorientierten Sprachen nicht immer MANNER-Verben finden, z. B. wenn sie in Konkurrenz mit deiktischen Verben stehen. Eine Verfeinerung findet sich bei Beavers et al. (2010): Neben der wichtigen Feststellung, dass Adpositionen gegen Talmy auch als Satelliten anzusprechen sind (wie die Verschiebeprobe zeigt; ebd. 337), heben sie besonders hervor, dass in Abhängigkeit von den morphologischen Eigenschaften der Sprache fast alle denkbaren Kodierungen von PATH und MANNER – inklusive der Möglichkeit, dass das Verb keines von beiden aus drückt (361 f.) – zu finden sind (vgl. die Übersicht auf ebd. 360). D. h., die einzelnen Spra chen sind ausdrucksreicher und nicht so stark auf einen Typus festgelegt, die Bevorzugung ergibt sich vielmehr aus pragmatischen und sprachökonomischen Gründen (Beavers et al. 2010: 366). Ähnlich wie bei beim morphologischen Bau (isolierend – agglutinierend – fusionierend) sollte man daher von „Strategien“ statt von „Typen“ sprechen. Eine befriedigende Darstellung ist m. E. am besten dadurch zu erreichen, dass man die Inhalts- und die Ausdrucksseite getrennt darstellt. Eine lexikalische Skala von Sprachen mit geringer Hervorhebung der MANNER (die klassischen „verb-framed languages“) über äquipollente Sprachen (mit Serial- und mehrteiligen Verben, PATH+MANNER-Satelliten) bis hin zu Sprachen mit obligatorischem Ausdruck der Art und Weise (die „satellite-framed languages“) findet sich, wie gesagt, bei Slobin (2004). 77 Nach der Kodierung von MANNER und PATH innerhalb oder außerhalb der Verbalwurzel ist aber auch eine morphosyntaktische Klassifizierung möglich: 77 Eine zur MANNER-Salienz analogische Skala der PATH-Salienz ist nicht nötig, da dieses Element aus inhaltli chen Gründen in allen Sprachen der Welt wichtig ist.
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MANNER
PATH +im Verb
+im Verb -im Verb
-im Verb
Serialverb-Sprachen
z. B. Germanisch, Slawisch („satellite-framed“)
z. B. Romanisch, Türkisch („verbframed“)
andere äquipollente Sprachen (Beavers et al. 2010: 362)
Abb. 3.2.2-1 | Sprachtypologische Einteilung der Kodierung von Bewegungsart und Bewegungsrichtung
Die beiden Einteilungen sind zwar dadurch weitestgehend parallel, dass die meisten Sprachen doch einem der beiden von Talmy angesetzten Pole angehören und es nur sehr wenige Ausnahmen gibt, wo sowohl MANNER als auch PATH im Verb bzw. in Satelliten ausgedrückt werden, im Grunde aber handelt es sich um zwei verschiedene Parameter. Was die Kodierung des kritischen Bedeutungselements PATH angeht, gehört Hethitisch wie die anderen altindogermanischen Sprachen klar der Gruppe der „satellite-framed languages“ an, indem es Bewegungsrichtungen mit Satelliten (Adverbien und Partikeln; →3a-d) und Bewegungsarten überwiegend mit unterschiedlichen Verben (→3ab) ausdrückt: 3.2.2-3a: KBo 21.47+ III 19' (mH/mS) LÚ d[IŠ]KUR-as āppa paizzi Mann (GN):GEN.SG
zurück hingehen:PRS.3SG.AKT
„Der Mann des Wettergottes geht zurück.“ 3.2.2-3b: IBoT 1.36 III 10 (mH/mS) n(u)=as EGIR-pa=pat paddāi KONN=3SG.NOM.C zurück=PTK
eilen:PRS.3SG.AKT
„Er eilt gleich zurück.“ 3.2.2-3c: KBo 17.18 II 5 (aS) t(a)=e=sta prā pānz[i] KONN=3PL.NOM.C=OBP voran hingehen:PRS.3PL.AKT
„Und sie gehen hinaus.“ 3.2.2-3d: KBo 17.3+ III 29 f. (aS) ug=a[n kē] hūmanda
[a]nda pētahhe
ich:NOM=OBP DEM:AKK.PL.N all:AKK.PL.N hinein
hinschaffen:PRS.1SG.AKT
„Ich bringe all dieses hinein.“ Vgl. gleichbedeutend mit →3c ohne prā altes t(a)=e=sta pānzi (KBo 25.12+ IV 9; aS) und mit =kkan und obligatorisch gewordenem Place Word jüngeres n(u)=at=kan prā pānzi (KUB 55.43 IV 30'; mH/mS). Vgl. für →3d mit obligatorisch gewordenem anda und =kkan ähnliches [n(u)]=⌈at⌉=kan anda pānzi „Sie gehen hinein“ (IBoT 1.36 I 4; mH/mS). Für =an ohne anda gibt es fast keine Beispiele, vgl. aber:
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
301
3.2.2-4: KBo 21.90 Vs. 7' (aH/mS) n(u)=a⌈s=a⌉n É.Š[À-n]a78
paizzi
KONN=3SG.NOM.C=OBP Innengemach:DIR.SG hingehen:PRS.3SG.AKT
„Sie geht ins Innengemach.“ Das folgende Beispiel wäre in einer stark bewegungsrichtungsorientierten Sprache wegen der Restriktion des „boundary crossing“ (s. o.) vielleicht nicht möglich, 79 im Hethitischen gibt es aber offenbar keine solche Beschränkung, das Prädikat ist sicher telisch: 3.2.2-5: KBo 32.14 III 41 (mH/mS) nu=ssi=kan hūt[a]nus
kattanta taknās
KONN=3SG.D/L.C=OBP Baugrube:AKK.PL hinab
dUTU-i
katt[a
Erde:GEN (GN):D/L.SG dabei
a]rnut schaffen:PRT.3SG.AKT
„Seine Baugruben trieb er hinab bis zur Sonnengöttin der Erde.“ Hethitisch kann aber dennoch nicht ohne Vorbehalt bewegungsartorientiert genannt werden, denn auch wenn es klar nicht bewegungsrichtungsorientiert ist, ist sein Inventar von MANNER-Verben nur sehr schwach ausgebaut, was für „satellite-framed languages“ höchst ungewöhnlich ist.80 Bei den intransitiven Bewegungsverben wird nur die Geschwindigkeit unterschieden, aber nicht z. B. das Subjekt oder das Medium der Fortbewe gung. So gibt es keine eigenen Lexeme für „fliegen“ (vgl. Kap. 2.7), „schwimmen“ oder „fahren“ (vgl. aber →6 mit übertragenem Gebrauch), wofür stattdessen die einfachen deiktischen Verben wie payi-/pai-zi ‚(hin)gehen‘ (s. ausführlich ⇒2.2.2.1) usw. verwendet werden.81 Weiterhin werden atelische (oder zumindest nicht-endterminative) Verben der Art und Weise wie iyanna/i-i ‚marschieren, (ziellos) gehen‘ und huwai-/hui-i ‚laufen, rennen‘ (anfangsterminativ auch ‚entlaufen, fliehen‘) meist nicht mit richtungsanzeigenden Place Words kombiniert, enthalten also oft keine PATH-Angabe.82 Die Unterscheidung der Geschwindigkeit kann nur bei den unperspektivierten Verben ye/a-tta(ri) ‚(wohin) gehen‘ und patt(a)i-i ‚eilen, fliehen‘ erfolgen (→3ab), bei den überwiegend kausativen deiktischen Verben, die das bewegte Objekt (Personen, Tiere oder unbelebte Objekte) unterscheiden, kann dies hingegen nur mit modalen Adverbien erfolgen: 78 Die Zeichenspuren lassen auch eine Lesung Ḫ[I.]⌈A⌉ zu, wegen der Parallelen zu Z. 12' und besonders Z. 45' ist aber Š[À-n]a (= tunakkesna) wahrscheinlicher. 79 Sofern das Ziel erreicht wird, den Bewegung bis zu einem Punkt hin ohne Wechsel der räumlichen Domäne ist auch in bewegungsrichtungsorientierten Sprachen möglich. Vgl. aber das klare Bsp. in Fn 82. 80 Im Vergleich dazu finden sich bei Tischler (1982: 147) achtzehn Synonyme oder Paronyme für „schlagen, stoßen, werfen“ u. ä. und für „drücken, pressen, drängen“ u. ä. 81 Vgl. besonders das am Schluss des Kapitels genannte Bsp. 3.5.2-11, wo eine Person wohl auf allen Vieren kriecht, was aber sprachlich gar nicht zum Ausdruck kommt. 82 Auch die Beispiele für MANNER-Verben mit PATH-Angaben außer den hier genannten sind nicht besonders zahlreich, wie die einzelnen Lemmata der Wörterbücher zeigen, vgl. noch hartggas=ma=sma[s] srā arkisketta „Der Bär? aber kletterte auf euch [angesprochen sind Bäume] hinauf“ (KUB 29.1 I 30 f.; aH/jS). Eher nicht hierher gehört →3.5.2-3, das kein eigentliches Bewegungsverb enthält.
302
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
3.2.2-6: HKM 14 6 f. (mH/mS) nu MAḪAR dUTUŠI leliwahhuanzi ūnni KONN bei
(Titel)
hasten:INF
hertreiben:IMP.2SG.AKT
„Komm eiligst vor meine Majestät hergefahren.“ Vgl. auch die Wendung zallaz we/uwa-zi ‚traben?‘ (KUB 29.45 I 11; mH/mS), zu einem wohl luwischen zalla- ‚Geschwindigkeit?‘ (s. Kloekhorst 2008: 1027). In der Folge kodiert Hethitisch in sehr vielen Fällen nur das allgemeine MOTION im Verb, während PATH häufig und MANNER selten optional im Satz ausgedrückt werden. Dieses Verhalten ist typologisch selten, denn so erscheint Hethitisch als Sprache, die weder bewegungsrichtungs- noch bewegungsartorientiert ist und stattdessen bei den Bewegungsverben ihr Augenmerk auf die deiktische Informationen (⇒3.4) legt. Vor diesem Hintergrund scheint die oben in Weiterentwicklung von Talmy aufgestellte Typologie, die nicht nur nach der Kodierung von PATH, sondern auch von MANNER differenziert ist, plausibel (vgl. Abb. 3.2.2-1). Der hethitische Befund muss jedoch insgesamt unsicher genannt werden, denn es ist nicht auszuschließen, dass zahlreiche MANNER-Verben aufgrund der Dominanz der deiktischen Verben vielleicht nur zufällig nicht belegt sind, also pragmatische Faktoren die Evidenz beeinflussen und die Sprache gemäß den sprachlichen Tests (Frogstory, ⇒1.2.1, S. 8, Fn. 19) als gewöhnliche „satellite-framed language“ erscheinen würde.83 Am Rande sei erwähnt, dass es durch deadjektivische Ableitung (Faktitiva zu dimensionalen Adjektiven) auch eine geringe Anzahl bewegungsrichtungsorientierter Verben geben kann (→7a), die aber keinen Einfluss auf das Sprachsystem haben. 84 Ein ebenso isoliertes Beispiel ist das Verb ūpp-zi ‚aufgehen‘ (von der Sonne gesagt, →7b), das wohl ursprünglich auf einem lokalen Relator beruht (⇒4.1.4.4). 3.2.2-7a: KBo 32.13 II 7 f. (mH/mS) A.ŠÀ 7 tawallas=ma=ssan ANA GIŠGÌR.GUB GÌR.ḪI.A-ŠU Feld
7 (Maß)=KONN=OBP
DAT Fußschemel
parknut
Füße:POSS.3SG.M erhöhen:KAUS:PRT.3SG.AKT
„Seine Füße aber legte er auf Fußschemel von sieben t. Fläche(?) hoch.“ 3.2.2-7b: KBo 13.29 II 10 (mH/mS) mān=kan dUTU nā[wi] ūpzi wenn=OBP (GN)
noch nicht aufgehen:PRS.3SG.AKT
„Wenn die Sonne(ngottheit) noch nicht aufgegangen ist, …“ Eine ganz eigene Einteilung der dynamischen Verben in der alten Sprache wurde bereits in Kap. 2.2.1 angesprochen: Hethitisch unterscheidet ursprünglich zwischen gerichteten Verben, die sich mit dynamischen Place Words (⇒2.4.1) und dem Direktiv (⇒2.1.1) bzw. dynami83 Vgl. Slobin (2004: 6–8) zu ähnlichen Fällen in einigen bewegungsartorientierten Sprachen. 84 Die deiktischen Verben (⇒2.2.2.1, 3.4) betrachte ich nicht als PATH-Verben (gegen Beavers et al. 2010: 350), da ihre Richtungsangabe nur indirekt aus der Information über das Centrum deicticum und unabhängig von etwaigen Satelliten erfolgt.
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303
schen Dativ-Lokativ (⇒2.1.3) verbinden können und ungerichteten, die eine Fortbewegung ausdrücken, aber nur statisch kombiniert werden. So wird ā/ar-i ‚ankommen, gelangen, erreichen‘, das im Deutschen teilweise statisch übersetzt wird, im Hethitischen dynamisch verstanden, also „wohin gelangen“ und entsprechend kombiniert (→8ab), während z. B. huwai-/ hui-i ‚laufen, eilen‘ nur mit statischen Ausdrucksmitteln steht und höchstens in Verbindung mit =kkan (⇒2.3.5) mit einem Akkusativ des Weges treten kann (→8c). Dieser Kontrast wurde im Laufe der Sprachgeschichte zunehmend abgebaut. 3.2.2-8a: IBoT 1.36 IV 3 f. (mH/mS) māhhan=ma=asta LÚ.MEŠALAM.ZU9 Éhilam⌈nas⌉ [KÁ.GA]L-as anda wenn=KONN=OBP
Rezitatoren?
Torbau:GEN Tor:D/L.PL?
drinnen
aranzi ankommen:PRS.3PL.AKT
„Wenn die Rezitatoren? aber im Haupttor des Torbaus eintreffen, …“ 3.2.2-8b: KBo 25.112+ II 17' (aS) URU mān=as Karikūr⌈is⌉ka āri wenn=3SG.NOM.C (ON):DIR.SG?
ankommen:PRS.3SG.AKT
„Wenn er in Karikoriska ankommt, …“ 3.2.2-8c: KBo 38.12+ III 28' (aS) hāssan=⌈kan⌉ 1-ŠU huyanzi Herd:AKK.SG=OBP 1:POSS.3SG.M laufen:PRS.3PL.AKT
„Man läuft einmal am Herd entlang.“
3.3 Maßangaben Ein weiterer, wenn auch in der Forschung wenig beachteter Aspekt der Raumsprache sind Angaben, wie viel Raum ein Objekt oder generell ein Sachverhalt (z. B. eine Bewegung) ein nimmt. Für die Beschreibung von Objekten hat Lang (1989) anhand des Deutschen einige wichtige Beobachtungen aufgestellt, die noch auf einer breiteren typologischen Basis untersucht werden müssten: Die Sprachen der Welt kennen verschiedene lexikalische Einheiten für Länge, Höhe, Breite, Tiefe, Dicke und Weite, obwohl zur Beschreibung der Dimensionen eines Objektes ja ein dreiteiliges kartesisches Koordinatensystem ausreichen würde. Die Ursache hierfür ist wohl in der Vielfalt der menschlichen Kognition zu suchen: Objekte werden demnach nach Gestalt- (Symmetrieachsen, Prominenz u. ä.) und Lageeigenschaften (zu den drei kartesischen Koordinaten) kategorisiert, die zusammen zu einem Objektschema führen (Lang 1989: 168, mit Schaubild). So ist z. B. ein loses Brett „lang“, das gleiche in der Rolle eines Fensterbretts aber „breit“ (ebd. 150 f.), auch Konzepte wie „hoch“ hängen in ers ter Linie von der Kategorisierung einer Konfiguration (z. B. kanonisch vertikale Ausrichtung) ab (159). Die
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zur Beschreibung verwendeten Adjektive sind Selektionsrestriktionen unterworfen, da sie an die Dimensionen der Objekte gebunden sind: Dt. lang kann sich auf ein-, zwei- oder dreidimensionale Objekte beziehen, hoch und breit auf zwei- oder dreidimensionale, dick, weit und tief nur auf dreidimensionale. Während lang und dick nie dieselbe Dimension bezeichnen können, ist dies bei breit und weit abhängig von der Perspektive möglich. Wenn auch viele Faktoren der Umgebung eine Rolle spielen, sind Maßangaben syntaktisch einfach aufgebaut, da sie nur aus einem Bezugsobjekt und einer adjektivischen Prädikation bestehen müssen, also keine Informationen zu Relata o. Ä. enthalten. Das Adjektiv weit wird im Deutschen optional neben Maßangaben auch zur Bezeichnung einer zurückgelegten Wegstrecke verwendet. Nach Wunderlich (1982: 18) gibt es drei Modelle für eine solche Längenmessung: Von einem Ausgangspunkt aus (von hier 1 km nach Norden), von einem Rand aus (1 m auf den Teppich gehen) oder mit Bezug auf die gemessene Gesamtstrecke (3 km nach XY fahren). Neuere und typologisch breit angelegte kognitivistische Studien zu diesem Themenkomplex aus Sicht der Raumgrammatik sind wünschenswert. Wie in Kapitel 2.6.3 referiert wurde, ist die Überlieferung der dimensionalen Adjektive im Hethitischen so beschränkt, dass das synchrone System von Maßangaben nicht rekonstruiert werden kann und entsprechend keinerlei vergleichende Schlussfolgerungen gezogen werden können.
3.4 Deixis, Phorik und Perspektive Die wichtige Rolle der Deixis (s. als Überblick Klein 2001, mit weiterer Literatur) bei der Angabe von Orten wird in der Literatur immer wieder hervorgehoben, dabei muss man sich jedoch bewusst sein, dass die räumliche Deixis nur ein Ausschnitt aus einem größeren Feld ist (Fillmore 1982: 37). In der Definition von Klein (2001: 575) heißt es nämlich: „Ausdrücke mit einer strukturell vorgegebenen Leerstelle, die aus dem Situationswissen zu füllen ist, nennt man deiktisch“, wobei einige Autoren auch die in gleicher Weise auf den sprachlichen Kontext bezogene Elemente als (Text-)Deixis hier einordnen, während andere hierfür den tra ditionellen Terminus der (Ana-/Kata-)Phorik verwenden. In Abhängigkeit von der Art des Sachverhalts, der die Leerstelle ergänzen soll, gelten als etablierte Arten der Deixis die perso nale oder allgemeiner Objekt-, die lokale und die temporale Deixis, ein möglicher weiterer, aber umstrittener Typus ist die von Levinson (1983) angesetzte soziale Deixis (Klein 2001). Deiktische Ausdrücke sind in erster Linie Pronomina und Determinierer, Partikeln, Adverbien und Verben, eher nicht Substantive oder Adjektive (Klein 2001: 576 f.). Die Objektdeixis verweist im einfachsten Fall auf an der Redesituation beteiligte Personen und Objekte.85 Ihre prominentesten Vertreter sind die Personalpronomina. Auch sind 85 Wie bei den spatialen Relatoren handelt es sich dabei nicht um eine exakte Identifikation, sondern um den Hinweis auf einen Suchbereich, in dem der Hörer das Objekt dann selbst lokalisieren muss.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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viele dreiteilige Systeme von Demonstrativa auf einer personalen Unterscheidung aufgebaut, z. B. im Lateinischen (hic ‚der bei mir‘ – iste ‚der bei dir‘ – ille ‚der bei ihm/ihnen‘) oder Altarmenischen (Artikel -s, -d, -n). Die Zeitdeixis (s. Klein 2001: 585–588) ist eindimensional aufgebaut. Wie die lokale Deixis hat sie zur Ermöglichung der Orientierung einen explizit oder konventionell festgelegten Bezugspunkt, das sog. Centrum deicticum (CD, in Bühlers Darstellung von 1934 „Origo“), der bei ihr das Jetzt ist, das aber auch verschoben werden kann (z. B. in relativen Tempora). Die umstrittene soziale Deixis gibt Beziehungen zwischen den an der Redesituation Beteiligten wieder, z. B. durch die Wahl der Anrede (dt. du – Sie). Zur Textdeixis s. u. Bei der lokalen Deixis wird nicht auf konkrete Objekte, sondern auf Teilräume eines strukturiert gedachten Raumes verwiesen (Klein 2001: 582). Die Unterteilung dieses Raumes ist von Sprache zu Sprache verschieden. Das wichtigste und wohl universale Kriterium ist Entfernung in Bezug auf definierte Punkte (z. B. den Sprecher), wobei mindestens zwei 86 und maximal drei Distanzgrade (nicht mehr, s. Diessel 1999: 40) unterschieden werden. Die oben erwähnten Demonstrativsysteme mit personaler Deixis wie im Lateinischen haben dabei keine echten Ausdrücke für „hier“ und „dort“, sondern können Objekte nur über den außersprachlichen Standort der entsprechenden Person lokalisieren (hic ‚bei mir‘ – istic ‚bei dir‘ – illic ‚bei ihm/ihnen‘). Der Parameter der Entfernung kann mit weiteren Kriterien wie (Un-) Sichtbarkeit, relativer Höhe, (nicht-)erstrecktem Grund u. a. kombiniert werden, so dass sich im Extremfall bis zu 88 deiktische Adverbien ergeben. 87 Diese zusätzlichen Elemente sind mit Diessel (2001: 41, gegen Fillmore 1982: 51) ebenfalls größtenteils deiktisch, da auch bei scheinbar absoluten Zusatzinformationen wie „flussabwärts“ oder „bergauf“ das Centrum deicticum für eine erfolgreiche Lokalisation bekannt sein muss. Dieses ist bei der lokalen Deixis in den meisten Fällen der Sprecher, es kann aber auch hier Verschiebungen der Origo geben (Klein 2001: 584 f.), häufig z. B. auf den Hörer, oder auf eine beliebige Person zu einer beliebigen Zeit (Bühlers „Deixis am Phantasma“). Lokaldeiktische Ausdrücke können sowohl statisch als auch dynamisch sein, bei letzteren ist das Centrum deicticum als Zielort der Bewegung zu verstehen (Klein 2001: 585). Deiktische Ausdrücke treten in der Praxis sehr häufig in Konkurrenz mit expliziten Lokalisationen, wenn ein klarer Kontext geringere Genauigkeit erlaubt oder der entsprechende Ort bereits vorgenannt ist, vgl. die Ausdrücke im Schrank – darin – dort, die allen denselben Ort bezeichnen können. Ebenso wie beim relativen Referenzrahmen (⇒3.1.2.3) sind deiktische Ausdrücke unabhängig von den Gestalteigenschaften des Lokatum, bei ihnen ist das Centrum deicticum zugleich Relatum (Fillmore 1982: 43) und 86 Es wird von mindestens zweifachen Kontrast in jeder Sprache ausgegangen wie z. B. im Englischen here – there. Vgl. aber Diessel (1999: 38) zu einem möglichen Beispiel eines deiktisch neutralen Demonstrativums (ein weiteres Bsp. könnte tiu im Esperanto sein, das die ferndeiktische Bedeutung ‚der da/dort‘ wohl nur im Kontrast mit ĉi tiu ‚der hier‘ annimmt). 87 Im Inuktitut, s. Denny (1985), vgl. auch Kryk-Kastovsky (1996): Sie führen die Unterschiede in der Komplexität der deiktischen Systeme auf verschiedene Grade der Zivilisation bzw. des Landschaftseingriffs von Seiten des Men schen zurück, was m. E. aber auf der Basis eines größeren Sprachensamples überprüft werden müsste.
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Richtpunkt des Koordinatensystems. Voraussetzung für eine erfolgreiche Lokalisation ist allerdings eine hinreichend gleiche Vorstellung von der Struktur des ja nur gedachten „Anschauungsraums“ bei Sprecher und Hörer (Klein 2001: 582 f.). Gegebenenfalls muss dieser expliziert werden (z. B. durch„von mir aus gesehen“), gerade um z. B. rechts von links zu unterscheiden. Wie im eben genannten Beispiel im Schrank – dort können deiktische Ausdrücke nicht nur beim direkten Zeigen, sondern auch phorisch zum Verweis auf bereits Gesagtes (Anapher) oder gleich zu Sagendes (Katapher) verwendet werden, was auch als Textdeixis bezeichnet wird. Auch die temporale Deixis ist in Bezug auf ihre Konzeptionalisierung und Ausdrucksmittel oft von der lokalen abhängig, besonders wichtig ist hierbei die Wegmetapher (s. Mondada 1996). Zur Einordnung der Phorik gibt es allerdings auch andere Auffassungen: Ehlich (1982, vgl. auch 1983) verweist nicht nur auf getrennte Systeme von deiktischen und anaphorischen Ausdrücken im Hebräischen, sondern auch auf Fälle im Deutschen, wo sie nicht austauschbar sind, vgl. Anpassung seiner Leser an ihre soziale Situation, das/*es leistet der Roman […] (Ehlich 1982: 319 f.), und somit auf funktionale Unterschiede. Ihm zufolge sind Deixis und Phorik zwei getrennte Mittel zur Lenkung der Aufmerksamkeit des Hörers, wobei Deixis auf Unbekanntes verweist,88 Phorik auf Bekanntes,89 was auch die Seltenheit von Kataphern erklärt, bei denen der Sprecher den gedanklichen Fokus auf ein noch zu nennendes Objekt legt, und der Hörer ihm dafür Zeit gibt (334–336). Diese Arbeit entscheidet sich nicht zwischen dem traditionellen und diesem abweichenden Ansatz und verwendet im Folgenden den Ausdruck Phorik, ohne daneben Textdeixis gesondert zu definieren (wie es Ehlich 1982: 331 f. macht), zumal diese Ausdrücke hier nur in soweit von Bedeutung sind, als sie Metaphern lokaler Deiktika darstellen. Eine besondere Gruppe bilden noch die deiktischen Verben, d. h. Bewe gungsverben, die ausdrücken, ob sich eine Handlung auf das Centrum deicticum zu- oder von ihm wegbewegt. Das deiktische Element kann durch ein Affix ausgedrückt werden (vgl. dt. her- und hin-) oder in der Wurzel enthalten sein (z. B. engl. bring und take). Das für universal („prototypisch“, Radden 1989: 229) gehaltene Paar „gehen“ (vom CD weg) vs. „kommen“ (zum CD hin) ist nach der Untersuchung von Wilkins/Hill (1995) nicht überall verbreitet, d. h., nicht jede Spra che verfügt über deiktische Verben. Ein einfaches Bewegungsverb „gehen“ kann deiktisch neutral sein, aber pragmatisch wiederum im Kontrast zum markierten „kommen“ einen deik tischen Wert annehmen. Deiktische Informationen spielen im Hethitischen eine überragende Rolle und finden sich in einer Vielzahl von Adverbien, Pronomina und Verben (⇒2.2.2.1, 2.6.1) wieder. Vielleicht mit Ausnahme der Präverbien sind die von den drei Stämmen kā- ‚im Bereich der ersten Person‘, apā- ‚im Bereich der zweiten Person‘ und a- ‚im Bereich der dritten Person‘ ab88 „The deictic procedure is a linguistic instrument for achieving focusing of the hearer’s attention towards a specific item which is part of the respective deictic space (deiktischer Raum)“ (Ehlich 1982: 325). 89 „The anaphoric procedure is a linguistic instrument for having the hearer continue (sustain) a previously established focus towards a specific item on which he had oriented his attention earlier“ (Ehlich 1982: 330).
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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geleiteten Bildungen jedoch nur indirekt lokal zu verstehen und gehören primär der Objektdeixis an, fast alle an diese Stämme gebundenen Ausdrücke sind in allen Phasen der hethitischen Sprachgeschichte personal aufgebaut, nicht spatial (s. Goedegebuure 2003: 60–104). Daher kann in dieser Arbeit nicht das Problemfeld der Deixis im Hethitischen an sich, sondern nur einzelne, räumlich relevante Ausschnitte besprochen werden. 90 Auch die traditionell mit ‚hier‘, ‚da‘ und ‚dort‘ übersetzten Adverbien kā, apiya und edi (⇒2.6.1) sind von den Demonstrativpronomina abgeleitet und damit ursprünglich nicht raum-, sondern personendeiktisch. Eine Lokalisation (bzw. die Festlegung eines Suchbereichs) von Objekten durch diese Adverbien ist daher nur implizit über den Ort der jeweiligen Person möglich. Darüber hinaus gibt es keinen z. B. durch Bedeutungselemente wie „sichtbar“/„verborgen“ strukturierten Raum im Hethitischen. Auch die Phorik ist an den Domänen der drei Personen orientiert und nicht räumlich (s. Goedegebuure 2003: 231–239, 201–206, 153–173). Lediglich apā- erscheint gelöst von der zweiten Person als emphatische Pronomen zum Ausdruck von Fokus (248–326) und kann so auch in der Textdeixis breiter eingesetzt werden (89–103). Echte lokale Deixis findet man hingegen möglicherweise beim Verb. Die mit dem Stamm verbundenen Präfixe pe- ‚hin‘ und u- ‚her‘ (s. ⇒2.2.2.1 für Beispiele) geben wie ihre genauen deutschen Entsprechungen bei rund einem Dutzend dynamischer Verben die relative Entwicklungsrichtung einer Handlung in Bezug auf das deiktische Zentrum an, das hier an die jeweilige Perspektive gebunden ist. Die Verbpaare sind dabei nicht gleichmäßig verteilt, einem Sample von fünfundsechzig Belegen für payi-/pai-zi ‚hingehen‘, ped(a)-i ‚hinschaffen‘, pehut(e)-zi ‚hinbringen‘ und penna/i-i ‚hintreiben‘ in althethitischer Schrift stehen nur vierzehn Belege ihrer Pendants mit dem Präverb u- gegenüber, ein Verhältnis von fünf zu eins. Dies entspricht der aus Typologie und Psychologie bekannten Tatsache, dass die Bezugspunkte ZIEL und QUELLE kognitiv nicht symmetrisch sind, sondern ZIEL unmarkiert ist und öfter zum Ausdruck kommt.91 Insgesamt machen die deiktischen Verben trotz ihrer vergleichsweise geringen Anzahl den Großteil der Belege von Bewegungsverben im hethitischen Korpus aus. Die Befunde erlauben zugleich einige Schlüsse zur Perspektive im Hethitischen. In Briefen, besonders an Vorgesetzte, kann der Schreiber bisweilen die Position des Lesers vorwegnehmen (→1a) bzw. nachvollziehen (→1b), muss es aber nicht (→1c, vgl. auch HKM 66 31):92
90 Für alles Weitere ist hier auf die erschöpfende und moderne Darstellung von Goedegebuure (2003) zu verweisen, die allerdings eine feinere Unterteilung der Deixis anwendet als diese Arbeit. 91 S. Ikegami (1987), Lakusta/Landau (2005), Creissels (2006), Regier/Zheng (2007). Entsprechend verwundert es gegen Boley (1989: 93) nicht, dass OBP im Altheth. häufig mit pe-Verben, aber sehr selten mit u-Verben vorkommen, zumal mindestens =an und =ssan semantisch nicht mit den ablativischen Konfigurationen, bei denen u-Verben oft auftreten, kompatibel sind.
308
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
3.4-1a: CTH 138 58' (mH/mS) [n(u)=as] EGIR-pa apadda wezzi KONN=3SG.NOM.C wieder
dorthin
kommen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn jemand flieht) und wieder dorthin (= zu euch) zurückkommt, …“ 3.4-1b: HKM 21 22–24 (mH/mS) tuel=wa(r) ⌈ku⌉e ṬUPPAḪI.A pedanzi du:GEN=„“
REL:AKK.PL.N Tafeln
⌈nu⌉=war=at=kan
hinschaffen:PRS.3PL.AKT KONN=„“=3PL.AKK.N=OBP
ammuk halzissahhi ich:NOM rufen:IPFV:PRS.1SG.AKT
„»Deine Tafeln, die man überbringt, lese ich jeweils vor.«“ 3.4-1c: HKM 22 14–16 (mH/mS) GU4=ya=wa(r)=mu kuin
tet
nu=war=an=mu
Rind=KONN=„“=1SG.D/L REL:AKK.SG.C sagen:PRT.2SG.AKT KONN=„“=3SG.AKK.C=1SG.D/L
uppi herschicken:IMP.2SG.AKT
„»Schick mir auch das Rind her, das du mir versprochen hast!«“ Dazu passt auch, dass in den Maşat-Briefen bei Transferverben überwiegend die Partikel kāsma steht, die einen ganzen Sachverhalt in der Domäne der zweiten Person verortet (s. Rieken 2009a: 269 f.), der Absender also den (oft höher gestellten) Empfänger betont. Das Präfix pe- kann durch Abbau der Komponente [Centrum deicticum] alleine bereits „weg“ bedeuten, wie in dem folgenden Beispiel deutlich wird: 3.4-2: HKM 10 37 f. (mH/mS) nu=wa(r) 40 GU4.ḪI.A 1 ME UDU.ḪI.A pennies KONN=„“
40 Rinder
1 100 Schafe
hintreiben:PRT.3SG.AKT
„»(Als ich im Land von Ishubita ankam, schlug der Feind in meinem Rücken Zikata) und trieb 40 Rinder und 100 Schafe hinfort.«“ Die zeitliche Deixis ist im Hethitischen nicht besonders stark ausgebaut. Die temporalen Adverbien (s. GHL: 290 für eine Liste) beruhen nur zu einem kleinen Teil auf den Demonstrativa (z. B. apiya i. S. v. ‚da, dann‘) oder lokalen Ausdrucksmitteln (⇒3.5.1).
92 Einen interessanten Fall von Perspektivenwechsel im Verlauf der Redaktionsgeschichte bietet die Erzählung CTH 3 um die Stadt Zalpa. Während es im vermutlich althethitischen Original aus Sicht des wohl in Hattusa sitzenden Erzählers heißt s(u)=an URUHattusa uwatet „Er brachte ihn nach Hattusa her“ (KBo 22.2 Rs. 9'; aH/aS?), versetzt sich der jungheth. Abschreiber an den Ort des Geschehens: [s(u)=]an URUHattusa EGIR-pa pēhute[t] „Er brachte ihn wieder nach Hattusa hin“ (KBo 3.38 Rs. 26'; aH/jS).
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
309
3.5 Nichträumlicher Gebrauch räumlicher Ausdrücke Wie im Zusammenhang mit ihrer Grammatikalisierung noch darzulegen ist (s. Kap. 4, Einleitung), können Raumausdrücke auf Metaphern beruhen (z. B. am Fuß des Berges). Andererseits sind sie selbst aber auch Grundlage mannigfacher übertragener Gebrauchsweisen, bei denen konkrete lokale Konzepte verwendet werden, um abstraktere, nicht-räumliche zu verbildlichen. Hierbei muss beachtet werden, dass Metaphern „nicht nur ein sprachliches Stilmittel, sondern vielmehr ein kognitives Organisationsprinzip“ sind (Wenz 1997: 33), nicht nur ein Sprachspiel, sondern ein „Instrument für die Erzeugung von Begriffen als kognitiven Einheiten“ (Rauh 1989: 258), das notwendig ist, um nicht-konkrete, nicht zeigbare Konzepte zu verstehen bzw. anderen verständlich zu machen. Man kann sie in drei Typen einteilen (Rauh 1989: 256 mit Fn. 1): Innovative Metaphern werden noch als solche empfunden und sind entsprechend stilistisch markiert, konventionelle werden nicht mehr als solche empfunden, und tote Metaphern sind überhaupt nicht mehr als solche erkennbar. Kognitive Universalien, die die Metaphernbildung steuern könnten, sind bisher in vielen Bereichen noch unzureichend erforscht (vgl. allgemein Lakoff/Johnson 1980), daher können an dieser Stelle mit Ausnahme der gut beschriebenen Metaphorik der Zeitlichkeit (⇒3.5.1) nur wenige allgemeine Feststellungen getroffen werden, die meisten Befunde sind einzelsprachlich zu erfassen. Metaphorik durch Raumausdrücke wird dann möglich, wenn nicht-räumliche Konzepte räumlich nach den Eigenschaften, die diese Wörter mitbringen, konzeptualisiert werden (Rauh 1989: 256). Ein Beispiel hierfür ist engl. The story moved her to tears, bei dem bei moved die Komponente „lokal“ durch das aus den anderen Satzgliedern gewonnene „emotional“ ersetzt wird, während die Relationierungsfunktion dagegen gleich bleibt (ebd. 263 f.). Allgemein lässt sich beobachten, dass zumindest in den europäischen Sprachen Emotionen und Ideen oft mit Behälterobjekten metaphorisiert werden, Argumentation hingegen mit Wegen und Gebäuden (Wunderlich 1985b: 76, nach Lakoff/Johnson 1980). Aufgrund ihres hohen Idiomatisierungsgrads treten lokale Verben auch häufig in Funktionsverbgefügen auf (ebd. 80 f.). Unter den Bewegungsverben werden besonders die deiktischen Verben „gehen“ und „kommen“ metaphorisch gebraucht.93 Das in ihnen enthaltene Bewegungsschema (Ausgangspunkt, Pfad, Richtung, Endpunkt) ist die Grundlage für die Übertragung (Radden 1989: 229 f.), so gilt: Ausgangspunkt = Anfangszustand, Endpunkt = Endzustand bzw. Ziel, PfadStationen = Handlungen zum Erreichen des Ziels (vgl. dt. durch). Zu den häufig auf diese Weise ausgedrückten nicht-räumlichen Konzepten gehören Zeit, Zustandsveränderung, Schlussfolgerungen, sowie Liebe und Heirat (als „fortlaufende Reise“; ebd. 231).
93 Vgl. für das Englische und Deutsche Radden (1989), wobei Engl. viel häufiger als Dt. Bewegungsverben für Metaphern verwendet (ebd. 246).
310
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
Die Bedeutungsübertragung ist nicht auf den Bereich des Lexikons beschränkt, so kann eine Adposition sich auch auf den ganzen Satz beziehen und damit zur Subjunktion werden (Svorou 1994: 37 f.), z. B. dt. während. Solche Phänomene sind, wie gesagt, beim jetzigen Wissensstand fast nur einzelsprachlich zu beschreiben, erbringen dort aber interessante Ergebnisse.94 In der Folge werden zunächst die temporalen und danach alle anderen übertragenen Gebrauchsarten für das Hethitische getrennt dargestellt.
3.5.1 Temporal Eine besonders wichtige Domäne der räumlichen Metaphern ist zweifelsohne der Ausdruck von Zeitlichkeit. Der temporale Gebrauch des Raumlexikons (s. Haspelmath 1997) ist in allen untersuchten Sprachen der Welt verbreitet und kann den Status einer Universalie beanspruchen. Dieser Arbeit liegt dabei die prinzipielle Annahme zu Grunde, dass Zeitausdrücke metaphorische Ableitungen von Raumausdrücken sind. Daneben gibt es zum Zusammenhang von Raum- und Zeitausdrücken aber noch weitere Theorien (vgl. Ehrich 1989: 2), v. a., dass beide Typen Instanzen eines abstrakten Systems und somit gleichberechtigt sind. 95 Auch nach Rice (1996) gibt es neben dem lokalen auch ein temporales prototypische Zentrum z. B. im Bedeutungsfeld der Adpositionen. Dem kann Haspelmath (1991: 140) mit dem entscheidenden Argument widersprechen, dass die Untersuchung temporaler Ausdrucksmittel in dutzenden Sprachen ergeben hat, dass es fast keinen metaphorischen Transfer in der Richtung Zeit → Raum gibt (ebd. 141 f.), die temporalen Ausdrücke werden hingegen überwie gend von lokalen abgeleitet. Man muss zudem bedenken, dass räumliche Konzepte anschaulicher sind als zeitliche und beim Spracherwerb auch früher erlernt werden (Wunderlich 1985b: 69). Als Metapher für die Zeit wird fast ausschließlich die Transversale („vorne“ – „hinten“) verwendet, daneben findet sich in manchen Ausdrücken auch die Vertikale. 96 Die laterale Dimension kommt gar nicht vor, was dafür spricht, dass die Zeit als Bewegung konzeptualisiert wird (Haspelmath 1991: 21 f.). Auch nach Closs Traugott (1978: 369) ist die Grundlage der Übertragung wohl ein „canonical encounter“, da für Verbkategorien verwendete Raumausdrücke stets eindimensional sind und keinen Bezug auf die Gestalt nehmen, nicht etwa eine abstrakte physikalische Zeitlinie, die es in manchen Sprachen als Vorstellung gar nicht gibt. Nach Wunderlich (1985b: 70) gibt es zwei grundlegende Modelle für die lokale Modellierung von Zeit: In dem einen werden Raum bzw. Zeit als Rahmen verstanden, in dem man 94 Man vgl., um nur ein Beispiel zu nennen, das uto-aztektische Cora, das über 66 Lokaladverbien verfügt, die auch zahlreichen anderen Zwecken dienen, so zur lexikalischen und temporalen Differenzierung, Anaphorik und Diskursstrukturierung (s. Casad 1996). 95 Vgl. Jackendoff (1983: 210). Klein (1983: 283 f. mit Fn. 1) verweist darüber hinaus darauf, dass Tempus viel häufiger obligatorisch sei als Ortsangaben. Vgl. dagegen und für die Bedeutung des Raumes aber die Einleitung zu Kapitel 1.2. 96 Diese Formen drücken dann aber kaum für „vor“ bzw. „nach“ aus.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
311
sich bewegt (Eigenbewegung), das bedeutet, die Zukunft liegt „vor“, Vergangenheit „hinter“ einem. Im anderen sind Hier und Jetzt fest, während die Zeit sich darauf zubewegt (Fremdbewegung): Die Vergangenheit liegt „davor“, die Zukunft kommt „danach“. Interessanterweise ist temporales „vor“ häufiger von lokalem „vor“ abgeleitet als temporales „nach“ von lokalem „hinter“: Dies liegt wohl daran, dass „hinter“ eine Konnotation „verborgen“ hat, die nicht besonders gut zu der ja bekannten Vergangenheit im Bild der Eigenbewegung passt (Haspelmath 1991: 56 f., 60 f.). Auch bei stärker grammatikalisierten Elementen wie den Tempora finden sich zumindest in der Metasprache Raumkonzepte. So kann ein Tempus deiktisch, d. h. vom Jetzt aus, oder topologisch, d. h. nach naher vs. ferner Vergangenheit, organisiert sein (Ehrich 1989: 3 f.). Ebenso können Temporaladverbien kalendarisch oder nicht-kalenda risch sein, jeweils absolut (am 26.07.1887/im Mittelalter) oder kontextrelativ, d. h. deiktisch ( gestern/vorhin) oder anaphorisch (am Tag zuvor/vorher, ebd. 4). Allerdings unterscheiden nicht alle Sprachen zwischen deiktischer (in X Tagen) und nicht-deiktischer (X Tage später/nach X Tagen) Distanz, z. B. das Lateinische (Haspelmath 1991: 98–100). Trotz der Unterschiede in der Zeitauffassung vieler Kulturen (vgl. Hallowell 1957: 216– 235) ist der sprachliche Ausdruck von Zeit insgesamt betrachtet recht einheitlich (Haspelmath 1991: 146). Auch wenn sie mit aller Wahrscheinlichkeit primär sind, können räumliche Relationen auch umgekehrt durch temporale Ausdrücke wiedergegeben werden, zumindest in impliziter Weise (s. Ehrich 1989: 4): Die Sprache macht sich dabei die sog. Ordo naturalis zunutze, die besagt, dass ein Zeitpunkt oder auch ein Ort beim Erzählen gleich bleibt, wenn nichts Gegenteiliges ausgesagt wird (ebd. 6 f.). Fortbewegungen mit sukzessiven Zeit angaben (z. B. auch durch Aspekte) können so benachbarte Räume angeben, bei imaginären Wanderungen in Erzählungen (z. B. Wohnungsbeschreibungen) fallen räumliche und zeitliche Reihenfolge schlicht zusammen, Adverbien wie gleich implizieren die Nähe der Orte der beiden Handlungen usw. (Ehrich 1989: 8–12). Hethitisch weicht in seinen temporalen Ausdrücken nicht von dem aus altindogermanischen und modernen europäischen Sprachen bekannten Mustern ab. Hier folgen nur einige allgemeine Bemerkungen, während bereits in Kapitel 2 und den vorhergehenden Unterkapiteln an gegebener Stelle einzelne Zeitausdrücke genannt worden sind. Von den zwei eben erwähnten Modellen der Zeit (Eigen- bzw. Fremdbewegung) verwendet das Hethitische nach Hoffner (bei GHL: 291 f.) vorwiegend das der Fremdbewegung („moving-time-model“): Die Vergangenheit liegt vor (peran) dem Jetzt, die Zukunft kommt danach (āppan), vgl. z. B. appasiwatt- ‚Zukunft‘ („Nach-Tag“). In KUB 13.4 II 58 f. (mH/jS) beschreibt peran allerdings wohl Dinge, die in der Zukunft vor einem liegen, wird also nach dem Modell der Eigenbewegung verwendet. Wie im Deutschen gibt es somit auch im Hethitischen beide Systeme nebeneinander. In lexikalischer Hinsicht finden sich in der Liste der temporalen Adverbien in GHL (290) insgesamt einige, aber nicht sehr viele raumbasierte Ausdrücke, wobei als Metapher für
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
die Zeit fast ausschließlich97 die Transversale verwendet wird, z. B. āppanda (⇒2.4.4.6), appezziyan (⇒2.6.4.1) ‚danach‘. Auf der Ebene der Grammatik ist der übliche Ausdruck für einen Zeitpunkt der DativLokativ (⇒2.1.3; →1ab), für eine Dauer der Akkusativ (⇒2.1.4, im Bsp. →1c grafisch unmarkiert). In besonderen Wendungen können auch der Akkusativ (mehur →1b) oder in der jüngeren Sprache der Ablativ (→1d) einen Zeitpunkt ausdrücken. 3.5.1-1a: KBo 17.65+ Vs. 51 (mH/mS) nu=z hāsi kueda!ni
U4-ti
KONN=REFL gebären:PRS.3SG.AKT REL:D/L.SG.C Tag:D/L.SG
„An dem Tag, an dem sie gebiert, …“ 3.5.1-1b: KBo 15.32+ I 2–4 (mH/mS) nu kuit kuit mehur
LÚ
E[N ÉTIM] tarratta
KONN DISTR:AKK.SG.N Zeitpunkt:AKK.SG Herr
mān hmeshi
Haus können:PRS.3SG.MP wenn Frühling:D/L.SG
mān BURU14-i mān gimmi wenn Ernte:D/L.SG wenn Winter:D/L.SG
„Zu welcher Zeit auch immer der Herr des Hauses kann – ob im Frühling, zur Erntezeit oder im Winter –, …“ 3.5.1-1c: KBo 23.4+ III 3 (aH/mS) URU n(u)=as Zihzi⌈ni⌉ MU 8KAM ēsta98 KONN=3SG.NOM.C (ON):D/L.SG Jahr 8
KOP:PRT.3SG.AKT
„Er war acht Jahre lang in Lihzina.“ 3.5.1-1d: KBo 17.105+KBo 34.47 Vs. II 16' (mH/mS) ispandaz=ma=t‹ta› anda DINGIR.MEŠ-es hūlāleskanzi Nacht:ABL=KONN=2SG.AKK rein
Götter:NOM.PL
einwickeln:IPFV:PRS.3PL.AKT
„Nachts aber umkreisen/-wickeln dich die Götter.“
99
Eine weiterhin ungeklärte Frage bleibt, ob die in den Texten zu findende Wendung „in [Zeitraum]“ (→2) inchoativ (die Aussage gilt nach dem genannten Zeitraum) oder durativ (die Aussage gilt während des genannten Zeitraums) aufzufassen ist. Die wenigen Belege erlauben keine Entscheidung. 3.5.1-2: Gesetze §35 (KBo 6.2 II 6; aS) [n(u)]=as INA MU 3KAM GÉME-re[zzi] KONN=3SG.NOM.C LOK Jahr 3
Sklavin werden:PRS.3SG.AKT
„Sie wird in drei Jahren(?)/für drei Jahre(?) zur Sklavin.“
97 katta(=ma) ‚danach‘ (→2.4.1.3-7b) könnte eine Ausnahme sein, wenn es temporal und nicht reihend zu verstehen ist (s. die Diskussion zu den genannten Bsp.). 98 Nach Groddek (1999: 45), gegen HW2 (A: 82), das unverständliches ē=sta ansetzt. 99 In älteren Texten findet man hingegen einen Dat.-Lok. ispanti, z. B. KBo 3.22 6, KUB 30.10 Rs. 18.
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
313
Auch die Unterscheidung zwischen deiktischer und nicht-deiktischer Distanz, die sich u. a. im Lateinischen, Griechischen, Litauischen u. a. indogermanischen Sprachen nicht findet, ist im Hethitischen unklar, da einer wichtigsten Anwendungsbereiche, die Umwandlung direkter in indirekte Rede (vgl. gestern – am vorherigen Tag), im Hethitischen dank der Partikel =wa(r) für wörtliche Zitate (s. GHL: 354357) wegfällt. Auch sonst ließen sich keine Beispiele finden, da es in den alt- und mittelhethitischen Texten fast keine expliziten Zeitangaben gibt. CHD (P: 123 f.) nennt die möglicherweise nicht-deiktischen Verbindungen prā sīwatti „am folgenden Tag“ und prā MU.KAM-anni „im folgenden Jahr“,100 doch ist gerade das deiktische „morgen“ (ebenso „gestern“) im Hethitischen nicht belegt, so dass ein möglicher Kontrast unklar bleibt.
3.5.2 Sonstiger Gebrauch Außerhalb der temporalen Ausdrücke sind Metaphern, besonders innovative, d. h. selten be legte, im Hethitischen wohl größtenteils der künstlerisch gestalteten Sprache vorbehalten. Im allgemeinen Sprachgebrauch zeigen sich nur wenige, wahrscheinlich schon konventionelle Verbindungen, z. B. aus Place Word und Verb (s. u.), darüber hinaus ist im Korpus der altund mittelhethitischen Texte fast nichts zu finden, da es sich überwiegend um Gebrauchstexte im weitesten Sinn handelt. Daher wurde eine Gruppe literarischer Texte aus der junghethitischer Zeit ausgewählt101 und auf Metaphern untersucht. In diesen ist durchaus eine Tendenz zu erkennen: Je stärker die Sprache des Textes bewusst geformt ist, desto mehr Metaphern enthält sie. Entsprechend finden sich die meisten in der sorgsam formulierten sog. Apologie, in der Hattusili III. seine Usurpation des hethitischen Throns rechtfertigt. 102 Bei den Gebeten Mursilis II. sind interessanterweise Häufigkeitsunterschiede zwischen den erzählenden und den hymnischen Teilen festzustellen. Letztere weisen nur wenige Metaphern auf. Die einleitend genannte Unterscheidung von innovativen Metaphern, die noch als solche empfunden werden, konventionellen, die nicht mehr als solche empfunden werden und toten, die nicht mehr als solche erkennbar sind, ist allerdings ohne die Auskunft von Mutter-
100 In dem Bsp. prā hmeshanda (→2.1.1.2-3b) liegt m. E. keine besondere Verbindung „zum nächsten Frühling“ vor, sondern einfaches „bis zum Frühling“. 101 Gebete und Annalen Mursilis II. sowie die Anklageschrift gegen die Tawananna: KUB 24.1+, KUB 14.8, KUB 14.13+, KBo 3.4, KUB 14.15, KUB 14.17, KBo 16.17, KBo 4.2, KBo 5.8, KUB 19.37, KBo 2.5, KUB 14.4+ (spätes 14. Jh. v. u. Z.) und die Apologie Hattusilis III.: KUB 1.1+ (Mitte 13. Jh.). 102 Z. B. nu=z=kan ANA ŠU dIŠTAR [GAŠAN-Y]A :lūlu ūhhun „Und für mich sah ich Wohlergehen ? in der Hand der Ištar, meiner Herrin“ (KBo 1.1+ I 20); ammuk=ma=z prā handānz kuit UN-as esun ANA PANI DINGIR.MEŠ kuit prā handandanni iyahhahat „Weil ich aber ein gut geleiteter Mensch war (und) vor den Göttern in guter Leitung ging, …“ (l. c. I 46–48); [U]RUKÙ.BABBAR-as=sa=mu hūmanz EGIR-an tiya[t] „Auch ganz Hattusa trat hinter mich [also auf Hattusilis Seite]“ (l. c. IV 28 f.).
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
sprachlern nur schwer auf das Hethitische anzuwenden und kann im Folgenden nicht immer berücksichtigt werden.103 Generell können grammatische Mittel wie in allen anderen Sprachen auch übertragen gebraucht werden. In Beispiel →1a gibt der Dativ-Lokativ nicht einen Ort, sondern einen Zustand an, in →1b einen abstrakten Bezug. Der in Kap. 2.1.2.3, S. 52, Fn. 48, angesprochene Dativ-Lokativ beim Vergleich (statt eines Ablativus comparationis) ist möglicherweise auf eine Metapher des lokalen Dativ-Lokativs zurückzuführen. 3.5.2-1a: KUB 32.130 1 f. (mH/mS) ⌈dIŠTAR ṢE⌉RI URUSamūha kardimiatti handāetat (GN)
Feld:GEN (ON)
Zorn:D/L.SG ordnen:PRT.3SG.MP
„Die Ištar des Schlachtfeldes von Samuha wurde im Zorn durch Orakel festgestellt.“ 3.5.2-1b: KBo 39.8 III 27 f. (mH/mS) idālūi=ma=wa(r)=smas=kan uddan⌈ī
QATAMMA munn⌉āeddu
böse:D/L.SG.N=KONN=„“=2PL.AKK=OBP Wort:D/L.SG ebenso
verstecken:IMP.3SG.AKT
„»Vor dem bösen Wort aber soll er euch gleichfalls verstecken.«“ Im folgenden Beispiel findet man den sehr seltenen Ablativ von Personen in einem sicher innovativen sprachlichen Bild: 3.5.2-2: KUB 30.10 Rs. 20 (mH?/mS) mān=mu=kan annaz=ma kartaz
[k]ī
inan
wenn=1SG.D/L=OBP Mutter:ABL=KONN Herz:ABL DEM:AKK.SG.N Krankheit:AKK.SG
gulsta ritzen:PRT.2SG.AKT
„Ob du mir aus dem Leib der Mutter heraus diese Krankheit bestimmt hast, …“ Aus demselben Text stammt die ebenfalls ungewöhnliche Konstruktion von zappiye/a-zi ‚tröpfeln‘ als Bewegungsverb, wobei der Metapher das im Alten Orient verbreitete Bild der flüssigen Seele zu Grunde liegt: 3.5.2-3: KUB 30.10 Rs. 14 f. (mH?/mS) nu=mu pittuliyai peran istanzas=mis KONN=1SG.D/L Angst:D/L.SG vorne
tamatta
pēdi
Seele:NOM.SG=POSS.1SG.NOM.SG.C anderswohin Ort:D/L.SG
zappiskezzi tröpfeln:IPFV:PRS.3SG.AKT
„Und vor Angst tröpfelt meine Seele Stück für Stück an einen anderen Ort.“ In Bezug auf Metaphern beim Verbum kann man zwischen Simplizia und Verben mit Place Word unterscheiden, in beiden Fällen sind die Belege vornehmlich über Wörterbücher er103 Auch Häufigkeitsanalysen können nur Hinweise geben, da auch stilistisch markierte, innovative Metaphern „modisch“ und weiter verbreitet werden können. Allenfalls tote Metaphern können identifiziert werden, wenn z. B. das in ihnen enthaltene Wortmaterial ansonsten ausgestorben ist, z. B. anturiya- ‚innen befindlich‘ < „innerhalb der Türen befindlich“ (⇒4.1.4.3).
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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schlossen oder zu erschließen und können hier aus Platzgründen und mangels Systemhaftigkeit nicht dargestellt werden. Wie in Kap. 2.2.2.2 mit Beispielen dargestellt wurde, können sich Place Words mit Adverbien entweder als Phraseologismen (z. B. peran huwai-/hui-i „vorne/davor laufen“ → 1. ‚anführen‘, 2. ‚unterstützen‘) oder als Präverbbildungen (mit Reihenbildung, z. B. srā ‚hoch‘ oder prā ‚voran‘ mit telischen Charakter, s. CHD Š: 226–228, CHD P: 126) verbinden. Der Großteil der Belege für diese Verbindungen stammt aus der junghethitischen Zeit. Die Phraseologismen sind aber nicht auf Place Words beschränkt, vgl. z. B. für payi-/pai-zi ‚(hin)gehen‘ (s. CHD P: 38–40) neben Bildungen mit Place Word wie katta payi-/pai-zi „runtergehen“ = ‚verloren gehen‘ (→4a) auch die Verbindung =ssan + Dat.Lok. + payi-/pai-zi „auf/an jmd. gehen, jmd. angehen“ = ‚mit jmd. schlafen‘ (→4b). 3.5.2-4a: KBo 16.63+KUB 34.45 6' (mH/mS?) katta(-)pāuas uttar sāg[g]hhi herab-hingehen:VS.GEN.SG Wort:AKK.SG wissen:PRS.1SG.AKT
„Ich kenne einen Fall von Verlust.“ (oder „Mit-Gehen“ = Veruntreuung?) 3.5.2-4b: KUB 9.31 II 9 f. (mH/jS) MUNUS-ni=ssan kuiēs nāui Frau:D/L.SG=OBP
pānzi
REL:NOM.PL.C noch nicht hingehen:PRS.3PL.AKT
„(Man bringt acht(?) Jünglinge herbei,) die noch nicht mit einer Frau geschlafen haben.“ Einige Metaphern können festgestellt, aber nicht aus ihren Bestandteilen heraus erklärt werden, z. B. =ssan prā au-/u-i ‚ignorieren‘ („auf(?) jmd. voranschauen“, s. CHD Š: 154 f .). In →5a ist nicht klar, ob die Metapher wörtlich auf perlativem „jmd. hinter jmd. vorbeileiten“ oder separativem „jmd. hinter jmd. wegleiten“ beruht. Andere Belege sind auch in ihrer tat sächlichen Bedeutung unklar, wie Bsp. →5b das einen rechtswidrigen Vorgang beim Immobilienhandel bezeichnet. 3.5.2-5a: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 73 (mH/mS) namma=kan mMad[duwattas LÚ.MEŠ UR]UD(a)lauwa ANA KUR ferner=OBP
(PN):NOM.SG
Leute
(ON)
URU
Hat⌈ti EGIR⌉-an
DAT Land (LN)
hinten
[ar]ha=pat nais weg=PTK
wenden:PRT.3SG.AKT
„Ferner aber brachte Matuwata die Leute von Tlos? sogar zum Abfall von Hatti.“104 3.5.2-5b: Gesetze §146 (KUB 25.85+ II 9 f.; aS) ta=ssan [happ(a)ri s]ēr happar yēzzi KONN=OBP Handel:D/L.SG oben Handel:AKK.SG machen:PRS.3SG.AKT
„(Wenn aber ein anderer kommt und zuerst (beim Kauf) zuschlägt und seinen) Handel auf (des anderen) Handel macht, …“
104 Vgl. ebenso →2.5.1.1-6–c.
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
Wieder andere Metaphern sind durch typologische Parallelen gestützt, vgl. anda au-/u-i „hineinsehen“ → ‚(be)neiden‘ (z. B. in →2.4.1.1-11b) und lat. in-uideo. Typologisch ebenfalls häufig sind sachlich begründete Konnotationen bei der Vertikalen: So enthält ser ‚oben‘ (⇒2.4.1.2) auch eine Komponente der Überwachung bzw. Kontrolle (vgl. dt. über den Dingen stehen)105 und kattan ‚unten‘ (⇒2.4.1.3) die Spezialbedeutung ‚heimlich‘ (vgl. poln. podkupić ‚bestechen‘, Esperanto subaŭskulti ‚belauschen‘), die auf den Aspekt der Unsichtbarkeit zurückgeht. In den folgenden zwei Beispielen 106 wird peran wie in anderen altindogermanischen Sprachen als Angabe des hindernden Grundes (s. Dunkel 1990b, vgl. auch Hoffner 2002: 164 f.) gebraucht: 3.5.2-6a: KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 11 (mH/mS) [ma]n=s[ma]s ⌈kā⌉sti peran UR.GI7.[ḪI.A] kreper IRR=2PL.AKK
Hunger:D/L.SG vorne
Hunde
fressen:PRT.3SG.AKT
„Vor Hunger hätten euch die Hunde gefressen.“ 3.5.2-6b: HKM 21 9–11 (mH/mS) apēdani [P]ANI LÚKÚR mekki DEM:D/L.SG.C vor
Feind
[p]ahhssnuanz
ēs
viel:AKK.SG.N schützen:KAUS:PTZ.NOM.SG.C KOP:IMP.2SG.AKT
„Sei vor dem Feind sehr vorsichtig!“107 Sowohl Syntax als auch Lexikon betrifft das Phänomen der sog. periphrastischen Konstruktion des Hethitischen, das bereits in der Kurzgrammatik (⇒1.3.1) erwähnt wurde. Dabei wird das Verb payi-/pai-zi ‚gehen‘ oder we-/uwa-zi ‚kommen‘ in personaler Kongruenz mit dem eigentlichen Prädikat parenthetisch nach der satzeinleitenden Partikelkette eingeschoben, es handelt sich also um einen einzigen Satz, nicht zwei parataktische, wie früher angenommen wurde (vgl. das Objektpronomen in Bsp. →1.3.1-1, →7b). Nach der rezenten Studie von Teffeteller (2007, vgl. aber besonders auch van den Hout 2003, 2010 und Rieken 2010a) gibt es in zahlreichen antiken wie modernen Sprachen Parallelen zu dieser Konstruktion, die pragmatisch eine unerwartete, außergewöhnliche Konsequenz einer Handlungskette bezeichnet, vgl. die überwiegend junghethitischen Beispiele bei Teffeteller (2007: 762–764). In einigen Fällen scheint aber keine überraschende Wendung vorzuliegen, sondern bloße Abfolge (→7a) bzw. (bei Sprechzeit = Betrachtzeit) der Ausdruck einer zukünftigen Handlung (→7b). Das letzte Wort bei der Bestimmung der Konstruktion scheint also noch nicht gesprochen. 108 Dies betrifft auch die Ratio für die Verteilung von pai- und uwa-: Rieken (2010a: 225 f., 230–232) sieht eine funktionale Differenz, gemäß der pai- zum Einen Nähe zur Aktzeit (der Handlung) 105 Diese Metapher ist schon grundsprachlich, vgl. die abgeleitete Verbalwurzel *ser- ‚aufpassen‘ (< *‚darüber sein‘, s. Oettinger 2000). 106 Vgl. ebenso →2.4.1.5-4a. 107 Vgl. →2.4.1.5-4b mit Fn. 352 und 353 zur Umschrift von [p]a-aḫ-ḫa-aš-ša-nu-an-za und zur Übersetzung. 108 Damit wird auch Teffetellers (2007: 765–767) Motivierung der periphrastischen Verben als Metapher „deviation from an expected path“ (766) zweifelhaft, vgl. dagegen van den Hout (2003: 199 f.). Ihre syntaktische Erklärung (767 f. mit Fn. 51; im Anschluss an G. Dunkel) aus Imperativen wie [ī]t=wa(r) dUTU-un uwate „Geh, bring die Sonnengottheit her!“ (VBoT 58 I 10; aH/jS) wurde unlängst von van den Hout (2010) zurückgewiesen (⇒4.2.3).
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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und zum Anderen eine aktivische Komponente („sich an etw. machen“) ausdrückt, während uwa- einen größeren zeitlichen Abstand bezeichnet und anders als pai- mit Verben des Zustands oder der Zustandsänderung vorkommt. Der Kontrast in Beleg →7c ist hierfür illustrativ. Hoffner/Melchert (2008: 329) können jedoch mehrere Beispiele anbringen, in denen uwazeitlich nahe Handlungen ausdrückt. 3.5.2-7a: KBo 25.36 V 9 (mH/mS) LUGAL-us paizzi ANA dIŠKUR UŠKEN König:NOM.SG hingehen:PRS.3SG.AKT DAT (GN)
verneigt sich
„Der König verneigt sich schließlich vor dem Wettergott.“ 3.5.2-7b: HKM 68 13 f. (mH/mS) nu uwanzi uttar
apiya punussanzi
KONN kommen:PRS.3PL.AKT Wort:AKK.SG dort
untersuchen:PRS.3PL.AKT
„Man wird die Angelegenheit dort untersuchen.“ 3.5.2-7c: HKM 24 48–52 (mH/mS) nu apūn ÉRIN.MEŠ URUMarest⌈a⌉ pehute KONN DEM:AKK.SG.C Truppe(n)
paiddu
(ON)
⌈ŠA⌉ É.GALLIM hal⌈k⌉in URU-ri
hinbringen:IMP.3SG.AKT
EGIR-⌈an⌉ iskalli
ferner=3SG.AKK.C=3SG.D/L.C=OBP hinten
uwandu
daddu
⌈s⌉rā pehuteddu
KONN=3SG.AKK.C=REFL=OBP Stadt:D/L.SG hoch
namma=an=si=kan
tukanzi
Getreide:AKK.SG Zucht109:AKK.SG nehmen:IMP.3SG.AKT
hingehen:IMP.3SG.AKT GEN Palast
n(u)=an=⌈z=k⌉an
nu=z
hinbringen:IMP.2SG.AKT KONN=REFL
n(u)=an
abtrennen:IMP.2SG.AKT KONN=3SG.AKK.C
INA BURU14 EGIR-pa ishūandu
kommen:IMP.3PL.AKT LOK Ernte
wieder
schütten:IMP.3PL.AKT
„Führe jene Truppe aus Maresta hin. Sie soll sich umgehend das Getreide des Palastes zur Aussat nehmen und für sich in die Stadt hinaufbringen. Zweige es ihnen danach wieder ab. Und sie sollen es (später) in der Ernte(zeit) wieder aufschütten.“ Ein ebenfalls in vielen Sprachen zu beobachtendes Phänomen ist die Verwendung lokaler Adverbien als Subjunktionen, so auch im Hethitischen, z. B. kuwapi ‚wo(hin)‘, auch ‚als, wenn, sobald, solange‘. Interessant ist der metaphorische Ausdruck für „wegen“, der auf wörtlichem „auf“ (=ssan + evtl. ser, ⇒2.3.4) basiert und sich bis in die jüngere Sprache hinein zusammen mit diesem verändert (→8abc). Erst im Junghethitischen wird ser nach der Ersetzung von =ssan durch =kkan (⇒2.3.5) zum alleinigen Ausdruck von „wegen“ und damit von lokalem „auf“ gelöst.
109 Bedeutungsbestimmung nach Melchert (1999): ‚cultivation, breeding‘.
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
3.5.2-8a: KUB 17.21 I 3–5 + 545/u I 7–9 (mH/mS) nu=ssan sumās DINGIR.MEŠ-as nahsarattan KONN=OBP ihr:D/L Gottheiten:D/L.PL
URU
Hattusas=pat KUR-ya
Ehrfurcht:AKK.SG (ON):GEN=PTK
Land:D/L.SG
zikkewani setzen:IPFV:PRS.1PL.AKT
„Nur im Land Hatti setzen wir Ehrfurcht für euch dauerhaft fest.“ 3.5.2-8b: KUB 8.81+KBo 19.39 III 4 f. (mH/mS) [nu]=sse=ssan mān BELŠU ser ŪL [sa]rnikzi KONN=3SG.D/L.C=OBP wenn Herr:POSS.3SG.M oben NEG entschädigen:PRS.3SG.AKT
„Wenn sein Herr seinetwegen keinen Ersatz leistet, …“ 3.5.2-8c: KUB 8.81+KBo 19.39 III 6 (mH/mS) mān=si!=kan BELŠU ser ŪL sarnikzi wenn=3SG.D/L.C=OBP Herr:POSS.3SG.M oben NEG entschädigen:PRS.3SG.AKT
„Wenn sein Herr seinetwegen keinen Ersatz leistet, …“ Manche Verbindungen sind sehr bildlich zu verstehen, z. B. = ssan + Dat.-Lok. + āppan, wörtlich „hinten an jmd. liegen“ als Ausdruck von Bedrängnis (vgl. dt. jemandem im Nacken sitzen): 3.5.2-9: ABoT 65 Rs. 9' f. (mH/mS) ABUKA=wa(r)=mu=ssan EGIR-an=pat kittari Vater:POSS.2SG.M=„“=1SG.AKK=OBP hinten=PTK
„»Dein Vater verfolgt mich richtiggehend.«“
liegen:PRS.3SG.MP
110
Auch sonst finden sich naheliegende metaphorische Ausweitungen wie „vor jmd.“ → „in jmds. Anwesenheit/Hörweite/Gesichtsfeld/Gedanken“ (für Bsp. s. CHD P: 296–298), sowie Übertragungen von der räumlichen auf andere Domänen, z. B. den Rang (vgl. peran huwai-/ hui-i ‚anführen‘ < „davor laufen“) oder die Zeit (⇒3.5.1). Die typologisch sehr weit verbreitete metaphorische Identifikation der rechten Hand oder Seite mit positiven Eigenschaften und entsprechend der linken Hand bzw. Seite mit Negativem ist auch in hethitischen Denken fest verankert (vgl. Haas 2010). So bedeutet kunna‚rechts‘ auch ‚günstig, vorteilhaft‘ und GÙB-la- ‚links‘ das Gegenteil. Zwei Beispiele aus einem Ritual und einem Orakel dürften als Illustration genügen: 3.5.2-10a: KBo 39.8 II 2 f. (mH/mS) kin[un=(m)a=wa(r)] apūs hūrtaus jetzt=KONN=„“
EME.ḪI.A dUTU-us
DEM:AKK.PL.C Fluch:AKK.PL Zungen
⌈GÙB-la⌉
(GN):NOM.SG links:DIR
[wahnuddu] drehen:KAUS:IMP.3SG.AKT
„»Jetzt aber soll die Sonnengottheit jene Flüche (und) Zungen nach links wenden (= wirkungslos machen).«“ 110 Oder positiv „Dein Vater steht fürwahr hinter mir“ (so Melchert 1979: 60).
DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
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3.5.2-10b: KBo 16.97+KBo 40.48 Rs. 5 (mH/mS) keltis=kan GÙB-las issī (Teil der Leber):NOM.SG=OBP links:NOM.SG.C Mund:D/L.SG
„Die k. ist ungünstig („link“) am/im „Mund“.“ Insgesamt betrachtet birgt die Raummetaphorik im Hethitischen also keine außergewöhnlichen Phänomene. Zum Schluss sei eine auffällige, wahrscheinlich innovative Metapher aus dem Ritual CTH 490 erwähnt, bei der zwei Körperteilbezeichnungen im Ablativ vorkommen, die ansonsten nicht für Raumausdrücke verwendet werden, nämlich arraz „vom Hintern her“ (= mit den Beinen voran) und pūriyaz „von der Lippe her“ (= mit dem Kopf voran). 3.5.2-11: KBo 24.63+KBo 23.43 II 11' f. (mH/mS) [n]asma EN SÍSKUR DUGpal[hi] arraz anda [pai]zzi oder
Herr Opfer
pr‹ā›=ma=as=kan
Kessel:D/L.SG Hintern:ABL drinnen hingehen:PRS.3SG.AKT
⌈p⌉ūriyaz wezzi
voran=KONN=3SG.NOM.C=OBP Lippe:ABL kommen:PRS.3SG.AKT
„Oder der Ritualherr kriecht/steigt rückwärts in den Kessel hinein, heraus aber kommt er vorwärts.“ Obwohl pūri- neben ‚Lippe‘ auch übertragen ‚Rand‘ (von Gefäßen) bedeutet, dürften mit den Körperteilbezeichnungen nicht der Teil des großen Pithos gemeint sein, sondern der Opfermandant, s. Tischler (2002), der noch tiroler. arschlings vergleicht. Beachtlich ist jedenfalls auch der chiastische Aufbau (arraz anda – prā pūriyaz).
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DIE KONZEPTUELLE GLIEDERUNG DES RAUMES
4 Zur Vorgeschichte der hethitischen Raumgrammatik
Dieses Kapitel ist sachlich und zeitlich zweigeteilt. In Kapitel 4.1 werden die hethitischen lokalen Ausdrucksmittel auf der Wortebene betrachtet, geordnet nach Morphemklasse (Endung, Wortbildungsaffix, Enklitikon, selbständiges Lexem). In der diachronen Rekonstruktion wird zunächst versucht, den uranatolischen Zustand nachzuvollziehen, um von dort im Vergleich mit anderen altindogermanischen Sprachen auf die Grundsprache zu schließen. Kapitel 4.2 hingegen beschäftigt sich mit der Phrasen- oder Satzebene, indem syntaktische Kategorien vergleichend beschrieben werden.1 Anstelle einer Zusammenfassung enthält Kapitel 4.3 eine Einordnung des Befundes in unser Bild des Urindogermanischen und darüber hinaus eine Agenda für die Rekonstruktion von Grundzügen einer indogermanischen Grammar of space. Sprachliche Rekonstruktion kann stets nur der Versuch einer Annäherung an die gewesene Wirklichkeit sein, deren Wahrheitsgehalt sich letztlich nur im Rahmen von Plausibilitätsüberlegungen bewegt. Dies trifft auf den hier behandelten Gegenstand im besonderen Maße zu, da dafür die Rekonstruktion syntaktischer Regeln und von Lexemen mit einem ge ringen Wortkörper bei oft wenig spezifischer Bedeutung nötig ist. Die traditionelle Methode der Rekonstruktion stößt hier an ihre Grenzen, da der Ansatz einer Form, die aus vielleicht zwei oder drei Phonemen, darunter einem Ablautvokal, besteht und in den Einzelsprachen abweichende, aber verwandt erscheinende Bedeutungen zeigt, nur schwer plausibel zu machen ist.2 Andererseits kann neben den traditionellen Methoden der Indogermanistik bei Raumausdrücken als typologische Stütze auch die moderne Grammatikalisierungsforschung herangezogen werden, die sich vielfach der Entwicklungen lokaler Ausdrucksmittel widmet und deren Ergebnisse im Folgenden kurz skizziert werden. Unter Grammatikalisierung wird allgemein ein gradueller, prinzipiell (bis zum Schwund des Lautkörpers) unendlicher diachroner Prozess (Lehmann 1995: 11) verstanden, bei dem ein sprachliches Element an paradigmatischer und syntagmatischer Autonomie einbüßt, d. h. einen Schwund des Wortkörpers, Paradigmatisierung, Obligatorisierung, Kondensation (ein Lexem wird zum Modifikator), Fusion mit anderen Elementen (als Affix u. ä.) und/oder Fi xierung an bestimmten Stellen erfährt (Verhoeven et al. 2008b: 2–4), kurzum: „Grammatica1 Neben der morphemischen und der syntaktischen Ebene wäre natürlich noch die phonologische zu nennen, doch lässt sich im Hethitischen als toter Sprache zum Einen nur wenig sicher rekonstruieren, zum Anderen gibt es keinerlei Anhaltspunkte, dass z. B. suprasegmentale Elemente irgendeine Rolle in der heth. Raumgrammatik spielten. 2 Eine weitere Erschwernis ist das weitgehend Fehlen anderer Grammars of space oder ähnlicher moderner Bearbeitungen altindogermanischer Sprachen, die sichere und systematisch aufgearbeitete Daten als Vergleichsgrundlage liefern. Als Ausnahmen sind die mit kognitivem Hintergrund entstandene Untersuchung Luraghis (2003) zu den gr. Lokalkasus und Place Words sowie die koordinierten Arbeiten Hettrichs, Casarettos und Schneiders zu den selben Ausdrucksmitteln im Ai. zu nennen. Sie alle waren für das vorliegende Kap. von großer Hilfe, Vergleichbares für andere Sprachen ist ein Desiderat – die neuen Arbeiten Tikkanens (2011) und Bichlmeiers (2011) sind mir erst nach dem Abschluss des Manuskripts bekannt geworden, wurden aber nach Möglichkeit noch berücksichtigt.
ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
321
lization changes analytic into synthetic constructions“ (Lehmann 1995: 19).3 Da Grammatikalisierung immer wieder von Neuem geschieht, findet man typischerweise in den Sprachen verschiedene Schichten von Endungen, Adpositionen, Adverbien usw. vor, die zur verschiedenen Zeiten grammatikalisiert wurden (Lehmann 1995: 95). Daher ist die geläufige Unterscheidung von sog. „eigentlichen/echten“ und „unechten“ Adpositionen 4 nur ein synchroner Schnitt, der Ausdrucksmittel in unterschiedlichen Phasen ihrer Grammatikalisierung beschreibt. Dass der Übergang von sekundären und primären Adpositionen und Präverbien zueinander diachron möglich ist, ist lange bekannt (vgl. Wackernagel 1928: 169 f.). Insgesamt betrachtet, zeigt die Entwicklung von Raumgrammemen die allgemeine Tendenz, Konkreta zur Beschreibung von Abstraktem zu verwenden (Svorou 1994: 118), wobei aber nicht jedes beliebige Wort zu einem Relator o. Ä. grammatikalisiert werden kann, sondern nur wenige Kategorien in Frage kommen (Stolz 1990: 347 f.). Nach Svorou (1994: 69 f.) sind die Haupt- und vielleicht sogar einzigen Quellen Substantive und Verben („ontologisch primär“, l. c.), während andere Wortarten (z. B. Partizipien, Adverbien) wohl nur als Zwi schenstufen zwischen diesen Quellen und den Raumgrammemen anzusehen sind. Die substantivischen Quellen sind in drei oder vier Klassen, die Form und Bedeutung der daraus entstehenden Raumgrammeme beeinflussen, einzuteilen: 5 Körperteilbezeichnungen, Umgebungsmarken (z. B. Himmel, Fluss), relationale Objektteile (z. B. Vorderseite, Mitte), die Regionen bezeichnen und nicht individuell separierbar sind (wie Tischbein oder Klinke; Svorou 1994: 83), sowie möglicherweise abstrakte Raumbegriffe (z. B. Nähe, Rich tung). Bei letzteren ist allerdings nicht klar, ob sie nicht vielleicht nur ein Zwischenschritt aus einer der vorherigen Klassen sind, denn bisweilen kann ein polysemes Substantiv mehreren dieser Klassen angehören (ebd. 84–86). Bei den Raumgrammemen aus Körperteilbezeichnungen ist zu beachten, dass durch die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Ausdrücke (z. B. für mehrere Körperteile, die oben liegen) und die Wahl zwischen dem verbreiteten anthropomorphischen Modell (Kopf = „oben“, Rücken = „hinten“) und dem seltenen, aber ergänzend existierenden zoomorphischen Modell (Kopf = „vorne“, Rücken = „oben“) verschiedene Entwicklungswege und daher keine 1:1-Zuordnung zwischen bestimmten Körperteilen und Raumkonzepten gibt (ebd. 73–75). Grundlage für die Grammatikalisierung zu spatialen Aus3 Die vorgebrachten Beispiele für eine angebliche entgegengesetzte Entwicklung, die sog. Degrammatikalisierung, sind alle nicht zwingend und, da Grammatikalisierung Verringern von semantischer und phonetischer Substanz be deutet, prinzipiell auch kaum denkbar (Lehmann 1995: 17–19) – Grammatikalisierung ist unidirektional. Jespersens Zyklus der Grammatikalisierung wiederum ist unnötig, da grammatische Kategorien in ihrem Verlauf durchaus ohne Ersatz auf- oder abgebaut und Ausdrucksmuster verschoben werden können (Verhoeven et al. 2008b: 8). – Zur Grammatikalisierung allgemein s. neben den zwei zitierten Werken noch Heine et al. (1991) und Heine/Kuteva (2002). 4 S. die klassische Behandlung bei Wackernagel (1928: 153–162). „Eigentliche“ Adpositionen sind „Indeklinabilia, die vielfach adverbiell verwendet werden, deren wesentliche Eigentümlichkeit aber darin besteht, in enger Ver bindung mit einem Verbum den Verbalbegriff und in solcher mit einem Kasus den Kasusbegriff zu spezialisieren“ (153). Die „unechten“ Adpositionen“ hingegen können sich nicht mit Verben verbinden und ersetzen öfters echte Adpositionen, da sie meist expressiver sind (157 f.). 5 S. Svorou (1994: 70) und jetzt auch die tabellarische Übersicht bei Hagège (2010: 163).
322
ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
drücken ist jedenfalls immer die relative Lage des Körperteils zum Restkörper bei kanonischer Orientierung (beim Menschen der aufrechte Gang), wobei das Gesicht besonders hervorsticht (ebd. 76). Die verb-basierten Raumgrammeme (s. Svorou 1994: 109–112, König/Kortmann 1991, Hagège 2010: 151–162) gehen auf Konverben o. Ä. in Form von Serialverben oder Partizipien zurück. Die geringe Homogenität deverbaler Adpositionen lässt darauf schließen, dass sie in der graduellen Skala Verb > Serialverb > Verbid (formal verbal, funktional adverbial) > Raumgrammem ohne klare Trennlinien verschieden stark grammatikalisiert sind (Svorou 1994: 111, König/Kortmann 1991: 117 f.). Die grammatikalisierten Verben haben o ft schon eine unspezifische Grundbedeutung („gehen“, „nehmen“, „bekommen“, „geben“, „kommen“, „begleiten“) und entwickeln sich zu einer geringen Menge von Raumgrammemen, die überwiegend dynamisch sind: „bei“ < „dabei sein“, „sitzen“, „leben“, „zu“ < „sehen“, „gehen“, „kommen“, „von“ < „verlassen“, „gehen“, „via“ < „vorbeigehen“, „runter“ < „fallen“, „absteigen“, „rauf“ < „sich erheben“, „klettern“, „hinein“ < „hineingehen“. Alle Sprachen streben beim Sprachwandel zwar nach dem Erhalt ihrer räumlichen Ausdrucksmittel, doch sind ihre Strategien völlig verschieden und nicht vorhersagbar (Stolz 1992: 71 f.). A posteriori kann man aber feststellen, dass auf Basis ähnlicher etymologischer Quellen die Sprachen Raumgrammeme inhaltlich und formal auch ähnlich ausbilden (Svorou 1994: 203) – ein Befund, der an den generellen Aufbau von Raumgrammatiken erinnert, wo man zwar universale Tendenzen ausmachen, aber keine konkrete Realisierung voraussagen kann (vgl. Kap. 3). Die einzelnen dabei beschrittenen Wege werden „Grammatikalisierungskanäle“ genannt. Da die Ausgangsbasis für grammatikalisierte Raumausdrücke, wie eben ge sehen, formal wie inhaltlich relativ schmal ist, kann man diese Kanäle diachron recht gut nachvollziehen und auch annehmen, dass ähnliche Etyma hinter nicht mehr analysierbaren Raumausdrücken stecken (Stolz 1992: 104–106). Für die morphosyntaktische Seite der Grammatikalisierung von Konkreta kann man die folgende Entwicklung ansetzen:
Substantiv
Possessivkonstruktion (z. B. mit Genetiv)
Adposition
Affix
Ø
Adverb Abb. 4-1 | Grammatikalisierungskanäle von Adpositionen nach Svorou (1994: 101 f.)
Haase (1992: 54) stellt für die romanischen Sprachen die folgende, ähnliche Skala mit fließenden Übergängen fest: Komplexe adpositionelle Konstruktionen (mit Substantiven) > adpositionelle Gruppen (z. B. mit Hilfe von) > Adpositionen > lokale Konnektoren („leere Adpositionen“, z. B. frz. à) > Klitika (Klassifikatoren) > Lokalkasus/klassifizierende Affixe > suprasegmentale Markierung > Ø. Wie alle typologischen Tendenzen können auch die der Grammatikalisierungsforschung nur unterstützend zur Entscheidung bei sich aus dem Material ergebenden konkurrierenden
ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
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Erklärungsmöglichkeiten verwendet werden, ein typologisches Argument kann nie stärker als reale Befunde wiegen. Details zur Grammatikalisierung von Lokalkasus und Relatoren finden sich in den Kapiteln 4.1.1 und 4.1.4.2. Zuletzt muss noch auf mögliche Einflüsse anderer Sprachen auf die hethitische Raumgrammatik eingegangen werden. Nachdem sich die Forschung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts vom Dogma eines massiven hattischen, hurritischen oder in Bezug auf die Herkunft unbekannten Einflusses auf die hethitische Sprache befreit hat, 6 rückt in den letzten Jahren das Luwische (i. e. S.) ins Blickfeld. Während ein nach 1400 v. u. Z. einsetzender und beson ders im 13. Jh. immer stärker werdender luwischer Einfluss auf die Lexik, Syntax und Morphologie des Hethitischen offensichtlich ist (s. Rieken 2006, Yakubovich 2010a: 303–416), der größtenteils aber zeitlich außerhalb des Skopus dieses Buches liegt, halte ich die neuesten Theorien, die von einem merklichen luwischen Superstrat aus vorgeschichtlicher (Yakubovich 2010a: 106–206) und Karum- bzw. althethitischer Zeit (ebd. 207–302) ausgehen, für voreilig und unbewiesen. Die gelegentliche Nennung von Luwiern in altassyrischen Texten (Yakubovich 2010a: 207–223) und einige wenige Lehnwörter (ebd. 227–239) in althethitischen Originalen begründen nicht mehr als ein auf das Lexikon beschränktes Adstrat aus sporadischem Kontakt. Viele der in der Debatte angeführten Beispiele sind entweder abzulehnen (tabarna-) oder hochgradig spekulativ (udnē, allappahh-i) und betreffen nicht den Kernwortschatz. Die Herleitung des Reflexivums =z aus entlehntem urluw. *=ti < idg. *to ‚dir‘ (Yakubovich 2010a: 192–198) lehne ich entsprechend ab, Grundlage kann ebenso gut eine frühe Umgestaltung dieses Wortes (oder eher von homonymem *to ‚diesem‘) sein (vgl. Rieken 2004 [2005]: 183), parallel zu dem althethitischen Wandel =sse > =ssi , -he > -hi bei anderen Enklitika und Endungen. Sprachbund-Phänomene sind in der Indogermanistik bisher zwar unzureichend berücksichtigt worden, man sollte aber vermeiden, gleich alle geschichtlichen Entwicklungen der hethitischen (Raum-)Sprache auf das Luwische zurückzuführen, so wie früher alle Besonderheiten des Hethitischen aus dem kaum verstandenen Hattischen hergeleitet wurden. Insbesondere die Veränderungen bei der Konstruktion der Place Words (⇒2.4, 4.2.2.1) und die Reduzierung der Ortsbezugspartikeln (s. die Tabelle am Ende von Kap. 2.3.5) lassen sich problemlos aus dem Hethitischen selbst erklären.7
6 Vgl. auch die Forschungsgeschichte in Kap. 1.3.2. Von einem realen Einfluss der Schriftsprachen Sumerisch und Akkadisch kann außerhalb einiger entlehnter Lexeme nicht die Rede sein (vgl. Schwemer 2005–2006). Davon zu trennen sind Schreibkonventionen. Das Missverständnis pseudologografischer Schreibungen heth. Namen (ohne Ka susendung) führte zeitweise zur Diskussion um einen endungslosen Kasus „Kommemorativ“, s. dagegen Zeilfel der (2001: 141–151). 7 Letztlich würde eine Rückführung des Systems der jüngeren Sprache, das dem luwischen sehr ähnelt, nicht von der Aufgabe befreien, den unerwarteten und wohl archaischen Zustand der alten Sprache (z. B. die Genetiv-Rektion der PW) zu erklären. Für das Luwische sind daher in vorgeschichtlicher Zeit ähnliche Entwicklungsprozesse wie für das Mittelheth. anzunehmen, wobei sich von den suffigierten Possessiva an PW sogar noch Reste greifen lassen, s. Carruba (1986), vgl. noch Kap. 4.2.2.1.
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ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
4.1 Morphologische Ausdrucksmittel Als „morphologisch“ werden hier alle Ausdrucksmittel mit Lautkörper, vom Affix bis hin zum Autosemantikon mit Lexemstatus, verstanden und im Folgenden geordnet nach zunehmender Autonomie8 beschrieben. Für die Raumgrammatik wichtige strukturelle Regeln kommen hingegen in Kapitel 4.2 zur Sprache, wobei gerade allgemeinere Abschnitte der Morphologie aber nur schwer von der Syntax zu trennen sind, da die Bewertung der einen Seite Auswirkungen auf die andere hat, so dass manches vorweggenommen oder wiederholt werden muss.
4.1.1 Kasusendungen Zur diachronen Dynamik der Lokalkasussysteme ist besonders die Monografie von Stolz (1992, v. a. ebd. 112) aufschlussreich, die aufzeigt, dass Lokalkasus und Postpositionen sich nicht gegenseitig ausschließen,9 sondern sogar begünstigen, indem letztere durch Klitisierung (zunächst über Gruppenflexion) die schwindenden Flexionsmorpheme immerfort erneuern. Erst das Aufkommen von Präpositionen kann dieses funktional stabile System ändern, was z. B. anhand der Sprachen Westeuropas zu beobachten ist. Grundstock von Lokalkasussystemen ist demnach oft ein nicht weiter differenzierter Lokalis, der zum Bestandteil komplexer Lokalisatoren wird. Von dort aus können die drei bekannten Fundamentalrelationen ORT, ZIEL und QUELLE stufenweise ausgegliedert werden, wobei entweder ein Ablativ oder ein Allativ selbständig wird und es somit keinen Zusammenfall dieser entgegengesetzten Kasus gibt (Stolz 1992: 89, vgl. o. ⇒2.2.2.1). Wenn der alte Lokalis beibehalten wird, wird er Stolz zufolge (ebd. 90) als Lokativ oder Allativ (oder beides) verwendet, nicht aber als Ablativ. Diese häufige und kognitiv gut zu begründende Dichotomie ORT/ZIEL vs. QUELLE (⇒3.2.1) gilt allerdings nicht ausnahmslos, worauf Luraghi (2003: 21 f.) aufmerksam macht: Der Zusammenfall von ORT und QUELLE ist zwar sehr selten, aber typologisch durchaus belegt. Grundlage sind teils Kontexte, in denen sie nicht zu unterscheiden sind, teils die Angabe einer Herkunft, also einer abstrakten Quelle, die keine Fortbewegung impliziert. Ähnlich verhält es sich mit dem Ablativ der Orientierung im Hethitischen (⇒2.1.2.3). Für die Diskussion der Vorgeschichte des hethitischen Systems ist auch das folgende Schema von Lehmann (1985: 92), das Grammatikalisierungen bei Kasusrelationen darstellt und im Einzelfall bestimmen helfen kann, welche Bedeutungsnuancen ursprünglich sind. Bei den einzelnen Unterkapiteln sind noch Entwicklungskanäle aus Heine/Kuteva (2002) zu 8 Stärkere morphologische Bindung geht meist auch mit stärkerer Grammatikalisierung einher, doch ist dies nicht zwingend der Fall, so weist Luraghi (2003: 11) darauf hin, dass Kasus nicht prinzipiell stärker grammatikalisiert sein müssen als Adpositionen, man vgl. z. B. Englisch u. v. a. Sprachen mit grammatischen Präpositionen. 9 Vgl. auch den Verweis von Salisbury (2001: 62) auf das Finnische, das dabei sogar eine feste Worstellung hat.
ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
325
nennen. Wie die Besprechung des Ablativs zeigt (⇒4.1.1.2), sind beide Typologien nicht erschöpfend. Perlativ Adessiv
Allativ
Benefaktiv
Dativ
Akkusativ
Absolutiv
Ergativ
Nominativ
Genetiv Lokativ Ablativ Instrumental Komitativ
Abb. 4.1.1-1 | Grammatikalisierung von Kasusrelationen (nach Lehmann 1985: 92)
Wie bereits in Kapitel 2.1 angemerkt, besteht eine Prämisse der vorliegenden Arbeit darin, dass die hethitischen Kasus und ihre urindogermanischen Etyma nicht semantisch entleert sind, sondern einen prototypischen Bedeutungskern haben. Dies gilt auch für die valenzgesteuerten Kasus, wie es Hettrich (1990) für das Altindoarische gezeigt hat. Im Folgenden werden nun die vier hauptsächlich oder teilweise lokal gebrauchten Kasus Direktiv (Allativ), Ablativ, Dativ-Lokativ und Akkusativ unter hauptsächlich formalen Aspekten besprochen (zum Kasusgebrauch s. u. Kap. 4.2.1). Der oben erwähnte „Kommemo rativ“ oder „Casus indefinitus“, den z. B. Neu (1979: 180–185, 1980a: 11) noch als Grundlage des endungslosen Lokativs (⇒4.1.1.3) sieht, ist nicht sprachwirklich, sondern beruht auf einem Missverständnis der Keilschrift (s. Zeilfelder 2001: 141–151). Andere Kasus des Hethitischen werden nicht lokal verwendet (⇒2.1.5). Auffällig ist auch, dass es im Hethitischen abgesehen von einigen unproduktiven Formen der pronominalen Flexion (z. B. apatta ‚dorthin‘, ⇒4.1.4.4) keine adverbiellen Kasusbildungen gibt, die z. B. im homerischen Griechisch be sonders häufig sind (-phi, -thi, -then u. a.) und vielfach ins Paradigma der Nomina eindringen.10 4.1.1.1 Direktiv Der Direktiv, auch Allativ oder Terminativ genannt, mit der Endung -a im Singular, -as im Plural (= Dat.-Lok.) ist der in seiner Syn- und Diachronie am meisten diskutierte hethitische Kasus, sicher auch deswegen, weil er eine Besonderheit des Hethitischen 11 darstellt, die es in den anderen altindogermanischen Sprachen nicht gibt (s. Furlan 2001: 93–96 für eine For10 Auf die durchlässige Grenzlinie zwischen Kasus und Adverb weist schon Wackernagel (1926: 298–300) hin. Nicht nur seien viele Adverbien erstarrte Kasusformen, umgekehrt könnten Adverbien auch kasuelle Geltung erlangen, vgl. frz. dont < de unde, hom. eméthen „von mir“ als Gen. 11 Der Kasus ist für das Uranat. anzusetzen (vgl. Zeilfelder 2001: 101–103), in den luwischen („luwic“) Sprachen aber nur noch in morphologischen Resten erhalten, besonders im Infinitiv kluw. -ūna, lyk. -(ã)ne (mit Varianten, deren Genese erklärungsbedürftig ist).
326
ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
schungsgeschichte). Synchron bezeichnet der Direktiv, der nach der althethitischen Zeit ausstirbt, das Ziel einer Bewegung, wobei offen bleibt, ob dieses erreicht wird (⇒2.1.1). In Bezug auf seine Herkunft sind nun mehrere Fragen zu klären: Hatte der Direktiv neben dem dynamischen auch einen statischen Wert? Wie lautet das Etymon der Endung und welche Beziehungen bestehen zu direktivischen Adverbien im Hethitischen und anderen Sprachen mit vergleichbarer Endung? Handelt es sich um einen ursprünglichen Kasus, den alle Sprachen mit Ausnahme der anatolischen verloren haben oder um eine Innovation dieses Sprachzweigs? Die klare funktionale Trennung von Direktiv und Dativ-Lokativ im Althethitischen (s. Starke 1977) und der Vergleich mit den überwiegend dynamischen Adverbien in anderen Sprachen sprechen zunächst klar dafür, dass es sich um eine ererbte Differenzierung handelt. Einige Indizien im Hethitischen weisen jedoch auf eine frühere zusätzlich statische Lesart hin. Josephson (1981 [1982]: 96 f.), der den Kasus für einen ehemaligen komitativen Instru mental hält, verweist besonders auf die alte, da nicht synchron analogisch erklärbare Form kā, die zwar auch ‚hierher‘, meist aber lokativisch ‚hier‘ bedeutet. 12 Der Befund, dass der reguläre Dativ-Lokativ -i von i-stämmigen Substantiven schon in der älteren Sprache in Konkurrenz mit der deutlicheren Direktiv-Endung -ya steht (die später verallgemeinert wird), zeigt nach Furlan (2001: 98 f.), dass der Direktiv ursprünglich auch eine lokativische Funk tion haben konnte, da sonst die Austauschbarkeit der Endungen schwer zu erklären wäre. Während die beiden genannten Argumente eher wenig Gewicht haben, kommt ein entscheidendes Argument aus dem Palaischen, das bisher anscheinend nicht in die Debatte einbezogen wurde. Carruba (1970: 42) setzt für diese Sprache einen Lokativ Singular auf -a (→1a) an, der von einem reinen Dativ auf -i (→1b) zu trennen ist und nach Ausweis der Beispiele eine statische Funktion aufweist: 4.1.1.1-1a: KUB 35.165 Rs. 6' (pal./mS) ⌈ku⌉wāis=a=[tt]a hal⌈pūta⌉ ta[kk]uwāntes
asandu
(u. B.):NOM.PL=KONN=OBP? (Altar):LOK.SG anordnen?:PTZ.NOM.PL.C KOP:IMP.3PL.AKT
„Und die k. sollen auf/an dem h.-Altar arrangiert(?) sein.“ 4.1.1.1-1b: KUB 35.165 Vs. 15 (pal./mS; ebenso Z. 20) kuis=a tū fu[la]sinas kārti REL:NOM.SG.C=KONN du:DAT (Brot):NOM.SG Herz:DAT.SG
„Welches f.-Brot auch deinem Herzen gefällt, …“ Neben dem vollständigen Beispiel →1a gibt es allerdings nur noch zwei unvollständige Belege, nämlich zum Einen ulānna kī[tar??] in KUB 32.18 I 2' (pal./mS; Mythos von der ver12 Ebenso ist apiya ‚da, dort‘ (beim Hörer) zu deuten. Besonders die quasi-paradigmatische Form a[pi]ya U4-at „an jenem Tag“ (KBo 17.11+ I 30'; aS) lässt sich nur schwer mit einer rein dynamischen Funktion des Direktivs erklären. Unklar ist in diesem Zusammenhang die Verbindung istarna pēdi ‚in der Mitte‘ (⇒2.4.2.1); als ursprüngliche Apposition gesehen, spräche sie für funktionelle Vergleichbarkeit von Dir. und Dat.-Lok., doch ist die Wendung erst im Jungheth. gut und im Altheth. gar nicht belegt. In Fällen wie istarni U4.KAM-ti „am Mittag“ liegt das Adjektiv istarniya- ‚mittlerer‘ vor.
ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
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schwundenen Gottheit), das von Melchert (1984a: 38 f.) als „er (Telibinu) liegt/lag im Di ckicht(?)“ gedeutet, parallel zum hethitischen dTelipinus=(m)a pait marmari andan ulista13, wobei im Palaischen ein mit heth. ulae-zi verwandtes Verbalnomen *ulātar vorliegt, zum Anderen KUB 32.18 I 14' (pal./mS) -]r(=)an(=)ta URULihzīna ulānna han⌈ta⌉[-, wo nach dem Kontext die (Ortsbezugs-?)Partikel =tta und eine Form (wohl 2. Prs.) des Verbs hantana- ‚begegnen‘ zu verstehen sind, womit sich für URULihzīna ulānna die Übersetzung „in Lihzina im Dickicht(?)“ ergibt.14 Der Lokativ ist demnach nur mit unbelebten Relata belegt, der Dativ steht gewöhnlich mit belebtem Aktanten, zeigt in →1b oben aber einen unbelebten (in partitivischer Apposition). Funktional entspricht die Verteilung der Formen -a und -i offenbar nicht dem hethitischen Zustand, man müsste die Belege des palaischen Lokativs schon gezwungen als resultativ verstehen, um eine dynamische Komponente ansetzen zu können – und selbst dann wäre das Fehlen der Constructio praegnans (⇒2.1.3, 4.2.1), wie man sie im Hethitischen gerade in Fällen wie →1a erwartet, merkwürdig.15 Während man die historische Ersetzung des Direktivs durch den Dativ-Lokativ im Hethitischen gut durch bereits ursprüngliche funktionale Überschneidung und sprachökonomische Überlegungen begründen kann (⇒2.1.1), ist nicht zu erklären, wie ein ursprünglich rein dynamischer Direktiv im Palaischen den ererbten Lokativ auf *-i vollständig verdrängt haben sollte, es sei denn, er habe auch zumindest teilweise statische Relationen ausdrücken können. Man kann daher davon ausgehen, dass im Uranatolischen ein überwiegend statischer (Dativ-) Lokativ und ein überwiegend dynamischer „Direktiv“ in bestimmten Kontexten miteinander austauschbar waren, woraufhin diese Konkurrenz im Palaischen durch Verallgemeinerung des „Direktivs“, im Urluwischen und Lydischen durch dessen Schwund und im Hethitischen durch dessen funktionelle Einengung mit späterem Schwund einzelsprachlich beseitigt wurde. Auf der formalen Seite ist, womit sich der zweite Fragenkomplex öffnet, die Endung -a des Singulars zu diskutieren, während das synkretistische -as des Plurals kaum Aussagen zulässt.16 Die uranatolische Vorform von -a muss wegen des lykischen Infinitivs auf -ã/ẽne (vgl. allerdings S. 326, Fn. 11) als *-o rekonstruiert werden (Dunkel 1994: 20), das wiederum auf uridg. *-ŏ, *-ō oder *-oH zurückgehen kann. Nicht nur die auf der Hand liegenden direktivischen Place Words anda, āppa, katta, prā und srā (⇒2.4.1, 4.1.4.2) und ihre etymologischen 13 „Telibinu aber versteckte sich schließlich im Sumpf?“ (KUB 17.10 I 12 f.; aH/mS). 14 Syntaktisch unsicher sind hingegen die parallelen KUB 35.165 Vs. 5 bzw. 8 (pal./mS). Ich konnte in dem sehr geringen pal. Korpus leider keine Belege von Zielangaben für eine Gegenprobe mit dynamischen Konstruktionen finden. Insbesondere sind keine Gegenstücke zu den heth. PW anda, āppa, katta, prā und srā bezeugt. 15 Im Kluw. ist neben der einzig produktiven Endung -i für den Dat.-Lok. gelegentlich auch -a bezeugt. Viele Belege sind nicht aussagekräftig, da sie nur in heth. Kontext (z. B. :halliya in KUB 26.1 III 18; jS), bei Eigennamen (dHilassitiya in KUB 30.31+ III 37/IV 24; jS) oder von Stämmen auf -iya (z. B. uwāniya KUB 35.54 III 21; mS) auftreten. Einige Fälle sind aber sicher (z. B. līla in KUB 46.38 II 24; jS), hier können Reste eines a-Lok. des Luw. vorliegen. 16 Wenn für den Singular eine Form *-o anzusetzen ist, könnte man den Plural als *-o-s auffassen (vgl. Akk. Sg. *-m, Pl. *-m-s). Im Späturidg. wird die Endung, nun für den Dativ und Ablativ verwendet, in *-m-os (Bsl., Germ.) bzw. *bh(i)-os (Iir., Ital.) verbaut (s. Kloekhorst 2008: 214). Die weitere Diskussion wird aber zeigen, dass *-o wohl jünger als *-os ist.
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Entsprechungen in anderen Sprachen, sondern auch zahlreiche andere Bildungen direktivischer oder lokativischer Bedeutung wurden mit dieser Endung verglichen, z. B. gr. eísō ‚hinein, drinnen‘, háma ‚zusammen‘, lat. quō ‚wohin‘ (poln. dialektal ka), hūc ‚hierher‘, ai. práti ‚(ent-)gegen‘, urslaw. *pre ‚vor‘ (vgl. lat. pretium ‚Preis‘) und der Lok. Sg. *-e,17 s. die ausführliche Materialsammlung bei Furlan (2001: 111–113) und speziell zu den Adverbien auf *-ō Zeilfelder (2001: 104–122). Die sich daraus ergebenden „Allomorphe“ *-ŏ, *-ō(), *-e, *-ă und *-ā lassen sich aber lautgesetzlich nicht auf befriedigende Weise auf eine einzige Quelle zurückführen, es sei denn durch komplizierte, im Ganzen unglaubwürdige Entwicklungen.18 Man muss daher vielmehr davon ausgehen, dass hier verschiedene Elemente mit ähnlicher Bedeutung vorliegen, die vielleicht nicht mehr klar zu trennen sind. Nach Dunkel (1994: 30 f., im Grunde schon bei Eichner o. J. [1975]: 204) wurde der Direktiv aus einem selbständigen Adverb *o ‚zu‘ grammatikalisiert (vgl. die instr. Kasusendung *-bhi, < *bhi ‚bei‘), das auch in gr. otrúnō ‚antreiben‘ (vgl. ai. tvárate „eilt“ < *„treibt sich an“), als Erweiterung des altindoarischen Dativs des Singulars (-āy-a, tubhyá), in den direktivischen Adverbien auf *-tro (ai. -tra, lat. -ter) und in *o-bhi ‚gegen‘ vorliegt19 und von der allativischen/adessivischen Partikel *h2o ‚an … heran, neben, bei‘ (vgl. *h2o-sd-o- ‚Ast‘ < *„An-satz“, heth. =(y)a, luw. =ha, lyk. =ke ‚und, auch‘ < *=h2o/*=h3e ‚dazu‘20) zu trennen ist (ebd. 32). Neben der extremen lautlichen und semantischen Nähe der rekonstruierten *o und *h2o bleibt eine Schwierigkeit in Dunkels Ansatz, dass sich *-ō, das durch Kontraktion *-o-o beim thematischen Nomen entstanden sein soll (vgl. Dunkel 1992: 160), vielfach auch in Partikeln und Adverbien (vgl. lat. prō, gr. ánō ‚aufwärts‘) findet, wo man mit einer sekundären Übernahme der jüngeren Endung rechnen muss. Wenn man nun versucht, das Sichere vom Unsicheren zu scheiden, fällt zunächst das Vergleichsmaterial mit *-a weg, da dieses *h2 und damit entweder die in der Lautung allerdings unsichere Partikel *h2o in der Sandhiform *-h2e (bzw. mit der Lex Jasanoff *-h2, s. Villanueva Svensson 2002) oder eine andere Endung enthält. Auch eine Ablautvariante *e ist wenig wahrscheinlich, denn *preti ‚(ent-)gegen‘ lässt sich auch als *pr-eti segmentieren (⇒4.1.1.2, 4.1.4.2), scheinbares slaw. *pre kann auf urslaw. *per (s. gleich) mit gewöhnlicher Liquidametathese und der Lokativ *-e ähnlich wie der Vokativ auf die Entwicklung **-o# > 17 Der urtoch. Perl. *-ā ist lautlich nicht < *-ō erklärbar, nach Carling (1999: 97) ist (gegen Gippert 1987) der Instr. Sg. *-eh1 als Etymon denkbar. 18 So war laut Furlan (2001: 96 f.) der Dir. ursprünglich eine Art Lokativ, dessen Endung *- e/oh2 bzw. mit der Kuiper‘schern Regel (Schwund von Laryngalen in der Pausa) *-e/o (vor Laryngal-Umfärbung) oder *-a (nach der Umfärbung) lautete. 19 S. Dunkel (1994: 32). Hierzu gehören auch die gr. Präpositionen auf -a wie anà ‚auf‘, parà ‚entlang‘ usw., deren Endung Dunkel großteils plausibel phonetisch bzw. analogisch erklären kann, vgl. auch myk. und dialektale Formen wie paro (20–30). Für Formen wie gr. khamaí ‚am/zu Boden‘ nimmt Hajnal (1992) einen davon unabhängigen endungslosen Lokativ von eh2-Stämmen an. 20 Die formale Rekonstruktion ist nicht sicher, s. Kloekhorst (2008), der ebd. 326 f. für eine Alternative zu heth. hasduer ‚Gezweig‘ (*h3esth1-gwer-?) und ebd. 378 f. für *=h3e statt dem meist angesetzten *h2o. Für *h3e könnte auch die Kürze in ai. áva ‚(von … ) weg/herab‘ sprechen, die ein *h3e-e/o nahe legt, während *h2o-e/o mit Lex Brugmann zu †āva hätte führen sollen (zur Kürze durch *h3e°, z. B. in ai. ápas- ‚Werk‘, s. Lubotsky 1990).
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*-e# zurückgeführt werden. Diesem Lokativ liegt eine athematische Endung *-ŏ mit überwiegend dynamischer Funktion zu Grunde, die durch den Vergleich von heth. prā, ai. prá, gr. pró, lat. prŏ < *pr-ó ‚voran, vorwärts‘ zur Wurzel *per- ‚vorne; durch‘ (⇒4.1.4.2) zweifelsfrei erwiesen ist. Die funktional gleichwertige Endung *-ō kann mit Dunkel vom thematischen Nomen stammen oder aber eher eine Erweiterung, z. B. *- o-h2/3e ‚an (… heran)‘, darstellen,21 die sich als stärker merkmalhafte und syntaktisch eindeutige Form sekundär verbreitet hat, wobei auch ein Einfluss von Formen auf *-o-h1 des (perlativen) Instrumentals möglich wäre (s. García Ramón 1997b, nach B. Delbrück). So könnte ein griechisches Place Word *káto = heth. katta ‚abwärts, herab von/zu‘ (< *k̍m̥to, ⇒4.1.4.2) einerseits zum Adverb kátō ‚abwärts‘, andererseits zum Präverb/zur Adposition *kato → katà ‚herab (von/zu)‘ präzisiert worden sein. An diese Diskussion knüpft sich eng die dritte Frage, nach dem grammatischen Status des Direktivs, an. Dunkel (1994) spricht sich für den Ansatz eines urindogermanischen „Allativs“ aus, der außerhalb des Anatolischen nur noch extraparadigmatisch belegt sei. Auch Neu (1980a: 12) zieht die Möglichkeit in Erwägung, dass ein grundsprachlicher Kasus (von ihm als *-ō rekonstruiert) mit weiterem Bedeutungsfeld im Hethitischen in direktivischer Funktion, sonst aber nur in Adverbien erhalten blieb, obwohl er den Direktiv eher als anatolische Neuerung sieht, da der indogermanische Lokativ bereits Ort und Ziel angibt (ebd. 11 f.). Tat sächlich spricht auch mehr dafür, dass der Direktiv als paradigmatischer Kasus eine kurzlebige Neuerung des Anatolischen zur klareren Markierung der Zielfunktion war, vergleichbar mit dem homerischen Akkusativ + =de; s. García Ramón (1995), der darauf hinweist, dass sich der hethitische Direktiv und der Akkusativ der Richtung im Vedischen funktional genau entsprechen, indem sie anders als der (Dativ-)Lokativ indifferent gegenüber dem Erreichen des Ziels sind. Während dieser Vergleich noch kein Beweis für einen sekundären Charakter des Direktivs ist, kommt der Tatsache, dass die verschiedenen direktivischen Adverbien keinen nominalen Charakter aufweisen (s. Zeilfelder 2001: 123, vgl. auch 130–138) entscheidendes Gewicht zu. Gerade im Hethitischen weisen die statischen Place Words in der alten Sprache durch ihre Genetiv-Rektion und Verbindung mit enklitischen Possessiva auf einen nominalen Ursprung hin (⇒4.2.2.2), während die direktivischen Entsprechungen auf -a rein adverbial konstruiert werden, obwohl daneben ein lebendiger, formal und funktional identischer Kasus bestand. Der hethitische Befund lässt sich nur dann widerspruchsfrei erklären, wenn man davon ausgeht, dass das Uranatolische eine Reihe überwiegend direktivischer Adverbien und das ihren Endung zu Grunde liegende selbständige Element *o ‚zu‘ (s. Dunkel 1994: 30 f.) ererbt und auf Basis von Teilparadigmen wie * per-em ‚vorne‘, *pr-o ‚nach vorne‘, *pr̥-ti ‚(von) vorne‘ (⇒4.1.4.2) analogisch zunächst adverbiale Bildungen wie *pr̥n-o „hauswärts“ gebildet hatte, die dann sekundär als Kasusform verstanden und mit ei-
21 Eine umgekehrte Entwicklung **-ō > *-ŏ wäre schwer zu erklären, entsprechend ist der Herleitung des heth. Dir. aus dem Instr. (Brixhe 1979) lautlich nicht möglich.
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nem Plural versehen wurden.22 Da der Direktiv ursprünglich wohl auch statische Funktion hatte, lag der Unterschied zum Lokativ vielleicht darin, dass letzterer zum Ausdruck des Inessivs/Illativs diente, während ersterer Allativität/Adessivität ausdrückte; *o ist demnach als ‚zu, bei‘ zu bestimmen. Es lässt sich zusammenfassend festhalten: Der hethitische Direktiv geht auf uranat. *-ŏ zurück, das aus einem urindogermanischen Adverb (oder Relator?) *o grammatikalisiert wurde. Der Einfluss anderer Formen, besonders eines Instrumentals *-oh1, wie er in anderen Sprachen vorliegen könnte, ist lautlich nicht verifizierbar. 23 Die Tatsache, dass der Direktiv eine relativ junge Bildung mit noch konkreter Bedeutung („-wärts“) darstellt, erklärt auch, warum er (in Originalen) nicht zusammen mit Personen belegt ist, während andere lokale Kasus auch entgegen der Belebtheitshierarchie einen solchen Gebrauch zeigen; das „semantic bleaching“ war beim Direktiv offenbar noch nicht so stark fortgeschritten. 4.1.1.2 Ablativ Noch undurchsichtiger als der Direktiv scheint die Vorgeschichte des hethitischen Ablativs. Die numerusindifferente Endung -(a)z, vor =(y)a ‚und, auch‘ und beim Infinitiv -(az)zi24, lässt im Vergleich mit dem Ablativ-Instrumental luw. /-ādi/, lyk. -edi ein uranatolisches -(o-)ti rekonstruieren. Die thematische Variante hat sich schon vorgeschichtlich weitgehend durchgesetzt, nur in der älteren hethitischen Sprache und in erstarrten Formen finden sich noch Fälle wie nepisz „vom Himmel“, tapusz ‚seitlich‘, von wo aus im Hethitischen die unlenierte Variante verallgemeinert wurde, während die luwischen Sprachen immer die bei der thematischen Endung erwartete Lenition (aus *-ó-ti oder * -o-ti) zeigen (vgl. Melchert 1977: 439–447, Kloekhorst 2008: 231 f.). Für das Uranatolische stellt sich über diese rein deskriptive Ebene hinaus die Frage, wie sich der Ablativ zu dem nur im Hethitischen belegten, ebenfalls numerusindifferenten Instrumental auf -(i)t verhält, der beim enklitischen Possessivpronomen die Formen des Ablativs suppliert (vgl. z. B. issaz=(s)mit „aus ihren Mündern“, KBo 17.1+ I 18‘; aS) und in der jüngeren Sprache wohl unter luwischem Einfluss durch den Ablativ ersetzt wird. Die Endung des Instrumentals ist aus der Schrift als Dental zu bestimmen, neben einigen Formen auf bloßes -t 22 Die bereits oben (S. 328, Fn. 16) genannte Analogie von Akk. Sg. und Plural *-m : *-m-s eröffnete mit dem Dat.Lok. Pl. eine Leerstelle X : *-o-s, die das neue *-o perfekt ausfüllen konnte. Ansonsten wäre der Direktiv vermutlich ohne Numerusunterscheidung geblieben, ähnlich wie Abl. und Instr. 23 Eine konkrete Spur von allativischen *h2o/*h3e liegt vielleicht in den direktivischen Bildungen siētta „in eins“ (daneben 1-ēda), apadda ‚dahin‘ (daneben apeda) und t(a)matta ‚anderswohin‘ vor, die nach Melchert (2008a: 368– 372) das pronominale Stammbildungselement *-éd- + *h2o ‚to, up against‘ aufweisen. Das Problem der unerwarteten Fortis-Konsonanz wäre damit gelöst, der verschiedene Vokalismus ist aber bisher nicht befriedigend zu erklären. 24 Ein Verbalnomen im Abl. ist als Ausgangsform für einen Infinitiv eher ungewöhnlich, weshalb Kronasser (1956: 133) ad hoc einen mit *t erweiterter Lok. *-en-t-i annimmt. Melchert (1977: 410 f.) führt die Konstruktion hingegen plausibel auf echte Abl. in Sätzen mit zinn(i)-zi, assnu-zi ‚beenden‘ zurück, vgl. z. B. die Koordination von Infinitiv und Abl. in KUB 29.4. I 5 (jS) nu=kan kuitman wetummanzi hūmantazzi=ya asnuzi „Während er mit Bauen und allem fertig wird, …“ Das Ausbleiben der Apokope von -i dürfte den Personalendungen auf -i geschuldet sein.
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(z. B. kissart „mit der Hand“, ishand „mit Blut“) findet sich gewöhnlich, bei den thematischen Nomina durchgängig, ein Allomorph -i/et mit anaptyktischem Vokal (s. Kloekhorst 2008: 799).25 Da eine Rekonstruktion *-d oder *-dh zu keinem brauchbaren Vergleichsmaterial führt und das funktional aus dem Hethitischen nicht zu deutende Suppletionsverhältnis beim Possessivum unerklärt ließe (vgl. Melchert 1977: 423); zu anderen Pronomina s. gleich), scheint eine Verbindung zwischen Ablativ und Instrumental und damit eine Endung *-t für letzteren angeraten, die wohl aus gemeinanat. *-ti gekürzt wurde.26 Lautlich ist der Schwund von *i / Vd_# im Hethitischen gut belegt (vgl. īt „geh!“ < *h1i-dhi, -t im Mediopassiv < *-di < * -ti), so dass man folgendes Szenario ansetzen könnte: Eine ablativisch-instrumentale Endung *-ti wird lautgesetzlich nach unbetontem oder langem Vokal in *-d und nach Konsonant oder unter Akzent in *-ti (das weiter zu *-ts assibiliert wird27) gespalten. Die Allomorphie wird dann im Hethitischen für eine bei den thematischen Stämmen vielleicht schon gegebene (*-e(-h1)-ti vs. *-o-ti28) funktionale Differenzierung Instrumental (-t) – Ablativ (-z) genutzt, die aber beim Pronomen nicht vollständig durchgeführt wurde.29 Ob das uranatolische Morphem *-ti ursprünglich instrumentale oder ablativische Bedeutung oder beides hatte, ist im weiteren indogermanistischen Rahmen zu klären, zunächst muss aber der Zustand der Pronomina betrachtet werden, die einige besondere Formen zeigen. Die Personalia haben keinen Direktiv, Instrumental und erst in der jungen Sprache einen Ablativ. Bei den enklitischen Possessiva tritt, wie gesagt, die Form des Instrumentals für den Ablativ ein. Auch bei den Demonstrativa findet sich erst in nach-althethitischer Zeit ein formaler Ablativ, doch auch der Instrumental bzw. die wie ein Instrumental aussehende Kasusform weist Besonderheiten auf. Beim Relativum/Interrogativum und den davon abgeleiteten Pronomina (und beim pronominal flektierten t(a)mai- ‚anderer‘) findet sich nur die Ablativ-Endung, auch an Stelle des Instrumentals. Die folgende Übersicht der relevanten Belege enthält auch keil-
25 Der Wechsel von i und e (s. Melchert 1977: 463–465) deutet auf [ɨ] hin und schließt ursprüngliches i oder nachtoniges e, die stets mit geschrieben werden, aus (vgl. Kloekhorst 2008: 60 f.). Denkbar ist allerdings, dass neben hūmant-it/-et [Xomantɨt] bei konsonantischen Stämmen einerseits und andererseits thematischen und i-Stämmen ein anderer Vokalismus vorliegt, also lāl-i-t [lālit] (mit -i- < *-e- wie vor der alten Instr.- Endung *-h1), halk-i-t [XalK-it], was nur durch umfangreiche Belegstudien festzustellen wäre. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass die Endung des Instr. *-T und nicht *-VT lautete. 26 Im umgekehrten Falle, einer Erweiterung *-t > *-ti, müsste man annehmen, dass alle anat. Sprachen außer Heth. diesen Kasus verloren hätten. Zwar schwindet im Luw. *-t# (vgl. malli ‚Honig‘ < *mélit), im Bedarfsfalle hätte es aber durch Stützvokale erhalten bleiben können (vgl. das Pronomen =ada < *=od, heth. noch =at). 27 Die beiden Lautwandel können auch gleichzeitig durchgeführt worden sein, doch fällt auf, dass altes * ti vor =ya ‚und, auch‘ bekanntermaßen noch als °zi° ohne Apokope des i erscheint, altes *d(h)i hingegen nicht (ein *īdi=ya „und geh!“ o. ä. ist m. W. Nicht belegt), weshalb nach Media das * i eher geschwunden sein mag. Damit ist der Einwand Johnsons (2005), der Instr. können nicht auf *-ti zurückgehen, da er mit =ya °it=ta lautet, entkräftet. 28 Diese mögliche Unterscheidung (vgl. Fn. 25 eben) wäre in den anderen anat. Sprachen lautgesetzlich früh verloren gegangen. 29 Die pal. Endung -at wurde von einigen als Ablativ und/oder Instrumental bestimmt (s. Eichner 2010: 52 f.). Ihre genaue Funktion und Vorgeschichte sind aufgrund der schlechten Erschließung (Erschließbarkeit) des Pal. unklar und erlauben daher keine weiteren Aussagen, besonders in Hinsicht auf eine morphologische Rekonstruktion *-(V)ti.
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schrift- bzw. hieroglyphen-luwisches Vergleichsmaterial (vgl. dazu Oettinger/Melchert 2009, Goedegebuure 2010a). Funktion
althethitisch
ablativisch Possessiva
Demonstrativa
Relativa/Interrogativa
Substantiv/Adjektiv
instrumental =mit, =met etc. lokativisch
– (=mi etc.)
ablativisch
?
30
nach-althethitisch
luwisch
–
–
–
–
–
–
kēz, apēz, ede/az
instrumental kēdand (, apedand)
/zin, abin/
lokativisch
kēt ‚diesseits‘, edi ‚jenseits‘
/zādi/ ‚hier‘, /abadi/ ‚so‘
ablativisch
(kuēz, tamētaz)31
kuēz
/kwādi/ ‚wie‘
lokativisch
– (kuwapi)
– (kuwapi)
– (/kwar(i)?/)
ablativisch
-(a)z
-az (mH noch -it)
/-ādi/
instrumental
instrumental -(i)t
Tab. 4.1.1.2-1 | Ablativ- und Instrumentalformen im Hethitischen und Luwischen
Die Übereinstimmungen zwischen dem Althethitischen und dem Luwischen weisen darauf hin, dass es außerhalb von Substantiv und Adjektiv im Uranatolischen nur beim Pronomen *kwi- (so Oettinger/Melchert 2009: 56) und vielleicht beim Demonstrativum eine eigene Form für den Ablativ gab, wobei luw. kuwādi auf eine Vorform *kwóti hinweist, die auch in heth. kuwat ‚warum‘ vorliegen könnte, während kuēz das akzentlose Indefinitpronomen(?) *kweti fortsetzen oder formal geneuert sein könnte. Die Entsprechung von kēt ‚diesseits‘ – edi ‚jenseits‘ spricht wiederum deutlich dafür, dass man bei den auf Dental endenden Formen mit Schwund von i rechnen muss, das mancherorts vielleicht analogisch wiederhergestellt wurde. Heth. kēdi lässt sich mit kluw. zādi, hluw. zari und der Endung *-ti nur dann lautlich vereinbaren, wenn man eine Grundform *k̍éh1ti rekonstruiert, also einen Instrumental *-h1 (zu dessen Spuren im Heth. vgl. Oettinger/Melchert 2009: 67) in Verbindung mit dem Ablativ-Instrumental *-ti.32 Das Aussterben des Instrumentals auf *-h1 schon im Uranatolischen und die
30 Bei den statischen PW treten etymologisch bedingt die Endungen des Abl.-Instr. an (⇒4.1.4.2). 31 Vgl. KBo 21.22 22 f. (aH/mS), KUB 43.23 Vs. 5 f. (aH/aS?). 32 Da zādi *ē (†zīdi) und *ĕ (vgl. den Dat.-Lok. zātti < *k̍éd(h)i) ausschließt, müsste man es sonst vom heth. Wort trennen. Letzteres könnte dann auch *k̍é-dhi mit dem lokativ. Morphem *-dhi (vgl. gr. -thi) fortsetzen, vgl. den Ansatz von Melchert (1977: 282 f., Anm. 42), nachdem edi wie ai. ádhi < *e-dhi stammt. Dies sei der Ausgangspunkt für Dentalerweiterung beim Pronomen gewesen, z. B. Dir. kēda für älteres kā.
ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
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paradigmatische Isolierung von luw. zādi usw.33 sprechen dabei für eine alte Form, möglicherweise eine Recharakterisierung mit der neuen produktiven Endung *-ti. Auffällig ist, dass die nicht- interrogativen Formen keine dynamisch-ablativische Funktion zeigen, sondern statische (‚diesseits‘ = „von dieser Seite aus gesehen“) bis hin zu rein lokaler (‚hier‘). Während in diesem Fall *-ti an den Instrumental getreten ist, gibt es deutliche Hinweise, dass die Endung in anderen Fällen an den endungslosen Lokativ angehängt wird. So hat Jasanoff (bei Melchert 1977: 456) das bei Abstrakta auf -ātar auftretende Allomorph -anz, also -ann-anz, als eine Angleichung der Verbindung *-adan-z aus endungslosem Lokativ und *-ti an die anderen obliquen Formen auf -ann- < *-atn- erklärt. Ein bekanntes weiteres Beispiel ist É-erz (Lok. *per + -z) neben regulärem parnaz „aus dem Haus“;34 für ähnliche Phänomene in anderen indogermanischen Sprachen s. u. Eine kohärente Deutung dieses Befundes ist nicht einfach. Es scheint ein Szenario möglich, wonach es ein (vielleicht aber erst sekundär) mit verschiedenen Kasusendungen kombiniertes Element *-t (*-ti, *-tos, vgl. Melchert 1977: 454 f., Bichlmeier 1999: 23 f.) gab, das zunächst verstärkend neben Kasus trat (vgl. gr. Akk. + =de in direktiv. Lesart) und sie schließlich ersetzte und so selbst als Kasusendung grammatikalisiert wurde. In Verbindung mit dem Instrumental hatte es eine instrumentale und wohl sekundär eine lokativische, 35 mit dem Lokativ eine ablativische Lesart. Für die einzelnen Ausdrucksmittel könnte man dann die in der folgenden Tabelle dargestellten Entwicklungsstufen annehmen (> steht dabei für lautgesetzliche Entwicklung, → für Umgestaltung):
33 Der reguläre Abl.-Instr. ist zin mit der adverbiellen Endung *-(i)m (s. Goedegebuure 2007b und generell Dunkel 1997). Diese Form mit ihrer nicht-nominalen Endung muss zu irgendeinem Zeitpunkt geneuert worden sein, wobei sich nach dem 4. Analogie-Gesetz von Kuryłowicz im Ergebnis die neue Form (zin) in alter Funktion (Abl.-Instr.) und die alte Form (zādi) in neuer Funktion (Adverb) zeigt. 34 Bei thematischen Nomina könnte man natürlich die Sequenz *-o-ti auch als endungslosen Lok. statt als Stamm verstehen, oder auch einen „Direktiv“ (⇒4.1.1.1) *-ō oder Instr. *-oh1 + -ti annehmen. Beweisbar ist es nicht. 35 Dieser Ausdruck der Orientierung ist z. B. im Fall von kunnaz „mit der Rechten“ (vgl. ai. dakṣiṇít) → „rechts“ gut aus der instr. Grundfunktion herzuleiten. Auffällig ist, dass in den verstreuten Resten von dentalen InstrumentalBildungen außerhalb der anat. Sprachen wiederum i-Stämme auftauchen (vgl. noch jungav. huzāmit- ‚mit einfacher Geburt‘, s. Peters 2002: 371, Fn. 64 mit Lit.). Möglicherweise hatte die Endung bei i-Stämmen (oder Abstrakta gene rell?) eine überwiegend instrumentale Lesart, die sich lexikalisiert über die Verallgemeinerung der ablativ. Bedeutung von späturidg. *-d hinaus hielt.
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uranatolische Ausgangslage
voreinzelsprachliche Entwicklungen
Personalia
nur „grammatische“ Kasus
Possessiva
Abl.-Instr. *=m/t/so36 + *-ti
ältester greif- historische Entbarer Zustand wicklungen neuer Abl. -az
*=m/t/saidi → *=m/t/sed nach Pausa-Form *-e
=m/t/sed, meist (abgebaut) =m/t/sid nach them. Instr.
Demonstrativa Instr. *-eh1 recharakterisiert mit *-ti > *-ēdi w
neuer Abl. -edaz
w
Interrogativa
Abl.-Instr. *k óti (Interrogativum), *k eti (Indefinitpronomen?)
u-Stämme
Instr. *-uh1 + *-ti > Spaltung Instr. *-ud(i), *-ūdi; Lok. *-e + Abl. → *-uts(i) → *-uots *-ti > *-ūdi nach den Thematika
Instr. -ut, Abl. -uwaz
i-Stämme
Instr. *-ih1 + *-ti > Spaltung Instr. *-id(i), *-īdi; Lok. *-e + Abl. → *-its(i) → *-iots *-ti > *-ēdi nach den Thematika
Instr. -it, -iyaz
Konsonanten- Abl.-Instr. *-h1 + Spaltung Instr. → *-d(i), *-ti > *-(ə)?ti; Lok. Abl. *-(i)ts(i) → *-ts stämme *(i) + *-ti > *-(i)ti
o-Stämme
Abl.-Instr. *-eh1 + *-ti > *-ēdi; Lok.? *-o + *-ti > *-odi
Spaltung Instr. *-ed(i), Abl. → *-ots
Instr. → -uit nach den i-Stämmen/Thematika
Instr. -t, Abl. -z, Instr. → -it, Abl. → -az nach den Thematika Instr. -it (lautgesetzlich und/oder nach den i-Stämmen), Abl. -az
Tab. 4.1.1.2-2: Mögliche Entwicklungslinien von Ablativ und Instrumental im Hethitischen
Nach der versuchsweisen Klärung dieses Komplexes ist zu untersuchen, wie dieser mit ähn lichen Formen in den anderen indogermanischen Sprachen und besonders den selbständigen lokalen Elementen *eti/*h1eti ‚darüber hinaus‘ (vgl. gr. éti ‚ferner, darüber hinaus‘, ai. áti ‚vorbei; über … hinaus; sehr‘, lat. et, arm. ew ‚und‘) und *ad/*h2ed37 ‚bei‘ (vgl. lat. ad, engl. at) zu verbinden ist. Der Ablativ weist auch außerhalb des Anatolischen Besonderheiten auf, die Hackstein (2007) umfassend dargestellt hat. Im Späturindogermanischen (ohne Tocharisch) existiert nur bei den o-Stämmen im Singular eine besondere Ablativ-Endung *-ōd, sonst wird diese Funktion im Singular vom Genetiv, im Plural vom Dativ übernommen (Hackstein 2007: 131). Daneben weisen die Personalpronomina noch den Ablativ *-d für Singular und Plural auf (z. B. ai. tvát „von dir“, asmád „von uns“). Diese Numerusindifferenz findet sich auch im Anatolischen und im Tocharischen (132 f.). Neben toch. A -ä/a/āṣ < *-Vti (s. Carling 2000: 379 f.) und anat. *-ti weist außerdem auch das Armenische mit den Endungen -ê, -oy < *-eti bzw. *oti (vgl. noch heth. tuwaz ‚von ferne‘ = arm. erkay-n, < *deh2-ti) das *-d ähnelnde Etymon 36 Zur Entstehung der enklitischen Possessiva aus nachgestellten Personal im Vokativ s. Brosch (2011 [2012]). 37 Dass jedes idg. *a auf Laryngalfärbung zurückgeht oder dass kein Wort mit Vokal beginnen darf, sind unbewiesene Hypothesen, daher wird hier immer dort, wo kein Laryngal zu erweisen ist, auf dessen Angabe ver zichtet. Im konkreten Fall schließen Formen wie ai. tvát (s. u.) einen Laryngal sogar klar aus, s. Hollifield (1980: 23 f.).
ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
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*-ti auf, das zudem in allen drei Sprachen agglutinierend an einen anderen Kasus tritt – im Anat. an den Lokativ, sonst an den Akkusativ (Hackstein 2007: 133–136). 38 Die naheliegende Annahme, dass *-d durch Apokope (mit automatischem *t# > *d#) aus *-(V)ti entstanden ist, kann Hackstein durch klare Korrespondenzen der beiden Endungen bei den Personalia (136 f.), Adverbien (vgl. heth. arahz „(von) draußen“– ai. ārāt ‚von fern‘, toch. A anäprāṣ ‚vor‘ < *onod próti „von vor“; 137), quantifizierenden Pronomina wie lat. tot ‚so viel‘ usw.;39 143-147) unstreitig nachweisen, wobei letztlich aber unklar bleibt, warum die Endung *-d beim Substantiv auf die o-Stämme beschränkt bleibt (148). Wie das Anatolische weisen also auch die anderen Sprachen darauf hin, dass der urindogermanische Ablativ ein sekundärer Kasus ist,40 dessen Endung auf ein agglutinierend angehängtes Element zurückgeht. Als Etyma dieser Postposition wurden die oben genannten *ad (Dunkel 2007, Oettinger/Melchert 2009) und *eti (Hackstein 2004: 94 f., 2007) vorge schlagen.41 Oettinger/Melchert (2009) trennen die Endungen *-d bei Pronomina, uridg. *-ti und heth. -t trotz der lautlichen und formalen Ähnlichkeit voneinander, 42 wobei der hethitische Instrumental ursprünglich auch ablativische Bedeutung gehabt habe, durch die Konkurrenz von *-ti aber in die funktionale Nische des Instrumentals gedrängt worden sei (55). Die Endung stamme aus *ad, das ursprünglich eine Adposition neben dem Instrumental auf *-h1 gewesen sei, die später in Gruppenflexion getreten und durch Metanalyse *-ō-d auf andere Stämme übertragen worden sei (ähnlich Dunkel 2007: 53, „with semantic pole-switching“). *ad liege noch in heth. saku[w]at „mit den Augen“ (KUB 23.72 Rs. 15; mH/mS) für übliches sakuit vor. Dieser Erklärungsansatz ist weder funktional noch formal überzeugend. Die Form saku[w]at muss nicht alt sein, sondern kann analogisch nach dem häufigen Nominativ-Akkusativ sakuwa umgebildet sein, oder auf eine Dualform *sh3ókwoh1-t(i) zurückgehen und erweist kein *ad. Funktional scheint die oben skizzierte Aufteilung zweier lautgesetzlich entstandener Allomorphe auf die zwei ererbten Funktionen plausibler als eine Entwicklung, wonach von zwei Ablativ-Formen eine instrumental geworden sei. Auf der semantischen Seite 38 Hackstein vergleicht zu Recht die verschiedenen Erweiterungen, die an den endungslosen Lok. treten und teil weise auf Relatoren zurückgeführt werden können, vgl. ai. jmán ‚auf der Erde‘ < *dhg̍hm-én mit Lok. * dhg̍hém (heth. takān) und *en ‚in‘ (s. Nussbaum 1986: 187–190, 289–291) und vielleicht lyk. pddẽ ‚genau da‘ < *pod-en „afoot“, dessen Bedeutung aber unsicher ist (s. Neumann 2007: 260 f.). Zu möglichen Erweiterungen des Wortes für „Erde“ um *-el und *-er s. Nikolaev (2008: 548 f.), zu *-eh2 s. Hajnal (1992). 39 Außerhalb von Anat. und Toch. sind diese Bildungen nur noch extraparadigmatisch und funktional eingeschränkt belegt, vgl. zum semantischen Übergang vom Abl. zur Quantifizierung heth. kuēz siwattaz „von welchem Tag“ → „wie viele Tage“ (Hackstein 2007: 145). 40 Dazu passt die Tatsache, dass der Abl. von Substantiven im Ai. ursprünglich nicht adverbial verwendet werden kann (Delbrück 1893: 557). Dies spricht für junge Bildung mit noch recht wörtlicher Bedeutung. 41 Daneben bestehen noch die Ansätze von Hollifield (1980: 24), der den Abl.-Instr. (nach einer Idee von C. Kappus, 1903) aus einer Partikel *e/ot an der Instrumental-Endung *-h1 zurückführen möchte. Shields (2008 [2010]) sieht in *(e/o)t eine pleonastisch angehängte lokal-deiktische Partikel (ähnlich *(e/o)r), die auch Grundlage des Suffixes *-ter- sei (woher stammt dann dessen kontrastive Funktion?). 42 Gegen eine direkte Rückführung auf *-d spreche die Tatsache, dass dies außeranatolisch auf das Pronomen beschränkt sei und daher keine allgemeine Kasusendung gewesen sein kann (Oettinger/Melchert 2009: 54). *-ti könne deshalb eher nicht die Quelle sein, da *-i das Hier und Jetzt signalisiere (59, Fn. 2).
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ist es auch sehr schwierig, den Übergang einer adessiven Grundform zum Ablativ wahrscheinlich zu machen. Es gibt zwar durchaus Beispiele für die Vertauschung funktional oppositioneller Bildungen, z. B. die Entwicklung Ablativ > Lokativ/Direktiv, die in *proti (strukturell) „von vorne“ → (tatsächlich) „nach vorne“ vorliegt (Hackstein 2007: 137–142 mit weiteren Bsp.), doch darf man dies nicht als Regelfall und schon gar nicht als „Freifahrtschein“ für die Missachtung semantischer Plausibilität bei der formalen Rekonstruktion sehen. Das auf Seite 336, Fußnote 42 genannte Argument gegen den hier vertretenen monogenetischen Ansatz ist nicht stichhaltig, denn es besteht kein Zwang, *-ti in *t + *i zu zerlegen oder letzteres mit dem deiktischen *i zu verbinden.43 Melchert und Oettinger haben aber sicher Recht damit, dass es urindogermanisch keine allgemeine Ablativ-Endung *-ti (> *-d) gab. Das Auftreten bei den Interrogativa/Relativa, Demonstrativa und Possessiva – und vielleicht Personalia, wobei das Fehlen dieser Formen im Anatolischen überrascht – spricht für ein regelmäßiges Auftreten bei Pronomina,44 während *-ti beim Substantiv seltener war und nur in einzelnen Sprachzweigen (Anat., Toch., Arm.) weiter grammatikalisiert wurde. So erklärt sich auch das isolierte, bereits urindogermanische Eindringen der Endung ins Paradigma der o-Stämme, die bekanntlich dem größten formalen Einfluss der Pronomina ausgesetzt sind (vgl. auch Delbrück 1893: 181 f.). Wesentlich wahrscheinlicher ist Hacksteins Zusammenstellung des Ablativs mit dem Adverb *eti ‚darüber hinaus‘. Eine Bedeutung „über … hinaus“ in Verbindung mit einem Lokativ oder perlativen Instrumental führt direkt zu einer ablativischen Lesart, und auch formal kann man die Pronomina weitestgehend auf *-eti und die o-Stämme auf kontrahiertes *-ōti zurückführen. Konsonantisches *-ti wäre demnach auf Metanalyse zurückzuführen und nicht ursprünglich. Es scheint aber etwas wahrscheinlicher, dass *eti nicht Ausgangspunkt, sondern eine Instanz von *-ti ist, die sich als Pronominalstamm *o-/e- (vgl. das heth. Demonstrativum der 3. Ps., ⇒4.1.4.4) + *-ti zusammensetzt (ähnlich Dunkel 2007: 59). Auf diese Weise muss man weder bei den athematischen Stämmen noch beim Demonstrativum heth. kēt, luw. zādi, die klar auf *k̍eh1-ti, nicht *k̍e-eti zurückgehen, Metanalyse und formale Neuerung annehmen. Einer besonderen Erklärung bedarf nur das lange *ō der o-Stämme, wofür die Fußnote 34 auf Seite 334 zu vergleichen ist.45 Weitere Anmerkungen zum Komplex des Ablativs und Instrumentals finden sich bei der Besprechung des Akkusativs (⇒4.1.1.4). 43 Das im Anat. nicht belegte ablativ. *-tos (s. o.) könnte als recharakterisierte Form mit ablativ. Gen. zu volksety mologisch analysiertem *-t(-)i gebildet worden sein. Andernfalls wäre aber prinzipiell nicht auszuschließen, dass ein Lok. in der Partikel ursprünglich sinnvoll war, dies ist nicht mehr festzustellen. 44 Pronomina weisen generell einen höheren Fusionsgrad mit Raumgrammemen auf, da sie hochfrequent sind und es weniger „störende“ Elemente wie Artikel u. a. Attribute gibt (Svorou 1994: 181), vgl. z. B. lat. me(=)cum „mit mir“ mit postfigierter Adposition statt sonstiger Präposition (cum + Ablativ). 45 Aufgrund der anat. Lautgesetze ist nicht festzustellen, welche Quantität der Themavokal in themat. -az hatte. Es ist durchaus möglich, dass die die späturidg. Übertragung auf das Nomen unabhängig vom Anat. erfolgte. So kann heth. -az *-o-ti oder *-oh1/ō-ti fortsetzen, während späturidg. *-ō̃d, das nach Ausweis des bsl. Akzents kontrahiert war, wie in Hacksteins Szenario unabhängig aus *-o(h1)+eti entstanden sein könnte.
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4.1.1.3 Dativ-Lokativ Der Dativ-Lokativ ist ein synkretistischer Kasus (zur Funktion s. Kap. 2.1.3, 4.2.1). Während im Singular vier Ausgänge zu besprechen sind (s. gleich), endet er im Plural ausnahmslos auf -as (unter dem Akzent -ās, s. Kloekhorst 2008: 214). Diese Endung lässt sich im Vergleich mit lyk. -e auf uranat. *-os zurückführen, das wohl auch in der luwischen („Luvian“) Neubildung -anz (mit Kontamination durch den Akk. Pl. -nz, s. Yakubovich 2010a: 27) enthalten ist. Man kann diese Endung als Ausgangsform der dialektal erweiterten *-m-os (Bsl., Germ.) bzw. *bh(i)-os (Iir., Ital.) betrachten. Eine weitere Zerlegung in einen Lokativ („Direktiv“, ⇒4.1.1.1) *-o und einen Pluralmarker *-s ist unwahrscheinlich, da die Endung älter ist als die nur anatolische Grammatikalisierung des adverbiellen *-o zu Kasusendung. Im Singular lautet die produktive Endung -i (betont -ī, s. Kloekhorst 2008: 376), das sich direkt mit luw. -i (vgl. auch oben zum Direktiv), dem palaischen Dativ -i und lyk. -i46 vergleicht. Aus Gründen der Deutlichkeit tritt bei i-Stämmen gerade in der alten Sprache der Direktiv für den Dativ-Lokativ ein, s. Starke (1977: 107–109). Da für das Urindogermanische allgemein *-e (themat. kontrahiert *-ō) für den Dativ und *-i für den Lokativ angesetzt werden, bleibt hier nur zu klären, welche Endung das Etymon von uranat. *-i ist. Laut Oettinger (1976: 31) stammen die Formen auf Ci-i aus dem Dativ *-é, die auf Ci aus dem Lokativ *-i, doch wird Vokallänge im Hethitischen synchron durch den Akzent bestimmt und ist nicht aussagekräftig. Lautlich ist eine Entscheidung wohl nicht möglich, da es nur wenige sichere Beispiele für die Entwicklung von auslautendem *-e gibt. Die nur beim enklitischen Personale =sse „ihm, ihr“ (schon altheth. zunehmend analogisch durch =ssi ersetzt) belegte Endung -e wird auf *-o zurückgeführt, das nicht zwangsläufig wie *e behandelt werden muss, die vereinzelt belegte 3. Person Singular -e < *-e- von Verben der hi-Konjugation (neben normalem -i, s. Kloekhorst 2008: 378) weist aber darauf hin, dass man auch für die Dativ-Endung *-e erwarten dürfte, das aber offenbar überall durch das lokativische -i ersetzt wurde.47 Einige Male ist ein Dativ-Lokativ auf -ai belegt (s. Kloekhorst 2008: 376 für eine Liste), die thematisches *-ō fortsetzen könnten, aber nur zum Teil überhaupt bei o-Stämmen wie in Tabarnai auftreten, stattdessen auch an unerwarteter Stelle wie beim Heteroklitikon hassannai KBo 3.1 II 49; aH/jS) oder beim n-Stamm taknai (KUB 24.9+ II 22; aH/jS). Neu (1979: 188 f.) erklärt diese Fälle jedoch nicht als alten Dativ, sondern als allesamt sekundär, z. B. als Eigennamen, die pseudologografisch als unveränderlich gesehen wurden, so dass - i an Ta-ba-ar-na antrat wie bei LUGAL-i, vgl. das parallele luwische dKamrusepai (KUB 35.107 III 8; kluw./mS). Gerade bei den Abschriften althethitischer Texte, die den Großteil der Belege ausmachen, ist auch denkbar, dass ein dem junghethitischen Abschreiber unver46 Lyk. zeigt v. a. bei Eigennamen noch einige nicht völlig gedeutete Varianten (s. Melchert 2004: X), wie das Fehlen einer Endung, sowie -je, das sich vielleicht mit heth. -ya vergleicht. Der Ansatz eines Dat.-Lok. (oder nur Lok.?) auf -e ist ebenfalls umstritten (s. Neumann 2007: 419 f. zu wazisse). 47 Da die pal. Lautgesetze mangels Bsp. wenig sicher sind, ist es durchaus wahrscheinlich, dass -i, das keine lokativische Funktion hat, den Dativ *-e fortsetzt und somit hier als Vergleich ausscheidet.
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ständlicher Direktiv wie taknā „in die Erde“ mit der produktiven Dativ-Lokativ-Endung „verbessert“ wurde. Reste einer ererbten Endung -ai sind daher zwar möglich, können philologisch aber nicht als gesichert gelten. Synchron marginal, diachron aber von großem Interesse ist der endungslose Lokativ (⇒2.1.3.5), über den im Hethitischen eine eigene Studie vorliegt (Neu 1980a). Diese in den indogermanischen Sprachen nur noch in Resten, dabei im Hethitischen aber vergleichsweise gut belegte Form markiert den Lokativ nicht durch ein Flexionssuffix, sondern dadurch, dass „veränderliche stämme im suffixlosen locativ die letzte silbe um je eine stufe stärker haben als in den «schwächsten» casus“ (J. Schmidt, 1885, bei Nikolaev 2008: 549), d. h. es handelt sich bei Fällen *dhg̍hém „auf der Erde“ zu *dhég̍hōm, *dhg̍hm-és daher wohl nicht um bloße phonotaktisch begründete Anaptyxe, sondern um ein Infix *é, vgl. die dehnstufigen Lokative *pēd „am Fuß“, *dēm „im Haus“ (s. Nikolaev 2008: 549 f.), wenn auch andererseits Erweite rungen wie *dhg̍hém (vgl. ai. kṣám-i) → *dhg̍hm-én (ai. jmán „Bahn“) für eine rein lautliche Lösung sprechen. Neben der eben genannten häufigeren Erweiterung *-en sind urindogermanisch oder einzelsprachlich auch solche auf *-er, *-el (s. Nikolaev 2008: 549 mit Bsp.) und *-eh2 (s. Hajnal 1992 mit Bsp.) belegt. Zumindest letztere ist sekundär aus dem endungslosen Lokativ des Kollektivums herausgelöst (Hajnal 1992: 217–219), *-en könnte mit dem Relator *en ‚IN‘ identisch sein, *-er erinnert an das lokativische *r zahlreichen Adverbbildungen (⇒4.1.3). Außerdem wurde die Mehrzahl der endungslosen Lokative einzelsprachlich mit der produktiven Lokativ-Endung *-i recharakterisiert, neben dem bereits genannten ai. kṣámi vgl. z. B. heth. kraitti „in der Flut“, das auf ein *g̍rot mit starkem Stamm (gegenüber schwachen *g̍ret- oder g̍rit-) zurückgehen muss (s. Hajnal 1999: 313) und einen der seltenen Belege für einen o-stufigen Lokativ liefert. An dieser Stelle muss die erschöpfende Darstellung von Neu (1980a) nicht paraphrasiert oder von Neuem besprochen werden. Es bleibt festzuhalten, dass es sich beim endungslosen Lokativ offenbar um eine schon urindogermanisch aussterbende Kategorie gehandelt hat, die in den Einzelsprachen nicht mehr produktiv war, 48 so ist z. B. im Luwischen anders als im Hethitischen nicht ein einziger endungsloser Lokativ erhalten geblieben (vgl. z. B. luw. tiyammi – heth. takān „auf der Erde“). Allerdings sind nicht alle von Neu entsprechend eingeordneten Belege tatsächlich endungslose Lokative. Die pronominalen Formen auf -ēt(i) (kēt, edi, siēt; Neu 1980a: 20–23) sind trotz ihrer lokativischen Bedeutung mit dem Komplex des Ablativ-Instrumentals zu verbinden (⇒4.1.1.2, zu ketpantalaz s. u. 4.1.4.3). karū ‚bisher, schon‘ ist kein endungsloser Lokativ *g̍hr̥h1e „beim Morgengrauen“ (vgl. Neu 1980a: 46), sondern geht wohl auf ein *k̍o-r-ē „bis hier“ zurück (s. Kloekhorst 2010: 222 f.).
48 Dass das Hapax tapus in KBo 13.20 7' (mH?/jS; s. Neu 1980a: 41) nicht in alten Texten belegt ist, kann Zufall sein. Sollte es sich doch eine junge Analogiebildung handeln, wäre es jedenfalls ein marginales Phänomen.
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4.1.1.4 Akkusativ Die produktiven Endungen des hethitischen Akkusativs setzen direkt den uranatolischen und urindogermanischen Zustand fort, wobei im geschlechtigen Singular der Konsonantenstämme die thematische Endung -an < *-om für lautgesetzliches *-un < *-m̥ eingeführt wurde. Vgl. die Übersicht:49 Heth. Uranat. Uridg. vgl. Urluw. Akk. Sg. c. + n. (them.) -n
*-m
*-m
*-m(=sod)
Akk. Pl. c.
-us
*-ms
*-ms
*-ms
Akk. Sg. n. (athem.)
-Ø
*-Ø
*-Ø
*-Ø(=sod)
Akk. Pl. n. them.
-a
*-aH
*-eh2
*-a(H)
Akk. Pl. n. athem.
-Ø, -i *-(H)
*-h2
*-(H) → *-a
Tab. 4.1.1.4-1 | Überblick über die Akkusativ-Endungen
Wie in Kapitel 2.1.4 besprochen, drückt der lokale Akkusativ primär einen Wegpunkt oder -abschnitt (Perlativ) und als „emanzipierter A[kkusativ] des Inhalts“ (Delbrück 1893: 375) Raumerstreckung aus, während der indogermanisch weit verbreitete Akkusativ der Richtung (⇒4.2.1) je nach Bewertung der Belege nicht oder nur mehr in wenigen Resten der alten Sprache erhalten ist. Der hethitische Akkusativ setzt sich aber nicht nur durch das Fehlen der direktivischen Komponente von den anderen indogermanischen Sprachen ab, 50 sondern auch durch den Ausdruck des Perlativs, der in allen anderen Sprachzweigen durch den Instrumental markiert wird (s. Delbrück 1893: 231–276), während dem formal geneuerten hethitischen Instrumental diese Verwendung unbekannt ist. Dies eröffnet die Möglichkeit für eine interne Rekonstruktion. Dunkel (1997) hat die mit dem Formans *-m (mit den Varianten *-im und *-eh2m) gebildeten Adverbien, die trotz ihrer bekanntlich ablativischen und instrumentalen Funktion bisher als Akkusative angesprochen wurden, zu Recht als Ableitungen mit einer typisch adverbialen, mit *-dhi, *-ti, *-tos, *-ter, *-r usw. vergleichbaren Endung statt mit einem erstarrten Kasus bestimmt.51 Belege aus dem Indoiranischen fehlen weitestgehend, im Griechischen findet sich aber z. B. ablativisches -then (z. B. énthen ‚von innen‘) < lokativischem *-dhe + 49 Zu einigen Varianten und Neuerungen beim neutralen Nom.-Akk. Pl. s. GHL (71 f.). 50 S. Kap. 4.1.1.1 zum Direktiv. Lyk. ñtewẽ ‚entgegen, gegenüber‘ < *en to(g)om oder *n̥do to(g)om (mit Haplologie) „ins Auge/Gesicht“ und der Akk. kluw. dāwiyan ‚dss.‘ zeigen jedoch einen klaren Rest eines Akk. der Richtung. 51 Neben dem Ablativ ist *-m in allen klassischen Funktionen des Instr. belegt, s. Dunkel (1997: 81). Wie er anmerkt, weist die Vielzahl instr. Suffixe vielleicht auf eine voruridg. funktionale Differenzierung hin, die aber nicht mehr feststellbar ist.
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*-m, im Lateinischen ist das Konglomerat *-im (durch Metanalyse aus pronominalem *i-m, Dunkel 1997: 68) verbreitet, z. B. olim ‚einst‘, hin-c ‚von hier‘, exim ‚daher‘, vgl. auch gr. prín ‚vorher‘, pálin ‚einst‘, (met)ópin ‚danach‘. Vorwiegend instrumentales *-eh2m liegt nicht nur in zahlreichen Adverbien wie lat. clam ‚heimlich‘ (zu *k̍el- ‚verbergen‘, Dunkel 1997: 70), quam ‚wie‘, gr. pérān ‚jenseits‘ und vielleicht heth. tuwān (⇒4.1.4.3), sondern auch paradigmatisch im baltoslawischen Instrumental Singular der a-Stämme *-ām vor. Dieser adverbielle Ablativ-Instrumental kann somit auch die Grundlage der sog. m-Kasus des Nordwestindogermanischen sein, deren Endungen beim Dativ-Ablativ und Instrumental Plural mit *-mbeginnen, gegenüber *-bh- in anderen Sprachzweigen (Dunkel 1997: 82).52 Bildungen auf *(i)m sind auch im Anatolischen belegt, und zwar in prominenter Form durch die statischen Place Words auf -an (⇒4.1.4.2), aber auch im Paradigma der luwischen Pronomina. Wie Goedegebuure (2007b: 320–331) gezeigt hat, sind kluw. zin und apin nicht wie bisher als ‚hier‘ und ‚dort‘ zu bestimmen, sondern die gewöhnlichen Ablativ-Instrumentale der Demonstrativa, die offenbar sogar älteres zāti und apati (teilweise recharakterisiert apatin) in adverbielle Funktion abgedrängt haben (⇒4.1.1.2). *-m muss im Uranatolischen also noch eine hohe Produktivität besessen haben. Daher stellt sich die Frage, ob die perlativische Bedeutung des hethitischen Akkusativs, die sich nur schwer aus den sonstigen Funktionen erklären lässt,53 aus diesem adverbiellen *-m stammt. Besonders zu der Zeit, als der Akkusativ Singular und Plural noch morphologisch durchsichtig *-m und *-ms lauteten, war es nur ein kleiner Schritt, ein ursprünglich numerusneutrales desubstantivisches Adverb auf *-m bei Bedarf analogisch zu *-ms umzubilden. Zuletzt müssen nur noch die entsprechenden Bildungen zu athematischen Neutra, die ja regulär keine Endung haben, beseitigt worden sein. Man könnte sogar über einen genetischen Zusammenhang zwischen dem akkusativischen *-m und dem ablativisch-instrumentalen *-m spekulieren, wonach sich der ursprüngliche, später nur noch in Adverbien erhaltene Ablativ-Instrumental über den Perlativ zum Direktiv (vgl. Fn. 53 eben) und von da aus zum Objektkasus entwickelt haben könnte. Dies ist jedoch nur eine Möglichkeit.
4.1.2 Affixe Lokale Ausdrucksmittel mit dem Status von Wortbildungsaffixen sind im Hethitischen ein marginales Phänomen,54 belegt nur in den Präverbien pe- und u- (⇒2.2.2.1), die dt. hin und her entsprechen und somit in erster Linie einen deiktischen und damit nur sekundär einen lo52 Vgl. oben Kap. 4.1.1.3. Im Anat. fehlen diese Kasusmorpheme; *-bhi kommt nur adverbial vor, z. B. heth. kuwapi ‚wo‘ (*kwo-bhi), zum *-m s. gleich. 53 Eine Überschneidung besteht allenfalls in Fällen, wo mehrere Stationen nacheinander abgegangen werden, denn diese können sowohl als Perlativ als auch als Terminativ verstanden werden (mehrere Stationen abgehen = zu mehreren Stationen gehen oder = an mehreren Stationen vorbeigehen). Letztlich kann sich die Zielfunktion so aber auch aus dem Perlativ entwickelt haben.
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kalen Wert haben, indem sie den Vektor einer anderweitig lokal zu bestimmenden Bewegung in Bezug auf das Centrum deicticum setzen. Nur pe- hat daneben noch eine lokale Lesart erlangt, nämlich „hinfort“ (→2.2.2.1-5). Sowohl in Bezug auf den Wortbildungsstatus als auch auf die Funktion scheint es sich bei pe- und u- um eine anatolische, wenn nicht hethitische Neuerung zu handeln. Das rezente Alter der Univerbierung zeigt zum Einen pe har(k)-zi ‚hinhalten, reichen‘ mit noch trennbarem Präfix (vgl. pē=pat harkanzi in KBo 17.65+ Vs. 48; mH/mS), zum Anderen das weitgehende Fehlen von Entsprechungen in den anderen anatolischen Sprachen, die bereits univerbierte Präfixe wohl kaum restlos verloren hätten, besonders vor dem Hintergrund einer allgemeinen Entwicklung von Präverbien in allen Sprachen dieser Familie. u- ‚her‘ wird einhellig mit lat. au- ‚weg-‘, ai. áva ‚(von … ) weg/herab‘, lit. au-, aksl. u‚von … weg‘ verbunden (s. HEG IV: 1–5, Kloekhorst 2008: 909 f.), denen ein Adverb *h2e/o ‚(von … ) weg‘ zu Grunde liegt. Im Hethitischen hat sich *h2o in der Pausa zu /u/ entwickelt, das bei der Univerbierung in ūnna/i-i ‚hertreiben‘ und uiy(e)-zi ‚herschicken‘ zu /o/ gesenkt wurde, während es in we-/uwa-zi ‚(her)kommen‘, ud(a)-i ‚herschaffen‘, uwat(e)-zi ‚herbringen‘ und ūssiye/a-zi ‚(einen Vorhang) auf-, wegziehen‘ erhalten blieb. Von diesen Verben55 hat nur we-/uwa-zi eine Entsprechung in luw. awi-ti ‚kommen‘, dessen Präverb *au vor der Monophthongierung mit *i- ‚gehen‘ univerbiert wurde.56 Vielleicht hat es also schon uranatolisch eine häufigere Kollokation *(H)o (H)e- „hergehen“ = ‚kommen‘ gegeben. Dass das Etymon mit *h2 und nicht etwa als *a angesetzt werden muss, zeigt der irreguläre Imperativ ehu „komm!“, der die Elemente in umgekehrter Reihenfolge (Transponat *h1e h2o „geh her!“) enthält, ebenso vielleicht auch pe-hu-t(e)-zi „hin-fort-bringen“.57 Dies macht die von Oettinger (2006 [2008]) angesetzte direkte Verbindung mit dem versteinerten Präverb *o- ‚weg‘ in watku-zi ‚entlaufen‘ (⇒4.1.4.1), das vielleicht auch im unklaren uwat(e)-zi (< *h2o + *o-dheh1-?) vorliegt, lautlich unmöglich. Aufgrund der nahen Bedeutung ist es denkbar, dass in *h2e/o, das die Bedeutungskomponenten [+topologisch] (⇒3.1.1) und [+Fortbewegung] (vgl. engl. off) enthält, ein Partikelkomplex aus *h2o ‚an, neben, bei‘ (⇒4.1.1.1) und *e/o ‚weg‘ vorliegt.58 Schwieriger in der Bewertung ist das Präfix pe- (vgl. Kloekhorst 2008: 660 f.), das in payi-/pai-zi ‚(hin-)gehen‘, ped(a)-i ‚hinschaffen‘, pehut(e)-zi ‚hinbringen‘, penna/i-i ‚hintreiben‘, pey(e)-zi ‚hinschicken‘, pessiye/a-zi ‚(weg-, ver-)werfen‘ und dem bereits genannten pe 54 Bezogen auf die Menge der Morpheme. In ihrer Verwendung sind die deiktischen Verben hingegen hochfrequent und übertreffen alle anderen Bewegungsverben um ein Vielfaches (⇒2.2.2.1). 55 Zur Etymologie s. Kloekhorst (2008) s. vv., dessen sprachhistorische Bewertungen sehr überzeugend sind; Forschungsgeschichtliches findet sich in Tischler HEG s. vv. 56 Für weitere, wenig sichere Anknüpfungen im Hluw., Lyk. und Lyd. s. HEG (IV: 2 f.). 57 Der Ansatz eines epenthetischen h in ehu, pehute- u. a. Wörtern (Yakubovich 2011) ist nicht glaubwürdig, beson ders in seiner Begründung als vorgeschichtlicher Hyperkorrektismus. Pal. iu „komm!“ kann *h verloren oder die Pausaform *u eingeführt haben. 58 Die im Ai. zu findende Abwärtsbewegung ist nicht in der Strukturbedeutung dieser Verbindung enthalten, möglicherweise wurde sie von dem im Iir. nicht fortgesetzten *k̍m̥to ‚von … herab‘ (⇒4.1.3.5, 4.1.4.2) übernommen.
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har(k)-zi enthalten ist. Ähnlich wie we-/uwa-zi hat auch payi-/pai-zi eine Entsprechung im Luwischen, vgl. hluw. pa- (meist als Iterativ paza-) ‚gehen‘. Ansonsten gibt es keine sicheren Verben mit diesem Präverb in den anderen anatolischen Sprachen, besonders das auch palaisch und luwisch („luwic“) belegte uranatolische *po-/pi-e ‚geben‘ ist entgegen der Communis Opinio aus lautlichen Gründen kein damit präfigiertes Verb, s. Kloekhorst (2008: 614– 616). Lautlich kann pe- aus *(H)PV oder *(H)Pe(h1) entstanden sein, was sehr viele Etyma ermöglicht. In Bezug auf die Bedeutung sollte man es mit u- vergleichen. Dieses muss als topologischer Ausdruck den Bezug auf das Centrum deicticum zunächst rein pragmatisch erhalten haben und erst später die inferierte Perspektive in seine Bedeutung übernommen und dabei die ursprüngliche Funktion aufgegeben haben. Wenn „her“ auf einen ablativischen Relator/ein Adverb „von … weg“ zurückgeht, sollte „hin“ komplementär aus einem terminativischen „an/auf … hin“ stammen. Hier bietet sich der Vergleich mit gr. epì ‚an, auf‘ usw. (⇒4.1.4.2, āppan) an, das auch von Kloekhorst (2008: 661) gegenüber gr. apò ‚von, fort‘ slaw. po usw. bevorzugt wird, was zu einer Rekonstruktion *po führt, die sich auch in toch. A -pi (in Zahlenangaben, z. B. śäk wepi ‚12‘ = „zehn zwei-dabei“, s. Hackstein 2004: 96 mit Fn. 4) findet. Der Diphthong ist durch a in payi-/pai-zi gesichert (gegen Melchert 1994: 133: *pe), das erst nach dem Schwund von anlautendem *h1, aber noch vor der Monophthongierung von *o univerbiert worden sein kann (*po-ánt(s)i > *paants(i) > pānzi, gegenüber *h2uh1énti > huyanzi „sie laufen“).
4.1.3 Enklitika Enklitische Elemente mit lokaler Funktion sind im Hethitischen prominent durch die sog. Ortsbezugspartikeln vertreten, die in Kapitel 2.3 unter synchronen Aspekten behandelt werden.59 Sie stehen in klassischer Wackernagel‘scher Wortstellung am Ende der satzeinleitenden Partikelkette, die an das erste betonte Wort oder Syntagma des Satzes angehängt wird (s. GHL: 410 f.), und können, wie die folgenden Unterkapitel zeigen, überwiegend auf Adver bien zurückgeführt werden (vgl. Luraghi 2001). Dieses Fehlen von Konfigurationalität – man würde eine Stelle direkt vor dem Verb erwarten wie bei den Place Words – wird von Luraghi (2001: 51) auf die starke Tendenz der anatolischen Sprachen zur Wackernagel-Position zurückgeführt, derentwegen ja auch pronominal ausgedrückte Satzteile von ihrer eigentlichen Position an den Satzanfang verschoben werden. Aus der Stellung und Distribution der Ortsbezugspartikeln lassen sich einige Folgerungen allgemeiner Art zu ihrer Entwicklung aufstellen: Da sie ausnahmslos als letzte Partikel der Kette erscheinen, sind erst recht spät in obligatorische Enklise getreten, später als die ana59 Andere enklitische Elemente spielen hier keine Rolle, wenn auch die Reflexivpartikel =z als Relatum lokaler Ausdrücke auftreten kann (→2.4.4.1-2).
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phorischen Pronomina oder auch das parenthetische Verb *erh1t „sagte“ > =wa(r)60. Interessant ist hier der Befund der anderen anatolischen Sprachen: Außer vielleicht im Lydischen (s. u.) kann auch auf deren Ortsbezugspartikeln kein weiteres Enklitikon folgen. Dies spricht dafür, dass die wichtigsten Anlagen für die Partikelketten bereits im Uranatolischen vorhanden waren und einzelsprachlich nur noch deren Reihenfolge regularisiert und ihr im Althethitischen optionales Auftreten zunehmend obligatorisch wurde. 61 Die Lenis in =apa (< *ópo, ⇒4.1.3.2) könnte dabei auch für eine frühe Eingliederung der entsprechenden Ausdrucksmittel in die Klasse der Enklitika sprechen, wenn die Lenition stimmloser Konsonanten zwischen unbetonten Vokalen nach-uranatolisch nicht mehr wirksam war. 62 Wenn lyd. =(i)t tatsächlich nicht in letzter Position erscheinen muss und eine Ortsbezugspartikel und damit eine Ausnahme dieser gemeinanatolischen Regel sein sollte (s. u.), bedeutete dies eine Sonderstellung des Lydischen, wobei damit nicht eine besonders frühe Ausgliederung aus dem Uranatolischen gemeint sein muss, da Lydisch ja einige gemeinsame Neuerungen mit dem Urluwischen aufweist (Melchert 2003: 266 f.), sondern eher eine frühe Isolierung. Die Lokaladver bien wären demnach in ihrer Stellung in der Partikelkette freier gewesen und in den anderen Sprachen erst später in einer arealen Entwicklung, die das im Westen gesprochene Lydische nicht mehr erreichte, obligatorisch an die letzte Stelle gerückt. Aus der Tatsache, dass niemals zwei Ortsbezugspartikeln gleichzeitig auftreten, lässt sich schlussfolgern, dass die zu Grunde liegenden Adverbien zumindest ursprünglich semantisch zueinander weitgehend inkompatibel gewesen sein müssen. 63 Im Althethitischen ist noch der sicher uranatolische Zustand zu fassen, demzufolge sich die Ortsbezugspartikeln von anderen Lokaladverbien im Grund nur durch ihre Tonlosigkeit unterscheiden, das Prädikat aber gleichermaßen lokal modifizieren.64 Erst im Verlauf der zu beobachtenden Sprachgeschichte verlieren sie ihre Autonomie und werden zu Modifikatoren bestimmter Konstruktionen grammatikalisiert (⇒2.3). Wie bereits erwähnt, sind auch in den anderen anatolischen Sprachen Ortsbezugspartikeln oder Elemente, die für solche gehalten werden, belegt, wenn auch deutlich weniger als im (Alt-)Hethitischen. So werden für Palaisch und Keilschriftluwisch je zwei, für Hieroglyphen-Luwisch, Lykisch (A+B) und Lydisch jeweils eine Partikel angesetzt; außerhalb des Lu60 S. Kloekhorst (2008: 958). Lyk. =we zwingt jedoch nicht zu einer Rekonstruktion mit R(o), da das a des Heth. auch < *e /_R(T)# stammen kann, vgl. das Supinum -wan < *-en#. 61 Gerade in der alten Sprachen findet man noch Schwankungen wie anda=‹s›se=ya für übliches anda=ya=ssi (Hoffner/Melchert 2008: 411). Die luwischen Sprachen und Hethitisch stimmen in der Stellung der Partikel der zi tierten Rede und der OBP genau überein, im Luwischen stehen die Reflexivpartikel und Personalia im Dat.-Lok. aber stets vor dem Personale im Nom. oder Akk., während dies im Heth. nur für die Dat.-Lok. des Plurals zutrifft. 62 Sicher nur voreinzelsprachlich galt die Lenierung nach betonten Langvokalen, da Lyk. und Luw. nie lenierte Endungen nach *-eh2-Verben zeigen, der Schwund des Laryngals mit Ersatzdehnung also jünger sein muss (Melchert 1994: 69). Melchert (1994: 89) hält aber eine Wirksamkeit der Lenition zwischen unbetonten Vokalen bis in die Einzelsprachen für möglich. 63 Vergleichen kann man hier das enkl. Pronomen der 3. Person, bei dem Nom. und Akk. nicht zugleich auftreten können, aber Nom. oder Akk. und Dat.-Lok. 64 Anders als die statischen Place Words stehen sie nicht adnominal, sind also funktional bereits eingeschränkt.
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wischen ist die Bestimmung der entsprechenden Elemente aufgrund der schlechten Beleglage und unzureichenden Erschließung der kleineren anatolischen Sprachen aber philologisch sehr unsicher. Nach Carruba (1969: 24–26) erscheint eine gemeinanatolische Ortsbezugspartikel /ta/65 im Palaischen und Luwischen als =tta, im Lykischen als =te und lydisch als =(i)t, während kluw. =tar, pal. =(m)pi und die hethitischen Partikeln jeweils nur einzelsprachlich belegt sind. Für das Palaische (s. Carruba 1970) ist eine Bestätigung dieser Ansätze nicht gegeben, da sich zum Einen die wenigen Belege aus mehreren Varianten mit unklarer Distribution bzw. morphologischer Aufteilung zusammensetzen (-pí und °m-pí, -an-ta, -en-ta, -ta und °t-ta) und zum Anderen ihre Funktion völlig unklar bleibt. Es lässt sich nur feststellen, dass es einige enklitische Elemente gibt, deren Stellung in der satzeinleitenden Partikelkette und de ren Lautkörper mit Ortsbezugspartikeln anderer anatolischer Sprachen übereinstimmen können, weiter gehende Aussagen sind allerdings kaum möglich. Immerhin zeigen wohl zwei der oben in Kapitel 4.1.1.1 genannten palaischen Belege mit Lokativ (KUB 35.165 Rs. 6', KUB 32.18 I 14') auch die Partikel =(t)ta. Nur im Keilschriftluwischen erscheint die Ortsbezugspartikel =tar. Funktional scheint sie weitestgehend mit heth. =ssan (⇒2.3.4) konform zu gehen (s. Yakubovich 2010a: 142– 144), wie der Vergleich der Beispielsätze →1a und →1b für den wörtlichen Gebrauch ‚[Oberflächenkontakt]‘ und →1c für die übertragene Verwendung ‚zu jemandes (Un-)Gunsten‘ zeigen. 4.1.3-1a: KUB 9.31 II 24 (kluw./jS) d Lūlahinzs=tar66 hūppra‹n›z67 kuinzi
hishiyanti
(GN-):AKK.PL.C=OBP Schärpe?:AKK.PL REL:NOM.PL.C binden:PRS.3PL.AKT
„[…], die Schärpen(?) nach Art von Lolahiya anziehen.“ 4.1.3-1b: HT 1 I 31 (jH) LÚ.MEŠ lūlahiyas=san huprus (PN/ON):GEN=OBP
kuiēs
ishiyantes68
?
Schärpe :AKK.PL REL:NOM.PL.C binden:PTZ.NOM.PL.C
„…, die Schärpen(?) nach Art von Lolahiya angezogen haben.“ 4.1.3-1c: KUB 9.6 III 25 f. (kluw./jS) kuis=tar malhassassanzan EN-ya REL:NOM.SG.C=OBP Ritual-:D/L.SG.C
ādduwala
ānniti
Herr:D/L.SG böse:AKK.PL.N verrichten:PRS.3SG.AKT
„Wer dem Ritualherren Böses antut, …“ 65 Die Rückführung auf anda (Carruba 1969: 26 f.) ist lautlich und funktional nicht zu halten. Uranat. kann man ein *=to rekonstruieren, das vielleicht auch in heth. =asta (⇒4.1.3.3) enthalten ist. Eine weiter reichende Etymologie ist aufgrund des geringen Wortkörpers und mangels Entsprechungen in anderen Sprachen nicht zu geben, es könnte sich um die ursprünglich orthotone Form des in der Endung/Postposition *-t (⇒4.1.1.2) erhaltenen Elements handeln. 66 dLu-u-la-ḫi-in-za-aš-tar für etwa [lolaxints.dar], s. zur Schreibung Starke (1990: 44). 67 ḫu-u-up-pa-ra-za, aufgrund der gleich zitierten heth. Übersetzung und aus syntaktischen Gründen ist ein Akk. Pl. zu erwarten, auch wenn dieser eigentlich *hupprinz lauten sollte. 68 iš-ḫi-ya-an-te9-eš15.
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Der folgende Beleg zeigt jedoch möglicherweise eine von heth. =ssan abweichende, nicht völlig verständliche Verwendung: 4.1.3-2: KUB 35.88 III 13 (kluw./jS) sarri=wa=tar DUMU-in wallitta oben=„“=OBP
Kind:AKK:SG heben:PRT.3SG.AKT
„»Sie hob das Kind hoch(?).«“ Ein wörtliche Übertragung ins Hethitische, *sēr=wa(r)=ssan DUMU-lan parkiyat, könnte kaum anders als „»Sie hob das Kind oben (her)an.«“ verstanden werden, wobei der Referenzpunkt von ser (oben am Kind?, oben an der/die Frau?) ohne Kontext 69 unklar wäre. Die Etymologie von =tar ist wie bei =tta dunkel. Carruba (1969: 35 f.) möchte es mit =ssan, das aus *=sar° umgestaltet sei, auf ein *saran (zu heth. ser ‚oben‘ etc.) zurückführen, worin man ihm nicht folgen kann. Dunkel (2008) rekonstruiert anlässlich der berechtigten Zurückweisung von C. Watkins Vergleich mit einem angeblichen homerischen Lehnwort tár (tatsächlich einfach t‘ ár) ein lokales Demonstrativum *to-r ‚da‘.70 Dies ist aber weder funktional noch formal plausibel, da einerseits kaum zu begründen wäre, warum in /da/ər/ etymologisches *t leniert erscheint, in =tta (s. u.) hingegen nicht, und andererseits der Bedeutungs anteil [+Oberflächenkontakt] auf die Partikel *-r zurückzuführen wäre, die wohl eher einen unspezifischen statischen Lokativ ausdrückt.71 Denkbar ist hingegen eine Kombination *do-r aus direktivischem *do und *-r, woraus sich eine Bedeutung ‚heran‘ ergibt, die wohl zunächst in resultativen Konstruktionen (vgl. den „location on a body“-Gebrauch in →1a) in Konkurrenz zu ererbtem *som (⇒4.1.3.4) trat und dieses im Luwischen später verdrängte. Dieser Folgerung liegt der Gedanke zu Grunde, dass sich die weitgehende funktionale Gleichwertigkeit von =tar und =ssan, gerade auch beim übertragenen Gebrauch „zu (Un-)Gunsten von“ (→1c), im Hethitischen und Luwischen kaum unabhängig voneinander entwickelt haben kann.72 *do könnte auch als Element in heth. =asta (⇒4.1.3.3) vorliegen, das funktional allerdings abweicht (⇒2.3.3). Im Hieroglyphen-Luwischen wurde =tar offenbar vollständig von =tta verdrängt (s. Yakubovich 2010a: 63),73 ähnlich wie =ssan von =kkan im Junghethitischen. Die Ortsbezugs69 Der dieser Stelle vorhergehende Satz findet sich unten in →4.1.3-3b. 70 Ähnlich Josephson (1995: 165): *ter „referring to the far side“, was den gleichen aktionalen/aspektuellen Wert wie =ssan (⇒2.3.4, 4.1.3.4) habe. Zur Ablehnung von Josephsons Ansätzen s. Kap. 2.3. 71 Nach Ausweis von Bsp. wie arm. our, lit. kur ‚wo‘ (Brugmann 1911: 735 f.), westgerm. *þē2r ‚da‘ und *hē2r ‚hier‘ (Dunkel 2008: 143). Ob mit Brugmann kontrastives *-er (davon *-ero-, *-ter, *-tero-) hierzu gehört, ist schwer zu bewerten. 72 Die Entwicklung ist zugleich zu alt für die ab der mittelheth. Zeit anzunehmenden Sprachbundphänomene. Man muss wohl davon ausgehen, dass es schon im Uranat. eine Reihe schwachtoniger Ortsadverbien gab, die in verschiedenem Maße in den Einzelsprachen zu OBP grammatikalisiert und/oder aufgegeben wurden. 73 An den beiden von ihm genannten Belegstellen lassen sich keine entsprechenden Konstruktionen finden, vgl aber z. B. HAMA 4, §7: (a=)wa=ta (DEUS)Pahalatīs aman=za=ha alaman=za PONERE-ha „Ich habe der Ba‘alati und meinen Namen darauf gesetzt“, wobei die Schreibung mit ta (und nicht tà!) die theoretische Möglichkeit ausschließt, =tar habe in einer Variante ohne -r, aber unterscheidbar durch /d/ (= [ɾ]), weiter existiert.
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partikel =tta wird von Melchert (1993: 199 f.) funktional mit heth. = kkan (in der jüngeren Sprache) und formal darüber hinaus wie von Carruba mit pal. =tta, lyk. =te verglichen. Während die palaischen und lykischen Formen (s. u.) aber in ihrer Bedeutung kaum zu bestimmen sind, erscheint der Vergleich mit luw. =tta treffend. Die für =kkan typische Koppelung an anda ‚in, hinein‘ (⇒2.3.5) lässt sich auch im Keilschriftluwischen feststellen, so findet sich bei den zwei Dutzend überprüften Belegen von luw. ānta = heth. anda dreizehnmal =tta, während elf Belege zu beschädigt für Aussagen sind. D. h., es gibt kein einziges vollständiges Beispiel, bei dem =tta fehlte. In KUB 35.107+35.108 IV 3', 5', 9', 13' (jS) erscheint wiederholtes ā=tta ānta, das reihendem n(u)=asta anda des Hethitischen (z. B. KUB 17.10 IV 27 – 31) entspricht, eine Funktion, die in der jüngeren Sprache auch durch =kkan ausgedrückt wird. Die folgenden Beispiele zeigen typischen Verwendungsweisen von =tta mit ānta (→3ab), priyan (→3c, vgl. heth. =kkan priyan, ⇒2.4.2.3) und ablativischen Prädikaten (→3de), sowie im satzinternen Gebrauch (→3f).74 4.1.3-3a: KUB 35.45 II 5 (kluw./jS; ähnlich Z. 7) [ā]nta=tta ārlanuwatta parrayanz ḪUR.SAG.MEŠ-z hinein=OBP sich wenden??:PRT.3SG:AKT hoch:D/L.PL.C Berg:D/L.PL
„Er wandte sich(??) den hohen Bergen zu.“ 4.1.3-3b: KUB 35.88 III 12 (kluw./jS) anta=wa=as=ta walluna‹s›san
wāni
uppan⌈ta⌉
hinein=„“=3PL.AKK.C=OBP Heben:POSS:D/L.SG.C Frau:D/L.SG bringen:PRT.3PL.AKT
„»Man brachte sie zur Hebamme hinein.«“ 4.1.3-3c: KBo 13.260 III 12'–15' (kluw./jS) priyam=sa=tta tarzandu hinüber=POSS.3SG.AKK.N=OBP
adduwa⌈li⌉ya⌈n⌉ wattaniyan böse:AKK.SG.C
ā=tta
ādduwanz
priyan
(u. B.):IMP.3PL.AKT KONN=OBP böse:D/L.PL.C hinüber
uppannandu
(u. B.):AKK.SG bringen:IPFV:IMP.3PL.AKT
„Über es hinaus sollen sie …-en, den Bösen sollen sie das böse … hinüberbringen.“ 75 4.1.3-3d: KUB 35.54 III 9 (kluw./jS; ebenso Z. 11) a=(a)ta=tta ⌈pri⌉ patz(a)du KONN=3SG.AKK.N=OBP
weg
tragen?:IMP.3SG.AKT
„Er soll es forttragen(?).“ 4.1.3-3e: KUB 35.54 III 37 f. (kluw./jS) [ā]=tta zāwi lahunīha ā[dduwal=za] KONN=OBP hier
waschen:PRT.1SG.AKT
⌈u⌉tar=sa
böse:AKK.SG.N=N Wort:AKK.SG=N
74 Dies sagt allerdings nichts über (Un-)Möglichkeit der oben angedeuteten etymologischen Verknüpfung von =tta mit =asta aus, da letzteres ja auch durch =kkan ersetzt wurde und man einen Zusammenfall also auch für das Luwische (mit Verallgemeinerung der anderen Partikel) nicht ausschließen kann. 75 Yakubovich (2010a: 237) übersetzt „Let them carry the evils over to an evil land“, ich kann diese Übersetzung aber syntaktisch nicht nachvollziehen.
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„Hier habe ich (es) abgewaschen, das böse Wort.“ 4.1.3-3f: KUB 9.31 II 25 f. (kluw./jS) pā=tar āppa zastanz astummantanz=ta attuwalahiti nis KONN=OBP zurück DEM:D/L.PL.? Tor:D/L.PL=OBP76
dādduwar
Bosheit:D/L.SG PROH treten: PRS.2PL.MP
„Tretet aber nicht wieder an diese Tore im/zum Bösen heran.“ Die gut ein Dutzend mal belegte lykische enklitische Partikel =te (s. Neumann 2007: 341 f.) lässt sich lautlich zwar problemlos mit luw. =tta verbinden, ihre Funktion kann aber nicht als gesichert gelten. Sichere Belege mit ablativischen Ausdrücken fehlen, 77 und nur einmal erscheint sie parallel zur typischen Konstruktion =kkan anda / =tta ānta: 4.1.3-4: TL 84, 2 f. (lyk.) me=te: ñta tãti
ebñnẽ
hãtã:
se
ladã
KONN=OBP? hinein legen:PRS.3SG.AKT DEM:AKK.SG.C Körper?:AKK.SG KONN Ehefrau:AKK.SG
„Und man legt seinen Leichnam(?) und seine Frau hinein.“ Diesen Satz könnte man als *nu=kkan apēl tuekkan (…) anda tiyanzi ins Hethitische übertragen. In den vielen ähnlich gebauten Sätzen fehlt jedoch die Partikel (→5ab), so dass sie nicht an ñte gebunden sein dürfte. Wenn =te eine Ortsbezugspartikel ist, könnte es ein Stadium der Entwicklung repräsentieren, wo die Partikel fast allen Eigenwert verloren hat und zunehmend abgebaut wird, wie der Befund des späten Junghethitisch andeutet (⇒2.3.5).78 4.1.3-5a: TL 75, 2 f. (lyk.) s(e)=ene ñte: tãti
tdi
i[s]bazi:
KONN=3SG.AKK.C hinein legen:PRS.3SG.AKT REL:D/L.SG.N Ruhebank?:D/L.SG
„Die Kline(?), in die man ihn hineinlegt, …“ 4.1.3-5b: TL 101, 3 (lyk.) kbi: tike:
ti
ñtepi
tadi:
zweiter:AKK.SG.C INDF:AKK.SG.C REL:NOM.SG.C hinein:danach? legen:PRS.3SG.AKT
„Wer irgendjemand anderes danach(?) hineinlegt, …“ Noch viel unsicherer als lyk. =te ist die wiederum sehr häufig belegte lydische Partikel =(i)t, die man mit Apokope von *o und Anaptyxe von i mit =tta etc. lautlich verbinden könnte. Sie kommt zwar überwiegend mit bestimmten, zumeist komponierten Verben vor, was an =kkan 76 Sofern das Zeichen ta hier für die OBP =tta steht, ist die Motivation für die satzinterne Partikel unklar. Im Heth. würde man diesen Satz wohl als *nu=ssan kedas āskas idalawanni āppa lē tiyatten ohne zusätzliches =kkan ausdrücken, vielleicht mag =tta aber gerade die Tore als Ort statt als Ziel der angesprochenen Gottheiten bezeichnen („in diesen Toren herantreten“). 77 Sehr unsicher ist wegen der Beschädigung und der nur etymologisch bestimmten Bedeutung des Verbs die Ana lyse von seite:tijap[x]di:tike: (TL 94, 3) als se=i=te tij ap[d]di tike „Wer ihm irgendetwas abnimmt, …“ (s. Neumann 2007: 15), was man ins Hethitische als *nu=ssi=kkan kuitki kuis ēpzi übersetzen könnte (vgl. ta=a(t)?=sse=sta LÚ ZABAR.DAB ēpzi „Der Bronzeschalenhalter nimmt es ihm ab“, KBo 38.12+ II 28; aH/aS?). 78 Dass die lyk. Partikel =de etwas mit kluw. =tar (= heth. =ssan) zu tun hat, halte ich angesichts der vermutlichen Bedeutung „jeweils, jedesmal“ (s. Neumann 2007: 42) für äußerst unwahrscheinlich.
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und =tta erinnert, „insgesamt läßt sich allerdings noch keine Regel für das Erscheinen dieser Partikel aufstellen“ (Gusmani 1980: 62). Beachtenswert ist, dass =(i)t anders als alle anderen verglichenen Elemente in den anatolischen Sprachen nicht an letzter Stelle der satzeinleitenden Partikelkette steht. So kann darauf das enklitische Pronomen -ś der dritten Person Singular folgen, wodurch sich =iτ ergibt (zu möglichen Implikationen s. o.). Die Form = iτ wird von Yakubovich (2010a: 178–182) jedoch als einmorphemiges Reflexivum (aus der Sandhi-Form *=t=) *=ti gedeutet, wodurch Lydisch keine Ausnahme mehr darstellen würde. In den anatolischen Trümmersprachen Karisch, Sidetisch und Pisidisch, die fast nur in sehr kurzen Inschriften belegt sind, wurden bisher keine Elemente identifiziert, die mit den Ortsbezugspartikeln in Verbindung gebracht werden könnten. 4.1.3.1 =an Die seltene Ortsbezugspartikel =an ‚in (… hinein)‘79 stirbt bereits in althethitischer Zeit aus und wird durch =kkan anda ersetzt. Es steht außer Zweifel, dass =an auf den Relator *en ‚in, (dr)innen, hinein‘ zurückgeht, woraus sich auch erklärt, dass es neben der allgemein illativischen Bedeutung auch einige Hinweise auf eine statische Funktion gibt, während diese bei den Place Words in der alten Sprache formal unterschieden werden (anda – andan, ⇒4.1.4.2, anda). Die Ortsbezugspartikel existiert nur im Hethitischen, *en und seine Ableitungen sind aber in allen anatolischen Sprachen bezeugt, wobei überraschenderweise ein Gutteil der belegten Formen nicht die Funktion INTERIOR hat, sondern „(nach) unten“ bedeutet, daneben zeigen sich auch komitative Formen, vgl. die Übersicht (vgl. Yakubovich 2005, Goedegebuure 2010b): „inn(en)“ „hinein“ K/Hluw. andan?? Lyk.
ñte
Lyd.
(-)dãν
„unten/r“
„hinab“ „zu mit“80
ānta, /antan/ ānnan, SUB-nan – da-
CUM-ni, /ānni/ ??
ẽnẽ, ẽtre/i-
ẽti
ẽn-?, ẽn
ẽt-
– ẽn-?
Tab. 4.1.3.1-1 | „IN“ und „UNTER“ in den westanat. Sprachen
In geringerem Maße ist dieses Phänomen auch außerhalb des Anatolischen belegt, vgl. die bei Mallory/Adams (1997: 611) verzeichneten Stämme für „unter“ *n̥dhés, *ner ‚unten‘, *n̥dhero‚niedrig‘, sowie Dunkels (1994: 20 f.) *eno ‚along‘ (iran. ana, lat. in-uenio/-sequor/-gnosco u. a.). Hier wäre zunächst zu untersuchen, ob es sich um ursprüngliche oder durch lautgesetz liche Entwicklung bedingte Homonymie handelt. Tatsächlich versucht Oettinger (1999), IN 79 S. Kap. 2.3.1. Zur Etymologie vgl. HEG (I: 24), HED (I/II: 51), Boley (1989: 74), Luraghi (2001: 47), Kloekhorst (2008: 173). 80 Yakubovich (2010b) vergleicht noch heth. aniye/a-zi ‚tun, arbeiten‘, das er als rezente Zusammenrückung an-iyemit komitativem *an < *en (vgl. lat. conficio) erklärt. Für die übliche Herleitung s. Kloekhorst (2008: 179–181).
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und UNTEN zu trennen, indem er das unklare heth. hantiyara- als „niedrig“ übersetzt81 und zu lyk. ẽtre/i-, lat. īnferus, dt. unterer < *h3n̥dhero- und ai. adhamá- ‚unterster‘ stellt (83–87). Neben der unsicheren Bedeutung bringt dieser Ansatz aber massive lautliche Probleme mit sich: Zum Einen ist Schwund von anlautendem *h3 im Lykischen bzw. seine Erhaltung in dieser Position im Hethitischen nicht gesichert (vgl. S. 329, Fn. 20 zu einem möglichen Bsp. *h3 > lyk. k), zum Anderen schließen lat. inferus, das nur aus *(h1)n̥dhero- stammen kann (vgl. Meiser 1998: 106 f.), und gr. nérthen ‚von unten‘ (ohne „prothetisches“ o-82) *h3 im Anlaut aus. Auch der Wandel -e- > -iya- (Oettinger 1999: 86) ist fraglich, selbst wenn es verwandte Phänomene wie die Schreibung yax für e gibt.83 Es zeigt sich also, dass *en in vielen Einzelsprachen insgesamt ein weiteres Spektrum als nur INTERIOR hat, wofür es zwei annähernd gleich wahrscheinliche Erklärungen gibt: 1. *en war ursprünglich ein allgemeinerer Relator, also vielleicht [+topologisch] (wie z. B. akkad. INA), dessen häufigste Lesart INTERIOR sich später weitgehend, aber nicht vollständig durchgesetzt hat, wobei der meiste Spielraum gerade in den anatolischen Sprachen besteht. Dies erklärt allerdings nicht, warum sich in verschiedenen, nicht enger verwandten Sprachzweigen gerade die beiden Bedeutungen „unten“ und „mit“ und keine anderen gehalten haben sollten.84 2. *en bezeichnet von Anfang an INTERIOR, und die anderen Bedeutungen lassen sich daraus ableiten. Dies ist besonders für die unbestimmt-direktive (vgl. den „location-on-abody“-Gebrauch, ⇒3.1.1.3) und komitative Bedeutung möglich: Wenn man als Behälter von *en nicht ein begrenztes Relatum, sondern sozusagen die gesamte Szenerie des Sachverhalts betrachtet, dann führt eine zentripetale Bewegung „(weiter) nach innen“ und kann durch eine weitere Lokalangabe als auf ein zusätzliches Relatum gerichtet beschrieben werden, je nach Ziel also zu jemandem oder auf etwas hin. Wie in Kapitel 2.4.1.1 erwähnt, kann heth. anda außerdem im Sinne von „in einer Gruppe“ verwendet werden: 4.1.3.1-1: IBoT 1.36 II 31 (mH/mS) n(u)=as=kan AN[A L]Ú.MEŠMEŠEDI
anda ⌈iyannai⌉
KONN=3SG.NOM.C=OBP DAT
drinnen gehen:IPFV:PRS.3SG.AKT
Leibwächter
„Er geht unter den Leibwächtern (mit).“ Diese komitative Bedeutung wird in vielen Sprachen, so auch im Deutschen, auch durch „unter“ ausgedrückt, die semantische Schnittstelle zum räumlichen INFERIOR besteht im ge81 Vgl. KBo 3.8+ III 18–21, die eine Übersetzung „seicht“ nahelegen könnte, und die Bergnamen Hantiyara – Summiyara, die man als „Niederer“ und „Höherer“ deuten kann. 82 Die jünger bezeugte Form énerthen könnte nach der Basis en geneuert sein. 83 Das einzig überzeugende Beispiel ist aliyan- ‚Rehbock‘ < *olen-. wantiyasta ‚leuchtete‘ könnte z. B. bei Unsi cherheit bezüglich der Stammbildung (wantiye/a-, wantess-) hyperkorrekt für vermeintlich synkopiertes wantesta gebildet worden sein, auch die weiteren Bsp. sind äußerst unsicher. 84 Keine Ausnahme ist en tē̃i kephalē̃i „auf dem Kopf“ (von Haaren gesagt; Herodot 2,36,1), denn auch das Wort „Kopf“ wird wie andere Körperteilbezeichnungen im Gr. als Container betrachtet (Luraghi 2003: 91).
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meinsamen sekundären Sem „verborgen“ (in Gruppe/durch untere Position). Möglicherweise hat man es also mit einer seltenen Entwicklung eines nicht-lokalen Ausdrucks zu einem räumlichen (IN →) MIT/UNTER → UNTER zu tun. Ausgangspunkt könnte das Āmreḍita (gl. dazu Dunkel 1981) *en-en (luw. ānnan85) „ganz drinnen“ → „darunter“ (komitativ) → „unter“ (lokal) gewesen sein. Eine semantische Alternative könnte der Verweis auf den kognitiven Zusammenhang zwischen Hinein- und Abwärtsbewegung sein, denn gerade bei kleineren Objekten ohne Eigenbeweglichkeit dürfte diese Kombination die prototypische sein – es ist gewiss kein Zufall, dass sich hierfür im Hethitischen auch ein eigenes, kombiniertes PW (kattanda, ⇒2.4.4.6) entwickelt. Bezeichnend ist auch ein Beispiel wie 2.4.1.1-4c,86 während sich für Konstellationen wie „nach oben hinein“ keine Belege finden lassen. Auch ai. ní ‚abwärts, einwärts‘ (s. Schneider 2009 [2010]; gr. enì hat geneuerten Ablaut) lässt sich in dieses Bild fügen. 4.1.3.2 =apa Die genaue Funktion der seltenen und etwa zu Beginn der mittelhethitischen Zeit ausgestorbenen Ortsbezugspartikel =apa87 ist umstritten, was auch Auswirkungen auf ihre Etymologisierung haben kann. Während einige (z. B. Josephson 2010) eine terminativische Bedeutung ‚gegen, (up against)‘ annehmen, wird in dieser Arbeit dem Ansatz von Rieken (2004) der Vorzug gegeben, wonach =apa zum Place Word āppa ‚zurück‘ gehört und im Grundsatz seine Bedeutung teilt, womit sich die z. T. stark unterschiedlichen Belege am besten erklären lassen.88 Nach Josephson (1995: 174, 2010: 186–188) steht =apa in Opposition zu prā ‚voran‘ wie im Lateinischen ob- zu pro- als Präverb; die Partikel und ihre lateinische Entsprechung sind mit heth. āppa ‚zurück‘, slaw. o(b)- ‚gegen‘ (< *(h1)opo) zu verbinden. Abgesehen davon, dass diese Funktionsbestimmung von =apa hier abgelehnt wird, ist lat./slaw. ob- vielleicht eher als *obhí mit ai. abhí ‚(her)an, gegen‘ zu verbinden. 89 Besser scheint die schon von Carruba (1969: 32 f., 38), Luraghi (2001: 47) u. a. vertretene Verbindung mit āppa, gr. epì ‚an, bei‘ usw. Allerdings ist die Partikel nicht unabhängig von dem Place Word zu betrachten, sondern aufgrund der gemeinsamen Bedeutungsentwicklung „bei, nahe“ > „hinter/zurück“ (s. die Besprechung von āppa in Kap. 4.1.4.2) eher als dessen enklitische, lautlich wie semantisch abgeschwächte Variante anzusehen. Da =apa phonologisch als /aba/, āppa hingegen 85 Vgl. aber S. 363, Fn. 129 zur formalen Problematik von lyk. ẽnẽ. 86 „Was hineingeht, kommt nicht mehr herauf.“ 87 S. Kap. 2.3.2. Zur Etymologie vgl. HEG (I: 39), HED (I/II: 85 f.), Kloekhorst (2008: 190 f.). 88 Nur wissenschaftsgeschichtlichen Wert hat der Ansatz von Oshiro (1990 [1992]: 9, Fn. 16), wonach =apa aus dem Pronomen *e/o- und der emphatischen Partikel *bho (zu luw. =pa) stammt. Seine Bedeutung sei entsprechend konsekutiv ‚so, so dass, dann, daher‘. Wie Goedegebuure (1998, s. aber schon Carruba 1969: 33 f.) gezeigt hat, hat luw. =pa als Partikel für kontrastierenden Fokus nichts mit =apa zu tun, ebensowenig lyk. =be (s. Neumann 2007: 34). 89 Anders de Vaan (2008: 421) und Waanders (1994: 430), die lat. ob wegen operio ‚öffnen‘ (< *op-eriō) aus *h1op-i statt aus *h1o-bhi herleiten. Vielleicht sind auch beide Formen zusammengefallen.
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als /ápa/ zu betrachten ist, stellt sich die Frage, warum etymologisches *p in der Partikel leniert wird, während etymologisches *s und *k̍ in =ssan und =kkan (⇒4.1.3.4/5) weiterhin als Fortis erscheint. Dies ist wohl dem Umstand geschuldet, dass =apa als einzige Partikel zweisilbig ist und *p fast immer zwischen unbetonten Vokalen stand, während =ssan und =kkan auch auf Konsonanten folgen konnte, wo keine Lenition eintrat. Es müssen zwar von allen Partikeln lautgesetzlich lenierte Varianten entstanden sein, doch während diese bei =ssan und =kkan im Rahmen einer allgemeinen Tendenz im Hethitischen 90 zugunsten der unlenierten aufgegeben wurden, war bei =apa *p in so wenigen Formen erhalten (in der Verbindung Satzkonnektor + =apa ohne weitere Partikel), dass /b/ verallgemeinert wurde. Eine Verbindung von =apa mit der palaischen Partikel =pi (eher so als =mpi, ⇒4.1.3) ist lautlich indirekt möglich über ein paralleles Etymon *(h1)opi neben *(h1)opo, das es auch in der hethitischen Sprachgeschichte einmal gegeben haben muss (Melchert 2009b); pal. =pi ist aber in seiner Funktion nicht zu bestimmen, so dass dies spekulativ bleibt. 4.1.3.3 =asta Obwohl ihre Funktion über die ganze beobachtete Sprachgeschichte des Hethitischen hin gut zu beschreiben ist (ursprünglich Wechsel der räumlichen Domäne, v. a. elativisch 91), ist die Etymologie der Ortsbezugspartikel =asta eine Crux, vgl. die Wörterbucheinträge HEG (I: 85 f.), HED (I/II: 218 f.), Kloekhorst (2008: 222 f.). Carruba (1969: 10, 38) führt =asta auf Basis einer verfehlten Funktionsbestimmung auf istarna ‚inmitten‘ (⇒4.1.4.2) zurück, was nicht glaubhaft ist, ebenso wenig wie Wagners (1968) Rückführung auf =as ‚er, sie‘ + eine emphatische Partikel *=ta, die auch in natta ‚nicht‘ vorliege und wie gr. toi auf ethisches *to „dir“ zurückgehe. Ähnlich hat auch Josephson (1997: 50 f.) =asta als deiktische Partikel gedeutet.92 Nach Josephson (1972: 419) und anderen ist die Partikel hingegen durch Metanalyse aus Verbindungen wie mit dem erwähnten Pronomen =as und einer Partikel *=ta, die etymologisch zu luw. =tta, lyk. =te (⇒4.1.3) zu stellen ist, hervorgegangen. Auch wenn =tta funktional heth. =kkan und nicht =asta entspricht, ist diese Erklärung denkbar, denn schließlich sind =kkan und =asta auch im Hethitischen funktional zusammengefallen, unter der Form =kkan, womit nicht auszuschließen ist, dass eine ähnliche Entwicklung im Urluwischen zur Verallgemeinerung der Partikel *=to geführt hat.
90 Vgl. die Behandlung der Ablativ-Endung (⇒4.1.1.2) oder die Verallgemeinerung unlenierter Verbalendungen. 91 S. Kap. 2.3.3. Andere Auffassungen scheinen wenig wahrscheinlich, so sei sie direktional in den ältesten Texten (Josephson 1997), nach Boley (2009) war die Grundbedeutung von =asta ‚her‘, nicht separativ. 92 Dazu gehöre lat. iste ‚der (bei dir)‘, das erst sekundär dekliniert sei, sowie keltiber. iśTe in der Inschrift von Botorrita. Grundlage sei ein pronominales Element in Verbindung mit einer Partikel *-te, was lautlich nicht möglich ist, vgl. den Schwund von *ĕ# in zīk ‚du‘ < *tih1=g̍e, takku ‚wenn‘ < *to=kwe. Wenn =asta schon auf eine Partikelverbindung zurückgehen sollte, dann m. E. eher auf das im Gen.-Abl. enthaltene *os und direktivisches *do, also „von – nach“, was zur ursprünglichen Funktion passen würde.
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Zur Überprüfung dieser Hypothese muss die Ursprungsform von =asta, das bekanntlich ein Allomorph =sta zeigt (zu den Bedingungen s. ausführlich Kap. 2.3.3), festgestellt werden. Hier ist =asta leichter durch Anaptyxe aus =sta erklärbar als =sta durch Apokope aus =asta, gerade die Formen mit enklitischem Personale der dritten Person Singular ermöglichen eine leichte Metanalyse =a(s/n/t)=sta → =asta.93 Die Form =sta wiederum kann auf jede Form *=sTV zurückgehen, wobei für V bis auf *ĕ und *u alle Vokale in Frage kommen. s kann in der Tat parasitisch aus Formen auf °s (=as, Nom. des Substantivs, Abl./Refl. -z) stammen, wodurch die Verbindung mit luw. =tta möglich ist, welches selbst etymologisch unklar ist.94 Es fällt auf, dass die einzige diskutable Etymologie für =asta anders als für alle anderen Ortsbezugspartikeln kein ursprüngliches Lokaladverb voraussetzt, 95 eine befriedigende Lösung bleibt also noch auszuarbeiten. 4.1.3.4 =ssan Wie für die anderen Ortsbezugspartikeln wurden auch für =ssan96, das Oberflächenkontakt ausdrückt (‚an, auf‘, übertragen ‚für‘), aufgrund der nicht oder falsch verstandenen Funktion die verschiedensten Etymologien vorgeschlagen, die entsprechend oft nur die Ausdrucksseite berücksichtigen. So sei die Partikel ein erstarrtes Pronomen im Akkusativ Singular *som ‚diesen, ihn‘ (s. HEG II: 806), oder eine Verbindung deiktischer Partikeln, z. B. aus * se ‚mit‘ (vgl. die lyk. Konjunktion se) und anaphorischem *ne (Bader 1988: 64–67), was wenig Aussagewert hat. Der offensichtliche Wert „auf“ und die darauf basierende Annahme, Vertikalität sei die Grundfunktion von =ssan, hat zu einer Anknüpfung an das Place Word ser ‚oben‘ (⇒2.4.1.2) geführt (so z. B. HEG II: 805, nach H. Pedersen), die Partikel sei ein in der Enklise verschliffenes *=saran. Es hat sich allerdings gezeigt, dass =ssan und ser keine besondere Verbindung zueinander haben, und die Form *=saran ist weder in Bezug auf die Wortbildung (eher *=ser-em) noch auf die nicht-lautgesetzliche Entwicklung plausibel.97 Lautlich und semantisch einwandfrei ist hingegen die Rückführung auf einen endungslosen Lokativ *som „in einem/in eins“ zu uridg. *sem- ‚eins‘ (s. Dunkel 1982: 57, Luraghi 2001: 47), das in ai. sám ‚zusammen‘, gr. sùn ‚mit‘ u. a.98 gut belegt ist und vielleicht auch in 93 Das einzige starke Argument für ursprüngliches =asta ist die Verbindung mit der Partikel der zitierten Rede, die =war=asta, nicht *=wa=sta lautet. Hier ist aber denkbar, dass die komplementäre Verteilung =war=V – =wa=C/# erst später als die Anaptyxe bei =asta eingeführt und so ehemaliges *=war=sta zu =war=asta normalisiert wurde. 94 Es könnte sich um die orthotone Form des in der Ablativ-Endung enthaltenen *-t handeln. Die Verbindung ist keineswegs zwingend. 95 Semantisch kompatibel wäre *(h1)eg̍hs ‚aus‘ (s. Mallory/Adams 1997: 411), von dem aber nicht mehr als s übrig geblieben wäre, was natürlich nicht zu beweisen ist. 96 S. Kap. 2.3.4. Zur Etymologie vgl. CHD (Š: 155), HEG (II: 803–806), Kloekhorst (2008: 718). 97 Ein endungsloser Lokativ *sen eines Heteroklitikons *ser/n- (Luraghi 2001: 48) kommt wegen der direktivischen Bildung srā mit altem Ablaut nicht in Frage. Eine lautliche Verbindung mit kluw. =tar gleicher Funktion (s. o. 4.1.3) ist gänzlich ausgeschlossen. 98 Nach Dunkel (2007: 54, Fn. 9) hingegen stammt gr. sùn nicht aus *sóm, sondern einer Variante *súm, die auch in bsl. *suN, ai. sum-át ‚zusammen‘ und heth. sumumahh-i ‚vereinigen?‘ vorliegen kann. Die ursprüngliche Etymologie bleibt attraktiver.
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heth. saniya- ‚ein und derselbe‘ (wenn aus < *sm̥-ó-99) enthalten sein dürfte. Ein solches Etymon, das in raumbezogener Lesart die Überschneidung von Lokatum und Relatum ausdrückt, würde nahelegen, dass =ssan jede Form von Kontakt, also auch Inklusion ausdrücken sollte. Dies wurde in Kap. 2.3.4 (S. 124, Fn. 213) aufgrund eines entsprechenden Belegs auch erwogen; dass die Partikel in anaphorischer Verwendung aber stets ‚darauf/daran‘, nie ‚darin‘ bedeutet, spricht aber dafür, dass es im Hethitischen zu einer Einengung auf Oberflächenkontakt gekommen ist. Generell ist die funktionale und syntaktische Entwicklung von *som zu =ssan erst einzelsprachlich erfolgt.100 Die Rückführung auf einen Lokativ, der bekanntlich sowohl ORT als auch ZIEL ausdrücken kann, erklärt auch, warum =ssan keine ablativische Lesart („von der Oberfläche weg“) kennt. Offenbar hat die Partikel ihre adverbielle Bedeutung bis zuletzt bewahrt und wurde nicht zu einer ganz allgemeinen Markierung „Beteiligung der Oberfläche“, denn sonst müssten sich auch ablativische Konstellationen finden, wofür vielmehr =kkan steht.101 Vielleicht findet sich eine solche Verwendung aber im funktional verwandten =tar des Keilschriftluwischen, wenn der Beleg zanta=wa=tar miltan=za kisamman āsdu (KUB 35.88 III 14' f.; jS) als „»Das m. (etwas Schlechtes) soll davon heruntergekämmt sein.«“ zu verstehen ist, wobei sich =tar aber auch auf die vorher genannten Kämme beziehen kann, an denen das m. hängenbleiben soll. 4.1.3.5 =kkan Mehr noch als beim eben beschriebenen =ssan finden sich für die Ortsbezugspartikel =kkan konkurrierende Etymologien, die bei Tischler (HEG I: 475–478) und Puhvel (HED IV: 39– 41) ausführlich referiert werden (vgl. auch Kloekhorst 2008: 432 f.). Von einigen (Josephson 1976: 171–173, Dunkel 1990a: 113–122) wurde =kkan als aspektuelles und/oder aktionales Element gesehen und entsprechend als *kem ‚insgesamt, vollständig‘ mit dem modalen gr. ken, dem emphatischen ai. kam und dem perfektiven und resultativen got. ga- verglichen; besonders hervorgehoben wird dabei die Folge *nu kem im Hethitischen, Griechischen und Altindoarischen. Es handelt sich hierbei allerdings um eine allein auf den Anklang gegründete Etymologie. Nach Carruba (1969: 19, 38) u. a. stammt = kkan aus 99 Das Adjektiv, das nur in wenigen festen Wendungen im Dat.-Lok. Sg. erscheint, wird bisher als sani- angesetzt, tatsächlich belegt ist aber in alten Texten nur die Schreibung saniya, der auch zu einem themat. Stamm gehören kann, während die jungheth. Belege sanī und sanie auf einem Missverständnis als i-Stamm beruhen könnten, sofern sie überhaupt sprachwirklich sind (vielleicht eher ša-ni-y‹a› und ša-ni-yax). Es ist allerdings unklar, ob sich *sm̥-ó zu einem /səna/ entwickeln würde, das bisherige *se/om+i > sani- ist aber sicher unmöglich (s. Kloekhorst 2008: 722 f.). 100 Nach Josephson (2010: 184) ist ai. sám hingegen wie =ssan allativ. und adessiv. und damit näher verwandt. Tatsächlich kennt sám nach der Funktionsbestimmung von Schneider (im Druck) nur mit intransitiven Bewegungsverben und Transportverben eine lokale, allativ. Bedeutung. Es drückt aber keine Adessivität aus, sondern vielmehr Parallelität von Handlungen, z. B. in yátra bāṇāḥ sampátanti kumārā viśikhā iva „Wo Pfeile zusammen/gemeinsam fliegen wie kahlköpfige Jünglinge“ (ṚV 6,75,17ab). 101 Die Ablativität in →2.3.4-d: KBo 3.21 II 17 f. wird durch arha ausgedrückt, der Beleg zeigt aber in jedem Fall einen Schritt weiterer Desemantisierung.
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in Enklise verschliffenem kattan ‚bei, mit‘.102 Mit oder ohne den „Umweg“ über kattan wurde =kkan, als unbestimmte Lokalangabe verstanden, mit lat. cum ‚mit‘, umbr. =ku ‚bei‘ usw. verglichen (Kronasser 1966: 353 f.). Wieder andere Theorien sahen einen Bezug zum De monstrativum ka- usw. (s. die genannten Etymologica). Das allen bisherigen Ansätzen gemeinsame Problem war die unklare Bedeutung von =kkan im Althethitischen, weshalb sich die Erklärungen z. T. auf die spätere, eindeutig ge neuerte Funktion, einen lokalen Referenzpunkt der Handlung anzuzeigen, stützten. Wie in Kapitel 2.3.5 wahrscheinlich gemacht wurde, ist =kkan ursprünglich in Form und Bedeutung mit katta ‚herab‘ zu vergleichen,103 hat aber wie das semantisch entsprechende lat. de, besonders in präverbaler Verwendung, schon vorgeschichtlich eine gewisse Grammatikalisierung hin zu einer ablativischen und telischen Partikel durchlaufen. Die konkret-lokale Bedeutung „herab“ ist also als Grundlage für die etymologische Bewertung heranzuziehen. Wie in Kap. 4.1.4.2 für katta zu zeigen ist, muss für das Uranatolische ein Relator *k̍m̥to, der sowohl ‚bei, mit‘ als auch ‚herab‘ bedeutet, rekonstruiert werden, das sich mit gr. katà ‚herab, entlang‘, altkymr. cant ‚mit‘ u. a. vergleicht. Da =kkan lautgesetzlich nicht aus *k̍m̥to entstanden sein kann, können die Formen nur über eine Wurzeletymologie *k̍m̥, *k̍em oder *k̍om miteinander verbunden werden. Die letzte der Möglichkeiten führt direkt zum Vergleich mit lat. cum ‚mit‘104 und der umbrischen Postposition =ku ‚bei‘.105 Der Sprachvergleich zeigt also, wie z. T. schon früher erkannt wurde, zwei homonyme Bildungen, *k̍om und *k̍m̥to ‚herab; dabei‘, deren Verhältnis im Nachhinein nicht mehr zu bestimmen ist. Es könnte sich um einen Unterschied der Deutlichkeit wie *en – *n̥do oder in – innerhalb von handeln. Angesichts des vorurindogermanischen Lautgesetzes *R̥t# > *R̥#106 könnte *k̍om aber auch ein auslautendes *t, das in *k̍m̥t-o durch den Vokal geschützt war, verloren haben. Dieses *o kann durchaus mit *o ‚zu‘ verbunden werden, das Grundlage des hethitischen Direktivs ist (⇒4.1.1.1). Dass **k̍omt aber ‚unten; bei‘ (vgl. lat. sub, ⇒4.1.4.1 unter ūpp-zi) bedeutete, scheint aufgrund der dynamischen Bedeutung von =kkan wenig wahrscheinlich. Die beiden sehr verschiedenen Bedeutungen „herab“ und „bei, mit“, die einzelsprachlich entweder durch Neubildungen oder, mit Ausnahme des Hethitischen, durch Verallgemeinerungen von einer der beiden getrennt wurden, können auf verschiedene, letztlich nicht beweisbare Arten erklärt werden. Sturtevant (1927: 248) setzt eine Entwicklung wie in gr. katà rhóon „mit dem Strom/den Strom entlang“ → „flussabwärts“ an, man könnte aber auch die lokativische Komponente durch Verblassen der ablativischen („von bei“ → „bei“) erklären, womit sogar eine interne Rekonstruktion, nämlich *k̍om < deiktischem *k̍e(-) und Ablativ102 Dieser Ansatz ist schon deswegen unmöglich, weil komitatives kattan eine mittelheth. Neuerung für die ältere Postposition katta + Gen. ist (⇒4.1.4.2). 103 Ähnlich schon Pedersen (1938: 154–159), der heth. =kkan kuen- mit gr. katatheínō ‚erschlagen‘ vergleicht, aber bereits von der übertragenen Bedeutung ausgeht. 104 Für einen lokalen Sinn vgl. uiuit cum Balbo „Er lebte da, wo Balbus (lebt).“ Laut Delbrück (1893: 764) ist cum dennoch nicht ursprünglich lokal. 105 In slaw. *sъ ‚mit‘ kann *k̍om mit *som (⇒4.1.3.4) zusammengefallen sein. 106 Vgl. *dek̍m̥ ‚zehn‘ < **dek̍m̥t, vgl. das Ordinale *dek̍m̥t-o- und die Ableitung *h1k̍m̥tóm ‚hundert‘.
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Instrumental *-m (⇒4.1.1.4), möglich wäre. Vielleicht ist es aber gar nicht nötig, eine der Bedeutungen als ursprünglich anzunehmen, sondern es könnte sich um den nur noch im Anatolischen eindeutig greifbaren Rest einer noch nicht vollständigen Differenzierung bei den lokalen Relatoren handeln, die sich in einer typologisch festen Reihenfolge semantisch aufspalten (s. Levinson et al. 2003, ⇒3.1.1). Interessant ist in jedem Fall die parallele Bezeugung der etymologisch bzw. semantisch vergleichbaren Verbindungen kluw. =tta + ānta (⇒4.1.3) und altlat. (Plautus) in … co(m)-107 für den Ausdruck des Illativs, in denen die Ortsbezugspartikel nur noch wenig Eigenbedeutung hat. Gegen eine ererbte Verbindung und für eine parallele Neuerung – wobei Hethitisch und Luwisch freilich in Kontakt gestanden haben können – spricht dabei zwar der althethitische Befund (⇒2.3.5), wo sich nur einmal =kkan neben anda anstelle von =an findet, aufgrund der insgesamt geringen Belegdichte kann dies aber auch Zufall sein, womit die Frage offen bleiben muss. Einen interessanten, wenn auch sehr spekulativen Ansatz für die weitere Vorgeschichte von *k̍om(t) bietet Sturtevant (1927: 247 f.), der katta, =kkan und ihre Verwandten sowie **dek̍m̥t ‚zehn‘ u. a. Zahlangaben auf ein altes Substantiv * k̍omt- ‚Hand, Seite‘ zurückführt, das im Germanischen noch erhalten ist (got. handus). Da eine Entwicklung SIDE > NEAR typologisch gut belegt ist (s. Heine/Kuteva 2002: 272 f.), wurde dieser Ansatz bisher vielleicht zu Unrecht missachtet.
4.1.4 Selbständige Wörter Unter diesem Punkt werden im Folgenden zum Abschluss der Ausdrucksseite als mit Abstand größte Gruppe alle orthotonen lexikalischen Einheiten mit Raumbezug behandelt, geordnet nach Wortart. In Kapitel 4.1.4.1 werden dabei die Verben mit den deiktischen Präfixen pe‚hin‘ und u- ‚her‘ nicht wiederholt, da sie bereits in Kapitel 2.2.2.1 und 4.1.2 besprochen wurden. Die große Anzahl lokaler Relatoren, Postpositionen und Adverbien wurde in die multifunktionellen Place Words (4.1.4.2) und sonstige Adverbien (4.1.4.3) aufgeteilt, wobei Ableitungen von diesen Ausdrucksmitteln mit diesen besprochen werden. Unter Punkt 4.1.4.4 schließlich werden pronominale (Demonstrativa), adjektivische u. ä. eher marginale Aus drücke dargestellt. 4.1.4.1 Verben Neben den bereits andernorts behandelten, hochfrequenten deiktischen Bewegungs- und Transportverben sind im Raumlexikon des Hethitischen die vier Positionsverben „liegen“, „sitzen“, „sein“ und „stehen“ (⇒3.1.4) von Bedeutung. Einige weitere, weniger häufig auf107 S. Haug (2007), der zeigt, dass komitatives co(m)- erst in klassischer Zeit (wohl unter Einfluss von cum ‚mit‘) sicher anzusetzen ist. Allerdings sollte man nicht die Möglichkeit ausschließen, dass hier zwei Partikeln zusammen gefallen sind, von denen eine deiktisch-direktivisches *k̍o war (s. Dunkel 2004: 292–294).
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tretende Verben wurden in Kapitel 2.6 kurz vorgestellt und werden hier im Anschluss etymologisiert.108 • Das unspezifische Positionsverb es-/as-zi ‚sich befinden, sein‘109 geht direkt auf das urindogermanische Existenzverb *h1es- ‚(da)sein‘ (LIV: 241 f.) zurück. Der Ablaut der schwachen Formen ist analogisch geneuert (/as/ oder /əs/ für †s < *h1s-). • Teilweise homonym mit dem vorgenannten ist es-a(ri) bzw. es-/as-zi ‚sich setzen, sitzen‘,110 das auf eine Stativwurzel *h1eh1s- ‚sitzen‘ (LIV: 232) zurückgeführt wird. Diese gilt wiederum als Reduplikation von *h1es-, das nach Kloekhorst (2008: 254) im althethitischen Aktiv noch vorliegt. Ein Problem hierbei ist, dass das Verb außerhalb von heth. as- nur dehnstufig (< *eh1 oder *ē) belegt ist und sich in hluw. isnu- ‚ansiedeln‘ eine Form zeigt, für die man eine Schwundstufe erwartet. Daher ist es wahrscheinlich, dass die Wortsippe eine dehnstufige Bildung *(h1)ēs-/(h1)es- fortsetzt (s. Oettinger 2004: 490–494), wodurch man lediglich die schwundstufigen hethitischen Aktivformen als analogische Neuerung (z. B. nach es-/as-zi) ansehen müsste.111 • ki-tta(ri) ‚liegen, gelegt sein‘112 setzt die indogermanische Wurzel *k̍e- ‚liegen‘ (LIV: 320) fort. Im Hethitischen wurde die Stativ-Endung *-or, die im Luwischen erhalten ist (kluw. zīyari, lyk. sijẽni „liegt“) durch produktives -tta(ri) ersetzt, ebenso in pal. kīdar „liegt“. • Das letzte Positionsverb, ar-tta(ri) ‚stehen‘, muss zusammen mit dem nicht-deiktischen Bewegungsverb ā/ar-i ‚ankommen, erreichen, gelangen‘ und den Ableitungen arnu-zi ‚in Bewegung setzen, schaffen, bringen‘ und ar(a)i-i ‚sich erheben‘ behandelt werden. 113 Historisch hat man es hier mit zwei Wurzeln zu tun, *h1er- ‚wohin gelangen‘ (LIV: 238), das außer in ā/ar-i auch in gr. érkhomai ‚gehen, kommen‘, ai. ṛccháti „erreicht“ vorliegt, und *h3er- (LIV: 299–301), dessen Fortsetzer zwei verschiedene Bedeutungen zeigen: Gr. oréonto „setzten sich in Bewegung“, toch. B ertär „soll hervorrufen“ u. a. weisen auf ein ‚sich in Bewegung setzen‘ hin, gr. ō̃rto „erhob sich“ und die Sekundärwurzel *h3r-o- ‚sich erheben‘, die in ar(a)i-i und lat. orior 108 handae-zi ‚ordnen, fügen; anvertrauen‘ wurde bereits in Kap. 2.6.4.2. als Ableitung „gemäß machen“ zur Postposition handa ‚gemäß‘ (⇒2.5.3.1) bestimmt und muss hier nicht wiederholt werden. 109 S. HEG (I: 76 f., 109 f.), HED (I/II: 285–291), Kloekhorst (2008: 250–252) und HW2 (E: 93–97) für Etymologien und Belege. 110 Der Unterschied zwischen Fientiv ‚sich setzen‘ und Stativ ‚sitzen‘ wird in der älteren Sprache durch Mediopas siv vs. Aktiv ausgedrückt, in der jüngeren durch die Verbindung von =z mit dem Mediopassiv (Fientiv) oder dessen Fehlen (Stativ). Das Aussterben des Aktivs diente sicher auch der Vermeidung von Homonymie mit der Kopula. S. HEG (I: 77, 110 f.), HED (I/II: 291–300), Kloekhorst (2008: 252–252) und HW2 (E: 97–113) für Etymologien und Belege. 111 Hluw. as- kann den im Medium erwarteten schwachen Stamm fortsetzen, der auch in isnu- < *(h1)es-né- vorliegt, für das man aber auch verallgemeinertes *ē ansetzen kann (so Oettinger 2004: 490), aber nicht muss. 112 S. HEG (I: 568 f.), HED (IV: 169–173) und Kloekhorst (2008: 473–475) für Etymologien und Belege. 113 Für Etymologien und Belege s. HEG (I: 49), HED (I/II: 104–108), Kloekhorst (2008: 195 f., HW 2 A: 194–208) für ar-, HEG (I: 48 f.), HED (I/II: 108-111), Kloekhorst (2008: 196 f.), HW 2 (A: 208-219) für ār-, HEG (I: 64), HED (I/II: 162–167), Kloekhorst (2008: 208), HW2 (A: 328–336) für arnu-, sowie HEG (I: 52), HED (I/II: 123–127), Kloekhorst (2008: 200), HW2 (A: 244–246) für arai-.
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‚dss.‘ fortgesetzt ist, gehen auf ein ‚sich erheben‘ zurück. Semantisches Bindeglied ist die auch für gr. ō̃rto belegte Bedeutung ‚losstürzen‘, die 1. sich erheben und 2. sich in Bewegung setzen impliziert. Einzelsprachlich wurden die Teilbedeutungen z. T. verallgemeinert, so auch in heth. ar-tta(ri) ‚stehen‘ < „aufgestanden sein“. Durch den Vergleich mit gr. órnumi ‚in Bewegung setzen‘ kann auch arnu-zi auf die Wurzel *h3er- zurückgeführt werden, wenn es sich synchron aber auch als Ableitung von ā/ar-i motivieren ließe. • Nur in Kollokation mit der Sonne kommt ūpp-zi ‚aufgehen‘ vor.114 Dieses Verb wird als Deadverbial mit der etymologisch schwierigen Sippe eines urindogermanischen Relators verbunden, der nicht nur zwei verschiedene Formen, *up- und *sup- mit Ableitungen, sondern v. a. auch zwei gegensätzliche Bedeutungen, „über“ und „unter“ (und zusätzlich „bei“) zeigt, vgl. gr. hupó ‚unter‘, hupér ‚über‘, ai. úpa ‚bei, nach‘, upári ‚über‘, lat. sub ‚unter‘, super ‚über‘, toch. B spe ‚bei‘, got. uf ‚unter‘ (aber dt. auf), ufar ‚über‘ u. a. (s. Delbrück 1893: 692–699). Während sich „bei“ aus „unten/oben an“ ableiten lässt, 115 ist die ursprüngliche Orientierung schwer festzustellen, auch wenn die kontrastive Bildung *(s)upér(-i) durchgängig „über“ bedeutet. Die Wurzel liegt im Anatolischen vielleicht auch in dem Bergnamen Summiyara vor, den Oettinger (1999: 87) auf *sup-mo- zu lat. summus ‚höchster‘ zurückführt.116 Während das anscheinend funktionslose s mobile rätselhaft bleibt, könnten sich die gegensätzlichen Bedeutungen der Einzelsprachen gerade durch ūpp-zi erklären lassen. Wenn man sich den Himmel als eine Art Hülle über der Erde vorstellt, 117 bewegt sich die Sonne am Vormittag dorthin nach oben und befindet sich schließlich am Mittag im intrinsischen Referenzrahmen (⇒3.1.2.2) unter dem Himmel. ūpp-zi bedeutete also etwa ‚unten hinangehen‘. Von dieser Bewegung aus, die unter dem Himmel, aber aus Sicht des Menschen oben endet, sind die einzelsprachlichen Bedeutungen durch Verallgemeinerung jeweils einer der Komponenten verständlich. • watku-zi ‚entspringen, von etw. wegspringen‘ (anfangsterminativ oder momentativ), phonetisch /atkw-/,118 wurde wiederholt als Verbalkompositum *o-tkw- zur Wurzel *tekw- ‚laufen, fließen‘ (LIV: 620 f.) analysiert. Dazu passt der Vergleich mit kymr. godeb ‚Versteck‘ < *otekwo- (Oettinger 2006 [2008]: 434 f.), im Hethitischen könnte das Präverb * e/o- ‚weg‘ zudem in uwat(e)-zi ‚herbringen‘ (< *h2o + *o-dheh1-? ⇒4.1.2) und wet(e)-zi ‚bauen‘ (vgl. lyd. 114 < *ep-; vgl. zur etymologischen Diskussion HEG (IV: 67––69), Kloekhorst (2008: 920 f.), Dunkel (2007: 57). Eine nur in der jüngeren Sprache belegte Ableitung hierzu ist uppai-i ‚hochheben‘ (s. HEG IV: 76 f.). 115 Vgl. lat. sub Lanuvio „in der Gegend von Lanuvium“ (s. dazu Hackstein 1997: 39–42). 116 Mit formalem Einfluss des benachbarten Berges Hantiyara, s. o. zu =an (⇒4.1.3.1). 117 Dafür spricht auch, dass im Heth. die Götter nicht in, sondern auf dem Himmel wohnen, vgl. sēr=(m)a=ssan nepisi siunales weskanta „Oben auf dem Himmel schreiten die Göttlichen einher“ (KBo 10.24 III 13 f.; aH/jS; gegen CHD L-N: 451 nicht „in heaven“, da =ssan), nu=ssan srā [nepi]si DINGIR.MEŠ-mus istama⌈s⌉ser „Oben auf dem Himmel hörten (ihn) die Götter“ (KBo 26.65 IV 16 f.; jH), wobei jungheth. srā für ser steht (⇒2.4.1.2). 118 Vgl. watkutta „entsprang“ mit dem konsonantischen Allomorph -tta (statt -t); s. Kloekhorst (2008: 989 f.), Oettinger (2006 [2008]) für Etymologien und Belege.
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wic- ‚dss.‘, < *e-dheh1-?) vorliegen. Dies ist auf jeden Fall möglich, Oettingers weiterer Vergleich mit lat. au-, ai. áva usw. ‚von … weg/herab‘, heth. u- ist aber lautlich ausgeschlossen (*h2e-, ⇒4.1.2). • Das Verb āss-zi ‚bleiben‘119 schließlich ist etymologisch bisher nicht befriedigend gedeutet worden. Wegen des konstanten a-Vokalismus und ss kann es nach Kloekhorst (2008: 215) lautlich wohl nur auf *(H)eNs- zurückgehen, wofür aber gute Comparanda fehlen. Wenn der Relator *en ursprünglich nicht nur INTERIOR, sondern allgemein topologische Relationen bezeichnete (⇒4.1.3.1), könnte man āss- als deadverbiales Desiderativ *en-s- ‚da(bei) sein wollen‘ verstehen. Der etymologisch gegebene räumliche Bezug könnte ein Grund dafür sein, dass āss- stets mit der Ortsbezugspartikel =kkan auftritt, also eher ‚(irgendwo) bleiben‘ als ‚übrigbleiben‘ bedeutet. 4.1.4.2 Place Words In Kapitel 2.4 wurde die wichtige Klasse der sog. Place Words 120 eingeführt. Dieser Sammelbegriff umfasst multifunktionelle Lokaladverbien und die Wortart der Relatoren, d. h. ortho toner Synsemantika, die bis zu vier verschiedene syntaktische Funktionen erfüllen können: Adposition, Proadverbial (Pronominaladverb), Präverb und relationales Adverb. Während die Place Words im Althethitischen häufig noch optional waren, bilden sie ab der mittelhethitischen Zeit den Kern der Raumgrammatik. Die Place Words wurden nicht nur im Rahmen des Hethitischen und Anatolischen umfangreich untersucht (⇒1.3.2), sondern sind auch ein Element der seit über hundert Jahren geführten Diskussion über die Entstehung der Adpositionen in den indogermanischen Sprachen. Die Entwicklungsgeschichte der hethitischen Place Words ist sehr komplex und wirft viele Fragen auf. Gemäß der übergeordneten Gliederung werden in diesem Kapitel die formalen Aspekte dieser Wortgruppe und die einzelnen Wörter selbst besprochen, während ihre Entstehung als Klasse im syntaktischen Zusammenhang in Kapitel 4.2.2 genauer besprochen wird. Kurz zusammengefasst, werden die Place Words in dieser Arbeit als eine ursprünglich heterogene Gruppe aufgefasst, bestehend aus Relatoren, die aus vorurindogermanischen relationalen Substantiven entstanden sind, und von solchen abgeleiteten Lokaladverbien. Während ihr Formeninventar schon vorgeschichtlich weitgehend regularisiert wurde, blieb ihre syntaktische Trennung bis in althethitische Zeit erhalten und war erst in der jüngeren Sprache vereinheitlicht. Ein ähnlicher Entwicklungsstand ist für das Späturindogermanische anzuneh-
119 Vgl. HEG (I: 75 f.), HED (I/II: 187–189), Kloekhorst (2008: 214 f.), HW2 (A: 366–369) für Etymologien und Belege. 120 Andere Termini sind, wie schon erwähnt, „Lokaladverb“ oder „Lokalpartikel“. Während ersterer bereits eine (unzulängliche) Analyse impliziert, ist letzterer im Heth. wegen der Verwechslungsgefahr mit den Ortsbezugsparti keln zu vermeiden. Friedrich (1987: 132) u. a. verwenden den Sammelbegriff „adpreps“ für Adverbien und Adposi tionen.
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men, in dessen Nachfolgesprachen keine Spuren der alten Genetiv-Rektion der Relatoren zu finden sind. Als Grundlage für die Bewertung möglicher formaler Entwicklungslinien sind dabei zunächst einige Ausführungen allgemeiner Art zur Grammatikalisierung lokaler Relatoren (v. a. Adpositionen) und Adverbien notwendig. Es muss beachtet werden, dass der Zyklus der ständigen Erneuerung sprachlicher Ausdrucksmittel hier besonders schnell immer wieder durchlaufen wird, denn als hochfrequente Lexeme mit geringem Wortkörper sind Adpositionen natürlich besonders vom Schwund bedroht. Entsprechend kann man z. B. in den modernen in dogermanischen Sprachen bei den Präpositionen viele Recharakterisierungen bzw. Verstärkungen beobachten, oft durch gegenseitige Kombination.121 Die hauptsächlichen Grammatikalisierungskanäle von Adpositionen wurden bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel genannt, Weiteres findet sich in Kapitel 4.2.2. Die einzigen sicheren Quellen von Relatoren sind nach Svorou (1994: 101 f.) Substantive und Verben, 122 nach Wackernagel (1928: 164 f.) können Präpositionen vereinzelt aber auch aus Subjunktionen in elliptischen Gliedsätzen entstehen, z. B. gr. prín ‚bevor‘ → ‚vor‘. Die substantivischen Quellen sind in drei oder vier Klassen einzuteilen, die Form und Bedeutung der daraus entstehenden Raumgrammeme beeinflussen (s. Svorou 1994: 70). Dies sind Körperteilbezeichnungen, Umgebungsmarken (z. B. Himmel, Fluss), relationale Objektteile (z. B. Vorderseite, Mitte), die Regionen bezeichnen und nicht individuell separierbar sind (wie Tischbein oder Klinke; 83), sowie möglicherweise abstrakte Raumbegriffe (z. B. Nähe, Richtung). Bei letzteren ist nicht klar, ob sie nicht vielleicht nur ein Zwischenschritt aus einer der vorherigen Klassen sind, bisweilen kann ein polysemes Substantiv mehreren dieser Klassen angehören (Svorou 1994: 84–86). Bei den Raumgrammemen aus Körperteilbezeichnungen ist zu beachten, dass es durch die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Ausdrücke (z. B. für mehrere Körperteile, die oben liegen) und die Wahl zwischen dem verbreiteten anthropomorphischen Modell (Kopf = „oben“, Rücken = „hinten“) und dem seltenen, aber ergänzend existierenden zoomorphischen Modell (Kopf = „vorne“, Rücken = „oben“) verschiedene Entwicklungswege und daher keine 1:1-Zuordnung zwischen bestimmten Körperteilen und Raumkonzepten gibt (Svorou 1994: 73–75).123
121 S. Lehmann (1995: 96 f.). Z. B. frz. dans ‚in‘ < lat. de + intus, avant ‚vor‘ < ab + ante. 122 Zu den Grammatikalisierungskanälen deverbaler Adpositionen s. König/Kortmann (1991: 113–119), Svorou (1994: 109–111) und Kahr (1975: 33–41). Deverbale Relatoren werden hier nicht weiter besprochen, da es zwar rein formal die Möglichkeit gäbe, z. B. * pro ‚voran‘ als Wurzelstativ *pr-ó „überquert“ zur Wurzel *per- (s. u.) zu deuten, sich syntaktisch aber keinerlei Indizien für eine verbale Herkunft uridg. Adpositionen finden lassen, besonders wenn man im Kontrast z. B. grammatikalisierte Serialverbkonstruktionen im Nànáfwê (s. Bohoussou/Skopeteas 2008: 92 – 100) betrachtet (vgl. allgemein auch Hagège 2010: 151–162). 123 Wie bereits oben erwähnt, ist die Grundlage der Benennung die relative Lage des Körperteils zum Restkörper bei kanonischer Orientierung.
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Was die Entwicklung der Place Words im Hethitischen betrifft, 124 fallen einige Abweichungen besonders der alten Sprache von den anderen altindogermanischen Sprachen, aber auch den anatolischen Schwestersprachen auf. Dies betrifft zum Einen das System der sog. korrespondieren Place Words (⇒2.4.1), wo sich je fünf statische Relatoren und dynamische Lokaladverbien formal entsprechen (vgl. die folgende Tabelle), zum Anderen die Syntax der Relatoren, die postpositionale Verwendung mit regiertem Genetiv oder mit enklitischen Possessiva auf der einen und adverbiale Verwendung auf der anderen Seite unterscheidet, wobei diese Adverbien optional spezifizierend neben lokalen Kasus auftreten können (⇒2.4). andan ‚in, (dr)innen‘
anda ‚einwärts, hinein‘
ser ‚über, oben‘
srā ‚aufwärts, hoch zu‘
kattan ‚unter, unten‘
katta ‚abwärts, herab‘
āppan ‚hinter, hinten‘
āppa ‚rückwärts, zurück‘
peran ‚vor, vorne‘
prā ‚vorwärts, voran; hinaus‘
Tab. 4.1.4.2-1 | System der korrespondierenden Place Words im Althethitischen
Die anderen Place Words verbinden die Gebrauchsweisen in einer einzigen Form. Das System der korrespondierenden Place Words ist bis auf Detailabweichungen so uniform, dass man gerade im Vergleich mit dem heterogenen System des Luwischen (s. u.) sicher von einer sekundären Vereinheitlichung ausgehen kann (so auch Melchert 2009a: 613 f., Boley 1985b: 239 f., Zeilfelder 2001: 124–130). Dabei gilt das ererbte Paar andan (vgl. gr. éndon) – anda (vgl. lat. endo; s. u.) vielen als Vorbild für die Verallgemeinerung der Endungen - an und -a. Gerade andan weicht aber von den anderen statischen Place Words dahingehend ab, dass es weder einen Genetiv regiert, noch mit enklitischen Possessiva auftritt, sondern stets neben dem Dativ-Lokativ. Da die anderen Place Words nicht in der Syntax nach andan – anda modelliert sein können, ist eine bessere Analogie für die Endungen -an und -a wünschenswert. Ein Blick in das Luwische zeigt, dass diese Endungen tatsächlich schon uranatolisch verbreitet waren (vgl. auch lyk. epñ ‚hinter‘ und vielleicht ẽnẽ ‚unter‘), vgl. die umseitig folgende Übersicht. Die Tabelle suggeriert dabei zwar mehr Regelmäßigkeit, als tatsächlich bestand, denn im Luwischen wurde keine so konsequente Trennung zwischen dynamischen und statischen Ausdrücken eingehalten wie im Althethitischen, doch zeigt sie, dass die formalen Neuerungen im Hethitischen selbst eher gering waren. Das im Luwischen nicht fortgesetzte heth. prā ist zudem ererbt (*pro, s. u.), so dass hier lediglich einige Nebenformen beseitigt und die sta -
124 S. Francia (2002: 10–18) für einen Abriss der Forschungsgeschichte.
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tischen bzw. dynamischen Gebrauchsweisen stärker getrennt wurden, 125 während der Ursprung der Reihen zumindest im Ansatz auf das Uranatolische zurückgeführt werden muss. andan126 (/anta/) ‚in, (dr)innen‘
ānta (/anta, antan/)‚einwärts, hinein‘
sarri ‚über, oben‘
sarra ‚aufwärts, auf‘
ānnan ‚unter, unten‘
zanta ‚abwärts, herab‘
āppan (/apani/) ‚hinter, hinten‘
āppa (/api/) ‚rückwärts, zurück‘
parran (/parani/) ‚vor, vorne‘
prī ‚vorwärts, voran; hinaus‘
Tab. 4.1.4.2-2 | Entsprechungen der hethitischen Place Words aus Tab. 4.1.4.2-1 im Keilschrift-Luwischen (hieroglyphen-luwische Nebenformen in Klammern)
Die Endung -a der dynamischen Reihe ist funktional und formal mit der des Direktivs vergleichbar (s. Starke 1977: 149 f.127) und geht somit letztlich auf idg. *o ‚zu, bei‘ zurück (⇒4.1.1.1), worüber Einigkeit herrscht, ebenso wie über die Herleitungen der Sandhi-Formen katti= ‚bei, mit‘ und istarni= ‚inmitten, zwischen‘, die sich mit Possessiva im Dativ-Lokativ Singular verbinden, aus Lokativen. Umstritten ist hingegen der Ursprung der Endung -an und der Charakter der statischen Reihe. Für eine nominale Herkunft sprechen die althethitische Genetiv-Rektion und die enklitischen Possessiva mit der Endung -i/et, die ja gerade bei dem unstreitigen grundsprachlichen Adverb andan fehlen. Starke (1977: 167) deutet die Formen auf -an daher als Akkusative (Sg. n.) des Bezugs, Neu (1974: 67–69) als ehemalige Akkusative der Richtung. Melchert (1984b: 122–125) stellt dem zu Recht die Beobachtung entgegen, dass die enklitischen Possessiva im Nominativ-Akkusativ Singular neutrum stets auf -et enden, sich bei den Place Words āppan und peran (zu den anderen s. gleich) hingegen die Endung -it des Ablativ-Instrumentals siebenmal findet, während die neun Belegen für -et nach Place Words aus einem einzigen Text (KBo 17.1+, CTH 416) stammen. Dies spricht dafür, dass -it bei āppan und peran heimisch war und wegen der formalen Ähnlichkeit der Endung -an mit einem Nominativ-Akkusativ Singular neutrum erst im Althethitischen zu -et umgebildet wurde. Melchert deutet -an als verstärkendes lokativisches *-en an ursprünglichen Adpositionen, die sich zunächst mit enklitischen Personalpronomen verbunden haben, also z. B. *per(+en)=ssi ‚vor ihm‘. Diese Formen wurden, da sie inkongruent waren und wie ein Neutrum aussahen, „mechanically“ (125) um -t erweitert. Erst dann sei eine Reinterpretation zum possessiven Ausdruck erfolgt, was zum „korrekten“ Vokalismus -e- und der Verbindung mit 125 Die Vereinheitlichung unterblieb gerade bei ser, wo sich auch in den anderen anat. Sprachen keine Form auf -an findet, was kaum ein Zufall sein kann. 126 Die Form ist nur einmal belegt, gewöhnlich steht anda für beides, wie im Mittel- und Jungheth. Im Hluw. wurde ein dynamisches antan ‚hinein‘ analogisch neu geschaffen, s. u. 127 Die Behauptung Starkes, die dir. Adverbien seien wie die anderen PW Substantive mit starren Kasus, die sich auch syntaktisch nicht von anderen Dir. unterschieden, ist schlichtweg falsch. Anders als ein Substantiv im Dir. kön nen die dynamischen PW keine Possessiva oder ein Gen.-Attribut annehmen.
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Genetiven (z. B. ammel āppan „nach mir“) geführt habe. Melchert (2009a: 614–616) zieht diese unglaubwürdige128 Interpretation zu Recht zurück, stattdessen hält er -it für einen ursprünglichen Ablativ-Instrumental, der wie die Genetiv-Rektion überhaupt von den sekundären Adpositionen wie tapusz ‚seitlich‘ (Abl.) übernommen worden sei (s. dagegen Kap. 4.2.2.1). Die wenigen „unechten“ Adpositionen des Hethitischen (⇒4.1.4.3) dürften als Vorbild allerdings kaum ausgereicht haben, zudem sind sie gerade nicht mit enklitischen Possessiva belegt. Das endungslose ser ‚über‘ zeigt immer -et und als einziges Place Word eine Split-Genitive-Konstruktion (s. Melchert 2009a: 614 f.), das wohl einzelsprachlich gebildete, nur im Hethitischen sicher belegte kattan ‚unter‘ kommt gar nicht mit Enklitika vor. Da ser auf einen Lokativ zurückgehen dürfte (s. u.), ist - et auch hier geneuert (für -i); es wurde aufgrund der Analogie zu neutralen Substantiven wie *ker ‚Herz‘, *per ‚Haus‘ aber schon früher eingeführt als bei den anderen Place Words. Die Endung -an geht also, wie man festhalten kann, weder auf einen Akkusativ, noch auf einen Lokativ zurück, sondern scheint in Verbindung mit einem Ablativ-Instrumental zu stehen. Wie lyk. epñ = heth. āppan zeigt, kann -an weder auf *-oN (lyk. -ẽ), noch auf *-aN (lyk. -ã) zurückgeführt werden, womit noch *-en oder *-em möglich sind.129 Keinen Aussagewert hat wohl die luwischen Sandhi-Schreibung mit -m° in priyam=sa (→4.1.3-3c), da -an in priyan an eine komplette Wortform statt an einen Stamm tritt und daher anderer Herkunft sein dürfte.130 Da der adverbielle Ablativ-Instrumental auf *-m131 im Uranatolischen produktiv war (vgl. Goedegebuure 2007b), liegt es nahe, -an als *-e-m zu rekonstruieren und als Ablativ der Orientierung (⇒2.1.2.3) zu verstehen, also *per-em „auf der Vorderseite“, *op-em „auf der Rückseite“. Der langsame Übergang der Possessiva von -it zu „regulärem“ -et, der zuerst analogisch bei ser erfolgte (ebenso ketkar, ⇒4.1.4.3), lässt sich dann auch bei den Place Words auf -an verstehen, da der adverbielle Ablativ-Instrumental im Hethitischen als Bildemittel verloren gegangen war. Das Uranatolische hatte also die Möglichkeit, Relatoren mit nominaler Rektion mittels einer Endung *-em abzuleiten, während von denselben Stämmen Richtungsadverbien 132 mit der Endung *-o gebildet werden konnten. Auch wenn die Place Words auf -an sich nicht als 128 Neben dem völligen Fehlen der angenommenen Ausgangsformen auf =ssi, die als Lokativ inhaltlich besser motiviert wären als die tatsächlich belegten Formen, ist besonders zu beachten, dass anders als bei =ssi – =ssit bei den anderen Personen deutlichere formale Unterschiede zwischen dem Dat.-Lok. Sg. des Personale und dem Abl.-Instr. des Possessivums vorliegen (z. B. =mu – =mit, =tta – =ttit). 129 Problematisch ist dann lyk. ẽnẽ, luw. ānnan ‚unten‘, das dann regulär weder auf *en-em noch auf ein Āmreḍita *en-en zurückgehen kann (vgl. epñ < *opem). Vielleicht handelt es sich um ein *en-om mit verstärkender Partikel wie in *pri-om (vgl. die folgende Fn.) oder eine Sonderentwicklung des Nasals im Auslaut aufgrund des vorhergehenden n. 130 Vielleicht handelt es sich um eine verstärkende Partikel. Die Akkusativ-Rektion in =sa ist wohl zur Herstellung formaler Kongruenz eingeführt worden, sofern es sich nicht doch um einen ursprünglichen Akk. handelt (s. u.). 131 Mit den Nebenformen *-i-m, *-eh2-m, s. Dunkel (1997) und die Kapitel 4.1.1.2 und 4.1.1.4. 132 Zumindest die neu gebildeten dynamischen PW dienen ursprünglich nicht der Beschreibung der Relation von Lokatum und Relatum, sondern bezeichnen die Bewegungsrichtung der Handlung. Erst später können sie z. T. auch Lokatum-Relatum-Beziehungen ausdrücken, z. B. jungheth. =kkan srā ‚auf‘ (s. Boley 2000: 124).
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Ganzes in anderen Sprachen wiederfinden und daher formal geneuert sein könnten, so lässt sich das Bildemuster weder morphologisch, wie eben gezeigt wurde, 133 noch syntaktisch (⇒4.2.2.1) als junge Analogie erklären, weshalb es sich um einen Archaismus handeln muss. Diese Formen standen neben ererbten Relatoren mit teils anderen (*k̍m̥ti, *opi), teils identischen Endungen (*pro, *opo), die, wie einige Restformen zeigen, 134 statische und dynamische Gebrauchsweisen zugleich aufwiesen. Die große Neuerung des Hethitischen bestand darin, die zwei Muster bei den fünf wichtigsten Relationen zu verallgemeinern und hier Nebenformen zu beseitigen (so auch Boley 1985b). In kleinen Einzelartikeln folgen nun die Place Words. Auf den Hauptbeleg (in Fettdruck) folgen dabei unter Punkt A 1. verwandte Formen und Ableitungen im Hethitischen, 2. anklingende135 Bildungen in den anderen anatolischen Sprachen und 3. anklingende Bildungen in anderen indogermanischen Sprachen. Unter Punkt B wird die relevante etymologische Literatur, die weitere Verweise und z. T. Belegstellen enthält, übersichtlich angegeben, Posi tionen zu Details werden hingegen in der Hauptdiskussion in Teil C dargestellt. Punkt D gibt schließlich als Zusammenfassung die in dieser Arbeit angenommene Etymologie des Stichwortes wieder. andan ‚innen, drinnen‘ – anda ‚hin-/herein, einwärts, dazu; innen‘ (⇒2.4.1.1) A: 1. jungheth. andan ‚hinein‘; vgl. =an (⇒4.1.3.1), andurz (⇒4.1.4.3) 2. Kluw. ānta, hluw. anta, lyk. ñte, lyd. da- ‚in(nen), hinein‘, hluw. antan, lyd. (-)dãv ‚hinein‘,136 hluw. antatili- ‚innerer‘ 3. gr. éndon ‚innen‘, lat. endo ‚hinein‘, air. and ‚darin‘; zu *en ‚in‘ (und ‚unten‘?) vgl. =an B: HW2 (A: 107), HEG (I: 33 f.), HED (I/II: 76 f.), Kloekhorst (2008: 185), Melchert (1993: 18), Neumann (2007: 85 f., 246 f., 249 f.), Yakubovich (2005) C: Die Identität von hethitisch anda und (altheth.) andan137 mit ihren Vergleichsformen steht außer Zweifel. Dieses für das Uranatolische anzusetzende funktionelle Paar dürfte einen ge wissen formalen Einfluss auf die Entstehung der korrespondierenden Place Words im Hethitischen gehabt haben (s. o.). Diskutiert werden müssen noch zwei Details der Rekonstruktion und die lautliche Entwicklung in den luwischen („luwic“) Sprachen. Während gewöhnlich dynamisches *(h1)endo und statisches *(h1)endon/m als Etyma angesetzt werden, weist Kloekhorst zu Recht darauf 133 Daher ist auch die Auffassung Luraghis (2001: 39 f.), die nominale Rektion sei eine rein formale Reinterpretation, unrichtig, denn dann müsste man sie gerade bei den dynamischen PW, formal völlig regulären „Direktiven“, erwarten, und auf die Formen auf -an müssten stets akkusativische Pronomina folgen. 134 Vgl. prā ‚vorher‘ in peran prā (⇒2.4.4.6) und tuwān prā (⇒2.4.3.3.), sowie altheth. āppa ‚danach‘ (⇒2.1.1.4). 135 Der Terminus ist bewusst gewählt, denn es soll kein Ergebnis der folgenden Untersuchung vorweggenommen werden. 136 Die Bestimmung von an-da-an in asrula andan pi[ (KBo 13.263 4'; kluw./jS) ist ganz unsicher. 137 Das seltene, dynamische jungheth. andan ist hiervon zu trennen. Nach Salisbury (2001: 70) handelt es sich um eine analogische Neuerung nach Fällen wie āppan tiye/a-zi ‚zurücktreten‘, nach Rieken (2006: 280 mit Fn. 10) um eine direkte Entlehnung aus dem Hieroglyphen-Luwischen.
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hin, dass air. and und lyk. ñte Schwundstufe voraussetzen, womit alle anderen Formen außer gr. éndon, das aber wohl nach en restituiert ist,138 vereinbar sind, gegebenenfalls mit der Zusatzannahme einer Akzentrückziehung. Die so gewonnene Form *n̥don ‚(dr)innen‘ macht die interne Rekonstruktion *en dom „im Haus (drinnen)“ → *endom weniger wahrscheinlich, es handelt sich eher um eine Ableitung von *n̥do, das selbst wiederum eine klare Zusammensetzung aus *en ‚INTERIOR‘ und *do ‚zu‘ ist (vgl. engl. into).139 Obwohl die beiden Formen offensichtlich schon grundsprachlich Adverbien waren, die sich erst im Anatolischen in Apposition mit Lokativen zum Relator entwickelt haben, findet sich in hluw. antatili- ‚innerer‘ eine ablativische Ableitung mit statischer Bedeutung (*)antadi ‚innen‘.140 Dies spricht für einen adverbiellen Ursprung der Ablativ-Endung (⇒4.1.1.2). Die hieroglyphen-luwische Ableitung antatili- zeigt ebenso wie hluw. anta, das durchgängig a-ta oder a-tá geschrieben wird, einen Laut /t/, der sonst etymologische Fortis wiedergibt (vgl. Rieken 2008). Auch in lyk. ñte findet man nicht das erwartete /d/, und im Keilschrift-Luwischen überwiegt die Schreibung (a-)an-ta deutlich über (a-)an-da. Wenn man die etablierte Etymologie aufrecht erhalten möchte, muss man davon ausgehen, dass es in den luwischen Sprachen, entweder urluwisch oder als Sprachbundphänomen, eine gesonderte Entwicklung von *d nach Sonant oder zumindest *n gab. In der Tat ist dies besonders anhand des Lykischen plausibel zu machen, da man dort von einer frikativen Realisierung der Lenes zwischen Vokal ausgehen kann (Melchert 1994: 287 f.), vgl. die ungleiche Behandlung von er erbtem *d in pede- ‚Fuß‘ und synchronem d in Ñtarijeuse/i- ‚Dareios‘. Hier bietet sich der Vergleich mit dem Neugriechischen an, wo δ als [ð] realisiert wird, nach n aber als [d], geschrieben ντ, zugleich ist ererbtes *nt in [nd], geschrieben ντ, übergegangen, vgl. ngr. πέντε [ˈpɛndɛ] ‚fünf‘, δέκα [ˈðɛka] ‚zehn‘, έντεκα [ˈɛndɛka] ‚elf‘ < gr. pénte, déka, héndeka. Im Lykischen finden sich für ererbtes *nd > nt noch die zwei Beispiele mẽte- ‚Schaden‘ (o. ä., s. Neu mann 2007: 214), das mit heth. mant- (etwas Schädliches) und lat. mendum ‚Fehler, Makel‘ verglichen wird,141 sowie die sehr unsichere Verknüpfung des Titels hppñterus- (s. Neumann 2007: 97) mit heth. ispand- ‚libieren‘ (< *spend-, s. Kloekhorst 2008: 404–406). Im Hieroglyphen-Luwischen fehlen außerhalb der Sippe von anta(-) sichere Beispiele,142 doch spricht nichts gegen eine Entwicklung wie im Lykischen. 138 Vgl. gr. énerthen für hom. nérthen ‚von unten‘, das wie arm. i nerkʿoy ‚unter‘ keinen prothetischen Vokal aufweist und damit auch *h1 im Anlaut ausschließt. Wenn man der umstrittetenen These Kloekhorsts (2004) folgen möchte, wonach für [ʔa] hluw. #á steht, dann wird diese Rekonstruktion durch die hluw. Schreibungen a-ta/tá unterstützt. 139 Es ist möglich, aber nicht weiter zu verifizieren, dass dieses lokale Element *-N in *en selbst steckt, das somit ursprünglich eine pronominale Form *e-n ‚darin‘ gewesen wäre. 140 Vgl. a-tá-ti-li-i- in BABYLON 1, §11; (*)antadi könnte vielleicht in ASSUR f+g, §37 direkt belegt sein. Vgl. auch hluw. *arhadi (= heth. arahz) unten. 141 Vgl. besonders lyk. mẽtli- = heth. mantalli- = kluw. mān/ltalla/i- ‚schädlich‘ (o. ä.), s. Kloekhorst (2008: 555), Melchert (1993: 137 f.). 142 Die Erklärung der Funktionärsbezeichnung (CAELUM.286.X)sá-pa-tara/i- (nur in Karkemiš, s. Giusfredi 2010: 123 f.) als Nomen agentis /spantara/i-/ zu *spend- ist wegen der daneben belegte Schreibung sá-pa-*319-li- mit *319 = la/i (s. Rieken/Yakubovich 2010) eher nicht möglich.
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D: Zusammenfassend lässt sich ein Adverb *n̥do ‚einwärts‘ und ein davon abgeleitetes *n̥doN für das Uranatolische und Urindogermanische sicher ansetzen, die auf dem Relator *en ‚in(nen)‘, dem Adverb *do ‚zu‘ und einem lokativischem Element *-N (mutmaßlich *n) beruhen. ser ‚oben‘ – srā ‚nach oben, hin-/herauf‘ (⇒2.4.1.2) A: 1. srāzzi(ya)- ‚oberer‘ (mit weiteren Ableitungen, ⇒2.6.4.1), srāmnaz ‚von oben herab‘, sarli- ‚höchster, oberer, hervorragend‘ (mit weiteren Ableitungen) 2. kluw. sarra ‚(nach) oben‘, sarri ‚oben, auf, über‘, sarl(a)i- ‚erhöhen, preisen‘ (mit weiteren Ableitungen‘, hluw. SUPER+ra/i ‚oben, über‘, SUPER-ranta ‚auf‘, lyk. hri ‚auf, über‘, hrppi ‚für, zugunsten von‘, hrzze/i- ‚oberer‘, lyd. serli-/selli- ‚Obrigkeit, Behörde‘ 3. gr. rhíon ‚Bergrücken‘ B: HEG (II: 854–861, 874–879, 882–886, 911–917, 1000–1003), Kloekhorst (2008: 729 f., 735 f., 745), Melchert (1993: 189–191), Neumann (2007: 97 f., 102 f., 104), Gusmani (1964: 194 f.) C: Heth. ser weicht von den anderen statischen Place Words der korrespondierenden Gruppe merklich ab, zum Einen durch das Fehlen der Endung -an, zum Anderen durch seinen noch stärkeren nominalen Charakter: Anders als z. B. āppan verbindet es sich regelmäßig mit enklitischen Possessiva nicht im Ablativ-Instrumental, sondern im Nominativ-Akkusativ (ser=set), und kann gleichzeitig noch einen Genetiv bei sich haben (→2.4.1.2-1d). Da die Form ser nicht analogisch geneuert sein kann (man würde *seran erwarten), muss sie alt sein. Nach Neu (1980a: 35 f.) und Melchert (2009a: 617) ist die akkusativische Kongruenz doch wahrscheinlich aus einem endungslosem Lokativ geneuert, durch Analogie zu Neutra wie *ker ‚Herz‘, *per ‚Haus‘,143 denn ein Akkusativ würde nicht zu syntaktischen Funktion des Lokativs passen, und kluw. sarri setzt offenbar einen recharakterisierten Lokativ *seri fort. Nach letzterem ist auch der Direktiv sarra analogisch aus ablautendem *sro, das in heth. srā erhalten ist, umgebildet. 144 Wegen des mehrdeutigen Zeichens ra/i ist unklar, ob hluw. SUPER+ra/i mit kluw. sarri oder sarra (oder beidem) zu vergleichen ist. Bei den Ableitungen konkurrieren drei relationale Adjektive mit der Bedeutung ‚oberer, oben befindlich‘ (o. ä.), srāzzi(ya)-, sarli- und srāmna-.145 Letzteres ist zwar erst junghethitisch belegt, muss aber wegen seiner morphologischen Isolation älter sein. Forssman (1965: 20–23) kann eine frühzeitig unproduktiv gewordene Adjektivableitung aus Relator + *-mnówahrscheinlich machen, die grundsprachlich noch in *pro-mnó- ‚hervorstehend‘ und *ni143 Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei ketkar festzustellen, das auf einen alten Lokativ zurückgeht (⇒4.1.4.3). 144 S. Oettinger (2000: 185 f.). Ihm zufolge (186) stammt *seri vielleicht aus *sri (vgl. lyk. hri), mit anaptyktischem e wie in tarri° < *teri- ‚drei‘ u. a. 145 Nicht hierzu gehört entgegen der früheren Ansicht die Brotbezeichnung NINDAs(a)rāman- (als „das oben Aufgeschnittene“), die vielmehr eine Ableitung von *sarā(i)-i ‚aufreihen‘ darstellt, s. die Tischvorlage zum Vortrag „Anatolian Stems in *-(C)o-“ von H. C. Melchert (gehalten auf der Arbeitstagung „Das Nomen im Indogermanischen“, Erlangen, 15.09.2011) nach Mitteilung von H. Hoffner.
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mnó- ‚abwärts gerichtet‘ vorkommt.146 Die Provenienz von sarli- und seinen zahlreichen Ableitungen (z. B. sarlae-zi ‚preisen‘, sarlatta- ‚Preisopfer‘) ist unsicher; da die Wortsippe nicht in althethitischen Originaltexten auftritt und sich vergleichbare Formen auch im Luwischen finden, geht Yakubovich (2010a: 236) wohl zu Recht von Lehnwörtern im Hethitischen aus. Zu luw. *sarli- gehört auch lyd. serli-/selli-, doch ist dessen genaue Vorform (R(o), R(e), R(z)?) aufgrund der unklaren Lautgesetze nicht zu bestimmen. Als einzige produktive Adjektivableitung bleibt demnach srāzzi(ya)-, das das in weiteren hethitischen Wörtern (darunter apezzi(ya)-, hantezzi(ya)-, s. Kloekhorst 2008: 264 f.) enthaltene gemeinindogermanische Suffix *-to- enthält (vgl. Lohmann 1933). Dieses findet sich in zahlreichen Ableitungen räumlicher Ausdrücke, z. B. ai. nítya- ‚eigener‘, got. niþjis ‚Verwandter‘ (*ni- ‚nach unten‘, hier komitativ147), gr. próssō ‚vorwärts‘ (< *pro-to-o), lit. apačià ‚Unterteil‘ (*opi ‚nach‘) u. a. Auffällig uneinheitlich ist die Form der Ableitungsbasis, in srāzzi(ya)- und gr. opíssō ‚rückwärts‘ liegt das unveränderte Place Word vor, in ai. aptyá‚außerhalb befindlich‘ und lyk. hrzze/i- ‚oberer‘ der bloße Stamm, in heth. appezzi(ya)- ‚letzter‘ (u. a.) ein Interfix *-e-, in lit. apačià (u. a.) *-o-. Nach Oettinger (1995) ist die Verbindung von endungsloser Wurzel + *-to- ursprünglich, appezzi(ya)- weise anaptyktisches e auf, das sich analogisch ausgebreitet habe. In jedem Fall legt lyk. hrzze/i-, das zugleich das uranatolische Alter des Lautwandels *VtV > *VtsV erweist, nahe, dass heth. srāzzi(ya)- nach srā aus einer Vorform *sr̥-to- umgebildet wurde.148 Ähnlich dürften auch in den anderen Sprachen nachträgliche Interfixe oder Umbildungen nach den Relatoren zur morphologischen Erneuerung der Formen geführt haben. Da die Grundlage der Bildungen auf *-to- Raumausdrücke sind, ist zu vermuten, dass es sich ursprünglich um einfache thematische Ableitungen von adverbiellen Ablativen der Perspektive (⇒4.1.1.2), handelte, also z. B. *sr̥-ti ‚(von) oben‘ + *o- → *sr̥-to- „obig“ (> lyk. hrzze/i-, heth. *sərtsia- → srāzzi(ya)-). Typologisch interessant ist die Herleitung von lyk. hrppi. Sein zweiter Bestandteil wird mit *epi ‚an, nahe‘ (vgl. gr. epì) verglichen (s. Neumann 2007: 102 f.), so dass sich dieselbe Metapher ‚auf‘ („oben an“) → ‚für, zugunsten von‘ ergibt wie in der hethitischen Konstruktion =ssan ser (⇒2.3.4). Es ist jedoch nicht festzustellen, ob es sich hierbei um eine zufällige Übereinstimmung handelt oder ob das Lykische und/oder das Hethitische möglicherweise eine ererbte Konstruktion formal geneuert haben. Über die weitere Herkunft von *ser- kann nur spekuliert werden. Da sich die Wurzel *ser- ‚aufpassen, beschützen‘ aus metaphorischem „darüber sein“ ableiten lässt (vgl. →2.4.1.2-6ab; s. Oettinger 2000: 187), muss es *ser- als relationalen Ausdruck schon grund146 Forssman zufolge belege heth. srāmna- eine ehemalige statische Funktion von *sro, doch weist sein Akzent auf eine analogische Umbildung *sró-mno- < *sr̥-mnó- hin, außerdem ist auch eine dynamische Bedeutung ‚nach oben gerichtet‘ (vgl. pro-mnó-) nicht auszuschließen. 147 Es handelt sich sicher um eine Bildung zu *en, s. o. Kap. 4.1.3.1. 148 Die lyk. Form muss ursprünglich *hrzzi(je)- gelautet haben, wurde aber wegen homonymer Formen mit movierten Adjektiven in einen gewöhnlichen o-Stamm überführt, ähnlich wie im Heth. ursprüngliches -iya- in der jüngeren Sprache zu einem i-Stamm umgedeutet wurde.
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sprachlich gegeben haben.149 Da man es kaum als *s-er in ein wenig wahrscheinliches *s‚oben‘ (vgl. lat. s-uper) + kontrastives *-er zerlegen sollte, bleibt der durch die hethitische Syntax plausible Ansatz eines grammatikalisierten Substantivs. Dessen Bedeutung ist zwar nicht mehr mit Sicherheit zu erhellen, es fällt aber auf, dass gr. rhíon, das von Heubeck (1964) als *srio- verglichen wurde, nicht einfach einen Gipfel, sondern einen Bergrücken bezeichnet. „Rücken“ ist im zoomorphischen, auf Vierbeiner bezogenen Entwicklungsmodell (s. Svorou 1994: 73 f.) eine typologisch belegte Ausgangsquelle für Relatoren mit der Bedeutung SUPERIOR (s. Heine/Kuteva 2002 s. v. UP). D: Man kann für das Uranatolische einen Relator *ser- ‚oben‘ mit mehreren Ableitungen, besonders direktivischem *sr-ó ‚aufwärts‘ ansetzen. Nach Ausweis der abgeleiteten späturindogermanischen Wurzel *ser- ‚aufpassen‘ ist diese Wurzel grundsprachlich, außerhalb des Anatolischen aber verloren gegangen. kattan ‚unten‘ – katta ‚abwärts, herab, hinab‘ (⇒2.4.1.3); katta(n), katti= ‚(da)bei, (da)mit, zu‘ (⇒2.4.2.2) A: 1. kattanda ‚hinunter (zu)‘ (⇒2.4.4.6), kattera- (mit Ableitungen, ⇒2.6.4.1), katterezzi‚unterer‘,; vgl. =kkan (⇒4.1.3.5) 2. kluw. zanta, hluw. INFRA-ta ‚herab‘, hluw. INFRA-tanta ‚unten‘, lyd. kan-, kat/τ3. gr. katà ‚herab, entlang‘, lat. cum ‚mit‘, altkymr. cant ‚mit, von‘ B: HEG (I: 539–542, 545–547), HED (IV: 125–133), Kloekhorst (2008: 463–465), Gusmani (1964: 142, 145, 148), Yakubovich (2005), Goedegebuure (2010b) C: Das Wortfeld von heth. katt- ist etymologisch schwierig. Neben dem dynamischen katta zum Ausdruck einer nach unten gerichteten Bewegung und dem statischen kattan zum Ausdruck der Relation INFERIOR findet sich eine Postposition katta ‚bei, neben, mit‘.150 Letzteres ist in der alten Sprache durch seine Genetiv-Rektion und die Sandhi-Form katti= (vor enkl. Possessiva) leicht vom homonymen katta zu trennen, wird im Mittelhethitischen aber fast völlig von kattan mit Dativ-Lokativ ersetzt, das nur im Kontext von kattan ‚unter‘ zu unterscheiden ist. Erhellend ist ein Blick in die anderen anatolischen Sprachen:
149 Nach Dunkel (2007: 58) ist das etymologisch unklare gr. aírō ‚heben‘ eine eigenständige Ableitung *sr̥-e/o- von *ser- ‚oben‘. 150 Starke (1977: 186) setzt als Grundbedeutung ‚(zusammen) mit‘ an, doch erzwingt dies bei Ortsangaben umständliche Übersetzungen, ursprüngliches ‚bei‘ hingegen erklärt alle Gebrauchsweisen hinreichend, besonders auch die Bedeutung ‚zu‘. Eine weiteres Bsp. für eine Entwicklung von der lokalen Bedeutung zur soziativen ist gr. metà: ‚inmitten‘ → ‚zwischen‘ → ‚mit‘ (s. Wackernagel 1928: 240–243).
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„herab“
„unten, unter“
„bei, neben, mit“
Hethitisch
katta
kattan
katta(n), katti=
Lydisch
kat/τ-, kan-?
ẽn-?/kan-?
ẽn-
ẽnẽ
?
ānnan
? (*ānni?)
??
Lykisch
ẽti
Keilschrift-Luwisch
zanta
Hieroglyphen-Luwisch INFRA-ta /tsanta/ SUB-na-na /ānnan/ CUM-ni */ānni/ Tab. 4.1.4.2-3 | INFERIOR und Komitativ in den anatolischen Sprachen (nach Yakubovich 2005, Goedegebuure 2010b)
Es sind zwar noch Details besonders im Lydischen und Lykischen zu klären, 151 es wird aber klar, dass, während katta ‚herab‘ schon durch die anatolische und katta/katti= ‚bei, mit‘ durch außeranatolische Evidenz gesichert ist, heth. kattan isoliert steht. Da es zudem in der althethitischen Zeit anders als ser, āppan und peran nicht mit enklitischen Possessivpronomina vorkommt, hat schon Boley (1985b: 239) vermutet, dass es sekundär zu katta nach Vorbild der anderen statischen Place Words gebildet wurde. Der Status des nicht ganz sicheren luw. ( ) * ānni ist nicht klar, es könnte einerseits idg. *eni in einer allgemeineren Bedeutung fortsetzen (⇒4.1.3.1), vielleicht ist es eher aber eine Neubildung nach *énom ‚unten‘, um die Homonymie von „herab“ und „bei“ aufzulösen. Dies würde ein uranatolisches System mit einem *k̍m̥to ‚herab‘, *énom ‚unten, unter‘ und *k̍m̥to/i ‚bei, neben, mit‘ bedeuten.152 Man kann also bereits auf Basis des anatolischen Materials einen Relator *k̍m̥to ‚herab, dabei‘ rekonstruieren,153 der sich leicht mit gr. katà, altkymr. cant vergleicht. Wurzelverwandt ist weiter *k̍om gleicher Bedeutung, das entweder die unerweiterte Form darstellt oder aus voruridg. **k̍omt entstanden ist (⇒4.1.3.5). Neben den oben bei =kkan genannten Möglichkeiten zur Erklärung der sehr unterschiedlichen Bedeutungen kann hier noch besonders auf gr. katà verwiesen werden, das zusammen mit dem Akkusativ die Bedeutung ‚abwärts entlang‘ aufweist (s. ausführlich Luraghi 2003: 197–213) und so die Schnittstelle von Nähe und Abwärtsbewegung zeigt.154 Die einfache kognitive Grundlage für diesen Delativ, was auch die Grundbedeutung von heth. katta ausmacht („von einem Punkt nach unten“), ist das 151 Nach Yakubovich (2005) entspricht lyd. kan- heth. kattan, lyd. kat- hingegen katta. Da kattan aber wohl eine innerheth. Neubildung ist, könnte man kan- vielleicht eher direkt zur OBP =kkan stellen. Ansonsten wäre dies eine klare Isoglosse zwischen Lyd. und Heth., die sonst keine gemeinsamen Innovationen aufweisen. 152 Ein solches System ist auch deswegen plausibel, weil es sozusagen die Lectio difficillima der möglichen Kombinationen darstellt, denn weder hätte das Heth. eine Motivation gehabt, ein *eni ‚mit‘ durch katta zu ersetzen, noch das Urluw., ein *zantan ‚unten‘ durch *enom. 153 Zur lautlichen Entwicklung von *m̥ vgl. kappi- ‚klein‘ < *km̥bi- (av. kambišta- ‚gerinster‘) gegenüber panku‚gesamt‘ < *dhbhn̥gh-u- (aav. dəbązah- ‚Dicke‘, gr. pakhús ‚dick‘). Völlig abweichend ist Dunkels (2007: 54) Rekonstruktion von „dabei“ als *kó-th2 óh1 mit emphatischen Partikeln, die kaum glaubwürdig erscheint. Ein solcher Ansatz würde eine zufällige Homonymie von „herab“ und „dabei“ bedeuten. 154 Ganz anders Delbrück (1893: 759–761), nach dem katà ursprünglich ‚hinein in‘ bedeutete.
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schwerkraftbedingte Zu-Boden-Fallen von Objekten, die sich von der Oberfläche eines größeren Objekts abgelöst haben, man vergleiche schon im Deutschen ab – herab. Heth. katti= verbindet sich mit Possessiva im Dativ-Lokativ Singular und passt auch formal dazu, die lautgesetzliche Assibilierung von *ti wurde in Analogie zu katta blockiert (Melchert 2009a: 616). Das Alter der Form ist abhängig von der Bewertung des griechischen Präfixoids kasi- ‚mit-‘. Es wird allgemein mit katti= verglichen, das dann grundsprachlich sein müsste, Zeilfelder (2001: 129) verknüpft es aber mit *k̍as- ‚Reihe‘. Damit *s in kasi- erhalten bliebe, müsste man allerdings einen Lokativ Plural *k̍assu → *k̍assi annehmen, der sich nicht gut rechtfertigen lässt, 155 zudem vergleicht Lejeune (1960: 21) thessal. katign[eitos] mit homer. patrokasígnētos ‚Bruder des Vaters‘. Wenn der inschriftliche Beleg Bestand hat, ist die Gleichung kasi- = katti= bewiesen. Die Zusammensetzung kattanda hat eine formale Entsprechung in hluw. INFRA-tanta /tsantanta/, da dieses jedoch statisch ‚unten‘ bedeutet, ist das dynamisches anda enthaltende kattanda wohl hiervon unabhängig gebildet worden. Das Adjektiv kattera- mit dem kontrastiven Suffix *-ero- wird im Junghethitischen z. T. mit dem Suffix - ezzi- der anderen von Place Words abgeleiteten Adjektive zu katterezzi- hypercharakterisiert.156 D: Während kattan ‚unten‘ also eine analogische Neuerung ist, setzen die anderen Formen dieser Wortsippe zwei grundsprachliche Relatoren *k̍m̥to ‚herab, dabei‘ und *k̍m̥ti ‚dabei, mit‘ fort. Funktional und formal verwandt ist die Ortsbezugspartikel =kkan. āppan ‚hinten, (da)hinter, nach‘ – āppa ‚zurück, wieder; (altheth.) danach‘ (⇒2.4.1.4, 2.4.4.6) A: 1. āppanda ‚danach‘ (⇒2.4.4.6), appezzi(ya)- ‚hinterster, letzter‘ (⇒2.6.4.1), āppa/i-i ‚fertig sein‘ (⇒2.6.4.2), appasiwatt- ‚Zukunft‘; vgl. =apa (⇒4.1.3.2), pe- (⇒4.1.2) 2. kluw., hluw. āppan ‚hinten, (da)hinter, nach‘, kluw. āppa, hluw. appi ‚zurück, wieder‘, kluw. EGIR-anda ‚danach?‘, hluw. POST-ni ‚später‘, POST+ra/i- ‚späterer, jüngerer‘, kluw. āpparant(i)- ‚zukünftig‘, lyk. epñ ‚(da)hinter‘, epi ‚wieder?‘, epñte ‚danach‘, epre/i- ‚späterer, jüngerer‘, lyd. fa- ‚hinter, zurück‘ 3. ai. ápa, gr. apò, lat. ab, got. af ‚von, weg‘, ai. ápi ‚an, bei, in‘, gr. epì (myk. opi) ‚auf, an‘, ópisthen ‚dahinter‘, opíssō ‚rückwärts‘, lat. ob ‚entgegen‘, ai. paścā ‚dahinter‘ u. v. a. B: HW2 (A: 161 f.), HEG (I: 44 f.), HED (I/II: 91–95), Kloekhorst (2008: 192–195), Melchert (1993: 20–22), Neumann (2007: 59 f., 61, 64), Yakubovich (2005), Delbrück (1893: 673–678) C: Die in Punkt A.3 aufgeführten Formen, die sich auf zwei letztlich inkompatible Wurzeln *ap- ‚fort, von (… weg)‘ und *ep- ‚an, auf, bei‘ verteilen, zeigen die zwei etymologischen Anschlüsse, die für die Sippe von āppa(n) diskutiert werden. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die anatolischen Formen eine von beiden Wurzeln abweichende Grundbedeutung „hin-
155 Die Form müsste zudem geneuert sein für ererbtes *k̍s-su (z. B. in gr. metaksù ‚dazwischen‘). 156 Im Luwischen gab es daneben wohl eine Adjektivbildung *zantala-, die in (:)zantalanu- ‚herabsetzen‘ enthalten ist (s. Goedegebuure 2010b: 311 f.).
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ter, nach“ zeigen, die zwar auch außeranatolisch in einzelnen Bildungen vorliegt, deren Zuordnung aber auch umstritten ist. Der rein anatolische Befund ist zunächst klar: Für die Grundsprache lassen sich * opo ‚zurück, wieder; danach‘,157 *opem ‚hinten, (da)hinter; nach‘ und *opi = *opo sichern. Letzteres ist nicht nur in hluw. á-pi(-i) und vielleicht lyk. epi direkt belegt, sondern auch Grundlage von heth. āppa/i-i ‚fertig sein‘ (< „danach sein“, s. Melchert 2009b). Wohl schon uranatolisch ist auch die Zusammenrückung von *opo ‚danach‘ und *n̥do ‚dazu‘ zu *opondo ‚danach‘.158 Von den beiden konkurrierenden Adjektiv-Ableitungen für „hinten befindlich, letzter, späterer“, *op-to- und *op-ero-, haben Hethitisch auf der einen Seite (appezzi(ya)-159) und die luwischen Sprachen auf der anderen Seite (hluw. POST+ra/i-, kluw. āpparant(i)-, lyk. epre/imit Synkope) je eine verallgemeinert. 160 Die Adjektive und andere Formen zeigen im temporalen Gebrauch das Zeitmodell der Fremdbewegung, nach dem die Zukunft „hinter“ der Gegenwart liegt (⇒3.5.1). Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass heth. appasiwatt- (s. Brosch 2008: 101) eine erst späte Lehnübersetzung aus akkad. (w)arkât ūmī ‚Ende („Rückseite“) der Tage‘ (vgl. sum. EGIR.U4) ist, sondern es liegt wohl ein Tatpuruṣa-Kompositum „Nach-Tag“ vor. Da *ó wahrscheinlich nach der „Lex Kloekhorst“ (s. Kloekhorst 2008: 65) uranatolisch gelängt wird und Lenition des Folgekonsonanten auslöst, müssen *opo und den anderen Place Words ursprünglich nicht oder nur schwach betont gewesen sein (Kloekhorst 2008: 193 f., nach H. C. Melchert). In Enklise trat in heth. =apa < *appa jedoch schließlich Lenition ein. Für den urindogermanischen Anschluss von uranat. *op- muss man nach semantischen Schnittstellen zwischen „hinter, zurück, nach“ und „fort, von“ oder „an, bei“ suchen. Dunkel (1983), der auch gr. opíssō zu apò statt epì stellt (82 f.), sieht dies in der Bedeutung „zurück“, die sich außer in āppa auch in gr. apo- als Präverb zeigt (85). āppa und apo- können jedoch diese Gemeinsamkeit sekundär aus räumlichem „nach hinten (woher man gekommen ist)“ → „zurück“ bzw. „weg (zum Ursprungsort)“ → „zurück“ entwickelt haben, während eine Entwicklung von ursprünglichem „zurück“ zu den verschiedenen Bedeutungen wenig plausibel erscheint. Ein wichtiger Befund ist in der etymologischen Diskussion bisher nicht entscheidend berücksichtigt worden, nämlich dass die Postposition āppan in Verbindung mit der Ortsbezugspartikel =ssan bei Städten nicht „hinter“, sondern „nahe bei“ bedeutet (→2.4.1.4-5ab), 157 Die temporale Bedeutung ist nur im Altheth. belegt, lässt sich aber nicht sekundär aus der dynamischen ableiten und muss daher alt sein. Formal könnte es sich um eine Umbildung des durch den Sprachvergleich als alt anzusehen den *opi mit direktiv. *-o ‚-wärts‘ handeln. 158 Melchert (1993: 21) übersetzt das Hapax kluw. EGIR-anda als „behind“, die Belegstelle KUB 35.133 III 17 (kluw./jS; einzelner Paragraph) anz=ata dUTU-anz pipissa anz=ada EGIR-anda sassa „Wettergott, uns gib es immerfort, uns überlasse es immerfort!“ erzwingt aber keine lokale Lesart. – Nach Starke (1977: 194 f.) handelt es sich bei āppanda hingegen um eine instrumentale Bildung /āppa-nt/ (vgl. kēdand(a)), wogegen aber die luw. Belege sprechen. 159 Wohl mit anaptyktischem -e-, s. Oettinger (1995) und die Besprechung dieses Ableitung unter ser – srā oben. 160 Ein geneuertes *opi-to- (vgl. gr. opíssō) könnte mit Aphärese in dem lyk. Namen Pizzi vorliegen (s. Neumann 2007: 276).
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was sich nur schwer aus der Bedeutung „hinter“ erklären lässt und daher wohl den Rest einer früheren Funktion darstellt. Dies spricht klar für eine Verbindung mit *ep- ‚an, auf, bei‘, und die Entwicklung zu „hinter“ dürfte auf ungewöhnlichem, aber typologisch mehrfach belegtem Wege über eine temporale bzw. auf eine Reihenfolge bezogene Metapher „nahe“ → „nach“ → „hinter“ erfolgt sein.161 Konsekutives *epi findet sich noch in dem Paar sprechender Namen gr. Promētheús „der davor nachdenkt“ – Epimētheús „der darauf nachdenkt“ (Dunkel 1983: 73), womit auch die e-Stufe erwiesen ist. Ein Zusammenhang mit gr. apò , ai. ápa (s. dazuv Schneider 2010b) kann daher sicher abgelehnt werden. D: Das Uranatolische kannte also eine ganze Reihe von Ableitungen zu einem Stamm *op‚hinter, zurück, nach, bei‘, der auf einen urindogermanischen Relator *e/op-, der unmittelbare Nähe und zeitliche Nachfolge ausdrücken konnte, zurückzuführen ist. peran ‚vorne, davor, vor‘ – prā ‚vorwärts; weiter; hinaus‘ (⇒2.4.1.5) A: 1. priyan ‚hinüber zu, über … hin‘, p(ar)rānda ‚hinüber zu‘ (⇒2.4.2.3), parz ‚-wärts?‘, (⇒2.4.3.4), pr(a)-i ‚hervorkommen, erscheinen‘ (⇒2.6.4.2) 2. kluw., hluw. parran, hluw. PRAE-ni ‚vor(ne)‘ kluw., hluw. prī ‚voran, weg‘, lyk. pri ‚voran, vorne‘, kluw. priyan/m° ‚hinüber‘, lyk. przze/i- ‚vorne befindlich‘ 3. gr. prò, lat. prae ‚vor‘, toch. A pre ‚draußen vor‘, gr. péran ‚hinüber, jenseits‘, parà/paraì ‚über … hinaus, bei, neben‘, ai. práti, gr. pròs ‚gegen‘, ai. pári, gr. perì ‚um‘, lat. per ‚durch‘, ai. párā ‚weg‘, gr. pérā ‚jenseits, weiter‘, got. faur(a) ‚vor, für‘, ai. purā ‚früher, ohne‘, pára‚weiterer‘, purás, gr. páros, av. parō ‚voran, vormals‘, gr. pórrō, próssō, lat. porro ‚vorwärts‘ u. v. a.; vgl. idg. Wurzel *per- in ai. píparti „bringt hinüber“, got. farjan ‚fahren‘, gr. peírō ‚durchdringen‘ B: HEG (II: 431–437, 439 f., 441 f., 459–461, 572–574), HED (VIII: 108 f., 113–115, 124– 126), Kloekhorst (2008: 630 f., 632, 635 f., 647 f. 667), Melchert (1993: 166, 168 f.), Neu mann (2007: 281, 287) Delbrück (1893: 700–715) C: Mehr noch als beim eben besprochenen āppa (usw.) muss man bei heth. peran und seinen Verwandten zwischen dem recht klaren anatolischen Befund und dem der anderen indogermanischen Sprachen trennen, wo man verschiedene Bedeutungskomplexe findet („vorne“, „voran“, „gegen“, „jenseits“, „hinüber“, „durch“, „herum“, „draußen“). Die anatolischen Formen gehen auf eine Wurzel *per- zurück, die Anteriorität ausdrückt. Hethitisch und Luwisch bezeugen einen Ablativ-Instrumental *per-em162 ‚vor(ne)‘, nur in den luwischen Sprachen taucht ein Dativ (oder eher adverbieller Lokativ 163) *pr-e oder ein Lokativ *pr-i ‚voran, weg‘, lykisch auch ‚vor‘, nur im Hethitischen ein Direktiv *pr-o ‚vorwärts, weiter‘ auf; letzterer ist aber sprachvergleichend als alt gesichert. Wenn das nur im 161 Vgl., frz. après < ad pressum, dt. nach und v. a. den reihenden Gebrauch von dt. auf in darauf und Wendungen wie Knall auf Fall. S. Heine/Kuteva (2002: 214) mit weiterem Material für die Grammatikalisierung NEAR > AFTER. 162 Hluw. PRAE-ni ist sicher ein recharakterisiertes /parrani/, vgl. POST-ni /āpani/. 163 S. Beekes (1973: 217), der auf inschriftl. gr. oíkei, peĩ, pandēmeí verweist.
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Hethitischen marginal belegte und semantisch schwer zu bestimmende parz auf einen Ablativ *pr̥-ti zurückgehen sollte (Laroche 1970: 39 f.), dürfte es auch grundsprachliches Alter aufweisen. Das reguläre abgeleitete Adjektiv *pr̥-to- ist in lyk. przze/i- fortgesetzt (vgl. gr. pórrō < *pr̥-to-o), wurde im Hethitischen aber durch hantezzi(ya)- ersetzt, obwohl *h2ent‚Stirn, Vorderseite‘ (⇒4.1.4.3) sonst nicht Konkurrenz mit *per- tritt. Während sich die Entstehung von heth. p(ar)rānda noch in den Texten nachvollziehen lässt (⇒2.4.2.3), kann die Form *priom (> heth./luw. priyan) ‚hinüber‘ uranatolisches Alter beanspruchen. Der archaische keilschrift-luwische Beleg priyam=sa=tta „über es hinaus“ (→4.1.3-3c) erweist dabei, dass hier nicht etwa *en angetreten ist, was gleichbedeutendes p(ar)rānda < prā + anda nahelegen würde, sondern eine auf *m auslautende Endung mit unklarer Funktion.164 Möglicherweise gehört auch das Adverb priyawan ‚schräg?‘ hierher (⇒4.1.4.4). Zwei Besonderheiten von heth. prā sind noch erwähnenswert: Zusammen mit der Ortsbezugspartikel =asta (später =kkan), die den Wechsel einer räumlichen Domäne ausdrückt (⇒2.3.3), weist es die besondere Bedeutung ‚hinaus/heraus‘ auf, und in den Wendungen peran pra ‚vorher‘ (⇒2.4.4.6) und duwān prā ‚lange vorher‘ (⇒2.4.3.3) hat das sonst dynamische Place Word einen statischen temporalen Wert. Besonders die Recharakterisierung durch peran im ersten Fall weist darauf hin, dass es sich dabei um eine ansonsten abgebaute Bedeutungsnuance handelt. In den anderen indogermanischen Sprachen herrscht, wie die Auswahl unter Punkt A.3 zeigt, eine kaum überschaubare Fülle von lautlich vereinbaren und semantisch teils mehr, teils weniger übereinstimmenden Formen. Dabei ist nicht zu beweisen, dass es sich um einen nachträglichen Zusammenfall ursprungsverschiedener Ausdrucksmittel handelt. 165 Auf der formalen Seite lässt sich ein *pro ‚vorwärts, nach vorne, weiter‘ sichern, das nur im Griechischen und heth. peran/duwān prā auch stativische Bedeutung hat.166 Auch *pr(e/o)ti ‚(ent)gegen‘ ist weithin belegt, andere Bildungen sind hingegen nur einzelsprachlich bezeugt, wobei manche aber höheres Alter beanspruchen können, z. B. der Lok. * preh2i in lat. prae, der kaum geneuert sein kann, sondern mit dem Genetiv *pr̥h2ós in gr. páros, ai. purás, av. parō zu vergleichen ist (Beekes 1973: 215). Da auf diese Weise fast alle nominalen und adverbiellen Endungen z. T. ohne erkennbare Funktion segmentierbar sind, 167 führt nur ein Vergleich der Stämme weiter. Hier fällt neben *p(e)r- besonders ein Stamm *pr(e)h2- auf. Tatsächlich weist 164 Da nicht die Wurzel, sondern ein volles Wort (evtl. identisch mit luw./lyk. pri) vorausgeht, kann es sich kaum um einen Akk. Sg. oder einen Ablativ-Instrumental handeln. Formal denkbar wäre auch ein Nom.-Akk. Sg. n. des onomastisch fassbaren luw. Adjektivs priya- ‚erster, vorzüglich‘ (so Starke 1990: 454 f., Fn. 1645), doch wäre dies semantisch schwer zu begründen. 165 Laut Dunkel (1992: 155) gibt es zwar keinen Grund *perHi (sic!) ‚durch‘ mit *pro ‚vorwärts‘ oder *pró/éti ‚gegen‘ zu verbinden, doch bedeuten ai. pári und gr. perì eben nicht ‚durch‘, sondern ‚herum‘, und *próti ‚zu, gegen, gegenüber‘ wird später von Dunkel selbst (2007: 59) aus *pró + Abl.-Instr. *-ti erklärt. Eine Zweiteilung der Formen ohne willkürliche Trennlinie ist nicht möglich. 166 Dafür spricht auch die Metapher „des (hindernden) Grundes“ *pro ‚wegen‘ (s. Dunkel 1990b), die einen „uncontrollable emotional cause“ (166) ausdrückt und noch unverändert einmal im Gr. (Ilias 17.666 f.) belegt ist, während sie im Heth. (→2.4.1.5-4a), Ai. (purā in ṚV 3,30,10b), Av. (parō) und Lat. (prae) formal geneuert wurde. 167 Z. B. *prŏ neben *prō/*proH. Letzteres führt Dunkel (1994: 22) auf die Übertragung der thematischen Endung des Direktivs zurück, es wäre aber auch ein Instrumental *proh1 denkbar.
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Garcia Ramón (1997a) auch einen Funktionsunterschied zwischen den Homonymen *pr̥h2und *pr̥- ‚vorn daneben, vor‘ einerseits (≈ lat. prae) und *pro(h1)/*prō ‚vor(ne), vorwärts (von einem dahinter liegenden Punkt)‘ (≈ lat. prō) andererseits nach. In lat. prae und gr. paraí liege dabei ein Lokativ *préh2-i eines Kollektivums vor.168 Wahrscheinlicher dürfte es m. E. aber sein, dass auch zwischen *pr̥- und *pr̥h2- einmal ein Unterschied bestand, so könnten statische Ableitungen von unerweitertem *p(e)r- „vorne“ (u. ä.) bedeutet haben,169 die Zusammensetzung mit *o ‚zu‘ entsprechend *pr-o ‚nach vorne‘ (usw.), während *pr̥-h2(e/o) und seine Ableitungen als „vorne daran“ das Adverb *h2o/*h3e ‚an … heran, neben, bei‘ enthalten (so auch Dunkel 2007: 56: *pr̥ h2ó/i ‚vorne bei‘ in myk. paro, gr. parà, got. faur, keltib. are). Merkwürdig erscheint zunächst die terminativische Bedeutung von gr. pròs und ai. práti, die beide eine Komponente der Kontaktaufnahme aufweisen (s. Luraghi 2003: 284–297, Casaretto 2010). Da práti aber meist eine Bewegung vom Subjekt weg ausdrückt, erklärt sich die Bedeutung „entgegen“ leicht aus intrinsischem „vor-weg“ (*pro-ti!), d. h. ursprünglich wird beispielsweise jemand (jemandem entgegen) vorweggeschickt, das sekundär hinzugefügte oder sogar nur pragmatisch inferierte Ziel (jemandem entgegen) wurde dann zum Relatum umgedeutet. Neben dem Komplex der Anteriorität ist aber noch ein weiteres Bedeutungsfeld sehr gut belegt, z. B. auch durch die durch einfache Konversion abgeleitete Verbalwurzel * per‚durchqueren, überschreiten (besonders Wasser)‘. Als gemeinsamer Nenner von „jenseits“, „hinüber“, „durch“, „herum“, „draußen“ lässt sich ein Ziel ausmachen, das vom Lokatum durch das Relatum getrennt ist, welches durch Umgehung (gr. perì, ai. pári),170 Durchquerung (lat. per) oder Überschreiten einer Grenze, besonders zwischen Innen und Außen (*pro als Präverb171) überwunden wird. Es gibt zwei Möglichkeiten, die beiden Felder „vor“ und „jenseits“ zu verbinden: Wenn die Bedeutung „vor“ die grundlegende ist, leitet sich „jenseits“ aus einer Relation „vor der abgewandten Seite (des Relatums)“ ab. Im umgekehrten Fall (so Dunkel 2007: 55 f.: *per ‚durch, drüber, jenseits‘) ist „vor“ das Ergebnis des auf die abgewandte Seite des Relatums Gelangens. Es ist interessant, dass beide Erklärungsmöglichkeiten eine dominante gleichgerichtete Orientierung (⇒3.1.2) implizieren, denn die Vorderseite des Relatums ist vom Sprecher (bzw. Centrum deicticum) abgewandt. Dies weicht nicht nur von den modernen europä168 Im Gr. mit analog. Syllabifizierung nach anderen obliquen Kasus (Instr. in got. faura, Gen. in ai. purás). Gr. parà/paraì bedeuten deshalb nur ‚daneben, entlang‘,, da die Bedeutung ‚vorne‘ von pró übernommen wurde (García Ramón 1997a: 54–56). 169 Vgl. das archaische *pér-ut(-i) ‚im vorigen Jahr‘ (Delbrück 1893: 551 f.) mit der einfachen Bedeutung „vor“ in temporaler Metapher (nach dem Modell der Fremdbewegung, ⇒3.5.1). 170 Vgl. Hettrich (2002) zu ai. pári, das sich gewöhnlich mit mit dem Akk. der Erstreckung verbindet. Die Bedeutung ‚um … herum‘ ergab sich also ursprünglich erst aus der Konstruktion „um X herum (Akk.) zur abgewandten Seite (pári).“ 171 Vgl. Wackernagel (1928: 238 f.), der hier eine alte Bedeutung ‚weiter, heraus, weg‘ annimmt, die noch in gr., lat. und ai. Verbalkomposita belegt ist, später nach der Adposition zunehmend beseitigt wird. Gr. pro-íēmi entspricht tatsächlich genau ai. pra ni-, heth. =asta/=kkan prā n(a)i-i ‚aussenden‘, für das ebenfalls übereinstimmende toch. A pre s. Hackstein (1997: 42.45)
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ischen Sprachen ab, sondern wohl auch von den altindogermanischen, die bei statischen Konfigurationen vielmehr eine gegengerichtete Orientierung aufweisen, d. h. die Vorderseite des Lokatum ist dem Sprecher zugewandt (s. für das Heth. ⇒3.1.2.3). Wenn sich also keine andere nachvollziehbare Erklärung für den Befund finden lässt, zeigt die Sippe von *per- also den letzten Rest eines vorurindogermanischen Systems, das in allen Einzelsprachen verloren gegangen ist.172 D: Uranat. *per- ‚vor(ne)‘ und seine Ableitungen gehen auf die weit verzweigte Sippe eines uridg. Relators *per- mit zahlreichen präzisierenden Ableitungen zurück, der „vor“ oder „jenseits“ ausdrückt. Die beiden Bedeutungen sind dabei nur in einem vorurindogermanischen System mit gleichgerichteter Orientierung miteinander zu vereinbaren. istarna, istarni= ‚inmitten, zwischen‘ (⇒2.4.2.1) A: 1. istarniya- ‚mittig‘ 2. – 3. gr. stérnon ‚Brust, Herz‘ B: HEG (I: 435 f.), HED (I/II: 478–483), Kloekhorst (2008: 418 f.) C: Dieses Place Word ist nur im Hethitischen belegt und ersetzt das in den anatolischen Spra chen nicht belegte uridg. *énter/*n̥tér ‚innen (im Gegensatz zu außen)‘, eine verstärkte Form von *en ‚in‘ (s. Hettrich 1993 [1994] für das Ai.). Die Versuche, istarn- als *ens-ter-n- mit diesem zu verbinden, sind lautlich (†astarn-) wie morphologisch173 unglaubwürdig. Grundlage für istarn- ist vielmehr das Substantiv *sterno- ‚Brust, Herz‘174 in der metaphorischen Bedeutung ‚Inneres‘, wie bei katta/katti= ‚bei, mit‘ steht der Direktiv istarna mit Substantiv, der Dativ-Lokativ istarni= mit enklitischen Personalia. Vor dem Hintergrund der anderen Place Words und der Herleitung des Direktivs (⇒4.1.1.1) ist es wahrscheinlich, dass die beiden Formen von Anfang an funktionell gleich oder sehr ähnlich waren, ansonsten hätte auch nichts der Ausbildung eines Paares wie bei den korrespondierenden Place Words entgegengestanden. Formal liegt o-Stufe *storno- oder Schwundstufe *str̥no- vor, da ein *sterno- vielleicht erhalten geblieben wäre (vgl. erh- ‚Grenze‘ < *(h1)erh2-, s. Kloekhorst 2008: 246 f.). D: istarna bzw. istarni= sind Kasusformen zu einer metaphorisch verwendeten Körperteilbezeichnung *st(o)rno- ‚Brust‘. 172 Dies ist schon uridg. geschehen, vgl. heth. =ssan peran, das bei Flüssen einfache Nähe ausdrückt (→2.4.1.5-3), also ohne Bezug auf die dies- oder jenseitige Lage. Dass aber gerade peran und nicht katta oder manninkuwan verwendet wird, ist wohl noch eine formale Reminiszenz an altes *per- ‚jenseits‘. Ein weiteres Indiz könnte auch verstärkendes *per-/*pr̥(h2)-/*pro- liefern, das u. a. Lat., Gr., Arm. und Kelt. belegt ist und besser auf die Bedeutung „darüber hinweg“ als „durch und durch“ (mit nur impliziertem, aber nicht belegtem Āmreḍita!) zurückgeführt werden kann. – Wenn peran ursprünglich (auch) ‚jenseits‘ bedeutet haben sollte, wäre der Vergleich mit gr. pérān aus einem adverbiellem Ablativ-Instrumental *per-eh2m attraktiv (s. Dunkel 1997: 72). Dann müsste man allerdings eine von āppan verschiedene Herkunft annehmen, das wegen lyk. epñ sicher aus *op-em stammt. 173 Das verglichene gr. eis ‚in … hinein‘ < *ens ist sicher eine rein gr. Neuerung, s. Luraghi (2003: 72 f.). 174 Vgl. gr. stérnon. Ob dieses als „das Breite“ zu *sterh3- ‚hinbreiten, ausbreiten‘ (LIV: 599 f.) gehört, ist schwer zu entscheiden.
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arha ‚weg‘ (⇒2.5.1.1) A: 1. arahz ‚draußen‘ (⇒2.5.1.2), arahzanda ‚ringsum, außen herum‘ (⇒2.5.1.3), arhaya(n) ‚abseits, gesondert‘, arahza-, arahziya- ‚fremd‘, arahzena(nt)- ‚fremd, umliegend‘ (⇒2.6.4.1); vgl. erh(a)-/ar(a)h(a)- ‚Grenzgebiet, Umgrenzung‘ (mit Ableitungen) 2. kluw. āhha ‚weg‘(?), lyk. eri ‚weg‘(?), hluw. *arhadi ‚draußen‘, vgl. hluw. irha- ‚Grenze‘, kluw. irhatta- ‚Kreis‘ 3. ai. ārāt ‚von ferne‘, lat. ora, air. or ‚Grenze, Rand, Küste‘, lat. re(d)- ‚zurück-, weg-‘ B: HW2 (A: 238, 287, 289), HEG (I: 55 f.), HED (I/II: 129–135), Kloekhorst (2008: 245– 247), Melchert (1993: 91), Neumann (2007: 67 f.) C: Dieses fast ausschließlich als Präverb verwendete Place Word basiert auf dem umgedeuteten Direktiv arha des Substantivs erh(a)-/ar(a)h(a)- ‚Grenzgebiet, Umgrenzung‘, während das Adverb arahz auf einen alten Ablativ zurückgeht. In Anbetracht der typologischen Parallelen175 ist für arha und arahz eher konkretes „zur/von der Umgrenzung“ als abstraktes „zur/ von der Grenze“ als Quelle anzunehmen, wobei „weg“ bei arha zunächst pragmatisch inferiert und später Teil der Bedeutung wurde. Die Entwicklung von arha war spätestens im Althethitischen abgeschlossen, fand in den anderen anatolischen Sprachen aber nicht statt, es sei denn, dass sehr unsichere lykische Präverb eri und das bisher als ‚wie‘ gedeutete kluw. Adverb āhha176 wurden richtig als Entsprechung von arha bestimmt. Die Umdeutung zu „draußen“ findet sich hingegen auch im Hieroglyphen-Luwischen, wo ein regulärer Ablativ-Instrumental *arhadi „von/an der Umgrenzung“ > ‚draußen‘ Grundlage der Adjektive FINEShariya- (CEKKE §15) und FINES-tili- (BABYLON 1, §12) = arahzena- und von FINEShitin(a) „in der Fremde“ (KARKAMIŠ A6, §3) ist. Die formale Seite ist weitaus schwieriger zu bewerten, 177 wie die Belege für das zu Grunde liegende Substantiv zeigen, wozu Formen wie erhas, erhās, arhān, erhan, arhi, erhi und erhaz gehören. Kloekhorst (2008: 247) rekonstruiert einen ablautenden h 2-Stamm *h1érh2 (Nom. Sg.), *h1r-éh2-m (Akk. Sg.), *h1r̥-h2-ós (Gen. Sg.), der später thematisiert wurde. arahz gehe dabei auf den Stamm *h1r-éh2- + *-ti zurück.178 Abgesehen davon, dass ein solches holokinetisches Akzent-/Ablautschema generell kaum zu belegen ist, wären in diesem Ansatz keine e-stufigen Formen übrig geblieben, lautgesetzlich hätten sich *ar, *arān, 175 Vgl. Manzelli (1995: 70 f.), der verschiedene Entwicklungswege für „draußen“ im Bsl. beschreibt, z. B. aus „Feld“ (ostbalt., serbokroat.), „Luft“ (Lit., Altpreuß.), „Hof“ (slaw.) und „Straße“ (Bulgar., Tschech. Russ.). Im Ka schubischen trat interessanterweise eine gegenläufige Entwicklung ein (buten ‚draußen‘ > butno ‚Hof‘). 176 So. I. Yakubovich in dem Vortrag „Reading of the Anatolian Hieroglyph *216 (ARHA)“ (gehalten auf dem 8. ICH in Warschau, 06.09.2011). Die Neuinterpretation kann einige Textstellen gut erklären, andernorts bleibt aber ein āhha ‚wie‘ nötig, so dass der gesamte Ansatz auch wegen der nicht-lautgesetzlich Entwicklung (möglicherweise als Allegroform) unsicher bleibt. 177 Das Ableitungssuffix in arhaya(n) ist weiter völlig unklar. Puhvel (135) vergleicht priyan zu prā, doch wäre dann ein *arhiyan zu erwarten. 178 Ansonsten wird arahz gewöhnlich als *arhz mit Anaptyxe erklärt, die durch die paradigmatische Isolierung des Adverbs nicht rückgängig gemacht wurde. Kloekhorst (2008: 246) weist aber zu Recht darauf hin, dass sich in vergleichbaren lautlichen Kontexten sonst nie eine solche Anaptyxe findet, die Form muss also morphologisch erklärt werden.
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*arhās und beim denominalen Verb *arrae-zi ( *erhs/z → thematisiert erhas, Gen. *ér-h2-s → *érh2-os (mit produktiver Gen.-Endung) > *erras oder *arras179 → e/arhas, Lok. *or-éh2 > *arā, im gedeckten Auslaut bei Antritt des Ablativ-Instrumentals *-ti hingegen arah-z, das somit eine fast genaue Gleichung mit ai. ārāt (< *ēr-éh2-t(i) mit verallgemeinertem starken Stamm) darstellt (vgl. Hackstein 2007: 137). Da die thematisierten Formen teilweise Endungsbetonung aufweisen, handelt es sich bei ihnen wohl ursprünglich um eine Ableitung *(o)r-h2-ó-.180 Luw. irha- und das Verb heth. irhae-zi erklären sich so durch den starken Stamm, lat. ōra aus einer Ausgleichsform *ōreh2 mit der Länge des Nominativs/Akkusativs und der R(o) des Lokativs. Das vielfach mit arha verbunden lateinische Präverb re(d)- ‚zurück-, weg-‘181 wäre nur über eine Wurzeletymologie als adverbieller Ablativ-Instrumental *r-eh1(-)d zu vereinbaren, doch bleibt in diesem Fall nicht mehr Material als ein r zum Vergleich übrig, was natürlich keine Sicherheit bietet. Heth. arahzanda ist eine morphologisch und semantisch durchsichtige Zusammenrückung aus arahz und anda (s. o.), während die Adjektive arahza-, arahziya- und arahzena(nt)- von arahz mittels der Suffixe *-o-, *-i()o- und *-éno- abgeleitet sind. D: arha und seine verwandten Bildungen beruhen auf Kasusformen des hethitischen Substantivs für „Grenze“, dessen formale Analyse trotz außeranatolischer Vergleichsformen sehr schwierig ist und das vermutlich aber auf einen akrostatischen h2-Stamm zurückgeht. menahhanda ‚entgegen, gegenüber, in Blickrichtung auf‘ (⇒2.5.4) A: 1. vgl. meni-, mena- ‚Gesicht, Wange‘, hant- ‚Stirn‘ (⇒4.1.4.3) 2. – 3. – (s. u. zu hant-) B: CHD (L-N: 288), HEG (II: 194 f.), HED (VI: 145–147), Kloekhorst (2008: 576)
179 Nach Melchert (1994: 83) ist a zu erwarten. Kloekhorst (2008: 246 f.) geht hingegen von einer Erhaltung von *e aus, sein Beispiel ist aber gerade das vorliegende Wort. 180 Die Bedeutungsverteilung könnte ursprünglich *ē/er-h2- ‚Grenze, Rand‘ (lat. ora) – *(o)r-h2-ó- ‚Grenzgebiet‘ gewesen sein, doch dies ist nicht mehr nachzuweisen. 181 Vgl. besonders Bsp. wie reseco ‚abschneiden‘ und relego ‚wegschicken‘. Die Bedeutung ‚weg-‘ könnte dabei älter sein als ‚zurück-‘ (vgl. gr. apò, s. o. die Besprechung von āppa(n)).
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C: Dieses Place Word ist eine Neuschöpfung des Hethitischen. Funktional entsprechen kluw. dāwiyan (Melchert 1993: 225) und lyk. ñtewẽ (Neumann 2007: 251 f.), die auf urluw. *tō(g)o- ‚Auge‘ (heth. sākuwa-) aufbauen. Das hethitische Wort wird allgemein als Kombination der Wörter „Gesicht“ und „Stirn“ gedeutet, wurde in Bezug auf die Wortbildung aber ganz verschieden analysiert, z. B. als Dvandva- oder Tatpuruṣa-Kompositum oder als Zusam menrückung aus Direktiven, was insgesamt aber keine befriedigende Lösung bietet (s. Brosch 2008: 72 für Details). Einen ganz anderen Ansatz haben Starke (1977: 191 f.) und Ni kolaev (2010). Nach Starke handelt es sich um eine postpositionelle Phrase *menan handa „dem Gesicht entsprechend“.182 Auch wenn die Begründung für diesen Ansatz, menahhanda habe nur statische Funktion, falsch ist und man aufgrund des Genetivs im Plural eher ein „gemäß den Gesichtern“ ansetzen muss, ist diese Analyse formal und funktional einwandfrei und erklärt auch, warum es keine gesonderten Varianten für dynamische und statische Konfigurationen gibt, da die Information, dass die Vorderseiten von Lokatum und Relatum einander zugewandt sind, in dieser Hinsicht völlig neutral ist. Nikolaev deutet menahhanda hingegen als *men-eh2 endo „ins Gesicht“, was sich gut mit lyk. ñtewẽ < *en tō(g)om oder *n̥do tō(g)om (mit Haplologie) „ins Auge/Gesicht“ vergleicht.183 *men-eh2 sei Direktiv zu einem athematischen *men- ‚Gesicht‘ (Nikolaev 2010: 65), wie Kapitel 4.1.1.1 aber gezeigt hat, ist dessen Endung als *-o zu rekonstruieren. Man könnte natürlich stattdessen einen endungslosen Lokativ eines eh2-Stammes annehmen, schwerer wiegt aber der Einwand, dass ein *meneh2 n̥do der hethitischen Syntax widerspricht, die ein anda mena verlangen würde. Heth. meni- (alter Dual) bzw. mena- (Kollektiv) wurden teils mit lat. mentum ‚Kinn‘, teils mit luw. m(a)nā-ti ‚sehen, anschauen‘ (s. Melchert 1993: 135) verglichen. Angesichts des häufigen Übergangs „Blick“ → „Gesicht“ scheint die zweite Etymologie wahrscheinlicher. Ob *mn-eh2- ‚sehen, anschauen‘ wirklich zur Wurzel *men- ‚warten‘ (LIV: 437) gehört, ist aber zweifelhaft.184 Die Sippe von hant- wird in Kapitel 4.1.4.3 gesondert besprochen. D: Heth. menahhanda geht auf eine Postpositionalphrase *menan handa „gemäß den Gesichtern“ zurück. 4.1.4.3 Andere Adverbien andurz ‚(dr)innen‘ (⇒2.4.3.1) A: 1. antūriya- ‚innen befindlich‘ (⇒2.6.4.1) 2. – 182 Zum postpositionellen Gebrauch des erstarrten Direktivs vgl. kuit handa „weswegen“. Der Einwand Nikolaevs (2010: 64), dass handa erst mittelheth. belegt ist, wiegt nicht schwer genug. Aufgrund seiner Direktiv-Endung muss die Bildung älter sein, auch wenn sie in alten Texten (zufällig) nicht belegt ist. 183 Wenn tewẽt in TL 44a, 53 in +tewe ñte emendiert werden darf, hätte man sogar eine parallele Wortstellung. Luw. dāwiyan ist laut Melchert Akk. Sg. c. eines Adjektivs *tawi(ya)-. Es müsste sich dann wie im Lyk. um einen Akkusativ der Richtung handeln. 184 Im Gegenzug wäre es aber denkbar, dass „sehen“ sich zu „warten“ entwickelt, vgl. die Redewen dung Schauen wir mal i. S. v. Warten wir ab, wie sich die Dinge entwickeln.
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3. vgl. gr. thúra, lat. fores, dt. Tür B: HW2 (A: 123), HEG (I: 37 f.), HED (I/II: 83 f.), Kloekhorst (2008: 188) C: Da trotz des inhaltlichen und auch formalen Anklangs eine Verbindung dieses Wortes mit idg. *énter/*n̥tér ‚innen (im Gegensatz zu außen)‘ lautlich nicht möglich ist (†antar), wird andurz und das auf der gleichen Grundlage basierende antūriya- seit E. Sturtevant mit dem indogermanischen Wort für die Tür, *dhur-/*dhor-,185 verglichen, s. die Diskussion bei Brosch (2008: 95 f.). Dort wird die erwähnte Basis als Zusammenrückung der Kollokation *en dhr̥ „drinnen, in(nerhalb) der Tür“ erklärt. Ein schwundstufiger endungsloser Lokativ ist zwar sehr ungewöhnlich, gerade bei diesem Wort, das stets in der o- oder Schwundstufe er scheint, aber belegt, vgl. arkad. thúr-da = gr. thúraze „zur Tür (hinaus)“. Wie die Sandhi-Form andurzi=ya „und drinnen“ zeigt, ist die Endung -z als statischer Ablativ der Orientierung (⇒2.1.2.3) zu deuten. Das Adjektiv hluw. antatili- ‚innerer‘ (a-tá-ti-li-i-, BABYLON 1, §11) basiert auf einem funktional vergleichbaren (*)antadi zu luw. ānta ‚(dr)innen, hinein‘,186 ebenfalls mit Ablativ-Instrumental (vgl. *arhadi ≈ heth. arahz ‚draußen‘, ⇒2.4.1.2). Daher ist der Ansatz von Joseph (2000), andurz enthalte als Endung optionales adverbielles *-s wie z. B. *kwetr̥-s ‚viermal‘ (lat. quater) oder *g̍hde-s ‚heute‘, abzulehnen. Das Adjektiv antūriya- muss zu einem Zeitpunkt abgeleitet worden sein, als die Bildung noch morphologisch durchsichtig war. D: andurz und antūriya- basieren auf einer Zusammenrückung *en dhr̥ „drinnen, in(nerhalb) der Tür“, die zu einem ‚innen (im Gegensatz zu außen)‘ verallgemeinert wurde. man(n)inkuwan ‚nahe‘ (⇒2.4.3.2) A: 1. man(n)inkuwa(nt)- ‚kurz‘ mit weiteren Ableitungen (⇒2.6.4.2) 2. kluw. mannakun(a)- ‚kurz‘ 3. lat. manus ‚Hand‘, propinquus ‚nahe‘, ai. pratyáñc- ‚zugewandt‘ B: HEG (II: 123–125), HED (V: 52–58), Kloekhorst (2008: 554), Melchert (1993: 136) C: Dieses Wort wird allgemein als adverbieller neutraler Nominativ-Akkusativ Singular des Adjektivs man(n)inkuwa- oder von dessen synonymer Erweiterung man(n)inkuwant- angesehen. Die Bedeutungsentwicklung „kurz“ → „nahe“ ist gut nachvollziehbar, Schwierigkeiten bereitet jedoch die Fülle verschiedener Schreibungen (ma-(an-)ni-(en/in-)ku-(u-)wa-(a-)an, s. CHD L-N: 171–173), die sich nur sehr schwer zeitlich ordnen lassen. n für nn scheint tendenziell etwas jünger, selteneres -ku- neben -nku- lässt sich aber nicht erklären. Auch wenn ererbtes n in dieser Position nicht schwinden sollte 187 und aufgrund von n in der vorausgehenden
185 Das Wort erscheint teils als Plurale tantum. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass es in den anatolischen Sprachen sonst nicht bezeugt ist. 186 Im Heth. gibt es zu anda formal keine adjektivische Bildung, dies wird von antūriya- übernommen. In ASSUR f+g, §37 ist das Wort evtl. direkt belegt. 187 Dies geschieht nur, wenn ein weiterer Konsonant folgt, bei Vokalen bleibt es jedoch erhalten, vgl. likzi „schwört“ – linkanzi „schwören“ (*lengh-, s. Kloekhorst 2008: 87).
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und folgenden Silbe hier parasitisch sein könnte, führt kluw. mannakun(a)-188 mit den hethitischen Formen zu einem uranatolischen Stamm *ma/onnenKwo- zurück, denn luw. -a- und heth. -i- sind nur über *e /_nC vereinbar, und uranat. *gw wäre in ungeschützter Position im Luwischen zu geworden (vgl. u- ‚trinken‘ < *egwh-), während *kw im Hethitischen als -kkuerscheinen müsste.189 Das nicht weiter etymologisierbare Element *-enKwo- ist auf diese Weise mit lat. prop-inquus und ai. athematischem praty-áñc- vergleichbar, doch der erste Bestandteil des Wortes bleibt unklar. Im Vergleich mit den anderen Sprachen würde man einen Raumausdruck erwarten, aber für *ma/on- bietet sich kein befriedigendes Etymon an. Am wahrscheinlichsten scheint noch die Verknüpfung mit lat. manus ‚Hand‘ (vgl. Neu 1980b), wobei -nn- aber weiterhin unerklärt ist. D: Die Sippe von man(n)inkuwa- ‚kurz, nah‘ geht möglicherweise auf ein *man-enkwo- „bei der Hand“190 zurück, es bleiben aber ungelöste formale Probleme. tuwa- ‚fern‘ (⇒2.4.3.3) A: 1. tuwa ‚fern, weit; in die Ferne‘, tuwaz ‚von weitem, aus der Ferne‘, tuwān ‚später, unlängst; in eine andere Richtung‘, 191 tuwānt(a) ‚in eine andere Richtung ?‘, duwān … duwān ‚in verschiedene Richtungen‘, duwān prā ‚eine lange Zeit davor‘; tuwala- ‚entfernt‘ 2. kluw. tūwazza- ‚weit??‘ 3. gr. dēn, arm. erkar, lat. dūdum ‚lange‘, ai. dūrám ‚weit weg‘ u. a. B: HEG (III: 486–492), Kloekhorst (2008: 904), Melchert (1993: 240) C: Die Grundbedeutung dieser Wortsippe ist lokales „fern, weit“, von wo aus sich die temporale Bedeutung „lange Zeit“ und auch „spät“ (vgl. lat. sērus ‚spät‘ zu air. sír ‚lang‘, s. Melchert 2008b: 205) erklären. Die Bedeutung „in eine andere Richtung“ ist in der korre lativen Konstruktion duwān … duwān, ursprünglich „eine Strecke … eine (andere) Strecke“ entstanden und später teilweise auf das Simplex übertragen worden. Sprachvergleichend kann man eine Form *deh2m ‚eine lange Strecke/Zeit‘ (Akk. Sg.) für die Grundsprache ansetzen, die durch die Lex Stang in den Einzelsprachen als *dām erscheint. Als dessen Basis wird ein Abstraktum *deh2- ‚Erstreckung‘ mit einer adjektivischen Ableitung *deh2-ro- (gr. dērós ‚langwierig‘) angenommen, doch hat Dunkel (1997: 70 f.) eine interessante Alternative aufgezeigt, indem er eine verbale Wurzel mit der Bedeutung „trennen“ aus einem Faktitiv *d-eh2- „in zwei machen“ als Etymon ansieht, *deh2m sei dazu ein adverbieller Ablativ-Instrumental „aus/mit Trennung“ → ‚fern‘ (⇒4.1.1.4). Da es keine zusätzliche Evidenz gibt, sind beide Etymologien gleichermaßen möglich, Dunkels An188 Das Wort geht wohl auf ein sekundär flektiertes Adverb *mannakuwan mit Synkope zurück und ist nur im Ablativ-Instrumental mannakun(ā)ti belegt. In KUB 35.54 III 10 (jH/kluw.) ist es eindeutig ein Adjektiv, an den beiden anderen vollständigen Belegstellen könnte es sich hingegen um adverbiellen Gebrauch handeln. 189 Die Formen mit -ik- sind dann als dissimiliert zu verstehen. Wenn man man(n)inkuwan von man(n)inkuwant- ableitet, wäre theoretisch auch ein athematischer Stammansatz möglich. 190 Vielleicht handelt es sich um eine komplette abgeleitete Phrase *man(-)en kwo- „was bei der Hand ist“. 191 Der Diskussion liegt die überzeugende Neubestimmung von tuwān und seinen Verbindungen durch Melchert (2008b, mit Ergänzungen in Kap. 2.4.3.3) zu Grunde. Für ältere Ansätze s. das HEG.
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satz erlaubt eine morphologische Analyse, muss im Gegenzug aber mit einer schon grundsprachlichen Idiomatisierung rechnen. Zu dem lautgesetzlich fortgesetzten tuwān, das unabhängig von seiner Etymologie als Akkusativ aufgefasst wurde, wurden wohl erst im Anatolischen oder Hethitischen analogisch ein Ablativ tuwaz und ein Direktiv tuwa192 gebildet, während der Status der seltenen Form tuwānt(a) nicht klar ist, vielleicht handelt es sich um einen zusätzlichen angefügten Instrumental. Einzelsprachlich ist vielleicht auch die Ableitung tuwala-. Bei kluw. tūwazza- ist nur klar, dass es ein Epitheton von „Erde“ ausdrückt. Die Bedeu tung ‚weit‘ ist daher bloße Vermutung und nur auf den lautlichen Anklang an heth. tuwa- gestützt. D: Heth. tuwān und seine einzelsprachlichen ergänzenden Bildungen basieren auf einem urindogermanischen Adverb *deh2m ‚eine lange Strecke/Zeit‘, das sich auf verschiedene Arten weiter etymologisieren lässt. āska- ‚draußen‘ (⇒2.5.2) A: 1. āskaz ‚(von) draußen‘, āska ‚nach draußen‘; vgl. āska- ‚Tor‘ 2. – 3. – B: HW2 (A: 421), HEG (I: 84), HED (I/II: 212–215), Kloekhorst (2008: 221 f.) C: Wie in Kapitel 2.5.2 dargelegt wurde, haben Kasusformen des Appellativums für „Tor“ im Hethitischen die Bedeutung „draußen“ angenommen.193 Der Direktiv drückt dabei ZIEL, der Ablativ ORT und QUELLE aus. āska- war bis vor Kurzem etymologisch völlig isoliert. Durch das Lautgesetz *#Ho > 194 #a ist nun ein innerhethitischer Anschluss an hās-/hass-i ‚öffnen‘ möglich (als *h2osko‚Öffnung‘), doch ist auch dieses Verb ohne Etymologie (s. Kloekhorst 2008: 321 f.). D: Heth. āskaz und āska sind synchron durchsichtig, können aber über das Hethitische hinaus nicht etymologisiert werden. hant- ‚vorne; gemäß‘ (⇒2.5.3.1–3) A: 1. handa, handas ‚gemäß‘, hanti ‚getrennt, gesondert‘, hanti hanti ‚zu gleichen Teilen‘, hanz ‚vorne, von vorne‘, =kkan hantiyae-zi ‚bevorzugt behandeln, protegieren, versorgen‘, 192 Der Dir. eines eh 2-Stammes müsste regulär *-ahha lauten (< *-eh2-o), doch ist hier stets paradigmatischer Ausgleich anzunehmen. Melchert (1984a: 30) hält tuwa stattdessen für den endungslosen Lokativ, was formal möglich ist. Allerdings sind auch in den anderen Sprachen außer dem vermeintlichen Akk. keine Kasusformen von *deh2‚Erstreckung‘ fortgesetzt, was für eine frühe paradigmatische Isolierung und damit für Dunkels Ansatz spricht. 193 Über „vom Tor herein“ = „von draußen“, „zum Tor (hinaus)“ = „nach draußen“. Vgl. typologisch die bei arha (⇒4.1.4.2, S. 376, Fn. 175) angeführten Bsp. 194 Während *#h2/3e > #ha, s. Kloekhorst (2008: 75 f.). Auch wenn es der Intuition widersprechen mag, * h3e anders zu behandeln als *h3o, löst dieser Ansatz nicht nur im Anat. Probleme. Die zu Grunde liegende Annahme, durch La ryngal umgefärbtes *o sei verschieden von ablautbedingtem *o gewesen, erklärt auch die Crux ai. ápas- ‚Werk‘ (lat. opus), bei dem anders als bei ursprünglichem *o keine Längung nach der Lex Brugmann eingetreten ist.
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hantezzi(ya)- ‚erster‘, handae-zi ‚ordnen‘ (⇒2.4.6.2, dort auch zur Etymologie); vgl. hant‚Stirn, Vorderseite‘ 2. vgl. hluw. hant- ‚Stirn, Vorderseite‘, luw. hantili-, hluw. hanti- ‚erster‘, FRONS-ti ‚gegen‘, luw. handawat(i)-, lyk. xñtawat(i)- ‚Autorität, König‘ (mit Ableitungen) 3. gr. antì ‚gegen(über)‘, ai. ánti, lat. ante ‚vor‘ u. a. B: HW2 (Ḫ: 161), HEG (I: 84), HED (III: 89–96), Kloekhorst (2008: 287–289, 292), Melchert (1993: 52 f.), Neumann (2007: 128–130), Delbrück (1893: 740 f.) C: Ein Wurzelnomen *h2ent- wurde schon vor Entdeckung des Anatolischen als Grundlage zahlreicher räumlicher Ausdrücke postuliert und ist im Hethitischen und Hieroglyphen-Luwischen tatsächlich auch direkt belegt. Die Metapher von „Stirn“ über „Vorderseite“ zu „vorne“ ist dabei typologisch weithin belegt. Interessanterweise haben die verschiedenen Kasusformen im Hethitischen überwiegend keine räumliche Bedeutung, was für eine getrennte Entwicklung des Wortes im Uranatolischen und Späturindogermanischen spricht. Letzteres hat das Appellativum schon voreinzelsprachlich aufgegeben. Da das Genus von hant- nicht geklärt ist, sind handa und handas mehrdeutig, während hanti den regulären Dativ-Lokativ darstellt. Wie bereits in Kapitel 2.5.3.2 erwähnt, könnte die ältere lokale Bedeutung „an der/zur Vorderseite“ → ‚entgegen‘ noch in hanti tiye/a-zi ‚vor Gericht bringen‘ („(im Streit) gegenübertreten“) vorliegen, wozu auch hluw. *hanti ‚gegen‘, gr. antì usw. passen. Die erst junghethitisch belegte Form hanz könnte einen Ablativ *h2ent-ti oder einen Lokativ *h2ent-i fortsetzen, bei dem die Assibilierung wegen der paradigmatischen Isolation nicht analogisch verhindert wurde. Die synonyme junghethitische Ableitung hanzan ist morphologisch obskur. Laut HW2 (Ḫ: 195) liegt Analogie nach andan vor, doch ist ḫa-anza als [Xants] nicht einfach mit an-da [ənda] zu vergleichen.195 Die räumliche Metapher „vorne“ liegt auch in den verschiedenen adjektivischen Ableitungen mit der Bedeutung „vorderster, erster“ vor. Im Hethitischen wurde dabei das produktive Suffix -ezzi(ya)- verwendet (vgl. apezzi(ya)- in Kap. 4.1.4.2). D: Die verschiedenen Ableitungen von hant- zeigen im Anatolischen eine weitgehend von den anderen indogermanischen Sprachen unabhängige Behandlung. Nur der Lokativ *h2ent-i dürfte wohl schon grundsprachlich auch eine Bedeutung ‚gegen‘ entwickelt haben. tapus- ‚seitlich‘ (⇒2.5.5) A: 1. tapusz ‚an/von der Seite, neben‘, tapusa, tapus ‚an der/zur Seite, neben‘; vgl. tāpū(wa)ss- ‚Rippe, Seite, Ufer‘ 2. – 3. vgl. dt. Stab B: HEG (III: 138–140), Kloekhorst (2008: 832) 195 Nach Puhvel (HED III: 91) handelt es sich um einen analogischen Akk. Sg. nach dem Nom. hant-s (vgl. ekzan zu ekt- c. ‚Fangnetz‘ nach dem Nom. ekz), wodurch man zugleich das Genus von hant- als Commune bestimmen könnte.
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C: Es handelt sich eindeutig um einen Ablativ und einen Direktiv zu einem s-Stamm tapus-,196 dessen Zusammenhang mit der Körperteilbezeichnung tāpū(wa)ss- ‚Rippe‘ Kloekhorst zu Unrecht ablehnt, da auch das semantische Bindeglied ‚Rand, Ufer‘ belegt ist, von wo aus sich eine Bedeutung „neben“ leicht entwickeln kann. Auffällig sind allerdings die unterschiedlichen Stämme, denn während bei der übertragenen Bedeutung die Schreibung tapus° (selten tapūs°) vorherrscht, findet sich beim Appellativum Pleneschreibung von a und u. Diese Unterscheidung ist möglicherweise auf alten Ablaut und die Grammatikalisierung der einzelnen Kasusformen zurückzuführen. Etymologisch ist das Wort unklar. Das von Oettinger (s. HEG III: 139 f.) rekonstruierte amphikinetische Paradigma *(s)tébh-os, *(s)təbh-us-és zu einer Wurzel *stebh- ‚steif‘ kann die Mehrzahl der Formen erklären und scheint auch semantisch akzeptabel, wenn auch nicht zwingend (‚Rippe‘ < „das Steife“). Der Ansatz erklärt aber weder ā – es sei denn, es gilt *ebh > *apw – noch ū, sofern der endungslose Lokativ tapus < *(s)təbh-és hier nicht Vorbild war. Weniger Zusatzannahmen würde die Rekonstruktion eines proterokinetischen *Téh2/3b(h)os, *Th2/3b(h)-é-s erforderlich machen, doch fehlt ein passendes Etymon. D: Die Bedeutungsentwicklung von tapus- im Hethitischen ist klar, seine Etymologie stellt aber weiterhin ein ungelöstes Problem dar. iskis- ‚im Rücken, hinten‘ (⇒2.5.6) A: 1. iskisa ‚(nach) hinten‘, iskisaz ‚(von) hinten‘; vgl. iskis- ‚Rücken‘ 2. – 3. gr. iskhíon ‚Hüfte‘ B: HEG (I: 400–402), HED (I/II: 424 f.), Kloekhorst (2008: 402) C: Erst in der jüngeren Sprache findet sich marginal eine übertragen-lokale Verwendung von Kasusformen der Körperteilbezeichnung für „Rücken“. Wenn die Form iskisa nicht Nominativ-Akkusativ Plural ist, sondern ein Direktiv, wäre diese als versteinerte Kasusform aber auf die ältere Sprache zurückzuführen und nur zufällig nicht in alt- oder mittelhethitischen Texten belegt. Das einzige bekannte Comparandum ist gr. iskhíon, das sich als *is(g̍)h-is-o- mit dem hethitischen s-Stamm verbinden ließe, wenn nicht eine gemeinsame Entlehnung aus unbekannter Quelle vorliegt (so Kloekhorst). Es ist allerdings unklar, wie der Übergang „Rücken“ → „Hüfte“ zu motivieren ist. D: Der Erbwortcharakter von heth. iskis- ist nicht gesichert, seine marginale räumliche Verwendung ist vielleicht erst ein junghethitisches Phänomen.
196 Das Hapax tapus ist nur in einem jungen Text belegt (KBo 13.20 7'; mH?/jS). Da der endungslose Lokativ in dieser Zeit nicht mehr produktiv ist, kann es sich um einen Archaismus handeln, doch ist eine junge Analogiebildung nicht auszuschließen (s. Neu 1980a: 41).
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taksan ‚in der Mitte, zusammen, gemeinsam‘ (⇒2.5.7) A: 1. vgl. taks-zi ‚(zusammen)fügen, unternehmen‘, taksan- ‚Fuge, Mitte‘ 2. – 3. vgl. lat. texo ‚weben, flechten, zusammenfügen, bauen‘, arm. hiwsem ‚flechten‘ B: HEG (III: 43–45), Kloekhorst (2008: 813–815) C: taksan ist eine zum Adverb erstarrte Kasusform des Substantivs taksan-, einer Ableitung des Verbums taks-, das wiederum ein schon grundsprachliches Desiderativ zur Wurzel *tek‚weben, flechten‘ (LIV: 619 f.) darstellt. Die Bedeutungsentwicklung führt über „fügen“ → „Fuge“ → „Mitte“ zu lokalem „zusammen“197 und darüber zu komitativem „gemeinsam“. Nach Neu (1980a: 13–15) handelt es sich bei taksan aber nicht um einen endungslosen Lokativ, sondern um einen Nominativ-Akkusativ Singular. Semantisch würde ein Lokativ zwar gut passen, er ist aber über das Adverb hinaus nicht zu sichern. D: Heth. taksan ist der Nominativ-Akkusativ von taksan- ‚Fuge‘, der einen lokalen und komitativen Sinn „zusammen, gemeinsam“ angenommen hat. ketkar ‚zum/am Kopf(-ende)‘ (⇒2.6.1.1) A: 1. ketkarz, ketkar(a)s ‚dss.‘ 2. – 3. gr. epì kár ‚auf den Kopf, kopfüber‘, anà kár ‚aufwärts‘ B: HEG (I: 596 f.), HED (IV: 201 f.), Kloekhorst (2008: 473) C: Es handelt sich hier um eine Zusammenrückung aus dem lokalen Demonstrativum kēt ‚diesseits‘ (< *k̍éh1ti, ⇒4.1.1.2) und einem endungslosen Lokativ *kar „am Kopf“,, also um eine partitivische Apposition „hier zu Häupten“ (s. Neu 1980a: 23 f.). Auf ketkar= folgen allerdings Possessiva im Nominativ-Akkusativ Singular neutrum, doch kann Melchert (2009a: 617) dies als Analogie durch die formale Ähnlichkeit zu den zahlreichen heteroklitischen Neutra auf -ar erklären, ähnlich wie der alte Lokativ ser nach *ker ‚Herz‘, *per ‚Haus‘ u. a. neutrale Kongruenz angenommen hat.198 In der jüngeren Sprache wird die Form durch Kasusendungen recharakterisiert, zum Einen durch den Ablativ zu ketkarz199, zum Anderen wohl durch den Dativ-Lokativ Plural zu ketkar(a)s. Die ungewöhnliche Schreibung von letzterem (-kar-aš) könnte für eine Lautung /ketkars/ sprechen, doch ist diese Form nicht sinnvoll zu interpretieren, es sei denn als alter Genetiv -s. Da diese Form in älteren Texten aber nicht belegt ist, ist dies aber unwahrscheinlich; es könnte auch eine Metanalyse von ketkar vor enklitischen Possessiva, die ja mit Ausnahme der ersten und zweiten Person des Singulars mit s beginnen, vorliegen.
197 Wohl über Wendungen wie „sich in der Mitte treffen“ → ‚zusammenkommen‘ u. ä. 198 ketkar=si im jungheth. Manuskript KUB 30.16+ I 9 könnte man mit Melchert (1977: 206) zwar zu ketkar=si‹t› emendieren, vielleicht zeigt es aber auch noch den Rest der alten lokativ. Rektion. 199 Die Rückführung dieser Form auf ketkar + adverbielles *-s (Joseph 2000) ist wegen des parallelen andurz (s. o.), das sicher die Ablativ-Endung aufweist, unwahrscheinlich.
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Das Hinterglied wird mit gr. kár den Wendungen epì kár (Homer) und anà kár (Hippokrates) verglichen, das auf einfaches *k̍r̥ zurückgehen muss und dann im Vergleich zu den anderen Wörtern für „Kopf“, die alle *h2 aufweisen, schon grundsprachlich einen Archaismus (wohl in Komposition) dargestellt haben (s. Prins 1997: 202 f., gegen Nussbaum 1986: 79 f.). D: ketkar(-z/s) ist eine Zusammenrückung aus nah-deiktischem ket und einem archaischen Wort für „Kopf“. 4.1.4.4 Weitere Ausdrucksmittel In diesem Kapitel werden einige Adverbien, die nicht zu den Place Words gehören oder nur indirekt einen räumlichen Bezug haben, Adjektive sowie die Demonstrativpronomina besprochen. kunna- ‚rechts, günstig‘ und GÙB-la- ‚links, ungünstig‘ (⇒2.4.3.5) A: 1. verwandte Formen und Ableitungen im Hethitischen 2. vgl. kluw. ipala/i- ‚links‘, ipalāt(i)- ‚Bösartigkeit‘, iparwassa/i- ‚westlich‘ 3. ai. śunám ‚zum Segen‘, aksl. svętъ ‚heilig‘ u. a.; ai. śávas- ‚Kraft‘, śūra- ‚Held‘; evtl. uridg. *ebh- ‚eingehen, eindringen‘ B: HEG (I: 631–633), HED (IV: 245–248), Kloekhorst (2008: 493 f.), Melchert (1993: 90) C: Die Ausdrucksmittel der horizontalen Orientierung sind eng mit den Komplexen der Händigkeit, moralischen Wertung und Himmelsrichtungen verbunden. So meinen zum Einen Bezeichnungen für „rechts“ und „links“ nicht in erster Linie abstrakte Orientierungen, sondern die rechte und linke Hand (vgl. Das mache ich mit links). Zum Anderen werden diese Adjektive nicht nur zur Bewertung verwendet (vgl. recht tun, linkisch), sondern umgekehrt werden immer wieder, aufgrund von Tabus sogar in besonderer Häufigkeit, moralisch wertende Ausdrücke für die Bezeichnung der Hände verwendet. 200 Zum Dritten kann eine Richtung durch ein in Analogie zum menschlichen Körper gebildetes Koordinatensystem bezeichnet werden. Dies gilt nicht nur für situationsabhängige Angaben wie linker/rechter Hand, sondern bei der kulturspezifischen Annahme einer kanonischen Orientierung auch für Himmelsrichtungen. Die häufigste Orientierung, die man auch für das Urindogermanische ansetzen kann, ist die nach Osten zur aufgehenden Sonne hin (vgl. Huisman 1954: 97), wo „vorne“ entsprechend den Osten, „rechts“ den Süden (vgl. ai. dákṣina-, air. dess ‚rechts, südlich‘) bezeichnet usw. Eine Südorientierung findet sich z. B. im Avestischen ( av. apāxtara- ‚nördlich‘/‚rückwärts‘; s. Huisman 1954: 97 f.), eine Nordorientierung, vielleicht zum Sternbild des Großen Bären, gibt 200 Vgl. Stüber (2006): Eine verbreitete Grundlage für „rechts; günstig, tüchtig“ ist *dek̍s(i)-, das auf ein *dek̍-es‚Annehmen‘ (lat. decus ‚Gebühr‘) zurückgeführt werden kann. Die Rechte ist also die „akzeptable“ Hand (61–66). Das Interfix *-i- stammt wohl aus den häufigen Antonymen *sk̍eh2io- und *leh2io- ‚links‘ (66 f.). Diese gehören zur Wurzel *sk̍eh2(i)- ‚schimmern, scheinen‘ (dazu gr. skiá ‚Schatten‘), die linke Hand ist also „die im Schatten“ (67 f.), bzw. zu *leh2- ‚sich verbergen‘ („die verborgene [da unreine] Hand“; Stüber 2006: 68 f.). – Nicht weiter etymologisierbar ist ein drittes Wort für „links“, *seo-, das nach Beekes (1994: 89) das älteste Wort hierfür sein dürfte.
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es in Nordeuropa und im Griechischen (vgl. homer. skaiós ‚links, westlich?‘; s. Huisman 1954: 98, Oettinger 1986: 49 f.). Nach Oettinger findet sich letzteres auch im Luwischen, wo man kluw. ipala/i- ‚links‘ mit iparwassa/i- ‚westlich‘ verbinden kann. Die Ableitung ipalāt(i)- ‚Bösartigkeit‘ („Linkheit“) zeigt zudem den wertenden Aspekt, der sich auch in heth. kunna- und GÙB-la- findet. Letzteres könnte als *ēpala- mit dem luwischen Wort identisch sein, es ist bisher aber keine phonetische Schreibung bekannt.201 kunna- hingegen kann als ursprüngliche wertende Bezeichnung „die Gesegnete“ oder „die Starke“ entweder als *k̍un-no- mit akls. svętъ ‚heilig‘ (usw.) oder nach Melchert (1994: 162) als *k̍uh2-no- zu ai. śávas- ‚Kraft‘ stellen. Melcherts Etymologie beruht allerdings auf einem Lautgesetz *VHRV > VRRV, das wenig glaubhaft ist, daher wird hier der ersten Etymologie der Vorzug gegeben. D: Heth. kunna- ist auf ein *k̍un-no- ‚gesegnet‘ (o. ä.) zurückzuführen, während GÙB-la- aufgrund der durchgängig logografischen Schreibung nicht etymologisiert werden kann. Das Komplement erlaubt immerhin eine Verbindung mit kluw. ipala/i- ‚links‘. awan u. B. (⇒2.4.4.2) A: 1. vgl. priyawan, zilawan darunter 2. – 3. ai. áva ‚von … weg/herab‘, lat. au- ‚weg‘ usw. (vgl. u- in Kap. 4.1.2) B: HW2 (A: 635 f.), HEG (I: 98 f., II: 462), HED (I/II: 245), Kloekhorst (2008: 231) C: Das in Verbindung mit katta ‚herab‘, arha ‚weg‘ und später srā ‚hinauf‘ belegte Adverb wurde bisher als verstärkendes Element gedeutet und aufgrund der anscheinend ablativischen Bedeutung mit *h2o(-o) ‚von … weg/herab‘ verglichen. 202 Wie die synchrone Untersuchung aber zeigt, ist awan trotz seiner kombinatorischen Beschränkungen semantisch eigenständig und kann in der Konstruktion PW + arha (⇒2.4.4.1), wo es orientierungsneutrale Fort- oder Vorbeibewegung ausdrückt, auch einen Dativ-Lokativ regieren. Da die Belege aber nicht ausreichen, um zu einer sicheren Bedeutungsbestimmung zu gelangen, kann awan über Spekulationen hinaus nicht etymologisiert werden. 203 Entsprechend ist auch unklar, ob ein Zusammenhang mit den folgenden priyawan ‚schräg?‘, zilawan ‚längs?‘ besteht. 201 Zu Grunde liegt offenbar hier Himmelsrichtung, nicht die Bezeichnung der Seite, denn das allen Formen gemeinsame Element ipa- lässt sich mit uridg. *ebh- ‚eingehen, eindringen‘ (LIV: 309) verbinden (vgl. Okzident), entweder als *ēbh-o-, oder, wenn das urluw. Lautgesetz *-e- > *-i- (vgl. das verbale Suffix -i- < *-e-) vor Čops Gesetz wirkte, als *ebh-o-. Die Wurzel ist auch im Heth. belegt, im desubstantivischen Verb epuriye/a-zi ‚erstürmen, einnehmen eintreten?‘ (zu einen *ebur- < *ebh-r̥). 202 Dieser Relator ist vielleicht als Zusammensetzung aus *h3e/*h2o ‚an … heran, neben, bei‘ und *e/o ‚weg‘ zu verstehen (⇒4.1.2). Semantisch und lautlich verfehlt ist Puhvels Vergleich mit dem angeblichen Antonym heth. tuwān und die Verbindung mit lit. aurè ‚voilà!‘. 203 Sollte die in Kap. 2.4.4.2 erwogene Bestimmung als ‚der Länge nach, längs, neben‘ zutreffen, wäre eine Verbin dung mit áva etc. möglich, jedoch mit der entscheidenden Änderung, dass es sich um einen statischen Ausdruck *h3o??-e/o-m (mit Abl.-Instr. oder Akk. der Erstreckung) handelt, in etwa „an der Oberfläche (*h2o/*h3e), aber ohne Kontakt (*e/o)“. Problematisch ist allerdings, dass áva wohl *h2o (s. S. 329, Fn. 20), awan hingegen *h3e (†hawan) ausschließt, was sich nur durch einen ad hoc angenommenen Ablaut *h3o im Heth. lösen ließe.
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Wenn, wie ebenfalls bei der synchronen Behandlung angedeutet wurde, eine Lesart ge mäß der Communis Opinio gegeben wäre, ließe sich awan gut als alter Relator verstehen, der erst durch produktives katta ‚herab‘ gestützt wurde204 und dann außerhalb dieser Kollokation zunächst ausstarb, um sich später mit neugebildetem arha ‚weg‘ und schließlich im Junghethitischen nach weitgehender Bedeutungsverblassung bzw. -neuinterpretation mit srā ‚aufwärts‘ zu verbinden. D: awan entzieht sich aufgrund der bisher nicht fassbaren Bedeutung einer sicheren etymologischen Deutung. priyawan ‚schräg?‘, zilawan ‚längs?‘ (⇒2.7) A: 1. verwandte Formen und Ableitungen im Hethitischen 2. vgl. luw. prī ‚voran, fort‘, zīla ‚danach?‘ 3. – B: CHD (P: 154), HEG (II: 462 f.), Kloekhorst (2008: 635), Melchert (1993: 168, 283) C: Die beiden Adverbien kommen nur in Vogelflugorakeln vor und beschreiben eine Bewegungsart von Vögeln. Nach der grundlegenden Arbeit von Sakuma (2009: 110–112) geben sie die Ausrichtung des Flugs zu den Grenzen des Beobachtungsbereichs an, ein Flug priyawan ist ‚schräg‘, ein Flug zilawan ‚längs‘ ausgerichtet. Auch wenn dies noch nicht völlig sicher ist, so ist es doch allen vorherigen Bedeutungsansätzen, besonders der rein formalen Ver bindung mit priyan ‚hinüber‘ (⇒2.4.4.2), vorzuziehen, da diese rein spekulativ sind. Formal lassen sich die Formen mit luw. prī ‚voran, fort‘ und zīla ‚danach?‘ (vgl. zilatiya/ziladuwa ‚fortan, in Zukunft‘) vergleichen, während das Hinterglied -awan ebenso unklar bleibt wie die Strukturbedeutung und der Wortbildungstyp. Eine Zusammenrückung aus prī + awan (Kronasser 1966: 353) ist formal natürlich möglich, löst aber keines der Probleme. Das von Tischler als Grundlage angesehene und nach Starke (1990: 454 f., Fn. 1645) als ‚vorzüg lich‘ (*prio-ent-) gedeutete Adjektiv oder Partizip p(a)riyauwanz205, wonach priyawan ein Nominativ-Akkusativ Singular neutrum wäre, ist aufgrund der unbestimmten Bedeutung und abweichenden Schreibung206 eher fernzuhalten. Da die Vorderglieder luwischen Ursprungs sind, ist eine Entlehnung von priyawan und zilawan, die in der älteren Sprache nicht belegt sind, aus dem Luwischen wahrscheinlich. D: Bei priyawan und zilawan handelt es sich wohl um luwische Lehnwörter, die sich bisher nicht etymologisieren lassen. Ihre Vorderglieder enthalten wohl räumliche Ausdrucksmittel. 204 Ursprünglich wäre die Vorform von awan eine Art ablativ. Entsprechung zu lokativ. =ssan (⇒2.3.4, 4.1.3.4), also „von einer Oberfläche (her)ab“ (gegenüber unspezifischem *k̍m̥to „von einem Punkt (her)ab“), wozu auch passt, dass =ssan mit einer Ausnahme (→2.3.4-1d, zudem keine prototypische Oberfläche), keine ablativ. Lesart kennt. Die Betonung des Ausgangspunktes ging aber wohl schon frühzeitig verloren, wie zahlreiche Belege mit Endpunkten der Bewegung zeigen (z. B. →2.4.4.2-1b). 205 Hapax in KUB 22.61 I 14'. Dortiges Ú pariyauwanz ist mit Melchert (1993: 168) vielleicht als Úpariyauwant- zu verstehen. Seine Bedeutung ist aus dem Kontext nicht zu erschließen. 206 Der Einschub von u vor wa ist zwar trivial, priyawan wird jedoch ausnahmslos pa-ri-ya-wa-an geschrieben, bei einer partizipialen Form würde man aber doch einige Belege *pa-ri-ya-wa-a-an erwarten.
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sannapi sannapi ‚hier und da versteckt‘ A: 1. sannapili- ‚leer‘, vgl. sann(a)-i ‚verstecken‘ 2. – 3. ai. sanutár ‚abseits, fern‘, gr. áneu, lat. sine, toch. B. snai ‚ohne‘ B: CHD (Š: 159), HEG (II: 811–814), Kloekhorst (2008: 719) C: Dieses Āmreḍita (vgl. dazu allgemein Dunkel 1981) ist ein Hapax im folgenden Kontext: 4.1.4.4-1: KUB 8.4 III 48 (vor-jH/jS) mān INIM [I]ZI=⌈ma⌉ sannapi sannapi kuitki wenn Sache Feuer=KONN hier und da versteckt INDF:NOM.SG.N
„(Das Feuer, das noch auf dem Herd ist, löscht man gründlich mit Wasser.) Wenn aber hier und da irgendwelche Reste des Feuers (= Glut) versteckt sind, …“ Bisher wurde sannapi sannapi als „verstreut, hier und da“ übersetzt, wobei die Bedeutung von einzelnem, nicht belegtem (*)sannapi nicht klar war. Da das Wort aber allgemein als *sonh1-o-bhi207 zu heth. sann(a)-i ‚verstecken‘ und zur indogermanischen Präposition 208 *sn̥h1-i ‚ohne‘ gestellt wird, liegt für sannapi eine Bedeutung ‚an einem versteckten Ort, unsichtbar‘, mit distributiver Bedeutung im Āmreḍita, näher. Dies würde besser in den Kontext der Belegstelle passen, wo unter schwerer Strafe eine gründliche Löschung des Feuers, d. h. einschließlich der versteckten Glut, vorgeschrieben wird. Die Wurzel *senh1- dürfte zunächst eine Grundbedeutung ‚außer Sicht‘ (o. ä.) gehabt haben, von wo sich die belegten Bedeutungen „verstecken“ („außer Sicht bringen“), „fern“ und „ohne“ (< „nicht verfügbar“) problemlos ableiten lassen. Die Bedeutung „leer“ der Ableitung sannapili- lässt sich zwar aus „ohne“ erklären, diese Nuance ist im Hethitischen sonst allerdings nicht belegt. D: (*)sannapi < *sonh1-o-bhi lässt sich als ‚(irgendwo) versteckt‘ auf einen lokalen Relator *senh1- ‚außer Sicht‘ (o. ä.) zurückführen, der in vielen Sprachen als Präposition „ohne“ fort gesetzt ist. Am Schluss dieses morphologischen Kapitels sind noch die Formen und Stämme der Demonstrativa (⇒2.6.1) kurz zu besprechen. Die indogermanischen Sprachen weisen eine unüberschaubare Fülle an deiktischen Stämmen mit schwer abgrenzbarer Funktion auf, wie die unvollständige Übersicht bei Brugmann (1904) zeigt. Dieser Bereich des Lexikons ist wie kein zweiter von ständiger Neuerung, Umbau und Recharakterisierung betroffen, was eine Rekonstruktion der vorgeschichtlichen Verhältnisse enorm erschwert. 209 Deiktische Stämme sind syn- und diachron die Quelle phorischer (textdeiktischer) Ausdrücke, umgekehrt können pho207 Zum Suffix vgl. kuwapi ‚wo‘ < *kwo-bhi, allerdings ist hier der Antritt eines (thematischen?) *-o- nicht klar. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verb sann(a)- sekundär einen formalen Einfluss ausgeübt hat. 208 Nach Hackstein (1997: 52–54) ist die auch im Tochar., das sonst fast nur Postpositionen kennt, anzutreffen de Voranstellung aus der Grundsprache ererbt und begründet sich damit, dass „ohne“ als Quasi-Negation besonders markiert ist.
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rische Ausdrücke durch pragmatische Opposition zu einem deiktischen Ausdruck selbst eine deiktische Funktion erhalten. Der kumulative Befund vieler Sprachen, besonders des Hethitischen (⇒3.4), Lateinischen (hic – iste – ille usw.), Armenischen und Bulgarischen weist auf eine personale, nicht lokale Deixis in der Grundsprache hin. Dabei ist allerdings die Deixis der zweiten Person schlecht zu rekonstruieren, weshalb ein möglicherweise sekundärer Charakter, also eine Ergänzung zu einem zweiteiligen System wie z. B. im Englischen, nicht auszuschließen ist. Brugmann (1904: 74 f.) weist aber darauf hin, dass Armenisch und Bulgarisch den Stamm *to- für die zweite Person verwenden, wozu die isolierten Formen gr. tē̃, lit. tè ‚voilà‘ passen. Die deiktischen und phorischen Stämme der anatolischen Sprachen hat unlängst Melchert (2009c) vergleichend untersucht. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten belegten Formen, in Resten können einzelsprachlich noch weitere Formen bestehen:210 Deixis ICH NAH
Hethitisch Palaisch Luwisch Lykisch Lydisch Karisch kā-
DU FERN apāER
kā-
zā-
ebe-
eš
sa-, an-?
ānni-
apā-
?
?
?
?
oš?
u?
ebe-
bi-
?
e-/a-
anaphorisch apā-
apā-
apā-
Tab. 4.1.4.4-1 | Die wichtigsten deiktischen und phorischen Stämme im Anatolischen
Die Datenlage ist durch die teilweise sehr schlechte Überlieferung und/oder Aufarbeitung gerade der Sprachen des ersten Jahrtausends nicht leicht, sicher rekonstruierbar ist der Stamm *k̍o- ‚hic‘ für die Deixis der ersten Person bzw. Nähe, sowie die anaphorischen Stämme * é/ound *é/óno/i-, die in den Einzelsprachen auch teils nah-, teils ferndeiktische Bedeutungen angenommen haben, was sich nur durch eine ursprüngliche Neutralität in Bezug auf die Deixis erklären lässt (Melchert 2009c: 155 f.). Der anaphorische Gebrauch von * ob(h)ó/í- ist überall außer im Karischen belegt, das könnte dafür sprechen, dass dies ebenso ein rein phorischer Stamm war, doch ist auch eine ursprüngliche Verwendung für die zweite Person mit einer Ausweitung im Luwischen und eine Verschiebung im Lykischen 211 denkbar (154–156). Un209 Hinzu kommt, dass die Paradigmen der Pronomina weit weniger stabil als die der Substantive und Adjektive und unscharf definiert sind. Ein pronominaler Stamm kann weniger oder mehr Kasusformen als ein Appellativum aufweisen, die Endungen selbst können Archaismen oder Neuerungen sein, adverbielle Formen können ins Paradigma integriert werden oder aus ihm hervorgehen. 210 Z. B. ana- in ani-siwat ‚heute‘, das gegen Kloekhorst (2008: 767) nicht in +eni- zu emendieren ist, da es nahdeiktische Bedeutung hat, sowie in dem Hapax ⌈a-né-da-ni⌉ (KBo 47.230 18', jH) belegt ist. Ein Stamm anna- ‚iste/ ille‘ findet sich zuerst in den Briefen aus Maşat (HKM 5, 8, HKM 20, 6), weitere Formen erst ab Mursili II. (Mel chert 2009c: 151 f.). – Ein letzter Rest des Stammes * so- (ai. sá, gr. ho) könnte in sāwidist- ‚Jungtier, das gerade entwöhnt wird‘ < *só-ut-es-t- „aus diesem Jahr stammend, heurig“ vorliegen, s. Brosch (2008: 109–111). 211 Die Parallele mit lat. iste zeigt, dass gerade in Grabinschriften, die das Gros des lyk. Korpus ausmachen, die deiktische Opposition aufgehoben werden kann, womit die Grundlage für eine Reinterpretation besteht.
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klar ist der Ansatz des fern-deiktischen Pronomens; wenn die philologisch unsicheren Pronomina lyd. oš und kar. u richtig als ‚ille‘ gedeutet sind, weist der Vergleich mit aksl. ovъ gleicher Funktion auf ein *e/oo- hin (157). In der Gesamtschau erfordert der Ansatz einer dreiteiligen, personenbezogenen Deixis am wenigsten Zusatzannahmen, weshalb Melchert zu dem Ergebnis kommt (157 f.), im Uranatolischen habe folgendes System bestanden: * k̍o‚hic‘, *ob(h)ó/í- ‚iste‘ und *e/oo- ‚ille‘, sowie *e/o-, *e/ono/i- und *ob(h)ó/í- ‚is‘. Während sich vier dieser eben genannten Stämme außeranatolisch gut anschließen lassen, ist *ob(h)ó/í- (heth. apā-) völlig isoliert (s. HEG I: 39–41, HED I/II: 86–91, Kloekhorst 2008: 191 f.). Es wird daher oft als anatolische Neubildung, z. B. aus dem deiktischen Stamm *e/o- (heth. asi ‚ille‘) und einer Partikel *bho (in emphatischem =pat) gesehen (z. B. Kloek horst 2008: 192). Melchert (2009c: 159) weist zu Recht darauf hin, dass dazu weder der Akzentsitz auf der zweiten Silbe noch das Fehlen von Binnenflexion (vgl. dagegen as-i, ūn-i) passen. Nach einer Idee von E. Sturtevant könnte es sich daher um einen sekundär flektierten und analogisch an *k̍o- angeglichenen Relator *obhí (ai. abhí, aksl. ob(ь) ‚an, gegen‘) handeln, womit sich auch das formal isolierte apiya ‚da‘ (s. u.) erklären ließe. Semantisch liegt diese Erklärung allerdings nicht auf der Hand, so dass hier weiterer Forschungsbedarf besteht. Nach den Stämmen müssen noch einige einzelne Formen kommentiert werden. Die bereits in Kapitel 4.1.1.2 besprochenen ket ‚diesseits‘ und edi212 ‚jenseits‘ sind formal Ablative, funktional Lokative und können wegen kluw. zādi, hluw. zari nicht allein auf einfaches *k̍édhi mit dem lokativischen Morphem *-dhi (vgl. gr. -thi) zurückgeführt werden, wie Melchert (1977: 282 f., Anm. 42) erwogen hat.213 Wie der keilschrift-luwische Dativ-Lokativ apātti < *°éd-i oder *°é-dhi (vs. Adverb apati < *°oti, s. Goedegebuure 2010a: 84–87) zeigt, war lokativisches *-dhi aber wohl im Uranatolischen vorhanden, so dass im Hethitischen vielleicht die Formen zusammengefallen sind und die elegante Herleitung der Dentalerweiterung -ed- bei den Demonstrativa aus einer Metanalyse °e-dhi → °-edh-i erhalten bleibt. Im Paradigma wurde dieses -ed- (und z. T. ein -an- unklarer Herkunft) verallgemeinert, ältere Formen blieben z. T. in adverbieller Bedeutung erhalten, z. B. der Direktiv kā ‚hier(hin)‘214 neben geneuertem kēda. kā und apiya ‚dort(hin)‘ < *k̍o-o, *obhi-o haben als versteinerte Formen auch die sonst aufgegebene statische Funktion des Direktivs erhalten (⇒4.1.1.1), wobei *obhi-o bereits für *obhi (lyk. ebi ‚hier‘, s. Neumann 2007: 48 f.) geneuert wurde. Die Dentalerweiterung liegt auch in den irregulären Direktiven apadda ‚dort(hin)‘ (daneben apēda) und tamatta ‚anderswo(hin)‘, die Melchert (2008a: 368–372) zufolge auf *°ed + *h2o ‚an … heran, neben, bei‘ ausgehen.215 212 Es handelt sich hier nur scheinbar um kurzes unbetontes e, da Hyperpleneschreibungen wie *e-e-di nur zum Ausdruck von Hiatus (z. B. bei ā(i)-ari ‚heiß sein‘, s. Kloekhorst 2008: 164–166) verwendet wurden. 213 Sein Vergleich von edi mit ai. ádhi als *e-dhi ist aber aus semantischen Gründen abzulehnen, da die Grundbedeutung von ádhi ‚oben‘ ist (s. Hettrich 1991). 214 V. a. im Altheth. erscheint daneben eine Form kān(i), wobei es sich wohl um eine Erweiterung mit Partikeln handelt, oder um einen unabhängigen Abl.-Instr. (⇒4.1.1.4) *k̍om in statischer Funktion. 215 S. Kap. 4.1.1.1, S. 331, Fn. 23 zu Problemen mit dieser Erklärung. Eine Alternative fehlt jedoch.
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Die deiktischen Satzadverbien kāsa ‚Bereich der ersten Person‘, kāsat(t)a (altheth.) bzw. kāsma (nach-altheth.) ‚Bereich der zweiten Person‘ und – āsma ‚Bereich der dritten Person‘ dürften von Rieken (2009a) auch formal richtig als Demonstrativa, die in korrelativen Konstruktionen erstarrt sind, gedeutet worden sein. Formal liegt also zunächst kās=(m)a … kās=(m)a=tta (… ās(i)=ma) „der bei mir einerseits … der bei dir hingegen (… jener schließlich)“ vor.216 Nach der schon vorgeschichtlichen Erstarrung der Formen wurde kāsa als Einheit aufgefasst, zu dem neues *kāsa=ma, mit Synkope kāsma (vgl. nasma < nassu=ma), für die zweite Person geschaffen wurde.
4.2 Syntaktische Ausdrucksmittel Nach der Besprechung der Sprachgeschichte der hethitischen Raumgrammatik in Kapitel 4.1 unter formalen Aspekten wird nun versucht, ihre Kombinationsregeln mit denen der anderen altindogermanischen Sprachen zu vergleichen. Da Syntax aber anders als Morpheme nicht als konkretes Lautmaterial vorliegt, sondern als Sammlung von Konstruktionen und Abhängigkeiten, ist ihre Rekonstruktion ungleich schwerer als die von Wörtern, und der Grad der Aufarbeitung des Sprachmaterials und Sicherheit der Interpretation, den die Indogermanistik erreicht hat, ist ungleich geringer als bei Phonologie und Morphologie. Im Folgenden können daher nur einige ausgewählte Phänomene besprochen werden, die für den Ausdruck von Räumlichkeit besondere Bedeutung haben. Dies ist die Kasussyntax (⇒4.2.1)217 und die Entstehung der Place Words (⇒4.2.2), sowie einige andere. In all diesen Bereichen lassen sich auch zwischen Hethitisch und seinen anatolischen Schwestersprachen Unterschiede erkennen,218 doch macht das Fehlen von übergreifenden oder Einzeluntersuchungen zu letzteren eine umfassende Berücksichtigung dieses Umstands und eine sichere Rekonstruktion des uranatolischen Zustands zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich.
4.2.1 Kasusgebrauch Die hauptsächlichen Verwendungsweisen der hethitischen Lokalkasus sind in Kapitel 2.1 besprochen worden, Anmerkungen historischer Natur hierzu finden sich außerdem bereits in den Kapiteln 4.1.1.1 – 4.1.1.4. Allgemein bleibt festzuhalten, dass das althethitische System 216 Der Wechsel zwischen -t- und -tt- dürfte dabei auf Lenition zwischen unbetonten Vokalen zurückgehen, die durch die Erstarrung der Form nicht mehr konsequent paradigmatisch ausgeglichen wurde. In āsma liegt Synkope aus *āsi=ma vor. 217 Als Vergleich können hier in erster Linie Ai. und Av. dienen, die noch in hohem Maße über se mantisch eigenständige Kasus verfügen, während diese in den klassischen Sprachen viel stärker grammatikalisiert und für ihre lokalen Lesarten oft von weiteren Elementen (v. a. Adpositionen) abhängig sind. Die sabell. Sprachen stimmen hier trotz einiger Archaismen offenbar weitgehend mit dem Lat. überein, vgl. Tikkanen (2011). 218 Z. B. kennt das Lykische nur Präpositionen, während Hethitisch streng postpositional ist.
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die vier fundamentalen Relationen ORT, ZIEL, QUELLE und WEG 219 im Regelfall mit den vier verschiedenen Kasus Dativ-Lokativ, Direktiv, Ablativ und Akkusativ bezeichnet, während ab dem Mittelhethitischen ORT und ZIEL unterschiedslos durch den Dativ-Lokativ ausgedrückt werden. Dativ-Lokativ Als Mischkasus (⇒4.1.1.3) vereint der Dativ-Lokativ Eigenschaften des grundsprachlichen Dativs, der vom Ausdruck finaler Abstrakta (> Infinitiven) abgesehen weitestgehend auf belebte Aktanten beschränkt war (s. Delbrück 1893: 277–306, vgl. Hettrich 2007: C.a.V.), sowie des Lokativs, der als Ortsangabe gewöhnlich mit unbelebten Relata stand (s. Delbrück 1893: 217–230, vgl. Hettrich 2007: C.a.III). 220 Trotz des morphologischen Zusammenfalls besteht diese semantische Trennung im Hethitischen weiter, so dass der Dativ-Lokativ bei Personen eine dativische und nur zusammen mit Place Words eine lokale Lesart impliziert, während unbelebte Objekte meistens als Orte aufgefasst werden (⇒2.1.3). Zu einer gewissen Vermi schung kam es durch die Ausweitung des Dativs der betroffenen Person auf Transferverben, vgl. Kap. 2.1.3.4.221 Im Althethitischen drückt der Dativ-Lokativ als Lokalkasus aus, dass sich ein Sachverhalt an einem Ort abspielt,222 d. h. je nach Eigenschaft des Relatums BEI oder IN etwas. 223 In Überschneidung mit dem Direktiv drückt er außerdem aus, dass ein dynamischer Sachverhalt den Ort erreicht. Den Ausdruck einer bloßen Richtung übernimmt der Dativ-Lokativ erst im Mittelhethitischen mit dem Aussterben des Direktivs. Die terminativische Funktion des DativLokativs bedeutet aber nicht, dass der Lokativ gegenüber Statik und Dynamik indifferent war, sondern es handelt sich um eine besondere Verwendung statischer Mittel zum Ausdruck des Resultats eines Vorgangs, die sog. Constructio praegnans (s. Delbrück 1893: 227 f., Skopeteas 2008: 40, Luraghi 2001: 33 f. mit Anm. 6), die aufgrund ihrer weiten Verbreitung wohl für die Grundsprache angesetzt werden muss. Die Erklärung Delbrücks, wonach der Lokativ den Ort des Sachverhalts angibt und das Verb die Bewegung, trifft allerdings nicht zu, vielmehr ist,
219 Luraghi (2003: 22) weist darauf hin, dass die Komponente WEG kognitiv komplexer als andere lokale thematische Rollen ist, da sie ORT mit RICHTUNG verbindet. Es überrascht daher nicht, dass Perlative seltener durch eigene Kasus ausgedrückt werden, im Uridg. wurde hierfür wohl der Instr. verwendet, wie der Befund des iir., bsl. und ital. Sprachzweigs zeigt (s. Delbrück 1893: 242–245). In Kap. 4.1.1.4 wurde die Möglichkeit angesprochen, dass der heth. Akk. des Weges einen alten Instr. -m fortsetzt. 220 Der endungslose Lokativ hingegen hat nur räumliche Lesarten, s. Kap. 2.1.3.5. 221 Z. B. erma(n)=smas=kan dāhhun „Ich habe euch die Krankheit abgenommen“ (KBo 17.3+ I 7'; aS) → ANA LÚ LÚ sardias edi nea „Der Helfer wird sich von dem Mann abwenden“ (KUB 37.223 Vs. 2; aS). 222 Der Sachverhalt kann dabei selbst statisch oder dynamisch sein, wichtig ist, dass er sich innerhalb der Grenzen des lokativ. Bezugswortes abspielt. 223 Die Default-Lesart dürfte im Zweifelsfall IN gewesen sein, Delbrück (1893: 182 f.) geht sogar davon aus, dass der Lok. nur IN und nicht BEI bezeichnet hat, da er sich selten bei Personen im Sg., aber oft im Pl. findet. Die Ver wendung des Lokativs bei belebten Individuen ist aber nicht prototypisch und daher in jedem Fall selten zu erwarten, während Personengruppen bereits als Masse aufgefasst werden können und daher semantisch eher kompatibel sind.
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wie in Kapitel 2.3.1 dargelegt wurde, mit einer Vorwegnahme der erreichten Ruhelage als Resultat der Handlung zu rechnen.224 In der Gesamtschau stimmt der lokale Dativ-Lokativ des Hethitischen in allen wesentlichen Punkten mit dem Lokativ im Altindoarischen (s. Hettrich 2007: C.a.III.) 225 und Jungavestischen (s. Bichlmeier 2011: 146–260) überein, so dass man für den urindogermanischen Lokativ mit aller Vorsicht folgende Merkmale ansetzen kann: Ein prototypischer Lokativ be zeichnet ein unbelebtes Objekt, bei oder in dem sich ein Sachverhalt abspielt. Wenn nicht der gesamte Sachverhalt, sondern nur dessen finale Phase (mit Nachzustand) im Bereich des durch die Lokativform bezeichneten Objekts stattfindet, erlangt der Lokativ pragmatisch eine terminativische Funktion. Der direktivische Dativ-Lokativ des Mittelhethitischen ist klar eine einzelsprachliche Neuerung. Direktiv Wie die Diskussion in Kapitel 4.1.1.1 gezeigt hat, ist der hethitische Zielkasus Direktiv eine Neuerung des Anatolischen, die neben der ZIEL-Funktion ursprünglich auch ORT ausdrücken konnte, wovon einzelsprachlich noch Reste zu finden sind. Die Ansatz García Ramóns (1995: 33–52), wonach der Direktiv ähnlich wie homer. =de eine kurzlebige Neuerung zur klareren Markierung der direktivischen Funktion war, die ursprünglich durch den Akkusativ ausgedrückt wurde, greift daher etwas zu kurz. Vielleicht war die Funktion der Endung *-o zunächst, die Relation AN/BEI im Gegensatz zu IN des Lokativs zu markieren, wobei eine dynamische Lesart kontextbedingt war, sachlich aber häufiger gegeben war und dann im Hethitischen verallgemeinert wurde, während der palaische Lokativ auf -a die statische Funktion bewahrt hat.226 Ablativ Wie in Kapitel 4.1.1.2 dargelegt wurde, basiert der indogermanische Ablativ mit dentalem Ausgang auf einem adverbiellem Element *-ti, das zunächst in den Bereich der Pronomina eindrang, einzelsprachlich dann aber teilweise auch auf Substantiv und Adjektiv ausgeweitet wurde, wobei die thematischen Neutra schon späturindogermanisch die Endung *-ōd erhielten. Ansonsten hatte der Ablativ keine gesonderten Endungen, ist aber durch den unterschied-
224 Aus der kompletten Situation mit den Elementen (1) Bewegung (dynamisches Verb) auf (2) ein Ziel hin (Zielkasus), anschließend (3) Verbleib (statisches Verb) an (4) dem Zielort (Kasus der Ortsruhe) werden also nur (1) und (4) ausgedrückt, (2) und (3) sind dadurch zugleich impliziert. Als Bsp. vgl. aus dem Heth. GIŠhuppari=a[n] TÚGkursan [d]ais „Sie legte die Jagdtasche in das h.-Gefäß hinein“ (KUB 33.59 III 11' f. ; aS), aus dem Gr. hoi mèn autō̃n euthùs en tō̃i potamō̃i épeson „Ihre Leute fielen sofort in den Fluss“ (Xenophon, Hellenica 3.4.24) und aus dem Ai. sómam pavítra ā sṛja „Lass den Soma auf das Seihtuch (fließen)!“ (ṚV 1,28,9). 225 Nur im Ai. erscheint der marginale Lokativ des Ausgangspunkts wie in āmúṣyā sómam apibac camūṣu „Nachdem er den Soma geraubt hatte, trank er ihn aus („in“) den Gefäßen“ (ṚV 1,28,9, s. Hettrich 2007: C.a.III.1.6.5). 226 Wie Zielangaben, die in den wenigen pal. Texten anscheinend nicht vorkommen, ausgedrückt wurden, ist nicht klar. Es spricht jedenfalls nichts dagegen, dass diese auch mit -a markiert wurden.
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lichen Synkretismus mit Genetiv im Singular und Dativ im Plural als eigener Kasus zumindest im Späturindogermanischen zu erweisen. Der hethitische Ablativ hat als prototypischen Kern das Konzept der Trennung von Lokatum und Relatum und stimmt darin mit den anderen altindogermanischen Sprachen überein (vgl. Delbrück 1893: 200–217, Hettrich 2007: B.a.IV.). Darüber hinaus weichen die beiden Gruppen aber merklich voneinander ab, indem Hethitisch neben dem dynamischen Ablativ, der je nach Art des Relatums eine ablativische, elativische oder perlativische Lesart hat, auch einen statischen Ablativ der Orientierung und darüber hinaus einen nicht-lokalen partitivischen Ablativ kennt. Diese beiden fehlen im Altindoarischen 227 und Jungavestischen228 weitgehend, wo wiederum der Ablativ den Agens beim Passiv ausdrückt, wofür im Hethitischen ursprünglich der Instrumental dient (s. Hoffner/Melchert 2008: 267, 269), und wo Comparanda ebenso wie im Lateinischen im Ablativ stehen, was hethitisch durch den Dativ-Lokativ ausgedrückt wird (⇒2.1.3). Dass Hethitisch und Altindoarisch in manchen Funktionen des Ablativs übereinstimmen (separativ, Distanz, kausal), in anderen, gerade auch nicht-lokalen aber eigene Entwicklungen durchlaufen haben, spricht zusammen mit dem morphologischen Befund (⇒4.1.1.2) dafür, dass der Ablativ urindogermanisch ein junger, vielleicht noch nicht völlig ausgebildeter Kasus war, dessen metaphorischen Funktionen erst einzelsprachlich eta bliert wurden.229 Für sein geringes Alter spricht auch die Tatsache, dass der Ablativ von Substantiven im älteren Vedisch noch nicht adverbial verwendet wird (Delbrück 1893: 557), auch das Hethitische kennt vergleichsweise wenige erstarrte Ablativ-Formen, die oft erst in histori scher Zeit lexikalisiert wurden. Akkusativ Als Kasus des direkten Objekts, der häufig von der Valenz des Verbs bestimmt ist, ist der Akkusativ stärker als die anderen obliquen Kasus von der Desemantisierung betroffen und in seiner Grundbedeutung schlechter fassbar. Während Delbrück (1893: 187 f.) daher konstatiert, er habe mehrere, nicht unter einen Nenner zu bringende Bedeutungen, versucht Hettrich (2007: B.a.VI.) eine vorläufige prototypische Bestimmung: 230 „Der A bezeichnet eine gerichtete Strecke, die vom SV-Träger ausgeht und deren Endpunkt, Ausdehnung oder Verlauf von dem Begriff im A bestimmt wird. Diese Strecke wird möglichst vollständig in der Weise durch laufen, die die lexikalische Bedeutung des Prädikatsverbs vorgibt.“ 227 Einen statischen Wert hat der Abl. der Distanz in Ausdrücken wie trādhvam kartād avapádo yajatrā „Schützt vor der Grube, vor dem Hinabfallen, Opferwürdige!“ (ṚV 2,29,6, nach Hettrich 2007: B.a.IV.), vgl. suhhus zappiyaz pahsnuwanzi „Sie werden die Dächer vor dem Tropfen schützen“ (KUB 9.15 III 8; jH), wie zu erwarten ohne OBP. – Nach Delbrück (1893: 558 f.) sind ablativ. Adverbien häufig auch statisch-lokal. Dies könnte auf ein höheres Alter als das der Nomina hinweisen. 228 S. Bichlmeier (2011: 54–145), allerdings ist der statische Abl. (verbucht unter „Ablativ der Distanz“, 106–118) dort etwas häufiger belegt als im Ai. 229 Gemeinsamkeiten wie der kausale Gebrauch müssen dabei nicht ererbt sein, sondern können auf der gleichen kognitiven Basis unabhängig ähnlich entwickelt worden sein (z. B. Ursache = Quelle einer Hand lung). 230 Abkürzungen: A = Akkusativ, SV = Sachverhalt.
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Als prominente lokale Eigenschaft des urindogermanischen Akkusativs wird die Bezeichnung eines Ziels ohne Implikation des Erreichens gesehen. 231 Im Hethitischen ist diese Verwendung des Akkusativs je nach Bewertung der wenigen Belege (⇒2.1.4.3) allerdings entweder gar nicht oder nur in wenigen Resten in der alten Sprache belegt. Da Hethitisch den überwiegend dynamischen o-Kasus des Uranatolischen als eigenen Direktiv in das lokale System eingegliedert hat (⇒4.1.1.1), bestand kein Bedarf für einen Richtungsakkusativ mehr.232 Beim Aussterben des Direktivs im frühen Mittelhethitischen ging diese Funktion nicht wieder auf den Akkusativ über, sondern wurde wie im Luwischen vom Dativ-Lokativ übernommen. Eine weitere räumliche Funktion des Akkusativ ist die Bezeichnung einer Erstreckung. Sie lässt sich sowohl aus der Grundbedeutung nach Hettrich (s. o.) ableiten, als auch indirekt aus der Objektfunktion in Kombination mit semantisch kompatiblen Substantiven, die bereits eine Strecke bezeichnen, was die bisherige Communis Opinio ist (s. Delbrück 1893: 375: „emanzipierter A[kkusativ] des Inhalts“). Der Akkusativ der Erstreckung ist nicht nur in allen späturindogermanischen Sprachzweigen belegt, sondern auch im Tocharischen (s. Carling 2000: 6 f.) und Hethitischen (⇒2.1.4.1). Vom inneren Akkusativ abzugrenzen, aber oberflächlich verwandt und daher gewöhnlich nicht gesondert behandelt, ist der Akkusativ des Weges oder Wegpunktes, der im Hethiti schen gut vertreten und syntaktisch durch die Verwendung der Ortsbezugspartikel =kkan und Place Words klar vom vorherigen abgegrenzt ist (⇒2.1.4.2). Hier wird eine Strecke eben nicht „möglichst vollständig“ durchlaufen, sondern nur ein Abschnitt oder ein punktuelles Relatum wird passiert. Diese Funktion, die in der Linguistik verschiedentlich als „Vialis“, „Perlativ“ oder „Translativ“ bezeichnet wird, wird in den anderen indogermanischen Sprachen mit dem Instrumental ausgedrückt (s. Delbrück 1893: 242–245), wofür es im Hethitischen, das einen geneuerten, kaum übertragen gebrauchten Instrumental hat (⇒4.1.1.2), keinerlei Belege gibt. Bei der morphologischen Besprechung des Akkusativs (⇒4.1.1.4) ist bereits die Vermutung geäußert worden, dass im hethitischen Akkusativ auch der teilweise homonyme adverbielle Ablativ-Instrumental *-m integriert wurde,233 und vielleicht weist der auffällige Befund, dass der Akkusativ bei einigen griechischen Adpositionen, z. B. anà, katà (Luraghi 2003: 188– 213), nicht immer das Ziel, sondern oft auch eine passierte Strecke bezeichnet, auf eine
231 S. Krisch (1984: 65–151) für eine ausführliche Behandlung des Richtungsakkusativs. Der heth. Befund dort ist jedoch anders zu bewerten (⇒2.1.4). Hettrich (2007: B.a.VI.) setzt dies sogar als prototypische Bedeutung des Akkusativs an, von wo aus sich die Objektsfunktion als abstraktes Ziel der Handlung herleiten lässt. 232 In Bezug auf die räumlichen Relationen stimmen Direktiv und Richtungsakkusativ zwar miteinander genau überein (s. García Ramón 1995), nicht aber in Bezug auf die semantischen Füllungsmöglichkeiten, die Krisch (1984: 150) für den Akkusativ als [+belebt], [+Örtlichkeit -belebt] und [+abstrakt -belebt] bestimmt, während der heth. Direktiv nie mit Personen belegt ist. 233 Für den radikalen Ansatz, den Akk. ganz aus dem adverbiellen Abl.-Instr. herzuleiten, müsste zunächst ein plausibles Szenario für die anzunehmenden semantischen Übergänge gefunden werden. Es gibt allerdings keinen Grund, wegen der Homonymie zweier Formen stets auf einen gemeinsamen Ursprung zu schließen.
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ähnliche Entwicklung im Griechischen hin, sofern es sich hier nicht um den Akkusativ der Erstreckung handelt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Hethitisch bei der Bezeichnung der Relation ORT sehr gut mit dem Altindoarischen übereinstimmt, was auf gemeinsames Erbe schließen lässt. Bei ZIEL und WEG gibt es einige Unterschiede, die aber überwiegend auf den Umbau des hethitischen Kasussystems zurückgeführt werden können, während bei der Bezeichnung von QUELLE der prototypische Gebrauch des Kasus mit dem Späturindogermanischen übereinstimmt, der weitere Ausbau der Bedeutung aber unabhängig erfolgt ist. Insgesamt stützt das Hethitische trotz seiner auf den ersten Blick beträchtlichen Abweichungen aber das klassische Bild, das zwischen Lokativ (ORT), Akkusativ (ZIEL) und Ablativ (QUELLE) unterscheidet, wobei der Status der zusätzlichen Relation WEG (Instrumental) nicht völlig sicher ist und bei Abweichungen im Detail, z. B. der Bezeichnung einer Person als Ziel, 234 weitere Untersuchungen notwendig sind. Gerade in der alten Sprache sind die hethitischen Kasus noch weitgehend autonom, d. h. syntagmatisch, in Bezug auf die Kombination mit bestimmten Verben, und paradigmatisch, in Bezug auf semantisch passende Substantive, noch nicht so stark eingeschränkt wie z. B. im Lateinischen und Griechischen (vgl. Haug 2009: 112). Dies hat jedoch natürlich auch Grenzen, z. B. hat der Dativ-Lokativ bei Personen ohne weitere lokale Ausdrucksmittel keine loka tivische Lesart,235 und durch die Ausbreitung der Place Words im Mittelhethitischen verlieren Kasus an Bedeutung, Dativ-Lokativ und Ablativ bleiben aber in allen Funktionen erhalten. Der in der Einleitung zu Kapitel 2.1 dargestellte Befund, wonach außer dem Genetiv gewöhnlich kein hethitischer Kasus als Attribut von anderen Kasusformen stehen kann, weicht von den anderen indogermanischen Sprachen ab, so kennt z. B. das Altindoarische adnomina le Dative, Ablative, Lokative und Instrumentale. 236 Da die wenigen Belege für attributive Lokalkasus im Hethitischen fast alle aus der alten Sprache stammen, kann man dieses Verhalten als geneuerte Beschränkung, nicht als Archaismus im Hethitischen ansehen. 237 234 Während der Akk. der Richtung auch Personen bezeichnen kann, ist der heth. Direktiv auf unbelebte Objekte be schränkt. 235 Vgl. das Bsp. ⌈DUMU.É⌉.GAL LUGAL-i peran huwai „Ein Palastbediensteter eilt dem König voraus“ (KBo 17.15 Rs. 18'; aS), wo LUGAL-i peran nach Melchert (2009a: 611) gegen Starke (1977: 175) keine Apposition „beim König vorne“ sein kann. Es handelt sich vielmehr um die Vorstufe zu einer Adpositionalphrase, s. die Besprechung unter →2.4-8. 236 Vgl. (alle Bsp. und Übersetzungen aus Hettrich 2007): átithimṃ … júṣṭamṃ jánāya … agním īlṃe „Den dem Menschen willkommenen Gast, den Agni, verehre ich“ (ṚV 1,44,4), āré syāma duritāt „Wir möchten entfernt vom Unglück sein!“ (ṚV 3,39,7), tám āganma … agnímṃ yajñéṣu pūrvyám „Zu ihm sind wir hingegangen, zu Agni, dem ersten bei den Opfern“ (ṚV 8,39,8), urúmṃ gabhīī́ramṃ janúṣābhy ùgrámṃ viśvávyacasam avatám matīnām / índram sómāsaḥ … ā viśanti „In den breiten, tiefen, [bereits] von Geburt aus starken, den allumfassenden Brunnen der Ge danken, in Indra gehen die Somasäfte ein“ (ṚV 3,46,4). 237 Ob dasselbe auch für die Place Words oder Postpositionalphrasen zutrifft, die ebenfalls nicht als Attribut stehen können, ist hingegen fraglich. Auch wenn ein solcher Gebrauch z. B. im Gr. belegt ist (vgl. Il. 19.362 gélasse dè pãsa perì khthōn „die ganze Welt rundum aber lachte auf“ Horrocks 1981: 87, Anm. 13, für lat. Bsp. s. Pinkster 1972: 146), gibt es dafür im Heth. kein einziges Bsp.
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4.2.2 Rektion und Apposition: Die Entwicklung der Place Words In diesem Kapitel wird versucht, die Herkunft der hethitischen Place Words in einem widerspruchsfreien Szenario zunächst aus dem Uranatolischen herzuleiten (4.2.2.1) und von dieser Grundlage aus auf den urindogermanischen Zustand zu schließen (4.2.2.2). Darauf soll die teils vergleichbare, teils abweichende Entwicklung der Ausdrucksmittel in den anderen altindogermanischen Sprachen kurz erörtert werden (4.2.2.3). In Kapitel 2.4 wurden die Place Words als multifunktionale, lexikalisch selbständige Relatoren bestimmt, wobei bei den sog. korrespondierenden Place Words die vier möglichen Funktionen auf die statische (Adposition, Proadverbial) und die dynamische Reihe (relationales Adverb, Präverb) überwiegend, aber nicht in vollständiger Trennung aufgeteilt sind. Die a. a. O. begründete Zusammenfassung verschiedener syntaktischer Funktionen unter eine Wortart „Relator“ ist eine der beiden Möglichkeiten, das „Klassifikationsdilemma“ (Krisch 1984: 82 f.) von Präverb, Adposition, Adverb und Proadverbial, 238 die in einigen altindogermanischen Sprachen formal und syntaktisch nicht immer differenziert sind, aufzulösen (vgl. Rauh 1999: 368–371). Die andere Möglichkeit besteht darin, drei oder vier verschiedene Wortarten anzusetzen und nach aussagekräftigen Kriterien der Unterscheidung zu suchen (Luraghi 2003: 75 f., Krisch 1984: 83 f.), was aber bisher nicht überzeugend gelungen ist. 239 Da sich die vier Funktionen nur durch jeweils ein einziges Merkmal unterscheiden, 240 scheint eine Trennung auch nicht gerechtfertigt. Auch Friedrich (1987: 135) kritisiert, dass die klassische Dreiteilung den Umstand verschleiert, dass die Place Words sich sowohl auf das Prädikat als auch auf die Kasusform beziehen. Im Folgenden ist also weiter von Relatoren oder Place Words die Rede, eine funktionale Unterteilung wird nur im Bedarfsfall getroffen. Weitere allgemeine Anmerkungen zu Relatoren, besonders zu ihrer Entwicklung aus typologischer Sicht, finden sich zu Beginn von Kapitel 4.2.2.2. 4.2.2.1 Vom Uranatolischen zum Hethitischen In Kapitel 4.1.4.2 wurde die morphologische Seite der hethitischen Place Words, möglichst noch ohne Vorgriff auf die Syntax, besprochen, wobei sich zeigte, dass im Uranatolischen neben ererbten Formen, die überwiegend auf *-i und *-o endeten, die Endungen *-em für statische und *-o für dynamische Place Words produktiv waren. Diese wurden im voralthethiti-
238 In aller Regel werden die relationalen Adverbien und die Proadverbiale in der Diskussion trotz ihrer unter schiedlichen Funktion, die z. B. auch für das Gr. erkannt wurde (s. Horrocks 1981: 16–18), als „Adverbien“ zusammengefasst. 239 So sollen nach Francia (2002: 23 f.) vorangestellte PW immer Adverbien sein, selbst andan. Doch es handelt sich dabei sicher um Linksverschiebungen, die mit der Wortart nichts zu tun haben (vgl. Melchert 2009a: 611 f.). 240 Adpositionen und Proadverbiale unterscheiden sich durch eine syntaktische Leerstelle (Ramat 2008: 20), relationale Adverbien sind deiktische/intrinsische, Proadverbiale phorische Verweismittel. Präverbien fungieren in erster Linie als ein Wortbildungselement statt als eigenständiges Lexem.
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scher Zeit weitgehend verallgemeinert und in ihrer Funktion getrennt. 241 Die statischen Place Words zeigen dabei überwiegend nominale Rektion, treten aber auch schon althethitisch mit den Dativ-Lokativ auf, während die dynamischen Place Words als reine Adverbien je nach Bedeutung neben dem Direktiv, Dativ-Lokativ oder Ablativ stehen. Dieses System bricht zum Mittelhethitischen hin zusammen, der Dativ-Lokativ wird neben allen Place Words verallgemeinert und eine feste Reihenfolge Dat.-Lok. + PW + Verb eingeführt (⇒2.2.1, 2.4). Da es sich hierbei um eine sichtbare Neuerung handelt, muss der Befund der älteren Sprache als Ausgangspunkt gewählt werden. Hier gibt es, wie in Kapitel 2.2.1.1 dargestellt wurde, verschiedene Konstruktionen: • In dynamischer Syntax steht bei direktivischem Sinn PW + Dir./Dat.-Lok. + dynam. Verb, bei ablativischem Abl. + PW + dynam. Verb. • In statischer Syntax steht entweder regierter Gen. + PW (bzw. PW mit Possessivpronomen) + Verb oder Dat.-Lok. + PW + Verb, bei andan ‚in‘ findet sich auch die Reihenfolge andan + Dat.-Lok. + Verb. Dieser Befund muss zunächst mit den anderen anatolischen Sprachen verglichen werden, die vorliegende Arbeit beschränkt sich hier auf das (Keilschrift-)Luwische und Lykische. Lykisch ähnelt mehr dem klassischen Griechisch als Hethitisch, indem es Präpositionen (mit Dativ-Lokativ) und Präverbien unterscheidet, wobei letztere aber gewöhnlich mit Worttrenner geschrieben werden und auch in Tmesis stehen können. 242 Allerdings sind die aussagekräftigen Kriterien für Präverbien, die in Kapitel 2.2 erörtert wurden, bisher nicht auf das Lykische angewandt worden, zudem gibt es möglicherweise auch einen selbständig-adverbiellen Gebrauch z. B. bei hri ‚auf, über‘.243 Es ist also eine eigene Untersuchung zum Status der lokalen Relatoren im Lykischen notwendig, die hier nicht geleistet werden kann. Festzuhalten ist aber in jedem Fall die Existenz von Präpositionen. Diese gibt es auch im Keilschrift-Luwischen, 244 daneben finden sich aber auch Postpositionen und in einigen offenbar archaischen Texten die Kombination aus Place Word und enklitischem Possessivum (s. Carruba 1986, →4.1.3-3c). Nach Boley (1985a: 39) ähnelt die Place-Word-Syntax des Luwischen dem junghethitischen Zustand, und tatsächlich
241 Vgl. schon Boley (1985b : 240), der zufolge Heth. die uridg. PW mit zwei Gebrauchsweisen in zwei Kategorien, adnominal und (proto-)adverbal aufgeteilt hat. Gerade die vielleicht neugebildeten Formen auf *-em waren aber schon von Anfang an weitestgehend auf die erste Kategorie festgelegt. 242 Für Präverbien vgl. →4.1.3-4 und 4.1.3-5a, für Tmesis vgl. z. B. die Bsp. zu hrrpi ‚für‘ bei Neumann (2007: 102 f.). 243 TL 124, 3 se=i hri ti ñtipa „und was ihm oben als ñ. ist“ (s. Neumann 2007: 98), wobei man gerade hier an eine postpositionale Übersetzung „und was auf ihm als ñ. ist“ denken könnte. 244 Das Hluw. scheint hingegen nur Postpositionen zu kennen (Payne 2004: 36), das l. c., Fn. 26 genannte CUM= ha=wa=tu „»und mit ihm«“ (KARKEMIŠ A1a, §27) kann nicht als Präposition gelten, da das PW in Erststellung die Partikelkette mit dem enklitischen Pronomen aufnimmt.
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verbinden sich alle luwischen Place Words mit dem Dativ-Lokativ,245 wobei parran ‚vor‘, āppan ‚hinter‘ und tāwiyan ‚entgegen‘ der Kasusform folgen,246 vgl. als Beispiel für letzteres: 4.2.2.1-1: KUB 35.107 III 8 (kluw./mS) d
UTU-waz
d
Kamrusepai daueyan mamma[nnatta]
(GN):NOM.SG GN:D/L.SG
entgegen
betrachten:PRT.3SG.AKT
„Die Sonnengottheit schaute Kamruseba entgegen.“ Klare Präpositionen sind hingegen ānnan ‚unter‘ (→2a) und sarri ‚auf, über‘ (→2b), während die Bestimmung von sarra ‚auf‘ als Präposition in KUB 32.8+KUB 32.5 IV 22 nicht sicher ist. 4.2.2.1-2a: KUB 35.29 III 29' (kluw./jS) a=duw[=a]n annān pātanz KONN=3SG.D/L=3SG.AKK.C unter
dūwandu
Fuß:D/L.PL legen:IMP.3PL.AKT
„Sie sollen ihn ihm unter die Füße legen!“ 4.2.2.1-2b: KUB 7.53+12.58 I 58 f. (kluw./jS) d ariyadallis IŠKUR-anz sarri tap!pasī Höhen-:NOM.SG.C (GN):NOM.SG über
tapas=sa«it»
hūehūiya
Himmel:D/L.SG laufen:IMP.2SG.AKT
sarri tiyami huihuiya
Himmel:NOM.SG=N über
Erde:D/L.SG
laufen:IMP.2SG.AKT
„Wettergott der Höhe, lauf über dem Himmel! Himmel, lauf über der Erde!“247 Nach Ausweis der sicheren Belegstellen wird kein Place Word sowohl als Prä- als auch als Postposition verwendet.248 In Kombination mit den hethitischen und lykischen Verhältnissen lässt dieser Befund darauf schließen, dass die Place Words im Uranatolischen keine einheitliche Wortstellung in Bezug auf ihr (semantisches) Bezugswort hatten, wobei im Hethitischen außer bei andan die Nach- und im Lykischen die Voranstellung verallgemeinert wurde, während Luwisch zumindest dialektal den älteren Zustand bewahrt. Die konsistente Stellung seiner Place Words spricht gegen eine Interpretation dieses Befunds als Übergangsphase von älterer Post- zu jüngerer Präposition, denn gerade dann sollte man für das gleiche Wort ver-
245 Der Direktiv ist bereits im Urluwischen verloren gegangen und wie im Mittelhethitischen durch den Dativ-Lokativ ersetzt worden (⇒4.1.1.1). 246 Die beiden Belege für āppan ‚hinter‘ (KBo 9.145 9/10) sind im Kontext unklar. Die Wendung māssananz parran „vor den Göttern“ findet sich in KUB 32.9+ Vs. 17, Rs. 32', KUB 35.54 II 40/III 7 und KUB 35.55 10; KBo 29.52 7 weist ein [d]āti parran „vor dem Vater“ auf. 247 Während man im ersten Satz noch „oben auf“ interpretieren könnte (wobei =tar dann wider Erwarten fehlen würde), ist dies im zweiten Satz ausgeschlossen. 248 Ganz unsicher ist der Ansatz von sarri als Postposition in KBo 29.16 II 3 f. Der uneinheitliche Zustand des Luwischen, der von der klaren Postpositionalität der Hethitischen abweicht, spricht gegen die These Riekens (2006: 280), die Vereinheitlichung der Place-Word-Syntax im Heth. sei unter luw. Einfluss erfolgt. Die Anlagen hierzu waren schon im Altheth. gelegt, wo von nennenswertem luw. Einfluss m. E. nicht die Rede sein kann.
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schiedene Stellungen erwarten. Zudem würde dies die optionale Voranstellung von andan im Althethitischen nicht erklären. Zu klären ist weiterhin die Besonderheit der nominalen Rektion bei den statischen Place Words in der alten Sprache. Da sich im Luwischen noch Reste von enklitischen Possessiva 249 bei Place Words finden, handelt es sich hierbei wohl um einen Archaismus des Hethitischen, der im Luwischen etwas früher abgebaut wurde, und zwar in derselben Reihenfolge wie im Hethitischen: Erst wurde der Genetiv durch den eine höhere Ikonizität aufweisenden DativLokativ ersetzt, später dann die Possessiva, die gerade in festen Wendungen erhalten blieben.250 Man kann also davon ausgehen, dass das Uranatolische bei einem Teil der Place Words eine nominale Rektion kannte, die im Vergleich mit allen anderen altindogermanischen Sprachen ohne Comparanda und für Adpositionen auch unerwartet ist, da der Genetiv kein konkreter Kasus ist (vgl. Wackernagel 1928: 210). Wenn die genetivische Rektion nicht als Neuerung des Anatolischen erklärt werden kann, muss sie trotz ihrer isolierten Bezeugung ererbt sein und dann nach Möglichkeit typologisch gedeutet werden. Für eine analogische Einführung der nominalen Rektion haben sich in der Tat Luraghi (2001: 39 f.) und Melchert (2009a: 616 f.) ausgesprochen. 251 Luraghi führt die hethitischen Place Words teilweise auf morphologisch verstärkte urindogermanische Relatoren zurück, weshalb es sich ihrer Meinung nach nicht um ehemalige Substantive handelt, sondern der Genetiv im Gegenteil durch eine formale Reinterpretation der vermeintlich nominalen Endung -an eingeführt worden ist. Place Words auf echt nominaler Basis wie arha ‚weg‘ seien erst in jüngerer Zeit entstanden. Dem ist entgegenzusetzen, dass die Genetiv-Rektion nicht auf rein formalen Anklang hin geneuert sein kann, denn wenn die Grundlage zur Neuerung eine Uminterpretation der Formen auf -an war, die wie ein Akkusativ Singular aussehen, ist das Auftreten des enklitischen Possessivums gerade im Ablativ-Instrumental nicht zu erwarten. Diese Endungen sind aber definitiv älter und müssen noch aus einer Zeit stammen, als -an bzw. dessen Vorform als adverbieller Ablativ-Instrumental verstanden wurde. Außerdem wäre es formal einfacher und wegen der Ikonizität funktional vorzuziehen gewesen, die ja nachweisbaren Formen auf -i (z. B. luw., vorheth. (*)āppi usw.) zum Dativ-Lokativ umzudeuten und dann *āppi=ssi statt *āppa(n)=sset zu sagen, so wie es in istarni= und katti= auch vorliegt. Im neu aufgebauten korrespondierenden System des Hethitischen hatten diese For249 Formen wie das mehrfach erwähnte priyam=sa, die eindeutig Possessiva enthalten, sprechen auch entschieden gegen die bereits in Kap. 4.1.4.2 zurückgewiesene ältere These Melcherts (1984: 122–125), die Possessiva seien umgestaltete Personalpronomina. Dass Luw. zwar enklitische Possessiva an Place Words, aber keinen abhängigen Genetiv gekannt hat, scheint gänzlich unwahrscheinlich, auch wenn letzterer nicht mehr belegt ist. 250 Im Luw. verschwand der Gen. schon vorgeschichtlich, während die Possessiva bronzezeitlich abgebaut wurden. Im Hethitischen wurde der Gen. im frühen Mittelheth. ersetzt, die Possessiva blieben versteinert noch bis in Jungheth. hinein erhalten. 251 Wenig Erklärungswert hat der Vergleich Salisburys (1999: 64) mit der Postposition iwar + Gen. Interessant ist aber, dass diese auf ein Substantiv (*i-war „Gehen“, s. Kloekhorst 2008: 422 f.) zurückgeht, und ihre Rektion auch in der mittel- und jungheth. Zeit beibehält. Das zeigt eindeutig, dass die Verallgemeinerung des Dat.-Lok. bei den PW semantisch bedingt ist.
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men aber keinen Platz mehr. Melchert auf der anderen Seite geht von einem vorgeschichtlichen Nebeneinander von ererbten Relatoren, die schon althethitisch mit den Dativ-Lokativ standen, und neugebildeten denominalen Postpositionen mit Genetiv aus. Diese hätten sich in der Folge in ihrer Syntax gegenseitig beeinflusst, so dass die nominale Rektion aus Fällen wie tapusz ‚seitlich von‘ stamme, während der Dativ-Lokativ von den eigentlichen Postpositionen herrühre. Dieser Ansatz ist zwar an sich glaubhaft, 252 scheitert aber an der relativen Chronologie: Die nominale Rektion ist bereits für das Uranatolische anzusetzen, die sekundären Postpositionen des Hethitischen (⇒4.1.4.3) sind jedoch einzelsprachliche, teils wohl erst spätalthethitische Neubildungen. Höheres, vermutlich schon grundsprachliches Alter kann allein hanz ‚(von) vorne‘ (hluw. FRONS-ti) beanspruchen, das aber im Hethitischen gerade nicht als Relator belegt ist (⇒2.5.3.3). Die vermeintliche Quelle der Genetiv-Rektion ist also jünger als diese selbst, zudem wäre es auch fraglich, dass die wenigen einzelsprachlichen denominalen Bildungen bei den frequenten ererbten Place Words den Dativ-Lokativ für eine gewisse Zeit teilweise hätten verdrängen können, um im Mittelhethitischen dann selbst den semantisch nicht motivierten Genetiv zugunsten des Dativ-Lokativs aufzugeben. Wie die in Kapitel 2.4 ausgeführte Untersuchung gezeigt hat, kann man außerdem erst ab dem Mittelhethitischen von einer Dativ-Lokativ-Rektion sprechen, in der alten Sprache sind Place Word und Lokalkasus hingegen noch weitgehend unabhängig voneinander. Somit war eine grundlegende Voraussetzung für den Austausch Genetiv ↔ Dativ-Lokativ vorgeschichtlich noch nicht gegeben. Im Uranatolischen, Urhethitischen oder Urluwischen gibt es offenbar keine analogische Quelle für die nominale Rektion der althethitischen Place Words der Ortsruhe.253 Es bleibt also festzuhalten, dass weder das Althethitische noch das Urluwische den Zustand des Uranatolischen getreu fortsetzen. Die kombinierte Evidenz lässt auf auf ein Nebeneinander von Formen und Konstruktionen schließen, die einzelsprachlich stärker systematisiert und reduziert wurden. Ererbt ist das Nebeneinander von Postpositionen mit Genetiv und lokalen Adverbien, die spezifizierend neben einen (Dativ-)Lokativ treten konnten. Die nominale Rektion war noch hinreichend lebendig, dass auch die vielleicht im späten Uranatolisch neu geschaffenen enklitischen Possessivpronomina noch an die Relatoren antreten konnten. Die produktiven Endungen waren *-em, das statische Relatoren mit Genetiv-Rektion bildete, sowie *-o für dynamische Adverbien. Daneben gab es noch Relatoren auf *-i und *-o, deren syntaktisches Verhalten wegen ihres weitgehenden Abbaus im Hethitischen bzw. der einheitlichen Syntax im Luwischen aber nicht mehr rekonstruiert werden kann; ebenso wenig ist 252 Ein Problem logischer Natur besteht aber darin, dass andan nie nominale Rektion zeigt. Wenn āppan, pēran und kattan den Genetiv sekundär bezogen hätten (ser gilt Melchert zu recht als ursprünglich denominal), warum sollte dann andan sich nicht ebenfalls so verhalten haben? 253 Eine weitere mögliche Alternativerklärung ist bisher nicht vorgeschlagen worden: Da es sich bei den PW auf *-em um lokativ. Ablativ-Instrumentale handelt, könnte der vorangestellte „Gen“ tatsächlich ein Ablativ sein, der ja grundsprachlich im Sg. mit dem Abl. identisch ist. Der Ursprung der nominalen Rektion wäre damit ein missverstandener Abl. Ein solches Szenario scheint aber kaum wahrscheinlich, gerade auch, da der Abl. im Anat. produktiv ist (⇒4.1.1.2) und wohl kaum durch den nur teilweise homonymen Gen. ersetzt worden wäre.
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klar, welche Place Words voran- und welche nachstehen konnten oder mussten. 254 Die verschiedenen semantisch-syntaktischen Rollen konnten auf stammgleiche, aber endungsverschiedene Wörter aufgeteilt, aber auch in einer Form vereint sein. So bedeutete uranat. *perem als Postposition mit Genetiv ‚vor‘, als relationales Adverb ‚vorne‘, als Proadverbial ‚davor‘ und als (Proto-)Präverb ‚voran-‘. In Bezug auf die einzelsprachliche Entwicklung sind besonders die Veränderungen in der Wortstellung und das Aufkommen der DativLokativ-Rektion, die nach Auskunft des Althethitischen relativ rezent ist, zu betrachten. Das Hethitische weist offenbar einen älteren Sprachstand auf, von dem aus sich anschließend auch die luwische Entwicklung erhellen lässt. Da ein Dativ-Lokativ und ein Place Word einerseits in der alten Sprache syntaktisch 255 unabhängig voneinander sein können, andererseits im Mittelhethitischen in bestimmten Konstellation Rektion und damit Postpositionalphrasen nachweisbar sind (→2.4-3ab) und zugleich die althethitische Genetiv-Rektion verschwunden ist, muss es am Übergang zwischen den beiden Sprachstufen zu einer Umkatego risierung und gleichzeitigen Vereinheitlichung zweier Verwendungsweisen – als Adverb und als Adposition – gekommen sein. Für diesen Systemumbau dürfte es zwei Hauptgründe gege ben haben: 1. Die Endung *-em hatte ihre Produktivität und wohl auch ihre Deutung als Ablativ-Instrumental verloren. Durch Lautwandel ergab sich ein -an, das wahrscheinlich homonym mit dem Ausgang von andan ‚drinnen‘ (< *n̥don) war, das als ursprüngliches Adverb keine Genetiv-Rektion kannte. Der dadurch unterstützte oder sogar ausgelöste Aufbau der korrespondierenden Reihen (⇒4.1.4.2) bewirkte generell einen höheren Druck, die weiter bestehenden syntaktischen Unterschiede zwischen andan einerseits und den anderen statischen Place Words andererseits auszugleichen. 2. Nach der Versteinerung der statischen Place Words war der regierte Genetiv nicht mehr nur semantisch, sondern auch syntaktisch schlecht motiviert. 256 Gleichzeitig bestand daneben eine inhaltlich weitgehend identische,257 syntaktisch aber abweichende Konstruktion, nämlich die Verbindung aus einem Place Word in adverbieller Funktion mit einem Lokalkasus. Diese kann mit Starke (1977: 172 f., 175 f.) als Ap position verstanden werden.258 Neben *parnas peran „vor dem Haus“ hat es also wohl auch, wohl seltener, die 254 Die Nachstellung der Bildungen auf *-em ist sicher und durch den Genetiv, der ja im Anat. generell vor dem Re gens steht, gut motiviert. Da heth. andan anders als die anderen statischen PW voranstehen kann, ist auch dies als er erbt anzusehen, da es nicht analogisch erklärt werden kann. Wenn Bsp. →2.2.1.1-3 ererbt und nicht nach der späteren Tendenz zur Nachstellung aller PW geneuert ist, waren auch die dynam. PW in ihrer Stellung ursprünglich freier und die feste Reihenfolge PW + Dir./Dat.-Lok. basiert auf einer heth. Vereinheitlichung. 255 Bezogen auf die Dependenz; hinsichtlich der Wortstellung herrscht auch hier schon Konfigurationalität vor. 256 Der Genetiv war schon vorgeschichtlich weitgehend auf adnominale Funktionen beschränkt worden (s. GHL: 250–257, Neumann 2001). 257 Ein Unterschied mag ursprünglich darin bestanden haben, dass Bezug auf Belebtes vorzugsweise mit dem Gen. ausgedrückt wurde, vgl. S. 144, Fn. 270. 258 Da die Place Words weder ein echtes Paradigma noch die funktional zu erwartenden lokativischen Endungen haben, können sie gegen Starkes Grundthese aber nicht als gewöhnliches Substantiv verstanden werden, es handelt sich um eine eigene Wortart (gegen Starke s. zuletzt Melchert 2009a).
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Verbindungen *peran parni „vorne am Haus“ bzw. *parni peran „am Haus vorne“ gegeben, wobei der emphatische Voranstellung des Place Words fast nur noch bei andan belegt ist.259 Während es nicht möglich ist, die Verbindung aus Genetiv und Place Word als Apposition zu verstehen, ist es denkbar, dass die Apposition aus Dativ-Lokativ und Place Word als Adpositionalphrase aufgefasst wurde. Wenn man nun das Paar andan – anda mit einem anderen Relation, z. B. ANTERIOR, vergleicht, fällt die Asymmetrie bei der Bezeichnung von Ziel und Ort auf: Adverb anda parna „ins Haus hinein“ – Relator260 parni andan „im Haus (drinnen)“ Adverb prā parna „zum Haus voran“ – Adposition parnas peran „vor dem Haus“ Wenn man auf Basis der Relation anda parna : parni andan eine proportionale Analogie prā parna : X aufstellt, ergibt sich X = parni peran. Nur gab es diese Verbindung schon, nämlich appositives parni peran „am Haus vorne“. Mit dieser Gleichung war der Grundstein für eine Interpretation der Appositionen aus Place Word und Lokalkasus als Adpositionalphrasen gelegt. 261 Da damit zwei inhaltlich und syntaktisch gleiche Konstruktionen vorhanden waren, nimmt es nicht Wunder, dass sich die ikonischere mit Dativ-Lokativ gegenüber dem Genetiv durchsetzte. 262 Dabei wurde die optionale Voranstellung der adverbiellen Place Words, die der üblichen Nachstellung der adpositionellen Place Words widersprach, beseitigt. Dies geschah zuerst bei den statischen Place Words, dann nach der Ersetzung des Direktivs durch den Dativ-Lokativ, die völlig unabhängig von den hier beschriebenen Entwicklungen erfolgte, auch bei den dynamischen Place Words.263 Das auf S. 404 folgende Schaubild fast die Entwicklungen zusammen. Eine im Ansatz ähnliche Entwicklung zeichnet Neu (1974: 68 f.), der die Verbin dung Dat.-Lok. + PW als jüngeren Ersatz für Gen. + PW, dessen nominaler Charakter verloren gegangen war, deutet. Starke (1977: 174 f.) lehnt dies ab, von seinen Argumenten ist aber nur der Hinweis auf das Fehlen einer Erklärung für vorangestelltes PW + Dat.-Lok. in Neus An 259 Vgl. aber kattan dankui taknī ZABAR palhi arta „Unten in der dunklen Erde stehen Kessel aus Bronze“ (KUB 17.10 IV 15; aH/mS). Nach Boley (1989: 336) sind die PW deswegen nachgestellt, weil es sich eher um eine Spezifizierung des Lokalkasus als um eine partitiv. Apposition handelt – doch gilt im Heth. ja die syntaktische Einschränkung, dass Adverbien nicht attributiv verwendet werden können. Für die Sonderstellung von andan ist auch zu beachten, dass es als einziges korrespondierendes PW eine topologische Relation ausdrückt, während die anderen per spektiviert sind. 260 Da der Dativ-Lokativ bei der Bezeichnung der Relation INTERIOR als ORT semantisch eigenständig motiviert ist, ist es unmöglich zu überprüfen, ob es sich bei andan um ein Adverb oder um eine Adposition handelt. Der Verschiebbarkeit spricht eher für ein Adverb. 261 Dies ist auch typologisch gestützt. So weist Lehmann (1995: 90–92) darauf hin, dass Adverbien als Adpositionen aufgefasst werden können, wenn eine aus Adverb und semantisch motivierter Kasusform bestehende Juxtaposition die gleiche Bedeutung hat wie die Verbindung aus Adposition und Komplement im geforderten Kasus. 262 Durch den allgemeinen Abbau der enklitischen Possessiva zum Mittelheth. hin wurde der Gen. auch von dieser Seite nicht gestützt. 263 Der Zustand des frühen Mittelheth. (⇒2.2.1.2) zeigt genau diesen Übergang, wo die direktiv. PW weiterhin vorausgehen, die folgende Kasusform aber bereits ein Dat.-Lok. ist. Da altheth. andan analogisch beseitigt worden war (⇒2.4.1), konnten die Konstruktionen anda parni (< anda parna und andan parni) und parni anda (< parni andan) als Varianten angesehen werden, womit der Weg für eine weitere Vereinheitlichung geebnet war.
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satz stichhaltig.264 Dieses Problem stellt sich hier aber nicht, da auch die Verbindungen aus Place Word und Dativ-Lokativ als alt angesehen werden können. In den luwischen Sprachen wurde die Genetiv-Rektion zugunsten des besser motivierten Dativ-Lokativs aufgegeben, die Wortstellung im Luwischen („Luvian“) zunächst aber nicht vereinheitlicht, während das Lykische die Präposition verallgemeinerte. Dabei muss aber zuvor dieselbe Uminterpretation der Sequenzen aus Dativ-Lokativ und Place Word zu einer Adpositionalphrase erfolgt sein, wie eben für das Hethitische beschrieben wurde. Althethitisch Relator peran
+regierter Genetiv
absolutes Adverb (+ Lokalapposition)
parnas peran
(parni) peran / peran (parni) Umdeutung zur Adposition
Mittelhethitisch
+regierter Dat.-Lok.
absolutes Adverb265
parni peran / peran parni
(parni) peran / peran (parni)
Vereinheitlichung
+regierter Dat.-Lok.
absolutes Adverb
parni peran
(parni) peran / peran (parni) selten!
Abb.: 4.2.2.1-1: Entwicklung der Adpositionalphrasen vom Alt- zum Mittelhethitischen
4.2.2.2 Vom Urindogermanischen zum Uranatolischen Wie das vorherige Kapitel gezeigt hat, sind am Übergang vom Alt- zum Mittelhethitischen zwei aus dem Uranatolischen ererbte Konstruktionen, nämlich Genetiv + adpositionelles Place Word und Dativ-Lokativ + adverbielles Place Word in Apposition, aufgrund semantischer Überschneidung in éiner Konstruktion, Dativ-Lokativ + adpositionelles Place Word, 264 Ansonsten sei problematisch, dass die PWs altheth. noch rein nominal seien, was nicht stimmt, und dass die Vor anstellung der direktiv. Adverbien damit nicht erklärt werde, doch sind diese für die Erklärung der statischen Syntax nicht von Belang. 265 Die Place Words waren weiterhin als relationales Adverb verfügbar, die syntaktische Unterscheidbarkeit zwischen Appositionen mit Beteiligung eines solchen Adverbs und Adpositionalphrasen war durch die frühmittelheth. Entwicklungen aber nicht mehr gegeben.
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zusammengefallen. Damit muss aber weiterhin die Frage geklärt werden, woher die erste der beiden uranatolischen Konstruktionen stammt, denn nur für die zweite finden sich in der Form Relator + Lokativ (bzw. deren Fortsetzungen) Parallelen in den anderen altindogermanischen Sprachen (vgl. aber unten zum Gr.). Da die nominale Rektion, wie ebenfalls gezeigt wurde, zugleich aus der nur noch durch Rekonstruktion greifbaren Grundsprache ererbt sein muss, bleibt durch das weitgehende Fehlen von Vergleichsmaterial nur der Blick in typologische Befunde zur Lösung dieser Frage.266 Gemäß der Grammatikalisierungsforschung kann eine Adposition dann auf eine Genetivkonstruktion mit einem relationalen Substantiv oder einer Körperteilbezeichnung (vgl. die Einleitung zu diesem Kapitel) zurückgeführt werden, wenn eine Genetiv-Markierung, entweder an der Adposition selbst oder zwischen Adposition und Bezugswort, vorliegt. Wenn sie hingegen aus einem Adverb entstanden ist, fehlt eine Genetiv-Markierung ganz oder die Markierung ist nur am Bezugswort vorhanden (s. Svorou 1994: 104, Kahr 1975). Die beiden Möglichkeiten sind oben in Abbildung 4.1-1 dargestellt. Die Umwandlung von mit Genetiv und/oder Possessivum stehenden Substantiven zu Adpositionen beruht häufig auf einer Reanalyse [[N-Gen. Nrel]-Kasus] > [N-Gen. [Nrel-Kasus]]. Dadurch ergeben sich bei letzterem Einschränkungen, z. B. sind keine Attribute mehr möglich, vgl. frz. à côté de vous „neben euch“, nicht *à votre côté „an eurer Seite“ (s. Lehmann 1995: 76–79). Neben diesen syntaktisch ursprünglichen Genetiven sind einzelsprachlich auch sekundäre Verbindungen aus Adposition + Genetiv entstanden. Dies ist besonders im Griechischen der Fall, wo sich nach Luraghi (2003: 328–330) neben einer ererbten Trias Genetiv – Dativ – Akkusativ, die die grundsprachlichen Kasus Ablativ – Lokativ – (direktiv.) Akkusativ fortsetzen,267 eine innovierte Opposition Genetiv – Akkusativ findet, die sich auf eine diskontinuierliche bzw. kontinuierliche Struktur eines mehrteiligen Relatums bezieht. Der Genetiv setze so neben dem Ablativ auch den partitivischen Genetiv fort. 268 Auch das griechische Adverb eísō ‚einwärts, hinein‘ findet sich sekundär als Adposition mit Genetiv, der wohl aus einer Verschiebung des Bezugs in Wendungen wie dómon Aídos eísō „ins Haus des Hades“ stammt (Zeilfelder 2001: 108 f.). Keine dieser sekundären Quellen scheint für die nominale Rektion des Uranatolischen wahrscheinlich, weshalb man auf den typologisch gestützten Ansatz ursprünglich substantivischer Relatoren zurückgreifen muss. Schon Boley (1985b: 238) hat erwogen, dass die althethitische Genetiv-Rektion vielleicht alt ist und ein früheres System mit teilweise nominalen Place Words fortsetzt. Auch 266 Für die Frage der Wortstellung hilft auch diese nicht weiter. Nach Waanders (1994: 427 f.) sind zwar typologisch in VO-Sprachen Prä-, in OV-Sprachen Postpositionen zu erwarten, da dies der jeweils grundlegenden Kopf-Komplement-Struktur entspricht, in der Realität finden sich ihm zufolge aber oft Ausnahmen, die mit typologischem Wandel, Sprachkontakt oder (verlorener) Emphase erklärt werden können, so dass hier keine Sicherheit besteht. 267 Zu gr. prò + Gen. vergleicht schon Wackernagel (1928: 211) das Osk., wo diese Adposition als ‚vorne von … weg‘ mit Abl. steht. 268 Eine andere Deutung findet sich bei Dunkel (1992: 159, Fn. 25): „Griechisch ἐπὶ χθονός ist also rein nominale Syntax, während gleichbedeutendes (!) ἐπὶ χθονί eine partitive Apposition darstellt.“ In diesem Fall läge der Rest einer echten genetivischen Rektion wie im Heth. vor, für das Gr. allein ist das aber kaum wahrscheinlich zu machen.
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Krisch (1984: 134 f.) führt diese Rektion von ser und entsprechend der anderen Postpositionen auf einen nominalen Ursprung zurück, rechnet aber mit einer Zwischenstufe als Ad verb. Mehrfach wurde in dieser Arbeit bereits die These Starkes (1977: 131), wonach die althethitischen Place Words auch synchron noch Kasusformen sind, zurückgewiesen; diachron scheint dies nach dem Gesagten aber gut möglich, sogar wahrscheinlich, denn es erlaubt in der zeitlichen Erweiterung des Schaubildes 4.2.2.1-1 ein glaubhaftes Szenario für die Entwicklung der Place Words: In einer ersten Stufe (I) werden zur Lokalisation wie z. B. im Tür kischen relationale Substantive verwendet.269 Diese können explizit mit Genetiv-Attribut stehen (≈ Adposition) oder absolut ohne ein solches phorisch (≈ Proadverbial) bzw. deiktisch (≈ relationales Adverbial) verwendet werden. Zum Urindogermanischen hin (II) sterben sie als Appellativa aus, die Formen der statischen Lokalisation werden so auf der syntaktischen Ebe ne mit einem – jetzt regierten – Genetiv zu Adpositionen, ohne Bezugswort zu Adverbi(al)en. Auf der Ebene des Lexikons kann man sie als „Relatoren“ zusammenfassen, sie entsprechen so der zweiten Stufe des in Abbildung 4.1-1 wiedergegebenen Grammatikalisierungskanals. Zum Adverb(ial) kann wie schon zu einem relationalen Substantiv appositionell eine spezifizierende Lokalangabe treten, deren Stellung, wie man im Sprachvergleich sieht, weitgehend frei ist (vorne am Haus – am Haus vorne, s. Lehmann 1995: 90). Dieser Zustand ist ins Uranatolische und weitgehend bis ins Althethitische (III) hinein bewahrt worden. Dann wurden aber, wie oben dargestellt, die Appositionen aus Lokativ und Place Word aufgrund ihrer mit den Postpositionalphrasen vergleichbaren Bedeutung selbst zu Adpositionalphrasen umgedeutet. Zum Mittelhethitischen hin (IV) ging dann einerseits die Genetiv-Rektion der Postpositionen verloren, andererseits wurde die freiere Stellung der Adverbi(al)en beseitigt. Die auf Seite 407 folgende Übersicht fasst diese Entwicklung zusammen.
269 Dies können Abstrakta wie Vorbereich, Konkreta wie Front oder spezieller Körperteilbezeichnungen wie Stirn sein. Da die entsprechenden Ausdrucksmittel nicht mehr etymologisiert werden können (vgl. aber Kap. 4.1.4.2 zu ser), belasse ich es bei neutralen Abstrakta. – Zur Abgrenzung von Adpositionen und den funktionell ja bereits vergleichbaren und teils schon Grammatikalisierungserscheinungen aufweisenden relationalen Substantiven s. Hagège (2010: 166–168).
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I. Vorurindogermanisch relationales Substantiv z. B. Vorbereich
+ Genetivattribut
absolut (+ Lokalapposition)
im Vorbereich des Hauses
im Vorbereich (am Haus)
II. Urindogermanisch
Aussterben des Appellativums
Relator vor(ne)
+regierter Genetiv
absolutes Adverb (+ Lokalapposition)
vor dem Haus
(am Haus) vorne / vorne (am Haus)
III. Althethitisch
zunächst fortgesetzt
Relator peran
+regierter Genetiv
absolutes Adverb (+ Lokalapposition)
parnas peran
(parni) peran / peran (parni) Umdeutung zur Adposition
IV. Mittelhethitisch
+regierter Dat.-Lok.
absolutes Adverb
parni peran / peran parni
(parni) peran / peran (parni)
Vereinheitlichung
+regierter Dat.-Lok.
absolutes Adverb
parni peran
(parni) peran / peran (parni) selten!
Abb. 4.2.2.2-1 | Grammatikalisierungspfad der statischen Lokalisation (vgl. Abb. 4.2.2.1-1)
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Auf diese Weise lassen sich die Befunde der anatolischen Sprachen plausibel erklären. Es werden zugleich aber zwei neue Fragen aufgeworfen. Die erste Frage betrifft die Entwicklung der direktivischen Place Words des Hethitischen. Da diese in der alten Sprache gewöhnlich vorangestellt sind und niemals einen Genetiv regieren, lassen sie sich am besten als echte adverbiale Bildungen, vergleichbar mit den deutschen direktivischen Adverbien mit dem Formans -wärts, deuten. Dies stimmt mit der in Kapitel 4.1.1.1 geäußerten Auffassung überein, nach der der Direktiv keinen ur- oder vorurindo germanischen Kasus, sondern eine Innovation des Anatolischen auf adverbialer Basis darstellt. Hinsichtlich der Wortstellung ist leicht verständlich, dass der Direktiv praktisch immer auf die Place Words folgt: Erst wird die allgemeine Richtung, dann das spezielle Ziel genannt, Zielangaben stehen dabei im Hethitischen immer zuletzt (s. Tjerkstra 1999: 164). Besonders aussagekräftig ist hier das Beispiel →2.4-17c, wo die Quellangabe im Ablativ wiederum vor dem Place Word prā steht. Die dynamischen Place Words dienen ursprünglich nicht der Beschreibung der Relation von Lokatum (im obliquen Kasus) und Relatum, sondern beschreiben als Modifikator des Prädikats, in welche Richtung sich das Subjekt während der Handlung bewegt. Frühestens in der späten mittelhethitischen Zeit können sie in einigen speziellen Konstruktionen auch Lokatum-Relatum-Beziehungen ausdrücken.270 Vorher konnten dies nur die statischen Place Words in der Constructio praegnans (⇒4.2.1), deren Häufigkeit im Hethitischen daher nicht überrascht. Die zweite Frage betrifft das Verhältnis des aus der Kombination des uranatolischen Befundes mit typologischen Argumenten gewonnenen Bildes des Urindogermanischen zum Späturindogermanischen, aus dem die anderen Einzelsprachen hervorgegangen sind, denn die bisher gängigen Meinungen zur Herkunft der indogermanischen Relatoren bzw. Place Words 271 weichen von dem hier beschriebenen Szenario merklich ab, ohne dabei den Archaismus des Anatolischen erklären zu können.272 Um die komplexe Materie übersichtlich darzustellen, folgen zunächst einige in diesem Zusammenhang wichtige Befunde aus verschiedenen Einzelsprachen und deren Interpretation, besonders in Bezug auf die schon oben aufge-worfene Frage nach der Wortarten-Kategorisierung der altindogermanischen Relatoren, danach kommen die angesprochenen Positionen zur Herleitung dieser Ausdrucksmittel als Klasse zur Sprache.
270 S. Boley (2000: 124) zur Ersetzung von =ssan durch srā in der jüngeren Sprache, sowie Salisbury (2005: 123 f.) zu prā. 271 Für eine Forschungsgeschichte vgl. auch Fritz (2005: 22–35). 272 Dies bedeutet natürlich keineswegs, dass das Anat. nicht auch in manchen Bereichen geneuert haben könnte. Die bevorzugt präverbale Stellung der PW kann z. B. erst eine rezente Verallgemeinerung sein, da sonst weder die Positi on der OBP in Wackernagel‘scher Stellung (⇒4.1.3) noch das Fehlen von PW nach dem Verb, wo eines von zwei Präverbien nach Ausweis des Ai. und hom. Gr. stehen konnte (s. Wackernagel 1928: 650 f.), zu begründen wäre. In HKM 71 4 (mH/mS; → 2.4.2.2-4) findet sich einmal ein einzelnes nachgestelltes PW, vielleicht handelt es sich hierbei um Umgangssprache. Der ebenfalls isolierte Beleg KBo 17.1+ IV 31 (aS) kalulupi=smi hulalian kuit=(m)a anda „was aber an ihren Finger gebunden ist“ stellt vielleicht den letzten Rest früherer größerer Freiheit bei der Setzung der PW dar.
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Es ist allgemein bekannt, dass die besonders im Althethitischen noch vorhandene Unabhängigkeit von Lokalkasus und Relator im Vedischen noch fast durchgehend gegeben ist, 273 während die selbständigen Kasus in anderen Sprachen zunehmend abgebaut wurden und z. B. im Griechischen nur noch als Archaismen bei Homer vorkommen (s. Horrocks 1981: 18 f.) oder im Lateinischen auf Ortsnamen beschränkt sind und ansonsten durch Präpositionalphrasen ersetzt werden. Der hethitische und vedische Zustand wird daher allgemein als alt angesehen (dagegen nur zu Unrecht Delbrück 1893: 659 f.). Weiterhin zeigen Übereinstimmungen syntaktischer Art im Vedischen, Hethitischen, Griechischen, Lateinischen und anderen Sprachen (s. Watkins 1963, Horrocks 1981: 114– 117), dass im Urindogermanischen die markierte Wortstellung VSO (neben unmarkiertem SOV) auch für Präverbien bzw. deren Vorformen verfügbar war, indem das Place Word aus pragmatischen Gründen274 in Erststellung verschoben werden konnte. Die Tmesis bei Homer oder im Altlateinischen, bei der das Präverb getrennt vom Verb steht, geht hierauf zurück. Auch hier wurde im Verlauf der einzelsprachlichen Entwicklung die Selbständigkeit des Place Words zunehmend abgebaut, so dass es in den meisten Fällen, z. B. schon im klassi schen Griechisch und Latein, fest mit dem Verb verschmolz. 275 Bei den adnominal stehenden Relatoren gilt die weit verbreitete Voranstellung als Neuerungstendenz, die Nachstellung hingegen als alt (s. z. B. Wac kernagel 1928: 198), wobei Voranstellung im Altindoarischen als Markierung verstanden wird.276 Eine interessante Beobachtung semantisch-pragmatischer Natur zum homerischen Griechisch stammt von Viti (2008 [2010]: 119–123), der zufolge Präpositionen überwiegend mit unbelebten Appellativa stehen, Präverbien hingegen mit menschlichem, spezifischem und/ oder topikalisiertem Referenten, oft in Form eines Personalpronomens. Dazu passe die syntaktische Verteilung, wonach präverbale Elemente häufiger in diskurswichtiger Erststellung zu finden sind (124–129). Ein solcher Wechsel zwischen Adpositionen und Verb-Partikeln ist typologisch nicht ungewöhnlich (vgl. Viti 2008 [2010]: 129–132) und sollte auch anhand der
273 Vgl. z. B. das PW pári ‚ringsum‘, das sich je nach Bedeutungsnuance mit einer Vielzahl Kasus verbinden kann (s. Hettrich 2002 und generell die anderen S. 321, Fn. 2 erwähnten Arbeiten). Nach Cuzzolin et al. (2006: 10) kann man nicht von Rektion sprechen, wenn Adpositionen mit praktisch allen Kasus vorkommen. 274 Das sind v. a. Anapher und Kontrast, s. Boley (1985b: 235 f.). Damit erklärt sich auch das vermeintliche Paradox, dass das Myk. typologisch jünger als die Sprache Homers erscheint, was z. T. als Beweis des be sonderen Archaismus von letzterer gewertet wurde: „Die homerisch-mykenische Diskrepanz – reichliche Verwendung der Tmesis bei Homer, Fehlen der Tmesis auf mykenischen Texten – kann nicht als Beweis dienen, dass die epische Sprache einen archaischeren Sprachstand als das Mykenische repräsentiert. Vielmehr reflektiert sie die unterschiedlichen Stilebenen, in denen sich das Epos beziehungsweise die mykenische Kanzleisprache bewegt“ (Hajnal 2004: 146 f.). 275 Auch in nahe verwandten Sprachen oder zeitlich eng beieinander liegende Zeitstufen können beträchtliche Unterschiede auftreten. So entspricht die Distribution der PW im Av. etwa der des Ai., im Apers. aber herrscht ein Zustand wie im Lat., also feste Präverbien und fast nur Präpositionen (Delbrück 1893: 647, Fn. 1). 276 S. Hackstein (1997: 54 f.). Ihm zufolge ist dies bereits uridg. der Fall, da die Adposition * sn̥h1i ‚ohne‘ (⇒4.1.4.4, sannapili) in toch. B snai, lat. sine usw. nur als Präposition auftaucht, was sich durch ihren Charakter als markierte „Quasi-Negation“ erklärt (52 f.).
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anderen altindogermanischen Sprachen überprüft werden, was im Rahmen dieser Arbeit aber nicht möglich ist. Während viele jüngere Sprachen und Sprachstufen wie das klassische Griechisch und Latein schon klar zwischen Adpositionen, Adverbien (inkl. Proadverbialen) und Präverbien unterscheiden, sind diese Formen ähnlich wie im Hethitischen (⇒2.4) gerade im Altindoarischen und im homerischen Griechisch oft schwer oder gar nicht zu trennen. 277 Dieser Unterschied kann entweder auf syntaktische Mehrdeutigkeiten, die in späterer Zeit beseitigt wurden, oder auf eine ursprünglich einheitliche Wortart, die einzelsprachlich differenziert wurde, zurückgeführt werden. Die Communis Opinio hierzu ist gewissermaßen ein Kompromiss, dem zufolge eine einzige Wortart, deren Charakter noch zu klären ist, schon grundsprachlich in verschiedene Gebrauchsweisen zerfiel, deren endgültige Trennung aber erst in nachgrundsprachlicher Zeit unabhängig voneinander, aber oft in ähnlicher Weise erfolgte. So setzt z. B. Horrocks (1981: 44 f.)278 statt der klassischen Drei-/Vierteilung zunächst éine Kategorie „Partikel“ mit einer Zweiteilung präpositional (kasusmodifizierend) und adverbial (nicht-kasusmodifizierend) an, die noch bei Homer weitgehend einheitlich sei. 279 Andere gehen von einer klaren semantischen Trennung, die nur syntaktisch nicht immer sichtbar sei, schon in der Grundsprache aus. So erweise der statische, rein adnominale Wert von uridg. *pro ‚wegen‘ zur metaphorischen Angabe eines emotionalen Grundes schon eine grundsprachliche Dreiteilung der Place Words.280 Dagegen wendet Hettrich (2002: 241, Fn. 21) ein, dass es sich nur um die Vorstufe einer Adpositionalphrase handelt, da der Kasus noch nicht regiert ist. Weitere Argumente für einen schon grundsprachlichen Ansatz von Adpositionen und Präverbien sind nach Hettrich (1991: 66–68) die bevorzugte Stellung der Lokalpartikeln am Satzanfang oder vor dem Verb (vgl. Watkins 1963) und die wohl ererbte Stellung von Partikel zwischen Substantiv und Attribut, die sich im Vedischen und bei Homer findet (vgl. auch lat. magna cum laude). Hettrich (1991: 67 f.) weist auch darauf hin, dass z. B. der Relator ádhi ‚oben‘ nur dann ungebunden ist, wenn das Relatum eine valenzabhängige Ergänzung ist. Ist es hingegen eine Angabe, ist nur eine adnominale Stellung möglich, was sich laut Horrocks (1981: 22 f.) genauso bei Homer findet. Dieser Unterschied kann kaum unabhängig in beiden Spra chen innoviert sein kann. Krisch (1984: 101) weist weiterhin darauf hin, dass einige Partikeln nur als Adpositionen greifbar sind (z. B. *ad, *ae), doch identifiziert Dunkel (2007: 53 f.) schwundstufiges *ad ‚bei‘ in ai. tsárati „schleicht“ < *d-sel- und in einigen Wurzeln mit „Thorn“, so dass diesem Argument wenig Gewicht zukommt. Nach Pinault (1995: 38 f.) 277 S. zum Hom. besonders Horrocks (1981), Pompeo (2002), zum Ai. vgl. die Einzeluntersuchungen von Casaretto (2010, 2010 [2011], 2011, 2011 [2012]a, 2011 [2012]b), Hettrich (1991, 1993 [1994], 2002, et al. 2004 [2010]) und Schneider (2009 [2010], 2010ab, 2011, im Druck). Ähnliches gilt aber auch für das Toch., s. Penney (1989). 278 Für weitere Lit. s. die Positionen zur Herleitung dieser Wortart unten. 279 Vgl. aber die Kritik an Horrocks bei Pompeo (2002: 87–92), der zufolge die lokalen Kasusformen ohne Partikel vereinzelte Archaismen darstellen, während es Indizien für die Notwendigkeit der adnominalen Partikeln gibt. Die Präpositionalphrasen seien vielmehr bei Homer schon in der Entwicklung begriffen. 280 S. Dunkel (1990b: 166–170), vgl. gr. prò phóboio, lat. prae pavore „vor/wegen Angst“, heth. inani peran „vor/ wegen Krankheit“ mit teils geneuerten Relatoren.
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erweist uridg. *ni-sd-ó- ‚Nest‘281 grundsprachliche Präverbien. Die semantische Modifikation des Verbs durch ein Präverb sei unabhängig von der Tmesis (47 f.). 282 Interessant ist vor diesem Hintergrund der Befund des Tocharischen, das keine auf Place Words basierenden Präverbien kennt und aufgrund des Fehlens jeglicher morphologischer Reste nach Penney (1989: 58–62) auch nie solche besaß. Da zumindest im späten Urindogermanisch Ansätze für die Präverbierung gelegt waren (vgl. auch Krisch 1984: 99 f.), wie die ähnliche Entwicklung in den Einzelsprachen zeigt, spricht dies für eine frühere Abspaltung des Tocharischen (Penney 1989: 67–69) und impliziert zugleich, dass die Proto-Adpositionen früher als die Proto-Präverbien entstanden sind. Man kann in jedem Fall festhalten, dass das Späturindogermanische eine formal nicht differenzierte und in Bezug auf die Wortstellung noch relativ freie Klasse lokaler Ausdrucksmittel kannte, die semantisch aber wohl schon in überwiegend selbständige, überwiegend adnominale und überwiegend adverbale Gebrauchsweisen geschieden war. Diese Drei-/Vierteilung der Inhaltsseite wurde einzelsprachlich auch zunehmend auf der Ausdrucksseite markiert. Die Klasse von „Lokalpartikeln“ wird mehrheitlich auf Adverbien zurückgeführt, z. B. bei Wackernagel (1928: 165 f.), Krisch (1984: 85–98), Coleman (1991b), Horrocks (1981: 118–125). In diesem Ansatz traten die Adverbien, wenn sie sich nicht als semantisch eigenständiges Glied auf den ganzen Satz bezogen, spezifizierend zu einem autonomen Lokalkasus (z. B. vorne am Haus/am Haus vorne)283 oder einem Verb (z. B. vorne gehen) hinzu. Bei den adnominalen Adverbien ist es demnach durch die enge semantische Assoziation von Adverb und Kasusform auch zu einer engeren syntaktischen Bindung der beiden gekommen, indem sie ein gemeinsames Syntagma bildeten und es zugleich zu Einschränkungen bei der Kasuswahl kam. Als zu einem späteren Zeitpunkt eine formale Erneuerung der freien Adverbien eintrat, wurden die nun adnominalen Adverbien wegen ihres besonderen Status davon nicht mehr erfasst und so auch formal als Adpositionen fixiert, wodurch sie endgültig ihre Autonomie einbüßten. Die Entwicklung von Rektion konnte schließlich zum Verlust der dann funktionslosen Kasus führen. Eine ähnliche Entwicklung ist für die Präverbien anzunehmen, wo semantische Bindung (Phraseologismen) auf Syntax und Phonologie abgebildet wurde. 284 281 Hypostase „wo (der Vogel) sich niedersetzt“, vgl. *h2o/*h3e-sd-o- ‚Ast‘, das außer als „An-satz“ (⇒4.1.1.1) auch als „wo (der Vogel) sich hinsetzt“ gedeutet werden kann. 282 Ein Bsp. für einen grundsprachlichen Phraseologismus nennt Hettrich (1993 [1994]): Die Fortsetzung von *énter/*n̥tér ‚inmitten‘ kennt im Ved., Av., Lat. und Ahd. einen übertragen separierenden Gebrauch (vgl. unter-scheiden), der aufgrund der breiten übereinstimmenden Bezeugung ererbt sein muss. 283 Da sich Kasusform und Adverb gegenseitig modifizieren konnten, waren beide Reihenfolgen möglich und sind auch in den ältesten Sprachen belegt. Einzelsprachlich wurde dann eine der Reihenfolgen verallgemeinert und die Konfigurationalität obligatorisch, die mangels Kongruenzmarkierung zum Ausdruck der Zusammengehörigkeit schon vorher üblich war (vgl. Dunkel 2007: 9–12). 284 Eine wichtige Stufe hierzu waren möglicherweise Ableitungen wie das erwähnte *ni-sd-o- ‚Nest‘, das vielleicht zunächst eine Zusammenbildung von einer phraseologischen, nicht komponierten Verbindung aus Adverb und Verb war (wie es sie auch im Hethitischen gibt, ⇒2.2.2), dann aber auf seine Ableitungsbasis rückwirkte.
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Andere Ansätze für die Herleitung der Lokalpartikeln konnten sich nicht durchsetzen. Nach Delbrück (1893: 643–665) war die Verwendung der Place Words als Adverb nicht alt und nahm ihren Ursprung gerade von (trennbaren) Präverbien. Dies wird von Baldi (1979: 53–59) genauer ausgeführt, dem zufolge ein ursprüngliches Präverb zur Präposition herausgelöst wird, zunächst mit Doppelung wie in trans Rhenum transduxit „er führte über den Rhein hinüber“ (Caesar, Bell. Gall. 1,35). Dann sei es zur Tilgung des Präverbs gekommen. Da die ser Ansatz das Auftreten von Postpositionen nicht erklären kann und die entscheidenden Belege selten und jung sind, wurde er allgemein zurückgewiesen. Ein modifiziertes Szenario bietet Hackstein (1997: 50 f.): W ie bei Delbrück seien Postpositionen zwar aus Präverbien und diese aus Adverbien entstanden, diese seien in der unmarkierten Reihenfolge Kasusform – Präverb (autonom) – Verb durch Umgruppierung [Kasusform] – [Präverb – Verb] → [Kasusform – Präverb] – [Verb] vom Verb auf den Kasus übergegangen. Dies würde aber z. B. bedeuten, dass das Tocharische einmal Prä verbien besessen, diese aber spurlos verloren haben müsste, was unwahrscheinlich ist. Pinkster (1972: 145–149) und Waanders (1994: 430 f.) greifen die Communis Opinio dahingehend an, dass die Entwicklungsrichtung Adverb → Adposition als einzige Möglichkeit erwogen wird, obwohl es z. B. im Lateinischen auch Wörter gibt, die sowohl Adverb als auch Präposition sind (intra ‚innerhalb (von)‘, extra ‚außerhalb (von)‘, ante ‚vor(ne)‘) und prinzipiell nicht auszuschließen ist, dass Adpositionen sich durch Ellipse über Proadverbiale zu Adverbien entwickeln. Pinkster (1972: 149–152) unterstreicht, dass die Adpositionen auch schon im frühen Latein ihre Kasus regieren. Da den Kasus keine klare Funktion mehr zuzuweisen sei, könnten die Adpositionen nicht aus appositiven Adverbien neben Kasus mit autonomer Funktion entstanden sein. Diese Theorie mag für das Lateinische noch diskutabel sein, kann aber keineswegs die altindoarischen oder hethitischen Verhältnisse, die beide über Kasus mit prototypischem Bedeutungskern verfügen (⇒4.2.1), erklären. Auch wenn die eben erwähnten Alternativen kaum tragfähig sind und die Herleitung der altindogermanischen Relatoren aus umgedeuteten Adverbien glaubwürdig erscheint, bereitet dieser allgemein verbreitete Ansatz, der impliziert, dass es vorurindogermanisch weder Adpositionen noch Präverbien gegeben hat, doch ernsthafte Probleme bei der Deutung des Materials, beim allgemeinen Ansatz und beim Vergleich mit dem uranatolischen Befund, wofür jeweils ein Beispiel folgt. Wie Haug (2009) gezeigt hat, kann das homerische Griechisch nicht als Zeuge für die Entwicklung Adverb → Adposition herangezogen werden. Einerseits belegen die hierfür in Anspruch genommenen diskontinuierlichen Adpositionalphrasen, die im Übrigen nur geschätzt 1,1% aller Belege ausmachen, nur eine etwas geringere Konfigurationalität, andererseits weist die Behandlung von adverbiellen amphì und perì neben dem Dativ, die die gewünschte Ausgangsstruktur haben, nachhomerisch aber gerade ab- statt ausgebaut werden, darauf hin, dass es schon immer Adpositionen gab.
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Haug (1999: 115 f.) wendet zudem prinzipiell gegen den herkömmlichen Ansatz ein, dass er die Entwicklung einer Argumentenstruktur bei einem Element ohne eine solche (Ad verb) impliziert.285 Auch Fritz (2005: 62 f.) sieht ein Problem in der Behauptung, dass die Lo kaladverbien sekundäre, spezifizierende Zugaben zu den Lokalkasus seien, denn die lokale Bedeutung der Kasus ist gerade nicht identisch mit denen der Place Words. Ihm zufolge gibt die Kasusform nur das Relatum und dessen Grundverhältnis zum Lokatum an, während das Place Word die genauere Position des Lokatum bezeichnet (63), Adverb und Kasus ergänzen sich also (Fritz 2005: 66). Am schwersten wiegt im Zusammenhang dieser Arbeit aber, dass die Communis Opinio die althethitische Genetiv-Rektion (⇒2.2.1.1) nicht erklären kann, die, wie oben ausgeführt wurde, aus dem dem Urindogermanischen ererbt sein muss. Denn aus dem eben dargestellten mutmaßlichen späturindogermanischen Zustand ergeben sich keine neuen Argumente, die die oben zurückgewiesenen Erklärungen Luraghis (2001) und Melcherts (2009a), laut denen die nominale Rektion analogisch geneuert wurde, untermauern könnten. Es wird also eine neue Erklärung benötigt, die sowohl den Befund des Anatolischen als auch des Späturindogermanischen und seiner Tochtersprachen befriedigend erklären kann. Interessant ist hier die Beobachtung Boleys (1985b: 237), dass die homerische und vedische Place-Word-Syntax der der jüngeren Sprachstufe des Hethitischen, nicht aber der alten Sprache ähnelt. Da man an durch die frühe textliche Überlieferung des Hethitischen nachweisen kann, dass der junghethitische Zustand eine Neuerung ist, die sich aus dem älteren widerspruchsfrei erklären lässt (⇒4.2.2.1), liegt es nahe, für das Späturindogermanische eine parallele Neuerung gegenüber dem urindogermanischen Zustand, der in Tabelle 4.2.2.2-1 zusammengefasst ist, anzunehmen. Man kann also davon ausgehen, dass das Späturindogermanische aus dem Urindogermanischen die zwei semantisch vergleichbaren Konstruktionen regierter Gen. + PW und PW + Lokalkasus/Lokalkasus + PW in Apposition ererbt hatte und dann, wie es zu verschiedenen Zeiten auch in den anatolischen Sprachen geschah, die letztgenannte Konstruktion nach Vorbild der ersteren zu einer Adpositionalphrase umdeutete und die so entstandenen neuen Adpositionalphrasen mit Lokalkasus auf Kosten des semantisch unmotivierten Genetivs verallgemeinert wurden.286 In diesem Szenario muss man weder annehmen, dass das Indogermanische in irgendeiner Phase keine Adpositionen hatte, noch dass ein Adverb eine syntaktische Leerstelle aus dem Nichts entwickelt hat.287 In einem entscheidenden Punkt verlief die späturindogermanische Entwicklung jedoch anders als im Anatolischen, womit erwiesen ist, dass es sich um einen unabhängigen Wandel handelt: Während im Hethitischen nur der Dativ-Lokativ regiert wird, können sich in den alt 285 Für eine mögliche Erklärung s. allerdings Vincent (1999: 1121). 286 Wie oben in Kap. 4.2.2.2 erwähnt wurde (S. 405, Fn. 268) könnte die Genetiv-Rektion mancher gr. Präpositionen als Archaismus verstanden werden, sie könnte aber auch innoviert sein. 287 Wie im Hethitischen blieben aber auch hier die Relatoren weiterhin als Proadverbiale und Adverbien erhalten und wurden erst einzelsprachlich, z. B. im Gr. erst nachhomerisch, durch expressivere Neubildungen in adverbialer Funktion ersetzt.
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indogermanischen Sprachen mehrere Kasus zur semantischen Differenzierung mit dem Place Word verbinden, z. B. im homerischen Griechisch (s. Luraghi 2003, Fritz 2005) Genetiv (< Abl.), Dativ (< Lok.) und Akkusativ, um die Fundamentalrelationen QUELLE, ORT und ZIEL zu bezeichnen. Die Adpositionen im Griechischen, Lateinischen, Deutschen u. a. geben also eine relative Orientierung an, während die Kasus Statik oder Dynamik bezeichnen (vgl. Vincent 1999: 1121). Dies wird im Hethitischen nur durch das Verb angegeben, Relator und Kasusform sind in dieser Hinsicht nicht spezifiziert. Dadurch ist auch die Constructio praegnans (⇒4.2.1) im Hethitischen der Normalfall, während sie in den anderen Sprachen eine Ausnahme darstellt. Man vergleiche im Althethitischen die Konstruktion Gen./Dat.-Lok. + kattan, die lateinisch sub + Abl., deutsch unter + Dat. entspricht, mit katta + Dir. Dieses bedeutet „herab zu“ und entspricht nicht lateinisch sub, deutsch unter + Akk., dafür muss man hethitisch ebenfalls Gen./Dat.-Lok. + kattan mit einem Bewegungsverb gebrauchen. Es stellt sich nun die Frage, ob das Fehlen einer Konstruktion *Dir. + kattan für sub/unter + Akk. eine Innovation darstellt, denn wenn die Lokalkasus und die Place Words ursprünglich beide autonom waren, sollte es sie ja auch in Kombination geben wie in den anderen Sprachen. Es ist nicht zu erwarten, dass es „beim Haus vorne“ = „vor dem Haus“ gibt, aber nicht „zum Haus vorne“ = „vor das Haus“. Eine mögliche Begründung hierfür ist die besondere Entwicklung des anatolischen Direktivs aus adverbiellen Bildungen mit der Bedeutung „-wärts“ (s. o. ⇒4.1.1.1),288 wozu ja ein spezifizierendes Adverb nicht möglich war, da es sich dafür auf das Vorderglied einer Wortbildungskonstruktion beziehen müsste, was auch im typologischen Vergleich höchst ungewöhnlich wäre (*„vorne → hauswärts“). Wie bereits zum Hethitischen bemerkt, ist die Entwicklung der Präverbien 289 von der der Adpositionalphrasen wohl auch im Späturindogermanischen unabhängig gewesen, wofür der Befund des Tocharischen spricht, das die Neuerung bei der Rektion, nicht aber bei der Präverbierung der Place Words durchlaufen hat. Diese muss dann im Anatolischen und nachtocharischen Späturindogermanisch aufgrund einer vergleichbaren Ausgangssituation, nämlich der bevorzugten Stellung von Lokalangaben und damit auch der Place Words vor dem Verb, 290 konvergent verlaufen sein, wobei Hethitisch nur Ansätze von echten Präverbien zeigt (⇒2.2.2.2). 4.2.2.3 Zusammenfassung Der außergewöhnlich schwierige Komplex der Place Words lässt sich nur durch Rückgriff auf das Vorurindogermanische und die Annahme einiger nicht direkt belegter Entwicklungen in 288 Dafür spricht besonders die Bedeutung der dynamischen PW, die nicht relational sind. So heißt z. B. prā ‚vorwärts‘, nicht ‚davor hin‘. 289 Dies betrifft diejenigen Präverbien, die auf Relatoren basieren. Versteinerte Bsp. wie heth. watku- ‚entlaufen‘ < *o-tkw- ‚weg-laufen‘ (⇒4.1.4.1) könnten auf eine ältere Schicht von Präverbien aus Partikeln oder sogar komponierten Substantiven (vgl. das bekannte *k̍red-deh3- „herz-geben“ = ‚glauben‘) hinweisen. 290 Wie die Entwicklung der Ortsbezugspartikeln aus lokalen Adverbialen in Wackernagel‘scher Wortstellung zeigt (⇒4.1.3), waren vorgeschichtlich aber auch andere Positionen als Erst- und präverbale Stellung verfügbar.
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ein Szenario einbetten, das sowohl den anatolischen und späturindogermanischen Befund erklären kann, als auch einige Probleme der bisherigen Communis Opinio, wie den Ansatz einer Zeit ohne Adpositionen, vermeidet. Es liegt in der Natur einer Rekonstruktion zweiter Ordnung, dass sie mit besonders großer Unsicherheit behaftet ist und nie zwingend nachge wiesen werden kann. Wie aus den Ausführungen der hier vorliegenden Arbeit hervorgeht, gab es in einer vorurindogermanischen Zeit zum Ausdruck lokaler Relationen relationale Substantive, die den Genetiv regierten. Zum Urindogermanischen hin verloren diese den Großteil ihres Paradigmas und wurden so zu Relatoren. Die vieldiskutierte Frage, welche der Wortarten Adverb, Adposition, Präverb und Proadverbial älter sei, stellt sich somit gar nicht, es handelt sich um die vier Funktionen des Relators, so wie es vorher die vier Funktionen des relationalen Sub stantivs gewesen waren. Erst einzelsprachlich wurden die Funktionen durch morphologische Erneuerung auch formal geschieden, was aber im Hethitischen, das eine innovative Unterscheidung zwischen statischen und dynamischen Place Words aufbaute, größtenteils nicht der Fall war. Nach Abspaltung des Anatolischen kam es dort in den einzelnen Tochtersprachen, zuletzt in historischer Zeit im Hethitischen, zu einer Uminterpretation der Apposition aus DativLokativ und Relator, die mit den nominalen Postpositionalphrasen semantisch vergleichbar war, zu einer Adpositionalphrase mit dativ-lokativischer Rektion, die sich als ikonischer letztlich durchsetzte, sowie teilweise zu einer Vereinheitlichung der Wortstellung (nicht im Luw.). Eine konvergente Entwicklung gab es im Späturindogermanischen, das ebenfalls die Rektion als Kategorie von den später abgebauten Genetiv-Verbindungen auf die lokalen Appositionen übertrug, anders als im Anatolischen aber zur semantischen Feinunterscheidung mehrere Kasus mit dem Place Word zuließ. Die Entwicklung von Präverbien befand sich im Hethitischen und im Späturindogermanischen noch in einem frühen Stadium und wurde erst in den altindogermanischen Sprachen weiter fortgeführt, aufgrund der gleichen Voraussetzungen allerdings in ähnlicher Weise. Im Tocharischen unterblieb diese Entwicklung offenbar ganz. Für die Grundsprache sind in jedem Fall keine festen Präverbien anzusetzen.291
291 Nachtrag: Erst kurz vor Drucklegung dieses Buches bekam ich Zugriff auf die Dissertation von Ch. Wilhelm zur Entstehung von Adpositionen in indogermanischen Sprachen, die gerade auch die anat. Sprachen behandelt (Wilhelm 2001: 37–137). Es ist aus wissenschaftlicher Sicht erfreulich, dass wir in wichtigen Bereichen zu sehr ähnlichen Schlussfolgerungen bezüglich der Entwicklung im Anat. und Späturidg. gekommen sind. M. E. setzt Wilhelm die Grammatikalisierung von relationalen Substantiven im Hethitischen aber deutlich zu spät an – ähnlich wie Starke (1977) erst gegen Ende der altheth. Zeit, wo man schon längst von Relatoren sprechen muss. Entsprechend ist die adverbielle Funktion der anat. Place Words nicht sekundär aus der postpositionalen, sondern gleichzeitig mit ihr ent standen. Umgekehrt müssen im Späturidg. die ursprünglichen Relatoren nicht erst zu Adverbien geworden sein, damit sich daraus die Präpositionen der Einzelsprachen entwickeln konnten, sondern die Funktionen können gleichzeitig entstanden sein, auch wenn dieser Zustand nicht mehr beobachtet werden kann.
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4.2.3 Weitere syntaktische Phänomene Nach Abschluss des umfangreichen Komplexes der Place Words kann hier noch eine Besonderheit des Hethitischen besprochen werden, die lange nicht als eigenständige Konstruktion erkannt wurde, die sog. phraseologische Konstruktion. Syntaktisch besteht sie darin, dass in einen vollständigen Satz eine mit dem Prädikat kongruierende Form der Verben payi-/pai-zi ‚(hin-)gehen‘ oder we-/uwa-zi ‚(her-)kommen‘ eingeschoben wird, bevorzugt an zweiter Stelle, s. Kapitel 3.5.2 für Beispiele. Die Ratio der Verteilung von payi- und uwa- und die Gesamtfunktion der Konstruktion ist noch umstritten (vgl. van den Hout 2010), diskutiert wurden Perfektivität (Dunkel 1985, 1998), Futur (Neu 1995), Kausalität (van den Hout 2003), unerwartete Wendung in einer Handlungskette (Teffeteller 2007) und zeitliche Abfolge, wobei payi- unmittelbare Folgen, uwa- solche mit zeitlichem Abstand bezeichne (Rieken 2010a). Die Konstruktion muss hier besprochen werden, da sie Dunkel (1985) auf eine indo germanische Grundlage zurückgeführt hat. Ihm zufolge ist die phraseologische Konstruktion eine hethitische Innovation auf Basis der ererbten Möglichkeit, einen Imperativ von payi- oder uwa- asyndetisch vor Aufforderungen zu stellen, 292 wofür sich z. B. im Griechischen und Alt indoarischen Beispiele finden lassen, vgl. auch im Deutschen Sätze wie Komm, geh doch mal spazieren!, wo der Imperativ komm nur noch verstärkende Funktion hat. Wie van den Hout (2010: 196–198) aber gezeigt hat, spricht die feste Position der phraseologischen Verben an zweiter Stelle im Satz und das Fehlen von Formen des einfachen Verbs iya-tta(ri) ‚gehen‘ gegen Dunkels Ansatz, zudem finden sich in den anderen anatolischen Sprachen keine plausiblen Beispiele für verwandte Konstruktionen (201–204). Van den Hout (2010: 198–201) erklärt die phraseologische Konstruktion stattdessen als Innovation am Übergang vom Alt- zum Mittelhethitischen, die aus kurzen asyndetischen Verbindungen, die sich zunächst semantisch und später syntaktisch ein Subjekt teilten und in der alten Sprachen besonders häufig sind. 293 Es handelt sich also in jedem Fall um ein einzelsprachliches Phänomen. Kurz anzusprechen ist zuletzt noch die Wortstellung der lokalen Kasusformen und Adpositionalphrasen. Gemäß den allgemeinen Regeln der hethitischen Syntax (s. GHL: 406– 409) stehen sie in unmarkierten Sätzen als Objekt im weiteren Sinne vor dem Prädikat, wobei direkte und indirekte Objekte gewöhnlich vorangehen. Wie Tjerkstra (1999: 164) bemerkt, gibt es für die lokalen Adverbialen in dynamischen Konfigurationen eine feste Reihenfolge „Quelle (meist im Abl.) – Ziel (im Dir./Dat.-Lok.)“, zu sich der im vorliegenden Korpus keine Ausnahme finden ließ. Der folgende Beleg veranschaulicht die typische Wortstellung:
292 Vgl. z. B. īt=war=asta pargamus ḪUR.SAG.DIDLI.ḪI.A sāh „»Geh, durchsuche die hohen Berge!«“ (KUB 17.10 I 24 f.; aH/mS). 293 Vgl. z. B. INA MU 3KAM LUGAL-us pait URUZalpan a⌈ra⌉hzanda wetet „Im dritten Jahr ging der König und schloss Zalpa ringsum ein“ (KBo 22.2 Rs. 10'; aH/aS?), wēt dMiyada[nzepas] GIŠippias ⌈katt⌉an esadi „Miyadanzeba kam und setzte sich unter dem i.-Baum hin“ (KUB 33.59 III 12' f.; aS).
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4.2.3-1: KBo 3.22 41 f. (aS) m [app]ezziyan=(m)a Anittas
LUGAL.GAL dSiu(n)=ssu[mmin
letzter:AKK.SG.N=KONN (PN):NOM.SG Großkönig URU
Zā]lpuwaz āppa
(ON):ABL
URU
Nēsa
Gottheit:AKK.SG=POSS.1PL.AKK.SG.C
pē[dahhun]
zurück (ON):DIR.SG hinschaffen:PRT.1SG.AKT
„Zuletzt? aber habe ich, Anitta, der Großkönig, unsere Gottheit von Zalpa zurück nach Nesa hingebracht.“ Diese Wortstellung erklärt auch, warum die direktivischen Place Words ursprünglich dem Kasus voranstehen (⇒2.2.1.1), denn sie geben eine allgemeine Bewegungsrichtung, die Kasusform aber das Ziel an. Entsprechend folgt das einzige ablativische dynamische Place Word (=asta) prā ‚her-/hinaus‘ auf die Quellangabe im Ablativ (z. B. → 2.4-17c). Da in den anderen altindogermanischen Sprachen meist eine freiere Wortstellung auch in Bezug auf lokale Adverbiale herrscht, 294 könnte die feste Reihenfolge des Hethitischen eine Innovation sein, die auf der kognitiven Wichtigkeit des Ziels (⇒3.2.1), das entsprechend zuletzt genannt wird und einer gedanklichen Reise mit der logischen Abfolge Ausgangspunkt – Weg – Zielpunkt beruht. Eine vergleichende Untersuchung zur Wortstellung der Lokalangaben v. a. im Altindoarischen, Griechischen und Lateinischen wäre zur Klärung dieser Frage wünschenswert.
4.3 Eine indogermanische Grammar of Space? Die vorhergehenden Kapitel zeigen, dass es im Bereich der Raumgrammatik noch großes Potential für die Erforschung der indogermanischen Grundsprache gibt. Vieles konnte nur skizziert, manches vermutet und einiges gar nicht besprochen werden. Eine systematische Rekonstruktion der urindogermanischen Grammar of space kann erst dann unternommen werden, wenn sich auf der allgemeinen Sprachwissenschaft gründende Vorarbeiten wie die hier vorliegende und die für einen wichtigen Teilbereich des Griechischen von Luraghi (2003) geleistete für alle indogermanischen Sprachzweige verfasst worden sind. Bis dahin muss es wie hier bei einzelnen Beobachtungen und noch zu überprüfenden, v. a. auf das Hethitische gestützten Überlegungen bleiben, die zukünftige Forschungsrichtungen aufzeigen können. Zur Herkunft des indogermanischen Kasussystems wurden bisher viele Überlegungen angestellt, teils lokalistischer Natur (s. Hoskovec 1998), teils gegenteiliger wie bei Fairbanks (1977), der statt der acht üblicherweise grundsprachlich angesetzten Kasus nur die grammatischen Kasus Nominativ, Akkusativ, Genetiv und Dativ (und Vokativ) rekonstruiert, während seiner Meinung nach die anderen Kasus Neubildungen auf pronominaler Basis darstellten 294 Allerdings sind die Grammatiken in Hinsicht auf die genaue Reihenfolge der lokalen Adverbiale recht unergiebig, Delbrück (1968 [1888]: 17 f.) belässt es bei einigen Bemerkungen allgemeiner Art, selbst die auf Stilistik ausgelegten Grammatiken der klassischen Sprachen differenzieren hier nicht (z. B. Schwyzer/Debrunner 1950: 693 f.).
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oder durch Spaltung von Allomorphen entstanden seien. Statt solcher letztlich fruchtloser, da nicht beweisbarer Spekulationen sollte es vornehmliche Aufgabe der Indogermanistik sein, nach dem Beispiel Hettrichs (2007) die Kern- und peripheren Funktionen der einzelsprachlichen Kasus zu untersuchen295 und durch Vergleich der Gemeinsamkeiten auf die Funktion dieser Kasus in der Grundsprache zu schließen. Einige Überlegungen hierzu, allerdings nur auf Basis des Hethitischen und Altindoarischen, finden sich in Kapitel 4.2.1. Übereinstimmungen stimmen hier zuversichtlich, dass sich prototypische Bedeutungskerne auch für die Grundsprache postulieren lassen. Eine genauere Bestimmung des grundsprachlichen Kasussystems würde im Gegenzug helfen, einzelsprachliche Entwicklungen, besonders Kasussynkretismen, besser zu verstehen. In Bezug auf die Place Words müsste in erster Linie das in Kapitel 4.2.2 vorgeschlagene Szenario für die Entwicklung des Gesamtsystems der lokalen Relatoren vom Vorurindogermanischen bis hin zu den Einzelsprachen mit weiterem Material überprüft werden. Die dafür notwendige genauere funktionelle Bestimmung einzelner Etyma wie *e/op- ‚an, bei, nach‘, die oft in ihrer Bedeutung und der Begründung und Verteilung ihrer Allomorphe noch unklar sind, würde auch anderen Ansätzen zu Gute kommen. Die in neuerer Zeit durch die typologische Forschung gewonnenen Universalien (⇒3.1) könnten hier im Einzelfall hilfreich sein. Die Diskussion von *per- in Kapitel 4.1.4.2 hat gezeigt, dass auf diese Weise neue Lösungsansätze und Einblicke möglich sind. Bei den Bewegungsverben ist natürlich das Verhalten der Grundsprache in der auf L. Talmy zurückgehenden Typologie der bewegungsart- und bewegungsrichtungsorientierten Sprachen (⇒3.2.2) interessant. Die altindogermanischen Sprachen kennen alle Satelliten und MANNER-Verben, sind also eher bewegungsrichtungsorientiert. Andererseits hat die Diskussion des Hethitischen im erwähnten Kapitel gezeigt, dass es sich nicht wie eine typische bewegungsartorientierte Sprache verhält und im grundsprachlichen Lexikon finden sich Wurzeln der Bewegungsrichtung wie *h3er- für eine Aufwärtsbewegung oder *ebh- ‚eintreten‘. Es wäre daher zu untersuchen, ob sich weitere Anzeichen für einen Systemwechsel in einer Entwicklungsstufe der Grundsprache finden lassen. Zu den Positionsverben (⇒3.1.4) fehlt bisher auch eine Grundlagenforschung für die meisten altindogermanischen Sprachen. Sicherlich besaß die Grundsprache kein großes Repertoir an Positionsverben, die in syntaktisch einfachen Ortsangaben verwendet wurden, es wäre aber lohnenswert herauszufinden, welche Wurzeln oder Bedeutung sprachübergreifend für welche Lokata als Positionsverben verwendet werden. Sicher dazu gehört die Wurzel *k̍e- ‚liegen‘ (heth. ki-tta(ri)) beziehungsweise deren einzelsprachlichen Surrogate. Angesichts der Fülle deiktischer und/oder phorischer Stämme in den Einzelsprachen (s. Brugmann 1904) ist eine Untersuchung ähnlich der Melcherts (2009c) zum Uranatolischen (⇒4.1.4.4) für das Urindogermanische notwendig. Da die personale Deixis des Hethitischen 295 Einen solchen Beitrag für einen Teil der jungavest. obliquen Kasus stellt die neue Untersuchung von Bichlmeier (2011) dar.
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sich auch in vielen anderen Sprachzweigen wiederfindet, kann sie zumindest als Arbeitshypothese auch für die Grundsprache angesetzt werden. Die Einbeziehung der modernen Forschung zu diesem Themenkomplex wie bei Goedegebuure (2003) ist dabei geboten, es müssten aber wiederum Vorarbeiten für die anderen Sprachgruppen geleistet werden. In dieser Arbeit kamen die Partikeln, die neben Wurzeln, Affixen und Endungen als vierte grundsprachliche Morphemklasse angesetzt werden müssen (s. Dunkel 1992: 153), vergleichsweise wenig zur Sprache, obwohl sie im Urindogermanischen weit verbreitet und für die Syntax und Morphologie der Tochtersprachen von besonderer Bedeutung sind, wie die zahlreichen Arbeiten von G. Dunkel zeigen.296 Im Anatolischen sind vor allem die von Dunkel als Partikeln klassifizierten Place Words (⇒2.4, 4.1.4.2) fortgesetzt, viele andere Partikeln aber verloren gegangen. Die Erforschung dieser Wortart steht erst am Anfang und dürfte in Zukunft viele neue Einblicke in die Grundsprache gewähren. Partikeln sind auch Grundlage zweier hethitischer Kasus, des Direktivs (⇒4.1.1.1) und des Ablativs (⇒4.1.1.2), was ihre Bedeutung für die Erneuerung der indogermanischen Morphologie unterstreicht. Eng verwandt mit den Partikeln, aber schon länger erforscht, sind die neben den nominalen Endungen bestehenden typisch adverbialen Formantien (vgl. Brugmann 1911: 727–738, Dunkel 1997: 63). Hier findet sich z. B. lokativisches *- dhi und daneben *-dhe, von dem ablativisches *-dhe-m (gr. -then) mit einer weiteren adverbialen Endung abgeleitet ist (vgl. Dunkel 1997), ablativisches *-tos und *-ti (⇒4.1.1.2), lokativisches *-r, wozu vielleicht die adverbialen und hypostasiert adjektivischen kontrastiven Suffixe *-er(-) und *-ter(-) gehören. Funktional unklar sind Bildungen mit Nasal oder auf *-s (Brugmann 1911: 736–738). Viele diese Suffixe dienten der Re- und Hypercharakterisierung von Kasusendungen, gerade bei Pronomina (Dunkel 1997: 64). Teilweise können diese Formantien auch als alte Postpositionen gesehen werden, wie direktivisches *=de, das im Griechischen Richtungsakkusative recharakterisiert (vgl. Dunkel 2007: 335–339). Die adverbiellen Endungen sind im Anatolischen entweder verloren gegangen oder zu vollwertigen Kasus ausgebaut worden, einzige Ausnahme ist das lokativische Formans *-bhi, wohl eine alte Postposition (vgl. dt. bei), das sich noch in kuwapi ‚wo‘ (vgl. lat. alicubi ‚irgendwo‘) und sannapi ‚an einem versteckten Ort‘ (⇒4.1.4.4) findet. Über die morphologische und lexikalische Rekonstruktion hinaus sind zuletzt kulturelle Phänomene wie das Verständnis der Zeit (vgl. Kap. 3.5.1) von Interesse. So hat Dunkel (1983) mit reichem Material aus dem Griechischen, Altindoarischen und Hethitischen nachgewiesen, dass, wie typologisch zu erwarten war, für die grundsprachliche Zeitvorstellung die Transversale („vorne“ – „hinten“) verwendet wird, und zwar nach dem Modell der Fremdbewegung, in dem die Vergangenheit „vor“ dem Jetzt liegt, die Zukunft aber „dahinter“ 296 Vgl. als Überblicksartikel Dunkel (1992) und das wohl bald erscheinende „Lexikon der indogermanischen Partikeln“. Dunkels Arbeiten kommt auch deswegen ein besonderes Gewicht zu, da sie anders als die Ansätze anderer Aptotologen (vgl. Bader 2000, Berenguer Sánchez 2000) nicht durch unbewiesene apriorische Annahmen belastet sind, sondern sich nahe am belegten Material halten.
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kommt.297 In den Einzelsprachen findet sich dann aber vielfach auch das gegenteilige Modell der Eigenbewegung, so auch im klassischen Griechisch, wo das homerische Bild der Zeit in próssō und opíssō umgekehrt erscheint (Dunkel 1983: 67 f.). Sicher warten noch weitere Elemente der früheren Vorstellungswelt, die in solchen Metaphern erhalten sind, auf ihre Entdeckung durch die Indogermanistik.
297 Vgl. heth. peran prā ‚vorher‘, lyk. przze/i- ‚erster‘, ai. pra-div- ‚alt‘ – hom. opíssō ‚hinten, später‘, lyk. epre/i‚letzter‘, ai. ápara- ‚späterer‘.
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ZUR VORGESCHICHTE DER HETHITISCHEN RAUMGRAMMATIK
5 Zusammenfassung
Im Folgenden sollen nun einige wichtige Ergebnisse der vorangegangen Kapitel zusammengefasst und Schlüsse für die in dieser Arbeit angesprochenen Disziplinen, Hethitologie, Typologie und Indogermanistik, gezogen werden. Die wichtigste Erkenntnis, die aus der Darstellung der synchronen Raumgrammatik des Hethitischen im zweiten Kapitel gewonnen werden kann, besteht darin, dass man Ausdrucksmittel in vielen Fällen nicht isoliert in ihrer lexikalischen Bedeutung betrachten darf, sondern sie in Verbindung mit anderen in einer von der jeweiligen Konstruktion abhängigen Funktion begreifen muss. Dies entspricht der allgemeinen Erkenntnis, dass räumliche Informationen oft nicht an einer einzigen Stelle, sondern auf den Satz verteilt erscheinen (⇒1.2.2). Das heißt jedoch keineswegs, dass z. B. die Lokalkasus bedeutungsentleert nur von der Valenz des Verbs abhingen, aber in manchen Fällen muss ihre Lesart durch kontextuelle Mittel vereindeutigt werden, so muss beispielsweise ein Place Word anwesend sein, damit der Dativ-Lokativ bei Personen eine lokale und nicht wie üblich eine dativische Lesung erhält, ähnlich hängt beim Ausdruck des Vialis/Perlativs die Wahl des Kasus von der Transitivität des Verbs ab, usw. Bei den Lokalkasus (⇒2.1) lässt sich feststellen, dass weder die von Starke (1977) postulierte und von vielen akzeptierte Unterscheidung von Sach- vs. Personenklasse, noch die ebenfalls auf ihn zurückgehende strikte Trennung von Direktiv und Dativ-Lokativ Bestand hat. Während einerseits der Akkusativ der Richtung auf einer schmaleren und insgesamt unsicheren philologischen Basis beruht, müssen der statische Ablativ und besonders der Akkusativ des Weges stärker als bisher beachtet werden. Die Constructio praegnans ist im Hethitischen ausgeprägter als in anderen altindogermanischen Sprachen, was strukturell begründet ist, da die dynamischen Place Words ursprünglich keine Relation zwischen Lokatum und Relatum ausdrückten. Im Bereich von Verb und Syntax ist zum Einen die Dominanz der deiktischen Verben und die Bedeutung der Deixis im Hethitischen überhaupt hervorzuheben, zum Anderen die massiven syntaktischen Veränderungen im Mittelhethitischen, die dazu führen, dass sich ältere und jüngere Sprache stark unterscheiden. Anstoß hierzu mag ein weit reichender Sprachkontakt mit dem Luwischen seit der Regierungszeit Tuthaliyas I. gewesen sein, wie heute vielfach vermutet wird (vgl. Rieken 2006, Yakubovich 2010a); die strukturellen Veränderungen lassen sich aber in nahezu allen Fällen aus dem Hethitischen heraus verstehen. Die Entwicklung der Ortsbezugspartikeln (⇒2.3) von enklitischen Adverbien, die teils als Quasi-Relatoren, teils als Satelliten fungieren, hin zu Modifikatoren von Place Words oder bestimmten Konstruktionen (z. B. Quellangaben) ist klar sichtbar. Die Bedeutungen aller Par tikeln konnten im Rahmen dieser Arbeit bestimmt und ihre Entwicklungslinien aufgezeigt werden, dafür sei das zusammenfassende Schaubild 2.3.5-1 umseitig wiederholt.
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=apa
=asta
=an
=kkan
=ssan
aH 1
mH
2 3 4 5
jH 6 Abb. 5-1 | Entwicklung der Ortsbezugspartikeln vom Alt- zum Junghethitischen (= Abb. 2.3.5-1)1
Während das obligatorische oder optionale Auftreten oder Fehlen von Ortsbezugspartikeln in den meisten Fällen sicher vorhergesagt werden kann, besteht noch weiterer Untersuchungsbedarf bei den Bedingungen, unter welchen im Mittelhethitischen =asta (bzw. jungheth. =kkan) als reihende Konjunktion verwendet wird. Die Place Words sind in ihrer Funktion und Syntax bereits sehr gut erschlossen, im Detail konnten aber einige Verbesserungen, v. a. in Bezug auf ihre Kombination mit ande ren Ausdrucksmitteln erreicht werden. So unterscheidet z. B. priyan zwei Bedeutungen und Konstruktionen, von denen eine identisch ist mit p(ar)rānda ‚hinüber zu‘ (⇒2.4.3.3). Besonders sichtbar wird dies aber bei den Verbindungen aus Place Word und arha (⇒2.4.4.1), denn hier sind zwei Bedeutungen und drei Konstruktionen zu unterscheiden: 2 „von X … weg“, sowie „an X … vorbei“ mit jeweils intransitiven und transitiven Verben. Dabei dient awan zur Angabe der perspektivisch neutralen Relation. Für dieses Wort, das bisher nur als verstärkende Partikel gedeutet wurde, ist ein Verständnis als echtes Place Word wahrscheinlich zu machen, eine Bedeutung kann aber noch nicht sicher zugewiesen werden (⇒2.4.4.2). Nach der Besprechung einiger Ausdrucksmittel geringerer Bedeutung und von Ableitungen von Raumgrammemen zeigt ein abschließender Exkurs (⇒2.7), dass sich die Fachsprache der hethitischen Auguren grammatisch nicht von der sonstigen Sprache unterscheidet. Die Anwendung typologischer Kategorisierungen auf das Hethitische im dritten Kapitel ist aufgrund fehlender Beispiele für gewisse Relationen bzw. Ausdrücke nicht immer ohne Lücken zu realisieren, aber insgesamt gelungen. Hethitisch stellt sich dabei im Bereich der Topologie (⇒3.1.1) für die sprachvergleichend aufgestellten Universalien der kognitiven 1 Beschriftung der Pfeile: 1: Übergang der (pleonastischen) Konstruktion =an anda → =kkan anda; 2: schrittweiser Übergang der separativen Bedeutung von =asta auf =kkan; 3: Unterdrückung von =kkan in allen Gebrauchsarten durch =asta in Funktion einer Konjunktion (bisweilen aber satzinternes =kkan); 4: Übergang aller Funktionen von =asta zu =kkan, =asta nur noch Variante; 5: Übergang aller Funktionen von =ssan zu =kkan, =ssan nur noch Variante; 6: Ende der Überlieferung, vorher Schwundtendenzen von =kkan. 2 ⇒ bezeichnet im Folgenden die durch das jeweilige Place Word bezeichnete Relation (vor/hinter/über usw.).
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Raumforschung als Herausforderung dar, denn es bietet neues Material sowohl für das räumliche Implikationsmuster (⇒3.1.1.1), als auch für die ON-IN-Skala (⇒3.1.1.3). So macht u. a. die Zusammenfassung der Ausdrücke für „bei“ und „herab“ bzw. „unter“ im Hethitischen (altheth. katta, mittelheth. kattan) die Modifikation des Schemas von Levinson et al. (2003: 512), bei dem sich AT2 gleich in AT3, UNDER und ON (usw.) teilt, nötig, indem eine Zwischenstufe (grau markiert) eingefügt werden muss:
AT
| |
|
IN (2D/3D) AT2
|
INSIDE IN2 NEAR AT4
AT3 ON OVER ON-TOP ATTACHMENT
AT5
UNDER ON2 ON-TOP2 ATTACHMENT2 OVER ON2 OVER2 ON-TOP2
|
ATTACHMENT ON2 ATTACHMENT2 OVER2 ON-TOP2
Abb. 5-2 | Modifiziertes Implikationsmuster topologischer Relationen nach Levinson et al. (2003: 512)
Hethitisch spiegelt hier eine Stufe wider, in der aus dem allgemeinen Relator AT zwar schon die Relationen IN und ON (usw.) ausgegliedert sind, noch nicht aber UNDER. Dies ist bis her in keiner weiteren Sprache belegt, ebenso die Aufspaltung der Kategorie ON/OVER/ONTOP/ATTACHMENT in die zwei eigens markierten Teilbereiche. Bei der ON-IN-Skala trifft das Hethitische hingegen eine Unterscheidung, die sich sonst in keiner Sprache findet, indem es die Kategorien „Oberflächenkontakt“ (OBP =ssan) und „Inklusion“ (PW anda) verbindet,3 so dass es notwendig erscheint, bei der elfteiligen Skala (s. Abb. 3.1.1.3-1) entweder eine weitere Trennungslinie in der Kategorie „vollständige Inklu3 D. h., das Lokatum befindet sich sowohl „in“ dem Relatum als auch „auf“ dessen Oberfläche, z. B. nu=ssan INA ⌈GAL⌉ [GIR4 kui]t suppi wātar „Weil sich reines Wasser im gebrannten Tonbecher befindet, …“ (KBo 23.23+KBo 33.11 Rs. 80'; mH/mS).
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sion“ zu ziehen4 oder Kategorie 10 „partielle Inklusion“ weiter und Kategorie 11 enger zu definieren. Bei den Referenzrahmen (⇒3.1.2) ist zu erwähnen, dass Hethitisch im relativen (deiktischen) Referenzrahmen wohl eine gegengerichtete Orientierung wie im Deutschen aufweist. Das System der Positionsverben (⇒3.1.4) weicht hingegen vom Deutschen ab, indem es nur wenige primäre Positionsverben kennt.5 Bei Personen werden die drei Verben der Körperhaltung „stehen“, „sitzen“ und „liegen“ unterschieden, bei Objekten in kanonischer Orientierung tritt nur „stehen“ für solche mit dominant vertikaler Ausrichtung und „liegen“ für alle weiteren klar abgegrenzten Objekte auf, während die Kopula für Relata ohne klar zuorden bare Gestalteigenschaften (z. B. Städte, Seen) verwendet wird. Der Befund der Bewegungsverben (⇒3.2.2) stellt L. Talmys Typologie der Lexikalisierungsmuster dieser Wortgruppe auf die Probe, denn Hethitisch verfügt zwar einerseits über Satelliten in Form der Place Words und ist somit „satellite-framed“, lässt andererseits aber die von diesem Typus implizierten zahlreichen MANNER-Verben vermissen. Sofern der Befund der Texte die tatsächliche Sprache hinreichend getreu wiedergeben sollte,6 legt er nahe, die ursprüngliche Kopplung von Syntax (Satelliten/Verben) und Semantik (MANNER/PATH) zugunsten einer vierteiligen Matrix (s. Abb. 3.2.2-1) aufzugeben. In Bezug auf die Deixis (⇒2.2.2.1, 3.4) fällt die Fülle an deiktischen Pronomina, Präfixen und Adverbien auf, man kann davon als von einem dominierenden Zug des Hethitischen sprechen. Die Sprache weist dabei eine dreiteilige, personale Deixis auf und ein Großteil der Bewegungsverben unterscheidet zwischen Hin- und Fortbewegungen in Bezug auf das Centrum deicticum. Relativ gering fällt die Verwendung des Raumlexikons für nicht-räumliche Begriffe aus. Neben der Übertragung der transversalen Achse („vorne“ – „hinten“) auf die Zeit nach dem Modell der Fremdbewegung (⇒3.5.1) finden sich räumliche Metaphern v. a. in stark sti lisierten Texten (⇒3.5.2). Methodische Probleme und eine mangelnde Aufarbeitung des altindogermanischen Vergleichsmaterials erschweren die Klärung der Vorgeschichte der hethitischen Raumgrammatik im vierten Kapitel erheblich, so dass hier oft nur vorläufige Schlüsse gezogen werden können. Bei der Etymologisierung der Kasus (⇒4.1.1, 4.2.1) stellt sich Hethitisch als eine Mischung von Altem und Neuem dar. Einerseits ist der Direktiv ein formal und funktional geneuerter Kasus, während der Ablativ aus derselben Quelle stammt wie der späturindogermanische, dabei aber paradigmatisch anders entwickelt wurde. Andererseits weist die große funktionale Ähnlichkeit zwischen dem hethitischen Dativ-Lokativ und dem altindoarischen Lokativ auf die getreue Bewahrung des grundsprachlichen Lokalkasus hin. Man sollte die Kasus als auto4 In etwa „mehrseitige Inklusion“ (=ssan möglich) vs. „vollständige Umschließung“ (=ssan nicht möglich). 5 Weitere Haltungen, z. B. „hängen“, werden durch resultative Passivkonstruktionen ausgedrückt. 6 Die Überlieferungslage könnte den Befund verfälschen, da die den Großteil des Korpus ausmachenden Ritualtexte nur einen eingeschränkten Wortschatz aufweisen. Auch könnte die erwähnte Dominanz der deiktischen Verben (⇒2.2.2.1) in den Alltagstexten dazu führen, dass viele MANNER-Verben nur zufällig nicht überliefert sind.
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nome Einheiten mit einer prototypisch bestimmbaren Grundbedeutung verstehen, nicht als rein valenzgesteuert. Die Ortsbezugspartikeln können auf uranatolische Adverbien in Wackernagel‘scher Wortstellung zurückgeführt werden, wobei die Etymologie von =asta problematisch bleibt. Ihre Grammatikalisierung befand sich uranatolisch noch in einem frühen Stadium 7 und wurde dann einzelsprachlich mit verschiedenen Elementen in verschiedenem Maße vorangetrieben. Die Aufarbeitung des umfangreichen Komplexes der Place Words (⇒4.1.4.2, 4.2.2) zeigt ebenfalls Geneuertes neben Ererbtem im Hethitischen. So bestehen die regelmäßigen Reihen der korrespondierenden Place Words nur in dieser, nicht aber in den anderen anatolischen Sprachen, während die nur noch im Althethitischen belegte nominale Rektion der statischen Place Words hier als Archaismus gewertet wird, der auf den Zustand im Vorurindogermanischen schließen lässt. Die im Ergebnis ähnliche Entwicklung der Relatoren im Späturindogermanischen kann vor diesem Hintergrund als unabhängige Umstrukturierung verstanden werden, die aufgrund der gleichen Basis zu ähnlichen, aber nicht identischen Ergebnissen wie im Junghethitischen geführt hat. Dies stellt ein klares Argument für das in dieser Arbeit vorausgesetzte Indo-Hittite-Modell der indogermanischen Grundsprache (s. Abb. 1.3.1-1) dar. Auf das Anatolische bezogen, zeichnet der Vergleich des Althethitischen mit seinen Schwestersprachen ein heterogenes Bild des Uranatolischen, in dem verschiedene Konstruktionen für Place Words, nämlich in Wackernagel‘scher Stellung oder vor dem Verb einerseits, vor oder nach einem Bezugsnomen andererseits, möglich waren und wo ererbte neben morphologisch geneuerten Relatoren standen. Diese konkurrierenden Formen und Konstruktionen wurden in den Einzelsprachen zumeist in die eine oder andere Richtung vereinheitlicht. Wenn man die hethitische Raumgrammatik zusammenfassend charakterisieren möchte, muss man zwischen dem nuancenreichen, daher aber auch komplexen System der älteren Sprache und dem einfacheren der jüngeren Sprache unterscheiden. Gerade im Althethitischen ist die räumliche Information auf eine Vielzahl von Ausdrucksmitteln verteilt, nämlich Ortsbezugspartikeln, statische und dynamische Place Words, Bewegungs- oder Positionsverben, Lokalkasus und Wortstellung. Im Verlauf der Sprachentwicklung wird die Bedeutung der Partikeln und Kasus zusammen mit deren Zahl reduziert, während die Wortstellung fast völlig als Unterscheidungskriterium aufgegeben wird. In dieser jüngeren Zeit sind die Place Words das Hauptmittel der Lokalisation, wobei die Unterscheidung Statik vs. Dynamik überwiegend durch die Bedeutung des Verbs ausgedrückt wird. Es handelt sich bei der Entwicklung vom Alt- zum Junghethitischen also um eine groß angelegte Reduktion der Redundanz. Ein besonderes Augenmerk legt Hethitisch auf topologische Relationen, auf die die Lokalkasus, die Ortsbezugspartikeln und manche Place Words beschränkt sind. Die Partikel =ssan zum Ausdruck von Oberflächenkontakt bleibt am längsten von allen Ortsbezugspartikeln distinkt und wird erst im späten Junghethitischen vollständig zugunsten von abstraktem =kkan abgebaut. 7 Auch altheth. waren die OBP semantisch noch weitgehend autonom, mit Ausnahme von = an, das bereits zu Beginn der Überlieferung großteils von anda unterstützt werden musste und bald darauf ausstarb.
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Immer von Bedeutung sind deiktische Informationen, die einen wesentlichen Anteil an der Pragmatik des Hethitischen ausmachen, sie sind allerdings, da sie auf Personen und nicht auf Orte verweisen, nur indirekt räumlich zu interpretieren. Für die Typologie bleibt als wohl wichtigstes Ergebnis festzuhalten, dass auch Korpussprachen – bei allen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten, die das Fehlen von Muttersprachlern mit sich bringt – für den Sprachvergleich interessant sind und neue Erkenntnisse liefern können, wie im vorliegenden Fall zu Universalien der Topologie und zu den Lexikalisierungsmustern von Bewegungsverben. Zuletzt sei noch auf die indogermanistische Sicht der Ergebnisse eingegangen. Das mit Fragezeichen überschriebene Kapitel 4.3 kann das eher entmutigende Bild vermitteln, nach dem für die Rekonstruktion einer indogermanischen Grammar of space der Löwenanteil der Vorarbeiten noch geleistet werden muss. Pessimistisch sollte man in dieser Frage jedoch nur dann sein, wenn sich herausstellen sollte, dass es gar nicht möglich ist, die Kategorien der modernen kognitiven Raumgrammatik gewinnbringend auf die alten Sprachen anzuwenden. Dass dies nicht der Fall ist, habe ich mit dieser Arbeit zu demonstrieren versucht.
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Ausgewertete alt- und mittelhethitische Texte
Im Folgenden werden alle Texte aufgeführt, die für die Auswertung durchgesehen wurden. Das impliziert nicht, dass Textstellen aus jeder Nummer tatsächlich in der Arbeit zitiert sind (vgl. dazu das folgenden Register). Die Anordung erfolgt nach der Nummerierung im Katalog der hethitischen Texte (CTH). CTH 1
CTH 139
KBo 3.22
KBo 8.35, KBo 50.67+KUB 40.36+KUB 26.6+
CTH 3 KBo 22.2 CTH 8 KUB 36.104 CTH 9 KBo 8.42, KUB 36.105 CTH 14 KBo 7.14+KUB 36.100 CTH 24 KBo 3.23 CTH 25 KUB 36.108 CTH 41 KUB 8.81+KBo 19.39, KUB 36.127 CTH 138 KUB 23.77+KUB 23.77a+KUB 13.27+ KUB 26.40
KUB 23.78b+KBo 22.20, KBo 16.29 CTH 140 KUB 26.19, KBo 22.132+KUB 26.20+KUB 40.31 CTH 146 KBo 50.66+KBo 57.238+KBo 50.216+KBo 50.218+KUB 23.72+KUB 40.10+KUB 40.11 CTH 147 KUB 14.1+KBo 19.38 CTH 151 VBoT 1 CTH 152 VBoT 2 CTH 188 KBo 18.54 CTH 190 KuT 49 CTH 199 ABoT 65, HKM 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 13, 14, 15, 17, 18, 19, 21, 22, 24, 25, 27, 30, 31, 35, 36, 37, 38,
AUSGEWERTETE ALT- UND MITTELHETHITISCHE TEXTE
453
44, 45, 46, 47, 48, 52, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 63,
29.46, KUB 29.50, KUB 29.51+KBo 8.49+KBo
64, 65, 66, 68, 70, 71, 72, 73, 74, 80, 81, 88, 89
16.92, KUB 29.43+KUB 29.45
CTH 206
CTH 291
Bo 2006/01
KBo 22.62+KBo 19.1+KBo 19.1a+KBo 6.2+KBo
CTH 209 HHCTO 1 CTH 223 KBo 5.7 CTH 230 Bo 2004/01 CTH 251 KBo 16.24+KBo 16.25 CTH 261 KBo 50.280ab+KUB 13.1+KUB 40.56+KUB 31.87+KUB 31.88+KUB 40.55, KUB 26.17 CTH 262 IBoT 1.36 CTH 268 KBo 19.58+KUB 23.82+KUB 21.47
22.61, KBo 19.2+KUB 29.16, KUB 26.56 CTH 292 KUB 29.25+KBo 25.85+KUB 29.35+KUB 29.38+KUB 29.28+KUB 29.36+KBo 25.5+KUB 29.29+KUB 29.32+KUB 29.30 CTH 295 KBo 16.63+KUB 34.45, KBo 16.61 CTH 313 KBo 3.21 CTH 323 KUB 36.44+KUB 53.20 CTH 324 KUB 17.10 CTH 330 KUB 32.138, KBo 15.33+KBo 15.35, KBo 15.32+KBo 38.251+KBo 40.129+KBo 21.57, KBo
CTH 270
15.31+KBo 40.160, KBo 17.55+KBo 15.36+KBo
KBo 16.50
29.208+KBo 21.75+KBo 34.36+KBo 21.61, KUB
CTH 272 KBo 22.1 CTH 285 KUB 29.44+KBo 39.264+KUB 29.48+KBo
12.19, KUB 33.62 CTH 331 KBo 23.4+KUB 33.66+KBo 40.333 CTH 332
8.50+KUB 29.55+KUB 29.44+KBo 39.285
KBo 34.34, KUB 33.68
CTH 286
CTH 336
KUB 29.52+KUB 29.49+KBo 8.51+KBo 14.62,
KUB 33.59
KUB 29.53+KUB 29.42+KUB
454
AUSGEWERTETE ALT- UND MITTELHETHITISCHE TEXTE
CTH 371
CTH 433
KBo 7.28+KBo 8.92
KBo 17.105+KBo 34.47, KBo 34.46+KBo
CTH 373 KUB 30.10 CTH 374 KUB 31.130+KBo 34.22+KUB 30.11+ KUB 31.135 CTH 375 KUB 17.21, KBo 53.10+KUB 31.124+ KUB 48.28, KUB 31.123+FHL 3 CTH 376 KUB 24.4+KUB 30.12 CTH 395
20.107+KBo 23.50+KBo 23.51 CTH 443 KBo 15.10+KBo 20.42 CTH 447 KBo 20.92+KBo 39.39+KBo 39.131+KBo 38.247+KBo 40.352+KBo 34.170+KBo 11.72+KBo 41.24+KBo 44.56+KBo 44.20+KBo 47.209 CTH 449 KBo 17.96 CTH 458 KBo 17.54+KBo 40.25+KBo 20.73, KBo
KBo 20.34
34.45+KBo 38.185, KBo 34.62+KBo 34.70, KBo
CTH 396
38.188, KBo 23.8, KUB 60.157, KBo 23.10+KBo
KBo 15.25 CTH 404 KBo 39.8, KBo 8.76+KBo 24.1+KUB 32.113 CTH 409
43.37 CTH 477 KUB 9.22 CTH 479 KBo 24.45+KBo 38.196, KBo 8.91+KBo
KBo 17.62+KBo 17.63, KBo 47.130+KBo 24.3
21.37+KBo 38.260+KBo 8.82+KBo 42.103
CTH 412
CTH 480
KBo 17.17+KBo 30.30
KUB 29.7+KBo 21.41
CTH 416
CTH 483
KBo 30.33+KBo 17.1+KUB 34.119+KBo 25.3+
KBo 8.70, KUB 15.34
KBo 25.148+KBo 17.26, KBo 17.2, KBo 17.3+ KBo 17.4+KUB 43.32+KUB 43.39+KBo 20.15,
CTH 489
KBo 17.6, KBo 17.7+ IBoT 3.135+KBo 25.7
KBo 17.65+KBo 39.45+ABoT 21+ABoT 25+FHG
CTH 430
10
KUB 30.29, KBo 17.60, KBo 17.61
AUSGEWERTETE ALT- UND MITTELHETHITISCHE TEXTE
455
CTH 490 KBo 24.63+KBo 23.43 CTH 491 KUB 43.58
20.44+KUB 34.122+KBo 25.182+KBo 30.158+KBo 30.101+KBo 21.80+FHG 7 CTH 627 KBo 17.21+KBo 34.2+KBo 17.46+KBo
CTH 494
25.19+KBo 20.33, KBo 25.61+KUB 32.94+KBo
KUB 45.47
40.79, KBo 25.12+KBo 20.5+KBo 17.9+KBo
CTH 495
38.12+KBo 20.27+KBo 25.20+KUB 39.64+KBo
KBo 17.32+KBo 41.21
25.145+KBo 25.72+KBo 25.35+KBo 20.26+KBo
CTH 500 KBo 14.129, KUB 60.121, KBo 47.42, KBo 32.150 CTH 544 KBo 13.29 CTH 571
17.20+ABoT 5, KBo 17.19+KBo 25.52, KBo
21.68+KBo 25.154+KBo 25.34, KBo 30.19+KBo 20.66+KBo 39.70, KBo 23.74, KBo 25.17 CTH 628 KUB 54.48 CTH 630 KUB 32.135+KBo 21.85+KBo 8.109, KBo
KBo 16.97+KBo 40.48
23.64+KBo 24.88
CTH 573
CTH 631
KUB 18.5+KUB 49.13, KBo 22.263+KUB 50.1
KBo 30.29+KBo 34.5+KBo 17.11+KBo
CTH 591
20.12+KBo 34.11+KBo 30.25+KBo 25.95+KUB 43.26, KBo 25.51+KBo 30.31+FHL 117+VSNF
KBo 20.67+KBo 24.116+KBo 34.151+KBo
12.53, KBo 17.75, KBo 20.8, KBo 17.74+KBo
17.88+KBo 40.60, KBo 38.1, Bo 3752
21.25+KBo 38.32+KBo 30.66+KBo 39.76+KBo
CTH 596
34.10+KBo 41.64+KBo 44.167+ABoT 9, KBo 20.61+KBo 39.112+KBo 34.185+
KBo 23.92+KUB 34.124+KBo 21.69+KBo 34.155
KBo 41.77+KBo 39.286, VSNF 12.10
CTH 615
CTH 635
KBo 35.229+KBo 30.61+KBo 27.165, KBo
KBo 17.30, KBo 20.58+KUB 34.118, KBo
58.110+IBoT 3.115+KUB 47.69
30.152+KBo 39.71+KBo 20.74, KBo 16.49+KBo
CTH 616
47.81
KBo 9.140
CTH 638
CTH 621
KBo 54.125+KUB 51.1+KUB 53.14, KBo
KBo 20.71+KBo 23.99+KBo 24.97+KBo
456
20.76+KBo 24.87+KBo 30.65, KBo 40.179+KBo
54.126+KUB 9.3+KUB 58.30+KBo 54.126
AUSGEWERTETE ALT- UND MITTELHETHITISCHE TEXTE
CTH 645
CTH 670
KBo 17.15, KBo 39.79+KBo 17.40+KBo
KBo 25.84, KBo 20.11+KBo 8.85, KBo 20.1+KBo
25.177+KBo 17.40+KBo 34.190+KBo 24.111+
17.29, KBo 20.19+KBo 20.25, KUB 43.28, KuT 53
KBo 23.69, KUB 43.30
CTH 674
CTH 646
KUB 30.32
KUB 32.108+KBo 39.78+KBo 39.78, KBo
CTH 683
30.184+KBo 34.154+KBo 25.70, KBo 23.72+ KUB 32.87+KBo 39.137+KBo 43.154, KBo 20.89,
KBo 21.89+KBo 8.97, KUB 55.43
KBo 47.67, KBo 47.73
CTH 692
CTH 647
KUB 32.126+KBo 29.93, KBo 29.72, KUB
KBo 30.86+KBo 30.87+KBo 30.88+KBo 43.217,
32.125+KBo 29.100, KBo 29.70, KBo 29.115+KBo
KBo 30.120+KBo 25.170+KBo 20.101+KBo
40.82+KBo 40.142+KBo 34.174+KBo
34.198+KBo 34.197, KUB 20.88, KUB 25.36
41.105+KBo 29.114, KBo 24.18, KBo 29.92
CTH 648
CTH 693
KUB 60.41+KUB 54.50+HHT 73+Bo 7937
KBo 29.133+KBo 34.222, KBo 20.112+KBo 14.89
CTH 649
CTH 694
KBo 17.18, KBo 25.31,KBo 25.36, KBo 25.33+
KBo 24.23+KBo 29.160, KBo 24.26, KBo
KBo 20.14, KBo 30.114+KBo 38.38+KBo 25.41,
20.72+KBo 29.188+KBo 29.33+KBo 20.53+KBo
KBo 25.46, KBo 25.49, KBo 17.43, KBo 31.194
24.19, KBo 20.48, KBo 23.87
CTH 650
CTH 701
KUB 34.93
KUB 45.5, KBo 24.66+KUB 32.49+KBo
CTH 652
24.66+KBo 23.12+KBo 35.77+KBo 21.33, KUB
KBo 21.47+KBo 23.49+KBo 24.110+KBo 38.45, KBo 17.78, KBo 25.109
32.58+KBo 33.103+KBo 33.120+KBo 24.58+KBo 23.34, KBo 40.38+KBo 25.190+KBo 35.176+KBo 33.107, KBo 54.219+KUB 45.3+KUB 47.43
CTH 665 KBo 25.54+KBo 20.17+KBo 20.20+KBo
CTH 706
17.36+ABoT 35
KUB 32.76, KBo 39.166+KBo 24.68+KBo
CTH 669 KBo 20.10+KBo 25.59, KBo 25.62, KUB 20.11
41.107+KBo 35.163 CTH 710 KUB 32.130
AUSGEWERTETE ALT- UND MITTELHETHITISCHE TEXTE
457
CTH 713
CTH 776
KUB 12.5
KBo 35.183+KBo 23.27
CTH 714
CTH 777
KBo 34.240
KUB 32.51+KBo 27.92, KUB 29.8+KBo 33.43+
CTH 731
KBo 33.113, KBo 40.123+KBo 23.6+KUB 32.33+KBo 20.129+KBo 27.100+KUB 32.29+
KBo 25.122
KUB 32.47+ABoT 1.39+FHG 20+FHG 23, IBoT
CTH 733
2.39
KBo 25.112+KBo 25.116+KBo 25.114, KUB 8.41,
CTH 780
KUB 31.143
KBo 23.23+KBo 33.11
CTH 738
CTH 788
KUB 32.83+KBo 24.98+KBo 25.155+KBo 21.103,
KBo 19.145
KBo 21.93, KBo 34.169+KBo 46.253, KBo 21.90, Bo 6594 CTH 744 KBo 25.127+KBo 34.8+KBo 25.147+KBo 25.129+KBo 34.9+KBo 37.75+KBo 17.50,
CTH 789 KBo 32.13, KBo 32.14, KBo 32.15, KBo 32.16, KBo 32.19 CTH 820
VBoT 31
KBo 21.22, KUB 36.110, KUB 43.23
CTH 752
CTH 822
KUB 32.117+KUB 32.16+KUB 35.93+ KBo
KBo 24.34+KBo 41.128
39.174+KUB 35.93+KBo 19.156+KBo 8.74, KBo 17.25 CTH 761
CTH 827 KBo 18.151
KUB 35.21+KUB 32.9+KUB 32.11, KBo 29.3 CTH 764 KBo 43.223+KUB 35.107+KBo 9.127+KUB 36.41
458
AUSGEWERTETE ALT- UND MITTELHETHITISCHE TEXTE
Register der besprochenen Textstellen
Im Folgenden werden Seitenangaben für nur diejenigen Textstellen anatolischer Sprachen aufgeführt, die glossiert oder zumindest übersetzt sind, einfache Erwähnungen illustrativer Art sind nicht berücksichtigt. Belege können zur Darstellung verschiedener Probleme mehrfach verwendet werden, ohne dass sich freilich Glossierung oder Übersetzung ändern. Der Vollständigkeit halber sind diese Wiederholungen hier ebenfalls angegeben. Die Anordung erfolgt alphabetisch nach den Abkürzungen der Publikationen (vgl. das Abkürzungsverzeichnis).1 Hethitisch 545/u I 7–9 ABoT 65 3 f. ABoT 65 Rs. 10
121
HKM 14 6 f.
303
60
HKM 15 10–13
90
199
HKM 17 l. Rd. 4
198
HKM 18 l. Rd. 4 f.
131
ABoT 65 Rs. 9' f.
173, 319
ABoT 65 Vs. 3 f.
184
HKM 18 Rs. 26 f.
ABoT 65 Vs. 7
230
HKM 19 11 f.
156
ABoT 65 Vs. 9
62, 90
HKM 19 23 f.
206
Bo 2004/01 22
269
HKM 19 5 f.
285
Bo 2004/01 8 f.
189
HKM 2 17–19
Bo 2006/01 11 f.
131
HKM 2 9
Bo 2006/01 4 f.
57
Bo 3752 II? 4'
297
Bo 86/299 I 11
96
Bo 86/299 I 23
130
CTH 138 104'
HKM 2 l. Rd. 1 f. HKM 21 22–24
162, 274
61 224 233 87, 309
HKM 21 5 f.
235
HKM 21 9–11
317
182, 268
HKM 22 14–16
309
CTH 138 18'
143
HKM 24 48–52
318
CTH 138 27'
293
HKM 24 50
CTH 138 58'
309
HKM 24 53 f.
HKM 1 11–13
178
HKM 24 54
166
HKM 1 8–10
233
HKM 24 59
133
HKM 10 37 f.
87, 309
HKM 25 13 f.
281
89
HKM 25 15 f.
285
88
HKM 25 18
131
235
HKM 25 4 f.
52
HKM 13 10–12 HKM 13 8 HKM 14 11–14
87 93
1 In der automatischen Sortierung wird bedauerlicherweise nur die erste Ziffer, nicht die ganze Zahl berücksichtigt – somit erscheint z. B. HKM 3 hinter HKM 25 usw. Auch können unterschiedliche Belege aus ein und derselben Zei le nicht getrennt dargestellt werden. REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
459
HKM 25 6–8 HKM 25 9 f. HKM 3 7
HKM 66 24 f.
192
213
HKM 66 l. Rd. 1
192
HKM 68 13 f.
318
40, 57
HKM 3 7–10
213
HKM 7 24 f.
199
HKM 3 7–9
40
HKM 70 5–7
181
HKM 71 4
185
HKM 3 ob. Rd. 21
233
HKM 30 18
92, 214
HKM 73 11 f.
219
HKM 30 22
86, 183
HKM 73 21 f.
217
HKM 74 4 f.
172
HKM 35 1–5
188
HKM 46 18–23
85
HKM 46 25–27
295
IBoT 1.33 111
190
HKM 46 8 f.
187
IBoT 1.36 I 10
219
HKM 47 39–41
247
IBoT 1.36 I 10 f.
51
HKM 47 50
118
IBoT 1.36 I 11 f.
95, 166
HKM 47 50 f.
106
IBoT 1.36 I 12
69, 91
HKM 47 55
147
IBoT 1.36 I 13
59
258, 281
IBoT 1.36 I 15
61
96
IBoT 1.36 I 16
219 190
HKM 47 8 HKM 48 11–13
HT 1 I 44
47
HKM 5 11 f.
173
IBoT 1.36 I 17 f.
HKM 52 17 f.
58
IBoT 1.36 I 18 f.
HKM 52 30 f.
133
IBoT 1.36 I 24
HKM 53 23–25
223
IBoT 1.36 I 24 f.
118
91
IBoT 1.36 I 34 f.
175
HKM 55 29 f.
269 65, 213
HKM 57 18–22
183
IBoT 1.36 I 35
275
HKM 58 14
288
IBoT 1.36 I 36
185
HKM 58 3
184
IBoT 1.36 I 4
119
HKM 59 8
86, 234
IBoT 1.36 I 48
59, 135
HKM 6 5 f.
236
IBoT 1.36 I 50
100
HKM 6 7 f.
198
IBoT 1.36 I 50 f.
HKM 6 9 f.
238
IBoT 1.36 I 51
HKM 60 15
135
IBoT 1.36 I 51 f.
184, 269
HKM 60 17 f.
180
IBoT 1.36 I 57
167, 238
HKM 63 17 f.
94
IBoT 1.36 I 61
51
HKM 63 22 f.
201
IBoT 1.36 I 64 f.
HKM 63 23 f.
212
IBoT 1.36 I 67
HKM 64 16 f.
215
IBoT 1.36 I 69 f.
193
86
50 70, 200, 294
295 48
IBoT 1.36 I 71 f.
225
HKM 66 16 f.
131
IBoT 1.36 I 74
180
HKM 66 19
214
IBoT 1.36 II 13 f.
268
IBoT 1.36 II 20
185
HKM 66 11
HKM 66 23 f.
460
238
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
88
IBoT 1.36 II 22 IBoT 1.36 II 27 f.
143
117
KBo 1.1+ I 20
314
156, 350
KBo 1.1+ I 46-48
314
227
KBo 1.1+ IV 28f.
314
276
KBo 10.11 I 2 f.
120
93
IBoT 1.36 II 31 IBoT 1.36 II 35 IBoT 1.36 II 38 IBoT 1.36 II 5
261
IBoT 4.14+KBo 24.4 Rs. 5' f.
183f., 228
IBoT 1.36 II 28
IBoT 1.36 II 41 f.
IBoT 3.98+ I 24
197, 202
KBo 10.2 II 49 f.
73
81, 175
KBo 10.23 II 33 f.
224
IBoT 1.36 II 51 f.
185
KBo 10.24 III 13 f.
358
IBoT 1.36 II 62
215
KBo 11.11 I 2
103
IBoT 1.36 II 63
158, 239
KBo 12.112 Rs. 11–13
122
IBoT 1.36 II 8
82
KBo 13.29 II 10
303
IBoT 1.36 II 9
221
KBo 13.29 II 9
227
IBoT 1.36 III 10
301
KBo 14.20 I 21
148, 199
IBoT 1.36 III 12
286
KBo 15.10+KBo 20.42 I 12
82, 159
IBoT 1.36 III 12 f.
172
KBo 15.10+KBo 20.42 I 37
135
IBoT 1.36 III 13 f.
212
KBo 15.10+KBo 20.42 I 5
60
IBoT 1.36 III 18 f.
225
KBo 15.10+KBo 20.42 I 7
265
IBoT 1.36 III 21
70, 196
KBo 15.10+KBo 20.42 I 8 f.
179
IBoT 1.36 III 25
69, 148, 199
KBo 15.10+KBo 20.42 II 1 f.
185
IBoT 1.36 III 29 f.
184
KBo 15.10+KBo 20.42 II 17
67
IBoT 1.36 III 32 f.
196
KBo 15.10+KBo 20.42 II 2 f.
238
IBoT 1.36 III 38 f.
64
KBo 15.10+KBo 20.42 II 20 f.
266
IBoT 1.36 III 53
189
KBo 15.10+KBo 20.42 III 58'
109
IBoT 1.36 III 58
124
KBo 15.10+KBo 20.42 III 60'
260
IBoT 1.36 III 61
88
IBoT 1.36 III 62
83, 164
KBo 15.25 Rs. 29
65
KBo 15.25 Rs. 4
178
IBoT 1.36 III 64 f
225
KBo 15.25 Vs. 13
156
IBoT 1.36 III 66
199
KBo 15.25 Vs. 26
177
IBoT 1.36 III 9
92
KBo 15.25 Vs. 27
116
IBoT 1.36 IV 10 f.
200, 203
KBo 15.25 Vs.16
116
IBoT 1.36 IV 15 f.
292
KBo 15.31+KBo 40.160 IV 11'
296
IBoT 1.36 IV 18
169
KBo 15.32+ I 2–4
313
IBoT 1.36 IV 26 f.
166
KBo 15.32+ I 4 f.
209
IBoT 1.36 IV 29 f.
238
KBo 15.32+ II 3 f.
265
IBoT 1.36 IV 3 f.
304
KBo 15.32+ IV 4'
274
KBo 15.33+ KBo 15.35 II 14' f.
119
71, 201, 216
KBo 15.33+KBo 15.35 II 13'
275
IBoT 3.141 IV 13
123
KBo 15.33+KBo 15.35 II 14'
197
IBoT 3.148 III 44 f.
226
KBo 15.33+KBo 15.35 II 14' f.
274
IBoT 1.36 IV 30 IBoT 1.36 IV 8
58
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
461
KBo 15.33+KBo 15.35 II 16'
202
KBo 17.1+ I 31'
160
KBo 15.33+KBo 15.35 II 19' f.
102
KBo 17.1+ I 32'
107, 130
KBo 15.33+KBo 15.35 II 21'
103
KBo 17.1+ I 33' f.
KBo 15.33+KBo 15.35 II 29' f.
213
KBo 17.1+ I 7' f.
KBo 15.33+KBo 15.35 II 32'
46
264 261, 265
KBo 15.33+KBo 15.35 II 32'–34'
165
KBo 17.1+ II 17' f.
KBo 15.33+KBo 15.35 II 32'f.
197
KBo 17.1+ II 25' f.
39, 104
KBo 15.33+KBo 15.35 III 1 f.
169
KBo 17.1+ II 28' f.
79, 149, 179
38, 118
KBo 17.1+ II 31' f.
160
279
KBo 17.1+ III 12 f.
109
KBo 15.33+KBo 15.35 III 11 f. KBo 15.33+KBo 15.35 III 2 f. KBo 15.33+KBo 15.35 III 33 f.
49, 89
KBo 15.33+KBo 15.35 III 35
226
KBo 16.25 34'
KBo 17.1+ III 13 KBo 17.1+ III 4
42 80, 207
KBo 17.1+ III 8 f.
54
113, 162
KBo 17.1+ IV 13
239
KBo 16.50 12 f.
86
KBo 16.50 20 f.
168
KBo 17.1+ IV 17
KBo 16.61 4
120
96
KBo 16.17 III 38
KBo 17.1+ IV 14 f.
65 239
147, 227
KBo 17.1+ IV 21
232
KBo 16.63+KUB 34.45 11
96, 163
KBo 17.1+ IV 25
112, 164
KBo 16.63+KUB 34.45 13
173
KBo 17.1+ IV 31
408
KBo 16.63+KUB 34.45 15
215
KBo 17.1+ IV 38
KBo 16.63+KUB 34.45 6'
316
KBo 17.105+ III 23
218
KBo 16.97+KBo 40.48 Rs. 33
292
KBo 17.105+KBo 34.47 II 19'
187
KBo 16.97+KBo 40.48 Rs. 45
286
KBo 17.105+KBo 34.47 II 26'
57
KBo 16.97+KBo 40.48 Rs. 5
60, 320
KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 10 f.
201, 215
KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 13 f.
KBo 17.105+KBo 34.47 II 32' f.
72
91, 212
KBo 17.105+KBo 34.47 II 33'
284
281
KBo 17.105+KBo 34.47 II 37' f.
115
KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 14
233
KBo 17.105+KBo 34.47 III 11
125
KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 35
277
KBo 17.105+KBo 34.47 III 17
100, 158 125
KBo 16.97+KBo 40.48 Vs. 8
83, 144
KBo 17.105+KBo 34.47 III 18
KBo 17.1+ I 11'
65, 127, 233
KBo 17.105+KBo 34.47 III 24
88
KBo 17.1+ I 12'
65
KBo 17.105+KBo 34.47 III 28
166
KBo 17.1+ I 19'
75
KBo 17.105+KBo 34.47 III 31
49
KBo 17.1+ I 20'
107
KBo 17.105+KBo 34.47 III 4
200
KBo 17.1+ I 21' f.
155
KBo 17.105+KBo 34.47 III 7 f.
KBo 17.1+ I 22' f.
107
KBo 17.105+KBo 34.47 Vs. II 16'
KBo 17.1+ I 26' f.
39, 130
KBo 17.15 Rs. 18'
77
KBo 17.15 Rs. 19'
KBo 17.1+ I 27' f. KBo 17.1+ I 3'
462
KBo 17.1+ I 9'
207
83, 88 313 145, 396 49
75, 98
KBo 17.15 Rs.! 13'
38, 194
KBo 17.1+ I 3' f.
145, 179
KBo 17.15 Rs.! 18'
176
KBo 17.1+ I 30'
287
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
KBo 17.17+KBo 30.30 I? 8'–12'
76
KBo 17.18 II 5
115, 301
KBo 17.74+ I 22
KBo 17.18 II 6
208
KBo 17.74+ I 3 f.
KBo 17.18 II 8
176
KBo 17.74+ I 7
KBo 17.18 II 9'
128
KBo 17.74+ II 26, 28, 33
KBo 17.18 Vs. II
148
KBo 17.74+ II 33
74
49, 169
KBo 17.74+ II 47
67f.
KBo 17.19+KBo 25.52 II
217 93 171 87
KBo 17.2 I 4'
156
KBo 17.74+ III 19'
160
KBo 17.2 I 6'
127
KBo 17.74+ IV 4'
127
KBo 17.21+ 11
180
KBo 17.75 I 26
165
KBo 17.21+ 66
225, 278
KBo 17.75 I 47 f.
104
KBo 17.21+ 67
50, 114
KBo 17.25 Vs.? 9'
67
KBo 18.151 Rs.? 8
212
44, 222
KBo 18.54 Rs. 15' f.
197
KBo 17.3+ II 9'
296
KBo 18.54 Rs. 23' f.
240
KBo 17.3+ III 29
288
KBo 19.145 III 40'
212
KBo 17.3+ III 29 f.
301
KBo 19.145 III 45' f.
231
65
KBo 19.58+ Vs. 13'f.
226
231
KBo 19.58+ Vs. 14' f.
226
KBo 2.2 III 19–27
191
KBo 2.5 I 4
135
KBo 17.3+ II 48'
KBo 17.32+KBo 41.21 15' KBo 17.43 I 10' f. KBo 17.43 I 11' KBo 17.43 I 11' f.
45
KBo 17.76 I 5
79 180
KBo 20.10+KBo 25.59 I 1 f.
KBo 17.43 I 13'
79
KBo 17.43 I 15'
101f., 114
KBo 20.10+KBo 25.59 I 2
212
KBo 17.43 I 19'
191
KBo 20.10+KBo 25.59 I 3
123
KBo 17.43 I 5'
208
KBo 20.10+KBo 25.59 I 7
KBo 17.54+ I 7'
134
KBo 20.11+KBo 8.85 Rs. 5' f.
KBo 17.54+ IV 12
297
KBo 20.112+KBo 14.89 I 6'
KBo 17.55+ I 5'
218
KBo 20.19+KBo 20.25 I? 6'
KBo 17.55+ I 8' f.
143
KBo 20.34 Rs. 10 f.
231
KBo 17.61 Vs. 15
163
KBo 20.34 Vs. 11 f.
297
KBo 17.62+KBo 17.63 I 17'
176
KBo 20.61+ I 58'
KBo 17.62+KBo 17.63 I 20' f.
154
KBo 20.67+ I 10' f.
KBo 17.62+KBo 17.63 IV 15'
179
KBo 20.67+ I 5'
KBo 17.65 Vs. 13
220
KBo 20.67+ II 63
115
KBo 17.65+ Vs. 13
260
KBo 20.67+ II 8 f.
171
KBo 17.65+ Vs. 21
143, 269
KBo 20.67+ III 18 f.
169
KBo 17.65+ Vs. 39
92
KBo 20.67+ III 20
146
KBo 17.65+ Vs. 51
313
KBo 20.67+ III 21
280
KBo 17.7+ IV? 6' f.
65
KBo 20.67+ III 7
296
150
KBo 20.71+ I 27-29
230
62
KBo 20.71+ IV 10'
42
KBo 17.74+ I 13 KBo 17.74+ I 17 f.
91
287 114, 118 208 53
218 76, 171 53
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
463
KBo 20.71+ IV 11'
42
KBo 22.2 Vs. 6
KBo 20.71+ IV 7'
43
KBo 23.10+KBo 43.37 Vs. I? 16' f.
KBo 20.71+ IV 8'
42, 228
209 218, 423
KBo 20.72+ II 4
155
KBo 23.4+ II 16' f.
264
KBo 20.72+ II 5
232
KBo 23.4+ II 9'
285
KBo 20.72+ III 14'
205
KBo 23.4+ III 3
313
KBo 20.72+ III 21'
206
KBo 23.4+ III 4 f.
128
KBo 20.72+ IV 14'
228
KBo 23.4+ III 8 f.
238, 258
KBo 20.92+ II! 33'
119
KBo 23.74 II 8'
101
KBo 20.92+ II! 35' f.
168
KBo 23.92+ III 12' f.
160
KBo 21.22 22 f.
237
KBo 23.92+ III 14'
274
KBo 21.22 Vs. 10'
113
KBo 24.1 13'
133
KBo 21.22 Vs. 15
146
KBo 24.1 8'
67
KBo 21.22 Vs. 18–20
116
KBo 24.1+ 15'
KBo 21.22 Vs. 25
48
KBo 21.22 Vs. 37
128, 206
KBo 24.34+KBo 41.128 20'
77, 297 91
KBo 24.45+ Rs. 9
135
KBo 21.22 Vs. 43 f.
209
KBo 24.45+KBo 38.196 Rs. 14
210
KBo 21.47+ III 11'
131
KBo 24.45+KBo 38.196 Rs. 14 f.
194
KBo 21.47+ III 19'
301
KBo 24.45+KBo 38.196 Rs. 7
216
KBo 21.47+ III 7'
195
KBo 24.45+KBo 38.196 Vs. 16'
220
KBo 21.90 Vs. 7'
302
KBo 24.45+KBo 38.196 Vs. 22'
205
KBo 21.93 II 9'
45
KBo 24.45+KBo 38.196 Vs. 23' f.
154
KBo 22.1 16' f.
60
KBo 24.54+ I 7
109
KBo 22.1 21'
292
KBo 24.54+ I 8 f.
216
KBo 22.1 24'
233
KBo 24.54+ III 10'
183
KBo 22.1 28'
45
KBo 24.63+KBo 23.43 II 11' f.
320
230
KBo 24.63+KBo 23.43 III 11' f.
196
KBo 24.66+ I 14
164
KBo 24.66+ I 20 f.
170
KBo 22.1 6' KBo 22.2 Rs. 10'
217, 416
KBo 22.2 Rs. 11'
167
KBo 22.2 Rs. 14'
46, 164, 235
KBo 22.2 Rs. 15'
183
KBo 22.2 Rs. 5'
61
KBo 24.66+ I 3 f. KBo 24.66+ I 36 f. KBo 24.66+ I 43
199 39, 104, 221 66
KBo 22.2 Rs. 7' f.
222
KBo 24.66+ II 12–14
104
KBo 22.2 Rs. 9'
309
KBo 24.66+ II 20 f.
279
KBo 22.2 Vs. 10
238
KBo 24.66+ II 69
281
KBo 22.2 Vs. 13 f.
143
KBo 24.66+ II 8
161
125
KBo 24.66+ III 53 f.
158
44, 154
KBo 24.66+ III 54 f.
120
KBo 22.2 Vs. 3 f.
44
KBo 24.66+ III 57 f.
104
KBo 22.2 Vs. 4 f.
77, 164
KBo 22.2 Vs. 14 KBo 22.2 Vs. 3
464
KBo 23.23+KBo 33.11 Rs. 80'
182, 267
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
KBo 24.66+ IV 51–53
67
KBo 24.66+ IV 56
179
KBo 3.34 I 25
KBo 24.66+ IV 67
135
KBo 3.38 Rs. 26'
309
KBo 3.60 II 2
182
KBo 3.7 IV 12 f.
284
KBo 25.112+ II 16' f.
43
KBo 25.12+ IV 9
112
KBo 25.122 III 1'
94, 157
KBo 25.127+ III 25'–26'
79
KBo 3.7 IV 15–17
25
KBo 3.8+KUB 7.1 I 40
24
KBo 25.31 II 7'
172
KBo 30.19+ Vs. 6'
KBo 25.31 II 8'
142
KBo 30.33 I 20'
KBo 25.31 III 3'
74, 127
53
64, 118 59
KBo 32.12 III 10
93
KBo 25.33+KBo 20.14 I 9
113
KBo 32.13 II 11
262
KBo 25.36 Rs. III 8
148
KBo 32.13 II 31 f.
210
KBo 25.36 Rs. III 8'
225
KBo 32.13 II 4 f.
154
KBo 25.36 V 9
318
KBo 32.13 II 5 f.
239
KBo 25.42 I? 12'
76, 243, 303
193
KBo 32.13 II 7 f.
KBo 25.61+ II? 10
94
KBo 32.14 II 10
264
KBo 25.61+ III? 12'
180
KBo 32.14 II 18
213, 296
KBo 25.84 4'
101
KBo 32.14 II 26 f.
KBo 26.65 IV 16 f.
358
KBo 32.14 II 28
KBo 29.133+KBo 34.222 III 16
87
KBo 32.14 III 41
185, 206, 302
KBo 29.72 Rs. 13'
74
KBo 32.14 III 42
63, 296
175
KBo 32.19 II 26'
214
KBo 3.1 I 13 KBo 3.21 II 12 f.
147, 219
KBo 3.21 II 14 f.
63
KBo 32.19 III 47' f. KBo 34.45+KBo 38.185 3'–5'
133
62, 124 45
KBo 3.21 II 15f.
119
KBo 3.21 II 17 f.
119, 212
KBo 34.46+ III 26'–28'
KBo 3.22 11 f.
228, 273
KBo 35.183+KBo 23.27 II 30'–35'
241
KBo 35.229+ Rs. 13'
164
KBo 3.22 2
38, 114
KBo 34.46+ II 18
70, 116, 225
55 242, 295
KBo 3.22 39 f.
37
KBo 3.22 41 f.
77, 174, 417
KBo 38.1 6 f.
278
KBo 3.22 46 f.
179
KBo 38.1 7
279
KBo 3.22 49
171
KBo 38.12 III 30'
192
KBo 3.22 5
50
KBo 38.12+ II 20
90, 152, 177
KBo 3.22 50
174
KBo 38.12+ II 24
103
KBo 3.22 52
43, 54
KBo 38.12+ II 28
KBo 3.22 55
282
KBo 38.12+ III 26'
63, 194
KBo 3.22 58
48
KBo 38.12+ III 28'
304
142, 176, 193
KBo 39.166+ II 10'
161
KBo 39.8 I 21
118
KBo 3.22 78 f.
KBo 35.229+KBo 30.61+KBo 27.165 Rs.? 21' 243
348
KBo 3.22, 49
80
KBo 3.23 10 f.
128
KBo 39.8 I 31 f.
158, 267
KBo 3.27 9 f.
261
KBo 39.8 I 38 f.
226
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
465
KBo 39.8 I 44
157
42
KBo 39.8 II 2 f.
64, 194, 319
KBo 54.126+ I 11'
234
KBo 39.8 II 33
202, 210
KBo 54.126+ I 16'
68
KBo 39.8 II 35
121
KBo 54.219+ I 16 f.
63
KBo 39.8 II 38 f.
83
KBo 6.11 I 19
109
KBo 39.8 II 5 f.
158
KBo 6.2 I 17' f.
57
KBo 39.8 II 6 f.
287
KBo 6.2 I 3'
KBo 39.8 III 20
166
KBo 6.2 I 37'
44, 89
KBo 39.8 III 24 f.
168, 277
KBo 6.2 I 42
294
KBo 39.8 III 27 f.
315
KBo 6.2 I 48'
190
KBo 39.8 III 54
51
KBo 6.2 I 49'
64, 230
KBo 39.8 III 55
182
KBo 6.2 I 50'
236
KBo 39.8 IV 19 f.
170
KBo 6.2 I 51'
296
KBo 39.8 IV 21 f.
150
KBo 6.2 I 58'
54
KBo 39.8 IV 23 f.
150, 166
KBo 6.2 II 10
207
KBo 39.8 IV 30 f.
235
KBo 6.2 II 27
44, 295
KBo 39.8 IV 6
53
196, 294
KBo 6.2 II 33
292
KBo 4.11 17
187
KBo 6.2 II 35
45, 99, 106, 292
KBo 4.14 III 37 f.
136
KBo 6.2 II 51 f.
127
KBo 4.2 IV 28–32
132
KBo 6.2 II 52
174
KBo 4.3+ I 23 f.
23
KBo 6.2 II 6;
313
KBo 4.6 Rs. 22
231
KBo 40.123+ I 14 f. KBo 40.123+ I 8 KBo 40.123+ I 8 f.
KBo 6.2 II 8
220
81
KBo 6.2 III 19
157
268
KBo 6.2 III 7
202, 277
KBo 6.2 IV 10 f.
227 107, 157
KBo 40.179+ IV 16'
205
KBo 6.2 IV 12
KBo 44.125+ II 17
285
KBo 6.2 IV 13
90, 114, 174
KBo 45.47 I 34
161
KBo 6.2 IV 36 f.
43, 123, 155
KBo 47.130+ I 3 f.
264
KBo 6.2 IV 45 f.
79
50
KBo 6.2 IV 47 f.
151, 162
KBo 47.130+KBo 24.3 Vs. 4 f.
466
KBo 54.125+ III 17'
58
KBo 5.2 II 18 f.
241
KBo 6.2 IV 54
80, 153
KBo 5.2 III 18 f.
242
KBo 6.2 IV 60
45, 119
KBo 5.3 IV 20 f.
147
KBo 6.2 IV 61
153
KBo 6.2 Vs. 48'
86
KBo 5.7 Rs. 21
105, 239
KBo 5.7 Rs. 22
105
KBo 6.29 II 27 f.
KBo 5.7 Rs. 25
234
KBo 6.3 I 57
231
KBo 5.8 II 30
130
KBo 6.3 IV 55
162
KBo 52.13+ II 4–6
194
KBo 6.34+KUB 48.76 III 48-IV 1
66
26
KBo 54.125+ II 16
38
KBo 6.4 II 61 f.
60
KBo 54.125+ II 6 f.
281
KBo 6.4 IV 16 f.
27
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
KBo 7.14+KUB 36.100 4
276
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 60
100, 201
KBo 7.28+KBo 8.92 Rs. 40
115
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 62
199
KBo 7.28+KBo 8.92 Rs. 42
81, 170
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 67 f.
281
KBo 7.28+KBo 8.92 Vs. 19
134, 146
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 69
168, 200
KBo 7.28+KBo 8.92 Vs. 23
81
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 73
198, 316
KBo 8.35 II 19'
62
KUB 15.32 II 26 f.
188
KBo 8.42 Rs.? 9
295
KUB 15.34 I 5 f.
263
KBo 8.91+ Rs. 15
228
KUB 15.34 II 24 f.
172
KBo 8.91+ Rs. 16
47
KUB 15.34 II 26–28
99
KBo 8.91+ Rs. 18
161
KUB 15.34 III 23' f.
143
KBo 8.91+ Rs. 25
260
KUB 15.34 III 24' f.
206
KBo 8.91+ Vs. 9'
124
KUB 15.34 III 33' f.
123
KBo 9.140 III 11 f.
277
KUB 15.34 III 35' f.
50
KUB 1.1.+ II 37 f.
149
KUB 15.34 III 37'
165
KUB 1.1+ I 21
96
KUB 17.10 I 12 f.
153, 328
KUB 1.1+ II 37 f.
96
KUB 17.10 I 13
144, 160
KUB 1.1+ III 6 f.
287
KUB 17.10 I 24 f.
416
KUB 12.11 IV 19 f.
150
KUB 17.10 I 24–26
133
KUB 12.19 III 15'
276
KUB 17.10 I 7 f.
KUB 12.19 III 16' f.
269
KUB 17.10 II 29 f.
KUB 13.1+ I 6 f.
115
KUB 17.10 II 33
171
KUB 13.1+ II 18' f.
203
KUB 17.10 III 17
292
KUB 13.1+ III 13' f.
172
KUB 17.10 III 25 f.
193
58, 155, 159 40, 69
KUB 13.3 II 11
71
KUB 17.10 III 8
KUB 13.3 II 13
71
KUB 17.10 III 8 f.
122, 147 192
KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 16
223
KUB 17.10 IV 1 f.
196
KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 25
197, 203
KUB 17.10 IV 14
93
KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 25 f.
197
KUB 17.10 IV 15
144, 168, 285, 403
KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 27 f.
220
KUB 17.10 IV 16 f.
KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 54
213
KUB 17.10 IV 16–17
155
KUB 14.1+KBo 19.38 Rs. 59
184
KUB 17.10 IV 27 f.
285
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 11
317
KUB 17.10 IV 27–28
80
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 18
190
KUB 17.10 IV 27–31
116
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 20
179
KUB 17.10 IV 28
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 27
169
KUB 17.10 IV 29 f.
287
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 28
223
KUB 17.10 IV 30
287
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 3
83, 100
KUB 17.10 IV 7
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 39
53, 86
KUB 17.21 I 15 f.
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 42
132
KUB 17.21 I 21–23
KUB 14.1+KBo 19.38 Vs. 47
214
KUB 17.21 I 3–5
82, 112
100, 129, 262
107, 123 157 83, 167 121
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
467
121, 319
KUB 26.17 I 6' f.
43
KUB 17.21 II 12 f.
237
KUB 29.1 I 30 f.
302
KUB 17.21 II 6 f.
89
KUB 29.23 14
109
KUB 17.21 I 3–5 + 545/u I 7–9
KUB 17.21 IV 13
221
KUB 17.21 IV 5 f.
82, 96
KUB 29.3 I 11
168
KUB 17.21 IV 7–10
50
KUB 29.4. I 5
331
KUB 17.28 IV 46 f.
198
KUB 29.50 Vs.? 25
185
KUB 17.6 I 19' f.
214
KUB 29.52 IV 6
199
63
193
KUB 17.7+ II 11 f.
71
KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 42
KUB 17.8 IV 22–24
263
KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 48
KUB 18.5+KUB 49.13 I 23 f.
188
KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 51 f.
KUB 18.5+KUB 49.13 I 29 f.
195
KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 54
174
KUB 18.5+KUB 49.13 I 32
201
KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 56
170
KUB 18.5+KUB 49.13 I 33 f.
187
KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 58
208
KUB 18.5+KUB 49.13 II 11
88
KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 58 f.
276
KUB 18.5+KUB 49.13 II 13
75
KUB 29.7+KBo 21.41 Rs. 59 f.
176
49 89, 103
KUB 18.5+KUB 49.13 II 39 f.
247
KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 18
226
KUB 18.5+KUB 49.13 II 7
287
KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 19 f.
209
KUB 18.5+KUB 49.13 II 7–
247
KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 23 f.
209
KUB 18.5+KUB 49.13 II 7–11
247
KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 44
242
96
KUB 29.7+KBo 21.41 Vs. 5
234
KUB 19.37 III 49
73
KUB 29.8+ I 13
276
KUB 20.11 II 16'
218
KUB 29.8+ I 46 f.
266
KUB 29.8+ II 14–16
216
KUB 19.37 III 40
KUB 20.88 IV? 14 f.
104, 206
KUB 21.42 I 23 f.
187
KUB 30.10 Rs. 14
KUB 21.5 III 22 f.
231
KUB 30.10 Rs. 14 f.
177 18, 315
KUB 22.70 Vs. 37
94
KUB 30.10 Rs. 19
162
KUB 24.1+ III 14 f.
275
KUB 30.10 Rs. 2
124
KUB 24.13 14' f.
52, 161
KUB 30.10 Rs. 20
48, 315
110
KUB 30.10 Vs. 12'
132
95
KUB 30.10 Vs. 20'
109
KUB 24.4+KUB 30.12 Rs. 11
110
KUB 30.10 Vs. 7' f.
268
KUB 24.4+KUB 30.12 Vs. 16
217
KUB 30.19 IV 8
KUB 24.4+KUB 30.12 Vs. 18
167
KUB 30.29 2 f.
284
44
KUB 30.29 4 f.
67, 182, 268
KUB 24.13 14'–16' KUB 24.2 I 13
KUB 24.4+KUB 30.12 Vs. 21 f.
468
KUB 29.25+ IV 10
KUB 24.8 II 14 f.
237
KUB 25.85+ II 9 KUB 25.85+ II 9 f.
73
KUB 30.29 6
120
128, 176
KUB 30.32 14
286
163, 316
KUB 30.32 I 15
156
KUB 25.85+ III 2 f.
192
KUB 30.32 I 18 f.
KUB 26.12+21.42 II 6–8
220
KUB 31.130+ Vs. 15' f.
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
50 215
KUB 31.143 II 16 KUB 31.21+ III 21 KUB 31.4+ Vs. 9
128
KUB 43.23 Vs. 6–8
170
KUB 43.30 II 10'
95, 167
102, 292
KUB 43.30 II 20'
112
KUB 31.42 II 8–10
90
KUB 32.117+ II 9
109
KUB 43.30 III 11'
80
65
KUB 43.30 III 18'
48
KUB 32.130 1 f.
315
KUB 43.30 IV 12'
284
KUB 32.130 12 f.
184
KUB 43.53 I 23
61
KUB 32.130 31 f.
221
KUB 43.53 I 4'
109
KUB 32.135+ I 2 f.
181
KUB 43.56 III 12' f.
KUB 32.58+ Rs. 5
224
KUB 43.58 I 49
131
39
KUB 32.117+ III 13'
KUB 33.111+HT 25 8'
KUB 43.30 II 8'
222
79, 94
95
KUB 43.58 I 6
203
KUB 33.59 III 10' f.
224
KUB 43.58 II 37' f.
222
KUB 33.59 III 11' f.
58, 393
KUB 44.63 II 14' f.
293
KUB 33.59 III 12' f.
416
KUB 45.47 I 29
174
KUB 33.59 III 13'
167
KUB 45.47 I 53
134
KUB 33.59 III 5'
228
KUB 45.47 II 14
134
KUB 33.59 III 7'–9'
229
KUB 45.47 II 4
90
KUB 33.68 II 10
59
KUB 45.47 II 8
199
KUB 33.68 II 6
232
KUB 45.47 III 17' f.
224
KUB 33.68 II 7
189
KUB 45.47 III 24'-26'
214
KUB 33.68 II 8
264
KUB 45.47 III 24'–26'
66
KUB 33.8 III 13 f.
112
KUB 45.5 Vs. II? 19'
263
74
KUB 35.135 Rs. 18' f.
KUB 48.123+ I 16 f.
190
KUB 36.104 Rs. 7'
288
KUB 5.24 II 48
188
KUB 36.104 Vs. 6
79, 114
KUB 5.7 Vs. 34
102
KUB 55.43 I 16 f.
286
KUB 55.43 I 7
156
KUB 36.110 Rs. 11' f. KUB 36.110 Rs. 17'–18'
145 80
KUB 36.110 Rs. 9' f.
110
KUB 55.43 I 9 f.
KUB 36.12 III 6'–8'
189
KUB 55.43 II 4 f.
133, 175
KUB 36.127 Rs.! 8'
197, 294
KUB 55.43 III 33'
120
KUB 36.127 Vs.! 10'
264
KUB 55.43 IV 10'
120, 134
KUB 36.44+KUB 53.20 14'
178
KUB 55.43 IV 30'
115
202
KUB 55.43 IV 30' f.
278
KUB 39.8 IV 6
73
KUB 55.43 IV 31'
279
KUB 41.17 I 30
188
KUB 6.45+ I 4 f.
221
KUB 41.8 II 18 f.
187
KUB 6.45+KUB 30.14 III 72 f.
202
KUB 43.23 Rs. 15' f.
204
KUB 7.10 I 7 f.
KUB 43.23 Rs. 17'–19'
204
KUB 7.54 II 13 f.
188
KUB 43.23 Vs. 5
234
KUB 8.1 II 16 f.
244
KUB 37.223 Vs. 2
66, 236, 392
66
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
469
KUB 8.81+KBo 19.39 II 11' f.
77, 100
KUB 9.28 II 12 f.
220
KUB 8.81+KBo 19.39 II 8' f.
198, 215
KUB 9.28 IV 16
173
KUB 8.81+KBo 19.39 III 4 f.
97, 100, 122, 319
KUB 9.31 II 9 f.
316
KuT 49 18 f.
279
KUB 8.81+KBo 19.39 III 6
470
163, 319
KUB 9.15 III 8
394
KuT 49 7 f.
57
KUB 9.22 II 42
165
KuT 50 17
191
KUB 9.22 II 42 f.
131
KuT 50 34 f.
195
KUB 9.22 III 30
46
KuT 53 III 33 f.
222
KUB 9.22 III 6 f.
232
VBoT 58 I 10
317
KUB 9.22 III 9–10
260
VSNF 12.10 IV 14' f.
175
Keilschriftluwisch HT 1 I 31 KBo 13.260 III 12'–15' KUB 7.53+12.58 I 58 f. KUB 9.6 III 25 f. KUB 9.31 II 24 KUB 9.31 II 25 f. KUB 35.29 III 29'
345 347 399 345 345 348 399
KUB 35.45 II 5 KUB 35.54 III 9 KUB 35.54 III 37 f. KUB 35.88 III 13 KUB 35.88 III 12 KUB 35.107 III 8
347 347 347 346 347 399
Palaisch KUB 32.18 I 2' KUB 32.18 I 14'
328 328
KUB 35.165 Vs. 15 KUB 35.165 Rs. 6'
327 327
Lykisch TL 75, 2 f. TL 84, 2 f.
348 348
TL 94, 3 TL 101, 3
348 348
REGISTER DER BESPROCHENEN TEXTSTELLEN
Resumo: Esploroj pri la spaca gramatiko de la hitita lingvo
Alpreninte la malsamajn vidpunktojn de hitita filologio, de kognitiva kaj de hindeŭropa lingvistikoj ĉi tiu laboraĵo kolektas kaj esploras la esprimilojn – kazojn, deiktajn verbojn, sintakson, lokrilatajn partiklojn, adverbojn kaj „place words“ –, kiuj servas por la esprimo de spacaj rilatoj en la hitita, antikva hindeŭropa lingvo parolita antaŭ ĉ. 3500 jaroj en centra Anatolio. La studo baziĝas sur korpuso de ĉ. 2360 plenaj frazoj el malnov- kaj mezhititaj originalaj tekstoj. Por plifaciligi la komprenon al nefakuloj pri la hitita la ekzemploj en la laboraĵoj estas tradukitaj kaj glositaj. La enkonduka unua ĉapitro donas superrigardon pri la traktotaj temoj, la atingoj de la moderna prispaca lingvistiko, la atestado, historio kaj gramatiko de la hitita lingvo kun ĉi ties filologiaj specialaĵoj, kaj skizas la historion de la esploro de la spacaj esprimiloj hititaj. La dua, filologia ĉapitro montras, ke necesas esplori la spacajn esprimilojn de la hitita ne kiel disajn fenomenojn, sed nur en reciproka kombino, por ĝuste priskribi iliajn uzadon kaj signifon, kiujn oni ĝis nun parte ne povis klarigi. Ĉe tiu okazo eblis solvi ankaŭ multajn detalajn problemojn kaj nove difini kelkajn aliajn esprimojn, ekzemple sukcesis priskribi la evoluon kaj ĉefan uzadon de la t. n. lokrilataj partikloj, sed ankaŭ la funkcioj de la t. n. „place words“, rilatigaj lokaj leksemoj, estas difinitaj pli ekzakte; parte novan signifon eblis ellabori por la „place words“ awan, priyan kaj parranda. La tria, tipologia ĉapitro, kies amplekson kaj esploran profundon tre limigas metodikaj problemoj (malgranda korpuso kaj la manko de gepatraj parolantoj), tamen prezentas interesan hititan materialon, kiu povas konduki al pli detala divido de la imagata topologia spaco (la hitita kombinas la konceptojn „ĉe“ kaj „sub“, kio estas tipologia unikaĵo) kaj la pliampleksigo de la leksemigaj ŝablonoj de verboj de moviĝo fare de L. Talmy, nome la hitita estas nek direktesprimema („verb-framed“) nek tipa manieresprimema („satellite-framed“) lingvo. La kvara, hindeŭropista ĉapitro el etimologia perspektivo ekzamenas kaj la morfologiajn kaj sintaksajn aspektojn de la hitita spaca gramatiko. Montriĝas, ke la anatoliaj lingvoj li veras ateston esencan por la kompreno de la procezo, en kiu estiĝis la hindeŭropaj adpozicioj; nome la malnovhitita havas sistemon de nominalecaj adpozicioj (ne klarigeblan kiel posta renoviĝo), surbaze de kiu oni povas klarigi ankaŭ la sistemojn de la aliaj hindeŭropaj lingvoj. Tio tamen eblas nur enkadre de relativa kronologio laŭ la t. n. hind-hitita teorio, kiu validas ja laŭ la aŭtoro pro sendependaj kaŭzoj. Krome eblas ekkoni ĉe la lokaj kazoj atentovekajn similon kaj malsimilon al la sistemo de la malnovhindarja, kiujn oni povas korelativigi al la konservo resp. novigo de la unuopaj kazoj en la prahistorio de la hitita. Resumige montriĝas, ke pro la plejparta manko de kompareblaj laboraĵoj pri aliaj malnovaj hindeŭropaj lingvoj ankoraŭ ne eblas verki prahindeŭropan spacan gramatikon, sed oni povas esti optimisma, ke tia entrepreno principe fareblas.
RESUMO: ESPLOROJ PRI LA SPACA GRAMATIKO DE LA HITITA LINGVO
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Streszczenie: Badania nad gramatyką przestrzeni w języku hetyckim
W niniejszej pracy bada się, wyzyskując osiągnięcia filologii hetyckiej, indoeuropeistyki i językoznawstwa kognitywnego, wszystkie elementy (przypadki, czasowniki deiktyczne, partykuły lokalne, składnię, imiesłowy i „place words”) służące do wyrażania relacji przestrzennych w hetyckim, języku staroindoeuropejskim sprzed ok. 3500 lat, używanym niegdyś w Anatolii Środkowej. Podstawą badań jest korpus liczący ok. 2360 pełnych zdań zaczerpniętych z tekstów staro- i średniohetyckich. Dla łatwiejszego rozumienia przykłady podaje się z przekładem i glosami. W rozdziale pierwszym prezentuje się poruszane w pracy zagadnienia: aktualny stan wiedzy na temat lingwistyki przestrzennej, korpus tekstów, historię i gramatykę języka hetyckiego i jego osobliwości filologiczne, ponadto szkicuje się historię badań nad wyrazami przestrzeni w hetyckim. Rozdział drugi pokazuje z filologicznego punktu widzenia, że hetyckie wyrazy przestrzenne należy badać nie jako osobne leksemy, lecz w ich wzajemnej zależności, aby poprawnie ustalić ich znaczenie i zastosowanie, opisane dotąd tylko częściowo. Udało się przy tym odpowiedzieć na kilka pytań i prześledzić rozwój i podstawowe zastosowanie tzw. partykuł lokalnych, a także ściślej określić funkcje tzw. „place words”, czyli względnych wyrazów lokalnych. Dla awan, priyan i parranda ustalono częściowo nowe znaczenia. Rozdział trzeci wyzyskuje osiągnięcia typologii, chociaż zakres badań ograniczają problemy metodologiczne (nieduży korpus i brak native speakerów). Zebrano w nim ciekawy hetycki materiał językowy, który może ułatwić bardziej szczegółowy podział wyimaginowanej przestrzeni topologicznej (hetycki kombinuje pojęcia „przy” i „pod” w jednym wyrazie, co jest typologicznie niezwykłe). Ponadto pozwala on zaproponować dalsze zróżnicowanie schematów leksemowych czasowników ruchu według typologii L. Talmy’ego pod tym względem, że w rdzeniu czasownika nie wyraża się ani kierunek („verb-framed language”), ani zwykle sposób („satellite-framed language”) ruchu. Rozdział czwarty zainteresuje indoeuropeistów, omawia się w nim bowiem morfologiczne i składniowe aspekty hetyckiej gramatyki przestrzeni z punktu widzenia etymologii. Okazuje się, że języki anatolijskie w sposób istotny przyczyniają się do wyjaśnienia pochodzenia adpozycji indoeuropejskich, ponieważ starohetycki system adpozycji o charakterze nominalnym nie da się tłumaczyć jako późniejsza innowacja. Pozwala to zrozumieć systemy także innych języków indoeuropejskich. Wprawdzie teoria taka jest do przyjęcia tylko dla zwolenników tzw. hipotezy indohetyckiej, według autora jednak trzeba tę hipotezę uważać za słuszną z różnych, niezależnych powodów. Ponadto przy przypadkach lokalnych zauważa się
STRESZCZENIE: BADANIA NAD GRAMATYKĄ PRZESTRZENI W JĘZYKU HETYCKIM
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uderzające podobieństwa i różnice wobec systemu staroindyjskiego, które mogą korelować ze stabilnością względnie odnawianiem się pewnych przypadków w prahistorii hetyckiego. Kończąc trzeba stwierdzić, że brak podobnych opracowań na temat innych języków staroindoeuropejskich opóźnia napisanie praindoeuropejskiej gramatyki przestrzeni, ale, teoretycznie biorąc, taka inicjatywa jest w zasadzie możliwa.1
1 Ich danke Maciej Popko (Warschau) herzlich für die sprachliche Korrektur des polnischen Resümees sowie wei tere Anregungen. Für die sprachliche Korrektur des folgenden englischen Resümees bin ich Amanda Fowler (Berlin) dankbar.
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STRESZCZENIE: BADANIA NAD GRAMATYKĄ PRZESTRZENI W JĘZYKU HETYCKIM
Abstract: Studies on the Grammar of Space of Hittite
From the point of view of Hittitology, of Cognitive and of Indo-European Linguistics the book collects and analyzes the spatial expressions – case, deictic verbs, syntax, local particles, adverbs, and place words – of Hittite, an Indo-European language spoken in central Anatolia some 3,500 years ago. It is based on a corpus of ca. 2,360 complete sentences from Old and Middle Hittite texts; to faciliate their understanding for non-hittitologists the text examples are translated and glossed. The introductory first chapter gives an overview of the treated topics, the achievements modern linguistics of space, of the hittite language and its philological pecularities and an outline of the history of research on spatial expressions in Hittite. In the philological second chapter it is shown that one has to understand the spatial expressions of Hittite not as isolated lexical entries, but in combination with each other. This allows to describe their constructions and individual meanings, some of which hadn‘t been understood before. In the course of this exploration many details could be clarified, e. g. the evolution and the basic uses of the so called local particles, but also the functions of the so called place words (local lexemes of relational content). The meaning of the place words awan, priyan und parranda was newly redetermined. In the typological third chapter it is argued that, although the lack of native speakers has serious impacts on the depth of understanding we can attain, Hittite contributes interesting data for the typological studies, as it suggests a subtler semantic fractionation of the topological domain (as it combines the concepts “at” and “below”, which wasn’t attested before in typo logy) and an extension of Talmy‘s lexicalisation pattern of dynamic verbs (where shows up as a language neither verb-framed nor typically satellite-framed). Written from an Indo-Europeanist position, the fourth Chapter gives an etymological account both of the morphology and of the syntax of the grammar of space of Hittite. It is shown e. g. that the Anatolian languages deliver crucial data for the understanding of the development of adpositions in Proto-Indo-European, as Old Hittite shows a system of nominal adpositions not explainable as later innovation, based on which it is possible to clarify the adpositional systems of the other Indo-European languages, too. A precondition for this, however, is the acceptance of an Indo-Hittite framework, which according to the author is plausible for independent evidence. With regard to the local cases there are interesting similarities and discrepances regarding the cases in Vedic, which are easy to correlate with the conservation or renewing of the Hittite case endings. For the lack of comparable works for the most old Indo-European languages it is not yet possible to write a PIE grammar of space, but one can be optimistic that it is principally fea sible.
ABSTRACT: STUDIES ON THE GRAMMAR OF SPACE OF HITTITE
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