Untersuchungen zum Humor in den comedias Calderons: Unter Ausschluss der “Gracioso”-Gestalten [Reprint 2020 ed.] 9783111658544, 9783110044959


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German Pages 372 [376] Year 1974

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Untersuchungen zum Humor in den comedias Calderons: Unter Ausschluss der “Gracioso”-Gestalten [Reprint 2020 ed.]
 9783111658544, 9783110044959

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HAMBURGER ROMANISTISCHE STUDIEN Herausgegeben vom Romanischen Seminar der Universität Hamburg

B. IBERO-AMERIKANISCHE REIHE (Fortsetzung der „Ibero-amerikanischen Studien") Herausgegeben von Hans Flasche und Rudolf Grossmann Band 38 = CALDERONIANA — Herausgegeben von Hans Flasche Band 9

w DE

G

1974

Walter de Gruyter • Berlin • New York

AMELIA TEJADA

UNTERSUCHUNGEN ZUM HUMOR IN DEN COMEDIAS CALDERONS unter Ausschluß der „Gracioso"-Gestalten

w DE

G 1974 Walter de Gruyter • Berlin • New York

Gedruckt mit Unterstützung der Universitäts-Gesellschaft Hamburg

ISBN 3110044951 Library of Congress Catalog Card Number: 73 — 88 306 © 1974 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30, Genthiner Straße 13 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrüddiche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand O H G , Berlin

V O R W O R T Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des Calderon-Forschungsprojektes des Ibero-amerikanischen Forschungsinstituts der Universität Hamburg konzipiert. Die Tatsache, daß die humoristischen Aspekte des calderonianischen Werkes von den Kritikern bisher etwas stiefmütterlich behandelt wurden, war für mich der AnlaB, mich mit diesem Problem auseinanderzusetzen und gleichzeitig einen Beitrag zu dem gemeinsamen wissenschaftlichen Unternehmen des Iberoamerikanischen Instituts zu leisten, das bereits sehr wertvolle Untersuchungen, die die Calder6n-Forschung beträchtlich erweitern, herausgebracht hat. Ich hoffe, daß diese Arbeit, wenn auch nur in bescheidenem Maße, dazu beitragen kann, einen bestimmten Aspekt in dem vielfältigen und tiefgründigen Werk dieses großen spanischen Dichters zu erhellen, dessen Schaffen die Vorstellungen, Lebensauffassungen und Mannigfaltigkeit einer ganzen Epoche in raffinierter künstlerischer Form widerspiegelt. Ich möchte mich hier bei den Mitarbeitern des Ibero-amerikanischen Forschungsinstituts erkenntlich zeigen, insbesondere bei Frau von Wevell, die mir oft sehr interessante bibliographische Hinweise gegeben hat. Meine besondere Dankbarkeit gilt vor allem Herrn Professor Flasche, der sich in jedem Moment dafür eingesetzt hat, durch seine Bemühungen die erfolgreiche Durchführung meines Vorhabens zu ermöglichen, und dessen wertvolle Ratschläge und Anregungen die Entwicklung meiner Untersuchung in hohem Maße begünstigt haben. Anschließend möchte ich der Universitäts-Gesellschaft Hamburg, deren freundliche Unterstützung die Veröffentlichung dieser Arbeit ermöglichte, meinen aufrichtigen Dank aussprechen.

INHALTSVERZEICHNIS Seite EINLEITUNG

1

1.

Vorbemerkungen über die Bedeutung des Terminus Humor

1

2.

Das Komische im Theater. Die Eigentümlichkeit der spanischen "comedia"

9

3.

Der "gracioso" und seine Funktion im spanischen Theater

26

I.

DER HUMOR CALDERONS

39

1. Die Problematik des Humors bei Calderón im Spiegel der Kritik

39

2. Die Mantel- und Degenstücke

50

DIE PERSONEN

61

II.

Die adligen Personen in Calderóns "comedias" a) b) c) d)

Der Die Der Der

. . .

Caballero Dame Vater Bruder

III. DIE KOMIK DER CHARAKTERE

79

1. Unfreiwillige Komik

80

a) Die "culta latiniparla" b) Die eingebildete Törin c) Der tölpelhafte Caballero

80 94 102

2. Bewußter Humor a) Die ränke schmiedende Dame b) Der verspottende und verführende Galan c) Der nüchterne Freund IV.

61 67 70 75 76

110 . . .

110 125 138

BEZIEHUNGEN ZWISCHEN PERSONEN, DIE EINE KOMISCHE WIRKUNG HERVORRUFEN

145

1. Die übermäßige Höflichkeit

149

2. Die Verstellung

155

3. Der "Schwindel"

162

VII

Seite V.

DIE SITUATIONSKOMIK

169

1. Die V i r t u o s i t ä t der Theatertechnik Calderons 2. Die Verwechslung. Ihre komische W i r k u n g 3. Zwei beliebte Hilfsmittel:

. .

. . . .

"manto" und "embozo".

4. Die verschiedenartigen V e r w e c h s l u n g e n v o n Persönlichkeiten 5. Die Dame in V e r l e g e n h e i t u n d Bedrängnis

VI.

184 196 205

. . . .

216

6. Die schwierigen L a g e n des Galans

225

7. Die Reaktion des V a t e r s

232

8. Der Caballero zwischen m e h r e r e n E h r e n p f l i c h t e n .

240

DIE TECHNIK DES RAUMES

253

1. Die F u n k t i o n der A r c h i t e k t u r

253

a) Die geheime V e r b i n d u n g zwischen zwei Zimmern. b) Das Haus m i t zwei T ü r e n c) Das geheime G e m a c h 2. Die N ä h e der Personen. Ihr Zusammentreffen in e i n e m geschlossenen R a u m VII.

169

258 264 266 268

DIE SPRACHE DES HUMORS

279

1. Die Wortspiele

282

2. Die Zweideutigkeit

285

3. Die Rolle des Diminutivs

291

VIII. SATIRISCHE E L E M E N T E IN DEN "COMEDIAS"

300

1. A l l g e m e i n e Aspekte

300

2. Die F r a u

314

3. Die Liebe

321

4. Der ritterliche E h r e n k o d e x

328

5. Die Stadt und der Hof

331

6. Ironisierung der Theatereffekte

333

SCHLUSSBETRACHTUNGEN

345

BIBLIOGRAPHIE

353

V E R Z E I C H N I S D E R ZITIERTEN STÜCKE CALDERONS

361

NAMENREGISTER

363

SACHREGISTER

365

E I N L E I T U N G

1. Vorbemerkungen über die Bedeutung des Terminus Humor Seit zwei Jahrhunderten hat man sich immer wieder Gedanken über den Humor gemacht. Die Theorien haben sich so vermehrt, daß sie einen heterogenen Körper bilden, in dem sich Thesen, Definitionen und Vermutungen für jeden Geschmack finden. Es würde eine gesonderte Arbeit erfordern und über die Grenzen, die ich mir gesteckt habe, hinausgehen, die Strömungen zu analysieren und zusammenzufassen, die diesen theoretischen Komplex bilden. Aber obwohl es beabsichtigt ist, nur eine Untersuchung über den Humor in den Komödien Calder6ns durchzuführen, soll damit nicht begonnen werden ohne gewisse Aspekte hervorzuheben, die sich auf die Bedeutungen und die Anwendung des Begriffes beziehen. Sie mögen als Ausgangspunkt dienen und als Prämisse für die spätere Entwicklung der Arbeit. Die erste dieser einleitenden Erklärungen bezieht sich auf die Bedeutung, die ich dem Wort Humor zuschreibe. Sie verlangt eine sofortige Erläuterung, um möglicherweise auftauchende Unklarheiten zu vermeiden. Ich lasse Herkunft und Entwicklung des Wortes außer acht, denn beide sind hinreichend bekannt und fehlen in keiner Arbeit, die diesem Thema gewidmet ist. Die Klippe taucht vor uns auf, wenn wir uns mit der jüngsten Bedeutung des Begriffes auseinandersetzen. Unter Humor versteht man heute eine Lebensauffassung und eine philosophische Einstellung - zugleich ist er ein literarisches Phänomen. Über den Humor und das Humoristische ist viel Tinte vergossen worden, und zweifellos wird auch weiterhin Tinte vergossen werden. Aber in der Fülle all dieser Definitionen und Hypothesen springt ein Phänomen ins Auge, das nicht unbemerkt bleiben darf: die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis.^ Diese Nicht-Übereinstimmung wird sichtbar, wenn man die Stellung des Humors innerhalb des Komischen genau untersucht. Für den größten Teil der Theoretiker kann der Humor

- und seine literarische Ausdrucksform, der "humorismo", - offensichtlich niemals mit dem Komischen sinnverwandt sein, auch wenn er - und dies scheint man gelegentlich wiederwillig zugegeben zu haben - etwas damit zu tun hat. Es werden Anstrengungen unternommen, ihn von allem zu trennen, was ihm verwandt ist, ihn aller nebensächlichen Elemente zu entkleiden und ihn nur noch als Gerippe seines Wesens bestehen zu lassen. Die Verfechter dieses sterilisierten Humors sehen sich bei der Auseinandersetzung mit humoristischen Werken jedoch gezwungen, auf jene verwandten Gattungen zurückzugreifen, die sie vorher verbannt und ausgeklammert haben, und so finden wir Kommentare, die gespickt sind mit Ausdrücken wie "beißende Ironie", "geistreiche Satire", "Scherz", "Komik", "lebhafter Witz" etc. Damit soll nicht gesagt werden, daß ich zugebe, Humor und Komik seien gleichbedeutend, oder daß ich diese Behauptung verteidige. Aber ich behaupte, daß diesen beiden Begriffen in der Praxis fast die gleiche Bedeutung zukommt. Von denjenigen, die die Theorien vom "reinen Humor" verteidigen und akzeptieren, erstaunt es die meisten überhaupt nicht, wenn sie beim Kommentieren von Werken Begriffe finden, die - theoretisch - nur satirische oder einfach komische Zusammenhänge bezeichnen. Obwohl Quevedo, den Normen nach, niemals ein Humorist sein könnte, da ihn die Bitterkeit seiner Satire von der zarten Gemütsbewegung und menschlichen Sympathie, die dem reinen Humor eigen sind, sehr weit entfernen, hält es doch niemand für Ketzerei, wenn Kritiker und Kenner vom "Humor Quevedos" sprechen. Das gleiche geschieht mit Hunderten von Werken, Prologen und Kommentaren über Autoren der spanischen Literatur. Man spricht hier mit Selbstverständlichkeit vom Humor des "gracioso" vom Humor bei Arcipreste de Hita, bei den Personen Tirsos, vom Humor bei Berceo etc.2 Schon Wenceslao Fernändez Florez und Julio Casares hatten dazu warnend die Stimme erhoben: "Para todo este inmenso püblico, en el gue entran doctos e ignaros, las fronteras del humor son elasticas y 2

difusas. Dentro de ellas meten, como en saco de trapero, los productos más heterogéneos, los chistes, el sarcasmo, las payasadas, la ironía, un libro de Quevedo, y ^ una salida de cualquier excéntrico de circo" Soweit Fernández Florez. Casares äußert mehr oder weniger dasselbe, wenn auch nüchterner: "Aún subsiste una lamentable confusión de conceptos entre lo simplemente cómico o festivo, lo irónico, lo sa-^ tírico y lo específicamente humorístico" Das ist richtig. Aber man darf nicht vergessen, daß, solange beim "breiten Publikum" keine klaren Vorstellungen über das, was "speziell humoristisch" ist, bestehen, die Begriffe auch weiterhin, wie bisher, ohne große Genauigkeit angewendet und die Termini Humor und Komik (und verwandte Begriffe) ohne Unterschied benutzt werden, besonders, wenn es darum geht, allgemeine und globale Urteile abzugeben. Mit all diesen Überlegungen will ich den Titel meiner Arbeit rechtfertigen, in der ich unter der Uberschrift "Humor im Werk Calderóns" den Begriff in seinem "unreinen", aber auch in seinem weitesten Sinn verwende. Mit anderen Worten: Ich werde das humoristisch-komische Element im Werk Calderóns behandeln, ohne eine der Quellen auszulassen, deren sich der Dichter bedient, um Komik oder Humor auszudrücken, sei es Ironie, Satire, Witz oder Scherz. Das Komische ist ein menschliches - und ein ganz besonders soziales - Phänomen. Ohne den Kontakt zu anderen entsteht keine Komik. Sie kann natürlich oder künstlich (im Sinne von herausgearbeitet, bestimmten Regeln folgend) sein. Die Grenzen zwischen dem Künstlichen und dem Spontanen sind schwer zu ziehen. Die improvisierten Witze von Menschen, die "natürliche Anmut", "Geist" besitzen, verraten nach gründlicher Analyse eine Methode, die bestimmten, angelernten Gesetzen entspricht. Der Humor eines Berufsautors, der den Anspruch erhebt Künstler zu sein, entpuppt sich bisweilen als primitiv und gewöhnlich, ohne alles Kunstvolle. Das Phänomen des Komischen ist äußerst vielschichtig und entzieht sich einer Definition. Es ist entmutigend, daß jede Arbeit, die dieses Thema berührt, mit einer 3

ähnlichen Feststellung beginnen muß. Bis heute gibt es noch keine systematische Koordinierung der verschiedenen und zahlreichen Abhandlungen, die in der einen oder anderen Form den Versuch unternahmen, das Wesen und die Funktionsweise der Komik zu erhellen. Man könnte in Anlehnung an einen derzeit vielzitierten Verfasser von Büchern über Sexualaufklärung sagen "Der Humor, das unbekannte Wesen". Damit meine ich, daß es sehr schwierig ist eine Methode zu finden, mit der man den Humor bei einem Dichter erforschen kann. Das Phänomen des Komischen und des Humors ist, trotz aller Bemühungen, nur bruchstückhaft erforscht. Das Komische ist jedoch "da", und seine Wirkungen sind zu sehen: das Lachen, stark, spontan, sichtbar, oder auch verhalten, schüchtern, wie seine Schwester, das Lächeln, das ebenfalls verschiedene Eigenschaften besitzt. So wie das ästhetische Gefühl Detektor der Poesie ist5, ist das Lachen Detektor des Komischen. Das ästhetische Gefühl ist allerdings schwieriger zu bestimmen, es erstreckt sich auf viele Bereiche, seine Grenzen sind ungenauer, und es zeigt sich in einer wenig spektakulären Weise, während das Lachen unverwechselbar ist. Das Lachen erscheint ganz offen (wenn man es nicht bewußt verstecken will) und gedeiht nur im Bereich des Komischen (hierbei schließe ich natürlich das rein physiologische Lächeln aus, das als Folge einer Reizung der Nerven entsteht). Das Lachen ist übrigens viel allumfassender, demokratischer. Das ästhetische Gefühl ist fast immer - bei allen Einwänden, die diese Behauptung hervorrufen mag - ein Privileg kultivierter Menschen. Man kann z. B. nicht die ästhetischen Gefühle eines Gustavo Adolfo Bequers mit denen eines Bäckers in seiner Straße vergleichen. Aber ebensowenig kann man behaupten, daß Bequer mehr gelacht hat als der Bäcker, und wenn er es tatsächlich getan hätte, dann aufgrund seines Charakters und nicht seiner Bildung. Dazu sei gesagt, daß das Lachen in bestimmten Epochen und Kulturen bei den oberen Schichten verpönt war. "To my mind there is nothing so illiberal and so ill-bred as audible laughter" sagt Lord Chesterfield in "Advice to his son". Daher kommt es auch, daß für die klassischen Theoretiker der Literatur die Komödie notwendigerweise Leute aus dem Volk zeigen mußte, weil sie die einzigen waren, die Lachen erzeugen 4

konnten, ohne deshalb die Gesetze ihres Standes zu verletzen. Diese Auffassung vom Lachen als Merkmal der sozial niederen Schichten ist sehr wichtig für das Verständnis des Humors in der Komödie des 17. Jahrhunderts, und besonders der Calderóns. Sie soll in den folgenden Kapiteln untersucht werden. Wir halten also fest, daß das Lachen das äußere und sichtbare Zeichen ist, durch das sich das Komische zeigt. Problematisch wird es, will man eine Methode finden, um zu seinen Ursachen, seinen Formen und seiner Absicht durchzudringen. Das Warum, das Wie und das Wozu eines komischen Phänomens. Der erste Punkt gehört zu einer tiefergreifenden Schicht. Eine gründlichere Untersuchung würde vom Thema der Arbeit abschweifen, denn das Komische müßte bis in seine Wurzeln erforscht werden und würde dabei aus dem Bereich der literarischen Kritik herausführen. Trotzdem kann man in gewissen Grenzen eine solche Untersuchung durchführen, indem man jedes komische Symptom im Werk des Dichters einzeln betrachtet und versucht, seine Ursachen zu ermitteln. Der zweite Punkt soll im Verlauf dieser Arbeit geklärt werden, wenn wir die Formen, in denen das Komische bei Calderón auftaucht, untersuchen. Dabei wird die klassische Einteilung: Komik der Charaktere, der Sprache und der Situationen mit all ihren Kreuz- und Berührungspunkten berücksichtigt. Der letzte Punkt verdient besondere Aufmerksamkeit, da er uns viel von der Persönlichkeit des Dichters erkennen läßt, uns zeigt, welche Absicht dieser verfolgte, als er an dieser oder jener Stelle eine humorvolle Szene in sein Werk einfügte. Man müßte untersuchen, welche Funktion und welchen Zweck das Lachen an einer bestimmten Stelle hat. Diese drei Punkte verbinden und ergänzen sich so, daß im Verlauf der Arbeit die Analyse dessen, was humorvoll ist, unter Berücksichtigung dieser Aspekte durchgeführt wird. Sie bezieht sich auf die konkrete Situation, besonders auf das komische 5

Phänomen - sei es ein bestimmtes Wortspiel oder eine erheiternde Situation. Eine Methode also, die von der Untersuchung konkreter komischer Begebenheiten im Werk Calderôns ausgeht. Eine Arbeit dieser Art stößt auf eine Reihe von Schwierigkeiten, die man sich von Anfang an vor Augen halten muß, und die man wie folgt zusammenfassen kann: Der Komik haftet ein historischer Charakter an - ihre Voraussetzungen variieren und sind immer der Gefahr ausgesetzt, an Aktualität zu verlieren. Das Komische ist eng mit den umgebenden Umständen verknüpft, die so unterschiedlich sind wie sich auch Sitten, Gebräuche, Kultur und vor allem historische Augenblicke je nach Epoche unterscheiden. Es ist einleuchtend, daß die Grundlagen, auf denen die komischen Vorgänge, die ein Dichter vor drei Jahrhunderten schilderte, basieren, nicht ihre Frische und Originalität bewahren können und wie vieles andere unter den zerstörenden Einflüssen der Zeit gelitten haben. In dieser Hinsicht am gefährdetsten ist die verbale Komik, die nach Jahrhunderten häufig nicht mehr in der Lage ist, ihren Auftrag, das Lächeln des Zuhörers hervorzulocken, zu erfüllen, sondern oft unverständlich bleibt oder, wenn verständlich, doch unverstanden. Die verbale Komik ist mehr als jede andere den historischen, sozialen und geographischen Gesetzen unterworfen, die die Welt formen, in der sie sich entwickelt. Ihr Spielraum ist meist sehr eng und beschränkt sich auf eine kleine soziale Gruppe oder sogar nur auf eine Familie, die mit den Umständen eines bestimmten Augenblickes verflochten ist und als einzige die nötige Aufnahmefähigkeit besitzt, das Komische in einer bestimmten Situation zu erfassen. Hier geht man von bestimmten Voraussetzungen aus, die den Ausgangspunkt für das Spiel der Substitutionen bilden, die verbale Komik hervorrufen. Diese Prämissen werden nicht ausdrücklich genannt, denn sie sind allen bekannt. Durch sie wird die komische Wirkung aufgezeigt, die sonst verborgen bliebe. Der schwarze Humor in der Szene, in der der Henker im "Buscon" die 6

"Pasteies de a cuatro" mit einem Weihwedel segnet, wäre nicht so wirkungsvoll, wenn man nichts von dem Skandal wüßte, den es zu jener Zeit in Madrid gab, als man das Fleisch von Toten in den Kuchen "de cuatro reales" fand, ein Zwischenfall, der damals jedem frisch im Gedächtnis haftete. Im Gegensatz dazu hat das Komische in der Mimik, in Gesten und Bewegungen universellere und bleibendere Postulate. Menschen lachen seit undenklichen Zeiten über die gleichen Dinge, sei es über plumpes bäurisches Verhalten, über gekünstelte Gesten, über die Sahnetorte, die einem armen Mann an den Kopf fliegt, und Uber den eifersüchtigen Ehemann, der den Geliebten seiner Frau im Kleiderschrank versteckt findet. Trotzdem macht sich der Lauf der Zeit bei dieser Art Komik bemerkbar. Die Empfindlichkeit der "Empfänger" hat sich verändert, weil die Umgebung, in diesem Fall die historischen Umstände, anders geworden ist. Die Neckereien, deren Opfer Pablillos am Abend seiner Aufnahme in die Universität wurde, mögen das Lachen der Zeitgenossen hervorgerufen haben; bei den meisten von uns verhindert einerseits das Gefühl des Mitleids und andererseits das Gefühl der Entrüstung und des Abscheus, daß sich eine ähnliche Wirkung wie damals einstellt. Ähnlich ist es mit der Wiederholung gewisser komischer Tricks, die das Goldene Zeitalter verwandte und die "das Publikum ergötzten, die uns heute jedoch einfach ermüden. Es gibt natürlich gewisse Formen des Komischen, gewisse Vorgänge, die nicht veralten, und die den modernen Betrachter mit der gleichen Klarheit ansprechen, mit der sie den Zuschauer früher ansprachen. Der Wert des Komischen in einem Werk muß also in dem Maße gemessen werden, in dem die Frische seiner Formen erhalten bleibt, in dem diese Formen universal sind und die Kraft haben, sich an alle zu wenden und sich über die Grenzen von Zeit und Raum hinwegzusetzen.

7

Damit komme ich zu folgendem Punkt: Die Analyse calderonianischen Humors ist mit der Mentalität eines Lesers des 20. Jahrhunderts durchgeführt und unterliegt daher dem Einfluß einer ganz anderen Reaktion als sie es bei einem zeitgenössischen Zuschauer täte. Sie ist nicht nur eine Untersuchung, sondern eine Art "Test", in dem versucht werden soll, die Dauerhaftigkeit einiger komischer Formen, ihren unvergänglichen Wert oder die Vergänglichkeit einiger ihrer Handlungsweisen aufzuzeigen. Dieser frische Hauch der modernen Interpretation ist für das Werk eines Dichters sehr begrüßenswert, auch wenn man von vornherein weiß, daß diese Interpretation zum Veralten verurteilt sein könnte. Hierdurch werden jedoch noch einige Steine mehr im Steinbruch gefunden, die bis dahin unentdeckt waren, und es wird vielleicht ein besseres Verständnis des Werkes erreicht, das uns wiederum mehr Einsicht schenkt, nicht nur in den Dichter oder die Mentalität der Epoche, sondern auch in uns selbst und unsere Reaktionen Erscheinungen gegenüber, die sich in einem Raum abspielen, der sich von dem unsrigen sehr unterscheidet. Kehrt man zum Ausgangspunkt zurück, so läßt sich folgende Zusammenfassung geben: Der Begriff Humor umfaßt für mich die weite Skala alles Komischen und "Humoristischen" im calderonianischen Theater. Diese Facetten werden mit der Mentalität eines modernen Zuschauers analysiert, ohne daß deswegen eine Analyse der historischen Komik dieses Theaters unterbleibt. Aus meiner Arbeit klammere ich die Figur des "gracioso" aus; eine Erklärung hierfür werde ich im späteren Verlauf der Arbeit geben. In bezug auf das calderonianische Werk beschränkt sich die Analyse auf diejenigen Theaterstücke, die sich ihrer Natur nach besser für die Absichten dieser Dissertation anbieten, d. h. auf die Komödien. Das soll nicht heißen, daß die Dramen Calderöns, von der Figur des "gracioso" abgesehen, keine humoristischen Elemente enthalten. Diese sind aber sehr 8

viel seltener, und die Zeit, die auf eine Untersuchung der großen Zahl von Dramen und "Autos Sacramentales" verwandt würde, entspräche nicht den Ergebnissen.

2. Das Komische im Theater. Die Eigentümlichkeit der spanischen "Comedia". Bisher haben wir von Humor und Komik im allgemeinen gesprochen; in dieser Arbeit haben wir es jedoch mit einer besonderen Form zu tun: mit dem Komischen innerhalb des Dramatischen. Damit kommen wir zu der literarischen Gattung, die sich Komödie nennt, und die die adäquate Verwirklichung des Komischen im Drama darstellt. Obwohl die dramatische Gattung dank ihrer Nähe zur menschlichen Wirklichkeit ein fruchtbares Feld für die Entwicklung der Komik ist, hat sie doch gewisse Schwierigkeiten, sich in einer größeren und geschlosseneren Form herauszubilden, als es bei einem dramatischen Werk der Fall ist. Es ist durchaus möglich, ein Werk mit komischen Elementen zu füllen, jedoch schwer zu erreichen, daß das Komische das ganze Werk ausmacht, sozusagen aus ihm entsteht.^ Dazu muß sich die Komödie derselben Mittel bedienen, die auch in anderen dramatischen Gattungen benutzt werden, und je nach ihrer Beschaffenheit teilt man auch die Komödie in verschiedene Typen ein. Eine Definition der Komödie kann von vielen Seiten ausgehen. Jede Definition enthält einen Teil Wahrheit, behandelt aber ihre Absichten und Möglichkeiten nicht erschöpfend. Die Komödie ist, wie das Lachen selbst, sehr vielschichtig und hat viele Aspekte. Man kann sie durch Negation definieren, wenn man von dem ausgeht, was sie nicht ist. In diesem Fall als Gegenstück zur Tragödie. Man kann auch ihre Absichten interpretieren, wie es die Real Academia macht: "Sie hat häufig zum Ziel, die Sitten und Gebräuche zu ändern, indem sie die Irrtümer, Fehler oder Überspanntheiten der Menschen ausmalt", eine Behauptung, über die man streiten könnte, denn nicht immer ist es Aufgabe der Komödie, die menschliche Unvollkommenheit zu beurteilen. Ebenso beschreibt man sie als dramatische Form ei9

nes scheinbaren Konflikts, der sich mit einem Gefühl fröhlicher Überlegenheit über die menschlichen Schwächen löst, nachdem sie die Scheinwerte und die Unvollkommenheit des Lebens aufgedeckt hat. 7 Trotzdem gibt es einige Elemente, die alle Definitionen der Komödie gemeinsam haben müssen: vor allem, daß sie eine dramatische Gattung ist, die Komik enthält, also ein "komisches Drama". Der glückliche Ausgang ist ebenfalls eines der Grundelemente. Das komische Drama mit tragischem Schluß gehört schon einer Mischgattung an: der Tragikomödie. Die unterschiedlichen Formen, in denen dieses komische Drama seinen Ausdruck finden kann, bilden die verschiedenen Arten der Komödie. Jede Epoche, und in ihr jeder Kritiker, hat eigene Methoden und individuelle Gesichtspunkte der Klassifizierung. Eine Einteilung, die schon klassisch, aber unglücklicherweise ein wenig ungenau ist und die viele wesentliche Aspekte unberücksichtigt läßt, ist die der "Charakterkomödie" und des "Intrigenstücks". Wolfgang Kayser fügt in seiner Arbeit "Das sprachliche Kunstwerk" noch einen weiteren Aspekt hinzu: die Sittenkomödie . 8 Man kann die Komödie nach ihrer Wirkung einordnen und nach der 9 vorherrschenden Grundstimmung. So macht es Gero von Wilpert . Er unterscheidet einmal die Situationskomödie und die Charakterkomödie, und zum anderen die ironische, satirische und humoristische Komödie. Die Kritiker deutscher Sprache haben sich häufig mit dem Problem der Klassifizierung dramatischer Gattungen - und innerhalb derer der Komödien - beschäftigt. Ihnen bietet schon die Sprache terminologische Unterschiede an, die ihnen die Arbeit erleichtern. Ich meine hiermit die Unterscheidung zwischen Komödie und Lustspiel, die man nicht in jeder Sprache findet. Dies bringt andererseits auch Schwierigkeiten mit sich, da einige Autoren verschiedener Meinung sind über das, was als Komödie oder als Lustspiel zu bezeichnen ist. Aus den Arbeiten deutscher Kritiker10 sei ein ausführlicher Artikel von 0. Rom10

mel mit dem Titel "Komik und Lustspieltheorie" angeführt. Dies ist der ernsthafte Versuch einer Klassifizierung^, der von vornherein von einer Teilung zwischen Komödie und Lustspiel ausgeht. Beide unterliegen verschiedenen Auffassungen des Komischen. An erster Stelle analysiert Rommel die "Komik der Unzulänglichkeit" und des "absteigenden Kontrastes". Diese Komik entsteht, wenn man bemerkt, daß jemand vollkommen vor Erfordernissen oder Situationen versagt, von denen allgemein angenommen wird, daß sie universelle Gültigkeit haben. Das Lachen, das durch dieses Versagen hervorgerufen wird, ist gleichzeitig der Ausdruck eines Überlegenheitsgefühls in bezug auf die Unvollkommenheit der anderen. Bei dieser Art der Komik ist die "komische Figur" zentral und äußerst wichtig, da sie es ist, die die erheiternde Wirkung hervorruft. Wird dies auf das Theater übertragen, so haben wir die Komödie. Als Kern und Ursprung der Komödie führt Rommel den griechischen Mimen an, der in seiner späteren Entwicklung Übergangsformen, wie z. B. die "Entremeses" (Zwischenspiele) durchläuft, um schließlich zu der vollendeten Form der Komödien Moliéres zu gelangen. Die Grundlage des Lustspiels liegt für Rommel in der Komik des Übermutes, des heiter-überlegenen Spiels. Diese Komik entsteht aus Kraftüberschwang und Lebensfreude. Die subjektive Stimmung, die durch Freude am Spiel - das wiederum eine gewisse Überlegenheit erzeugt - hervorgerufen wird, ist die Grundlage des Lustspiels. Seine ursprüngliche Form findet man in den Tiraden des "gracioso", der nicht komisch wirkt durch das, was er tüt, sondern durch das, was er sagt. Seine vollkommenste Ausprägung erfährt es in den humoristischen "buffoons" Shakespeares und den für die spanische Komödie typischen "gaciosos". Sie repräsentieren eine Komik, die stark vom Humor durchdrungen ist und sich auf das Spiel von Witz und Geist stützt. Die Komödie dagegen neigt dazu, die satirischen Züge einer Figur oder Situation hervorzuheben; sie enthält, trotz des Lachens, das sie hervorruft, einen Schuß Bitterkeit. Das Lustspiel zeigt die Problematik des Lebens im Licht einer unbekümmerten Heiterkeit, aus einem Blickwinkel heraus, in dem man 11

über den Gefühlen zu stehen glaubt. Das ganze Lustspiel wird vom Gefühl des Humors getragen. Das sind die hauptsächlichen Unterschiede. Hinzu kommen feinere. Komödie und Lustspiel werden, je nach der Stellung des Dichters, seinen Beziehungen zur Umwelt und seiner Art, die Welt zu sehen, unterteilt. So entstehen verschiedene Typen von Komödien und Lustspielen, die man wiederum in zwei Untergruppen einteilen kann; die Komödie in die pseudorealistische und die groteske Komödie, das Lustspiel in der humoristische und das Gesellschaftsstück. Innerhalb der pseudorealistischen Komödie gibt es die volkstümliche Posse und das Volksstück, die Gesellschafts- und Umweltkomödie ("Les précieuses ridicules"), die Standeskomödie und die Charakterkomödie. Zur Gruppe der grotesken Komödien gehören die Puppenkomödie, die Aristophanische Komödie, die Parodie, die Verwechslungs- und Verkleidungskomödie. Zur Gruppe der Humorspiele gehören die phantastischen Lustspiele (Shakespeares Sommernachtstraum), das historische Lustspiel (Kleists Amphitryon), das Problemspiel (einige Farcen Goethes), das romaneske Intrigenlustspiel (hierzu gehören fast alle spanischen Mantel- und Degenstücke und einige Stücke Shakespeares), und Stücke, die das Thema "Theater auf dem Theater" behandeln (Pirandello). In der Untergruppe der Gesellschaftskomödien finden sich die Familienromanlustspiele, Konversationslustspiele (Oscar Wilde, "El secrete a voces" von Calderón) und Thesen- und Diskussionsspiele (viele Stücke Bernhard Shaws). Die Klassifizierung Rommels ist hier von Interesse, soweit sie die spanische "Comedia" betrifft. So wird sichtbar, welchen Platz diese in dem bunten Mosaik der Weltkomödie einnimmt. Sie gehört vor allem zur Kategorie der Lustspiele, d. h. der Dichter nimmt keinen persönlichen Anteil an einer Sache, wie es bei der Komödie im engeren Sinne geschieht, sondern stellt sich fröhlich und unbeschwert über die Probleme. Außerdem gehört sie zur Kategorie der humoristischen Stücke, und zwar derjenigen, durch die sich als roter Faden eine Reihe von In12

trigen und romanhaften Situationen zieht.

12

Damit kommen wir zu dem Gebiet, das uns in Wirklichkeit interessiert, d. h. zur spanischen Komödie und ihre wesentlichsten Merkmale. Das erste Hindernis, über das ein Forscher bei der Untersuchung des spanischen Theaters im Goldenen Zeitalter stolpert, ist die terminologische Unklarheit, die über das Wort Komödie im Spanischen besteht. Dieser Begriff enthält soviele Nuancen und Bedeutungen, daß es zuweilen ohne vorhergehende terminologische Abgrenzung nur schwer zu erkennen ist, zu welcher Kategorie ein bestimmter dramatischer Typ gehört. Die Verwechslung begann in Spanien, als sich die dramatische Gattung herausbildete, die unter dem Namen "Comedia" - mit Ausnahme einiger minder bedeutenden Gattungen, den "entremeses" und den Autos Sacramentales - jede Art szenischer Darstellung verstand. Aus den dramatischen Versuchen der spanischen Literatur kristallisierte sich ein neues Gebilde heraus, dem Lope de Vega feste Regeln und Gesetze gab, und das "Comedia" genannt wurde. Der Begriff ist im Spanischen doppelten Ursprungs: aus dem Italienischen und dem Lateinischen. Der Margues de Santillana 13 übernahm ihn aus dem Italienischen und verwendete ihn im gleichen Sinne wie Dante. Die kastilischen Humanisten des 16. Jahrhunderts entlehnten ihn wiederum dem Lateinischen, aber nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung, sondern in der mittelalterlichen Auffassung, wobei unter anderem eines seiner 14 wesentlichsten Elemente, nämlich das Komische, verlorenging. Beim Theater des Goldenen Zeitalters verwendet man also einen ungenauen Begriff, um eine Gattung zu bezeichnen, die - obwohl nicht ungenau - nicht in den klassischen Katalog der literarischen Gattungen einzuordnen war. Man kann im spanischen Theater nicht von der reinen Tragödie sprechen (mit Ausnahme einiger Versuche des 16. und 17. Jahrhunderts, als man eine Kon13

zeption sehr "sui generis" von der Tragödie entwickelte, die von Seneca abgeleitet und voller Schauerlichkeiten war), und genausowenig von der reinen Komödie. Die Dramatiker und Kritiker jener Zeit verfügten über andere Kriterien, um Theaterstücke zu klassifizieren; sie taten es mehr oder weniger nach dem Inhalt oder danach, wie das Stück in Szene gesetzt wurde. So entwickelten sich die "comedias de capa y espada", "comedias de santos", "comedias de tramoya" etc. Was unterscheidet nun im 17. Jahrhundert das spanische Theater auf den ersten Blick von dem Theater der übrigen Länder? Erinnern wir uns an Lope de Vega, der sagt: Verdad es que yo he escrito algunas veces siguiendo el arte que conocen pocos; más luego que salir por otra parte veo los monstruos de apariencias llenos, adonde acude el vulgo y las mujeres, que este triste ejercicio canonizan, a aquel hábito bárbaro me vuelvo; y cuando he de escribir una comedia, encierro los preceptos con seis llaves; saco a Terencio y Plauto de mi estudio, para que no me den voces; que suele dar gritos la verdad en libros mudos; y escribo por el arte que inventaron los que el vulgar aplauso pretendieren; porque, como la paga el vulgo, es justo hablarle en necio para darle gusto. Zunächst haben wir hier den beabsichtigten Bruch mit den Normen, um dem einfachen Volk zu gefallen. Es ist klar, daß der Satz "hablar en necio al vulgo" nicht wörtlich zu verstehen ist. Darin steckt viel Ironie, aber trotzdem darf man nicht darüber hinwegsehen, daß die Absicht, dem Volk, der Masse, und nicht nur einer sozialen Minderheit, zu gefallen, eines der wesentlichsten Merkmale des spanischen Theaters ist. Das führt dazu, daß das Theater des Goldenen Zeitalters aufs innigste mit den Sehnsüchten des Volkes verbunden und von volkstümlichem Geist durchdrungen ist, aber andererseits mit seinem hohen Niveau dazu beigetragen hat, das künstlerische Empfinden und Bewußtsein des Volkes zu heben, und es daran gewöhnte, an •auserlesener und verfeinerter Kunst Gefallen zu finden. Daher 14

rührt es, daß das spanische Publikum des 17. Jahrhunderts, das sich mehr als jedes andere am Theater begeisterte, durch dieses Theater kultiviert wurde, auch wenn es weiterhin analphabetisch blieb. Kehren wir indessen zu Lope de Vega zurück. Diese Identifikation mit dem Volk, dieser Wunsch, ihm zu gefallen, ist in vielen anderen Passagen der "Arte Nuevo" zu bemerken. Als Beispiel mögen folgende Ausschnitte dienen: Si pedís parecer de los que ahora están en posesión, y que es forzoso que el vulgo con sus leyes establezca la vil quimera deste monstruo cómico, diré el que tengo, y perdonad, pues debo obedecer a quien mandarme puede, que dorando el error del vulgo, quiero deciros de que modo las querría, ya que seguir el arte no hay remedio, y en estos dos extremos dando un medio Quede muy pocas veces el teatro sin personas que hable, porque el vulgo en aquellas distancias se inquieta Las damas no desdigan de su nombre; y si mudaren trajes, sea de modo que pueda perdonarse, porque suele el disfraz varonil agradar mucho. Siempre el hablar equívoco ha tenido y aquella incertidumbre anfibológica gran lugar el el vulgo, porque piensa que él sólo entiende lo que el otro dice. Más ninguno de todos llamar puedo más bárbaro que yo, pues contra el arte me atrevo a dar preceptos, y me dejo llevar de la vulgar corriente. Diese Tendenz, Theater für alle zu machen und dabei das Volk nicht auszuschließen, sondern sich im Gegenteil in erster Linie an das Volk zu wenden, trifft ganz allgemein für das Theater des 17. Jahrhunderts zu, auch für so erlesene Dramen wie jene Calderóns. Seine Autos Sacramentales, die dramatische Gattung, auf die Calderón die größte Sorgfalt und theologische Gründlichkeit verwandte, wurden von allen Madridern besucht 15

und zu einem nationalen Fest. Ein anderes wesentliches Merkmal der spanischen Komödie, das dem spanischen Theater Einmaligkeit verleiht und es von den übrigen unterscheidet, findet ebenfalls in der "Arte Nuevo" von Lope seinen Ausdruck: Lo trágico y lo cómico mezclado, y Terencio con Séneca, aunque sea como otro minotauro de Pasifae, harán grave una parte, otra ridicula; que aquesta variedad deleita mucho. Buen ejemplo nos da Naturaleza, que por tal variedad tiene belleza. Die Mischung von Tragischem und Komischem also ist die neue Zutat, die der spanischen Komödie Würze verleiht. Rein technisch handelt es sich Um die Einführung des "gracioso", denn es ist seine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß sich diese beiden Elemente dank seines Eingreifens selbst in den dramatischsten Augenblicken vermischen. Auch das Theater Shakespeares nutzt diese Verschmelzung der Elemente, jedoch nicht so systematisch wie das spanische Theater. Die Figur des "gracioso", wieder ein Zugeständnis an das Volk, ist Bestandteil jeder spanischen Comedia, sie unterliegt festen Regeln und wird sehr systematisch eingesetzt. Welche Konsequenzen haben nun diese beiden Besonderheiten des spanischen Theaters? Da man sich hauptsächlich an das Volk wendet, müssen die in den Stücken dargestellten Probleme relativ konservativ gelöst werden. Die spanischen Dramen haben keine für jene Zeit fortschrittliche, sozusagen avantgardistische Ideologie als Grundlage. Lope identifiziert sich genauso mit dem Volk, wie dieses sich mit dem Theater Lopes identifiziert, aber der Dichter hat es nicht nötig, es zu "erleuchten", ihm andere Perspektiven, die sich von denen, die es bis jetzt hatte, unterscheiden, anzubieten, es mit Problemen zu konfrontieren, die es bisher noch gar nicht bemerkt hatte, es mit anderen geistigen Strömungen bekannt zu machen. Lope beschränkt sich darauf, dem Volk das zu bieten, was es hören 16

will, und so umspielt er es mit einer süßen Melodie aus traditionellen, patriotischen, historisch-heldenhaften, aber auch romantischen, abenteuerlichen und leidenschaftlichen Elementen. Das Volk fand für einige Stunden Zuflucht in der strahlendsten und faszinierendsten aller Welten, in einer "Comedia", die künstlerische Qualitäten ersten Ranges besaß, die gelegentlich in einer außergewöhnlichen dramatischen Technik dargeboten wurde, und deren Schluß immer ein Loblied auf die gültige Ordnung war und dazu beitrug, die Vorstellungen zu vertiefen, die die Menschen damals von ihrer Welt hatten. Die zweite Besonderheit, die Verschmelzung von Komischem und Tragischem, hat dazu geführt, daß es in Spanien keine "reinen" Gattungen gibt, weder Tragödien im eigentlichen Sinn noch Komödien klassischen Typs. Trotzdem haben wir vorher von der "Comedia" im Sinne des komischen Dramas gesprochen, und wenn im Verlauf der Arbeit von den Comedias Calder6ns die Rede ist, verwenden wir das Wort in seiner modernen Bedeutung. Worauf stützen wir uns hierbei? Auch wenn wir uns darüber im klaren sind, daß es in Spanien die "reine" Komödie nicht gibt, daß wir dort keinen Plautus, Terenz oder Moliere finden, sagt uns doch ein erster Blick, daß zwischen dem "Medico de su honra" und "La dama duende" ein großer Unterschied besteht, auch wenn die Personen in beiden Comedias von gleichem Adel sind, wenn der "gracioso" die Zuschauer mit seinen Witzen unterhält, und wenn hier wie auch dort viel von der Ehre die Rede ist. Valvuena Briones macht in seinem tas" Calderons einen Unterschied der nicht nur auf diesen Dichter jeden anderen Autor des Theaters buena unterscheidet nach der Art

Vorwort zu den "Obras Complezwischen Komödie und Drama, zutrifft, sondern auch auf im Goldenen Zeitalter. Valder dargestellten Ereignisse:

"Comedia es una pieza de teatro en tres actos, en

la que los hechos gue figuran suponen una Vision

17

esquemática y superficial, y cuyo desenlace es feliz Dramas serán aquellas piezas teatrales, en tres jornadas, en las que los hechos narrados poseen una importancia y trascendencia, alternando los sucesos graves y los cómicos, y cuyo desenlace , ß suele ser trágico." Die schematische und oberflächliche Betrachtungsweise und die mangelnde Tiefe des Geschehens sind für Valbuena der entscheidende Punkt, der "Comedia" und Drama voneinander trennt. Hinzu kommt der glückliche Ausgang, der allerdings auch im Drama gegeben sein kann, dort jedoch nur von nebensächlicher Bedeutung ist. Es ist erstaunlich, daB niemand das komische Element bemerkt, von dem ein ganzes Stück - auch ohne "gracioso" - durchzogen sein kann, und daß dieses Element nicht als Unterscheidungsmerkmal angesehen wird. Es gibt viele Mantel- und Degenstücke, die vom Thema her "ohne tiefere Bedeutung" sind und glücklich ausgehen, und die doch niemals als komische Dramen angesehen werden könnten. Und es gibt wiederum andere, in denen das Komische und der Humor die Motoren sind, die die Intrige im ganzen Stück vorantreiben. Denken wir an "Don Gil de las calzas verdes" oder "El anzuelo de Fenisa". Damit will ich sagen, daß ich jene Theaterstücke als komisch behandeln werde, die nicht nur ein glückliches Ende haben und das Geschehen von einer scheinbar unproblematischen (ich würde nicht sagen "oberflächlichen") Sicht her zeigen, sondern vor allem diejenigen, die - nicht nur durch das Auftreten des "gracioso", sondern auch durch die übrigen Personen und die Struktur der dramatischen Situationen - eine komische Wirkung hervorrufen können. Es soll jetzt versucht werden, einige der charakteristischen Merkmale der spanischen Komödie des 17. Jahrhunderts herauszustellen: 1. Von ihrer Struktur her ist die spanische Komödie hauptsächlich eine Situationskomödie. Die Hauptwirkungen werden 18

durch die Handlung erreicht, durch die Intrige, die, je verworrener sie ist, desto mehr zum Erfolg des Stückes beiträgt. Darin erreichen die spanischen Komödiendichter eine unvergleichliche Meisterschaft. Die Technik wird von Dichter zu Dichter vollkommener, und bei manchem sogar von Werk zu Werk. Daraus ergibt sich natürlich die immer wieder betonte und vieldiskutierte Nachlässigkeit im Zeichnen der einzelnen Charaktere; die Personen - so wird häufig wiederholt - werden in vielen Fällen zu Typen und können gegeneinander ausgetauscht werden. Es ist ganz klar, daß das spanische Theater nicht von Tartuffes, Harpagons und anderen Gestalten dieser Ausprägung wimmelt. Das ist verständlich durch die besondere Struktur des spanischen Theaters, in der sich eine Person immer erst durch ihr Handeln zeigt. Die dramatische Spannung entsteht in den meisten Fällen durch Konfrontation der Personen mit unerwarteten Situationen, und die komische Entspannung, das Lachen, rührt von der unangemessenen (übermäßigen oder nicht ausreichenden) Reaktion der Person auf die Situation her. Um auf den Begriff Rommels zurückzukommen, ist es nicht die "komische Figur", die das Komische fördert, sondern die Intrige, die die Personen zwingt, Haltung einzunehmen, und diese Haltung hat dann die dramatische oder komische Wirkung. 2. In bezug auf ihren Inhalt wird die spanische Komödie durch eine gewisse Beschränkung charakterisiert, die sich in folgenden Punkten zeigt: a) Das amourös-eheliche Element ist der Kern, um den sich die ganze Intrige dreht. Als zweite Komponente dieses Kerns müssen die Probleme der Ehre genannt werden, die bei vielen Dichtern eine große Rolle spielen, ganz besonders bei Calderón. Das zentrale Thema fast aller Komödien ist das Sichverlieben und die eheliche Verbindung einer Dame und eines Galans, die vor dem glücklichen Ausgang alle möglichen Zwischenfälle, die sich fast immer aus Verwechslungen ergeben, durchzustehen haben. 19

Dieses Thema wird mitunter variiert, aber immer nur innerhalb des gleichen Konzepts. So z. B. die Bemühungen und Ränke der Dama, um den Liebhaber zu erobern oder zurückzuerobern, wie in den Komödien "La dama duende" oder "Don Gil de las calzas Verdes". Nur wenige Komödien verlassen diesen Rahmen. Lope bietet in dieser Hinsicht viel mehr Abwechslung; Beweis dafür sind Komödien wie "El anzuelo de Fenisa" mit pikareskem Hintergrund oder "Los melindres de Beiisa". Obwohl dieses Stück mit einer Doppelhochzeit endet, ist nicht sie das wesentliche, sondern die Hauptfigur selbst, ihre Art und ihre Kunstgriffe, mit denen sie den Sklaven erobern will, den sie schließlich doch nicht heiratet. b) Es gibt wenig Abwechslung im sozialen Rahmen der Personen; mit einigen Ausnahmen sind es immer die gleichen. Denken wir an die Schauspieltruppen der damaligen Zeit und rufen wir uns die Hauptpersonen ins Gedächtnis: den Galan, die Dame, den Alten und den "gracioso". Diese Personen können mehrere Funktionen haben: so kann der Galan gleichzeitig der Freund des einen oder der Bruder der anderen sein. Das gleiche gilt für die Dame. Der Alte kann Vater oder König sein. Der "gracioso" hat manchmal die spaßige Dienerin als Gegenspielerin. Das läßt uns annehmen, daß schon der Konventionalismus der Szene und die vorhandenen theatertechnischen Bedingungen viele Dichter dazu zwangen, ihre Personen nach einem vorher festgelegten Schema zu schaffen. Die Notwendigkeit, Komödien für die Öffentlichkeit zu schreiben, d.h. dafür, daß sie sogleich aufgeführt wurden, hinderte den Dichter daran, sich Zeit zu nehmen und zu versuchen, neue Typen zu schaffen. Andererseits veranlaßte ihn der Erfolg der schon bestehenden Figuren dazu, sie in den Szenen immer wieder zu wiederholen. In der spanischen Komödie gibt es nicht viele Klassen, und nicht einmal innerhalb ein und derselben Klasse unterscheiden wir ihre Komponenten. Halten wir fest, daß

die Komödie gemeint ist, und nicht das Drama. Letzteres bietet aufgrund seiner thematischen Fülle ein abgerundeteres Bild, das aber nicht so wertvoll und authentisch ist wie das einer Sittenkomödie. Die Personen der spanischen Komödie sind Caballeros, Adlige oder Junker: immer die gleichen, oder doch fast immer die gleichen. Womit sie sich beschäftigen, erfährt man nur gelegentlich und nur, wenn es die Intrige erfordert, daß sie den Ort des Geschehens aufsuchen. Es ist fast immer das gleiche: entweder ziehen sie mit dem König oder einem berühmten Feldherrn in den Krieg, oder sie gehen an den Hof, um ein Amt zu übernehmen. Auch dies bedarf keiner weiteren Erklärung, denn für den Verlauf der Komödie ist es völlig uninteressant. In den Mantel- und Degenstücken tauchen keine Ärzte, Notare, Anwälte, Händler oder Richter auf. Auch keine professionellen Künstler wie Dichter, Musiker oder Maler. Oft geschieht es allerdings, daß die Caballeros Verse schmieden oder sich verkleiden (man erinnere sich an den "Maestro de danzar" oder "Marta la piadosa"), aber wirkliche Künstler erscheinen fast nie. Cervantes hat eine erstaunliche Reihe von Typen hinterlassen, die den verschiedensten sozialen Schichten angehörten. Die Welt der Komödie ignoriert sie, mit einigen Ausnahmen. Das gilt besonders für die untersten Schichten. Die Konflikte in der spanischen Komödie finden immer auf einer höheren Stufe, zwischen Caballeros und Damen, statt. Das niedrige Volk sieht sich in keiner Komödie in einer Hauptrolle. Es bleiben ihm nur zwei Möglichkeiten, durch die es sich dennoch selbst auf der Bühne sehen kann, die "Entremeses" und der "gracioso", häufig Sprachrohr des Volkes, aber gleichzeitig Handlanger, der die Klassentrennung noch deutlicher hervorhebt. c) Auch der Abglanz des ritterlichen Ideals trägt zur Be21

grenzung der spanischen Komödie bei. Wie schon erwähnt, müssen die Motive auf eine kleine Zahl reduziert werden. Die Hauptfiguren agieren in gehobenem Milieu; das führt dazu, daß sich die Gesetze der Komödie den in der adligen Gesellschaft herrschenden Normen anpassen. Damit werden die komischen Möglichkeiten eingeengt, da es nach diesen Gesetzen nicht möglich ist, in einem Stück einen Caballero als lächerliche Hauptperson zu zeigen. Auf der spanischen Bühne wäre eine Figur wie Falstaff nicht möglich. Da es dort andererseits keine andere Schicht als die Oberschicht gibt, wäre es genauso unmöglich, einen Monsieur Jourdain zu zeigen. Es ist wirklich zu bewundern, welche Mühe sich die Dichter des Goldenen Zeitalters gaben, um ihre Gestalten (von denen die meisten keine moralischen Mängel aufweisen) vor der Lächerlichkeit zu bewahren. Ein solcher Mangel, wenn es ihn überhaupt gibt, führt nämlich zu einer dramatischen, nicht aber zu einer komischen Entwicklung (Don Juan Tenorio, zum Beispiel). Man sollte beachten, daß sich die Helden Lopes in den Komödien sehr häufig der Welt des Pikaresken nähern, aber ihre Fehler gehen nie soweit, daß sie lächerlich wirken. Für das Verständnis dessen, was geschieht, müssen wir auf den städtischen oder höfischen Charakter der Komödie hinweisen. Die Stadt, der Hof sind der angemessene Rahmen. In dieser Atmosphäre erringt sie ihre größten Erfolge. Das ländliche Element verträgt sich schlecht mit dieser frivolen und nichts schwer nehmenden, eleganten und ein wenig verdrehten Welt der Komödie des 17. Jahrhunderts. Der Flekken, das Dorf haben den Stoff zu einigen der besten Dramen der spanischen Literatur geliefert ("Peribanez", "Fuenteovejuna", "El alcalde de Zalamea"), und der Bauer ist der einzige Vertreter der unteren Klassen, der die Ehre gehabt hat, in einem spanischen Theaterstück von Weltruf die Hauptrolle zu spielen. Wir müssen bedenken, daß diese Figur schon durch das kollektive Bewußtsein des 16. und 17. Jahr-

hunderts glorifiziert war. Die Reinheit seines Blutes, oder besser gesagt, seine Eigenschaft als "cristiano viejo", und die uralte Herkunft seines Berufes, alt wie die Menschheit selbst, verliehen dem Bauern einen gewissen geistigen Adel, den ein Gerichtsdiener oder ein Schneider niemals hätten erreichen können, da sie durch einen - in den Augen der anderen - unwürdigen Beruf befleckt waren. Wir müssen auch bedenken, daß die in den berühmten Komödien Lopes und Calderóns gezeigten Typen keineswegs törichte Bauern sind, die den Spott aller hervorriefen, sondern Privilegierte ihrer Klasse, wohlhabende, seriöse, angesehene Landwirte, die sich, bis auf den "Adelsbrief", in nichts von einem Caballero unterscheiden. Genauso wie die ländliche Umgebung nicht allzu häufig in der Komödie auftaucht, fehlt auch das phantastisch-abenteuerliche. Sicher gibt es genug Komödien, die sich vor diesem Hintergrund abspielen, denken wir vor allem an die fast romantischen Stücke Calderóns "El jardín de Falerina" , oder "La puente de Mantible", Stücke, die von Balbuena Briones als Komödien bezeichnet werden, die aber in Wirklichkeit, abgesehen von den Auftritten des "gracioso", in ihrem Verlauf nur wenig Komisches haben, auch wenn man einwenden könnte, daß sie keine sonderlichen Ambitionen auf Tiefgründigkeit in ihrer Handlung zeigen. Das Fehlen bedeutungsvoller Tiefe genügt nicht, sie im komischen Drama einzureihen. Auch der mythologische Rahmen ist kein geeignetes Gebiet für die spanische Komödie. Im spanischen Theater gibt es keine Parallele zum "Amphitryon" Molieres. Die mythologischen Themen wurden mit größerem Ernst behandelt und ließen einige Dramen großer Schönheit entstehen, wie zum Beispiel "El mayor encanto amor" oder "Eco y Narciso" von Calderón. 4. In ihren Beziehungen zur Gesellschaft fällt bei den meisten Komödien die geringe Bedeutung satirischer Elemente auf. Die spanische Komödie zeigt kein übermäßiges Interesse an 23

einer Kritik der Gesellschaft, in der sie spielt. Im Spanien des 17. Jahrhunderts haben wir es nicht in erster Linie mit satirischem Theater zu tun. Das Hauptanliegen des Dramatikers ist es nicht, die zeitgenössischen Sitten zu beurteilen, sondern durch Verwicklungen die Aufmerksamkeit hervorzurufen. Das Aufdecken von Unzulänglichkeiten der Gesellschaft ist nicht interessant genug, um auf der Bühne gezeigt zu werden. Hier und dort gibt es Versuche, die schwülstig daherredenden Frauen zu kritisieren, die in der gesamten damaligen Literatur erscheinen, besonders bei Quevedo, und die im Theater in "La Dama boba" von Lope und "No hay burlas con el amor" von Calderón verkörpert werden. Auch finden wir eine humoristische Behandlung des Aberglaubens in "La dama duende" von Calderón oder im "El encanto sin encanto", sowie eine gewisse Tendenz zum Kritisieren bei einigen Komödien Alarcóns, jedoch ohne das komische Element, das erst die Wirkung der Satire bekräftigt. Ganz allgemein kann man behaupten, daß diese satirische Strömung im spanischen Theater episodisch ist, von einigen Komödien Tirsos oder Lopes abgesehen. Natürlich fehlt nicht die altbekannte Kritik an den Frauen, den "dueñas", den Schneidern und den Ärzten, die schon Allgemeinplatz der spanischen Literatur ist. Wir hören sie aber immer nur aus dem Munde des "gracioso". Schließlich stellen wir fest, daß die Komödie von ihrer Ideologie her eher konservativ ist. Wir haben schon erwähnt, daß dies eine Eigenart des spanischen Theaters im allgemeinen ist, was aber nicht ausschließt, daß sie auch charakteristisch für die Komödie ist. Im Verlauf der Komödie hat es den Anschein, als wolle man alle Konventionen über den Haufen werfen; die Damen stürzen sich in die kühnsten und unwahrscheinlichsten Abenteuer, die Autorität des Vaters wird durch das Verhalten der Kinder auf die Probe gestellt, die Leidenschaften scheinen keine Grenzen mehr zu trennen und alles fortzuschwemmen - zum Schluß aber kehrt alles zur alten Ordnung zurück. Die Töchter heiraten. Der

Vater gewinnt seine so gefährdete Ehe und seine Autorität zurück. Diejenigen, die sieh von ihren Leidenschaften beherrschen ließen, beherrschen diese zum Schluß selbst mit fester Hand, und die, die es nicht schafften, kriegen keinen Partner oder nur einen unerwünschten Gefährten. Der König behält seine Würde und Majestät, obwohl sein Benehmen recht zweifelhaft war, und alle kehren auf ihren gewohnten Weg zurück, nachdem sie einen Abstecher in die Welt der Zufälle und des Abenteuers unternommen haben. Die Komödie läßt die Scheinwerfer einer Epoche hervortreten und greift sie mit der Waffe des Komischen und seiner Wirkung, dem Lachen, an. Auf dem Boden einer dekadenten Gesellschaft gedeiht die Komödie am besten. Hegel meint hierzu, daß das beste Gelände für die Komödie eine Welt sei, deren Absichten zerstört werden, weil ihnen eine feste Grundordnung fehlt. So könne sich ein demokratisches Volk z. B. mit seinen egoistischen und eitlen Bürgern nicht selbst befreien, sondern würde durch seine eigene Dummheit zerstört. Es ist überflüssig zu betonen, daß der Spanier seine Epoche nicht als dekadent empfindet. Er klammert sich noch zu sehr an seine geistigen und nationalen Werte, um überhaupt zu bemerken, was an ihnen fiktiv oder hinfällig sein könnte. Er ist nicht in der Lage, sich über sie lustig zu machen, geschweige denn, sie mittels der Satire anzugreifen. Noch hat er das bestehende Mißverhältnis zwischen den geltenden Werten und der Wirklichkeit nicht bemerkt. 6. Als letzte Besonderheit der spanischen Komödie sollen das Handeln und die Beteiligung des "gracioso" erwähnt werden. Jener spielt, obwohl er in jedem spanischen Stück vorkommt, in der Komödie eine größere Rolle, da ihm der frivole Charakter der Komödie nicht nur mehr Spielraum gibt, sondern ihm auch eine stärkere Ausprägung verleiht. Die Bedeutung und Aufgabe dieser Figur soll im folgenden behandelt werden. 25

Zusammengefaßt läßt sich sagen: Das spanische Theater zeigt eine volkstümliche und eine aristokratische Seite. Sie verschmelzen zu einer typisch spanischen Einheit, die den Namen "Comedia" erhält. Die Verwendung des komischen Elements, das hauptsächlich in der Figur des "gracioso" verkörpert ist, trägt dazu bei, diese beiden Seiten zu verbinden. Das Ergebnis ist einerseits eine Identifizierung der Ideale des Volkes mit denen des Adels ("El alcalde de Zalamea"), was sich auch im aristokratischen und gebildeten Charakter der Komödie zeigt, in der alle Personen adlig sind, und andererseits ein Zugeständnis an den Geschmack des Volkes, das durch das Einschieben komischer Begebenheiten selbst in den ernsthaftesten Dramen das Bedürfnis des einfachen Volkes nach dem Komischen befriedigt. So entsteht ein Drama, das mit volkstümlichen Tendenzen durchsetzt ist, und eine Komödie, die sich vor aristokratischem Hintergrund abspielt. Das alles wurde erreicht, während gleichzeitig die Trennung der Klassen beibehalten wurde.

3. Der "gracioso" und seine Funktion im spanischen Theater Wir haben schon erwähnt, daß der "gracioso" zu den wesentlichen und besonderen Merkmalen des spanischen Theaters zählt. Jedem, der das Theater des Goldenen Zeitalters untersucht, die Stücke liest oder auf der Bühne sieht, springt seine Gegenwart sofort ins Auge. Weder tiefgründige Stücke noch solche mit tragischem Ausgang verzichten auf ihn. Er ist immer da. Bereit, in Augenblicken höchster dramatischer Spannung aufzutreten und etwas Spitzfindiges zu sagen, bereit sogar, Gott selbst zu antworten, wie es der Landmann im großen Welttheater tut, als ihm seine Rolle zugeteilt wird: Autor Labrad. Autor Labrad.

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Tú has de hacer al labrador ? Es oficio o beneficio? Es un trabajoso oficio. Seré un mal trabajador. Por vuestra vida, Señor, que aunque soy hijo de Adán, que no me deis este afán,

Si aquí valiera un "no quiero" dijérale, más delante de un autor tan elegante nada un "no quiero" remedia, y asi seré en la comedia el peor representante.

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Für den größten Teil der Kritiker stand die Figur des "gracioso" im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Seine Einschätzung war je nach Epoche unterschiedlich. Der moderne Zuschauer weigert sich oft, sein Handeln in bestimmten Stücken, besonders in Dramen von großer moralischer oder ideologischer Tiefe, zu tolerieren, und betrachtet sein Eingreifen häufig mehr als störendes denn als geschicktes Dazwischentreten. Andere beschuldigen ihn der Eintönigkeit und finden seine Witze und Spitzfindigkeiten, die sich von Stück zu Stück wiederholen, ermüdend und uninteressant. Gewiß haben viele "graciosos" ihre Fehler, und ihr systematisches Auftreten, das immer nach den gleichen Gesetzen abläuft, kann auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, ihr Leben auf der Bühne sei eintönig und ohne Originalität. Eine gründlichere Untersuchung des spanischen Theaters bietet uns indessen, trotz der Enge der Bahnen, in denen sich diese Figur bewegt, ein vielseitigeres und vollständigeres Bild. Innerhalb der sozialen Grenzen und der Klassenschranken, in denen sich diese Person bewegt (es handelt sich fast immer um einen Diener, Lakaien, in einigen Fällen um einen Bauern, seltener um einen Soldaten oder Angehörigen eines anderen Beru18

fes ), zeigt diese Figur bei den verschiedenen Autoren und in den verschiedenen Stücken einen großen Nuancenreichtum. Die Behauptung, daß die Geburt des "gracioso" zur Zeit des Theaters Lopes stattfand, ist allgemein anerkannt, ebenso die Feststellung, Lope sei, wenn nicht sein Erfinder, so doch derjenige, der ihn in der Form, die er während des ganzen 17. Jahrhunderts behielt, im spanischen Theater einführte. Vorgänger findet man in ausreichender Menge im spanischen Theater 27

vor Lope, im italienischen Theater der Renaissance und sogar früher in bestimmten Gattungen der spanischen Literatur (Arcipreste de Hita, la Celestina usw.), sowie in mittelalterlichen Darstellungen, und schließlich entdeckt man, wenn man auf die klassische Komödie von Terenz und Plautus zurückgeht, in der Figur des Sklaven seinen ersten Vorfahren. Die Abstammung und Genealogie dieser interessanten Figur ist ausreichend geklärt. Zu seiner glücklichen Geburt trug auch das spanische Publikum bei, das, wenn wir Lope de Vega glauben wollen, seine Einführung ins spanische Theater anläßlich der Aufführung von "La Francesilla" mit Begeisterung feierte. Diese günstige Aufnahme ist möglicherweise auf das gelungene Auftreten des Komikers, eines gewissen Rios, zurückzuführen, eines Schauspielers, der damals sehr beliebt gewesen sein mußte und der mit zur guten Aufnahme dieser Neuerung beitrug. Lope wollte diese Erfolgsquelle nicht versiegen lassen und verfolgte in allen weiteren Stücken den eingeschlagenen Weg. So war er es, der die Regeln für die Figur des "gracioso" festlegte, seine Erscheinung umriß und damit eine der persönlichsten und echtesten Figuren des spanischen Theaters schuf. Seine Nachfolger hielten sich an dieses Vorbild und veränderten die Elemente nur unwesentlich. Lope legte auch die Grundzüge des "gracioso" fest: Seinen Sinn für die Realität, seine Gefräßigkeit, seine Angst, seine Prahlerei, sein Interesse am Geld, jedoch zugleich seinen gesunden Menschenverstand, seine Treue gegenüber dem Herrn (mit einigen Ausnahmen) etc. Welche Aufgaben hat der "gracioso" im spanischen Theater, wie lautet sein Auftrag? Bemühen wir uns, diese Fragen in folgenden Punkten zusammenfassend zu beantworten: 1. Die erste und allgemeinste Aufgabe ist es, Komik zu produzieren. Der "gracioso" führt das komische Element in die Komödie und in das Drama ein. Er ist das Hauptinstrument, das die Verschmelzung zwischen Komischem und Ernstem verursacht. Diese Verschmelzung gelang nicht immer, besonders nicht in den Stücken, die wir als Tragödien bezeichnen 28

könnten. Hier geschieht die Verbindung nur unvollkommen, der Auftritt des "gracioso" ist nicht integriert. Mehr noch, seine Auftritte wirken nicht selten wie ein unpassender Zusatz, den man dem Tragischen hinzufügt und der ihm die Größe nimmt. Einer der größten Verdienste Calderóns bei "El médico de su honra" ist es, die Figur des Coquln, des "gracioso", so zu schaffen, daß ihre Witze zu hören sind, die den Dialogen in den Augenblicken mehr Farbe geben, in denen das Stück von sich aus nicht sehr dramatisch ist. In dem Moment aber, in dem die Vorgänge ernster werden und man sich dem tragischen Ausgang nähert, nimmt auch die Figur des Coquin an innerer Größe zu und gewinnt an Menschlichkeit. Hier ist kein Platz mehr für Scherze, der "gracioso" zeigt edle, moralische Gefühle und sogar Verantwortungsbewußtsein. Er zieht es vor, sich der Strafe seines Herrn und sogar des Königs auszusetzen und erzählt letzterem, was mit Dona Mencla geschehen ist: Esta es una honrada acción de hombre bien nacido en fin; Que aunque hombre me consideras de burlas con loco humor, llegando a veras, señor, soy hombre de muchas veras. Welcher Mittel bedient sich der "gracioso", um eine komische Wirkung zu erzielen? In erster Linie der Sprache. Wie schon erwähnt, ruft der "gracioso" das Lachen nicht so sehr durch das hervor, was er macht, sondern durch das, was er sagt. Seine stärkste Waffe ist der Witz. Für alles findet er einen spaßhaften Kommentar. Ausgefallene oder schwülstige Worte geben Anlaß zu den spaßigsten Deutungen, die manchmal aus Unwissenheit, mitunter aber auch absichtlich gemacht werden, um das Gesagte ins Lächerliche zu ziehen. Jede Szene oder Situation, sei sie tragisch oder komisch, enthält eine humorvolle Randbemerkung des "gracioso", die das Komische daran betont. Dieser verbale Charakter der Komik des "gracioso" ist sehr wichtig, denn er zeigt uns den Geschmack des Volkes an ei29

ner Art des Komischen, die sich auf einer höheren Ebene bewegt. Der Erfolg der Figur des "gracioso" beim Publikum, das die Theater zum Bersten füllte, ist unbestreitbar, und es erstaunt uns deshalb umso mehr, daß dieses Publikum sich an einem Humor ergötzte, der oft einen äußerst lebhaften und wachen Geist erforderte, um ihn in seinem ganzen Ausmaß zu erfassen. In einigen glücklichen Momenten zeigt der "gracioso" mehr Geist und Intelligenz als alle seine edlen Herren zusammen. Dieses Publikum, das an derartige Zurschaustellungen gewöhnt und in dieser Art geistiger Pirouetten sehr geübt war, konnte sich an einer Komik ergötzen, die heute vielfach gekünstelt erscheint. Die Komik des "gracioso" ist nur selten billig und grob. Nimmt man die Figuren gewisser Bauern und naiver Landbewohner aus, die durch ihre Unwissenheit und Unbeholfenheit zum Lachen brachten, so ist der klassische "gracioso", wenn nicht kultiviert, so doch zumindest äußerst geistreich. Daher wäre eine Untersuchung der Sprache des "gracioso" eine der vorrangigsten Aufgaben jeder Untersuchung, die sich mit der Komik im spanischen Theater beschäftigt. Die zweite Aufgabe des "gracioso" liegt darin, Kontraste zu schaffen. Dies wird durch seine Gegenüberstellung mit den anderen Personen erreicht. Der "gracioso" ist nicht nur, wie oft behauptet wurde, der Schatten seines Herrn, sondern auch seine Umkehrung, die Kehrseite der Medaille. So sehen wir die platonische und idealisierende Liebe des Caballero, die mit der rein sinnlichen des Dieners kontrastiert, die Feigheit wird dem Mut, der Idealismus dem praktischen Verstand, die Selbstlosigkeit der Gewinnsucht, die Mäßigkeit der Gefräßigkeit gegenübergestellt. (Halten wir aber fest, daß es keinen Gegensatz zwischen Tugend und Laster gibt. Der spanische "gracioso" ist nur äußerst selten lasterhaft.) Dieser Gegensatz hat meistens eine starke komische Wirkung, weil ganz unerwartet von einer Sphäre des Seins zu einer anderen umgeschaltet wird, sozusagen von der Welt des Geistigen zu der Welt des Körperlichen.

In "El mäglco prodigioso" kommt Cipriano, nachdem er lange Zeit die Zauberkünste studiert hat, um Justinas Liebe zu gewinnen, aus einer Höhle ans Tageslicht und sagt: Ingrata beldad mía, llegó el feliz, llegó el dichoso día, línea de mi esperanza, término de mi amor y tu mudanza Wenig später taucht Clarin aus der Höhle auf und wiederholt die gleiche Szene wie sein Herr, nur parodiert er sie: Ingrata deidad mía, no Livia ardiente, sino Livia fría, llegó el plazo en que espero alcanzar si tu amor es verdadero; Pues ya sé lo que basta ,0 para ver si eres casta, o haces casta. Das gleiche System des Kontrastes beherrscht den Dialog Don Manuels mit Cosme, seinem Diener, in "La dama duende", wo der Galan, nachdem er Dona Angela gesehen hat, außer sich gerät und in enthusiastische Reden ausbricht; aber die Antworten des Dieners führen die Schönheit Dona Angelas auf ein völlig anderes Gebiet: Manuel Cosme Manuel Cosme

!No vi más rara hermosura! No dijerais eso a fe si el pie la vieras; porque éstos son malditos por el pie. !Un asombro de belleza, un ángel hermoso esl 21 Es verdad, pero patudo.

3. Die dritte Aufgabe des "gracioso" besteht darin, durch seine Gegenwart und sein Handeln den ernsten Personen die Würde zu wahren. Mit seiner Funktion, die nichts anderes ist 22

als Schabernack zu treiben , läßt diese Witzfigur den ernsten Personen - hauptsächlich Adligen - völlige Freiheit, sich so würdig zu verhalten, wie ihr Stand es von ihnen verlangt. Der "gracioso" ist Stoßdämpfer, Blitzableiter für jede Art von Scherzen und Lächerlichkeiten, von einer mehr 31

oder weniger groben oder feinen Komik. So ist das Theaterstück in zwei Welten geteilt, die immer Seite an Seite erscheinen, die gemeinsam gehen, aber zwischen sich sehr festgelegte Grenzen haben. Die Vorliebe des Publikums für das Humoristische, Komische, befriedigt der "gracioso", ohne daß der Dichter deswegen seine Caballeros oder Damen bemühen müßte. In diesem Sinn schlägt Lope de Vega eine viel demokratischere Richtung ein. Viele seiner Caballeros erreichen fast die Welt des Pikaresken. Die eben angedeuteten Grenzen dieser zwei Welten werden sehr schmal. Die extremste Richtung vertritt Calderón mit einem vorherrschend aristokratischen Theater. Als vierte Aufgabe sei aufgeführt, daß der "gracioso" das Sprachrohr des gesunden Menschenverstandes ist. Hauptsächlich unter diesem Gesichtspunkt wird er heute betrachtet. Es ist ganz natürlich, daß ein Zuschauer unserer Tage bei vielen Äußerungen des "gracioso" bemerkt, daß sie von einem bedächtigen und vernünftigen Kopf geäußert werden, verglichen mit den Phantastereien und Unwahrscheinlichkeiten des Herrn. Wir dürfen uns aber nicht zu weit in diese Richtung bewegen, da viele Auftritte des "gracioso", die wir für großartige Beispiele von Vernunft und sicherem Urteilsvermögen halten, nicht diese Wirkung haben sollten, sondern eine andere, auf ganz bestimmte Art komische. Das soll nicht heißen, daß nicht schon im 17. Jahrhundert die Dichter selbst den "gracioso" benutzten, damit er ihre Gedanken äußern und mit vernehmlicher Stimme ihre Meinung zu bestimmten Themen sagen konnte, um die falsche oder irrige Haltung der adligen Personen aufzudecken, denen es aufgrund der literarischen oder ideologischen Gepflogenheiten nicht gestattet war, etwas Ähnliches zu sagen. Viele Meinungen gegen den Ehrenkodex und dessen übertriebene Einhaltung, gegen die heuchlerischen Komplimente, die sinnlosen Duelle usw. wurden dem "gracioso" in den Mund gelegt, und ich neige zu der Ansicht, daß sie schon damals in ihrer

richtigen Bedeutung erfaßt wurden. Bei anderen Gelegenheiten machten sich die "graciosos", ohne zu scherzen, zu Richtern ihrer Herren, vor allem, wenn deren moralisches Verhalten zu wünschen übrig ließ. So geschieht es bei Catalinón und Ginés, den jeweiligen Dienern in "El burlador de Sevilla" und "La nina de Gómez Arias". Der "gracioso" der Komödie unterscheidet sich in Wirklichkeit nur wenig von dem des Dramas. Es gibt keine spezifischen Züge, die sie trennen. Nur bedient sich die Komödie aufgrund ihrer Struktur mehr der Auftritte des "gracioso"; sie erhalten vielleicht auch eine etwas stärkere Ausprägung, da das Publikum durch die dramatischen Ereignisse des Stückes nicht so sehr berührt ist. Die Komödie ist ja nicht so tiefgründig, so daß die Bereitschaft der Zuschauer zum Vergnügen größer sein kann. Trotzdem wird das Gesetz des Kontrastes eingehalten. Hier wird der "gracioso" am besten seiner Rolle als Retter der Würde der ernsten Personen gerecht, da es für sie durch den fröhlichen Charakter des Stückes viel leichter ist, selbst Komik zu provozieren. So geschieht es in vielen Stücken Lopes und Tirso de Molinas (wer ruft z. B. die größte komische Wirkung in "Don Gil de las calzas verdes" hervor, wenn nicht die weibliche Hauptfigur?) , aber verhältnismäßig selten bei Calderón. Bevor dieser flüchtige Abriß über die Figur des "gracioso" abgeschlossen wird, lege ich schließlich die Gründe dar, die mich bewogen haben, ihn aus dieser Arbeit auszuschließen. Erstens wurde der "gracioso" schon in genügend vielen Arbeiten behandelt, sei es in Verbindung mit anderen Untersuchungen, in denen ihm immer ein besonderes Kapitel gewidmet ist, sei es in 23 Einzeluntersuchungen , die ihn von seinen Ursprüngen bis zu seinen letzten Erscheinungsjahren im Theater des 17. Jahrhunderts verfolgen, sei es auch in Arbeiten über das Werk eines Dramatikers, in denen er immer einen vorherrschenden Platz einnimmt, oder sei es auch in Untersuchungen über den Humor eines Dichters. Man kann nicht gerade behaupten, daß er von 33

der literarischen Forschung stiefmütterlich behandelt wurde, im Gegenteil. Er ist eine der Figuren, die auf Forscher und Kritiker die größte Anziehungskraft ausgeübt haben. Zweitens wird man, wenn man die Komik in ihrer Gesamtheit im Werk eines Dichters betrachtet, automatisch, ob man will oder nicht, dieser Figur den größten Raum zugestehen müssen, weil sie die Aufmerksamkeit auf sich zieht; ist sie doch dafür geschaffen, uns die Rezepte für das Komische zu liefern. Dabei sollte man die Psychologie dieser Gestalt untersuchen, ihre Aufgabe in der Komödie und vor allem ihre Sprache, diese Sprache voller Verdrehungen und Zweideutigkeiten, voller Wortspiele und Witze, voller Satire, Scherz und Schelmerei. Das sind die Hauptwaffen, mit denen der "gracioso" im spanischen Theater kämpft, denn die Waffen aus Eisen schätzt er nicht besonders. All dies ist für die übrigen Personen von Nachteil, da sie, was die Komik betrifft, an der Seite dieses Dieners, Lakaien oder Bauern, je nach den Umständen, ziemlich schlecht wegkommen, denn er hat schon die komische Seite der Dramen oder Komödien gepachtet. Als dritten Grund möchte ich den Ernst und die Würde der calderonianischen Personen anführen, über die schon - wer würde das bestreiten - so viel gesprochen wurde. Aber gerade der Ernst und die Würde waren es, die mich dazu anregten, nach der "menschlichen" Seite (hier im Sinne von "nicht streng", "nicht unbeugsam") der besagten Figuren zu suchen. Diese menschliche Seite enthüllt sich unter anderem in den humorvollen Zügen, die diese Figuren manchmal von ihren Podesten steigen lassen, ihnen etwas von ihrer Mustergültigkeit nehmen, um sie uns, trotz der jahrhundertealten Staubschicht, die sie bedeckt, näherzubringen. Um aber diese humoristischen Seiten besser freilegen zu können, ist es zumindest in einer Untersuchung erforderlich, sie von der lärmenden Komik des "gracioso" zu isolieren, keine Vergleiche durchzuführen, sie in ihrer Welt zu belassen und ihren Humor an ihren eigenen Möglichkeiten zu messen. Lassen wir also den "gracioso" schweigen. Lassen wir die Damen und Caballeros leise sprechen. Der Humor bei Calderón 34

ist fein, und das umso mehr bei ernsten Personen; er ist gleichzeitig sehr verschleiert und oft heute viel besser verständlich als zu seiner Zeit. Hören wir nun noch einen anderen Grund. Die Situationskomik bei Calderón ist eine der glänzendsten Facetten seines dramatischen Talents. In ihr nimmt der "gracioso" nicht die vorherrschende Stellung ein. Es geschieht äußerst selten, daß er aktiv oder direkt an den Geschehnissen teilhat, in die die Hauptpersonen verstrickt sind. Die komischen Situationen werden nicht immer durch den "gracioso" hervorgerufen. Mehr noch, man könnte behaupten, daß er die komische Wirkung besagter Situationen durch seine Sprache nur verstärkt, sie dem Publikum sichtbarer macht. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß eine den Humor bei Calderón in seiner Gesamtheit, des "gracioso" eingeschlossen, einen solchen würde, daß sie den Rahmen einer Dissertation

Untersuchung über d. h. die Figur Umfang annehmen sprengen würde.

1 Evaristo Acevedo beginnt das erste Kapitel seines Buches "Theoria e interpretación del humor español" mit folgenden Worten: "El humor, que cada vez va cobrando mayor importancia como género literario, presenta una curiosa característica: el desfase entre la teoría y la práctica. De acuerdo con la teoría, el humorista debe prescindir de la sátira, rehuir la critica, evitar la mordacidad, ser tierno y comprensivo. Pero el estudio de la obra de los principales humoristas europeos demuestra que emplean la sátira, ejercen la critica, no rehuyen la mordacidad y sólo son "tiernos" y "comprensivos", de acuerdo con el particular criterio que cada humorista tiene de la ternura y la comprensión. Entre la teoria "humor puro" - y la realidad - "humor práctico" existe un immenso abismo." (Teoría e interpretación del humor español, Madrid 1966, S. 5) 2 Wenn wir den Artikel Leavitts Uber den Humor in den Autos Sacramentales heranziehen, sehen wir, daß hier die Figur des "gracioso" als Grundlage genommen wird. Seine Auftritte werden humoristisch genannt, indem man zugibt, daß sie die Wonne der "Mosqueteros" ausmachen. Der gesamte vergnügliche und komische Aspekt wird unter dem Begriff "Humor" zusammengefaßt. 3 Wenceslao Fernández Florez, El Humor en la Literatura Española, Madrid 1945, S. 9 4 Julio Casares, El humorismo y otros ensayos, Obras completas, Vol. 6 5 Bousono teilt die Einstellung der traditionellen Ästhetik nicht, die das Komische als eine weitere Kategorie neben das Schöne, das Erhabene usw. stellt. Er sieht allerdings, daß die Poesie sich zum Witz analog verhält: "Observamos con sorpresa que el chiste es, a semejanza de la poesía, oriundo de una sustitición lingüistica. Lo hemos comprobado en muy varia ocasión. Si la poesía, por ejemplo, se sirve para sus fines de la metáfora, contemplaremos en otras ocasiones a la metáfora dando origen a efectos no poéticos, sino cómicos. De igual modo, los "signos de indicio", las "superposiciones" temporales, situacionales y significacionales, la "ruptura del sistema" etc., se nos bifurcaban en dos posibles efectos: risa o emoción estética"...."? Quiere esto significar que, en última consideración, poesia y chiste constituyen un único fenómená essencial? La diferencia que media entre el efecto que ambos hechos producen en el lector (risa en un caso y emoción en el otro) nos inducen a contestar negativamente"-.."Poesia y chiste son el anverso y el reverso de una misma moneda, el polo y el antipolo de una esfera. Lo contrario de la poesía no es la 'prosa' en el sentido de dicción apoética. Lo contrario de la poesía es el chiste." Carlos Bousono, Teoria de la expresión poética, Madrid 1966, S. 123 6 Vgl. Wolfgang Kayser in seinem Werk "Das sprachliche Kunstwerk", Bern 1965, S. 382: "Die Gespanntheit, die in der Komik liegt, stellt eine Affinität zum Dramatischen dar. Aber die jedesmaligen Lösungen, die ein 36

Ende der Gespanntheit bedeuten, erschweren dem Dramatiker die Arbeit. Es ist kein Zufall, daß das Komische im Drama jahrhundertelang nur in einzelnen 'komischen' Szenen, Zwischenspielen oder in den Kurzformen des Schwankes u.s.f. gelebt hat. Auch bei Aristophanes fehlt es mitunter an einheitlicher Handlung, und wenn Menander sich half, indem er Erzählschemata benutzte, so erkennt man, daß das Komische von sich aus keine besondere Disposition zu großen geschlossenen Strukturen, zu Großformen mitbringt." 7 8 9 10

Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1964, S. 344 Kayser, op.cit. S. 385 Gero von Wilpert, op.cit. S. 344 Siehe P. Kluckhohn, Die Arten des Dramas, in Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 19, 1941 Karl Holl, Geschichte der Lustspieltheorie von Aristoteles bis Gottsched, Berlin 1911, Paul Later, Theories of Comedy, New York 1964

11 0. Rommel, Komik und Lustspieltheorie, DVjs, 21, 1943 12 Rommel drückt sich in bezug auf die spanischen Komödien so aus: "Das stilisierte spanische Intrigenlustspiel beweist, daß dichterisch überglänzte lustspielmäßige Gelöstheit sich auch dadurch erreichen läßt, daß der Dichter seinen adeligen Gestalten eine heitere Lebenssicherheit verleiht, die sie befähigt, das Dasein ihres gehobenen Alltags als Scherz und Abenteuer zu erleben, indem sie es in ein beschwingtes Intrigenspiel verwandeln, ein Spiel, dem sie im Ubermut oft unmöglich scheinende Aufgaben stellen, in deren Bewältigung der spielerische Geist dieser Stücke ("Aufgabenstücke") sich geradezu überschlägt." op.cit. 13 Vgl. Osorio Tejeda, Notas sobre la comedia y lo cómico, Revista del Pacifico, 3, 1966 14 Osorio Tejeda erklärt den unterschiedlichen semantischen Wert, den das Wort comedia in Spanien hat, so: "La pérdida de una de las notas básicas que tenia en la Antigüedad el término comedia (lo cómico) hizo posible su utilización para designar asi una nueva forma dramática. Y tenemos aquí registrada la alteración semántica que nos confunde", op.cit., S. 43 u. 44 15 Lope de Vega, Arte Nuevo de hacer comedias Obras escogidas. Tomo II, Edit. Aguilar, Madrid 1964, S. 878 16 Pedro Calderón de la Barca, Obras completas, Vol. II, Comedias, edic. prologo y notas por Angel Valbuena Briones, Edit. Aguilar (im folgenden kurz: Aguilar), Madrid 1960, S. 45 17 El gran teatro del mundo, AGUILAR, Bd. III, S. 208 18 Bei der Analyse der sozialen Klasse des "gracioso" war es nicht meine Absicht, die "graciosos" der Autos Sacramentales einzuschließen, die, da sie in eine andere Kategorie fallen - sie verkörpern Abstraktionen -, eine unabhängige Klassifizierung erfordern, die im übrigen sehr 37

interessant wäre und eine gesonderte Arbeit verdiente. 19 20 21 22

El medico de su honra, Jor. III, AGUILAR, Bd. I, S. 346 El mágico prodigioso, Jor. III, AGUILAR, Bd. I, S. 260 La dama duende, II, S. 260 So bezeichnen sich die "graciosos" oft. Eine der geistreichsten Antworten, die in der Sprache an Quevedo erinnert, ist die Coqulns an König Pedro, als dieser ihn nach seinem Beruf fragt: Coquln

Rey

Soy cofrade del contento: el pesar no sé quien es ni aun para servirle. En fin, soy, aquí donde me veis, mayordomo de la risa, gentilhombre del placer y camarero del gusto, pues que me visto con él.

En fin, ?sois hombre que a cargo tenéis la risa? Coquln Si, mi señor; y porque lo echéis de ver, esto es jugar de gracioso en Palacio. El médico de su honra, AGUILAR, Bd. I, S. 325 23 Siehe folgende Arbeiten: Miguel Herrero Garcia, Génesis de la figura del donaire, RFE XXV, 1941, S. 46/78 Charles David Ley, El gracioso en el teatro de la peninsula, Revista de Occidente, Madrid, 1954 Maria Heseler, Studien zur Figur des Gracioso bei Lope de Vega und Vorgängern, Dissertation, Göttingen 1933

I. DER HUMOR CALDERONS

1. Die Problematik des Humors bei Calderón im Spiegel der Kritik Uber Calderón, einen der am häufigsten untersuchten, kommentierten, analysierten und diskutierten klassischen Dichter Spaniens, gibt es wenig Veröffentlichungen, die sich ausschließlich auf seinen Humor beziehen, und in diesen fallen die Urteile nicht immer günstig aus. Der gleiche Laie, der nicht auf Literatur spezialisiert ist, kann sein Erstaunen nicht verbergen, wenn er in einem Zusammenhang zwei Begriffe hört, die für ihn nicht übermäßig gut zueinander passen: Humor und Calderón. Automatisch denkt er an Dramen über die Ehre von der Art des "El médico de su honra", an Werke wie "La vida es sueño" oder an ein Auto Sacramental. "Etwas paßt da nicht zusammen", sagt sich der gebildete Laie. Aber auch die Fachleute scheinen sich nicht bei der Betrachtung aufgehalten zu haben, daß diese Kombination "Humor - Calderón" Gültigkeit haben könnte oder es wenigstens wert wäre, einmal etwas gründlicher untersucht zu werden. Ein Blick auf die ausgedehnte, oder besser gesagt, kaum noch zu überblickende Literatur über Calderón liefert uns davon einen Beweis. In der Fülle von Untersuchungen, die diesem Dichter gewidmet sind, machen nur zwei Artikel von Sturgis E. Leavitt^" den Versuch, sich dem Problem zu nähern. Ein Artikel Steinbergers 2 und ein weiterer von Parker 3 behandeln es ebenfalls, jedoch nur unter einem Aspekt. Es bleiben natürlich die vereinzelten Betrachtungen in jedem der umfangreichen allgemeinen Werke, die sich mit Calderón beschäftigen, aber es ist schwierig, eine Sammlung anzulegen, die Abschnitte aus zahlreichen Untersuchungen und verstreuten Anmerkungen enthält, die am Ende wenig Zusammenhang miteinander haben, sich in vielen Fällen widersprechen und meistens 39

nicht über allgemeine Aussagen hinausgehen. August Wilhelm Schlegel, der große Enthusiast und eifrige Bewunderer der calderonianisehen Kunst, geriet vor dem poetischen Reichtum der Werke des großen Dramatikers und dem Geist, der sie beherrscht, in Verzückung. Dem Humor aber räumt er keinen besonderen Rang in der Gesamtheit des Schaffens Calder n s ein. In den Mantel- und Degenstücken, die von ihrer Struktur her die humoristischen Züge am stärksten betonen, sieht Schlegel den Ausdruck eines höheren Geistes; er sieht sie von einem idealistischen Schein umgeben, der sie verfeinert und adelt. Diese Auffassung läßt der Komik, die als Äußerung eines lebendigen Realismus verstanden wird, wenig Raum. "Auch diejenigen Schauspiele Calder6ns in modernen Sitten, die am meisten zum Ton des gemeinen Lebens herabsteigen, fesseln durch irgendeinen phantastischen Zauber und können nicht ganz für Lustspiele im gewöhnli- ^ chen Sinne des Wortes gelten." Und etwas später: "Gewöhnlich haben sie (die Mantel- und Degenstücke) keinen anderen burlesken Teil als die Rolle des lustigen Bedienten, der unter dem Namen des Gracioso bekannt ist. Dieser dient meistens bloß dazu, die idealen Triebfedern, wonach sein Herr handelt, zu parodieren, welches er oft auf die zierlichste und geistreichste Weise tut. Selten wird er als wirksamer Hebel gebraucht, um durch seine Listen die Verwirklichung zu stiften, in welcher _ man mehr den Witz des Zufalls bewundert." Von dieser Bewertung lassen sich einige wichtige Punkte ableiten. Die Mantel- und Degenstücke gehören einem höheren Niveau an, das Uber den Rahmen dessen, was man unter Komödie, oder besser gesagt "Lustspiel" versteht, hinausgeht. Der burleske Teil ist Aufgabe des "gracioso". Er soll die idealisierte Welt der Caballeros parodieren. Diese Parodie ist allerdings fein und geistreich. Es ist nicht verwunderlich, daß, wenn Schlegel in der Haltung des "gracioso" eine Feinheit und stilvolle Gestaltung des komischen Elements sieht (was nicht immer der Wahrheit entspricht), ihm die humoristische Haltung der ern40

sten Personen und vieler Situationen völlig entgeht. Die Kritik des 19. Jahrhunderts, vor allem die deutsche, preist zum Teil das komische Talent Calderóns, allerdings immer mit irgendwelchen Einschränkungen. So z. B. Adolph Friedrich von Schack, der Calderón eine große Fähigkeit für das Komische im strengen Sinn zugesteht und so vom "Talent Calderóns zur eigentlichen Komik" und von seiner "unvergleichlichen Kraft der Komik" spricht. Aber er spricht ihm die Fähigkeit ab, den geistreichen Witz, die feinere Komik mit ihren humoristischen Seiten, zum Ausdruck zu bringen. "Man kann nicht sagen, daß Calderón eine sprudelnde Fülle des Witzes besessen hätte; er steht in dieser Hinsicht nicht allein hinter Tirso de Molina (dem größten Humoristen unter den Spaniern), sondern sogar hinter anderen Dramatikern des zweiten und dritten Ranges zurück. Dagegen bemüht er sich, im Einklang mit seinem allgemeinen Streben nach kunstvoller Disposition des Plans, nach Harmonie und Symmetrie aller Theile seiner Dichtungen, den scherzhaften Partien eine möglichst effectvolle Stellung zu den ersten zu geben und diese durch jene zu heben; und in solchem Betracht müssen wir einräumen, daß es ihm oft gelungen ist, durch die Zusammenstellung des Komischen mit dem Tragischen Wirkungen hervorzubringen, wel- g che bis dahin unbekannt gewesen waren." Zusammengefaßt heißt dies, daß Calderón ein großes Talent für das Komische hat und große Geschicklichkeit bei der Vermischung von Tragischem und Komischem zeigt, daß ihm aber der Humor von der Art des Tirso de Molina fehlt. Auch Wurzbach7 schließt sich dieser Meinung an. Er seinerseits glaubt, daß die meisten Mantel- und Degenstücke unseres Dichters ohne die vorangegangenen Arbeiten des Trinitariers auf diesem Sektor unverständlich wären. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Mantel- und Degenstücke von der Kritik des 19. Jahrhunderts sehr gelobt wurden. Diese Strömung sowie die Tendenz, Calder6n auf dem Gebiet des Humors hinter Tirso de Molina zu setzen, nimmt auch Menendez Pelayo auf:

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"Lope y Tirso fueron sus modelos, por más que nunca llegase a la desenvoltura y gracia picaresca de Tirso, ni acertase nunca tampoco a crear tipos femeniles tan delicados como los de Lope, ni a poner en sus damas el encanto de suavidad y ternura que en las suyas puso el Fénix de los Ingenios" Menéndez Pelayo beurteilt die Mantel- und Degenstücke mit Wohlwollen. Er betrachtet sie als "la expresión más clara y más perfecta del ingenio de Calderón, como pintor de costum9 bres". Er steht den "graciosos" die Tugend der Vielfältigkeit zu, aber trotzdem nennt er sie "la parte más endeble del teatro calderoniano". Andererseits betrachtet der spanische Kritiker die "graciosos" nicht vom Gesichtspunkt des Humors aus, sondern legt größeres Gewicht auf eine ihrer anderen Besonderheiten, die nicht im entferntesten alle Aspekte dieser Figur erschöpfend behandelt: "Y finalmente el gracioso, que viene a hacer en nuestro teatro un efecto algo parecido al del coro en la tragedia griega, es decir, templar los efectos de la emoción trágica, restablecer la serenidad y la templanza en el ánimo del espectador, y ser a veces el intérprete del sentido común, del recto juicio en los negocios de este mundo, que los personajes principales juzgan apasionadamente y de un modo falso. Asi es que, mientras los protagonistas rinden tributo siempre a las convencionales leyes del honor (y esta observación se refiere, no sólo a las comedias de capa y espada, sino muy principalmente a los dramas trágicos de adulterio y celos); mientras estos personajes se dejan subyugar ciegamente por la ley del honor que los impele a verdaderos crímenes, como en los dramás que hemos examinado en la lección anterior, el gracioso, de un modo algo realista y prosaico, no extento de vulgaridad y aún de grosería, vuelve siempre por los fueros del sentido común y de la ley moral, de la verdad humana y de la razón escarnecida" 1926 kam ein deutscher Kritiker auf die Idee, einen Artikel über einen Aspekt des Komischen bei Calderón zu schreiben. Als Grundlage diente ihm die Gestalt des komischen Bauern. Steinberger, so heißt der Autor, stellt das komische Talent Calderóns in Frage und folgt der von seinen Vorgängern eingeschlagenen Richtung, die besagt, daß, wäre der Einfluß Tirso de Molinas nicht gewesen, unser Dichter seine besten Mantel- und 42

Degenstücke nicht hätte schreiben können. Laut Steinberger sind die "graciosos" häufig geschmacklos und ohne Witz, außerdem ähneln sie einander sehr. Auch erreiche Calderón es nicht, Tragisches und Komisches geistvoll zu verteilen, wie Shakespeare es getan habe, sondern er übertriebe die komische Wirkung und verwende sie oft in unpassenden Augenblicken. Nur in der Gestaltung bäuerlicher "graciosos" erreiche Calderón - so Steinberger - eine gewisse Originalität. Seine Vorbilder fände er jedoch nicht in der Wirklichkeit, wie Lope, sondern er ließe sich von der Figur des Sancho Panza inspirieren. Um seine Behauptung zu stützen, zitiert der Autor die vorherrschenden Besonderheiten des von Cervantes geschaffenen Schildknappen und konstruiert eine Parallele mit den bäuerlichen Gestalten Calderóns: Schlemmerei, Egoismus (vor allem dem weiblichen Geschlecht gegenüber), gesunden Menschenverstand, Feigheit usw. Es ist ersichtlich, daß diese Behauptungen nur eine sehr schwache Grundlage haben. Auf die gleiche Weise könnte man einen Vergleich zwischen Sancho Panza und jedem anderen bäuerlichen "gracioso" des spanischen Theaters ziehen, denn alle haben etwas Sancho-Panza-haftes an sich, auch wenn andererseits keiner auch nur im entferntesten die Tiefe erreicht, mit der die Romanfigur beschrieben ist. Die calderonianischen Bauern lehnen sich eng an die dramatische Tradition Spaniens an und bewahren die Züge des Hirten und traditionellen Tölpels, nur verfeinert und verdichtet. Im übrigen ist es eine recht willkürliche Behauptung, Calderón habe sich bei der Gestaltung seiner bäuerlichen Figuren mehr Arbeit gemacht als bei den anderen. Der Autor scheint andere Figuren lustiger Diener zu vergessen, die nicht nur einen hervorragenden Platz unter allen calderonianischen Personen einnehmen, sondern auch durch ihren Geist und ihre vor Witz sprühende Anmut erstaunen. Noch negativer ist die Einstellung eines anderen Deutschen, Max Kommereils, zum calderonianischen Humor. Er zieht nicht nur Vergleiche zu Tirso de Molina oder Lope, wie es die anderen Kritiker bis dahin getan hatten, sondern auch zu alten und modernen nichtspanischen Dramatikern. Dabei kommt Calderón im43

mer ziemlich schlecht weg. Kommereil drückt seine Meinung so aus: "In der Behandlung des Komischen verrät sich so deutlich nirgends sonst das Maß geistiger Überlegenheit, die ein Autor besitzt. Ganz abgesehen von der Gabe der Dichtung tun sich Moliere, Shakespeare, Aristophanes, Cervantes als Menschen unbedingter Geisteshöhe und seltener Seeleneigenschaften dar. Die komische Kraft Calderons ist keineswegs unbedeutend, aber sie geht nicht aus überlegenem Bewußtsein hervor und es kommt nirgends zu jener in der Person begründeten Freiheit des Komischen, die wir Humor nennen." Die Neigung, Calderón Humor abzusprechen, haben wir schon beobachtet. Kommereil, der in den Beziehungen zwischen Herr und Diener ein fruchtbares Feld für die Entwicklung des Humors sieht, spricht Calder&n den letzteren ab, weil hier die Grenzen zu scharf sind, die eine Klasse von der anderen trennen. "Auch liegt ihm fern, den Dienstboten jene Überlegenheit zu geben, die in Moliérs Komödien so entwickelt ist. ... Dieser bewegliche Schwerpunkt des höheren Humors fehlt Calder&n gänzlich. Wir wissen bei ihm immer, wie wir dran sind. Damit hängt auch zusammen, daß die Späße der Diener keine Kreise ziehen; nie entsteht in einem ungleichen Ensemble eine komische Stimmung .... In Calder&ns Komödien setzen die Graciosos an ihrer Stelle ihre Späße ab, die Herren reagieren steif oder gar nicht, und damit gut. Lope hat eine höhere Kultur des Scherzes." Demnach ist Calder&n die feine Seite des Komischen also abgegangen. Genausowenig besäße er, meint Kommereil, die Ironie eines Goethe. Ein Dialog wie der, den Mephisto mit dem Herrn im Prolog des "Faust" führt, sei etwas, was man bei Calder&n nicht finden könne. Das, was Schack als eine der größten Fähigkeiten Calder&ns bezeichnet hat, nämlich die gekonnte Mischung von Komischem und Tragischem in bestimmten Augenblicken, die überraschende Wirkung erzeugt, wird ihm, im Gegensatz zu Shakespeare, von Kommereil abgesprochen. Kommerell glaubt, die Technik Calderons bestehe in der strengen Trennung des Komischen vom Tragischen. 44

Und wenn irgendwann einmal eine komische Stimmung entsteht, so entwickelt sie sich immer dann, wenn die Szene von Tölpeln beherrscht wird und keine ernste Person in der Nähe ist. Beziehungen von einer Welt zur anderen gibt es überhaupt nicht. Es ist allerdings merkwürdig, daß beide Autoren, Schack und Kommereil, das gleiche Stück als Beispiel nehmen, um ihre voneinander abweichenden Behauptungen zu beweisen: "La hija del aire". Man merkt, daß Kommereil die Figur des "gracioso" bei Calderón nicht bis ins einzelne untersucht hat, sonst würde er sie nicht bis zur groben Karikatur der Welt des Caballero und vor allem des Ehrbegriffs vereinfachen. Das Stück, das er als Grundlage nahm, um die unterschiedlichen Ehrbegriffe bei den Dienern zu beweisen - "La hija del aire" ist für Calderón nicht typisch in bezug auf die Behandlung des "gracioso". Chato, der Bauer, ist freilich eine der interessantesten Spielarten dieser Figur. In bezug auf den Clarin aus "La vida es sueño" behauptet Kommereil: "Sein Spaß individualisiert noch weniger als sein Ernst" und "Clarins Wesen ist das Dabeisein. Das stumme, vielleicht stupide, jedenfalls anonyme Dabeisein. Das große Spiel, was da zwischen den Großen gespielt wird, betrifft ihn nicht."13 Die Behauptung Kommerells trifft jedoch in bezug auf die scharfe Trennung der Welt der Diener von der Welt der Cabelleros zu. Und hier unterscheidet sich Calderón tatsächlich von Tirso und Lope. Nur sehr selten, um nicht zu sagen niemals, verkehren Diener und Herr humoristisch miteinander. Darum ist es auch leichter, eine Untersuchung über den Humor der ernsten Personen durchzuführen, aus der man den "gracioso" ausschließt, ohne daß sie dadurch methodisch eingeengt wird. Die humoristischen Züge der adligen Personen gehorchen nämlich völlig anderen Gesetzen als die Handlungsweisen des "gracioso". Uber diesen Aspekt wird im Verlauf der Arbeit noch im einzelnen gesprochen. Kehren wir zur Kritik an Calderón zurück, so können wir nicht umhin, die Beurteilungen Valbuena Prats und Valbuena Briones, der Hauptvertreter der spanischen "Calderonisten", unerwähnt zu lassen. 45

Valbuena Briones spricht in der Einführung zur Ausgabe von Calderóns Komödien von der "gracia del diálogo", "gracia de las situaciones", "chiste", "ironía velada", "ridiculizar las costumbres de la época", "equivoco de las personalidades", auf denen die Anmut und Grazie des Werkes beruhen. Bei vielen Gelegenheiten wiederholt er, daß es das Hauptziel der Komödie sei zu erfreuen und zu unterhalten, aber nirgends findet sich trotz der gut durchgeführten Analyse der Komödie eine detaillierte Untersuchung über ihre Komik oder ihren Humor. - Die hier aufgeführten Beispiele schöpfen natürlich, wie sich leicht denken läßt, das Repertoire nicht aus, aber sie vertreten doch die allgemeine Tendenz. Erwähnen wir schließlich noch die Aufsätze, die wenigstens das Problem aufwerfen und es in gewisser Weise behandeln. "Did Calderón have a sense of humor?" Diese Frage stellt E. Leavitt am Anfang seines Aufsatzes. - Klären wir zunächst, daß Leavitt Calderóns Humor in der Figur des "gracioso" verkörpert sieht und daher nur diese Gestalt Gegenstand seiner Forschung ist. Leavitt hat für die "graciosos" bei Calderón im allgemeinen keine große Zuneigung. "If we examine the graciosos in the serious plays of Calderón, we find the most ghastly attempts at humor in the whole history of the Spanish stage," sagt er ohne Umschweife. Aber das ist noch nicht alles, denn als er über die Mantel- und Degenstücke spricht, werden seine Urteile noch vernichtender, wenn er behauptet: "In the less serious plays, such as those of the capa y espada type, Calderón's humor can be quite es uninspired as in his serious efforts." Die Beispiele, in denen die "graciosos" "wooden creatures who are ignorant, unintelligent and unimaginative" sind, können beliebig erweitert werden. Für Leavitt müßte sich die Frage nach dem Humor Calderóns mit einem klaren "nein" gegenüber seinen humoristischen Fähigkeiten beantworten lassen. Und sie wäre es auch, wenn es nicht eine großartige Ausnahme gäbe, nämlich den "gracioso" Cosme in "La dama duende". Würde man den Humor Calderóns nur nach diesem Werk beurteilen, müßte man zugeben, daß der Dichter einer der größten Humoristen unter den Dramatikern des Goldenen Zeitalters ist. 46

In einem zweiten Aufsatz behandelt Leavitt den Humor in den Autos Sacramentales. Hier hat er mehr Erfolg. Die "graciosos" dieser Stücke haben keine Ähnlichkeit mit denen ihrer Vorgänger oder Zeitgenossen auf diesem Gebiet. Besonders die Gestalten des "Pensamiento" in de "Cena del Rey Baltasar" und des "Labrador" im "Gran teatro del mundo" sind ein Meisterwerk auf dem Gebiet des Humors im Theater des 17. Jahrhunderts. Außerdem haben sie eine wichtige Funktion im Auto Sacramental. Nach der Lektüre von Leavitts Abhandlungen zieht man den Schluß, daß der Autor niemals an die Möglichkeit dachte, bei Calderón außer in der Figur des "gracioso" Humor zu entdecken. Außerdem verfährt er in einer Weise ungerecht mit den "graciosos" der Komödien und der Dramen. Man kann nicht leugnen, daß der Cosme aus "La dama duende" eine sehr gelungene Figur ist, aber andererseits ist der Graben, der ihn von den "graciosos" der übrigen Komödien trennt, so tief nun auch nicht. Die gebräuchlichen Kriterien zur Beurteilung des Humors sind manchmal sehr subjektiv und, je nach Mentalität der verschiedenen Nationen, verschiedenartiger als die allgemein ästhetischen. Es wurde bereits an anderer Stelle erwähnt, daß man für das Verständnis des Komischen eine Gemeinschaft mit einheitlichem Geschmack, mit gleichen Gefühlen und Vorurteilen braucht. Es leuchtet daher ein, daß diese Art Komik von den Mitgliedern der Gruppe, innerhalb derer sie entstanden war, schärfer erkannt wird. (Natürlich lassen wir die historische Distanz, die uns trennt, außer acht, desgleichen, daß sie ein Entfremdungsfaktor ist.) Fügen wir noch hinzu, daß die Figur des "gracioso" eine typisch spanische Schöpfung ist, sehr im spanischen Temperament verwurzelt und national-eigen und deshalb nicht so prädestiniert, in der ganzen Welt verstanden zu werden. Hier fällt mir ein Vergleich Gregorio Maranons in seiner Untersuchung über Don Juan ein. Maranon leugnet das vermeintliche Spaniertum Don Juans. Don Juan ist Sevillaner oder Spanier durch Zufall und könnte genausogut aus einem anderen Land 47

stammen. Sein Typ ist universal und stellt nicht die für das spanische Volk charakteristischen Züge dar. Diese finden nun bei don Gutierre in "El medico de su honra" sehr gut ihren Ausdruck. In ihm sind die "modalidad netamente nacional del amor espanol ... del hogar castellano, monogàmico, austero hasta rozar el misticismo" verkörpert. Und weiter: "El varón castellano autòctono està representado no por el Don Juan, sino por "El medico de su honra", es decir, por el marido, el amante, el padre o el hermano que depositan el honor conyugal y el familiar en la virtud de la mujer, y que no retroceden ante nada para defenderlo o para vengarlo no sólo cuando es ofendido, sino sólo cuando se sospocha que se le puede ofender."14 Die menschlichen Eigenschaften don Gutierres haben indessen keine weltweite Bedeutung erlangen können. Der Typ war zu fremdartig für die Mentalität der nichtspanischen Welt. Sie konnte sich mit dieser Figur nicht identifizieren. Die Haltung don Gutierres mag in Spanien sogar in moralischer Hinsicht abgelehnt werden, sie wurde aber bis vor nicht allzu langer Zeit immer gut verstanden. Etwas ähnliches geschieht mit dem "gracioso" des spanischen Theaters, nur daß das Gebiet des Komischen, in dem dieser sich bewegt, viel umfassender ist als der psychologische Bereich des Ehrenproblems, in dem don Gutierre sich befindet. Daher hat der "gracioso" viel mehr Berührungspunkte mit der nichtspanischen Gesellschaft. Der "gracioso" möchte von allen verstanden werden, aber auch in ihm bleibt noch ein Rest echten Spaniertums, der allen denen eine richtige Beurteilung unmöglich macht, die nicht jahrelang in Spanien gelebt haben. Aber kehren wir zum Humor Calderóns zurück und fassen wir die Urteile der Kritiker über ihn zusammen: a) Die heitere, komische und humoristische Seite im Werk Calderóns ist von den zahlreichen Kritikern, die sich mit dem Dramatiker beschäftigt haìàèn* vernachlässigt, oder zumin48

dest bis heute noch nicht als wesentlich angesehen worden. In vielen Arbeiten über den Dichter wird das Thema nicht einmal gestreift, und wenn, dann nur ganz oberflächlich. b) Ganz allgemein hält man die humoristischen Fähigkeiten Calderóns für geringer als die Lopes und vor allem als die Tirso de Molinas. Einerseits gesteht man ihm Geschick zu, findet andererseits aber auch große Fehler. Es besteht also keine Einmütigkeit, was den calderonianischen Humor betrifft. c) Niemandem ist die Komik aufgefallen, die möglicherweise die ernsten Personen in Calderóns Komödien zeigen können; deshalb ist auch auf diesem Gebiet noch keine eingehende Untersuchung durchgeführt worden. d) Wenn man von der Komik oder dem Humor bei Calderón spricht, beziehen sich die Kritiker fast immer auf die Figur des "gracioso". Auf diesem Gebiet herrscht ebenfalls Uneinigkeit, aber die allgemeine Tendenz wirft ihm Einfallsarmut bei der Gestaltung dieser Figuren vor, mit Ausnahme einiger weniger, die vorhin erwähnt wurden, und in denen er sich als wahrer Meister des Humors erweist. e) Seltsamerweise und wider alle Erwartungen hat das Problem des Humors bei Calderón mehr die ausländischen als die spanischen Kritiker interessiert. Innerhalb der engen Grenzen, in denen dieses Thema behandelt wurde, und innerhalb der angewandten Kriterien, über die noch zu diskutieren wäre, kann man darin den Versuch sehen, diese Seite des calderonianischen Werkes nicht völlig außer acht zu lassen, obwohl, wie schon erwähnt, dieser Versuch nicht weit gediehen ist. In den folgenden Kapiteln wird der Versuch unternommen, eine gründlichere Untersuchung über diesen bisher wenig beachteten Aspekt im Werk Calderóns durchzuführen, ein Aspekt, der es verdient, mit der gleichen Aufmerksamkeit wie die anderen be49

handelt zu werden.

2. Die Mantel- und Degenstücke Diese Arbeit enthält die Untersuchung über die heitere Seite in Calderóns Werk, das heißt, über die sogenannten Mantel- und Degenstücke, eine äußerst beliebte Gattung im Theater des Goldenen Zeitalters; diese Gattung gibt den Szenen Lokalkolorit und verleiht ihnen eine besondere Färbung, die oft die anderen Besonderheiten verblassen läßt. Es geschieht etwas Ähnliches wie mit dem Ausländer, der Spanien nur ungenügend kennt und das typisch Andalusische und den Flamenco mit dem Wesen des spanischen Temperaments verwechselt. Obwohl das spanische Theater nicht nur aus Mantel- und Degenstücken besteht, müssen wir uns vor Augen halten, daß diese Gattung auf den spanischen Bühnen im Uberfluß gespielt wurde und auf größte Sympathie seitens des Publikums stieß. Dieses Mantel- und Degen-Element fand sogar Eingang in die ernstesten Dramen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Nebenhandlungen in "La vida es sueno" und "El mágico prodigioso", mit der Geschichte von Rosaura und Astolfo, sowie den ritterlichen Abenteuern von Floro und Lelio, den Bewerbern Justinas. Ähnliche Fälle wiederholen sich bei vielen Dramen. In bezug auf die Mantel- und Degenstücke ist Calderón ein Meister dieser Gattung. Das ist einmütig von den Kritikern aller Epochen anerkannt worden, und die Fehler und Mängel, die man vielen seiner Komödien vorwerfen könnte, dürfen nicht dem Dichter zugeschrieben werden, sondern sind schon von vornherein in dieser Art von Stücken enthalten. Zweifellos werden die Themen und Motive des Mantel- und Degenstücks bei Calderón sehr vereinfacht, aber seine Kunst zu kombinieren, um immer neue Wirkungen und unerwartete Lösungen mit diesen wenigen Motiven zu erzielen, ist umso mehr hervorzuheben . 5Cr

Calderón wurde oft der Wiederholung und Eintönigkeit beschuldigt. Alle seine Damen sind gleich, desgleichen die Galane; der Vater erscheint in jeder Komödie im immer gleichen (ungünstigen) Augenblick; die Liebhaber drücken sich in allen Stücken mit den gleichen Worten aus, und so könnte man Einwand auf Einwand vorbringen, bis eine beachtliche Liste entstanden wäre. Das alles ist nicht zu bestreiten, vor allem nicht, wenn man seine Stücke aus der Sicht eines modernen Zuschauers betrachten würde, der alle Komödien Calderóns gelesen oder -wenn so etwas überhaupt durchführbar wäre - auf der Bühne gesehen hätte, und der gar nicht das Interesse aufbringen kann, das diese Dramen zu ihrer Zeit weckten. Diese Komödien müssen indessen in ihrem Kontext gesehen werden, d. h. in ihrer ursprünglichen Umgebung, damit man bemerkt, daß die Wiederholung ihrer Motive nicht nur der übertriebenen Bequemlichkeit des Dichters entsprang (der sich wegen der Nachfrage der Bühnen gezwungen sah, Komödien am laufenden Band zu produzieren), sondern auch der Forderung des Publikums, das sich großartig amüsierte, wenn es in den Komödien schon alle ihm bekannten Elemente vorfand, und das andererseits nicht zulassen wollte, daß der Dichter zu weit vom gewohnten Weg abschweifte. - Etwas Ähnliches geschieht heute mit den Wildwestfilmen, die beim Kinobesucher uneingeschränkte Gunst genießen. Es gibt keinen Film, in dem nicht mit geradezu ritueller Genauigkeit die gleichen Elemente auftauchen: Die Schlägerei im "Saloon", der Uberfall auf die Postkutsche, das Schlußduell zwischen dem Bandenchef und dem Hauptdarsteller usw. Fügen wir noch hinzu, daß die Kombinationsmöglichkeiten hier größer sind, da jeder Film von einem anderen Autor stammt. Aber auch so bleibt das Schema fast unverändert. Das hindert nicht daran, daß eine erstklassige Technik, zusammen mit dem künstlerischen Empfinden eines guten Regisseurs, nicht auch Meisterwerke hervorbringen könnte. - Doch kehren wir zu Calderón zurück. Wir können feststellen, daß er trotz seines reichhaltigen Schaffens Mantel- und Degenstücke hervorgebracht hat, die nicht an Wert verloren haben, obwohl ihren Themen die Aktualität fehlt, und die, wenn man sie miteinander vergleicht,

den Eindruck erwecken, als seien sie doch sehr unterschiedlich. Sie hinterlassen Gefühle verschiedener Art, auch wenn in ihnen die gleichen Motive behandelt werden, die - wie auch bei den Wildwestfilmen - unerläßliche und von der Gattung untrennbare Requisiten sind. Es wäre sehr schwierig, Calderón bei der Behandlung seiner Komödien Eintönigkeit vorzuwerfen, wenn man nur eine Auswahl seiner Werke vor sich hätte, wie z. B. "El astr&loge fingido", "La dama duende", "No hay burlas con el amor", "La señora y la criada", "Las manos blancas no ofenden", "El maestro de danzar", "Cual es mayor perfección", "Afectos de odio y amor", "Guárdate del agua mansa" und "El escondido y la tapada". Betrachten wir allerdings die Gesamtheit der calderonianischen Komödien, kommt irgendwann der Augenblick, in dem wir von soviel verhüllten Damen, versteckten Galanen und zum unpassenden Zeitpunkt erscheinenden Vätern genug haben. Die Wiederholungen bei Calderón sollen nicht geleugnet, aber doch gerechtfertigt werden, wenn man die damaligen Umstände berücksichtigt und die besondere Empfänglichkeit des Publikums, das die Theater füllte. Calderón war sich dieser Wiederholungen bewußt, er verwandte sie absichtlich und machte sich sogar in seinen eigenen Komödien über sie lustig. Letzteres ist überhaupt ein besonderer Zug des Autors: das Auf-sich-selbst-Anspielen in seinen Stücken, das Sich-lustig-machen über seine eigene Technik. Nun spottet Calderón zwar über sich aus einer Haltung ironischer Überlegenheit, aber er greift diese Technik nicht an, er verläßt diese Bahn nicht und macht etwas anderes. Sein großer Einfallsreichtum bei der Erfindung von Abenteuern entwickelt sich in die Tiefe, nicht in die Breite, das heißt, er bemüht sich, neue Möglichkeiten zu ersinnen, ohne sich jemals von den Normen, die die Gattung beherrschen, zu entfernen. Er zerbricht sich den Kopf, um sich Verwechslungssituationen auszudenken, die zwischen der Dame und dem Galan, z. B. wegen eines versteckten Mannes, entstehen können, und um der Szene einen anderen Anstrich zu geben. Aber er bricht nicht mit den szenischen Konventionen, indem er diese Situation ausläßt und z. B. etwas ganz anderes, das völlig neu und ohne Tradition beim 52

Theater ist, an ihre Stelle setzt. Mehr noch, wenn er einen kleinen Schritt wagt gegen die Konvention, zeigt er es mit Nachdruck, damit das Publikum auch bemerkt, was er gerade gemacht hat. So will Alonso, der Galan aus "No hay burlas con el amor", seinen Diener entlassen, als er erfährt, daß dieser verliebt ist. Er erhält daraufhin zur Antwort: siempre dio el teatro enamorado al amo y libre al criado. No tengo la culpa yo desta mudanza; y asi deja que hoy el mundo vea esta novedad, y sea yo el galán, tú el libre

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Ginge man noch weiter, würde ich die Behauptung wagen, daß Calderón, mehr noch als jeder andere Dichter der damaligen Zeit, die Situationen wiederholt, und zwar nicht nur, weil er sich durch die besondere Natur der Gattung und die Forderungen des Publikums dazu gezwungen sieht, sondern weil er ein besonderes Vergnügen daran findet, innerhalb dieses so engen Rahmens neue Möglichkeiten und Varianten zu finden, um damit seine szenische Virtuosität - derer er sich völlig bewußt war zu beweisen. Calderóns Komödien drehen sich alle um den gleichen Punkt: die Liebe (aber Vorsicht, eine bestimmte Art Liebe, sehr stilvoll, die manchmal durch feine Metaphern und Syllogismen ihren Ausdruck findet, die die Ehe zum Ziel hat, auf die man aber immer, wenn die Umstände es erfordern, verzichten kann) und ihre zwei untrennbaren Begleiter für Calderón: die Eifersucht und der Konflikt, in den die Liebe mit der Ehre geraten kann. Die eheliche Vereinigung des Caballeros und der Dame bildet den Schluß der Komödie. Die Hindernisse, die sie überwinden müssen, bevor die Verbindung zustandekommt, machen die Handlung - genauer gesagt, den dramatischen Knoten - aus. Diese Hindernisse entstehen meistens durch die Eifersucht des einen oder anderen Partners, die durch eine Verwechslung hervorgerufen wurde. Hier tauchen Probleme der Ehre auf, Duelle mit schein53

baren Rivalen, und die Komplizierung der Lage durch Verflechtung der Hauptintrige mit der Nebenintrige, d. h. mit dem zweiten Paar, das in allen Komödien vorkommt. Bis zur Hälfte des Stückes ist alles so verworren, daß niemand genau weiß, was wirklich vor sich geht. Hier triumphiert der Schein. Dies wird noch gesteigert, wenn alle nur möglichen Verwechslungselemente bis zum Schluß ins Spiel gebracht werden, sich alles in atemberaubender Schnelligkeit löst und alles wieder an seinen Platz zurückkehrt. Valbuena Briones hat die Schemata dieser Art Komödie genau untersucht, wie auch die Neigung Calderöns, die Intrige zu entfalten. Er hat auch einige der Besonderheiten der calderonianischen Komödie festgehalten: ihre Dynamik, die glänzende Art des Ausdrucks, das Fehlen der Mutterrolle, das Motiv des angedeuteten Inzests unter Geschwistern, die mehr oder weniger offene Kritik an der väterlichen Haltung, die Stillegung der Handlung durch das Abenteuer, der Dualismus Realität - Ideal, die moralistische Haltung des Autors und die Strömung, die Rasse zu idealisieren, wie auch das Gefühl der Beklommenheit bei diesen Stücken und das erdrückende Gefühl, das aus dieser Technik der Verflechtung entsteht. Dem können noch einige weitere Beobachtungen hinzugefügt werlen: a) Die Handlungsweise der weiblichen Personen, die ihre ganzen Fähigkeiten ins Spiel bringen, um das zu erreichen, was sie wollen. b) Ein gewisser Widerwille, das Motiv der männlichen Verkleidung zu verwenden (etwas, das übrigens auch von vielen Kritikern vermerkt wird), aber im Gegensatz dazu die häufige Verwendung des "manto" bei der Frau. Das Werk ist voller verschleierter Frauen. Der "manto" war die bevorzugte Waffe der Dame, um sich größere Bewegungsfreiheit zu verschaffen. c) Die Vorrangstellung der Ehre gegenüber der Liebe. Alle Per54

sonen können ihre Leidenschaften beherrschen, sobald die Ehre oder der Ruf es erfordern. "Ich bin, der ich bin" ist der Lieblingssatz der Personen in solchen Fällen, ein Ausspruch, der noch dazu nicht frei von Hochmut ist. Er wird immer von adligen Personen geäußert, die im letzten Augenblick auf ihre Neigungen, die etwas ihrer Stellung Unwürdiges verlangen würden, verzichten können. d) Die Väter oder Brüder sind bei Calder6n immer eines der Haupthindernisse für die Liebe des Galans und der Dame, jedoch niemals unmittelbar, d. h. sie wissen niemals, daß ihre Töchter oder Schwestern Beziehungen zu irgendeinem Caballero haben. Niemals gibt es das ausdrückliche Verbot, eine bestimmte Person zu heiraten, wie in den Komödien Molieres, wo der Vater weiß, wer sich um seine Tochter bewirbt, dem aber der Bewerber nicht genehm ist, weil er schon einen anderen nach seinem Geschmack vorgesehen hat. Die strenge Gesellschaft der calderonianischen Komödien ließ es offiziell nicht zu, daß ein Vater erfuhr, daß seine Tochter irgendjemandem zugetan war. Das hätte schon genügt, die Familienehre zu beflecken. Sogar in dem Augenblick, in dem der Vater entdeckt, daß seine Tochter verliebt ist, weiß er nicht, wer der Bewerber ist, und so ergibt sich die spaßige Situation, daß die Tochter von zu Hause fliehen muß. Der Vater denkt, sie sei in der Gewalt eines anderen Caballeros und bittet ausgerechnet den Galan selbst um Hilfe. Man kann daher sagen, daß der Vater sich bis zu den letzten Versen des letzten Aktes nicht vorstellen kann, wer der Gatte seiner Tochter wird. e) Das fast völlige Fehlen des pikaresken Elementes. Im Gegensatz zu den Komödien Lope de Vegas und Tirso de Molinas, in denen sich manche Personen recht spitzbübisch aufführen, benehmen sich die männlichen Figuren Calderons immer so, wie das ritterliche Ideal es vorschreibt (auch wenn sie manchmal einfach unsympathisch wirken und ihre Haltung nicht zu verstehen ist, wie in der Komödie "Amor, honor y poder"). Als äußerstes können sie soweit gehen, etwas ver55

führerisch dem weiblichen Geschlecht gegenüber zu sein, desgleichen wankelmütig und inkonsequent. Aber sie betrügen fast nie und sind auch nicht besonders gewinnsüchtig. Natürlich gibt es ein paar Ausnahmen. Eine von ihnen ist don Diego aus "Hombre pobre todos es trazas", der am Schluß bestraft wird und niemanden heiratet. In bezug auf die weiblichen Hauptfiguren gibt es keine, deren moralisches Verhalten - vom Gesichtspunkt der Ehre aus gesehen - etwas zu wünschen übrig ließe. Die - mehr oder weniger verborgenen Kurtisanen sind völlig aus Calderóns Komödien verbannt. f) In seinen Komödien zeigt Calderón seine skeptische Seite fast noch deutlicher als in seinem übrigen Werk. Die fehlende Tiefgründigkeit der Handlung, die heitere Art der Gattung sind gute Grundlagen, um den illusorischen Charakter dieser Welt zu zeigen, in der sich alles um Trug und Schein dreht. Daher gefällt es Calderón andererseits, in seinen Stücken die gegensächlichsten Thesen zu vertreten, und am Schluß erhält man den Eindruck, als glaube er selbst nicht allzu sehr an die gesellschaftlichen Werte, auch wenn es in seinen Komödien so aussieht, als respektiere er sie. Dieser Respekt ist nur scheinbar, und der Autor versäumt keine Gelegenheit, uns dies immer wieder zu zeigen. Der "gracioso" spielt mit seiner Haltung und seinen Bemerkungen über die Geschehnisse eine wichtige Rolle in dem Prozeß, die "fiktiven" Werte der Gesellschaft zu entlarven. Innerhalb der Mantel- und Degenstücke gibt es verschiedene Kategorien. Valbuena Briones hat in seiner Einführung zum Band "Komödien" eine Klassifizierung dieser Gruppe von Calderóns Stücken vorgenommen. Darin unterscheidet er vier Hauptgruppen: Die Sittenkomödien, die "hacen referencia a las costumbres y hábitos de la época, así como a los entendimientos y relaciones entre damas y g a l a n e s d i e höfischen Komödien, die wiederum in "de primera época" und "de segunda" eingeteilt werden und die mit den Sittenkomödien viele Berührungspunkte haben, vor allem die der ersten Untergruppe, während die der zweiten Untergruppe mehr Wert auf Bühnenausstattung legen. Beide Un56

tergruppen zeichnen sich durch "equivoco en las situaciones, así como la habilidad en el enredo" aus. Es folgen die exemplarischen Komödien, die "desenvuelven algún episodio de gran resonancia moral o humana", und schließlich die romanhaften Komödien, die "basan su argumento en una fantasía caballeresca. Sus fuentes esenciales son los libros de aventuras y los grandes poemas". Calderón schickt gern schon im Titel den Inhalt seiner Komödien voraus und verwendet deshalb auf ihn besondere Sorgfalt. Es gibt kaum Titel, die eine neutrale Bedeutung haben, aus denen man wenig oder nichts über den Inhalt des Stückes entnehmen kann. Dies passiert vor allem in den romanhaften Komödien, die, da ihr Verlauf bereits bekannt ist, keiner weiteren Erläuterungen bedürfen (z. B. "El conde Lucanor", "Auristela y Lisidante", "La puente de Mantible"). Die meisten Titel dagegen nehmen entweder einfach voraus, wovon das Stück handeln soll (wie in "La dama duende", "El astrólogo fingido", "El galán fantasma", "El escondido y la tapada"), oder - und das ist ein bei Calderón sehr beliebtes Mittel - sie beinhalten eine "These" in Form eines Sprichwortes oder einer Redensart, die im Verlauf der Komödie an Beispielen erläutert wird. Hierzu zählen Stücke wie "No hay burlas con el amor", "Las manos blancas no ofenden", "Mujer, llora y vencerás", "También hay duelo en las damas" und viele andere mehr. Der Spruch wird ein- oder mehrmals im Verlauf der Komödie wiederholt und dient als Schlüssel zum Verständnis für das Verhalten der Personen, und nicht nur das. Auch wird in den Titel auf andere Komödien angespielt. Calderón treibt hier die Dinge auf die Spitze, indem er in einer Komödie ("Mejor está que estaba") auf den Titel einer vorhergehenden ("Peor está que estaba") anspielt und in ihr genau das Gegenteil beweist. Wahrscheinlich stand dieses Vorgehen hoch in der Gunst des Publikums, das die szenische Entwicklung einer "These" vor Augen hatte, die - sei sie auch falsch oder unbedeutend - für die Menschen damals einen entscheidenden Wert besaß.

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Zweifellos sind die Mantel- und Degenstücke vom Gesichtspunkt eines modernen Zuschauers aus sehr veraltet, denn er sucht, um sich an einer Komödie ergötzen zu können, andere Situationen als die im 17. Jahrhundert geschaffenen. Wer kann sich heute mit der komplizierten Eroberung einer Dame durch einen Liebhaber, und umgekehrt, identifizieren, die sich unter Umständen abspielt, die den unseren so fremd sind? Wen interessiert die Frage, ob der Caballero erst zur Dame oder zum Freund eilen soll, wenn aller Wertmaßstäbe jener Zeit, die diese Frage überhaupt erst aufwerfen, nicht mehr gültig sind? Das Durchkreuzen der Hauptintrige durch die Nebenhandlung, die das Stück viel verwickelter macht, ist eine Probe des Könnens, auf die der moderne Zuschauer nicht mehr reagiert, die ihn ermüdet und schließlich langweilt. Nur zwei Dinge können die Frische dieser Komödien erhalten: eine außergewöhnliche Bühnentechnik und eine gut gemeisterte Komik, die in der Lage ist, die Abnutzung, deren Opfer sie im Laufe der Zeit geworden sind, zu überspielen. Es soll keinesfalls behauptet werden, daß diese beiden Dinge in allen calderonianischen Komödien zusammentreffen, aber immerhin doch bei einigen, die allein schon ausreichen, um einen Beweis von Calderons Talent auf diesem Gebiet zu geben. Die Sittenkomödien oder "städtischen" Komödien eignen sich besser dafür, das Interesse des Zuschauers wach zu halten, als die höfischen, da sie sich auf einer wirklichkeitsnäheren Ebene abspielen und in zahlreichen Einzelheiten eine größere Annäherung an das Leben selbst zeigen. Die theatertechnische Meisterschaft vieler dieser Komödien wird durch die humoristischen Bemerkungen, die sich besonders in den Sittenkomödien finden und die bei den höfischen Stücken fast völlig fehlen, noch verstärkt. Diese Stücke, die fast immer von einer Prinzessin, Herzogin oder Königin, die sich einen Mann aussuchen muß, und von den verschiedenen Bewerbern und ihren Abenteuern handeln, bieten mit Ausnahme des "gracioso" wenig Platz für das komische Element. Dort finden sich nicht so lustige Situationen wie in den Komödien, deren Handlung in Madrid oder ei58

ner anderen spanischen Stadt spielt, und deren Hauptpersonen, obwohl adlig, nicht den gesellschaftlichen Rang einnehmen wie in den Komödien aus dem höfischen Milieu. Vielleicht ließ es gerade dieser Rang nicht zu, daß Calderón dort viele spaßige Szenen einfügte, weil sie derart hochstehender Personen unwürdig waren. Aber man findet doch hier und da den einen oder anderen humorvollen Zug, die eine oder andere lustige Situation, auf die ich später noch eingehen werde. Die romanhaften Komödien zeigen eine den höfischen Komödien sehr ähnliche Situation und sind kein sehr gutes Beobachtungsgebiet für jemanden, der vorzugsweise den Humor der ernsten Personen bei Calderón untersuchen möchte. - Das führt zu dem Schluß, daß sich das komische oder humoristische Element in sichtbarer Weise in den Komödien städtischen Charakters findet, und diese werden das Material für die weitere Untersuchung liefern.

1 Sturgis E. Leavitt, Humor in the Autos of Calderón, Hispania, California, XXXIX, 1956, S. 137/144

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ders., Did Calderón have a Sense of Humor? Romanic Studies presented to William Morton Dey, Chapel Hill 1950, S. 119 H. Steinberger, Zu Calderóns Gestaltung komischer Bauernfiguren, Silva Monacenses, München 1926 Alexander Parker, The Rôle of the Gracioso in "El mágico prodigioso", Litterae Hispanae et Lusitanae, Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Ibero-Amerikanischen Forschungsinstituts der Universität Hamburg, 1968 August Wilhelm Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Bd. 3, Stuttgart 1966, S. 263 ibid. S. 265 Adolph Friedrich von Schack, Geschichte der dramatischen Literatur und Kunst in Spanien, Bd. 3, Berlin 1846, S. 99 Wolfgang Wurzbach, Calderons ausgewählte Werke in 10 Bänden mit Einleitungen und Anmerkungen, Leipzig 1910 Menéndez Pelayo, Calderón y su teatro, Madrid 1910, S. 353 ibid. S. 357 ibid. S. 361 Max Kommerell, Beiträge zu einem deutschen Calderón, Frankfurt/M, 1946, S. 102 ibid. S. 105 ibid. S. 113 Gregorio Maranon, Don Juan, Madrid 1964, S. 88 No hay burlas con el amor, I, S. 496 Valbuena Briones, El concepto de la comedia y su división, in Prólogo General zum 2. Band der "Obras completas" von Calderón, Madrid, AGUILAR, 1960, S. 45

II. DIE PERSONEN

Die adligen Personen in Calderons "Comedias" Zur Zeit Calder6ns war das Theater etwas fertig Entwickeltes, das der Dramatiker vervollkommnete und sinnvoll gestaltete, ohne sich jedoch jemals von den festgesetzten Normen zu entfernen, die er in allen ihren Formen anerkannte. Es wurde oft gesagt (aber man kann es ruhig wiederholen), daß es die große Aufgabe Calderons war, mit seiner Kunst das große Werk des nationalen Theaters, das von Lope de Vega begonnen und von seinen Nachfolgern fortgeführt wurde, zu vollenden und zu krönen. Hierauf beruht das Hauptverdienst unseres Dichters, und es wäre falsch, von ihm Neuerungen zu erwarten, für deren Verwirklichung die Zeit noch nicht reif war. Der geeignete Augenblick dafür kam unmittelbar nach seiner Zeit, aber da fehlten Künstler, die das spanische Theater hätten erneuern können, und so erschöpfte es sich in Wiederholungen, die es unfruchtbar und anachronistisch werden ließen. Die Virtuosität der Technik Calderons erstreckt sich auch auf die von ihm geschaffenen Personen, und nicht nur jene, die Weltgeltung erlangt haben, wie z. B. Segismundo, Semiramis, Pedro Crespo usw., sondern auch auf die seiner Komödien, was immer man ihnen vorgeworfen hat. Die Hauptanschuldigung lautet, Calderön habe keine Charaktere geschaffen. Sicherlich machte man das nicht nur ihm zum Vorwurf, sondern dem ganzen Theater des Goldenen Zeitalters, aber auf unseren Dichter traf es besonders zu. Betrachtet man nicht auch die Dramen, sondern nur die Komödien, so kann kein Leser oder Zuschauer, der mit den Werken Calder6ns vertraut ist, einer solchen Behauptung zustimmen. Es 61

genügen einige wenige Figuren, Angela aus "La dama duende", Don Diego aus "El astrólogo fingido", Beatriz aus "No hay burlas con el amor", Cristerna aus "Afectos de odio y amor" und Beatriz aus "Cual es mayor perfección", um zu dem Schluß zu kommen, daß Calderón auch in den Mantel- und Degenstücken durchaus fähig war, ausgezeichnete Charaktere zu schaffen. Das einerseits. Andererseits jedoch wird der wichtigste Einwand, den man ihm deswegen machen kann, durch die Frage entkräftet: War es denn Uberhaupt Calderóns Absicht, Charaktere zu zeichnen? War dies der Hauptzweck, als er Komödien schrieb? Unser ästhetischer Geschmack, der sich, von Moliere ausgehend, durch eine lange dramatische Tradition herausgebildet hat, neigt dazu, den sogenannten Charakterkomödien den größeren Wert beizumessen, von denen wir annehmen, daß sie der Vielfalt der menschlichen "Seele" stärkeren Ausdruck verleihen. Dabei vergessen wir, daß der Mensch sich gleichermaßen in der Verkettung der ihn umgebenden Umstände äußert, und daß das Handeln innerhalb der Situation den historischen Lebensprozeß bildet. Die spanische Komödie war ausgesprochen situationsgebunden. Der Zufall, das Ereignis, der Umstand ist es, das einem Werk Interesse verleiht, nicht die Psychologie seiner Personen. Es faszinierte Calderón, seine Personen mit den verzwicktesten Situationen zu konfrontieren, zu sehen, wie sie unsicher wurden und ihren Sinnen nicht mehr trauten, sie mit irreführenden Tatsachen zu foppen, sie in Konflikte zu verwickeln, deren Lösung unmöglich schien, und schließlich doch eine völlig unerwartete Lösung zu finden. Es war ihm indessen nicht sehr wichtig, einen ausgeprägten Charakter darzustellen und im Verlauf des Stückes bis in alle Einzelheiten herauszuarbeiten. Das verlangte weder das Publikum, noch wollten es die Dichter. Aus diesem Grunde sind die Personen untereinander austauschbar. Der don Juan einer Komödie kann genausogut der don Luis einer anderen sein, und was hier Maria ist, kann dort Beatriz sein. Es gibt sicher nicht vieles, was sie unterscheidet, und hier nun treffen wir auf den "Typus". Er ist nicht don Luis, sondern der "Galán", nicht doña María, sondern die "Dame", nicht Leonardo, sondern der "Vater". Dies hat indessen 62

nicht verhindern können, daß Calderón auf diese Weise, sozusagen unfreiwillig, dank seiner dramatischen Begabung einige Charaktere geschaffen hat, die durchaus dem Vergleich mit den besten Komödien des Welttheaters standhalten. Hier hört die Dame auf, "die Dame" zu sein, und wird zu "La dama duende" oder Beatriz oder Leonor. Hier ist der Dichter von der Zuneigung zu der von ihm geschaffenen Person geleitet, hat die Figur in den zartesten Farben gemalt und hat uns nicht nur Einblick in die Situation gegeben, sondern uns auch ihre persönlichen Züge gezeigt. Die spanische Komödie ist von einer ausgeprägten Dynamik. Für Eigentümlichkeiten der Personen hat sie wenig Platz. Wenn Ereignis auf Ereignis folgt, sind die Personen an den Verlauf gekettet und handeln so, wie sie sind. Aber dieses "So-Sein" entspringt nicht ihrer Individualität, sondern ihrer sozialen Stellung. Die Welt der Mantel- und Degenstücke, und ganz besonders der Stücke Calderóns, spiegelt nicht die Konflikte der "Menschen" wider, sondern die der Caballeros und Damen; diese Konflikte sind immer durch ihre Pflichten gegenüber ihrer sozialen Schicht entstanden. Diese Tendenz steigert Calderón. Darum konnten seine Komödien mehr als die anderer Dichter in bezug auf seine Personen die Vorwürfe der Kritiker herausfordern, denn die Personen in den verschiedenen Komödien sehen sich fast immer den gleichen Konflikten und Situationen gegenüber, und ihr Handlungsspielraum, den ihnen ihr ritterlicher Ehrenkodex zugesteht, ist sehr eng. Man hat behauptet, daß Calderón Prototypen geschaffen habe. Das hat seinen Grund, denn in seinen Komödien kann man beobachten, daß er bemüht ist, Idealvorstellungen z. B. vom Caballero, der Dame usw. zu zeigen. Daß dahinter die Tendenz, Beispiel zu geben oder zu moralisieren steckt, wäre schwer zu beweisen, denn häufig erweckt Calderón den Eindruck, als mache er sich ein wenig über seine eigenen Figuren lustig und betrachte sie als "Produkte" theatralischer Konventionen. Unzweifelhaft tragen sie jedoch alle den deutlichen Stempel ihres Schöpfers und zeigen gemeinsame Züge. Betrachten wir eini63

ge von ihnen näher: Die Personen Calderons sind Sklaven ihres Standes. Alle sind durch die Normen und Vorschriften, die ihnen ihre soziale Schicht auferlegt, gefesselt, und ihre einzige Sorge ist es, keine davon zu verletzen. Tun sie es doch, geben sie tausend Erklärungen, um sich zu rechtfertigen. Am wichtigsten ist ihnen die öffentliche Meinung, ihr Ruf. Ihm ordnen sie ihr Leben unter, selbst wenn sie ihm das Teuerste und Liebste opfern müssen. Da keine dieser Personen ihren Lebenswandel völlig der Strenge der Normen anpassen kann, sehen sie sich ständig gezwungen zu lügen. Dieser Mangel an Aufrichtigkeit ist charakteristisch für sie. Die Väter heucheln den Töchtern, die Liebhaber den Damen gegenüber und umgekehrt. Die Dienerin betrügt ihre Herrin und der Diener den Caballero. Der Freund belügt den Freünd und der Bruder die Schwester. Es sind Notlügen, zu denen sie unter bestimmten Umständen durch ihre gesellschaftliche Stellung gezwungen werden. Die Personen Calder6ns sind (obwohl diese Feststellung in einer Arbeit wie der vorliegenden paradox erscheint) ernst. Sie sind keine Freunde des Scherzens und Neckens. Sie sind selten spaßig. Sie reagieren mit Wut und Abscheu auf die Witze des Dieners oder der Dienerin. Sie sind sich ihres Adels sehr bewußt. Nur selten erwähnen sie materielle Dinge, und wenn es doch vorkommt, entschuldigen sie sich dafür. Als Leonardo Diego besucht, den falschen Astrologen, um ihn nach dem Verbleib eines Schmuckstückes zu fragen, das seine Tochter verloren hat, sagt er: "por gusto, mäs que por valor la estimo". Als don Manuel in "La dama duende" die guten Taten aufzählt, die er für don Juan vollbracht hat, unter anderem, daß er ihm das Leben rettete, fügt er hinzu: Dejo otras deudas de menores intereses, que entre nobles es bajeza referirlas

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Die auf die Spitze getriebene Höflichkeit ist ein anderer Zug, 64

den alle Personen gemein haben. Einem modernen Zuschauer erscheint diese Art übertriebener Höflichkeit verdächtig, und er wird eine derart höfliche Person eher für heuchlerisch als für höflich halten. Aber in dieser Gesellschaft kann sich niemand den Luxus erlauben, aufrichtig zu sein. Das wäre ein noch ärgerer Fehler als die dicksten Lügen aufzutischen, denn auf diese Weise hätte man in den meisten Fällen die Gesetze der Höflichkeit verletzt und damit an Vornehmheit eingebüßt. Ein Beispiel für diese ausgesuchte Höflichkeit ist die hohe Bewertung der Gastfreundschaft. Ist der Gast erst einmal aufgenommen, so wird er nicht nur mit dem größten Respekt behandelt, sondern auch mit offenkundigen Beweisen von Zuneigung und Verehrung bedacht. Das gilt für alle, so unangenehm ihnen der Besuch auch sein mag. Die allgemeine Haltung der Personen kann so zusammengefaßt werden: es ist der Kampf um die Erfüllung ihrer Wünsche, ohne von den Verhaltensnormen, die ihnen ihre Standespflichten auferlegen, abzuweichen. Da diese Pflichten (bei Calderón) sehr zahlreich sind und jede Handlung in ihrem Leben beherrschen, stolpern die Personen in jedem Augenblick über ein anderes Hindernis, das sie zwingt, sich zu entscheiden. Das Finden der richtigen Lösung bedeutet einen Schritt nach vorn auf dem Weg, die die Person geht. Das dramatische Interesse der Person liegt in ihrem Geschick, die verschiedenen Hindernisse zu überwinden, und in der scheinbaren Mißachtung der Normen, die auf diesem schmalen Weg immer verletzt zu werden scheinen. Dennoch geht zum Schluß alles seinen rechten Gang, und die Person erreicht heil und sicher ihr Ziel, ohne deshalb die von ihrem gesellschaftlichen Stand festgelegten Normen verletzt zu haben. Wenn der Caballero sich nicht an die Gesetze hält und seinem Namen keine Ehre macht, wird er dadurch bestraft, daß er nicht erreicht, was er sich vorgenommen hat (wie es in "El astrólogo fingido" und "Hombre pobre todo es trazas" der Fall ist). Je zahlreicher und unerbittlicher die Pflichten sind, die die Person zu erfüllen hat, desto mehr Schwierigkeiten hat sie, ihren Weg zu gehen. Calderón fängt seine Figuren in einem Netz von moralischen und vor allem gesellschaftlichen Verboten 65

und amüsiert sich, wenn er sie auf die raffinierteste Weise, ohne auch nur eine Masche zu zerstören, wieder entschlüpfen läßt. Die "graciosos" haben häufig die Aufgabe, dem Publikum das Lächerliche, Paradoxe und manchmal auch Unmenschliche dieser Haltung vor Augen zu führen. Sie bilden ein Ventil, das es dem Zuschauer dann und wann ermöglicht, dieser festgefügten Umgebung zu entfliehen. Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als sei der "gracioso" als menschliches Wesen viel freier. Das stimmt, sobald es sich um die Pflichten der adligen Gesellschaft handelt. Diesen Gesetzen sind die Diener nicht unterworfen, und deshalb erscheinen uns ihre Bemerkungen als äußerst beredte Beispiele des gesunden Menschenverstandes. Trotzdem haben bei Calderón, der die sozialen Schichten so scharf trennt, auch die Diener ihre besonderen - gewiß wenig schmeichelhaften - Gesetze. Sie müssen hinter dem Geld her sein, die Arbeit darf ihnen nicht besonders schmecken, mit dem schönen Geschlecht müssen sie auf dem Kriegsfuß stehen, sie müssen bereit sein, ein Geheimnis auszuplauern usw. Dafür haben sie lustige Einfälle, eine beschwingtere Lebensauffassung, eine treffende Logik usw. Erst in dem Augenblick, in dem der Charakter des Herrn nicht den Normen seines Standes entspricht, erhält auch der Diener Züge, die nicht mit denen seiner Klasse übereinstimmen, und er wird seinerseits zum "Adel" erhoben. Das finden wir nicht nur bei Calderón, sondern auch bei anderen Dichtern. Als Beispiel kann der Catalinón aus "El burlador de Sevilla" gelten. In den Komödien Calderóns finden wir diesen Gegensatz in "No hay burlas con el amor", wo der Herr, der sorglos dahinlebt, für die platonische Liebe wenig und für die sinnliche Liebe umso mehr übrig hat, mit seinem ernsthaft verliebten Diener aneinandergerät, der sich in der Art eines Caballeros nach dem geliebten Wesen sehnt. Sehen wir uns die Personen Calderóns ein wenig näher an.

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a) Der Caballero Die Liebhaber haben bei Calderón alle gemeinsame Züge. Wie schon erwähnt, war es schwierig, den don Luis einer Komödie vom don Pedro einer anderen zu unterscheiden. Dies ist darauf zurückzuführen, daß der Rahmen, in dem sich ihr Verhalten abspielen darf, für jede Situation genau festgelegt ist. Deshalb bleibt wenig Raum für individuelle Freiheit, denn die Gesamtheit der Normen, die jeder Caballero einhalten muß, ist immer gleich und sehr genau festgelegt. Diese Ähnlichkeit im Verhalten der Personen ist so extrem, daß aus dem Munde eines Galans fast die gleichen Verse zu hören sind, wie sie ein anderer in einer früheren Komödie zu einer gleichen Gelegenheit gesprochen hat. Diego aus "El astrólogo fingido", der in Beatriz verliebt ist und von ihr verachtet wird, drückt sich so aus, als er endlich mit ihr spricht: Perdóneme tu hermosura, si atrevido y descortés pongo en tu casa los pies; que yo en esta contingencia no quise pedir licencia, porque tu no me la des. Que estimando tu rigor no quiso la suerte mía que lo que era cortesía me pareciese favor. Bien sé que mi firme amor con tus desprecios no alcanza un átomo de esperanza: pero yo viendo tu fuerte rigor, tengo de quererte por sólo tomar venganza Dieser Abschnitt sowie die zwanzig folgenden Verse wurden von Calderón auch in "La dama duende" verwandt und don Luis, der in Beatriz verliebt ist und ebenfalls von ihr verschmäht wird, in den Mund gelegt. Mit Ausnahme einiger winziger Änderungen wurde der Text wörtlich übernommen.^ Das wiederholt sich häufig. Sehr oft antwortet bei Calderón der Caballero der Dame, die Erklärungen über eine frühere Liebe des Galans verlangt, mit einem Bild. Hierbei vergleicht er 67

seine frühere Verliebtheit mit den Empfindungen eines Menschen, der zum ersten Mal das Licht eines Sternes sieht und es für das größte Licht hält, bis er endlich das wahre Licht erblickt, nämlich die Sonne. Mit dieser vergleicht er seine jetzige Angebetete. Die Caballeros verwenden noch öfter als die Damen die gleichen Redewendungen, um ihre Liebe oder ihre Eifersucht zu betonen. Der Edelmann ist bei Calderón im allgemeinen ehrlich zu seinen Freunden, dem König treu ergeben, jeder Gefahr gegenüber grenzenlos kühn und verwegen, höflich, gesittet und diskret im Umgang mit Damen. Don Carlos Soler y Arques veröffentlichte 1881 eine Abhandlung 4

über die Sitten der Spanier im 17. Jahrhundert und geriet über die Tugenden des calderonianischen Caballeros in Verzükkung, da dieser "más caballero que el de los grandes poetas de todas las naciones" ist. Den Inbegriff dessen findet er in der Komödie "Amigo, amante y leal", ein Werk, das von Dámaso Alonso als "comedieta deleznable" bezeichnet wird. Die Hauptperson dieser Komödie, don Felix, ist eher bereit, Ehre und Reinheit seiner Geliebten den sinnlichen Wünschen des Monarchen zu opfern, als ihm untreu zu werden. Was uns heute ungeheuerlich erscheint, findet in der Welt der calderonianischen Personen seine volle Rechtfertigung, da diese, an die Logik ihres Verhaltens gebunden, keinen anderen Weg kannten. Es fällt don Carlos Soler offensichtlich sehr leicht, sich mit den "caballeros" dieser Komödien zu identifizieren. Den Wunsch nach Rache, den Vater oder Bruder verspüren, sobald sie auch nur den kleinsten Fehler im Verhalten der Damen vermuten, nennt er "delicado sentimiento que hace levantar airado el corazón a la simple sospecha de que alguien pueda haber tratado de empanar la pureza de la hija del hogar". Für den heutigen Menschen sind nicht alle bei Calderón vorkommenden Adligen ein Ausbund an Tugend, sondern Fanatiker der Ehre, die immer bereit sind aufzuspringen und den Degen zu ziehen, wenn auch nur der leiseste Schatten ihren Ruf zu be68

drohen scheint, die jedoch ebenfalls bereit sind, ihr Leben teuer zu verkaufen, um einer völlig unbekannten - und häufig verschleierten - Dame zu helfen. Andererseits neigen sie auch dazu, die Dame, der sie schon mehrere Jahre dienten, sogleich zu vergessen, wenn sie eine andere, hübschere entdecken. Als Erklärung wiederholen sie dann die Geschichte vom Glanz der Sterne und der Sonne und fühlen sich ganz zufrieden und gerechtfertigt. Die Komödien Calderons sind voll von Klagen der Männer über die Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit der Frauen, aber es ist erstaunlich, wie häufig gerade sie die Untreue praktizieren. Sogar das Umwerben zweier Damen zugleich ist etwas, was der Caballero zu rechtfertigen weis. Wenn sie aber durch Zufall dahinterkommen, daß die von ihnen verlassene Dame einen neuen Liebhaber hat, fühlen sie sich in ihrer Eigenliebe verletzt und sind fähig, die Dame noch einmal aufzusuchen, um Rechenschaft zu fordern, obwohl sie selbst kurz vorher schon einer anderen in erlesenen Versen und Bildern von ihrer sie verzehrenden, brennenden Liebe gesungen haben. Die Leichtigkeit, mit der sie eine Dame, die sie nicht lieben, belügen, ist ebenfalls bemerkenswert, und der Nachdruck, mit dem sie ihre Liebe verteidigen, ist nicht von dem zu unterscheiden, was sie der von ihnen wirklich geliebten erzählen. Man darf nicht vergessen, daß dies ein Bestandteil der Höflichkeit war, wie auch das Umwerben oder Hofieren einer Dame, für die man sich nicht interessierte, einen Teil der höfischen Normen ausmachte. Wir wissen sehr wenig über die Beschäftigungen des Liebhabers außerhalb seiner Liebschaften. In einigen Komödien wird erwähnt, er habe "armas y letras" studiert. Dies kann wahrscheinlich für fast alle gelten. Sehr selten erfährt man etwas über ihre materielle Situation. Merkwürdig ist, daß viele von ihnen arm waren. Die Damen scheinen materiell besser gestellt gewesen zu sein. Den Galan der Komödien zieht das Außergewöhnliche, das Abenteuer, an, und er ist stets geneigt, sich vom Reiz des Unbe69

kannten einfangen zu lassen, von dem, was er im Augenblick nicht durchschauen kann. Daher haben die geistvollen Frauen mehr Möglichkeiten bei dieser Art Männer; sie verstehen es, deren Aufmerksamkeit so auf sich zu ziehen, daß die Männer schon bevor sie sich überhaupt verlieben - völlig besessen sind. Die Caballeros setzen sich gegen die weibliche Intelligenz auch nicht zur Wehr (solange sie nicht in lächerliche Überspanntheit ausartet), und man kann sagen, daß sie sich gewöhnlich mehr nach dem Gehör als mit den Augen verlieben, obwohl in keiner Komödie die altbekannten Anspielungen auf die Schönheit der Frau fehlen. Ihre Neigung zum Spaßen und Scherzen ist sehr begrenzt. Die humoristische Wirkung, die diese Personen im Zuschauer wachruft, hängt mehr von ihrer Situation als von ihrem Charakter ab. Der Caballero lacht nicht einmal über die Scherze des "gracioso". Nur wenige von ihnen sind spaßig, wie don Diego aus "El aströlogo fingido" oder don Alonso aus "No hay burlas con el amor". Es fehlt auch die "komische Figur", wenn man vom Toribio in "Guärdate del agua mansa" absieht.

b) Die Dame Wie schon erwähnt, hat die Dame nicht so begrenzte Verhaltensvorschriften wie der Caballero. Läßt man außer acht, wie sehr sie auf ihre Ehre und ihren Ruf bedacht sein mußte, was jedoch nur für das Sexuelle, d. h. für die absolute Sittlichkeit in Taten, Worten, Gesten und Gedanken, galt, so blieb ihr mehr Raum, um sich mit einer gewissen Freiheit zu bewegen.. Die weibliche Ehre verlangt aber noch mehr. Die Frau ist nicht allein Hüterin ihrer Tugend, sondern völlig der Autorität des Mannes unterworfen, sei es der des Vaters, Bruders oder Ehegatten, die keine Gelegenheit versäumen, sie ihre Macht spüren zu lassen. In materieller Hinsicht hat sie nur einen sehr begrenzten Spielraum. Der Mann dagegen kann sich trotz der Gesetze, denen er unterworfen ist, frei bewegen. Die Dame muß aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung praktisch im Haus eingeschlossen bleiben. Es erstaunt daher nicht, daß die weni70

gen Möglichkeiten, sich draußen zu zeigen (Kirche, Besuch einer Freundin etc.), ihren Geist beflügelten und sie nach "neuen Wegen" der Selbstbestätigung suchen ließen. Das Bewußtsein der Unterlegenheit der Frau war der Grund dafür, daß ihr gewisse Dinge erlaubt wurden, die man bei einem Caballero nie geduldet hätte; die Stellung der Frau als unvollkommenes Wesen entschuldigte diese Fehler. Die Frau konnte eine Freundin verraten, wenn das die Möglichkeit war, sich selbst zu retten (das ist die These des "Primero soy yo"), sie konnte ein Geheimnis ausplaudern, ohne dadurch ihre Ehre zu beflecken, sie konnte sich feige zeigen, wann immer sie wollte und eine unüberlegte Handlung damit rechtfertigen, daß sie auf ihre Schwäche als Frau verwies. Davon spricht Calderón in seinen Komödien viel. In allen Dialogen, sei es aus dem Munde des "gracioso", des Galans oder der Deumen selbst, zeigt sich die frauenfeindliche Haltung des Dichters, der jede Gelegenheit nutzt, um die angeblichen Fehler des weiblichen Geschlechts bloßzustellen. Natürlich mag Calderón auch seinen Tribut an einen Gemeinplatz gezahlt haben, auf den kein Werk des 17. Jahrhunderts verzichten konnte; in der Praxis nämlich sind die von ihm geschaffenen Damen in der Mehrzahl stark, standhaft, willensstark und ehrbewußt (nicht nur auf sexuellem Gebiet) und wissen durchaus ein Geheimnis zu wahren. Auch bin ich mit dem Vorwurf nicht einverstanden, den man Calderón wiederholt gemacht hat: er habe keine wirklich weiblichen Charaktere schaffen können. Als Vergleich werden immer die Figuren Lope de Vegas und Tirso de Molinas herangezogen. Es wurde auch behauptet, die calderonianischen Frauen hätten einen männlichen Charakter, es fehle ihnen an Charme, Lieblichkeit, Koketterie, in einem Wort: an Weiblichkeit. Die Willkür dieses Urteils zeigt sich sofort, wenn man bedenkt, welchen Wandlungen der Begriff Weiblichkeit im Laufe der Jahrhunderte unterworfen war, und wie er in jedem Fall von der Vorstellung der Kritiker - in der Hauptsache Männer - abhängt, von ihrer Vorstellung von der Frau. Es ist bereits ein Klischee, daß Lope de Vega der gründlichste Kenner der weiblichen 71

Seele war, daß sie für ihn kein Geheimnis enthielt, während Calderón, dessen Privatleben kein Liebesroman wie bei Lope war, Frauen schafft, die nur in bezug auf ihre spezielle weibliche Psychologie wenig überzeugen. Viele Frauen bei Calderón sind entschlossen und mutig und, wenn sie Prinzessinnen sind, bereit, an der Spitze ihrer Truppen die Interessen des Staates zu verteidigen. Sie wissen die materiellen Waffen (Semlramis, Cristerna) genauso gut anzuwenden wie die immateriellen, die ihnen ihr Geschlecht verleiht (die Hauptperson aus "Mujer llora y vencerás"). Nur sehr selten verfallen sie darauf, sich als Männer zu verkleiden, um ihr Vorhaben durchzuführen, sondern sie bedienen sich dazu fast immer des Schleiers. Sie haben ihre Leidenschaften und Gefühle so gut oder noch besser wie die Caballeros unter Kontrolle, sind äußerst diskret und argumentieren mit der gleichen verstandesmäßigen Logik wie die Männer, und darüber hinaus beschäftigen sie sich mit Fragen der Ehre, die nicht nur ihr Geschlecht betreffen (También hay duelo en las damas"). Kann man daraus schließen, daß sie allgemein menschliche Eigenschaften zeigen, die beiden Geschlechtern gemein sind, daß sie weniger weiblich als andere Frauen sind? Eine gute Antwort gibt uns darauf Calderón selbst durch Cristerna, Königin von Schweden, in "Afectos de odio y amor", als sie sich auf das Recht der Frauen bezieht, an den Staatsgeschäften beteiligt zu sein und sich zu bilden: Pues lidien y estudien; que ser valientes y ser sabias es acción del alma, y no es hombre ni mujer el alma

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Wenn man andererseits in der Frau den spitzbübischen Heiz, die Fähigkeit, Verwirrung zu stiften, Esprit, und eine Prise Frivolität und Koketterie sucht, so gibt es auch hierfür bei Calderón genügend Beispiele, die diese Auffassung stützen, "La dama duende" an der Spitze. Es fehlt auch nicht an passiven Heldinnen, die lieblich, treu und ergeben sind (z. B. die Hauptperson aus "La desdicha de la voz" und "Amigo, amante y leal"), aber hier wirken die Perso72

nen etwas blaß, und die Figuren erreichen keine starke Ausprägung. Mit größerem Vergnügen beschreibt Calderón die energischeren Damen, vor allem die mutigen und tapferen, aber auch die übermütigen und Verwirrung stiftenden. Die Dame muß sich an gewisse Regeln halten, die für ihr Geschlecht spezifisch sind. Die hervorstechendsten sind: Völliges Verbergen ihrer Gefühle. Eine Dame darf in der Öffentlichkeit nicht zugeben, daß sie verliebt ist. Das gäbe Anlaß zu übler Nachrede und brächte Schande Uber sie. Höchstens die Dienerin oder die beste Freundin können in ihre Liebe eingeweiht werden. Völlige Unterwerfung unter den Willen des Vaters oder des Bruders. Der kleinste Widerspruch dagegen ist eine Pflichtverletzung. Es gibt bei Calderón nicht eine einzige Komödie, in der sich die Tochter öffentlich gegen den väterlichen Willen auflehnt. Wenn der Vater sie drängt, einen bestimmten Mann zu heiraten, kann sie nichts weiter antworten als "du weißt, daß ich keinen Willen habe", obwohl sie innerlich verzweifelt ist, weil sie sich bereits selbst einen Gatten erwählt hat. Dadurch können sich dann sogar Komplikationen mit ihrem Liebhaber ergeben, der glaubt, daß ihr die neue Heirat sehr gelegen kommt, weil er sieht, wie sie sich dem Willen des Vaters beugt. Die arme calderonianische Dame zittert während des ganzen Stücks. Sie stirbt vor Angst, wenn sie daran denkt, daß ihr Vater oder Bruder sie entdecken könnte, aber das hindert sie, wenn sie durch Zufall einmal davongekommen ist, nicht, im nächsten Augenblick etwas noch Riskanteres zu wagen, wenn es für ihre Liebe notwendig ist. Auch muß sie lange zögern, ehe sie dem Bewerber ihre Liebe gesteht. Ihr Anstand verbietet es, ihre Gefühle sofort zu zeigen; das würde sie in den Augen des Galans leichtfertig erscheinen lassen. In der Regel muß der Caballero eine Dame zwei Jahre lang umwerben, um die ersehnte Erwiderung seiner Gefühle zu erreichen. Der Caballero verliebt sich im Nu und erklärt seine Liebe sofort. Dies ist der Dame nicht erlaubt. Trotzdem gibt es bei Calderón einige Ausnahmen, 73

in denen die Damen die ersten Schritte tun. Der Reiz der Komödie besteht in diesen Fällen darin, das zu verbergen. Hieraus entstehen die kompliziertesten Intrigen, um den Caballero zu gewinnen, ohne daß die Würde der Dame darunter leidet. Die Damen werden eifersüchtig im Haus gehalten. Nur wenige von ihnen können öffentlich völlig frei mit dem Caballero verkehren. Nur Prinzessinnen und große Damen können Feste und Gesellschaften geben und haben dort Gelegenheit, mit ihren Liebhabern zu sprechen, sogar allein. Unter den Damen der Sittenkomödie haben nur manchmal die "discretas", die geistreichkultivierten, dieses Privileg, und wir sehen, daß sie in ihren Häusern eine Art literarischer Abendgesellschaften abhalten, wo jeder einzelne seinen Geist im besten Licht erscheinen läßt. Eine dieser Damen ist Beatriz aus "Hombre pobre todo es trazas", und das Auffallende an ihr ist, daß Calderón sie weder unter die väterliche noch die brüderliche Autorität stellt. Welche Möglichkeiten die Dame hat, sich mit dem Galan zu unterhalten, erfahren wir von Clara, einer anderen Dame des eben erwähnten Stückes. Als der Galan sich beklagt, daß er nur so wenig Gelegenheit hat, sie zu sehen, antwortet sie: Ocioso es ese cuidado, pues tiene sombras la noche, rejas mi casa, yo coche, y hay calle Mayor y Prado. Der Galan erwidert klug und mit nicht weniger Witz: Ya sé que tengo de ser Argos la noche y el día. Por la manana estaré en la iglesia a que acudís; por la tarde, si salís en la carrera os veré; el anochecer iré al Prado, al coche arrimado; luego en la calle embozado. Ved si advierte bien mi amor 74

horas de calle Mayor, misa, reja, coche y Prado.

c) Der Vater Von allen calderonianischen Personen wird sein Charakter am starrsten gezeichnet. Seine Funktion im Stück beschränkt sich einzig darauf, eifersüchtig über die Ehre seiner Tochter zu wachen und gerade dann zu erscheinen, wenn die Tochter ihren Liebhaber im Haus hat. Wenn er spricht, so nur, um den furchtbaren Verdacht zu äußern, seine Tochter könne Beziehungen zu einem Mann haben. Nur sehr selten zeigt er eigene persönliche Züge, wie z. B. der Vater Marias in "El astrólogo fingido". Dieser erzählt in einer Unterhaltung mit Diego - von dem er glaubt, daß er Astrologe sei - von seiner Neigung zu dieser Wissenschaft. Er trägt später zu den Verwicklungen des Stückes bei, als er Don Diego aufsucht und ihn um Hilfe bei der Suche nach einem verlorenen Schmuckstück bittet. Die Figur des Vaters bei Calderón versucht ernst zu sein und Respekt einzuflößen, und seine Worte, Handlungen und Gesten passen sich dieser Absicht sehr gut an. Das ändert jedoch nichts daran, daß diese Figur beim Zuschauer verhältnismäßig schlecht davonkommt, da sie mehr als die anderen hintergangen wird, und das nicht in gleicher Weise wie die anderen, die sich vom äußeren Schein trügen lassen oder einem Irrtum zum Opfer fallen. Der Vater wird mit voller Absicht betrogen. Er kann sich nicht im geringsten vorstellen, was bei ihm zu Hause vorgeht, oder was seine scheinbar so gefügige Tochter tut. Das Publikum sollte sich an den Streichen erfreuen, die dem Vater gespielt wurden, an seiner Ahnungslosigkeit, wenn er sein Haus betritt und die Tochter ihn mit Unschuldsmiene empfängt, während der Liebhaber hinter der Tür versteckt ist. Der Vater in den calderonianischen Stücken ist, so will mir scheinen, ein Ersatz für den betrogenen Ehemann, nur in sehr abgeschwächter Form. Mit diesem hätte sich die strenge Gesell75

schaft des calderonianischen Theaters niemals solche Scherze erlaubt. Welche Folgen ein Verdacht auf eheliche Untreue haben kann, sehen wir in "El médico de su honra" und "A secreto agravio, secreta venganza". Die Figuren dieser Ehemänner werden heroisiert und lassen die übrigen verblassen. Außerdem werden sie völlig gerechtfertigt, sogar durch königliche Autorität. Wenn man sich aber nicht über den betrogenen Ehemann lustig machen und die heitere Wirkung, die diese Figur in der Literatur und im Theater zu allen Zeiten gehabt hatte, genießen konnte, welche Figur sollte man dann nehmen, die diese Aufgabe - wenn auch nur angedeutet - erfüllte? Calderón benutzte hierfür, obwohl sehr vorsichtig, die Figur des Vaters. Er läßt die Person allerdings nur sehr bedingt lächerlich erscheinen, und vor allem wird die bedrohte Ehre am Schluß immer durch die Heirat der Tochter wiederhergestellt. Dies entschuldigt den Betrug, obwohl der Vater nicht immer - sei es mit der Wahl seiner Tochter oder mit der Art und Weise, wie die Heirat zustandekommt - zufriedengestellt ist. Es bleibt ihm jedoch nichts übrig als sich zu fügen, und häufig hört man hinter vorgehaltener Hand Worte wie diese: Fuerza es que calle; que ya sucedido el daño, nada puede remediarse.

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Die väterlichen Züge in den Komödien erscheinen uns wie eine versteckte Karikatur. Ganz anders sind jedoch die Eigenschaften dieser Figur in den Dramen herausgearbeitet, in denen der Vater die ganze Kraft seiner Persönlichkeit entfalten kann und seine Haltung absolut überzeugend ist. Pedro Crespo ist zweifellos das beste Beispiel dafür.

d) Der Bruder Sein Verhalten wird von zwei Seiten bestimmt. Einerseits teilt er die Vorrechte des Vaters in bezug auf die Bevormundung der 76

Dame, andererseits besitzt er die Eigenschaften des Galans. Seine Reaktion auf das, was die Familienehre antastet, ist viel heftiger, unüberlegter und vor allem strenger. Der Bruder, jung und seinerseits in eine Dame verliebt, die die Tochter oder Schwester eines Mannes wie er ist, zögert nicht, den Degen zu ziehen, um die schuldige "Fiera" zu töten, die zu einem Fleck auf seiner Ehre geworden ist. Die Brüder sind bei Calderón gewöhnlich die Liebhaber beim zweiten Paar; in ihrer Eigenschaft als Brüder stellt Calderón sie nicht übermäßig sympathisch dar, denn die Autorität, die sie über die Schwester ausüben, ist sogar noch tyrannischer als die des Vaters. Trotzdem wirkt diese Figur nicht so lächerlich wie die des Vaters. In einigen Stücken tauchen noch andere Figuren auf. Allerdings kommen sie nicht regelmäßig vor, wie z. B. der Freund eines der Liebhaber. Fast immer ist es der andere Liebhaber, deshalb habe ich ihn nicht gesondert behandelt. Es kann aber auch eine neue, andere Person sein, die sich in diesem Fall nicht viel um Liebesangelegenheiten kümmert, etwas skeptisch ist und sich darauf beschränkt, dem Freund Ratschläge zu erteilen. In vielen Stücken kann man auch einen dritten Liebhaber beobachten, der dann das Pech hat, keine Partnerin abzubekommen. Zuletzt soll der König oder Fürst erwähnt werden, der in den höfischen Stücken sehr häufig vorkommt. Die Könige werden, um die Wahrheit zu sagen, sehr wenig schmeichelhaft dargestellt. Fast alle sind leicht entflammt, willkürlich mit ihren Untertanen, mißbrauchen ihre Macht, aber alles innerhalb gewisser Grenzen, und schließlich retten sie sich gerade eben noch, indem sie im letzten Augenblick ihre Triebe zügeln, sich großzügig zeigen und versuchen, das mögliche Übel, das sie angerichtet haben könnten, wiedergutzumachen.

1 La dama duende, I., S. 239 2 El astrólogo fingido, I, S. 133 - 134 3 La dama duende, II, S. 252 4 Carlos Soler y Arques, Los españoles según Calderón, Discurso acerca de las costumbres publicas y privadas de los españoles en el siglo XVII, fundado en el estudio de las comedias de Calderón de la Barca, Madrid 1881 5 Afectos de odio y amor, I, S. 1762 6 Hombre pobre todo es trazas, I, S. 208 7 No hay burlas con el amor, III, S. 526

III. DIE KOMIK DER CHARAKTERE

Wir haben bisher von Calderóns adligen Personen im allgemeinen gesprochen. Jetzt soll die Frage aufgeworfen werden: Welche komischen Züge können diese Personen aufweisen? Bevor wir im Laufe dieses Kapitels auf diese Frage eingehen, versuchen wir, zwei verschiedene Typen des Komischen in bezug auf die Personen zu unterscheiden. Der eine hat seinen Ursprung in der "komischen Figur". Die Person weiß nicht, daß sie Lachen hervorruft. Sie merkt es außerdem nicht, da sie in ihrem eigenen Verhaltensmechanismus gefangen ist, der, da er sich von den übrigen in bestimmter Hinsicht unterscheidet, für die anderen ein Grund zur Heiterkeit ist. Sie will sich immer wieder selbst bestätigen und zeigt dabei die Eigentümlichkeiten ihres Charakters immer deutlicher, was wiederum dazu führt, daß sie sich noch lächerlicher macht. Der andere Typus ist sich seiner Handlungen bewußt, und wenn sie sich von denen der anderen unterscheiden, ist diese Abweichung logisch begründet, und zwar in einer Weise, die beim Publikum eine komische Wirkung erzeugt, aber die Würde der Person wahrt. Sie wirkt sympathisch, jedoch nicht lächerlich. Dieser letzte Typus besitzt bewußten Humor. Der erste erzeugt unfreiwillige Komik. Es wurde schon erwähnt, daß die Caballeros und Damen bei Calderón mehr als alle anderen die Konventionen und Normen ihres Standes einhalten, zu denen es gehört, nicht gern zu lachen und sich durch Ernst und Humorlosigkeit auszuzeichnen. Daher muß man die Hauptquellen bewußter Komik bei den Personen suchen, die sich am meisten von diesem Ideal entfernen. Der typische Caballero bei Calderón sieht das Leben nicht durch die Brille des Humors. Es gibt in seinem Wortschatz kaum ironische 79

Bemerkungen. Wir müssen uns schon mit einer etwas leichtsinnigen Erscheinung beschäftigen, wie don Diego aus "Hombre pobre todo es trazas", um ironische Bemerkungen über Begebenheiten, satirische Äußerungen über den Hof oder die Frauen, Scherze über seine eigene ärmliche Lage zu hören. Die Frauen sind unabhängiger von den Normen, daher sind sie es, die uns mehr oder weniger humoristische Charaktere liefern, ohne daß deswegen ihrer Figur die zu einer Dame gehörenden Attribute abgehen. Das soll nicht heißen, daß uns alle calderonianischen Damen das gleiche anbieten können. Die Zahl der "lustigen" ist relativ klein, aber immerhin um vieles größer als die der Caballeros . Sehen wir also, wie sich der Humor bei Calderón in dieser bestimmten Gruppe von Menschen äußert. Zuerst soll die lächerliche Figur behandelt werden, die Person, die eine komische Wirkung erzielt, ohne es zu wissen.

1. Unfreiwillige Komik a) Die "culta latiniparla" Die gebildete Frau ist eine der Lieblingsfiguren in der Literatur und im Theater und erscheint immer als Zielscheibe für die Scherze und Satiren ihrer Zeitgenossen. Je nach Epoche und Land hat sie verschiedene Namen: Was in Spanien die "culta latiniparla" war, wurde in Frankreich zur "Precieuse". Der Typ breitete sich im 17. Jahrhundert Uber ganz Europa aus, blieb unter mehr oder weniger anderen Formen bis in unsere Tage in der Literatur am Leben und hat heute dank des Films neue Impulse erhalten. Die komische Wirkung, die diese Person schon von vornherein mit Sicherheit hat, basiert auf der tiefen Abneigung des Volkes gegenüber dem, was man heute eine "intellektuelle Frau" nennen würde. Das Kollektivbewußtsein, das die intellektuellen Bestrebungen der Frau als widersinnig ansieht, weil es annimmt, sie lägen überhaupt nicht in ihrer Natur, freut sich über alle Maßen, wenn es sie öffentlich in einer 80

Satire behandelt sieht. Ein Dichter, der genügend Witz hat, um das Lächerliche dieser Charaktere wirkungsvoll herauszustellen, kann auf den guten Erfolg seines Werkes vertrauen. Das Rezept ist unfehlbar: Man nehme eine weibliche Person, die vom kulturellen Wahn besessen ist, konfrontiere sie mit Situationen, die durch diese "Verirrung" entstanden sind, und die Lachsalven des Publikums werden den Versuch belohnen. Wenn die Person dem Dichter unsympathisch ist, wird sie zum Schluß von allen beschämt, verachtet und verspottet; ist sie ihm sympathisch, wird sie von ihrem Wahn durch die Liebe geheilt. Die Liebe führt sie auf den rechten Weg zurück, den sie besser nie verlassen hätte, und zwingt sie dazu, sich wieder mit ihrem Wesen als Frau zu versöhnen. Calderón, immer auf seinen Ruf als Theaterdichter bedacht, konnte diese Quelle nicht ungenutzt lassen, die - wenn wir den Zeugnissen der Zeitgenossen glauben - ihm das wirkliche Leben im Uberfluß anbot. Seine Komödie "No hay burlas con el amor" dreht sich um dieses Motiv, und Beatriz, ihre Heldin, ist das vollendetste Beispiel dieses Typs im ganzen spanischen Theater. Nun richteten sich die Angriffe hauptsächlich gegen den "culteranismo" und die Nachahmer Góngoras, daß aber diese schwülstige Sprache einer Frau in den Mund gelegt wurde, machte den Kontrast viel krasser und die Aussichten für den Erfolg sicherer. Daß die Frauen, die sowieso als Wesen mit wenig Verstand angesehen wurden, die blind jeder extravaganten Neuerung folgten, unter den Einfluß dieser "linguistischen" Mode geraten waren, zeigte deutlich die Oberflächlichkeit der angeblichen Werte dieser schwülstigen Stilrichtung. Wenn wir die Chronologie Valbuenas und Hartzenbuschs für die Komödie Calderóns zugrunde legen (Anfang 1636), waren schon einige Jahre seit der Veröffentlichung der "culta latiniparla" von Quevedo vergangen, eine der satirischen Schriften des Autors, die bis heute ihre Popularität bewahrt hat. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, an einen möglichen Einfluß Quevedos auf die Person Beatriz' zu glauben. Die "culta latiniparla" von Quevedo beschreibt keinen bestimmten Typ, sondern 81

versucht, eine Art Leitfaden für die Frauen zu sein, mit dem Ziel, sie zu vollkommenen "cultas" zu machen. Ihr Hauptreiz besteht in den vom Verfasser geschaffenen idiomatischen Wendungen, und es gibt keinen Hinweis darauf, daß Calderón sich ihrer bedient hat. Eine noch unmittelbarere Vorgängerin wäre die Beiisa Lope de Vegas, eine Figur, die sogar in Calderóns Komödie erwähnt wird, wo er sie mit seiner Hauptperson vergleicht. Belisas Temperament ist allerdings sehr verschieden von dem Beatriz', und außerdem wird bei ihr nicht das Schwülstige der Sprache betont. Gerade das aber ist einer der besonderen Züge von Beatriz. Die spanischen "cultas" tragen wir ihre französischen Schwestern folgende vier Elemente in sich: das Studium der Literatur, eine Vorliebe für die Grammatik und das Verseschmieden (eine literarische Ader also), eine übertrieben gezierte Sprechweise, eine außergewöhnliche Sorgfalt in der Pflege ihrer Person, die sich in ständigem Herausputzen und im Geschmack an komplizierten Frisuren und luxuriösen Gewändern zeigt, und schließlich eine übertriebene Selbsteinschätzung, die so weit geht, daß sie jeden Galan gering einschätzen, weil sie annehmen, er sei ihrer nicht würdig, und damit auch Liebe und Ehe verachten. In der Figur Beatriz' finden sich alle diese Eigenheiten. So schildert Calderón sie uns durch andere Personen: Es dona Beatriz tan vana de su persona que creo que jamás a ningún hombre miró a la cara, teniendo por cierto que allí no hay más que verla ella y caerse muerto. De su ingenio es tan amante, que por galantear su ingenio, estudió latinidad y hizo castellanos versos. Tan afectada en vestirse, que en todos los usos nuevos entra, y de ninguno sale. Cada día, por lo menos, se riza dos o tres veces, y ninguna en su contento. 82

y con ser tan enfadosá en estas cosas, no es esto lo peor, sino el hablar con tan estudiado afecto, que, critica impertinente, varios poetas leyendo, no habla palabra jamás sin frases y sin rodeos, tanto, que ninguno puede entenderla sin comento.

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Man muß zugeben, daß das Theater das ideale Medium ist, einen Typ wie diesen zu charakterisieren. Denken wir an die Wirkung, die die Person, kaum daß sie die Bühne betreten hat, hervorruft, denn nicht nur die Sprache, sondern auch das Kostüm, die Mimik, die Gesten und der Tonfall gehören dazu, um diesen Typ überzeugend darzustellen. Ein Leser der Komödien Calderóns, der die Figur der Beatriz wirklich verstehen möchte, muß eine lebhafte Phantasie haben und sie sich immer wieder auf der Bühne vorstellen. Eine gute oder schlechte Schauspielerin kann mit ihrer Plumpheit oder ihrem Talent diese Gestalt bis zur Unkenntlichkeit zerstören oder sie unvergeßlich werden lassen. Valbuena Briones behauptet, daß die Erziehung der Frau das tiefgreifendste Problem des Stückes sei; ich teile diese Meinung mit Vorbehalt. Sie ließe sich ohne weiteres auf "L'école des femmes" von Molière anwenden, aber nicht auf "No hay burlas con el amor", wo das Problem zweitrangiger scheint. Die These, die uns Calderón beweisen will, hat zwei Aspekte; der eine ist schon im Titel ausgedrückt: niemand darf sich den Luxus erlauben, die Liebe zu verachten, denn zum Schluß erliegt man ihr doch. Der andere Aspekt: dank der Liebe werden die beiden Hauptpersonen von ihren Verirrungen geheilt, die eine von ihrer lächerlichen Ziererei, der andere vc:i seiner Neigung, die Frauen zu verspotten, und von seiner übertriebenen Sorglosigkeit, die einem Caballero seines Standes nicht entspricht. Die Liebe wirkt also als Katalysator des Benehmens, indem sie die beiden so verändert, daß sie sich den von ihnen erwarteten Verhaltensweisen anpassen. Calderón hat nicht die Absicht, 83

über den Verstand der Frau zu lachen, sondern nur über die lächerlichen und übertriebenen Formen, die eine schlecht verdaute Bildung annehmen kann. Doch gesteht er der Frau größere Schwierigkeiten bei der "Verdauung" der Wissenschaft zu. Wenn die Dame es aber fertigbringt, ihre Affektiertheit zu überwinden und einsichtig ist, erwirbt sie seine ganze Sympathie. So geschieht es in "Cual es mayor perfección", einem viel späteren Stück, in dem sich Calderón ganz entschieden auf die Seite der intelligenten Frau stellt, die er für die beste Gefährtin des Mannes hält. Jedoch ist die Frau, trotz der avantgardistischen Lösungen, die Calderón anzubieten scheint, immer abhängiger von der Liebe als der Mann, und wenn sie sich verliebt, verliert sie ihre Stärke und gerät unter die Herrschaft des Mannes. So auch eine Figur wie Cristerna, eine Art Frauenrechtlerin im modernen Sinn, in der sich Mut und Intelligenz paaren, Empfindsamkeit, gesunder Menschenverstand und fortschrittliche Ideen. Zum Schluß verliebt sie sich, und das Stück endet mit folgenden Worten: - Estése el mundo como se estaba, y sepan que las mujeres, vasallas del hombre nacen, pues, en sus afectos, siempre que el odio y amor compiten, es el amor el que vence.

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Diese Lösung erscheint uns sehr übereilt und paßt überhaupt nicht zum Charakter der Königin, wie sie uns Calderón beschrieben hat. Es darf uns jedoch nicht verwundern, daß Calderón es nicht gewagt hat, die Postúlate, die er in dem Stück aufgestellt hat, mutig bis zur letzten Konsequenz durchzuführen, sondern daß er es vorgezogen hat, zur traditionellen Lösung zurückzukehren. Die Tendenz der eben zitierten Verse Calderóns findet sich in fast allen Spielfilmen, die mehr oder weniger das gleiche Thema behandeln. Aber kehren wir zu Beatriz zurück. Diese calderonianische Person ist nicht nur eine Karikatur, nicht nur ein Vorwand, die "cultas" lächerlich zu machen, sondern ein Individuum voller 84

moralischer Würde - abgesehen von ihrer Geziertheit. Sie reagiert mit völliger Integrität, als sie erfährt, daß sie verspottet wurde, und es gelingt ihr in diesem Augenblick, beim Zuschauer echtes Mitleid und echte Bewunderung hervorzurufen. Auch der Umschwung ihrer Gefühle wird - viel vollkommener als in anderen Komödien - gezeigt, ein Umschwung, der von der Verachtung bis zur Liebe geht, und zwar mit Argumenten, die den Charakter dieser Figur völlig überzeugend darstellen. Sehen wir uns nun die komischen Seiten an, die uns in erster Linie interessieren. Welcher Mittel bedient sich Calder&n, um zu erreichen, daß seine Person komisch wirkt? Erstens die Art, wie er die Sprache verwendet. Diese eigenartige und seltsame Sprache berührt sowohl die Morphologie als auch die Syntax. Daß Beatriz die Dinge nicht bei ihrem gewöhnlichen Namen nennt, daß ihre Sätze sich nicht nach dem richten, was der Zuschauer gewohnt ist, ruft in diesem eine "Überraschung" hervor, die sich Sekunden später in Lachen verwandelt. Hier spielt eines der Grundprinzipien des Komischen eine wichtige Rolle, das in der Konfrontation mit dem "Seltsamen", dem "Außergewöhnlichen", dem, was außerhalb unseres Erfahrungsbereiches liegt, besteht. In der Bedeutung des deutschen Wortes "komisch" zeigt sich sehr dfeutlich diese Doppelsinnigkeit und Verbindung der beiden Elemente, des Seltsamen und des Komischen. Aber nicht alles, was wir nicht kennen, ist komisch, sondern es kann in uns Befremden, Bewunderung oder sogar Entsetzen hervorrufen. Damit sich eine komische Wirkung einstellt, muß das, was uns die Erfahrung zu erwarten gelehrt hat, brüsk durch etwas anderes ersetzt werden, das aus einem ganz anderen Bereich stammt (es versteht sich von selbst, daß dieser "Ersatz" niemals unsere Integrität bedrohen oder uns in dem einen oder anderen Sinn tief bewegen darf). Je größer der Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, dem Erwarteten und dem plötzlich Gefundenen, ist, desto überzeugender ist die komische Wirkung. Ein Angehöriger eines primitiven Stammes, der plötzlich einen gesetzten Herrn mit Monokel und Rock beim Tretrollerfahren sähe, wäre wahrscheinlich ziemlich befremdet 85

und machte sich gewiß viele Gedanken über Bedeutung und Herkunft eines solchen Wesens. Wenn wir jedoch einen solchen Herrn auf der Straße sähen, würden wir in Lachen ausbrechen, ohne uns überhaupt vorher nach dem Warum einer solchen Situation gefragt zu haben, und das nur deshalb, weil die Merkmale, die wir an einer solchen Person gewohnt sind, absolut nicht mit der Tatsache übereinstimmen, daß sie rollert. Das Individuum hat einen Bruch am System begangen. Darum bin ich nicht ganz mit Bergsons Theorie über die "Strenge" und "Mechanisierung" einverstanden, die das Lachen hervorrufen, wenn sie sich ständig der Notwendigkeit zur Anpassung widersetzen. Seine Theorie kann sicherlich sehr gut auf einen Zerstreuten angewendet werden, der, weil er an etwas anderes denkt, über einen Stein stolpert und zwei Minuten später über den nächsten. Das Mechanische hat hier das Lebendige, die schnelle Anpassung an die Umstände, besiegt; aber diese Anpassung an die Umstände sehe ich in den meisten Fällen als Anpassung an die Normen an, die uns sowohl die Erfahrung als auch unsere Mitmenschen als gültig und richtig zu betrachten gelehrt haben, und die nicht immer etwas mit der Lebensanpassung des Individuums zu tun haben. Gibt es etwas Strengeres und Mechanischeres als eine Militärparade? Trotzdem entspricht sie den Konventionen und wird von allen akzeptiert. Ein Individuum allerdings, dem es einfiele, seinen eigenen Impulsen folgend mit den Händen in den Taschen, ein Liedchen vor sich hinträllernd, aus der Reihe zu tanzen, würde mit Sicherheit das Lachen derer ernten, die dem Schauspiel beiwohnen. Das gleiche geschieht mit Beatriz. Sie tanzt aus der Reihe; nur ist der Mechanismus ihrer Komik anders, weil er verbalen Charakter trägt, auch wenn er, da er unfreiwillig ist, ganz 3

entschieden von dem des Witzes abweicht. Beatriz folgt unbeirrt und mit allem Ernst der Verhaltensform, die sie entworfen und für richtig befunden hat, Und wer ihr zuhört, bestraft durch sein Lachen die Abweichung von den geltenden Normen, die uns vorschreiben, auf welche "Weise wir in jedem Augenblick das 86

zu sagen haben, was wir fühlen. Die komische Wirkung von Beatriz Sprechweise beruht auf vier Faktoren: a) das Ersetzen des Wortes, das man eigentlich nehmen müßte, durch einen fremdartigen und ausgefallenen Ausdruck gebildeter latinisierter Art mit komischer Phonetik. Die Verwendung eines ausgefallenen Ausdrucks anstelle des bekannten kann Überraschung hervorrufen, die sich sogleich im Lachen löst, wenn der Klang des Wortes in uns einen Mechanismus auslöste, der uns zum Lachen treibt. Die Praxis des Spanischunterrichts für Ausländer hat mir gezeigt, daß es bestimmte spanische Ausdrücke gibt, die von den Deutschen als schwer aussprechbar oder merkwürdig empfunden werden - so z.B. "lluvia", "vlsteis", "alguacil" - aber es gibt auch andere, besonders solche, die ein Z oder R enthalten, die unfehlbar bei den Schülern Heiterkeit hervorrufen, wenn sie sie das erste Mal hören, wie etwa "zarzaparrilla" und der Satz "el perro de San Roque no tiene rabo porque Ram6n Rodriguez se lo ha rebaneado". Das komische Element in der Phonetik gibt es auch in Beatriz Sprache, so als sie zu ihrer Schwester sagt: Detente: No te apropincues a ml

.

que tener no puedo yo hermana libidinosa

_

oder:

Oder als sie gerade don Alonso bemerkt hat, der unerwartet ihr Zimmer betreten hat: ?Un hombre en mi cublculo?6 b) die Verwendung eines Begriffs außerhalb des zu ihm gehören87

den Kontextes Beatriz verwendet in der Umgangssprache, wenn sie mit ihrer Schwester, ihrem Vater oder ihrer Dienerin spricht, Wörter, die nicht zur Situation passen. Was sich ein Dichter in seinen Versen, ein Anwalt in seinen Plädoyers, ein Arzt in seinen Diagnosen erlauben kann, ist Beatriz in ihrer Lage nicht erlaubt. Die Verse selbst des schwülstigsten Dichters können an sich kein Lachen hervorrufen, da sie vollkommen den Umständen entsprechen. Erst die Satiren, die man über diese Dichter geschrieben hat, geschickt kombiniert und in einen anderen Zusammenhang gebracht, rufen Komik hervor. Beatriz erster Auftritt, den den Dialog zwischen ihrer Schwester und der Dienerin unterbricht, ist Vinter diesem Gesichtspunkt sehr wirkungsvoll: IHola! ?No hay una fämula aqui? Darauf antwortet Ines: ?Que me mandas? Beatriz

Que abstraigas de mi diestra liberal este hechizo de cristal y las guirotecas traigas.

-

c) die Diskrepanz zwischen dem Individuum, das den Ausdruck benutzt, und dessen Natur, da man die Verwendung des Ausdrucks einem völlig anderen Typ zutrauen würde. Von Beatriz, einer Tochter aus gutem Hause, einer Frau, die Sitte und Anstand wahren muß, die höflich und wohlerzogen ist, aber alles innerhalb gewisser Grenzen, erwartet man nicht, daß sie literarische oder poetische Worte verwendet. Die komische Wirkung ist daher noch größer, als würde diese Sprechweise von jemandem verwandt, zu dem sie besser paßte. In letzterem Fall könnte man das Lachen durch Übertreibung hervorrufen, dadurch, daß man aus dem Rahmen fällt. Bei Beatriz ist aber einfach der 88

Gegensatz zu groß. Die H e l d i n drückt sich, als sie ihre Schwester um einen Zettel bittet, den diese v o n ihrem Galan e r h a l t e n hat,

folgendermaßen

aus: Ese manchado papel e n g u i e n cifró lineas b r e v e s cálamo ansarino, dando cornerino vaso débil el etiope licor, ver tengo d) die implizite A n s p i e l u n g auf eine b e s t i m m t e Tatsache, die sich lustig gemacht w i r d

über

(in d i e s e m Fall G 6 n g o r a u n d d e r

"Culteranismo"). Jeder im Publikum wußte - u n d das trug d a z u bei, d e n Genuß zu erhöhen

daß letzten E n d e s G&ngora und seine A n h ä n g e r die

Zielscheibe des Spottes waren. Das zeigt sich darin, daß k l a s sische Begriffe verwendet wurden, die schon Quevedo,

Jäuregui

u n d viele andere v e r u r t e i l t hatten: "candor, bulto, nocturno, coturno, neutrales, ara" usw. Folgende Passage ist h i e r f ü r ein gutes Beispiel: N o te apropincues a mi que empañarás el candor de m i castísimo bulto, y p r o f a n a r á s el culto de las aras de m i honor. Porque m u j e r que fió del caos de la sombra fria, y e n descrédito del dia nocturno amor aceptó, n o m i r a r consiga atento m i semblante y voz profana, p u e s v í b o r a será humana, que con su, inficione, aliento. Die komische W i r k u n g dieser Sprechweise k o m m t

folgendermaßen

zustande: a) Die V e r w e n d u n g gebildeter Ausdrücke, die der U m g a n g s s p r a c h e fremd sind: quirotecas, concomitancia, fámula, másculo,

cálamo, 89

cornerino, mendacio, anticipata, fenestra, lúgubre, parasismo, estulticia, cubículo, crinita, concupiscible, candor, auscultar, ajado, abstraer, epiciclo, claudicante, ambular etc. Viele dieser Wörter haben heute nicht mehr die Wirkung wie damals, weil sie inzwischen in die Sprache aufgenommen wurden, aber dennoch behalten die meisten von ihnen, wie schon gesagt, ihre komische Kraft, je nachdem, in welchen Augenblicken und unter welchen Umständen sie angewendet werden. bb) Der Gebrauch des Hyperbaton cc) Die Verwendung von wenig gebräuchlichen und typisch gezierten Bildern und Metaphern: hechizo de cristal für Spiegel, cálamo ansariano für Feder, etiope licor für Tinte, virrey del sol für Mond, sinónimos neutrales für Ärger. Das zweite Mittel, dessen Calderón sich bedient, um seine Person komisch wirken zu lassen, ist ihre Entrüstung darüber, daß die anderen sie nicht verstehen. Die Halsstarrigkeit von Beatriz ist umso spaßiger, je emphatischer ihr Ton wird. Ein von einer Manie Besessener wird immer verlacht, weil er sich den Gegebenheiten des Augenblicks nicht anpaßt und steif und fest seiner Manie folgt. Sollte es ihm einfallen zu protestieren, wird er durch das Lachen derjenigen gestraft, die vorgeben, ihm seinen Irrtum vor Augen zu halten, und wenn dieser Protest - wie bei Beatriz - in so geziertem Stil erfolgt, ist die komische Wirkung noch stärker. Als Beatriz Ines beauftragt, ihr ein Buch aus der Bibliothek zu holen, und diese ihr antwortet, das ginge nicht, da sie nicht lesen könne, antwortet Beatriz ganz indigniert: Oscura, idiota y lega, ?no te medra cada día la concomitancia mia? Etwas Ähnliches geschieht im folgenden Dialog. Beatriz erkun90

digt sich nach don Alonsos Gesundheit, der sich, als der Vater kam, aus dem Fenster stürzen mußte, um aus ihrem Haus zu fliehen. Dabei brach er sich ein Bein. Beatriz Inés Beatriz

claudicante?

?Quedará

?Qué se yo qué es claudicante? ?Qué no has de perder vicio tal? ?Hay demencia? ?Hay tosca igual? El claudicante no es hombre de alternados pies, si el que ambula desigual.

,,

Wir können uns gut vorstellen, wie aufschlußreich diese Antwort für Ines war. Schließlich ist der Gegensatz zwischen den Bemühungen Beatriz', sich von ihrer Manie zu heilen, und dem geringen Erfolg dieser Bemühungen eines der besten Mittel, der Person Komik zu verleihen. Es wird von Calderón so geschickt und in so günstigen Augenblicken angewendet, daß seine komische Ader als Autor sich hier aufs glücklichste zeigt und ausreicht, die Komödie in die erste Reihe der humoristischen Werke zu placieren. Werfen wir einen Blick auf das Geschehen: Pedro, Beatriz' Vater, glaubt irrtümlicherweise, daß gerade sie diejenige seiner Töchter ist, die zu Hause einen Liebhaber empfängt und deshalb die Familienehre befleckt. Die Sache ist ernst. Der Vater ist bestürzt und verwirrt und glaubt an Beatriz' Schuld. Darum sagt er ihr, daß er von ihr enttäuscht ist: Pedro

Beatriz Pedro Beatriz Pedro

Si estoy pues he llegado a ver hoy que una hermana menor pueda reñirte !Que tal suceda! !Infausta y crinita soy? ?Qué crinita ni que infausta? !Señor! Beatriz bueno está: basta lo afectado ya, lo enfadoso, basta, basta; que es lo que más te contrasta 91

para que vencida quede tu opinión: bien verse puede, si a hablar así te acomodas, que quien no habla como todas, no como todas procede. Der Vater führt nun fort, die Schuld in Beatriz' literarischer Erziehung zu suchen, und verbietet ihr ab sofort, noch Bücher im Hause zu haben; er droht sogar, sie zu töten, wenn er sie noch einmal etwas sagen hört, was sie nicht mit richtigem Namen nennt. Hier nun Beatriz' Antwort:

Pedro Beatriz Pedro Beatriz Pedro

Subordinada al respeto, girasol de tu semblante, en estilo relevante no frasificar prometo. Deja empero a tu conceto desvanecer la apariencia, que el engano hizo evidencia, que hizo caso la malicia, queriendo con su injusticia captar tu benevolencia, ¡Beatriz! !ausculta propicio ... ¡Bien enmendada te veo! Por tu anticipata ... Creo que hoy me has de quitar el juicio.

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Beatriz' Manie ist sogar noch stärker als die calderonianische Ehre. Der verzweifelte Vater verläßt sie Szene, um sich nicht soviel Ungereimtheiten anhören zu müssen. Die gleiche komische Wirkung hat die Szene, in der Beatriz sich bitter über ihr Schicksal beklagt, das sie in den Augen des Vaters schuldig erscheinen läßt, obwohl sie doch immer ein Muster an Ehrenhaftigkeit war. Man muß die Passage fast vollständig zitieren, um die Stärke des Kontrastes zu dem, was dann kommt, richtig einschätzen zu können: Y asi, aqueste retiro donde la luz del sol apenas miro, lúgubre será esfera donde equivoca yo que vivo, muera: estancia será esquiva, el que burlando lo que muero, viva. 92

El sol, narciso de jazmín y grana, desde el primer fulgor de la manana al parasismo de la noche fría a donde espera el parangón del día, no me ha de ver la cara; si ya con luz no penetrase avara a esta mansión, en donde mi profanado pundonor se esconde. Lloren aguí mis ojos sinónimos neutrales, ... digo, enojos de torpes desvarios, que son ajenos y parecen míos. Inés, ?no me he quejado en bien humilde estilo, en bien templado? Si mi padre me oyera, !0h cuanta enmienda en mis discursos viera! Und als Ines ihr antwortet, sie habe noch einige Töne gehört, die nicht zu den neuen Vorsätzen passen, wie etwa "lúgubre", "crepúsculo", "nocturnos" etc., kehrt die Entrüstung Beatriz' zurück: !Con la estulticia que hay el juicio pierdo! Pues ?ésas no son voces de cartilla, que un portero las sabe de la villa? Aber der Wunsch, sich zu bessern, ist stärker, und so ruft sie aus: Más desde aquí prometo que calce mi conceto, a pesar de Saturno, vil zueco, en vez de trágico coturno. Beatriz bittet Ines nun, sie jedesmal am Ärmel zu zupfen, wenn ihr ein unpassendes Wort über die Lippen kommt. Dies gibt Anlaß zu sehr spaßigen Szenen, die immer im Zeichen der Bemühungen der Hauptperson stehen, sich zu bessern, was sie auch teilweise erreicht. Ganz frei von ihrer Manie ist Beatriz bis zum Schluß nicht. Dann drückt sie sich, tief bedrückt von dem Spott der anderen, in würdiger und gemessener Weise aus. Einer der Erfolge Calder6ns in dieser Komödie ist die geschickte Dosierung der komischen Augenblicke, die niemals 93

überhand nehmen und daher nicht langweilen. Die Heldin tritt nicht allzu häufig auf. Hätte der Dichter sie zu oft erscheinen lassen, so hätte sie uns schließlich genauso ermüdet wie ihre Schwester oder ihren Vater. Calderón weiß alle Facetten der Person zu nutzen. Ihr männlicher Gegenspieler, don Alonso, ist ebenfalls mit sehr individuellen Zügen ausgestattet, die ihn von den übrigen calderonianischen Caballeros unterscheiden. Auf diese Weise ergänzen sich die Hauptpersonen sehr gut und erfüllen die ganze Komödie mit ihrer Persönlichkeit.

b) Die eingebildete Törin Die von dieser Person ausgehende Komik basiert ebenfalls auf einem Bruch mit dem System, doch ist sie völlig anderer Art als bei Beatriz. Diese, von einer fixen Idee besessen, die sie alles andere vergessen ließ, beachtete die von der Gesellschaft aufgestellten Spielregeln nicht und war blind für alles, was nicht ihrer kulturellen Manie entsprach. Die eingebildete Törin besitzt die Eigenschaften einer Verblendeten insofern, als auch sie von einer fixen Idee - der Eitelkeit - besessen ist, aber ihr hervorstechendster Charakterzug ist die Torheit. Die eitle Törin hält sich nicht an die Regeln im gesellschaftlichen Spiel; nicht etwa, weil sie von einer anderen Idee besessen wäre, sondern weil sie sie "nicht kennt". Sie kann sich den Umständen nicht anpassen, weil sie sich nicht einmal der Umstände bewußt wird, in denen sie sich befindet. Diese Figur bietet sich mehr als alle anderen an, daß man über sie lacht, denn ihre Möglichkeiten, andauernd über die von aller Welt akzeptierten Konventionen zu stolpern, sind unermeßlich und beschränken sich nicht auf ein bestimmtes Gebiet, wie es bei einem Besessenen der Fall ist. Auch ist die Komik dieses bestimmten Typs unvergänglich. Die Menschen haben zu allen Zeiten über die Torheit gelacht und werden es auch weiterhin tun. Es ist die Art Komik, die wir auch im Hanswurst sehen, 94

der die wahre Verkörperung des "Dummen" ist. Seine Varianten begleiten das menschliche Leben zu allen Zeiten und finden in Literatur und Theater reichlich Ausdruck. Die Person, die wir nun behandeln, ist eine dieser Varianten: die Torheit, in einer Dame verkörpert, die noch dazu hübsch und außerordentlich eingebildet ist. In Spanien gebührt Lope de Vega der Triumph, einen solchen Charakter bis zur Vollkommenheit gezeichnet zu haben: Finea in "La dama boba" ist eine der gelungensten Schöpfungen auf diesem Gebiet. Calderón versucht es bei Angela in "Cual es mayor perfección", aber seine Person weicht etwas von der Lopes ab. Lopes Dame ist von einer so unglaublichen Tölpelhaftigkeit, daß sie es mit dem letzten Hirten oder "Bobo" des spanischen Theaters aufnehmen kann und noch den Sieg davonträgt. Allerdings wandelt sich diese Person - die übrigens nicht die eitlen Züge Angelas besitzt - aufgrund der Liebe und wird geistreich und klug. In diesem Fall könnte man eine gewisse Parallelität zu Moliéres Komödie "Die Schule der Frauen" und Agnes, der Hauptperson des Stückes, feststellen. Agnes ist ähnlich töricht wie Finea, wenn auch nicht in so übertriebenem Maße, und auch sie erwacht aus ihrer Unwissenheit dank der Liebe, die ihrem Geist Leben verleiht. Natürlich kann man in Moliéres Stück diese "Vernebelung der geistigen Fähigkeiten" auf Arnolphes Erziehung zurückführen, der alles nur Erdenkliche getan hatte, um sie in ihrer Unwissenheit zu belassen. Fineas Fall liegt anders. Lope gibt nicht der Erziehung die Schuld an Fineas Dummheit. Daher ist der Triumph der Liebe viel größer, die als einzige die Kraft besitzt, aus einer Frau ein denkendes Wesen zu machen. Aber diesen Typ hat Calderón nicht schaffen wollen. Seine Angela ist nicht so extrem töricht wie Finea, bevor sie sich verliebte, und sicherlich in ihrem Charakter viel konsequenter. Der Dichter ist hier realistischer und logischer gewesen und hat bewiesen, daß keine Macht der Welt Angela aus ihrer Unwissenheit reißen kann. Nicht einmal die Liebe, da Angela so in ihrer eigenen Torheit und Eitelkeit gefangen ist, daß sie nicht fähig ist, dieses Gefühl zu begreifen. Was Calderón außerdem mit diesem Stück zeigen wollte, ist etwas völlig an95

deres, als was Lope beabsichtigte: die Überlegenheit des Geistes und des Verstandes bei der Frau über ihre physischen Eigenschaften. Um diese These zu beweisen, hat er zwei gegensätzliche Frauentypen geschaffen: die bildhübsche und eitle Törin und die häßliche und geistreiche Kluge. Calderón scheint sie hier ala Sprachrohr für fortschrittlichere Ideen zu zeigen, denn es ist das erste Mal, daß in einem Werk die Intelligenz einer Frau höher eingeschätzt wird als ihre Schönheit und daß eine Dame auftritt, die ausdrücklich als häßlich bezeichnet wird und die noch dazu arm ist. Es ist daher logisch, daß Calderón, um seinem Beweis größere Wahrscheinlichkeit zu geben, nicht beabsichtigt hat, daß sich der Charakter Angelas ändert. Wäre sie nämlich klüger geworden, hätte man sie natürlich Beatriz vorgezogen, und wäre es nur ihrer größeren Schönheit wegen gewesen. Calderón liebt den Kontrast. Es gefällt ihm, uns in seinen Stücken innerhalb der gleichen Familie die gegensätzlichsten Typen anzubieten. So Leonor und Beatriz in "No hay burlas con el amor", Angela und Beatriz in "Cual es mayor perfección", Carlos und Fadrigue in "De una causa, dos efectos", Eugenia und Clara in "Guárdate del agua mansa". Um diese charakterliche Verschiedenheit zu vertiefen, wiederholt er immer eine bestimmte Szene, in der der Vater ins Zimmer tritt und seine zwei Söhne oder Töchter bei völlig unterschiedlichen Beschäftigungen antrifft; dann schmerzt ihn das Verhalten des einen, während er sich am anderen erfreut und wünscht, der erste möge sich doch an ihm ein Beispiel nehmen. Das finden wir auch in "Cual es mayor perfección", aber hier (wie hat sich doch der Vater bei Calderón seit "No hay burlas con el amor" verändert!) freut er sich unbeschreiblich, als er Beatriz ein Buch lesen sieht, aus dem sie lernt, und sein einziger Wunsch ist es, daß seine Tochter Angela auch diese Neigungen hätte. Angela ist nicht die Hauptperson der Komödie. Es ist ganz offensichtlich, daß Beatriz alle Sympathien des Dichters besitzt, 96

was Angela jedoch nicht hindert, alle ihre komischen Seiten zu entfalten. Eine der auffallendsten Besonderheiten in Angelas Charakter und auch in ihrer Torheit, die an erster Stelle steht, ist ihre Eitelkeit. Sie ist so besessen von ihrer Schönheit, daß sie glaubt, nichts könne diese übertreffen. Als Angela sich von ihrer Zofe kämmen läßt, gerät sie in Wut, weil diese ihr eine Frisur legt, die nicht nach ihrem Geschmack ist. Die Dienerin gibt als Grund für ihre Unachtsamkeit an: Estarte viendo, senora, dentro de tu espejo; y tanta es la suspension de ver tu hermosura, que admirada, no es posible gue te acierte a servir worauf Angela antwortet: Si esa es la causa, yerra otros tres por mi cuenta. Y tres mil, si tres no bastan.

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Etwas später, als ihr Vater sie wegen ihres geringen Interesses an der Wissenschaft ermahnt, erwidert sie verärgert: Pues, ?he de ser yo letrada? Y cuando hubiera de serlo, ?habria alguno en Espana que mejor parecer diera? Ihre Eitelkeit wird auf zweierlei Art befriedigt: sich so fein wie möglich herauszuputzen und sich darin zu gefallen und zu sehen, wie alle Männer verrückt nach ihr sind. Bei jeder Gelegenheit protzt sie damit, was sie durch ihre Schönheit angerichtet hat. Da sie von ihrer Schönheit so besessen ist, sieht sie häufig nicht, was um sie herum geschieht. Als ihre Kusine Beatriz und ihre Freundin Leonor sich gegenseitig höfliche Komplimente machen, fällt Angela mit folgenden 97

Worten dazwischen: Gástense allá los conceptos muy en buena hora, que yo a mi hermosura me atengo.

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Das Durcheinander von den Erfordernissen der Situation und Angelas Reaktion wirkt am komischsten, als sich im Hause der beiden Kusinen don Luis, don Félix, don Antonio und der Diener Roque zusammenfinden. Gleich soll der Vater erscheinen, eine Situation, die jede Dame, die nicht den Grund gewußt hätte wie es bei Angela der Fall ist - mit Angst und Schrecken vor der möglichen Ankunft des Vaters erfüllt hätte. Unsere Heldin indessen wundert sich über nichts und sagt nur einfach: Si tanta gente creyera que habla, no saliera descuidada, pues hoy solo me toqué para el gasto de mi casa

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Angela erfreut sich an der angeblich tödlichen Wirkung ihrer Schönheit auf die Männer, und darum findet sie es herrlich, als don Luis und don Félix in ihrem Haus ihretwegen einen Streit beginnen. Ihrem Kommentar fehlt nicht ein gewisser Humor, dem der besten spaßigen Diener würdig, der die metaphorische Welt mit der Wirklichkeit konfrontiert: IQue bueno será ver como los que se mueren se matan1

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Angela ruft das Lachen aus einem völlig entgegengesetzten Grund hervor als Beatriz: diese verläßt den Rahmen, jene erreicht ihn nicht einmal. Beatriz bemüht sich, die Dinge nur in gebildeter Form auszudrücken - Angela weiß nicht einmal, wie sie heißen und verwechselt die Begriffe. Die eine wie die andere werden durch das Lachen bestraft. Wehe dem, der nicht in der goldenen Mitte steht! Angela spricht mit Leonor und Beatriz über die Wirkung, die 98

ihre Schönheit auf die Männer hat, und erzählt, wie ein Caballero in Begleitung eines Freundes immer vor den Fenstergittern ihres Hauses Wache hält. Leonor gibt dazu folgenden Kommentar:

Angela

Beatriz Angela

Beatriz

... lo que extraño es que el otro sea tan necio que no os adore también. No para todos se hicieron, Leonor, iguales las dichas de morir a mis desprecios. Alguno, para contar las ruindades de mi incendio, habla de quedar vivo. "Ruinas" querrá decir Eso, o esotro; equivoqué el nombre. Y porque veáis que no miento, una criada, que de otra casa en que sirvió primero le conocía, me dijo que es, si del nombre me acuerdo, un don fulano de tal. Es un noble caballero. No te olvides de su nombre, por si le vieres, que aprecio de su buena elección hagas.

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Beatriz' Kommentare, voller Ironie, tragen dazu bei, einerseits die primitive Komik des Tölpels bloßzulegen und sie andererseits mit dem bewußten Humor des Klugen zu konfrontieren. Sehen wir den gleichen Mechanismus im Dialog zwischen Beatriz und Angela, in der die erste ihre Kusine zu überreden versucht, die Liebe der beiden Caballeros, die sie umwerben, zu vergessen. (Beatriz verteidigt hier sehr persönliche Interessen, da einer der beiden der Liebhaber ihrer Freundin ist und sie in den anderen selbst verliebt war.) Es scheint, als befolge Angela ihren Rat: Angela

Beatriz

Desde manana (porque hoy tengo que hacer unos lazos) verán que no tratan de más que de aborrecerlos mis tres sentidos del alma. Si, que las cinco potencias estarán muy ocupadas; que aborrecer y hacer lazos son dos cosas muy contrarias. 99

Die Unwissenheit verleiht Angela Züge, die bis dahin bei Calderon nur bei den spaßigen Dienern und vor allem bei den Bauern sichtbar geworden waren. Genau wie sie, kennt Angela die Bedeutung vieler Begriffe nicht. Genau wie sie praktiziert sie eines der unfehlbarsten komischen Rezepte aller Zeiten, nämlich, das wörtlich zu nehmen, was im übertragenen Sinn gesagt wird. Dieses Mittel hat bis in unsere Tage Erfolg, seine Wirkung ist nie ausgeblieben. Es wird von allen Autoren benutzt und begegnet uns im Leben auf Schritt und Tritt. Kinder, Ausländer und Toren sind die Hauptfiguren, bei denen es sich zeigt: allen dreien fehlt die gründliche Kenntnis der Sprache. Das ist der Ausgangspunkt für die Verwechslung. Als Beatriz und Angela Leonor besuchten, sagt Beatriz zu ihrer Kusine: Beatriz Angela

Ve tü Angela; toma tu asiento Ninguno hasta ahora es mlo

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Das gleiche geschieht, als Angela die Komplimente hört, die Beatriz und Leonor austauschen: Beatriz Angela

Del hallaros levantada, hermosa Leonor, me debo una y muchas norabuenas. Yo no, que todas las vengo a pagar, por no deber nada a nadie.

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Angela verletzt durch ihr Verhalten ständig die gesellschaftlichen Normen. In einer so außerordentlich höflichen Welt wie der Calder6ns fällt das Abweichen ihres Verhaltens von dem der übrigen umso mehr auf. Angela erscheint ungebildet, aber nicht aus Absicht, sondern aus Plumpheit, und daher wirkt die Figur so komisch. Ihr Charakter ähnelt nicht im mindesten dem der anderen Damen in den Komödien. Sie ist nicht einmal fähig, sich zu verstellen. Als sie gerade ihrem Vater erzählt hat, daß Beatriz nachts am Fenstergitter mit einem Caballero plaudert, und Beatriz in diesem Augenblick auf der Bühne erscheint, 100

bittet ihr Vater sie, sich zu verstellen und sich von dieser Unterhaltung nichts anmerken zu lassen. Sie antwortet sogleich: (zu Beatriz)

Nací para eso. ?No sabes lo que a mi padre la estaba ahora diciendo? Como en una reja, anoche, estabas tomando el fresco, y no más. (ap. ?No disimulo muy bien, señor?

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Genauso fehlt ihr die Fähigkeit zur Liebe und zur Eifersucht. Erst ihre Dienerin macht sie darauf aufmerksam, daß sie auf Beatriz eifersüchtig sein muß. Die Antwort Angelas ist eine Rüge für die Dienerin, daß sie sie nicht öfter daran erinnert, denn wie kann sie eifersüchtig sein, wenn niemand sie darauf aufmerksam macht. Schließlich will sie eifersüchtig sein und ist es auf den ersten, den sie antrifft. Da dieser bereits Leonors Gatte geworden ist, muß sie auf den zweiten zurückgreifen. Aber auch dies schlägt fehl, denn der hat Beatriz sein Wort gegeben. So bleibt nur don Antonio, der Freund eines der Caballeros, den die Verwicklungen (auch) mit ins Haus gebracht hatten. Der aber hat überhaupt nichts mit den amourösen Geschichten zu tun und war außerdem der Schönheit Angelas gegenüber immun. Nun wendet sie sich an ihn: Pues ello ha de ser alguno: ya que no hay otro, sea éste.

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Am spaßigsten an allem ist, daß Angelas Vater, der für die Anwesenheit don Antonios in seinem Haus keine Erklärung hat, das ganze Problem durch eine Zwangsheirat der beiden löst. Der Caballero, der niemals zuvor mit Angela ein Wort gewechselt hatte, resigniert und tröstet sich damit, daß er dank Angelas Mitgift ein sorgloses Leben führen kann. Die Dame ist zufrieden und verheiratet, ohne genau zu wissen, mit wem, und lebt für immer in der Welt der Torheit.

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c) Der tölpelhafte Caballero Hier soll die Person behandelt werden, die als "figurón" bekannt ist und die in der Figur Toribios aus der Komödie "Guárdate del agua mansa" beispielhaft gezeichnet wurde. Calderón gibt hier die Richtlinien für einen Komödientyp, der im 18. Jahrhundert sehr häufig vorkommt, und dessen Einflüsse bis weit ins 19. Jahrhundert reichen.24 Der "figurón" besitzt sehr ausgeprägte groteske Züge. Er ist das Objekt, dessen sich der Dichter bedient, um eine bestimmte gesellschaftliche Schicht, deren Voraussetzungen zu der Zeit keine Gültigkeit mehr haben, satirisch zu behandeln. Bei Calderón werden die Besonderheiten der Figur, wenn auch mit einigen Änderungen, skizziert. Im allgemeinen ist der "figurón" ein ländlicher, aber reicher Typ, der eine adlige, jedoch arme Dame heiraten soll. In Calderóns Komödie ist Toribio ein Caballero, ein Junker, Majoratserbe eines altadligen asturischen Hauses, arm, von bäuerischem Wesen, den sein Onkel rufen läßt, damit er eine seiner Töchter heiratet. So sollen die Landgüter und der Adelstitel des Bräutigams und das Vermögen der Braut, das ihr Vater in Amerika angehäuft hatte, in der Familie bleiben. Die komische Wirkung der Person rührt vor allem daher, daß sie sich in einer Umgebung bewegt, die von ihren Gewohnheiten völlig abweicht. Nach den Darstellungen Calderóns muß Toribio, obwohl er ein Junker ist, in einer sehr primitiven Umgebung aufgewachsen sein. Dementsprechend haben sich auch seine Persönlichkeit, seine Vorurteile, seine Gedanken und Sitten entwickelt. Als er nach Madrid kommt, stellt sich sofort heraus, wie wenig diese Art zu handeln und zu denken zu den Anforderungen der höfischen Gesellschaft paßt. Die komische Wirkung setzt sich auch aus anderen Sekundärelementen zusammen, die sich wiederum von den verschiedenen Seiten des Charakters dieser Person herleiten lassen. 102

Erläutern wir sie kurz: 1. Das Lächerliche an Toribios physischem Anblick. Die Personen selbst sprechen in der Komödie von ihm als von der "lächerlichen Figur", und dies war nicht nur eine Anspielung auf seine Gestalt und sein Aussehen, sondern auch auf seine Art sich zu kleiden. Sogar die Szenenanmerkungen vergessen diesen Punkt nicht. In einer von ihnen heißt es: "Salen don Alonso y don Toribio, vestido de negro, ridiculo". Schon der Name der Person zeigt uns, daß wir von ihm keine Musterbeispiele an Eleganz erwarten dürfen: Toribio, der Name eines Bauern oder Hirten. 2. Seine maßlose persönliche Eitelkeit, die ihn glauben läßt, er sei ein Mann von gutem Aussehen und großen Geistesgaben. 3. Das ständige Prahlen mit seinem Junkertum, das bei ihm zur fixen Idee geworden ist und ihm Grund zu der Annahme gibt, er sei den anderen überlegen. 4. Seine grenzenlose Ungewissenheit und Einfalt. Diese gehen so weit, daß er nicht einmal lesen kann. 5. Seine völlige Unkenntnis der höfischen Bräuche, die zu den spaßigsten Verwirrungen führt. 6. Seine grobe und ungeschliffene Sprache, voller volkstümlicher Ausdrücke, der es jedoch auch nicht an Verschlagenheit fehlt; dadurch stellt er sich auf das Niveau eines Ackerknechtes. Don Toribio hat ein wenig vom Charakter Beatriz' aus "No hay burlas con el amor", soweit er, wie sie, von einer fixen Idee besessen ist: in diesem Fall von seinem Junkertum, von dem zu reden er keine Gelegenheit versäumt. Auch mit Angela aus "Cual es mayor perfección" hat er gemeinsam, nämlich seine Unwissenheit. Aber nicht das macht seinen Charakter aus. Wie schon erwähnt, ist es behaltung einer Ideologie und Handlungsweise in einer

etwas allein die Beineuen 103

Umgebung, zu der sie nicht passen. Hier läßt sich Bergsons Theorie über die Steifheit sehr gut anwenden. Don Toribio ist mechanisiert, fest gebaut und folgt wie ein Automat den ihm von seinem eigenen Mechanismus eingegebenen Impulsen. Er bemerkt nicht, daß er anders reagieren müßte. Die Komik liebt keine Extreme und verteidigt das im Augenblick Gültige. So kann der Avantgardist ebenso durch seine Haltung Lachen hervorrufen (auch wenn sie später übernommen und akzeptiert wird und keine Heiterkeit mehr erzeugt) wie der, der zurückbleibt. Und Toribio ist zurückgeblieben. Es ist ihm unmöglich, sich den modernen Sitten anzupassen, und seine Unwissenheit und niedrige Kulturstufe bilden das größte Hindernis dabei. Calderon beweist uns ganz nebenbei, wie wenig von einem Adligen ein Adliger hat, der nur das materielle Vorrecht dafür besitzt (das Blut und den Adelsbrief), dem aber das geistige (Kultur, Bildung, die dem Adel eigenen Tugenden) fehlt. Deshalb müssen alle calderonianischen Personen, die sich mehr oder weniger weit von diesen geistigen Werten entfernen, die schlimmste Strafe, die man einem Adligen auferlegen kann, erleiden: Die Lächerlichkeit. So geht es Beatriz, so Angela, so Toribio. Letzterer ist nun die lächerlichste adlige Figur des gesamten calderonianischen Theaters. Zwischen seinem Verhalten und dem Benehmen eines ländlichen Hirten in höfischer Umgebung besteht kein Unterschied. Seine Auftritte erinnern oft an die Giletas in "El acaso y el error", einer Bäuerin, die sich gezwungen sieht, die Rolle einer großen Dame zu spielen. Toribio ist nicht ganz so dumm wie Angela. Er ist aber unwissend und hat keine Bildung genossen. Wenn er sich auf seine Weise ausdrückt, weiß er allerdings sehr gut, was er sagen will, und es fehlt ihm nicht an Witz. Eine Vorliebe für das Wortspiel, in dem soziale Satire angedeutet wird, stellt ihn auf das Niveau des spaßigen Dieners. So ergibt sich folgender Dialog, als Toribio sich durch seinen Onkel gezwungen sieht, die Bekanntschaft eines Caballeros aus der Nachbarschaft zu machen, gegen den er einen Groll hegt, Weil er ständig das Haus seiner Kusinen umschleicht: 104

Alonso Toribio Alonso Toribio

Conoced a mi sobrino, que quiero que desde hoy sea vuestro servidor. (ap. a don Alonso) ?Yo habla de ser alhaja tan puerca? Esta es acción cortesana. Más me huele a corte-enferma

Eine andere sehr spaßige und verwirrende Situation bei Toribio und zugleich ein Beispiel seiner völligen Unkenntnis der damaligen Bräuche ist der Augenblick, in dem er im Zimmer seiner Kusine Eugenia, seiner zukünftigen Gattin, etwas entdeckt, was er für eine Leiter hält, die einem mutmaßlichen Liebhaber in der Nacht den Einstieg erleichtern soll. Äußerst aufgebracht geht er mit dem "corpus delicti" zu seinem Onkel. Dieser beginnt als guter calderonianischer Vater zu zittern. Aber seine Angst verwandelt sich in Wut, als er sieht, um was es sich handelt: Alonso

Toribio Alonso Toribio

¡Vive Dios que no sé cómo consiente mi cólera no deciros mil pesares! Porque ése es guardainfante, no escala. Guarda ... ?qué? !Que impertinente! Guardainfante. Peor es eso que esotro. ?Que infante tiene mi prima, que éste le guarde?

-c

Die Konfrontation einer so bäuerlichen Person mit einem weiblichen Kleidungsstück wie dem Reifrock, der von den Dichtern (die ihn schon tausendfach satirisch behandelt hatten) schon fast bis zur Abnutzung verspottet wurde, mußte für das Publikum der damaligen Zeit ein totsicherer Gag sein. Heute hat die Szene etwas von ihrem Reiz verloren, weil der unmittelbare Kontakt, den das Publikum zu diesem Prunkrequisit der Frau hatte, nicht mehr besteht. Es gibt jedoch auch heute noch eine Unmenge Komödien mit ähnlichen Szenen, die auf einer Verwechslung bei einem einfachen Mann beruhen, der ein bestimmtes weibliches Kleidungsstück sieht, dessen Verwendung ihm auf den er105

sten Blick nicht klar ist. Das Rezept wirkt auch weiterhin. Genauso ist es mit einer anderen Verwechslung, die sich aus einem Wort ergibt. Eugenia, Spötterin und Possenreißerin, sagt zu ihrem Vetter, daß sie ihn nicht heiraten kann, weil er keinen "filis" habe (damals gleichbedeutend mit Schick, Anziehungskraft, Charme). Die Reaktion Toribios läßt nicht auf sich warten: ?Como que filis no tengo? ?Tal a un hombre se le dice, que tiene un solar con más de tantísimos filis, que no hay otra cosa en él, por doquiera que se mire, sino filis como borra? Que aunque yo que es no adivine, bien lo puedo asegurar; pues siendo algo que sea insigne, es preciso que no deje de estar allá entre mis timbres. 1A mi que filis no tengo! ?Esto los cielos permiten? ?Esto consienten los hados? Prima, ved lo que dijisteis: más filis tengo que vos. Doch damit ist der Ärger Toribios noch nicht vorbei. Er wendet sich sofort an seinen Onkel und beauftragt ihn, ihm "cuantos filis sean vendibles, y cuesten lo que costaren" zu kaufen. Toribio hat mit Angela aus "Cual es mayor perfección" auch die außerordentliche Eitelkeit gemeinsam. In diesem Fall bezieht sie sich jedoch nicht auf physische Schönheit, sondern auf sein Klassenbewußtsein, auf das Vorrecht seines Blutes; beides ist im Adelsbrief verkörpert und symbolisiert, einem Dokument, das schwarz auf weiß den Adel dessen, der es besitzt, beweist. Mit feinem Humor läßt Calderón seine Person mit etwas angeben, das nicht ihr eigenes Verdient ist, Und läßt sie ihren Wert ausgerechnet darin verkörpert sehen. Aber Toribios Wert liegt nicht in ihm selbst, sondern befindet sich außerhalb, auf dem Papier seines Adelsbriefes. Diesen trägt Toribio deshalb immer bei sich. Er schreibt ihm abergläubisch nicht nur Allmacht zu, 106

sondern glaubt auch fest daran, daß er seine Kusinen von der Pflicht der Messebesuche und der Erfüllung ihrer religiösen Pflichten befreit: Mi ejecutoria les basta para ser cristianas viejas

jo

Er ist genauso überzeugt, daß es für die Caballeros, die er beim Streiten antraf, genügt, wenn sie über seinem Adelsbrief schwören, um den Streit nicht wieder aufleben zu lassen. Die Beschreibung dieses Adelsbriefes macht uns die Figur Toribios menschlicher; gerührt beschreibt er das, was ihm am liebsten ist: sein Adel, der sich für ihn in etwas verkörpert, das außerhalb seiner Person liegt, etwas, das ihm gehört, wie man ein Haus oder ein wertvolles Schmuckstück besitzt: Si vierais mi ejecutoria, primas mías, os prometo que se os quitaran mil canas. Vestida de terciopelo carmes!, y allí pintados, mis padres y mis abuelos, como unos santicos de horas!... En las alforjas la tengo. Esperad, iré por ella, ,9 para que veáis que no os miento. Aber der Humor des 17. Jahrhunderts, und auch der calderonianische, ist spröde. Es gelingt der Figur nicht, die mitleidige Sympathie des Dichters oder des Publikums zu wecken, und sie wird mit Lächerlichkeit gestraft. Am Schluß des Stückes kehrt Toribio, vom Hof vertrieben, auf seine asturischen Güter zurück, er verwünscht Madrid wie jemand, der sich die Finger verbrannt hat, und weist das Angebot seiner Kusine zurück, die - um sich mit ihrem Vater auszusöhnen und als gehorsame Tochter zu zeigen - einverstanden ist, ihn zu heiraten und mit ihm ins Gebirge zu ziehen: ?A la montana? Eso no, porque allá llevar no quiero, ni filis ni guardainfantes: 107

y asi con mi alforja al cuello, donde está mi ejecutoria habéis de ver que me vuelvo sin casar.

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Toribios Charakter ist sehr gut gezeichnet, wenn man ihn gesondert vom übrigen Stück betrachtet. Das Stück selbst ist im ganzen sehr schwach im Aufbau und erweist sich als "producto híbrido, síntesis de dos leit-motivs", wie Valbuena es ausdrückt. Damit stimme ich völlig überein. Im Stück finden sich einzelne gute Ansätze, besonders in der Zeichnung der Charaktere. Doch wird die ausgezeichnete Wiedergabe dieser Charaktere nicht von der perfekten szenischen Struktur begleitet, an die wir im calderonianischen Theater gewöhnt sind. Der komische Teil nimmt einen so großen Platz ein wie in kaum einer anderen Komödie Calder&ns, denn nicht nur Toribio sorgt für die komische Wirkung, sondern auch Eugenia, Félix und sogar don Alonso. Trotzdem finden wir nicht das vollendete Spiel der Situationskomik, wie in den anderen Stücken dieser Gattung. Die These des Stückes - die Satire gegen den ländlichen Junker, der unfähig ist, sich an höfisches Gehabe und an die neue Zeit zu gewöhnen - und das Problem der anscheinend leichtfertigen, im Grunde aber guten und anständigen Frau und der, die zwar ehrbar erscheint, in ihrer Dreistigkeit aber weiter als die anderen geht, vermischen sich mit sehr interessanten Einzelheiten über das Leben in Madrid und die wirtschaftliche Situation der Adelsschicht in Spanien. Daneben aber müssen wir die einschläfernde Erzählung von der Ankunft der Infantin Mariana in Madrid und der königlichen Hochzeit, die dann folgt, ertragen. Diese Beschreibung, an verschiedenen Stellen des Stücks und aus verschiedenem Munde, erstreckt sich über 683 Verse! Eine unendliche Masse, die die Komödie etwas verdunkelt und ihre Verdienste mindert. Vom Gesichtspunkt des Humors aus ist "Guárdate del agua mansa" eines der besten Beispiele dessen, vas Calderón zu schaffen vermag. Toribio erfüllt seine Aufgabe, das Publikum durch seine Auftritte zu erheitern, voll und ganz. Die übrigen Personen tragen durch ihre witzigen Einfälle zum Reiz der Komödie bei. 108

Beweis dafür ist, daß kein Platz für den spaßigen Diener bleibt. Die "graciosa" fehlt ganz und der Diener des einen Caballero beschränkt sich darauf, nur Diener zu sein. Seine Aufgabe liegt darin, Informationen zu geben und den einen oder anderen Auftrag auszuführen. Die adligen Personen haben der witzigen Figur Urlaub gegeben, sie haben ihr ihren freien Tag bewilligt und diesmal selbst die humoristischen Aufgaben der Komödie übernommen. Man muß zugeben, daß sie diesen Versuch erfolgreich bestanden haben. Hiermit soll die Behandlung der Figuren, die auf unfreiwillige Weise - durch einen Charakterfehler oder durch Fehlanpassung an die Umstände, die sie lächerlich macht - Komik hervorrufen, beendet werden. Die Formeln, deren sich Calderón bedient hat, um seinen Typen die Kraft des Komischen zu verleihen, sind in den Grundprinzipien der Komik begründet, die weder den Gesetzen der Zeit noch denen der sozialen Umstände unterworfen sind. Eine gute Komödie unserer Tage könnte Figuren wie Beatriz, Angela, Toribio, so übernehmen, wie sie sind. Es brauchten nur das Kostüm und die Umgebung geändert zu werden. Die ihnen eigenen Mechanismen der Komik blieben bestehen. Diese Typen könnten sich nicht nur an das spanische Theater, sondern an das Theater eines jeden anderen Landes anpassen. Die Tartuffes, Jourdains, Beatricen, Angelas und Toribios gehen noch heute mit etwas verändertem Aussehen und anderer Sprache durchs Leben und finden sich auf den Bühnen wieder, genau wie die don Juans. Das Geheimnis ihrer anhaltenden Aktualität hat seinen Grund in der Universalität der ihnen eigenen Züge, die zu allen Zeiten und Uberall gleich sind. Die Kunst, diese charakteristischen Züge zu entdecken und in Szene zu setzen, macht die Meisterschaft des Dramatikers aus. Calderón ist dafür ein gutes Beispiel.

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2. Bewußter Humor a) Die ränkeschmiedende Dame Unter diese Bezeichnung fallen für mich alle jene weiblichen Figuren des calderonianischen Theaters, die, ohne sich von den Verhaltensnormen ihrer Klasse ganz zu entfernen, sich bis zu einem bestimmten Grade mit ausgeklügelten Listen von ihnen zu befreien versuchen. Alle diese Figuren strahlen eine Atmosphäre der Sympathie, der Sorglosigkeit, man könnte sogar sagen, der Frivolität aus, zugleich aber auch Herzenswärme und Lebenskraft. Eine humoristische Haltung bestimmt ihre Handlungsweise und treibt sie dazu, sich über ihre eigenen Kunstgriffe zu amüsieren, denn sie als Urheber der Verwechslungen - erliegen nicht den Sinnestäuschungen, denen die übrigen Personen ausgesetzt sind. Der Humor dieser Personen hat mit der von der "lächerlichen Figur" erzeugten Komik nichts zu tun, und das Lächeln, mit dem der Zuschauer ihre geistreichen Einfälle belohnt, ist nichts anderes als Zustimmung und Anerkennung ihrer geistigen Überlegenheit. Mit diesen Personen geschieht genau das Gegenteil wie mit denen, die bis jetzt behandelt wurden. Sie kennen die Normen, die Regeln des gesellschaftlichen Spiels sehr genau und wenden sie richtig an, aber sie sehen auch, was hinter ihnen steckt, und setzen sich Uber sie hinweg. Damit entlarven sie die fiktiven Werte vieler Postulate, die auf ihrem Podest des Ernstes wackeln und vom Humor erschüttert werden. Calderons Humor ist - aus dem Munde des "gracioso" und vieler anderer Personen - skeptisch und ein wenig bitter. Damit folgt er der Tendenz seiner Zeit. Bei den weiblichen Figuren aber zeigt dieser Humor seine freundliche Seite. Er scheint reiner Lebensfreude zu entspringen und ist heiter und verspielt. Diese Damen aus den Madrider Komödien mit ihren Ränken halten das Interesse des Zuschauers wach, er verzeiht ihnen bereitwillig all ihre Betrügereien, weil sie so bezaubernd begangen 110

werden und weil sich am Schluß herausstellt, daß diese Listen gerechtfertigt waren, um ein gutes und vernünftiges Ziel zu erreichen. Sie alle haben gemeinsame Züge, deren hervorstechendste analysiert werden sollen: Erstens eine überschäumende Vitalität, die sie veranlaßt, das Leben in vollen Zügen zu genießen, ohne daß dies als Schandfleck auf ihrer Ehre gilt. Da sie diesen Genuß nicht innerhalb ihrer vier Wände finden können, suchen sie nach Vorwänden, tun auf die Straße zu gehen und das Madrider Leben zu genießen, in einem Wort: um sich zu amüsieren. ...He de correr a mi salvo los siempre tranquilos golfos de calle Mayor y Prado, corsaria de cuantos puertos hay desde Atocha a Palacio. Uso nuevo no ha de haber gue no lo estrene mi garbo: ?amiga sin coche? ITate! ?y sin chocolate estrado? No en mis días; porgue sé gue es el consejo más sano el mejor amigo el coche, y él el mejor agasajo. Las fiestas no ha de saberlas mejor gue yo el calendario: desde el Angel a San Blas, desde el Trapillo a Santiago. In diesen Versen sind die Wünsche einer jungen Dame des 17. Jahrhunderts zusammengefaßt. So äußert sich Eugenia in "Guärdate del agua mansa" vor ihrer entsetzten Schwester Clara, die ihr genaues Gegenstück ist und sich darein fügt, die Ruhe ihres Hauses nicht zu verlassen und dem Vater zu gehorchen. Aber gerade diese Ruhe bringt Eugenia zur Verzweiflung. Sie hat den brennenden Wunsch, Madrid zu "erleben". In den folgenden Versen beschreibt Eugenia ihre Vorstellung vom Leben in der Hauptstadt, eine Vorstellung, die sich kaum von der eines Teenagers unserer Tage unterscheidet:

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!Lindos cuidados! ?Quietud y jardín? Para eso Yuste está juntico a Cuacos. Pero en Madrid, ?qué quietud hay como el ruido? ?Y qué cuadro, aunque con más tulipanes que trajo extranjero mayo, como una calle que tenga gente, coches y caballos, llena de lodo el invierno, llena de polvo el verano, donde una mujer se esté de la celosía el los lazos, al estribo de un balcón a todas horas pensando? Pues ?qué los adornos? Dieser Drang, das turbulente Leben am Hof zu genießen, das in jedem Augenblick tausend Abwechslungen bot, treibt Clara dazu ir al parque, donde espero, porque disfrazada voy, pasear, hablar, reír, preguntar y responder, ser vista, en efecto, y ver; Auch die Liebe zum Theater war für die Damen ein Grund, ihre "mantos" zu nehmen und die Vorstellung zu besuchen. Wir sehen es bei Angela in "La dama duende", der diese Heimlichkeiten schwerfallen: !Y luego delito sea, sin que toque en liviandad, depuesta la autoridad, ir donde tapada vea un teatro ... Eine Folge dieser Sehnsucht, das Leben zu genießen, ist der natürliche Wunsch, sich gegen eine bestehende Ordnung aufzulehnen, die sie daran hintert, ihren Neigungen zu folgen. Da gibt es Väter oder Brüder, die sie eifersüchtig bewachen, und für die das kleinste Vergnügen schon ein Grund zum Argwohn ist. Da gibt es ein ungerechtes Gesetz, das es ihnen nicht erlaubt, einen Mann eigener Wahl zu heiraten? da gibt es eifersüchtige Liebhaber, die sie wegen des leisesten Verdachtes 112

verlassen, da gibt es tausend Schranken, die es ihnen nicht erlauben, sich außerhalb eines sehr engen Kreises zu bewegen. Sie beklagen sich über ihr Schicksal und leiden unter einer Ungerechtigkeit, die sie nicht verstehen: IValgame el cielo! Qué yo entre dos paredes muera, donde apenas el sol sabe quien soy, pues la pena mia en el término del día ni se contiene ni cabe; Donde en efecto, encerrada sin libertad he vivido, porgue enviudé de un marido con dos hermanos casada. Wie Angela beklagt sich auch Beatriz in "Manana serä otro dia": Déjame, memoria, basta; no me acuerdes mis desdichas, no me digas mis desgracias, no me cuentes mis pesares, no me repitas mis ansias, pues ya sé que la mayor que a nadie en el mundo pasa, es que una mujer, por ser principal, de admitir haya esposo a elección ajena. Es wurde schon erwähnt, daß die Auflehnung der Damen niemals frei und offen ist, und daß sie sich, um überhaupt etwas Freiheit zu gewinnen, des Betruges, der Hinterlist und Heuchelei, der einzigen Waffen, mit denen sie kämpfen können, bedienen. Calderón ist sehr versöhnlich, wenn er am Schluß der Komödie die Gültigkeit der bestehenden Normen nicht um einen Deut schmälert und doch der Dame die Erfüllung ihrer Wünsche - die Heirat mit dem von ihr geliebten Mann - gewährt. So kehrt alles zur ursprünglichen Ordnung zurück. Die Frau wird damit einer neuen Autorität unterstellt; sie ist aber unter dem "sanften Joch" glücklich, da sie es sich ja selbst ausgesucht hat. Eugenia aus "Guárdate del agua mansa" ist eine der wenigen Frauen, die offen gegen die Konventionen kämpft. Sie ist die 113

offenherzigste aller calderonianischen Heldinnen; in ihrem Wesen und ihrer Denkweise kann man bereits die Figuren Molieres erahnen. Eugenia ist fröhlich, ausgelassen und geistreich. Sie liebt die Zerstreuungen und schämt sich nicht, dies zuzugeben, weil ihr die gefürchtete Meinung der Leute nichts ausmacht, denn ihr Gewissen fühlt sich frei von Vorwürfen. Sie macht sich lustig über die Ehrbegriffe, die ihr hohl und übertrieben vorkommen. Sie ist die fortschrittlichste und modernste aller weiblichen Figuren, die in den Komödien Calderóns auftreten, aber ihre Revolution geht nicht sehr weit. Das einzige, was sie will, ist etwas mehr Freiheit und die Möglichkeit, sich ein wenig zu amüsieren. Ihre Proteste und Scherze enthalten eine realistische Denkweise, die von der unseres Jahrhunderts nicht weit entfernt ist. Ihre für ihre Zeit progressive Lebensauffassung zeigt sich in dem Dialog, den sie mit ihrer Schwester führt. Eugenia ist eine der lebendigsten und aktuellsten Figuren in der Welt der calderonianischen Personen. Die Anmut ihrer Sprache und ihre Schlagfertigkeit tragen dazu bei, uns die Jahrhunderte vergessen zu lassen und uns mit dieser jugendlichen Figur zu identifizieren, der es gelang, ihre Frische Völlig zu bewahren. Hören wir sie sprechen, als sie ihrer Schwester Clara antwortet, die ihr Frivolität und Koketterie vorwirft und fürchtet, ihre Haltung könne bei den Leuten heftige Kritik hervorrufen. "No sólo importa ser buena, sino parecerlo" ist Claras Devise (und sicher die aller calderonianischen Personen). Darauf antwortet Eugenia freimütig und witzig: "Quam mihi et vobis praestare" se te ha olvidado, para acabar el sermón con todos sus aparatos. Y para que de una vez demos al tema de mano, has de saber, Clara, que los "non fagades" de antano que hablaron con las doncellas y las demás de este caso, con las calzas atacadas y los cuellos se llevaron a Simancas, donde yacen entre mugrientos legajos. 114

"Don escrúpulo de honor" fué un pesadísimo hidalgo, cuyos privilegios ya no se leen de puro rancios. Yo he de vivir en la corte sin melindres y sin ascos del que dirán, porque sé que no dirán que hice agravio a mi pundonor, y así derribado al hombro el manto, descollada la altivez, atento el desembarazo, libre la cortesanía, he de correr a mi salvo los siempre tranquilos golfos de calle Mayor y Prado. Diese Eugenia, der es gefällt, immer mit unverhülltem Gesicht zu gehen, und die sich über die Meinung der Leute lustig macht, ist indessen diejenige, die sich am Ende ihrem Vater am gehorsamsten zeigt und sogar einwilligt, den bäuerischen Toribio zu heiraten, den sie verabscheut und von dem sie kurz zuvor gesagt hatte, sie würde lieber überhaupt nicht heiraten (das schlimmste Übel für ein Mädchen) als seine Frau werden. Calderón hat hier den klassischen Typ der "cabecita loca" behandelt, der im Grunde ernst und pflichtbewußt ist. Der Dichter gewinnt seine Figur lieb und läßt es nicht zu, daß sie einen Typ wie Toribio heiratet. Daher richtet er es ein, daß in der Schlußszene ein alter Bewerber gefunden wird, den ihre Mutter schon vor Jahren für Eugenia bestimmt hatte. Trotz dieses glücklichen Ausganges muß Eugenia Konzessionen machen. Nebenbei hat uns Calderón die Verschiedenheit ihres Charakters von dem ihrer Schwester gezeigt. Was bei der einen in "Stille Wasser sind tief" zusammengefaßt werden kann, könnte bei der anderen als "Viel Lärm um Nichts" bezeichnet werden. Eugenia ist im Grunde also nicht so intrigant wie die Hauptpersonen anderer Komödien, die, wie Clara, vor nichts zurückschrecken, die ihr gegenüber aber den großen Vorteil haben, von fröhlicher Gemütsart und voller Freude an der Abwechslung, dem Abenteuer und dem Humor zu sein. Die ränkeschmiedende Dame ist sorglos und hat zu Beginn der Komödie noch kein Interesse an der Liebe. Darauf ist sie stolz 115

und betrachtet ihre Freundinnen oder Brüder mit ironischem Mitleid, Wenn sie durch amouröse Bande gefesselt sind. Bis sie sich selbst verliebt. Dann ist es mit ihrer Ruhe aus, aber die Verliebtheit ist ein Reiz mehr in ihrem Leben, um den Geist zu schärfen und alles für die Eroberung des Geliebten vorzubereiten. Fast alle diese Damen verlieben sich in einen Galan, der ihnen das Leben gerettet oder sie vor ihrem Bruder beschützt hat. Was als Dankbarkeit begann, wurde zu Neugierde und zu Freude am Spiel. Dann zetteln sie einen abenteuerlichen und romantischen Zwischenfall an, den sie sehr genießen, und schließlich verlieben sie sich ernsthaft in den Caballero. Es bedarf keiner Erwähnung, daß die Damen den aktiven Teil der ganzen Intrige übernehmen. Erinnern wir uns an dona Angela, die lustige Witwe in "La dama duende": Don Manuel erscheint im günstigsten Augenblick, um sie von ihrem eigenen Bruder zu befreien, der sie verfolgte ohne zu wissen, daß sie seine Schwester ist. Zufällig kommt Manuel, der engste Freund ihres anderen Bruders, um sich bei ihm einzuquartieren. Da Angela vor fremden Blicken verborgen lebte und einen anderen Eingang benutzte, konnte der Caballero nicht wissen, daß es eine Frau im Hause gab. Dank eines Wandschrankes, der ihr Zimmer mit dem don Manuels verbindet, kann sie in dessen Raum gelangen, so oft sie Lust hat, und so sein Interesse erwecken und seine Phantasie mit dem Rätsel ihrer Identität beschäftigen. So geschieht es auch. Don Manuel weiß zum Schluß nicht mehr, an was er sich halten soll. In bestimmten Augenblicken ist er fast bereit, sich von Cosme beeinflussen zu lassen und zu glauben, diese Dinge passierten durch einen Zauber. Das Seltsamste an allem ist, daß die Caballeros bis zum Ende des Stückes die wahre Identität der Dame, für die sie sich interessieren, nicht erfahren und sich so ziemlich plötzlich mit ihnen verheiratet finden. Sie können sich der Sache nicht mehr entziehen, und es bleibt nur zu hoffen, daß sie glücklich werden, denn es ist ihnen in der Komödie nicht viel Zeit geblieben, um über Charakter und Wesen derjenigen, in die sie sich verliebt haben, nachzudenken oder zu prüfen, ob sie sie wirklich lieben. Bedenkt man aber, wie interessiert die Liebhaber gewesen sind, während sie diesen verspielten und lustigen Damen nachliefen, 116

kommt man zu dem Schluß, daB sie es nie bereuen werden, daß sie sie heiraten mußten; der calderonianische Mann gesteht seine Schwäche für diese Art Frauen: Sigamos; que ya véis cuanto me arrastra una mujer tramovera, pues el serlo sólo es causa de que a dona Clara ame;_ y aquesta, si no me engana la pinta, lo es_mucho más que la misma dcna Clara sagt don Hipólito in "Mañanas de abril y mayo", ohne zu wissen, daß diejenige, der er folgt, keine andere als Doña Clara selbst ist. Calderón erwähnt in seinen Komödien häufig die Gefühle der Caballeros, die sich mit den Augen (d. h. wegen ihrer Schönheit) und mit den Ohren (wegen ihres Geistes) in eine Dame verlieben. Diese These wurde vollkommen in "Cual es mayor perfección" durchgeführt, ist aber latent in vielen Stücken vorhanden. In vielen Fällen ist der Caballero zugleich in zwei Damen verliebt, von denen die eine gewöhnlich schön und reich ist (an der sich also nicht nur die Augen, sondern auch der Geldbeutel ergötzen), die andere geistreich und arm. Die eine umwirbt er, um sie zu heiraten, die andere, im sich zu unterhalten. Immer zieht ihn die zweite mehr an, aber aus Eigennutz zieht er die erste vor. In anderen Stücken ist diese Dualität von Schönheit und Geist in der gleichen Dame vorhanden, nur der Caballero weiß es nicht und glaubt, es handele sich um zwei, da er mit der einen niemals mit entschleiertem Gesicht gesprochen hat. Er schwankt daher zwischen der einen und der anderen, und alles löst sich im glücklichen Ausgang, als er schließlich merkt, daß es sich um die gleiche Dame handelt. Diese Eigenschaften des männlichen Charakters scheinen die Damen sehr gut zu kennen, wenn sie sich in ihre Abenteuer stürzen. Deshalb vertrauen sie von Anfang an auf den Erfolg. Diese Haltung wird bei Beatriz in "Manana será otro dla" beispielhaft gezeigt. Ihre Rede enthält sehr genaue Anweisungen, wie man die Männer für sich gewinnen kann: 117

Tres cosas hay que a los hombres enamoran; esto es la hermosura o el ingenio, o el alte empleo; porque la hermosura rinde al gusto, la alma al ingenio, y después lo ilustre a la vanidad: y asi desde hoy he de ser quien soy dentro de mi casa, procurando disponer que me vuelva a ver en ella; tapada, como me ves, en la calle una entendida, que con arte bachiller le divierta; y en fin, una grande señora después de noche, con una traza que he de dar, porque ya que mi hermosura no le agrade mi ingenio lo pueda hacer a su vanidad; y asi, he de doblar mi papel con esta farsa de amor, -g siendo una y haciendo tres. Fast alle diese Damen haben keinen Vater mehr, dafür haben sie einen Bruder. Das Bevorzugen der Bruderfigur hat Gründe unterschiedlichen Charakters. Erstens ist der Bruder ein junger Mann, der seine eigenen Liebschaften hat. Dadurch wird die Intrige komplizierter, weil in vielen Fällen der Bewerber der Dame schließlich auf den Bruder eifersüchtig wird und glaubt, er sei der Liebhaber seiner eigenen Schwester (ohne allerdings ihre Verwandtschaft zu ahnen). Zu diesem Zweck benutzt man den Trick, daß der Bruder einen anderen Namen verwendet. Der Bruder gibt außerdem Anlaß dafür, daß der Caballero, in den sich die Dame später verlieben wird, in ihrem Haus wohnt. Psychologisch gesehen ermöglicht es der Bruder, daß sich das Wesen der Dame in ihrem Familienleben lebhafter und realistischer äußert, da der außerordentliche Respekt dem Vater gegenüber dazu führte, daß die Beziehungen zwischen Vater und Tochter allzu förmlich waren. Die Schwester hat panische Angst vor ihrem Bruder, wenn sie sich - zu Recht oder zu Unrecht schuldig fühlt. Aber trotzdem hat sie zu ihm mehr Vertrauen. So nutzt sie den schwachen Punkt des Bruders - seine Verliebt118

heit - aus und bietet sich ihm als Vermittlerin bei seinen Liebschaften an, um ein ganz klein wenig Rache zu nehmen für die von ihm ausgeübte Autorität, und um ihm tausend Näschereien und Flitterkram zu entlocken, um damit vor ihren Freundinnen protzen zu können. Das macht sie mit viel Charme, und sie weiß dafür den rechten Augenblick zu nutzen, wenn nämlich der Bruder erfährt, daß der Besuch, den seine Schwester erwartet, niemand anders als die Dame seines Herzens ist. In diesen Szenen verläßt die Dame auf sehr feine Art und mit großer Anmut die Welt der Ideale, in der sich der Caballero befindet, und kehrt in die alltägliche und gewöhnliche Umgebung mit ihren tausend Kleinigkeiten zurück. Um dies zu unterstreichen, folgt hier der Dialog Angelas mit Alvaro in "Fuego de Dios en el querer bien", der sie gerade darum gebeten hat, für ihn zu vermitteln, und mit Beatriz, die erwartet wird, von seiner leidenschaftlichen Liebe zu sprechen. Angela

Alvaro Angela

Alvaro

Beatriz ha de merendar, y no sabré, imagina, hablarle de parte tuya, si merienda a costa mía Por eso ... No digas más ?Qué quieres que te envíe? Mira, al chocolate llamamos agasajo en las visitas; pero no es más que agasajo. Y asi, gue enviase querría a mi señora cunada algo más con que la sirva. Para merienda ya es tarde; no es posible prevenirla. Dulces te enviaré

Die Idee mit den Süßigkeiten scheint Angela jedoch nicht allzu sehr zu befriedigen; sie versucht, die Gelegenheit auszunutzen und so viel wie möglich herauszuschlagen: Angela

A eso llaman frialdades y boberias las discretas, pero vengan. 119

Alvaro Angela

iNotable estäs!

?Que te admiras? Esto el oficio lo trae consigo

Angela hat noch nicht erreicht, was sie sich vorgenommen hat. Es scheint ihr zu wenig, sich jetzt mit einigen Süßigkeiten zufriedenzugeben, deshalb fährt sie unerschrocken fort: Angela Alvaro Angela

Lo que es comer, divierte, pero no aliña ?Qué quieres decir con eso? Que si a las confiterías vas de la calle Mayor en ellas hay puntas, cintas, abanicos, guantes, inedias, bolsos, tocados, pastillas, bandes, vidrios, barros y otras diferentes bujerías, que son cosas que yo puedo decir que acaso tenia en mis escritorios.

Die Beziehungen dieser Damen zu den "graciosos" sind auch sehr eigentümlich. Diese zeigen ihnen gegenüber nicht die geringste Sympathie, mehr noch, sie haben eine Abneigung gegen sie. Sie fürchten und meiden sie, wo sie können. Zwischen der ränkeschmiedenden Dame und dem "gracioso" besteht eine angeborene Feindschaft, da der letztere intuitiv spürt, daß die Dame eine pikareske Ader hat, die der seinen nicht weit entfernt ist. Daher kann man vor ihr das Unerwartete erwarten; sie hat aber dem "gracioso" gegenüber den Vorteil, daß ihr ihre gesellschaftliche Stellung hilft, eine stärkere Macht auszuüben. Der "gracioso" hat eine Art abergläubische Furcht vor diesen Frauen. Das findet seinen konkreten Ausdruck in Cosmes Haltung in "La dama duende". Da er den Trick mit dem Wandschrank nicht kennt, ist Cosme völlig davon überzeugt, daß es sich um eine Erscheinung handelt, als er Angela zum ersten Mal sieht, aber um eine Erscheinung teuflischer Art. Daß sie eine Frau ist, gibt ihm noch mehr Grund zu der Annahme, es sei der Teufel selbst, und seine Haltung dem weiblichen Geschlecht gegenüber zeigt sich in den Worten: 120

Qu6 es mujer-diablo; pues gue novedad no es, si la mujer es demonio todo el ano, gue una vez, por desguitarse de tantas, sea el demonio mujer.

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Mehr oder weniger ähnlich denkt Hernando, der Diener don Manuels in "Fuego de Dios en el guerer bien". Er hält Angela nicht für etwas Ubernatürliches, aber er hat vor ihr eine wahnsinnige Angst und flieht vor ihr wie vor dem Teufel. Die armen "graciosos" haben nicht ganz Unrecht, sich so aufzuführen. Sie verlieren immer gegen diese ränkeschmiedenden Damen. Cosme passieren lauter MiBhelligkeiten: man nimmt ihm sein Geld weg, man gibt ihm die Schuld an dem Durcheinander, das im Zimmer herrscht, man ängstigt ihn fast zu Tode, und einmal gibt man ihm einen Puff "gue le hace escupir los sesos", wie er selbst später gesteht. Aber Hernandos Schicksal ist noch viel schlimmer. Nachdem ihm sein Herr eine Kopfverletzung beigebracht hat, schleppt man ihn als Gefangenen fort, weil er einen Mann getötet haben soll, etwas, was dem armen Hernando nicht einmal im Traum eingefallen wäre, und alles auf Ersuchen Angelas, der ränkeschmiedenden Dame des Stückes. Angela, die nicht zeigen wollte, daß sie die verschleierte Dame war, die don Juan besucht hat, die aber trotzdem den Vorfall vor ihm zu erwähnen wünschte, tat später so, als sei es Hernando gewesen, der ihr alles erzählt hatte, und berichtete don Juan bis ins Detail, was zwischen der verschleierten Dame und dem Caballero vorgefallen war. Von wem kann sie das erfahren haben, wenn nicht von Hernando, denkt don Juan und beschimpft seinen Diener deswegen. Hernando glaubt den Verstand zu verlieren, denn er selbst kann sich nicht erklären, wie Angela alles erfahren haben kann, und gesteht schließlich: "No me acuerdo, mäs sin duda, yo lo debl de contar". Die Dame Kobold ist die bezauberndste all dieser Figuren. In ihrem Temperament spiegelt sich ihre Jugend, ihre Vitalität, 121

ihre Freude am Spiel; all dies drückt sich in dem Abenteuer aus, das sie ersinnt, um don Manuel zu gewinnen. Am Anfang ist es gar nicht dona Angelas Absicht, zu erobern. Die Neugierde zieht sie ins Zimmer des Galans, Neugierde, gemischt mit Dankbarkeit und dem Wunsch, er möge sich dort wohl fühlen. Eine der reizendsten Szenen des ganzen Stückes ist die, in der Angela don Manuels Zimmer betritt, seine Koffer untersucht und sich für alles interessiert, was darin ist. Hier muß der Zuschauer, selbst der moderne, lachen, wenn er sieht, wie aus ihnen zwischen Schriftstücken, Wäsche und anderen Sachen seltsame Utensilien auftauchen: Hasta aqui, hierro de sacamuelas parece; mas estas son tenacillas, y el alzador del copete y los bigotes esotras. sagt Angela. Niemals wurden die intimen Gegenstände eines calderonianischen Herrn so ans Licht gezogen. Erst dieser ausgelassene Kobold zeigt sie uns. Bei ihrer weiteren Suche stößt Angela auf das Bild einer Dame; das scheint sie ziemlich zu verärgern. In diesem Augenblick entschließt sie sich, dem Gast ihres Bruders einen Brief zu schreiben, und so beginnt im Scherz und im Stil der fahrenden Ritter eine Liebeskorrespondenz. Sie selbst gesteht später ihrer Freundin Beatriz, wie sehr ihr das Bild der fremden Dame mißfiel: Porque necia y ignorante he llegado a tener celos de ver que el retrato guarde de una dama, y aün estoy dispuesta a entrar y tomarle en la primera ocasi&n.

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Angela ist von ihrem Ränkespiel so begeistert, daß sie sich entschließt, es noch weiter zu treiben. So erreicht sie es, mit don Manuel zu sprechen, indem sie vorgibt, eine große Dame zu sein, die ein luxuriöses Leben führt, deren Identität aber 122

- aus geheimnisvollen Gründen - nicht offenbart werden dürfe. Diese Neigung, sich für jemand anderen auszugeben, ist ein sehr verbreiteter Zug bei allen diesen Damen, die bei solchen Verstellungskünsten ein Abenteuer genießen, von dem sie in ihrer gewohnten Umgebung nicht einmal zu träumen wagen. Das Rezept ist alt und wird auch heute noch angewendet. Wie viele Filme, Theaterstücke und Romane basieren nicht auf dem gleichen Prinzip?: das unerfahrene Mädchen, das als große Dame auftritt und sich mit einem rätselhaften und mysteriösen Nimbus umgibt, um den Mann anzulocken, in den sie verliebt ist. Den Sieg aller ränkeschmiedenden Damen trägt indessen eine andere Angela davon, in "Fuego de Dios en el querer bien". Sie zeichnet sich einmal durch ihren außergewöhnlichen Geist aus, was ihrem Bruder, der keine so von allen gefeierte und gerühmte Schwester haben wollte, einige Kopfzerbrechen bereitet. Ihre zweite Eigenschaft ist ein besonderes Talent, in letzter Minute unerwartete Lösungen zu improvisieren. Solche Lösungen findet sie durch faustdicke Lügen, die sie nahtlos aneinanderfügt. Dies gibt Anlaß zu den spaßigsten Situationen, in denen dona Angela durch ihre Überlegenheit auffällt, und in denen es immer einen armen unglücklichen Verlierer gibt, der vor den Augen des Zuschauers lächerlich gemacht wird. So geschieht es z. B. don Diego, einem von Beatriz, Angelas Freundin, verschmähten Liebhaber. Ihm passiert es, daß er, als er seiner Geliebten folgt, ins Haus von Angela eindringt. Als er seine Anwesenheit in einem fremden Hause rechtfertigen will, fällt ihm nur ein zu sagen, er käme, um Beatriz ein Schmuckstück zu geben, das er gerade auf der Straße gefunden habe und das ihr gehören müsse. Damit erwartet er, daß Beatriz, um die Situation zu retten, schweigt und das Schmuckstück nimmt, das in Wirklichkeit ein Geschenk von ihm sein sollte. Aber don Diego hat nicht mit Angelas Spitzfindigkeit gerechnet. Sie läßt die Gelegenheit nicht ungenutzt, den Caballero exemplarisch zu bestrafen, und behauptet, daß es ihr Schmuckstück sei; und während sie ihm überschwenglich dankt, daß er es ihr zurückgebracht hat, sagt sie leise zu ihrer Freundin Beatriz:

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Las presunciones castigo de un majadero, que para dar su dinero anda buscando invenciones.

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Aber damit sind die Mißgeschicke don Diegos, den Angela mit langem Gesicht abziehen ließ, noch nicht zu Ende. Da in diesem Augenblick Alvaro, Angelas Bruder, hereinkommt, beschließen die beiden Freundinnen, den Caballero zu verstecken, um sich so peinliche Erklärungen über die Anwesenheit eines Mannes in ihrem Zimmer zu ersparen. Der unglückliche don Diego muß nun in seinem Versteck mit anhören, wie Alvaro seiner Dame den Hof macht und diese anscheinend darauf eingeht. Dann erscheint auch noch der Vater von Beatriz, um sie abzuholen, und als Alvaro sie verabschiedet, verschließt und verriegelt er die Türen sorgfältig. Was soll jetzt mit don Diego geschehen, der immer lästiger wird? Angela verwendet wieder ihren Scharfsinn. Sie sagt zu ihrem Bruder, er solle heute Nacht an Beatriz Fenster gehen, diese habe sie beauftragt, ihm dies mitzuteilen (was natürlich wieder eine Lüge ist). Alvaro zögert jedoch, und inzwischen erscheint don Juan, einer seiner Freunde. Ihm sind die Häscher auf der Spur, da er einen Mann getötet hat. Er wird aufgefordert, die Nacht im Hause zu verbringen. Als Alvaro ein Zimmer betritt, taucht don Diego auf. Es beginnt ein Gefecht mit dem Degen. Diego bleibt halb tot liegen, und Alvaro will - natürlich - die "hinterlistige" und "infame" Schwester töten. Don Juan tritt dazwischen, und Alvaro beruhigt sich ein wenig. Angela versichert ihre Unschuld. Es klopft an der Tür. Draußen stehen die Häscher, die den Übeltäter holen wollen. Was fällt Angela ein, um die Situation zu retten? Sie wendet sich an die Leute und sagt ihnen, tatsächlich habe ein Caballero in ihrem Haus Zuflucht gesucht. Er sei in einem Streit verwundet worden. Sie könnten über ihn verfügen, sobald sie sich um seine Wunden gekümmert hätte, und ihn gefangen nehmen und bringen, wohin sie wollten. Dabei zeigt sie auf den unglücklichen don Diego, der besinnungslos auf dem Boden liegt, halb erschlagen, ohne seinen Schmuck, krank vor Eifersucht auf Beatriz und jetzt auch noch eines Verbrechens beschuldigt. 124

Am folgenden Tag, als die Büttel kommen sollen, erscheint es allen ein wenig riskant, einen Mann auszuliefern, der protestieren wird, wenn er erfährt, was gespielt wird. Aber Angela hat schon eine neue Lösung im Kopf. Warum soll man nicht einfach Hernando ausliefern, don Juans Diener, der kürzlich von seinem Herrn am Kopf verletzt wurde und sehr gut als der Verwundete der letzten Nacht durchgehen kann? Gesagt, getan. Hernando wehrt sich verzweifelt, aber es nützt ihm nichts, niemand macht sich etwas daraus. Sie hören nur auf Angela, die darauf beharrt, daß der Gefangene sich davonmachen wollte und sie es zu verhindern versuchte. All dies gibt uns eine Vorstellung vom Wesen Angelas. Die Dynamik ist dominierend in "Fuego de Dios en el querer bien", und diese große Beweglichkeit entsteht hauptsächlich aus dem Handeln der Hauptperson, die die Aufgabe meistert, das Stück mit ihren Ränken auszufüllen. Die ränkeschmiedenden Damen sind eine der glücklichsten Schöpfungen des calderonianischen Theaters. Sie sind die wahren Heldinnen der Madrider Mantel- und Degenstücke. Sie sind unserer Zeit am nächsten und durch und durch mit Leben erfüllt. Ihr Humor, ihre Lebensfreude, ihre geistvollen Streiche lassen sie im Grunde als eine der besten Gestalten des Theaters im Goldenen Zeitalter erscheinen. Man darf ihnen nicht weniger Wert beimessen als den Schöpfungen Lope de Vegas und Tirso de Molinas. Vielleicht ist die calderonianische Dame etwas weniger dreist und etwas weniger ungezwungen als ihre lopeschen und tirsianischen Gefährtinnen, aber die Feinheit, der Anstand und Charme ihres Charakters machen sie zu einer wahrhaft echten "Tochter Madrids" im 17. Jahrhundert.

b) Der spottende und verführende Galan Von der großen Zahl der calderonianischen Liebhaber mit ihren Eigenschaften, die immer gleich ritterlich, immer gleich perfekt, immer gleich höflich sind, hebt sich eine relativ kleine 125

Gruppe ab, die auffallend genug ist, um die Aufmerksamkeit der Leser auf sich zu ziehen. Das sind die sorglosen und zu Scherzen aufgelegten Galane. Die "mocitos atrevidos", wie manche Väter sie nennen, sind ein wenig unbesonnen, vergnügungssüchtig, sie streiten ganz gern, lieben das Alltägliche und gehen längst nicht so in der Welt der Ideale auf wie ihre Bühnenvettern. Sie sind die Vorläufer des "señorito bien", der erst später aufkommt. Innerhalb dieses Typs unterscheiden sich zwei Arten: diejenigen, die das ausschweifende Leben eines Schürzenjägers zu führen vorgeben, ohne richtige "Don Juans" zu sein, da die Liste ihrer Eroberungen nicht allzu lang ist. In der Komödie machen sie zwei oder gar drei Damen zugleich den Hof. Zu dieser Gruppe gehören Figuren wie Enrique aus "La banda y la flor", Diego aus "Hombre pobre todo es trazas", Juan aus "Mañana será otro día", Juan aus "No hay cosa como callar", obwohl der letztere eher eine Person für das Drama als für die Komödie ist, da Schändung nicht zum Repertoire der "Heldentaten" gehört, die die Caballeros der Komödien vollbringen. Innerhalb der zweiten Gruppe finden sich eine Reihe Galane, die wir als "sorglos und spaßhaft" bezeichnen könnten. Sie protzen damit, daß ihnen Gefühle nichts anhaben können, d. h. daß sie sich nicht ernsthaft in eine Frau verlieben könnten; sie scherzen gern und haben eine recht praktische Einstellung, die der Mentalität unseres Jahrhunderts, die nicht so viel Verständnis für die Lebensauffassung der anderen Caballeros zeigt, viel vertrauter ist. Alle verlieren einen großen Teil ihrer Sorglosigkeit, wenn sie sich verlieben. Galane dieser Art sind z. B. Alonso aus "No hay burlas con el amor", Félix aus "Guárdate del agua mansa", Antonio aus "Cual es mayor perfección" . Diesen beiden Gruppen nicht ganz so nah ist don Diego aus "El astrólogo fingido", der, obwohl er nicht die Besonderheiten des spöttischen Galans und seine Verachtung für die Frauen hat, doch das spaßhafte und verlogene Temperament mit ihm teilt, denn auch wenn er sich gezwungen sieht zu lügen, hindert ihn das nicht daran, später an seinen eigenen Lügen 126

Gefallen zu finden. Charaktere wie diese sind so recht geeignet, die humoristischen Seiten hervorzuheben, die Calderón seinen ernsthaften Personen gibt. Diese hören auf, Inbegriff ritterlicher Tugend zu sein, und werden dadurch menschlicher. Durch ihre Anspielungen erfahren wir, daß die Galane menschliche Bedürfnisse haben, daß sie eine gute Mahlzeit außerordentlich schätzen, daß sie lachen, von Geld sprechen und eine Dame aus Eigennutz umwerben, daß sie menschlich egoistisch sind und daß ihnen ihr Wohlergehen über alles geht. Ihre Sprache kann, wenn sie wollen, ausgesucht und fein sein, aber ebenso ganz gewöhnliche Ausdrücke und Vokabeln enthalten, die nicht in den Mund eines Caballeros gehören, schon gar nicht in den Mund eines von Calderón geschaffenen. Ein pikaresker Hauch verleiht diesen Personen eine Neigung zum Spaßen und eine Anlage zum Lachen oder Scherzen. Diese Beobachtung ist wichtig, denn wäre sie nicht, fände man in fast keiner der calderonianischen Komödien Anspielungen auf das Lachen, das aus dem Benehmen des adligen und vollkommenen Caballeros verbannt war. Calderón nimmt in bezug auf seine Figuren dem Lachen gegenüber die gleiche Haltung ein wie Gracián. Hören wir, was dieser uns über Späße und Scherze sagt: "El que siempre está de burlas nunca es hombre de veras, y hay algunos que siempre lo están; tiénenlos por ventaja de discrección y lo afectan, que no hay monstruosidad sin padrino; pero no hay mayor desaire que el continuo donaire. Su rato han de tener las burlas; todos los demás las veras. ... Un grano de donosidad es plausible realce en el más autorizado, pero dejarse vencer de la inclinación en todo tiempo es venir a parar en hombre de dar gusto por oficio, sazonador de dichos y aparejador de la risa. Si en una cómica novela se condena por impropiedad el introducirse siempre chanceando a Davo, y que entre lo grave de la ensenanza o lo serio de la reprehensión del padre al hijo mezcle él su gracejo, ?qué será, sin ser Davo, en una grave conversación estar chanceando? ¡Será hacer farsa con risa de si mismo!" Auf die Komödien bezogen würde das bedeuten, daß es ziemlich unerfreulich wäre, fortwährend den Scherzen des "gracioso" zu127

hören zu müssen. Jedoch ist dies "El hombre que da gusto por oficio", der seine Rolle gut spielt, aber es ist absolut nicht zulässig, daß ein Caballero aus seiner Rolle fällt und die Regeln des Anstandes verletzt. "Esa vulgaridad del reir, quédese para la necia boca que mucho yerra", sagt Gracián.4^ Wenn auch nicht übermäßig, so gefährden diese spottenden Galane doch ein wenig den Anstand. Diese übertriebene Vorliebe für das Lachen! Don Alonso gibt uns in "No hay burlas con el amor" ein gutes Beispiel dafür: Vamos aprisa que ya de pensar, don Juan, lo que hoy a las burlas mías han de responder sus veras me estoy muriendo de risa. Dazu möchten wir noch die prosaische Ader vieler dieser Caballeros erwähnen. Die komische Wirkung, die sie hervorrufen können, ist sogar noch stärker als käme sie aus dem Munde der "graciosos", denn diese müssen aufgrund ihrer Natur so sein. Das Publikum wird höchst erstaunt und vergnügt gewesen sein, wenn es Bemerkungen wie diese aus dem Munde eines Caballeros vernahm: Vamos a comer, que aunque tan enamorado esté, tengo más hambre que amor "Poderoso caballero es don Dinero" scheint das Motto vieler dieser Personen zu sein. So muß auch don Diego in "Hombre pobre todo es trazas" denken, denn nachdem er seinem Diener gegenüber die Schönheit einer Dame gepriesen hat, wobei er ein wenig ironisch die altbekannte Metaphern "Campos de nieve", "cuellos de marfil", "oro de Ofir" und andere gängige Gemeinplätze verwendete, fügt er hinzu: Nada de esto digo, aunque todo lo puedo decir, pues demás de ser hermosa, lo que me parece a mi 128

mejor, es tener de renta largamente doce mil ducados. Von der ideellen Ebene, auf der ein Liebhaber in den poetischsten Ausdrücken seine Liebe zu der Schönheit besingt, steigt man unvermittelt auf die Ebene der Wirklichkeit hinab, die uns seine Liebe zum Geld und im Grunde seine wirklichen Interessen verrät. Dieser brüske Schritt von einer Sphäre des Seins in eine völlig entgegengesetzte, der immer einen Abstieg bedeutet, erzeugt eine komische Wirkung. Calderón wendet dieses Mittel fortwährend an, aber meistens ist es der Diener, der die Aufgabe hat, diesen Sprung nach unten zu vollziehen. In unserem Beispiel ist der Kontrast sogar noch größer, denn der Caballero selbst verwirklicht ihn. Das ständige Uberwechseln von einer höheren Ebene auf eine tiefere hat zur Folge, daß die Werte der höheren Ebene der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Macht ein Diener sie lächerlich, so brauchen seine Äußerungen nicht so ernst genommen zu werden. "Comunmente viven desacreditados los graciosos" behauptet Gracián in "El discreto". Aber tut es ein Edelmann, so kann dieses Lächerlichmachen gewisser gültiger Werte größere Wirkung haben und so schließlich die von den Normen verlangte Ideologie gefährden. Calderón geht dieser Gefahr aus dem Wege, indem er uns einen adligen Typ zeigt, der sich nicht nach den Richtlinien eines vollkommenen Caballeros richtet und der daher nicht ganz so ernst genommen zu werden braucht wie die übrigen. Achtungl scheint uns der Dichter sagen zu wollen. Dieser Caballero geht ein wenig über die Prinzipien des ritterlichen Kodex hinaus, aber seht, wie er am Schluß durch Schaden klug wird, und seine eigenen Scherze sich gegen ihn selbst richten. Tatsächlich geschieht dies mit drei Caballeros, die wir als Beispiel für diese Art Personen nehmen wollen: don Diego aus "Hombre pobre todos es trazas", don Alonso aus "No hay burlas con el amor" und don Diego aus "El astrólogo fingido". Der erste ist der klassische Typ des betrügerischen Galans. Er umwirbt zwei Damen zugleich (etwas, was schon bei anderer Ge129

legenhelt erwähnt wurde). Eine von ihnen liebt er wegen ihrer Schönheit und ihres Geldes* Er hofft, sie zu heiraten* Die ändere liebt er auch wegen ihrer Schönheit, aber vor allem wegen ihres Geistes und ihrer Reize: sie singt, spielt, macht Verse. Nach einem Ausdruck don Diegos ist sie "de las que discretean". Bei der einen benutzt er seinen eigenen Namen - Diego Osorio bei der anderen einen fingierten - Dionls Vela. Da die beiden Damen Freundinnen sind (wovon Diego keine Ahnung hat), sieht er sich eines Tages beiden zugleich gegenüber, gerade in dem Moment, als sie von ihrem jeweiligen Galan schwärmen. Um aus dieser heiklen Lage herauszukommen, gibt er vor, Beatriz - das war die Geistreiche - nicht zu kennen, und kommt auf die Idee, zu verbreiten, Dionls Vela und Diego Osorio seien zwei verschiedene Personen, die nur eine erstaunliche Ähnlichkeit aufweisen. Beatriz will sich zunächst nicht überzeugen lassen, aber ein paar Zufälle verhelfen Diegos Anstrengungen zum Erfolg. Indessen reiht Diego Lüge an Lüge, betrügt einen Freund, um von ihm Geld zu erhalten, will vor Beatriz angeben, indem er ihr eine Kette aus falschem Gold schenkt, und hat selbst an all diesen Verwicklungen den größten Spaß. Die Damen zu verspotten ist sein Hauptvergnügen, und immer wieder rechtfertigt er seine Haltung: Si yo quisiera bien, Rodrigo, si yo amara, ni mi pensa se estimara, ni mi amor se agradeciera, Finjo, engano, y es forzoso porque ya el más firme amante es el menos venturoso.

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Diego genießt seine Betrügereien und trägt eine zynische Haltung zur Schau, da er sehr gut seine Stellung als Edelmann zu nutzen weiß, um alle Vorteile, die sein Stand ihm bietet, auszukosten: IQué fácil es de engañar (caso cierto) un hombre de bien

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bemerkt er mit Befriedigung. - Er kann aber die Farce nicht 130

bis zum Schluß aufrechterhalten. Die Bewerber der von ihm hofierten Damen verfolgen ihn voller Eifersucht. Der eine sucht don Dionis, der andere don Diego. Als sie am Ende nur einer Person gegenüberstehen, kann er den Schein nicht länger wahren und sieht sich gezwungen, die Wahrheit zu gestehen:

porque un hombre principal puede mentir con las damas (que engañarlas con industria es más buen gusto que infamia, y los mayores señores lo suelen tener por gala); Pero con los hombres no. Y asi ahora en la campana digo que soy don Dionls _2 y don Diego .... Has don Diego nicht ahnt, ist, daß seine beiden Damen ihm hinter einer Wand versteckt zuhören. Natürlich sind die beiden wütend und enttäuscht und bestrafen die zynische Haltung des Galans, indem jede ihren alten und treuen Freier heiratet. Auch don Juan, der betrogene Freund, ist aus Schaden klug geworden, daß er einem solchen Mann vertraut hat. Alle machen ihm Vorwürfe wegen seiner Handlungsweise, und don Diego ist beschämt und anscheinend von seinen Fehlern geheilt. Läßt man diesen konventionellen Schluß beiseite, so bietet die Person doch sehr interessante Züge, die sie, trotz ihrer adligen Herkunft, der pikaresken Welt näherrücken. Don Diego ist ein Lebemann, skeptisch gegenüber allem, was ihm nicht gefällt, gefühllos bei anderen Gesetzen als denen, die ihm seine Wünsche vorschreiben. Da er arm ist, bleibt ihm nichts anderes übrig als der Betrug, um seinem Geschmack zu fröhnen, und er bedient sich dieses Mittels, sooft sich die Gelegenheit ergibt. Sein Vater schreibt ihm: "Hijo, yo no tengo hacienda para sustentar vuestras travesuras y bellaquerías. ... En la corte estáis. Dad alguna traza de vivir honradamente, y ved que el pobre todo es trazas." Diesem Rat folgt don Diego wörtlich, aber nicht um "ein ehrbares Leben zu führen", sondern um zu leben, wie es ihm gefällt, um ständig Feste zu feiern, zu spielen, zu gewinnen und zu verlieren. Dem Gauner gegenüber 131

hat er einen Vorteil: ihm wird, genau wie den ränkeschmiedenden Damen, aufgrund seiner sozialen Stellung immer geglaubt, ihre Betrügereien kosten sie weniger Mühe. Aber don Diego hat in der Komödie mit seinen Schurkenstreichen den Bogen überspannt. Calderón will ihm nicht verzeihen und ihn nicht entschuldigen, darum läßt er ihn nicht das erreichen, was er will. Die exemplarische Absicht des Dichters konnte es nicht zulassen, daß eine solche Figur so davonkommt, und so folgt später die große Reue. Rodrigo, der Diener, weist Diego am Schluß der Komödie zurecht: Rodrigo Diego

?De qué, di, te habrá servido ser el "hombre pobre trazas", si al final te dejan todos? De mucho, si en ella halla desengaños el gue es cuerdo, mirando en mi castigadas estas costumbres, porgue escarmentando en mis faltas, perdonen las del autor.

Ein nicht so hartes Schicksal trifft einen anderen Caballero dieser Art, don Juan aus "Manana será otro día". Don Juan ist auch streitsüchtig, ein Spieler, Freund von Vergnügungen und außerdem rebelliert er gegen seinen Vater, mit dem er im Erbstreit steht. Um den Vater zu ärgern, verachtet er den väterlichen Namen und nimmt den seiner Mutter an. Auch er dient zwei Damen: der einen, Elvira, wegen ihrer Schönheit, der anderen, nicht so hübschen, Leonor, wegen ihres Vermögens. Es bedarf keiner Erwähnung, daß er die Absicht hat, die zweite zu heiraten. Trotzdem entscheidet er sich zum Schluß für die erste. Das versöhnt ein wenig mit dem eigennützigen Charakter dieses Galans. Der zweite spaßhaften hay burlas thischsten lächerlich 132

Typ, der uns als Beispiel dient, um die Figur des Caballeros herauszustellen, ist don Alonso aus "No con el amor". Er ist einer der witzigsten und sympaGalane der calderonianischen Komödien, ohne dabei zu wirken. Bei seinem witzigen Temperament will

auch don Alonso sich amüsieren, und nichts geht ihm mehr auf die Nerven als die ständigen Ängste, denen die Verliebten ausgesetzt sind. Als er dahinterkommt, daß sein Diener verliebt ist, will er ihn sofort entlassen, Und als er sich gezwungen sieht, sich die Geschichte seines verliebten Freundes anzuhören, der, als er seine Dame besuchte, fürchtete, daß deren Schwester ihre Unterhaltung mit angehört hat, kann er nicht anders, als vor sich hin zu sagen: !qué amores tan enfadosos! Si me oyeron, no me oyeron ... ¡Bien haya yo, que en mi vida he enamorado con riesgo sino dama a todo trance, sino moza a todo ruedo, que a la primera visita llamo recio y hablo recio! Y el haber en mi o no haber, o temor o atrevimiento, no consiste en otra cosa que haber o no haber dinero. Alonso lehnt es daher rundweg ab, seinen Freund bei dessen Liebeswerben zu unterstützen, als er erfährt, daß er Beatriz, der Schwester Leonors, den Hof machen soll. Er, don Alonso, einer Frau nachlaufen, damit Zeit verlieren, sie zu umschwärmen und ihr Komplimente zu machen, ihre Verachtung zu ertragen? Und zu allem Uberfluß nicht etwa eine Dame wie die anderen, sondern eine, die von ihrem Wissen besessen ist, eine "culta". Hierzu äußert sich don Alonso, ziemlich vulgär für einen Caballero, aber recht wirkungsvoll und plastisch: !Vive Dios, que antes me deje morir, que a una mujer siga, ni solicite ni ronde, ni mire, ni hable ni escriba! Porque en no teniendo yo libre entrada a mis visitas, donde tome mi despejo a la primera vez silla, la segunda taburete, y la tercera tarima, siendo mi lecho el estrado, y mi almohada una rodilla, y haciendo asi que me rasquen la cabeza si me pica; 133

no daré por cuanto amor hay en el mundo, dos higas. Trotz aller Einwände besteht don Juan so sehr darauf, daß er schließlich einwilligt, ihn zu begleiten und Beatriz den Hof zu machen, damit auch diese sich am Schluß entweder vor ihrem Vater schuldig fühlt oder sich ernsthaft verliebt und so der Liebe zwischen ihrer Schwester und don Juan den Weg ebnet. Hier erlaubt sich Calderón einen gelungenen Scherz mit seiner Figur. Der "ungezwungene" don Alonso, der immer laut anklopft und laut spricht, sieht sich vom Vater der Dame überrascht, als er mit ihr spricht. Nun muß der Caballero eilends versteckt werden. "Muß ich mich verstecken?" fragt er bestürzt. "Das verlangt meine Ehre" entschuldigt sich Beatriz. Don Alonso, der die Folgen einer geheuchelten Liebe zu spüren bekommt, und der nicht aus eigenem Antrieb ins Haus gekommen ist, reagiert mit Humor, als er in diesem Augenblick ausruft: ICielos! considerad que no es bien darme tan fino el pesar siendo tan falso el placer. Aber es kommt noch ärger. Don Alonso erfährt, wo er sich verstecken soll: in einem Wandschrank voller Gläser. Auch hier kann er den spöttischen Ton nicht unterdrücken: !Lindo búcaro del Duque, o de la Maya seré! ?Yo en alacena de vidrios? IVive Dios!



"Es muß sein", antwortet Beatriz, und don Alonso fügt sich darein, in das Schränkchen zu steigen, nicht ohne vorher zu bemerken, daß es ohne "Schuhanzieher" nicht möglich sei, hineinzukommen. Niemals, auch nicht in den verzweifeltsten Augenblicken, fehlt es don Alonso an Witz, und trotz der Umstände verliert er nicht seinen Humor. Selbst der Diener ist erstaunt, daß sein 134

Herr immer seine gute Laune behält, auch wenn es kritisch wird. Als sie aus dem Schrank herauskommen, nachdem Moscatel die Gläser darin zerbrochen hat, läßt don Alonso sich die Gelegenheit nicht entgehen, Ines, der Zofe, Komplimente zu machen und sie zu umarmen. Aber als er voller Freude daran denkt, daß der Schrecken vorüber ist, und glaubt, ¡er könne durch die Tür hinausgehen, erfährt er von Ines, daß sie verschlossen ist und er über den 3aIkon klettern muß. ?Eso tenemos ahora Inès? ?Balconear despuês de una alacena? Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als aus dem zweiten Stock zu springen. Er verletzt sich ein Bein, und während er sich humpelnd entfernt, greifen ihn einige Männer an, die um das Haus der beiden Schwestern ihre Promenade machten, und verwundeten ihn aus purer Eifersucht am Kopf. Aber die gezierte Beatriz hat Eindruck auf ihn gemacht. Don Alonso hat sie nicht so affektiert gefunden, wie die Leute behaupten. Überdies bewundert er ihre Schönheit. Deshalb begibt er sich jetzt so melancholisch, nachdenklich und verwirrt hinfort ... und wie er selbst sagt, hat er un no se gué en el aima que es bien y parece mal que es gusto y parece ansia. Außerdem geht es ihm gegen den Strich, daß um das Haus von Beatriz Männer herumstanden. Moscatel schließt aus alledem, daß sein Herr verliebt und eifersüchtig ist und beginnt, sich darüber lustig zu machen, daß er sich schließlich doch in den Netzen der Liebe verfangen hat. Aber sein Herr weigert sich, das zuzugeben. In diesem Augenblick erscheint don Juan und teilt ihm mit, daß er seine Gesellschaft nun nicht mehr benötigt, da er auf Leonor eifersüchtig ist und sich entschlossen hat, sie nicht mehr wiederzusehen. Außerdem will er seinen Freund nicht wieder in eine so verzwickte Lage bringen. Hier beginnt ein Dialog, in dem don Alonso die rührendsten Anstren135

gungen unternimmt, um sein amouröses Interesse zu verbergen, das ihn dazu treibt, zu Beatriz ins Haus zurückzukehren. Er findet immer neue Vorwände, die sein Handeln logisch erscheinen lassen sollen, ohne daß er seinen Ruf als freier und ungebundener Mann verliert. Zuerst bringt er ihre gute Freundschaft ins Spiel und versichert don Juan, es mache ihm nichts aus, ihm zu folgen und ihm den Gefallen zu tun. Dieser erinnert ihn an seine Wunde. "De una herida no escarmientan, caballos de buena casta", meint don Alonso. Darauf erhält er zur Antwort, daß es nicht nur deswegen sei. Gut, Alonso will wenigstens zurückkehren, um zu erfahren, wer ihn verletzt hat. Damit nimmt er seinen Ruf zum Vorwand. Don Juan unterbricht ihn mit dem Einwand, daß das auch jemand anders machen könne. Sodann versucht Alonso, die Sache von der anderen Seite anzugehen und läßt durchblicken, was für eine Meinung eine so eitle Dame wie Beatriz von ihm haben würde, wenn er sich wie ein Feigling benähme und sich nicht wieder blicken ließe. Auch dafür weiß don Juan einen Ausweg. Schließlich kann unser Caballero nicht mehr und ruft aus: Don Juan, don Juan hablemos verdades ciaras, Yo he de ir a ver a Beatriz. Don Alonso hat sich öffentlich für besiegt erklärt, und danach reagiert er freimütig und entschieden auf die Einwände, die diesmal don Juan vorbringt. Nun machen ihm der Wandschrank, der Sprung vom Balkon, die Messerstiche nichts mehr aus. Wenn ihm aufgrund einer Lüge so viel geschehen ist, was sollte er da nicht fähig sein, aufgrund der Wahrheit zu ertragen? Wie zu erwarten war, geschieht wieder fast das gleiche: Wieder kehrt der Vater genau in dem Augenblick zurück, in dem er es besser nicht getan hätte. Wieder muß don Alonso versteckt werden, diesmal, Gott sei Dank, nicht im Wandschrank, sondern in einem Nebengelaß. Der Galan kann den spaßigen Kommentar nicht unterdrücken : !Que pesados con los lances de amor hijos de familias! 136

Zum SchluB kommen alle zusammen, alles klärt sich auf, und don Alonso heiratet Beatriz nur allzu gern. Das Stück endet mit einer Warnung an die Männer, daß sie sich nicht über die Liebe lustig machen sollen, da sie das Unheil sähen, das auf diese Weise angerichtet werden könne. Das dritte Beispiel des "heterodoxen" und humoristischen Liebhabers ist don Diego in "El astròlogo fingido". Don Diego verführt nicht die Frauen, wie es sein Namensvetter in "Hombre pobre todo es trazas" getan hat, er spottet nicht über die Liebe und die Verliebten wie don Alonso, aber die Umstände bringen ihn dazu, sich über die ganze Welt lustig zu machen, weil er eine Rolle spielen muß, die ihm nicht liegt, und etwas darstellen soll, was er nicht ist. Alles ergibt sich durch einen Zufall. Diego, der Maria liebt und bis jetzt von ihr verachtet wurde, erfährt durch seinen Diener (der es wiederum von der Dienerin Marias weiß), daß die Dame nachts einen Mann empfängt. In seiner Eitelkeit gekränkt, nähert er sich ihr auf der Straße und tadelt ihr Benehmen. Maria beschuldigt die Dienerin wegen ihrer Indiskretion, und Moròn, der Diener, erfindet, um die Dienerin zu schützen, daß sein Herr alles durch die Astrologie erfahren habe, eine Wissenschaft, die er perfekt beherrsche. Was am Anfang ein Einfall des "gracioso" ist, um die Situation zu retten, wird von don Diego in der überzeugendsten Weise bestätigt. In einem langen Redeschwall erklärt er sehr ausführlich, durch welche Umstände und an welchem Ort er diese Kunst erlernte und wer seine Lehrer gewesen seien. Dies ist der Anfang einer verwickelten Intrige, und, wie Valbuena bemerkt, "se paraliza la ficciòn". Marias Vater interessiert sich außerordentlich für don Diegos Kenntnisse, und nach und nach entsteht das Gerücht in Madrid, daß er ein großer Astrologe sei und alle Welt ihn um Rat frage, damit er ihre Probleme löse. Zuerst erschrickt don Diego über die Folgen, die seine Lüge haben kann, aber später gewinnt er Gefallen an dem Spiel, und da ihm nichts weiter übrig bleibt, strengt er seinen Geist an, um aus den verzwickten Situationen herauszukommen .

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Aber diese Person hat kein so spaßiges Temperament wie don Alonso in "No hay burlas con el amor". Der Hauptspaß an der Komödie hat seine Ursache in der Reaktion der anderen und ihrer Gläubigkeit gegenüber einer angeblichen Wissenschaft. Das Stück wird später noch eingehender untersucht. Don Diego wird schließlich öffentlich bestraft. Seine Betrügereien können in einer Komödie nicht erlaubt werden, die am Schluß immer eine Tendenz zum Moralisieren zeigt und die Lüge nicht gelten läßt, auch wenn sie Anlaß für die amüsantesten Situationen ist. Der Caballero heiratet am Ende die geliebte Dame nicht und wird von allen beschimpft. Sie schreien ihm seine Betrügereien ins Gesicht. Zusammenfassend kann man feststellen, daß die männlichen Personen Calderóns, die sich in gewisser Weise vom traditionellen, vollkommenen Modell des Caballeros entfernen, eine stärkere Tendenz zeigen, uns eine humoristische Sicht des Lebens zu bieten, und eine gewisse kritische Skepsis gegenüber vielen geltenden Werten, vor allem denen, die den Begriff der ritterlichen Liebe berühren. Auch wenn sie am Schluß bestraft werden oder sich von ihren Ideen abwenden, ändert dies nichts daran, daß sie im Verlauf des Stückes ein individuelles Wesen entwickelt haben, das sie durch Witz und Geist dem Leben und der Wirklichkeit näherbringt.

c) Der nüchterne Freund Kommen wir jetzt zur letzten Gruppe von Caballeros aus den calderonianischen Komödien. Auch sie sind ein geeignetes Objekt, um die humoristischen Äußerungen der ernsten Personen bei Calderón zu untersuchen. Ich spreche hier von dem Freund, der in einigen Komödien dem Galan zur Seite steht. Sein markantestes Merkmal ist eine ausgeprägte Skepsis gegenüber der idealisierenden Welt der adligen Figuren. Dieser Freund hat in gewisser Weise eine ähnliche Haltung wie der "gracioso" gegenüber 138

vielen - anscheinend tragischen - Konflikten von Ehre und Liebe. Auch seine Kommentare haben eine scherzhafte Färbung. Trotzdem unterliegt er immer den Gesetzen des Caballeros, die ihn zwingen, in bestimmten Augenblicken aufzuhören und seine Kritik nicht zu weit zu treiben. Der skeptische Freund stellt die Stimme des gesunden Menschenverstandes dar, der, wie es uns scheint, fast allen Personen der Komödien fehlt. Aus seinem Munde sprechen Verstand, Logik und gesundes Empfinden. Er ist nicht weit von den Figuren Molieres entfernt, diesen vernünftigen Personen, die immer eine entgegengesetzte Haltung gegenüber den von einer Idee besessenen oder lächerlichen Figuren einnehmen, die in den Komödien des französischen Dichters auftreten. Die calderonianische Figur hat natürlich ihre Besonderheiten. Erstens eine unerschütterliche Zuneigung zum Freund, dessen Freundschaft ihm heilig ist. Aber es muß hier geklärt werden, daß diese Freiandschaft nicht von der Art der anderen Caballeros ist, die eher aus dem Kopf als aus dem Herzen zu kommen scheint und sich immer den Gesetzen der Höflichkeit unterordnet. Die Figuren, die hier behandelt werden sollen, scheinen ihre Freunde wahrhaft zu lieben und versuchen, ihnen, soweit sie können, zu helfen. Sie sorgen sich um ihre Sicherheit und helfen ihnen bei vielen Gelegenheiten aus der Klemme. Zweitens zeigen sie eine ausgeprägte Frauenfeindlichkeit. Die Frauen kommen bei ihnen schlecht weg. Diese Art Männer hat nichts gegen Beziehungen zum weiblichen Geschlecht, solange sie nur kein Kopfzerbrechen bereiten. Wenn die Liebe in vorgeschriebenen Bahnen verläuft und man ihren Regeln folgen muß, lassen sie keine Gelegenheit aus, um zu äußern, wie absurd und dumm dieses Gefühl ist. Sie begreifen nicht, warum man sich wegen einer Frau soviel Mühe macht, Und versuchen, dem befreundeten Caballero nach Möglichkeit vor Augen zu halten, wie unvernünftig er handelt. Auch zeigen sie eine gewisse Antipathie gegen die übertriebene Einhaltung der Ehr- und Duellgesetze. Immer versuchen sie, ihre Freunde von den im Nu entste139

henden Streitigkeiten abzuhalten, und es gelingt ihnen sogar, sie zur Vernunft zu bringen, wenn sie alles zum Teufel wünschen und sich an ihrer Schwester wegen eines leisen Verdachts nur rächen wollen. Auch wenn in den Komödien nichts ausdrücklich darüber gesagt wird, dürften diese Caballeros nicht mehr ganz jung sein und einiges hinter sich haben. Deshalb erscheint es ihnen unmöglich, sich die Prinzipien ihrer Freunde, die wahrscheinlich jünger sind, so zu Herzen zu nehmen. Bs wurde vorhin erwähnt, daß die spaßhaften Caballeros ihr Vergnügen über alles liebten. Der skeptische Freund liebt seine Bequemlichkeit. Darum verliebt er sich nicht. Darum ist er - wahrscheinlich - auch nicht verheiratet. Hören wir ihn selbst dazu. Don Antonio antwortet auf eine ihm von don Luis gestellte Frage. Dieser kann sich nicht vorstellen, daß es einen Mann gibt, der dem Zauber einer Schönheit widerstehen kann. Wer könnte sie nicht lieben? Darauf don Antonio: Quien quiere sin que ninguna pasión quite que coma y repose "trovar quanto campar posse la vita d'un buon poltron". ?Yo me habla de rendir_ por el más hermoso dueno_ a perder una hora de sueno? ?Yo sacrificarme a ir, de tiernos suspiros lleno, al umbral de la mas bella, donde mi cielo sea ella y yo sea su sereno? ?Yo andar en desconfianza de uno y otro devaneo, ajustando si el deseo se frisó con la esperanza? ?Si el afecto descuidado es crédito del olvido si el mérito desvalido disimulo del agrado? Y cuando más a este modo quieren callar mis desvelos, hételos aquí los celos, que lo echan a perder todo. De mis empleos, señores, 140

mejor las mudanzas van, dance otro cierto el "galán » que yo he de danzar "flores » al compás de una fortuna poltrona.

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Der "nüchterne Freund" ist der humoristischste aller calderonianischen Personen, denn er findet sich am Rande des Lebensweges und beobachtet die Schau, die ihm die Welt in seiner Umgebung bietet. Dabei ergreift er Partei für die komische Seite der Dinge. Was ihn am meisten amüsiert, ist die Betrachtung verliebter Galane, die immer mit dem gesunden Menschenverstand kollidieren und nichts anderes als Spott verdienen. Hier die Beschreibung eines dieser Verliebten, wie ihn don Antonio sieht. Auf don Felix Frage, der wissen wollte, was don Luis über seine Liebschaften erzählt hatte, antwortet Antonio: ?Qué sé yo? Aquello de que me abraso, con su algo de girasol, cielo, estrella, luna y sol y lo demás que en tal caso de derechos se requiere. Alcancémosle los dos; porque también os riáis vos de ver que conforme muere a manos de su pasión 1 Ternísimo majadero!

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Das Schicksal oder der Dichter spielen jedoch don Antonio einen Streich. Ohne überhaupt zu wissen, wie es geschah, ist er plötzlich mit Angela verheiratet, der schönen Eitlen, von der schon gesprochen wurde. Ihr Vater findet keinen anderen Ausweg, um seine Ehre wiederherzustellen, denn er hat don Antonio in seinem Hause eingetroffen. "Dädle a Angela la mano", droht ihm der Alte, Antonio ist überrascht, aber Felix, sein Freund, erinnert ihn daran, wie arm er doch ist, und wie reich die Dame. Das "fortuna poltrona" scheint dem Caballero zu lachen, der ausruft: Ahora bien, coma y reviente echad esa mano acá.

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Wer hätte gedacht, daß ein calderonianischer Caballero sich vor seiner Heirat so äußert? Der ganze Satz hätte auch aus dem Munde eines "gracioso" kommen können, Und nicht nur zu diesem Anlaß. Auch bei anderen Gelegenheiten zeichnet sich die Sprache dieser Caballeros nicht gerade durch ihre Eleganz aus. Wenn er etwas ernsthaft sagt, ist er nüchtern und benutzt ungern Metaphern und Bilder, und wenn er im Scherz spricht - was sehr häufig vorkommt - ist seine Sprache mit Ausdrücken von der gleichen Art wie die des "gracioso" gewürzt. Als Antonio sich einmal an Angela, an die er wegen ihres impertinenten Verhaltens eine sehr schlechte Erinnerung hat, wenden will, sagt er, die "Culteranisten" parodierend, wie es auch die Diener tun, wenn sie mit den Dienerinnen sprechen: ?0s acordais la senora del coche guebrado? ?La cändida beldad leve, gue sierpecilla de nieve tigrecito de cristal, como a negros nos trato el dla del Angel?

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So spricht auch Capitan Clavijo, als er seinem Freund den Rat gibt, behutsam bei der Lösung des Problems der Ehre seiner Schwester vorzugehen: Estas cosas, advertid, del honor (la fräse es baja pero no importa) mejor se descosen gue se rasgan, no tireis dellas, sino g6 poco a poco examinadlas. Um zu schließen: Der nüchterne Freund besitzt in höherem Grad die Skepsis oder die kritische Haltung, die die spöttischen Caballeros haben, mit dem einen Unterschied, daß diese Haltung schon in ihnen angelegt ist und einen Teil ihrer Persönlichkeit ausmacht. Sie ändern sie nicht und verzichten auf sie keinen Augenblick.

1 No hay burlas con el amor, I, S. 498 2 Afectos de odio y amor, I., S. 1796 3 Vgl. die Analyse Bousonos in "Teoría de la expresión poética", S. 341 - 355 4 No hay burlas con el amor, I, S. 501 5 ibid., I, S. 501 6 ibid., II, S. 513 7 ibid., I, S. 501 8 ibid., I, S. 504 9 ibid., I, S. 501 10 ibid., I, S. 501 11 ibid., III, S. 516 12 ibid., II, S. 509/10 13 ibid., II, S. 512 14 Cual es mayor perfección, II, S. 1633 15 ibid., II, S. 1627 16 ibid., II, S. 1638 17 ibid., II, S. 1639 18 ibid., I, S. 1626 19 ibid., II, S. 1641 20 ibid., I, S. 1625 21 ibid., I, S. 1625 22 ibid., III, S. 1653 23 ibid., III, S. 1660 24 Diesem Schema folgt im 17. Jahrhundert auch Cañizares mit seiner Komödie "El Dómine Lucas" 25 Guárdate del agua mansa, II, S. 1307 26 ibid., II, S. 1312 27 ibid., II, S. 1312 28 ibid., II, S. 1308 29 ibid., I, S. 1302 30 ibid., III, S. 1329 31 Guárdate del agua mansa, I, S. 1300 32 ibid., I, S. 1300 33 Mananas de abril y mayo, I, S. 574 34 La dama duende, I, S. 242 35 ibid., I, S. 242 36 Mañana será otro día, II, S. 773 37 Guárdate del agua mansa, I, S. 1300 38 Mañanas de abril y mayo, I, S. 575 39 Mañana será otro día, III, S. 784 40 Fuego de Dios en el querer bien, I, S. 1253 41 La dama duende, II, S. 262 42 ibid., I, S. 247 143

43 ibid., II, S. 252 44 Fuego de Dios en el querer bien, I, S. 1254 45 Baltasar Gracián, El discreto. Obras completas, S. 99/100 46 Gracián, El Criticón, Obras completas, S. 205 47 No hay burlas con el amor, I, S. 512 48 Guárdate del agua mansa, I, S. 1245 49 Hombre pobre todo es trazas, I, S. 205 50 ibid., I, S. 205 51 ibid., III, S. 244 52 ibid., III, S. 232 53 ibid., II, S. 233 54 No hay burlas con el amor, I, S. 499 55 ibid., II, S. 511 56 ibid., II, S. 514 57 ibid., II, S. 514 58 ibid., II, S. 516 59 ibid., III, S. 518 60 ibid., III, S. 521 61 ibid., III, S. 525 62 Cual es mayor perfección, I, S. 1629 63 ibid., III, S. 1660 64 ibid., III, S. 1660 65 ibid., I, S. 1629 66 Manana será otro día, II, S. 770

IV. BEZIEHUNGEN ZWISCHEN PERSONEN, DIE EINE KOMISCHE WIRKUNG HERVORRUFEN

Einem aufmerksamen Leser der Komödien des Goldenen Zeitalters kann die Tatsache nicht entgehen, daß die Beziehungen der Personen untereinander an großer Unaufrichtigkeit leiden. Im calderonianischen Theater wurde diese Tendenz auf die Spitze getrieben. Hier kann sich keiner erlauben, aufrichtig zu sein, denn damit würde er gegen zahllose Gesetze verstoßen und nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen Übel mitspielen. Niemand darf seinen Impulsen freien Lauf lassen und sie vor aller Augen zeigen, ohne daß ihm eine Menge Unannehmlichkeiten passieren, die den normalen Ablauf seines Lebens beeinträchtigen und sogar seine Ehre, seinen Ruf und manchmal selbst sein Leben gefährden. Segismundo, die Person Calderóns, die am meisten ihrer Menschlichkeit nachgibt, die am aufrichtigsten ihre Gefühle laut bekennt, die sich am freimütigsten gegen die väterliche und damit gleichzeitig gegen die königliche und sogar die göttliche Autorität auflehnt, die die Gesetze der Ehre nicht im geringsten kümmern, wird wieder ins Gefängnis gebracht. Als er herauskommt, sind seine Leidenschaften gebändigt. Segismundo hat erkannt, daß das einzige Mittel, sich von den Ketten des Kerkers zu befreien, ist, sich selbst mit unsichtbaren Ketten an die Gesetze zu binden. So sond auch die übrigen calderonianischen Personen gefangen in den Ketten ihres Standespflichten; sie können niemandem vertrauen, aus Furcht, ihre individuelle Integrität zu verlieren. In der Komödie konzentriert sich alles auf einen Punkt: nicht die Ehre zu verlieren und vor allem nicht das Ansehen, das man bei den anderen genießt und das in der Meinung der Leute zum Ausdruck kommt. Da alle Komödien sich um die amourösen Beziehungen Dcime - Galan drehen und die145

se Beziehungen der Annahme Nahrung geben können, daß - schon auf den leisesten Verdacht hin - die Ehre der Dame und damit die ihrer Familie in Verruf geraten könnte, müssen sie so vollkommen wie möglich verborgen werden. Aber das ist es nicht allein. Die Ehre ist etwas sehr Empfindliches, etwas sehr Zerbrechliches. Um sie intakt zu erhalten, muß man immer wachsam sein und sich durch ein kompliziertes System von Verteidigungsmechanismen schützen, die aus einem Netz von Lügen, Betrügereien und Verstellung gebildet werden. In den calderonianischen Komödien traut keiner dem anderen. Die Personen verstellen sich und lügen, um ihre wirklichen Beweggründe zu verbergen, und vermuten beim Gegenspieler die gleiche Taktik. Die heftige Eifersucht eines Caballeros entsteht aus geringstem Anlaß, weil er schon von vornherein annimmt, daß man ihn betrügt. Der Vater zittert um seine Ehre, auch wenn er die züchtigste Tochter hat, die man sich vorstellen kann, weil er sie jeder "Ausschweifung" für fähig hält. Die Dame kann dem Caballero ihre Liebe nicht gestehen, weil sie fürchtet, daß er das aller Welt mitteilt und sie am nächsten Tag wegen einer anderen sitzenläßt. Aber der Mangel an Aufrichtigkeit ist nicht immer eine Verteidigungswaffe, sondern kann auch ein System zum Schutz der Ehre der anderen sein. Der Freund kann dem Freund nicht die Wahrheit sagen? so vermeidet er, daß dieser eine Beleidigung erfährt, die seine Ehre betrifft. Die Dame kann die vermeintliche Eifersucht des Galans nicht entkräften, um ihn nicht tiefer in seiner Ehre zu verletzen und so ein Unglück heraufzubeschwören. Nur der Diener genießt das uneingeschränkte Vertrauen seines Herrn und die Dienerin das eingeschränkte ihrer Herrin. Der Diener ist immer über alles auf dem laufenden, nicht nur durch die Offenheit seines Herrn, der ihm alles erzählt, sondern hauptsächlich, weil er bei allen Begebenheiten dabei ist. Er folgt dem Herrn wie sein Schatten, und in gewisser Weise ist er ein Teil von ihm. Die Herrin bedient sich der Dienerin oftmals sehr ungern, aber sie braucht sie, da sie über keine Bewegungsfreiheit verfügt -und nicht kommen und ge146

hen kann, wann sie will; und auch, weil sie jemanden benötigt, der den Liebhaber ins Haus läßt und aufpaßt, daß keiner hereinkommt. Selbstgespräche sind das einzige Mittel, durch das der Zuschauer die wahren Absichten und Gefühle dieser Personen erfährt. In diesen Selbstgesprächen äußert sich auch die ganze Beklemmung, die durch die drückenden Gesetze, denen sie sich zu beugen haben, verursacht wird. Die Komödie bewegt sich trotzdem in einer anderen Welt als das Drama. Obwohl die ritterlichen Gesetze, die das Benehmen des einzelnen bestimmen, die gleichen bleiben, sind die Ursachen, die eine Konfrontation mit ihnen bewirken, bedeutungsloser und nicht so ernst. Vielleicht wirkt die strikte Befolgung der Gesetze aus diesem Mißverhältnis von Ursache und Wirkung heraus so grotesk. Die Person wird sich dieser Diskrepanz nicht bewußt. Sie hält sie und nimmt sogleich eine überlegene Stellung ein. Die Überlegenheit löst sich im Lachen. - Ein calderonianischer Vater hat ein Geräusch gehört. Er steht sofort auf, um zu sehen, was los ist. Da es dunkel ist, sucht er eine Kerze und macht dabei folgende Bemerkung: Tomar quiero esta luz, aunque en rigor, si perdi el honor no espero que con luz halle el honor

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Der hochtrabende Ton des Satzes paßt nicht zu der Situation. In einem Ehrendrama wäre das anders gewesen, da der Ernst der Sache (z. B. erwiesener Ehebruch) dem Satz eine größere Berechtigung verliehen hätte. Hier ist es jedoch nur eine unangemessene Reaktion auf eine ganz harmlose Sache. Es wurde vorher behauptet, daß die Personen Sklaven ihrer eigenen Normen und Gesetze seien, Und daß diese sie dazu trieben, etwas vorzutäuschen, vorzugeben. Aber warum können solche auf Betrug basierenden Beziehungen zwischen den Personen komisch wirken? Einfach, weil es immer einen "Betrogenen" gibt, 147

einen, der in die Falle gegangen ist, einen Unvorsichtigen, der in dem Augenblick weder über den Verstand noch über die entsprechenden Mittel verfügt, um sich über seine Lage im klaren zu sein. Eine der wichtigsten Formel des Komischen: Den anderen dazu bringen, das zu glauben, was es gar nicht gibt. Das kann durch Taten oder durch Worte erreicht werden. Der leichtgläubige Mensch wird hart bestraft, und je größer das Mißverhältnis zwischen den Erwartungen des Betrogenen (die seiner Person nicht angemessen sind) und der Wirklichkeit ist, desto größer ist die komische Wirkung. Darum bemühen sich die komischen Autoren und die Spaßmacher des wirklichen Lebens oft, ein der Gesellschaft unliebsames Individuum als Objekt ihrer Scherze zu finden, das dann durch das Lachen bestraft wird. Das Lachen kann eines der härtesten Züchtigungsmittel sein. (Ein Mann des öffentlichen Lebens, der ein wichtiges Amt ausübt, kann es sich leisten, etwas Schlechtes zu tun, aber wenn er der allgemeinen Lächerlichkeit preisgegeben wird, ist er verloren und verkauft.) Es kann sich auch der Fall ergeben, daß die leichtgläubige Person sympathisch und gutmütig ist. In diesem Fall ist die Wirkung eher humoristisch als komisch, weil das Gefühl mitspricht. Beim ersten Fall handelt es sich um Tartuffe, beim zweiten um don Quijote. Lüge und Scherz können auch zu weit getrieben werden. Das Individuum wird ernsthaft in seinen Gefühlen oder seiner Integrität verletzt. Dann hat der Scherz keine komische Wirkung, sondern der Geneckte wird zum Opfer und gewinnt unsere ganze Sympathie und unser Mitleid. Es steht fest, daß der Grad der Aufnahme des Komischen von der Empfindsamkeit dessen abhängt, der den Scherz macht, und dessen, der über ihn nachdenkt. Außer der individuellen gibt es eine kollektive Empfindsamkeit, die durch den historischen Augenblick gekennzeichnet ist. Daher können wir heute die Komik vieler Situationen des Theaters oder des Romans im 17. Jahrhundert nicht erkennen. Sie scheint uns geschmacklos, niedrig, grob und verletzend. 148

Bei Calderón ist der Spott sehr gemäßigt, und die Täuschung, der Betrug, geschieht fast immer zwangsläufig, bedingt durch die Umstände. Wir können die Leichtgläubigkeit des Betrogenen mit Freuden genießen, denn wir wissen, daß die Sache niemals ernste Folgen hat. Trotzdem bleibt zu sagen, daß die Täuschung eine der Säulen ist, auf die sich die Verkettung der Intrige im Theater Calderóns, des großen Dichters der "Enttäuschung", stützt. Ohne Teufel gibt es keine Erlösung, ohne Täuschung keine Enttäuschung. Bei den Komödien entstehen die meisten Täuschungen durch den Zufall, aber in kleinerem Ausmaß begünstigen die Personen sie und tragen ihrerseits dazu bei, den Verlauf des Stückes noch mehr zu verwirren. Diese Beziehungen sollen in den folgenden Abschnitten behandelt werden.

1. Die übermäßige Höflichkeit Die Höflichkeit ist die schwächste Ausdrucksform des Betruges, ein konventionelles Zeichen zwischenmenschlicher Kommunikation, durch eine Gesellschaft geschaffen, von allen als gültig akzeptiert und beachtet, um die Rohheit der gesellschaftlichen Beziehungen zu mildern. Die Höflichkeitsformeln sind im Laufe der Jahrhunderte sehr vereinfacht worden, wie auch die Röcke der Frauen immer kürzer wurden, denn beide, Formeln und Röcke, boten wenig Bewegungsfreiheit. Im Spanien des 17. Jahrhunderts waren solche Floskeln besonders geschätzt, weil sie zugleich als Privileg galten. Nur der Höfling konnte höflich sein. Die Höflichkeit war eine der Tugenden der Adligen. Eine Unhöflichkeit zu begehen, hieß den eigenen Adel anzugreifen. Aus diesem Grund entwickelte sich ein kompliziertes System von Regeln und Normen, das den Verkehr zwischen den Menschen regelte. Die vollkommene Beherrschung dieses Systems war ein Zeichen vor2

nehmer Herkunft. Die ganz Unwissenden konnten sich dieses System nicht aneignen und gerieten in Mißkredit, so Angela in "Cual es mayor perfección" und Toribio in "Guárdate del agua mansa".

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Aber die Höflichkeit kann ihre betrügerische Natur nicht leugnen, und wenn der, der ihr zuhört, alles wörtlich nimmt, was nur Konvention ist, wird er durch seine Leichtgläubigkeit zur "betrogenen" Person. Sehen wir jetzt, wann die Höflichkeit bei den calderonianischen Personen komisch wirken kann. Dazu müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: a) Beide Seiten wissen sehr wohl, daß sie eine bestimmte Rolle spielen und sich an bestimmte Regeln halten, aber die Komplimente sind so Ubertrieben, daß der Zuschauer, der an dem Spiel nicht teilnimmt, sich schließlich bewußt wird, welcher Mißklang zwischen dem Gesagten und der Wirklichkeit besteht. Die Personen übertreiben ihre Trauer oder Freude auf so auffallende Weise, jeder einzelne beharrt in so komplizierter Form auf seinen Komplimenten, daß ein Dritter, der sie hört, nicht anders kann als lächeln, wenn er die Wirklichkeit derart entstellt sieht. Das geschieht im Theater Calder6ns sehr häufig. Die komische Wirkung ist an sich nicht besonders groß, da die Hauptpersonen sehr wohl wissen, was sie tun, und die Regeln des Spiels korrekt, wenn auch übertrieben, einhalten. Möglicherweise wäre die erzeugte Komik beim heutigen Zuschauer größer, da er weniger an diese Floskeln gewöhnt ist und sie wahrscheinlich lächerlich finden würde. Für den zeitgenössischen Betrachter waren sie jedoch nicht außergewöhnlich, ihm entging daher der Kontrast. Wenn ein Caballero die Dame kennenlernt, die ihm zur Frau bestimmt ist, ergeht er sich in Komplimenten, die nicht nur einfach ausgesprochen, sondern in gewundener Sprache voller komplizierter Vergleiche geäußert werden. Damit will er zeigen, welchen Eindruck ihre Schönheit auf ihn gemacht hat, und wie ergeben er ihr ist. Darauf antwortet die Dame mit anderen, nicht weniger künstlichen Redewendungen. Die gleichen Komplimente werden ausgetauscht, wenn ein Herr einen Caballero in seinem Haus empfängt, der entweder einer seiner Freunde oder der Sohn eines Freundes ist, oder wenn eine Freundin eine 150

andere besucht. Ein höflicher Kampf entsteht darüber, wer mehr Aufmerksamkeiten gewährt und wer dafür besser zu danken versteht. Als Beispiel soll eine Szene aus "Fuego de Dios en el querer bien" angeführt werden. Beatriz besucht Angela. Pedro, Beatriz1 Vater, kommt, um sie abzuholen. Auch Alvaro, Angelas Bruder, ist anwesend. Die komische Wirkung durch die gegenseitigen Komplimente der Personen wird noch durch den Hintergrund der Ereignisse gestützt: es gibt nämlich einen Mann, der Beatriz gefolgt ist und sich in Angelas Haus verstecken mußte, damit Alvaro, ihr Bruder, ihn nicht entdeckt. In dieser gespannten Lage müssen die Personen so handeln, wie es die Umstände erfordern. Beatriz Pedro Beatriz

Angela Pedro

Alvaro

Pedro

Beatriz Pedro Angela Pedro Angela Beatriz Angela

Prevención tan lisonjera no es tratarme con amor. ?Qué es eso, Beatriz? Señor, quejarme que Angela quiera regalarme de manera que tarde desempeñarme podré. Si eso es afrentarme ya, Beatriz bella, lo estoy. Yo_solamente lo soy, señora, pues llego a hallarme con Beatriz en ocasión de queja. Su cortesía habrá de una nineria hecho más estimación que merezca la atención de Angela Pues que te ves tan obligada, que des será justo algún indicio de pagar el beneficio. No es fácil, señor. Si es; pues con esto a la señora dona Angela pagarás. ?Con qué? Con no cansar más porque ya de irnos es hora. Responder mi voz ignora a tanta cortesanía. !Qué breve que ha sido el dia! Adiós. (aparte a Beatriz) Buen susto me dejas. 151

b) Eine Seite ist sich völlig der Diskrepanz zwischen den Worten und der Wirklichkeit bewußt. Sie übertreibt die Höflichkeit, um den Kontrast noch deutlicher zu machen, und sagt hinter vorgehaltener Hand, was sie wirklich denkt. Die Höflichkeit ist hier nicht mehr Übertreibung, sondern Lüge, und das Individuum, auf das sich diese Höflichkeit richtet, wird dadurch lächerlich gemacht, daß es den Worten Glauben schenkt. So geschieht es Beatriz in der eben zitierten Komödie. Als sie Angela besucht, ergeht sich diese in Komplimenten: ?Era hora que llegase, hermosa Beatriz, el día de tanta felicidad para esta casa? Beatriz antwortet mit ähnlichen Floskeln, und wenig später bedrängt Angela sie, die Mantille abzulegen und zur Estrade zu gehen. Sie beginnen eine Unterhaltung, und Beatriz schildert ihren traurigen Gemütszustand: Angela

Luisa Angela

Mucho me admira de que me diga que está triste quien está tan linda. ¡Mira Luisa que cabello este! Dios se lo bendiga (ap. a Luisa) No he visto mujer más mal tocada en mi vida.

Diese Diskrepanz zwischen dem Fingierten und dem Wahren kann allerdings subjektiv sein. Hier ist es nicht wichtig, daß Beatriz möglicherweise schlecht gekämmt ist und Angela sagt, daß ihr Haar wundervoll sei, sondern daß Angela überzeugt ist, daß die Frisur ihrer Freundin entsetzlich aussieht und sie sie trotzdem mit soviel Nachdruck preist. In diesen Lobreden steckt eine Tendenz zum Spott und zum Betrug. c) Eine Seite ist sich völlig bewußt, daß ihre Worte mit der Wahrheit nicht übereinstimmen, aber es ist nicht notwendig, dies in einer Nebenbemerkung zu äußern, da diese Nicht-Ubereinstimmung für alle so deutlich ist, daß sie nicht noch ein152

mal betont werden muß, weil sie schon für sich enorm komisch wirkt. Hier befindet sich der Höfliche nicht auf einer höheren Ebene. Da er die Formeln starr und blind anwendet, kann er seine Behauptungen auch nicht mit dem kleinsten Körnchen Wahrheit untermauern, urid er wirkt schließlich lächerlich. Ein Beispiel dafür ist die Schlußszene aus "El acaso y el error". Clotaldo, Herzog von M&dena, glaubt irrtümlicherweise, daß die Bäuerin Gileta, ein häßliches und einfältiges weibliches Wesen, Diana, Herzogin von Mantua sei. Er selbst kann sich nicht erklären, wie "das" die Herzogin sein kann. Deshalb glaubt er, als er sie ungereimtes Zeug reden hört, daß ihre geistigen Fähigkeiten gestört sein müssen. Das hindert ihn nicht, sie mit allem Respekt und der einer großen Dame geziemenden Achtung zu behandeln und die einer Adligen gebührenden Komplimente zu verwenden. Daher muß man sich die Szene vorstellen, in der er die überaus häßliche und plumpe Bäuerin aus ihrem Zimmer holt, um sie ihrem vermeintlichen Vater zu übergeben. Dabei spricht er folgende Worte: Este es el milagro de hermosura y descrecci&n Die komische Wirkung erreicht in der Reaktion des Vaters ihren Höhepunkt, der entsetzt ausruft: ?Esa habia de ser mi hija?

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d) Die Höflichkeit wird völlig mechanisch angewendet. Der Höfliche ist überrumpelt und reagiert, als ob man bei ihm auf einen Knopf gedrückt hätte, der den Mechanismus der Höflichkeitsformeln in Betrieb setzt. Er selbst ist erstaunt, nachdem er sie gesagt hat. Außerdem ist er sich nicht bewußt, was er tut. In der Szene, die uns als Beispiel dienen soll, sind beide Personen höflich, aber eine davon bewußt und in betrügerischer Absicht. Derjenige, der die Situation erkannt und sie durch seine Klugheit gerettet hat, ist überlegen, der andere ist der Betrogene. In "El astrlogo fingido" überrascht Leonardo, Marias Vater, 153

einen Mann in seinem Hause mit seiner Tochter. Don Juan, das ist der Name des Mannes, läßt ihm keine Zeit zum Uberlegen und überfällt ihn mit den Worten: !Dame mil veces tus pies! Darauf antwortet Leonardo: Los brazos serä mejor (aparte:) No le conozco.

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Später erfahren wir, daß Juan sich als Sohn eines alten Freundes von Leonardo ausgibt. Aber dieser hat sich von der Höflichkeit des anderen mitreißen lassen, mit der er ihn "überfallen" hat, und hat automatisch mit einer Floskel reagiert und sich damit lächerlich gemacht. e) Schließlich soll noch der Fall erwähnt werden, in dem die Höflichkeit zweideutig und ironisch angewandt und nur vom Zuschauer begriffen wird, der die tatsächliche Situation kennt. Don Diego aus "Dar tiempo al tiempo" zittert vor Angst, als er daran denkt, daß don Luis, der Vater seiner Dame Leonor, kommen und von ihm Rechenschaft fordern könne, weil er mit seiner Tochter Beziehungen unterhält. Groß ist seine Verwirrung, als er sieht, wie don Luis ganz unerwartet in seinem Haus erscheint (freilich aus einem ganz anderen Grund, den der Galan vorerst noch nicht kennt): Luis Diego

Tendreis a gran novedad, senor don Diego, que venga yo a visitaros. Las dichas y mäs tan grandes como esta, siempre a quien no las aguarda .. lo hacen.

Was genau das Gegenteil von dem ist, was don Diego gesagt haben könnte, denn in seiner Situation war er auf das Schlimmste gefaßt.

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Es würde zu weit gehen, alle ähnlichen Beispiele aufzuführen. Zu sagen ist nur noch, daß die calderonianischen Personen, die sich als die höflichsten des Theaters im Goldenen Zeitalter entpuppen, reichlich Material liefern, um den Humor Calder6ns zu beweisen.

2. Die Verstellung Sie ist eins von Calder6ns Lieblingsworten und wird von allen seinen Personen häufig angewandt, da sie eine der häufigsten Situationen in seinem Theater bezeichnet. Die Personen sehen sich, wie schon erwähnt, ständig gezwungen, sich ihrer zu bedienen. Sie müssen unbedingt eine bestimmte Tatsache verbergen und können einen vermeintlichen Verdacht der anderen nur vermeiden, wenn sie die Ahnungslosen spielen, die nichts wissen. Der Reiz besteht darin, daß es eine betrogene Person gibt, die an die Ernsthaftigkeit der Haltung der anderen glaubt. Je größer die Anstrengungen desjenigen sind, der sich verstellt und je besser die LUge vorbereitet ist, desto komischer ist die erzielte Wirkung. Nicht die Verstellung an sich ist komisch, sondern die Art, wie sie verwirklicht wird. Diese Art kann von bewußter oder unbewußter Komik sein, übertrieben durch eine spöttische Absicht oder übertrieben durch ein Übermaß an Ernst. Eine Dame, die sich verschleiert aus dem Haus geschlichen und den Nachmittag bei einer Unterhaltung mit dem Galan verbracht hat, und die von ihrem Bruder aufgefordert wird zu erzählen, was sie den ganzen Tag über gemacht hat, bringt uns wahrscheinlich nur zum Lächeln, wenn sie antwortet, daß sie das Haus nicht verlassen hat, denn wir kennen die Wahrheit und wissen, daß sie ihren Bruder betrogen hat. Wenn diese Dame aber mit beleidigter Miene auf die Frage antwortet: En casa he estado entretenida en llorar

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wie es die Dame Kobold tut, können wir nur belustigt und verblüfft diese dreiste Verstellung anhören, denn der Zuschauer sieht sich mit den beiden Gesichtern Angelas konfrontiert, einer Verschleierten, die sich im Theater amüsiert, und einer anderen, die untröstlich in ihrem Gemach weint, etwas, was zu ihrer Natur überhaupt nicht paßt. Betrachten wir nun die Umstände, unter denen die Personen in Calderons Stücken sich zur Verstellung gezwungen sehen. Diese Umstände wiederholen sich immer wieder in den Komödien und werden zu Stereotypen. a) Die Dame ist aus dem Haus gegangen, ohne daß es bemerkt wurde, und will das natürlich geheimhalten. Daher spielt sie immer, wenn sie gefragt wird, was sie getan hat, auf ihre Trauer oder ihre Einsamkeit an. Das ist, wie wir gesehen haben, in "La dama duende" der Fall. Calder6n verwendet dieses Rezept aber auch bei anderen Komödien in ähnlichen Situationen. Als Fabio seine Schwester Laura fragt, ob sie wisse, was am Nachmittag geschehen sei (sie wußte es ganz genau, weil sie dabei war), antwortet sie in betrübtem Ton: ?Yo de quien, si tu no has venido, que es de quien puedo saber yo lo que en la corte pasa? Pues siempre cerrada en casa _ ni aun el sol me llega a ver. Die Dame übertreibt absichtlich, zum Teil, um den Verdacht ihres Bruders abzuschwächen, zum Teil aus dem unbewußten Wunsch heraus, ihn zu verspotten, zu betrügen, sich ihm bei dem Betrug überlegen zu fühlen und sich so auf ihre Weise für seine Tyrannei zu rächen. b) Dieser Spitze zu Situation Abenteuer 156

Wunsch von Seiten der Dame, die Situation auf die treiben, ist auch in einer anderen, sehr ähnlichen sichtbar, als der Bruder kommt, um ihr von seinem mit einer verschleierten Dame zu erzählen. Natürlich

weiß der Caballero nicht, daß es sich um seine eigene Schwester handelt. Ihr gefällt es, mit dem Feuer zu spielen, als er die Unbekannte mit Schmähungen bedachte, und sie verdeutlicht ihrem Bruder die Gefahren, die er eingeht, wenn er einer solchen Frau nachsteigt. Am eindrucksvollsten in dieser Hinsicht ist Angela aus "La dama duende". Man kann sich gut die Heiterkeit der Zuschauer vorstellen, wenn sie in folgenden Worten von sich selbst spricht: ¡Miren la mala mujer, en que ocasión te había puesto! Que hay mujeres tramoyeras, pondré que no conocia quien eras, y que lo hacía sólo por que la siguieras. Por eso estoy harta yo de decir (si bien te acuerdas) que mires que no te pierdas por mujercillas, que no saben más que aventurar los hombres. Auf dieses leuchtende Beispiel schwesterlicher Sorge und die Ablehnung der schlechten Frauen folgt - als Antwort auf die Frage von don Luis - der oben zitierte Satz, in dem Angela erklärt, wie sie die Zeit mit Weinen verbracht habe. Calderön versteht es mit großem Geschick, den komischen Kontrast zu schaffen, und immer, wie hier, mit großer Feinheit. Seine Damen sind wahre Meisterinnen in der Kunst der Verstellung. Zu dieser Kategorie gehört auch Clara aus "Mananas de abril y mayo". Nur fragt sie nicht ihr Bruder oder Vater, sondern ihr eigener Liebhaber. Sie, die am Tag zuvor mit ihm gesprochen hat - allerdings verschleiert und von ihm unerkannt - sagt ihm voll heiliger Entrüstung auf seinen Verdacht, sie könne in den Park gegangen sein: Deten la lengua, pues si anoche me dijiste que de casa no saliera, ?había de salir de casa? ¡Jesús! De mí no se crea tal desenvoltura, tal liviandad de mi obediencia. 157

Diese Szene wirkt doppelt komisch, denn hier versucht nicht nur eine Person sich zu verstellen, sondern beide. Hipolito, Claras Liebhaber, betrügerisch wie sie, ist ebenfalls im Park gewesen und versucht mit der gleichen Methode, Claras Argwohn zu zerstreuen: ¡Jesús! ?Pues de ml tal piensas? sabiendo que para mi no hay, Clara, holgura ni fiesta donde tu no estás?

^

c) Einer der häufigsten Anlässe zur Verstellung ist der, daß der Vater oder Bruder die Schande, die ihnen ihrer Meinung nach zugefügt wurde, vor den anderen verbergen wollen, damit die heimliche Schande nicht zu einer öffentlichen Beleidigung und allbekannten Schmach wird. Die Person hat nicht, wie die Damen, bewußt die Absicht zu spotten, sondern es sind ihre verzweifelten Bemühungen zur Verstellung, die komisch wirken. Der Kontrast ist diesmal im entgegengesetzten Sinn. Die Person gibt vor, sie täte etwas ohne Bedeutung, etwas, das mit ihrem wirklichen Gemütszustand nicht übereinstimmt. Als der Gobernador aus "Peor está que estaba" den Knall einer Pistole hört (ein Schuß, der sich unabsichtlich aus der Pistole des Liebhabers seiner Tochter gelöst hat, als er mit ihr durch das Fenstergitter sprach), erhebt er sich und macht sich daran, das Haus zu durchsuchen. Juan, der Verlobte seiner Tochter, der auch im Hause wohnt, kommt hinzu. Das verwirrt den Vater noch mehr. Gerade sein zukünftiger Schwiegersohn ist der letzte, der erfahren soll, daß er in seinem eigenen Haus 12

einen Liebhaber sucht. bernador:

Auf don Juans Frage antwortet der Go-

No ha sido nada Cap. ¡Disimulemos, honor!) Pensé que en mi cuarto andaban, sali a verlo, y ya me pesa; porque mirando la casa toda, no he encontrado a nadie; y sólo sirvió el mirarla (siendo sólo una ilusión) 158

de despertar a Lisarda, que ya estaba recogida? y asi ...

^

Aber Juan gibt sich noch nicht zufrieden. Er selbst hat ein Geräusch gehört, und so macht er sich ebenfalls daran, das Haus zu durchsuchen. Das Spaßige an der Szene sind die Anstrengungen des Gobernadors zu vermeiden, daß Juan zuviel sieht. Aber zu der Verstellung des Gobernadors kommt bald auch die Verstellung don Juans, denn, verborgen in einer Sänfte, hat er den Mann getroffen, der, wie sich herausstellt, sein bester Freund ist, den er ein paar Stunden zuvor mit seiner Bürgschaft und dem Versprechen, ihn zurückzubringen, aus dem Gefängnis geholt hat. Jetzt wendet sich don Juan an den Gobernador: Cosa es llana que yo me engañé, señor: sin duda el aire que pasa, alguna puerta cerró, y esto fué del ruido causa; y asi, vuélvete, señor. d) Der Bruder oder Vater wollen verheimlichen, daß die Tochter nicht zu Hause ist, damit die anderen die Schande nicht erfahren. Sie erfinden immer einen Unfall, eine Krankheit oder etwas in der Art, was der Dame zugestoßen ist. Sehr oft wissen aber ein oder zwei Personen, denen der Vorfall berichtet wird, doch, wo sich die Tochter aufhält; sie können es aber ihrerseits nicht sagen, bis sie aus dieser Sache als Verheiratete herauskommen. In der ganzen Erzählung findet sich immer wieder Gelegenheit, die Ehrbarkeit und Sittsamkeit der Verschwundenen hervorzuheben. All diese Lobeshymnen wirken grotesk. Die große Sorgfalt, die Vater oder Bruder darauf verwenden, die Schande zu verbergen, erscheint unangemessen, weil der Zuschauer im Grunde weiß, daß die Schande nicht wirklich besteht; die komische Wirkung richtet sich hier gegen den Lügner aus Gründen der Ehre, nicht gegen den, die die Lüge beschreibt. Mit der folgenden Geschichte will don Juan verbergen, daß seine Schwester Beatriz aus dem Haus verschwunden ist. Das Schön159

ste daran ist, daß er es einmal dem Liebhaber seiner Schwester erzählt und zum anderen dem älteren Caballero, der sie in seinem Haus aufgenommen hat. Beides weiß don Juan natürlich nicht: Juan

Los dos Juan

me entré en mi casa, donde hallé (¡desdicha fiera!) segundo mayor pesar. ?Qué fué? A Beatriz medio muerta; que conociendo mi voz, y que la pendencia era conmigo, desalentada bajar quiso; y de manera le trabó la turbación que se cayo en la escalera desmayada (tanto debo 15 a su amor)

e) Zuletzt sei noch ein anderer häufig vorkommender Fall von Verstellung in den calderonianischen Komödien erwähnt: Der Bruder oder Vater wollen verbergen, daß die Tochter nicht im Hause ist und treffen sich ihrerseits mit ihrem Liebhaber. Dieser ist ebenfalls verwirrt, gerade die Person zu treffen, vor der er aus Furcht seine Liebesbeziehungen am ehesten verbergen wollte. Andererseits ist er besorgt, weil er nicht weiß, wo sich seine Geliebte aufhält. Ein treffendes Beispiel dafür finden wir in "Dar tiempo al tiempo". Don Diego hat in seinem Haus einen verhüllten Mann überrascht. Angesichts der verzweifelten Lage flieht Beatriz, seine Schwester, und don Diego kann nicht erkennen, daß der Verhüllte Pedro, einer seiner Freunde, ist. Beatriz sucht im Haus einer Freundin Zuflucht, aber niemand, nicht einmal ihr eigener Liebhaber, weiß, wo sie sich aufhält. Am nächsten Tag gehen Pedro und Diego los, um Beatriz zu suchen. Der zweite Akt beginnt damit, daß jeder aus einer anderen Tür herauskommt und auf den anderen zugeht, ohne ihn zu bemerken. Zwei Monologe werden parallel begonnen - eine bevorzugte Technik Calderons -, durch die die Personen die Gleichheit ihrer Gefühle zeigen und die verschiedenen Ursachen, aus denen sie entstehen. "Betrüger" und "Betrogener" befinden sich in der 160

gleichen Lage. Jeder der beiden will gerade dem anderen aus dem Weg gehen, nur aus unterschiedlichen Gründen. Diego, weil er fürchtet, jener könnte ihm die "Schande" (nämlich die Flucht der Schwester) anmerken, Pedro, weil er Angst hat, daß seine Schuld an der Sache bekannt wird. Beide müssen jedoch so tun, als sei nichts geschehen: Diego Pedro Diego Pedro Diego Pedro Diego Pedro Diego Pedro Diego Pedro Diego Pedro Diego Pedro Diego Pedro Diego

?Habrá hombre más infeliz? ?Habrá hombre más desdichado? ¡Qué no haya a una ingrata hallado! !Qué no haya hallado a Beatriz! Sin duda que la siguió el que su vida guardaba. Sin duda en la calle estaba el que a su reja llamó ... ... y el de mí la habrá ocultado prudentemente advertido. ... y él dichosamente ha sido quien consigo la ha llevado. (ap.) Más ?don Pedro no es aquel? (ap.) ?Pero no es aquel don Diego? (ap.) Temeroso a verle llego (ap.) Receloso llego a él ... (ap.) ... porque imagino que es ya a todos mi ofensa clara. (ap.) ... porque temo que en mi cara leyendo su ofensa está (ap.) !Que cobarde es un honrado cuando se mira ofendido! (ap.) !Qué cobarde un noble ha sido cuando se mira culpado! (ap.) Mienta mi pena inhumana (ap.) Finja mi desasosiego !Tan de manana, don Diego! j, !Don Pedro, tan de manana!

Hier geschieht die Verstellung nicht durch Übertreibung, die Erzählung ist nicht mit überflüssigen Details ausgeschmückt, die den Zuschauer den Kontrast zwischen dem Vorgegebenen und dem Wahren sehen lassen können. Die Verlegenheit der Personen gelangt nach und nach zu einem "Höhepunkt", der in einem Satz gipfelt, mit dem die Verstellung begonnen werden sollte. Aber dieser überaus banale Satz erzielt eine bestimmte Wirkung: er bildet den Kontrast zu den vorher ausgedrückten Ängsten der beiden Personen. In diesem einfachen "Tan de manana!", in dem sich eine vorgetäuschte Herzlichkeit mit anscheinender Überraschung mischt, sind alle Gedanken und Gefühle umgesetzt, die 161

die Personen seit ihrem Auftreten hatten. Aber der Satz kann seine Banalität nicht verleugnen, vor allem, nachdem man so deutlich die Wendungen hören konnte, die benutzt wurden, um uns die tatsächliche seelische Verfassung der Personen zu zeigen. Dieser Kontrast macht ihn so komisch. Dies sind nicht die einzigen Formen der Verstellung, die man in den Komödien Calder6ns findet, aber es sind die, die sich in seinen Stücken immer wiederholen. Es gibt viele andere Formen, auf die später bei der Behandlung der Situationskomik eingegangen wird. Hier ist die Verstellung notwendiger Bestandteil.

3. Der "Schwindel" Der "Schwindel" kann auch eine höhere Form der Verstellung sein. Zuweilen wendet Calderón beide ("disimulo" und "fingimiento") synonym an, aber der "Schwindel" ist Betrügen in höherem Grade als das Verstellen und viel stärker als die übertriebene Höflichkeit. Die Absicht dessen, der sich verstellt, ist meist defensiv, desjenigen, der schwindelt, jedoch in vielen Fällen offensiv. Die Defensivlüge wird von Calderón gerechtfertigt, da die Umstände und die Ehre dazu zwingen. Diese Haltung äußert sich sehr klar bei don Diego in "El maestro de danzar": ?Quien creerá, !cielos 1 que sea el mentir un hombre honrado la cosa más torpe y fea y que haya trance en que agrade ver que un hombre honrado mienta? Gerechtfertigte Lügen benutzten die meisten Damen, um nicht bloßgestellt zu werden. Auch wenn es gelegentlich den Anschein hat, als trieben sie ihre Lügen zu weit - denn fast immer wird ein Dritter beschuldigt, die Schwester oder die Freundin -, scheint Calderón dieser Einzelheit nicht allzu große Bedeutung 162

beizumessen, denn am Ende sind alle Damen zufrieden und gehen mit dem Ihren vondannen. Die Komik dieser Situation geht unfreiwillig auf Kosten der armen verspotteten Person, der es nicht gelingt, den Kern der Sache zu treffen, und die verleugnet und beschimpft wird. So geschieht es Florida in "Peor estä gue estaba". Als sie sich nämlich zu ihrem eigenen Schutz in das Haus Lisardas, der Tochter des Gobernadors, begeben hat, stellt sie plötzlich fest, daß dieser mit ihr wie mit einer Gefangenen spricht. Flerida ist erstaunt und versichert, nie in ihrem Leben gefangen gewesen zu sein; sie wendet sich an Lisarda, damit diese für die Wahrheit eintritt. Aber Lisarda, der es keineswegs paßt, daß ihr Vater die Wahrheit erfährt, weil sie sonst die Ehre verlieren würde, verleugnet sie dreist: ?Presa_no viniste? Por senas gue me dijiste gue te hallaron escondida dentro de la misma casa. Pues yo, ?de que lo supiera, si tu voz no lo dijera? "Que es esto que por ml pasa!" ruft die arme Flerida aus, die völlig durcheinander ist. Auf die gleiche Weise beschuldigt Marcela in "Casa con dos puertas, mala es de guardar" ihre Freundin Laura, die zu Unrecht beschuldigt wird, in ihrem Haus einen Liebhaber empfangen zu haben, als sie sich in Wirklichkeit nicht einmal aus ihrem Zimmer entfernt hat. Genauso sieht sich Eugenia in "Guärdate del agua mansa" durch ihre Schwester Clara beschuldigt. Dieser Fall wiederholt sich ständig in den Komödien Calderons. Der Schwindel kann sehr weit gehen, und seine Wirkung kann von grober Komik sein, die schon ans Unangenehme grenzt. So ist es nach Meinung Valbuena Briones in der Szene, in der Carlos aus "El acaso y el error" der extrem häßlichen Bäuerin Gileta den Hof macht, damit Flor nicht argwöhnt, daß dieses "Geschöpf" nicht die Herzogin Diana sei. Die höflichen Komplimente an ein 163

Wesen, das so weit von einer schönen und adligen Dame entfernt ist, mußten beim Publikum Heiterkeit hervorgerufen haben. Es ist nicht die niedere Komik, die man Calderón hier vorwerfen kann, da es innerhalb der groben Komik auch Abstufungen gibt. Es gibt derbe Komik, die trotz allem einen gewissen Reiz hat (denkt man z. B. an Góngora und Quevedo). Nein, es ist die Leichtfertigkeit, das "billige" an Calderóns Vorgehen, das seiner nicht würdig ist, eine bewußte Konzession zweifellos an den Geschmack des einfachen Volkes. Im folgenden Beispiel haben wir indessen den wahren Calderón vor uns, wenn er sich seiner feinen Ironie bedient. Stellen wir uns hier den Kontrast zwischen den geheuchelten Worten des Caballero und der tatsächlichen Situation vor. Don Diego aus "No siempre lo peor es cierto" ist in einem Streit wegen einer Dame, der er während seines ganzen Aufenthaltes in Madrid den Hof gemacht hat, am Kopf verletzt worden. Als er sich von seiner Kopfverletzung erholt hat, kehrt er nach Valencia zurück und will die Liebesbeziehungen zu seiner ständigen Dame fortsetzen. Aber er weiß nicht, daß sie alles erfahren hat und über seinen "Seitensprung" informiert ist. Als es ihm gelingt, sich in ihr Haus einzuführen, und Beatriz, seine Dame, sich erkundigt, wer dort sei, antwortet er: Quien peregrino y derrotado de la tormenta cruel de una ausencia, guien, rendido el zozobrado bajel de amor a uno y otro embate, sufrió uno y otro vaivén, hasta que tranquilo el mar con el bello rosicler de los amigos celajes toma puerto a vuestros pies, adonde consagra humilde la tabla que tumba fué en el templo de su amor al ídolo de su fe. "Daß Männer so lügen können!" Diesen Ausruf kann Beatriz, verblüfft über soviel Frechheit, nicht unterdrücken. In diesem Beispiel zeigt uns Calderón sehr gut, wie relativ die Werte sind. Die Floskeln der höfischen Liebe werden ebenso meister164

haft im Spott wie im Ernst angewendet. Calderón benutzt die gleichen Ausdrücke, um die geheuchelte und die wahre Liebe wiederzugeben. In solchen Augenblicken wird die geringe Bedeutung offenbar, die der Dichter den Problemen, die den meisten seiner Personen soviel Sorge bereiten, beimißt. Da aber die Komödien Calderóns exemplarisch sind, muß er in letzter Instanz die Lüge verdammen, wann immer es keinen triftigen Grund für sie gab. Davon wurde schon gesprochen, als die Personen von der Art des don Diego aus "El astrólogo fingido" und "Hombre pobre todo es trazas" behandelt wurden. Der erste ist das beste Beispiel, um den Schwindel zu analysieren. Die Person gibt vor, etwas zu sein, was sie nicht ist, sie erfindet sozusagen eine neue Persönlichkeit. Im Erfolg seiner Betrügereien, d. h. darin, daß die anderen ihm glauben, besteht der Reiz der Situationen. Und die anderen glauben ihm, und wie! Alle Welt sucht ihn auf und will durch sein Eingreifen ein Mittel gegen ihre Übel finden. In einem Kommentar, der einen sehr calderonianischen Humor widerspiegelt, gibt eine der Personen ihrerBewunderung für das, was sie eben von don Diego erfahren hat, Ausdruck: !Qué cosas Madrid encierra! !Qué los mismo que tratamos aquí, no los conozcamos! ! Cuanto la ignorancia yerra! Quien le viere tan compuesto a él con su capa y espada, dirá que no sabe nada, y es un rayo, después de esto. In dem naiven und ehrlichen Kommentar don Carlos' läßt Calderón durchblicken, was er in Wirklichkeit von all seinen Caballeros in den Komödien hält: daß die vornehmsten und "modischsten" unter ihnen, diejenigen, die mit ihrem Mantel und Degen so selbstbewußt herumstolzieren, im Grund nur oberflächliche und ungebildete Burschen sind. Schließen wir damit, daß sowohl die übertriebene Höflichkeit, wie auch die Verstellung, die Lüge und der Schwindel zu den 165

Elementen gehören, die wir später bei der Untersuchung der Situationskomik wiedertreffen. Sie wurden hier isoliert dargestellt, um ihre Bedeutung herauszustellen und ihre Besonderheiten genau zu untersuchen.

1 Peor està que estaba, II, S. 333 2 Dieses System von Formeln hat auch heute noch nicht völlig seine Gültigkeit verloren. Ein Ausländer, der Spanien besucht und sozialen Kontakt mit den Bewohnern des Landes hat, stellt sehr schnell fest, das die spanischen Höflichkeitsregeln anders sind als im übrigen Europa. Die außerordentliche Aufmerksamkeit dem Gast gegenüber ist etwas typisch Spanisches. Damit soll nicht gesagt werden, daß sie in der übrigen westlichen Welt nicht gepflegt wird, aber nicht in der in Spanien sichtbaren Form. Das Verschenken eines zum Haus gehörenden Gegenstandes an den Eingeladenen zum Beispiel (etwas, das wir in zahlreichen Komödien des Goldenen Zeitalters sehen können), ist auch heute noch nicht ganz außer Gebrauch. Und die Formel: "En la calle Tal tiene usted su casa", die jemandem, der uns gerade vorgestellt wurde, zeigen soll, wo wir wohnen, ist immer noch schockierend für den Ausländer, der sie zum ersten Mal hört. Sie ist ein eindrucksvolles Überbleibsel unserer traditionellen Höflichkeit. 3 4 5 6

7 8 9 10

Fuego de Dios en el querer bien, I, S. 1256/57 lbid, I, S. 1235 El acaso y el error, III, S. 754 El astrólogo fingido, III, S. 153 Ich muß immer wieder betonen, daß der Reiz all dieser Situationen sehr schwer zu begreifen ist, solange man sie nur auf dem Papier erlebt, denn 90 % der Wirkung geht dem, der sie nur liest, verloren. Gut in Szene gesetzt, mit guten Schauspielern, die ihr ganzes Repertoire an Akzenten, Tonfall, Stimme, Mimik, Gesten usw. anwenden, kann der größte Teil der komischen Situationen bei Calderón auch heute noch seine ganze Wirkung behalten. Es muß ständig an die Vorstellungskraft des Lesers appelliert werden, damit er sich die Szene vorstellt und mit seiner Phantasie ersetzt, was der geschriebenen Komödie fehlt. Der "gracioso" ist, trotz allem, was man auf den ersten Blick glauben mag, viel leichter zu untersuchen, ohne ständig auf die imaginäre szenische Darbietung zurückgreifen zu müssen. Mehr noch. Ich wage zu sagen, daß die Komik des "gracioso" eher beim Lesen als bei der Darbietung gewinnt. Seine Sprache ist mitunter so spitzfindig, daß uns der Witz der Szene entgehen kann, der Witz, den wir sonst in aller Ruhe im Augenblick des Lesens erleben können. Außerdem können seine Handlungen mitunter die Wirkung seiner Worte zunichte machen. Dar tiempo al tiempo, II, S. 1349 La dama duende, I, S. 243 Mejor està que estaba, I, S. 393 La dama duende, I, S. 243

11 Mañanas de abril y mayo, II, S. 582 12 Machen wir hier nebenbei die Bemerkung, daß, wenn die Väter glauben, 167

e i n e n S c h a n d f l e c k auf d e r E h r e i h r e r T o c h t e r

(und d a m i t i h r e r e i g e n e n )

zu e n t d e c k e n , u n d die T o c h t e r m i t e i n e m C a b a l l e r o v e r l o b t ist,

sie

d i e s e n i m m e r a u f z u s u c h e n u n d b e m ü h t z u s e i n p f l e g e n , die H o c h z e i t

so

s c h n e l l w i e m ö g l i c h z u f e i e r n . K u r z g e s a g t : d a s e i n z i g e , w a s sie w o l len, ist, sich d e s P r o b l e m s zu e n t l e d i g e n .

"Allá q u e se e n c a r g u e

de a v e r i g u a r l o , p u e s a m i e s t e caso y n o m e incumbe" s c h e i n e n

otro

diese

P e r s o n e n z u sagen. So ist e s a u c h b e i m V a t e r in "Peor e s t á q u e e s t a ba". A m Tag, n a c h d e m e r b e i s e i n e r T o c h t e r V e r d a c h t g e s c h ö p f t hat, g e h t er z u J u a n , s e i n e m z u k ü n f t i g e n S c h w i e g e r s o h n , u n d v e r s u c h t , Hochzeit

vorzuverlegen.

13 P e o r e s t á que e s t a b a , III, S. 334 14 ibid, III, S. 334 15 E l m a e s t r o de d a n z a r , II, S.

1553

16 D a r t i e m p o al tiempo, II, S.

1345/46

17 E l m a e s t r o de d a n z a r , II, S. 1554 18 Peor e s t á q u e e s t a b a , III, S. 340 19 N o s i e m p r e lo p e o r e s cierto, I, S. 1462 20 E l a s t r ó l o g o fingido, II, S. 146

die

V. DIE SITUATIONSKOMIK

1. Die Virtuosität der Theatertechnik Calderóns Schon mehr als einmal wurde die äußerst virtuose Technik des calderonianischen Theaters erwähnt. Diese Behauptung enthält nichts Neues, sie bestätigt nur eine der hervorragendsten Eigenschaften dieses Theaters, eine Eigenschaft, die einstimmig und zu allen Zeiten von den Kritikern Calderóns anerkannt wurde. Es ist jedoch keineswegs überflüssig, diesen Punkt immer wieder zu betonen, da er den Schlüssel zur Interpretation jedes, also auch des humoristischen Aspekts seines Werkes liefert. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit den Mantel- und Degenstücken zu und betrachten wir, wie sich hier diese Virtuosität in all ihren reichen Möglichkeiten und Wirkungen zeigt. Die von Calderón angewandte Technik in den Intrigenstücken ist genau, intellektuell, mathematisch. Würden wir die Eindrücke, die diese Technik bei uns hervorruft, ins Musikalische übertragen, könnten wir sagen, daß sie wie eine Fuge wirkt, deren präzis kombinierte Stimmen eigenes Leben besitzen, sich aber zugleich mit größter Genauigkeit der Harmonie des ganzen anpassen. Was das calderonianische Theater kennzeichnet und heraushebt, ist die sehr große Variationsbreite innerhalb einer scheinbaren Gleichheit. Seine Komödien lassen sich auf ein Schema mit festgelegten Elementen, die in immer anderer Form kombiniert werden, zurückführen. In dem folgenden Schema stehen die Damen in der oberen, die Caballeros in der unteren Reihe. Die doppelten Pfeile zeigen die Liebesbeziehungen, die sie verbinden an: 169

Dame

i

A

Galan A

Dame

B

l Galan B

Diese Hauptelemente müssen in Beziehung zu den Nebenelementen gesetzt werden: Brüder der Dame A oder B, Freund des Galans A oder B, Vater einer der Damen, Feind eines Galans, Bewerber (dessen Zuneigung nicht erwidert wird) einer Dame, Verehrerin eines Galans (deren Zuneigung auch nicht erwidert wird). Manchmal sind eine oder mehrere dieser Funktionen in einer Person vereint, so daß der Bruder der Dame A zugleich Galan der Dame B ist oder umgekehrt. Der Feind des Galans A ist zugleich der Bewerber oder Verlobte der Dame A. Die Freundin der Dame B ist zugleich die Verehrerin oder ehemalige Geliebte von Galan B. Wir sehen also, daß diese zwei binaren Elemente nicht nur untereinander verbunden sind, sondern auch mit anderen äußeren Elementen vereint sind. Es handelt sich nicht nur um die Parallelgeschichten von Dame A mit Galan A und Dame B mit Galan B, sondern A und B haben auch untereinander Verbindung. So können die Damen A und B Schwestern sein, Galan A und B Freunde oder Dame A kann sogar die Verlobte des Galans B sein. Das Kombinieren der Elemente, die die Grundlage der Intrige sind, wird durch die Beziehungen verdeutlicht, die diese Elemente (Personen) untereinander haben; Beziehung Bruder-Schwester, Liebhaber, Freund, Feind, ehemaliger Liebhaber, VaterTochter usw. Ich habe diese Elemente in den meisten Mantel- und Degenstücken verfolgt und bin zu dem Schluß gekommen, daß kein Schema genau dem anderen gleicht. Nicht einmal in "Casa con dos puertas, mala es de guardar", das von Valbuena Briones als "copia con variantes" von "La dama duende" angesehen wird. Wir erkennen, daß Calder&n in "Casa con dos puertas" die Elemente vereinfacht und eine gewisse Symmetrie in die Beziehungen zwischen den Personen gebracht hat. Vergleichen wir die Schemata der beiden Stücke, in denen folgende Zeichen verwendet werden:

170

gegenseitige Liebesbeziehung einseitige Liebesbeziehung scheinbare Beziehung, von den anderen angenommen, aber nicht der Wirklichkeit entsprechend andere Art Beziehungen (Geschwister = G, Freunde = F, Vater-Tochter = V, Verwandtschaft = Ve, Feinde = Fe) La dama duende

Casa con dos puertas

Angela.«-F —Beatriz

Marcela

Manuel

F .^juan-

uis

F

I

Lisardo

Laura

XI

Felix

Scheinbare Beziehung

Scheinbare Beziehung

Angela*v

Beatriz

MarcelaB

Juan

Lisardok''

Manuel

x

N

s

,yLaura Felix

Das Grundschema ist das gleiche: Dame A - Freundin - Dame B Galan A - Freund - Galan B Dame A - Schwester - Galan B Allerdings gibt es im ersten Stück ein weiteres Element: Luis, den Bruder Angelas und Juans, gleichzeitig der Bewerber Beatriz', Angelas Freundin. In bezug auf die scheinbare Beziehung läßt sich sagen, daß sie in "La dama duende" nur zwischen zwei Personen besteht (die Liebesbeziehungen zwischen den Geschwistern Angela und Juan, die Manuel vermutet, da er die wahre Identität Angelas und somit auch ihre Verwandtschaft mit Juan nicht kennt). In "Casa con dos puertas" ist diese scheinbare Intrige doppelt. Wir haben hier Lisardo, der annimmt, daß Marcela Félix Dame ist, und Felix, der glaubt, daß Laura (seine Dame) auch Lisardos Dame ist. Das geometrische Schema hat sich also vereinfacht. Die Beziehungen der zwei doppelten Elemente, die in Wirklichkeit parallel laufen, 171

Marcela

x

Laura

Lisardo

Felix

t

kreuzen sich bei der scheinbaren Intrige in den Diagonalen: M a r c e a u r a Lisardo t "l' a „ ^ L~~~->Felix Dieser Vergleich ist sehr interessant, weil er uns als Beispiel dafür dient, wie die zweite Komödie an Spontaneität verloren und an Überlegung und größerem strukturellen Gleichgewicht gewonnen hat. Fast alle Komödien Calderóns setzen sich aus zwei binaren Grundelementen zusammen: das doppelte Paar. Nicht immer kann man vom Haupt- und Nebenpaar sprechen; manchmal ist es sehr schwer zu unterscheiden, welches Paar in der Hauptrolle ist, denn die Handlungen beider Paare nehmen mitunter den gleichen Raum ein und haben fast die gleiche Bedeutung. Es gibt Fälle, wo nur ein Paar allein den Kern der Intrige bildet. Das Stück endet dann mit nur einer Heirat. Aber in solchen Fällen gibt es immer eine dritte Person, die in den einen Partner des Paares verliebt ist und am Schluß leer ausgeht. Die einfachsten Schemata findet man vor allem in den sogenannten höfischen Komödien. Die städtischen Komödien zeichnen sich fast immer durch ihre binare Struktur aus. Das doppelte Paar ist hier die Norm. Nur sehr selten, um nicht zu sagen, fast nie, werden die Paare verdreifacht, und wenn wir in einem Stück, wie z. B. "Cual es mayor perfección", schließlich drei Hochzeiten erleben, dürfen wir nicht vergessen, daß eine davon durch Zufall zustandegekommen ist, zwangsläufig durch die Umstände, und daß keiner der Partner auch nur die entfernteste Absicht hatte, den anderen zu heiraten. Wenn Calderón in seinen Komödien auch nur wenige Elemente verwendet (das doppelte Paar und Nebenpersonen, die an den Liebesintrigen keinen Anteil haben), gefällt es ihm jedoch, deren 172

Beziehungen zu komplizieren. Zum Beispiel in "La senora y la criada". Flor, die Verlobte Crotaldos, ist in diesen verliebt. Fisberto ist mit Diana verlobt. Aber Crotaldo und Diana lieben sich schon seit langer Zeit. Am Schluß lösen sich die schon ausgemachten Ehen und die Verteilung wird neu vorgenommen. Diana heiratet Crotaldo und Fisberto Flor. Anders in "Peor esta que estaba". Cesar ist Fleridas Liebhaber gewesen, und Juan ist mit Lisarda verlobt. Trotzdem entsteht zwischen Cesar und Lisarda eine Zuneigung, die sich am Schluß der Vernunft und den Konventionen beugt. Man kehrt zu der ursprünglichen Verteilung der Paare zurück. Die Schemata der beiden Stücke sehen folgendermaßen aus: (Ver. = Verlobte) La senora y la criada

Lösung

Flor^^

Flor

Diana

Fisberto

Crotaldo

Fisberto^

Diana 7

Crotaldo

1

t

Peor está que estaba

Lösung

Lisarda * Ver. 4Juan

Lisarda

Flerida

Juan

Cesar

Flerida 'Cesar

I

.I

Am Schluß bleiben immer eine oder zwei Personen unzufrieden. Im ersten Fall bekommt das Paar, das als Hauptpaar bezeichnet werden könnte, das was es will, während Flor recht verärgert zurückbleibt, die auf ihre Liebe zu ihrem Vetter und Verlobten verzichten und sich mit Fisberto (der sich seinerseits mit Flor zufriedengeben muß, weil ihm nichts anderes übrigbleibt) begnügen muß. In "Peor estä que estaba" ist es Lisarda, die ihre Gefühle zurückhalten und ihren Verlobten Juan heiraten muß, da die Ehre Cesar verpflichtet, seine ehemalige Geliebte Flerida zu heiraten. Auf den ersten Blick kann in den calderonianischen Komödien der Schein der fast gleichen Elemente trügen, der uns glauben 173

macht, alles wiederhole sich, aber auf den "zweiten Blick" sehen wir, daß sich absolut nichts wiederholt. Die unterschiedliche Stellung eines oder zweier Elemente verändert die Situation völlig. Die städtischen Sittenkomödien sind komplizierter, da in ihnen die Sekundärelernente auftauchen, die die Intrige verwickelter machen. Wir müssen zwei Arten von Sekundärelementen unterscheiden: die, die unmittelbar in die Liebesintrige hineinspielen (wie z. B. die Bewerber oder Verlobten einer der Damen, die Brüder, die ihrerseits in eine Freundin der Schwester verliebt sind, eine frühere Geliebte des Galans oder eine jetzige, von ihm aber nicht geliebte usw.). Bei der zweiten Gruppe unterscheiden wir den Vater der Dame, den Freund des Galans, der kein Interesse an Liebesabenteuern hat, den König, Prinzen, Gobernador usw., soweit sie keinen direkten Anteil am Konflikt des oder der Hauptpaare haben. Dann sind da natürlich noch die "graciosos", der Diener oder die Dienerin. Aber diese gehören zu keiner dieser Kategorien, weder zu den Haupt- noch zu den Sekundärelementen, da sie als Bestandteil der Hauptpersonen angesehen werden können; ihre Handlungen laufen zu den Handlungen ihrer Herren parallel, nur daß sie in dem ganz anderen Licht des Komischen erscheinen und so die Umkehrung der Persönlichkeit ihres Herrn bilden. Die Beziehungen der Hauptpersonen zu den Nebenpersonen (Liebe, Verwandtschaft, Freundschaft, Feindschaft usw.) machen die Handlung mehr oder weniger kompliziert. Als Beispiel nehmen wir eine städtische Komödie Calder&ns, "Fuego de Dios en el querer bien", und zeichnen das Schema (f.Ge. = frühere Geliebte) : Pedro

174

V

Beatriz

F

Angela

Hier ist das Gefüge noch, verhältnismäßig einfach, aber wenn wir ein Stück ein "Manana serä otro dla" untersuchen, haben wir Mühe, die komplizierten Beziehungen, die die Personen untereinander verbinden, auf den ersten Blick zu entziffern (K = Vettern):

Elvira

F

Condesa Brianda Beatriz V

Luis

Mit nur vier Hauptpersonen und drei Nebenpersonen knüpft Calderón ein kompliziertes Netz von Beziehungen: Juan, der Bruder von Beatriz, umwirbt zugleich zwei Damen: Elvira und Leonor. Die erste ist Beatriz Freundin, ohne zu wissen, daß jene die Schwester des Mannes ist, den sie liebt. Beatriz ist mit Fernando verlobt. Beide Damen, Elvira und Leonor (letztere Fernandos Kusine), glauben, daß Beatriz Juans Geliebte ist, und Leonor teilt ihrem Vetter mit, daß seine Verlobte einen Liebhaber hat. Fernando will Beatriz nun nicht mehr heiraten, und sie muß, um ihn zurückzugewinnen, sich ihrerseits "verdreifachen" und drei Persönlichkeiten annehmen, um zu verhindern, daß Fernando Madrid verläßt. Am Ende klärt sich die Verwechslung auf, die dadurch entstanden war, daß Juan einen anderen Namen führte. Diese Verwirrung in den Beziehungen zwischen den Personen ist für die Komödie Calderóns symptomatisch. In dem eben kommentierten Stück entsteht die Verwechslung dadurch, daß alle glauben, Beatriz unterhalte Beziehungen zu einem Mann, dessen wirkliche Verwandtschaft mit der Dame sie nicht kennen. Dieses Motiv der "scheinbaren Intrige" wiederholt sich häufig bei Calderón, vor allem in bezug auf die Brüder (das, was Valbuena das "angedeutete Inzestmotiv" nennt). Wir haben es z. B. in 175

"La dama duende", "Casa con dos puertas, mala es de guardar", "Manana será otro día". Es gibt aber auch einen anderen Fall. Der Galan glaubt, daß seine Dame die Dame seines Freundes ist (so in "Antes que todo es mi dama"), oder die Dame oder der Galan glauben, daß ihre entsprechenden Partner andere Geliebte haben ("El maestro de danzar", "Mananas de abril y mayo", "Bien vengas mal si vienes sólo", "El escondido y la tapada" usw.) . Die "scheinbare Intrige" ist von Calderón in der Komödie "Dar tiempo al tiempo", in der sie den Hauptknoten der Handlung und die Ursache aller Irrtümer bildet, erschöpfend verwendet worden. Hier die zwei Schemata; die wirklichen und die scheinbaren Beziehungen: Leonor

Beatriz "^iego* Juan

Pedro

M Juan

In Wirklichkeit lieben sich Pedro und Beatriz, sowie Leonor und Juan. Beide Damen sind Freundinnen, Diego, Beatriz Bruder und Pedros Freund, liebt Leonor, ohne daß seine Liebe erwidert wird. Durch Verwechslung der Häuser, in denen die Damen wohnen, glaubt Pedro, daß Beatriz Juans Geliebte ist, und Juan glaubt (indem er sie mit Beatriz verwechselt), daß Leonor einerseits Pedros Geliebte und andererseits sogar die Diegos ist. Auch wird die Liebesbeziehung Diego-Beatriz angedeutet. Andererseits glaubt Luis, Leonors Vater, daß der vermeintliche Liebhaber von Beatriz Juan ist, ohne zu argwöhnen, daß dieser seine Tochter liebt. Die scheinbare Intrige macht bis zu ihrer Auflösung den Hauptteil des Stückes aus. Wie kommt die Handlung in Gang? Zu Beginn ist alles ruhig. Dame A liebt Galan A, Dame B den Galan B. Ein Zufall, ein unvorhergesehenes Ereignis (das Sich-im-Hause-irren eines Galans, das Ausgehen einer Freundin mit dem Kopfputz der anderen, 176

das Erkennen zweier Freunde im Streit auf der Straße, das Ausgehen einer verschleierten Dame, die auf ihren Bruder stößt) genügt, daß sich die Ereignisse entfesseln, in denen das Scheinbare einen immer größeren Raum einnimmt, bis es schließlich das Reale fast völlig verdrängt. Die Intrige des calderonianischen Theaters basiert im allgemeinen auf der Täuschung der Personen, die immer das Gegenteil von dem glauben, was wahr ist. Oft wird die Intrige bewußt von einer der Personen angezettelt (wie in "La dama duende", "Casa con dos puertas", "Manana será otro día" usw.). in "No hay burlas con el amor" z. B. bittet Juan seinen Freund Alonso um Hilfe, daß dieser der Schwester seiner Geliebten scheinbar den Hof mache. In "Con guien vengo, vengo" erklärt Octavios sich bereit, die Rolle des Dieners zu spielen, um seinen Freund Juan bei einem Liebesabenteuer zu begleiten. Im letzten Fall werden allerdings die Personen, die sich die Intrige ausgedacht haben, selbst hereingelegt, und sind Opfer der Täuschung. In "Dar tiempo al tiempo" ahnt Octavio nicht, daß die Dienerin, mit der er spricht, keine andere als die Schwester der Dame seines Freundes ist, die sich als Dienerin ausgibt, um ihre Schwester zu begleiten. Diese verkleidete Dame weiß ihrerseits nicht, daß der Diener, von dem sie sich so eigenartig angezogen fühlt, ein Edelmann ist, der Freund des Liebhabers ihrer Schwester. Aber mit diesen Komplikationen gibt sich Calderón noch nicht zufrieden, sondern treibt die Dinge zum äußersten, indem er sie derart verdreht, daß der Zuschauer glaubt, den Verstand zu verlieren. Als in diesem Stück Lisarda den Caballero schließlich bei Tageslicht sieht, ohne zu ahnen, daß er der gleiche ist, mit dem sie nachts gesprochen hat, verliebt sie sich in ihn wegen seines Aussehens, sieht sich aber von neuem in Verwirrung, weil sie ihn für den Liebhaber ihrer Schwester hält und sich nicht traut, ihre Gefühle zu zeigen. Das gleiche geschieht mit Octavio, der Lisarda für die Dame seines Freundes hält und auch nicht wagt, sich zu äußern. Calderón bedient sich aller möglichen Effekte, um seine Figuren hinters Licht zu führen: Die Dame mit verhülltem Gesicht, die man immer für eine andere hält und deren Identität den an177

deren Personen Kopfzerbrechen bereitet. Der verhüllte Caballero, das plötzliche Verlöschen des Lichtes, das jede einzelne Person in Verwirrung bringt, so daß sie sich an die falsche Person klammert statt an die, die sie festhalten wollte. Die Nachbarschaft der Häuser, die Anlaß zu Verwicklungen ohne Ende gibt, die unfreiwillige oder freiwillige Annahme der Persönlichkeit eines anderen usw. usw. Der Zufall ist der Motor der Intrige. Bei der Dame Kobold hätte die Handlung nicht stattgefunden, wenn a) Angela nicht bei einer ihrer Eskapaden ihrem Bruder begegnet wäre, b) sie nicht einen fremden Mann um Hilfe gebeten hätte, c) dieser Caballero nicht zufällig ein Freund ihres Bruders gewesen wäre, der ihn zu sich nach Hause eingeladen hatte, d) das Haus keinen Wandschrank besessen hätte, der die Verbindung der beiden Zimmer ermöglichte, e) Angela nicht unverschleiert von don Manuel gesehen worden wäre, als er einmal in sein Zimmer ging, was sie zwang, ihre Taktik zu ändern, f) sie nicht von ihren Brüdern überrascht worden wäre, als sie in ihrem Gemach gerade don Manuel empfing und sich für eine große Dame ausgab. Wenn schon die Personen selbst eine heftige Neigung zeigen, die anderen irrezuführen ("El astr6logo fingido", "La dama duende", "Fuego de Dios en el querer bien", "Manana serä otro dia" usw.), so trägt der vom Dichter geschaffene Zufall (ein Zufall übrigens, der fast immer die gleichen Aspekte aufweist) dazu bei, daß die Irrtümer sich derart vermehren, daß keine Person mehr die Wirklichkeit so sehen kann, wie sie ist. Was verursacht eigentlich diese Anhäufung von Zufällen im Theater Calderons? Ich würde es in zwei Erscheinungen zusam178

menfassen: zum einen in dem, was wir "Anziehungskraft" der Personen untereinander nennen könnten, die bewirkt, daß alle sich treffen und immer am gleichen Ort haltmachen, Wo sich auch die anderen befinden. Kaum ist der Vater fortgegangen und der Galan gekommen, um mit seiner Dame zu sprechen, kommt der Alte schon zurück, weil etwas Unerwartetes passiert ist. Auf der Straße ist ein Streit, Und einer, der herbeielt, um einem anderen zu helfen, entpuppt sich als gerade aus Madrid gekommener Freund dessen, dem geholfen werden muß. Der Mann, der gerade einer Dame das Leben gerettet hat, ist, wie sich herausstellt, der Mörder ihres Bruders oder Vaters, der gleiche Mann also, den die Dame gesucht hatte, um Rache zu nehmen. In den Schlußszenen unternimmt Calderón wahre geistige Balanceakte, um eine glaubwürdige Erklärung dafür zu finden, daß alle Personen am gleichen Ort zusammenkommen. Das muß natürlich geschehen, anders wäre es unmöglich, daß jeder einzelne seinen Teil an der Handlung aufklärte und sich die Verwirrungen lösten. Ein Galan flieht vor den Häschern und macht gerade im Haus seiner eigenen Dame Aufenthalt (ohne zu wissen, daß sie hier wohnt). Eine Tochter flieht aus dem Haus, und ihr Liebhaber übergibt sie, um sie zu beschützen, einem anderen Caballero, damit er sie in der Zwischenzeit bewacht. Dieser stellt sich dann als der Bruder der Dame heraus. Diese "Anziehungskraft" ist sehr gut in "La dama duende" symbolisiert, in der Szene, in der don Manuel glaubt, der ganzen Stadt den Rücken gekehrt zu haben. Er glaubt sich weit von dem Haus entfernt, in dem er sich aufhält, und ist in Wirklichkeit in einem Gemach versteckt, das er schließlich als sein eigenes erkennt. Wie wir sehen, ist die "Anziehungskraft" stark an den Raum gebunden, denn nicht nur die Personen ziehen einander an, sondern sie halten sich alle immer am gleichen Ort auf. Die zweite Erscheinung könnte man als "Verschlossenheit" der Personen bezeichnen. Da sie sich immer gezwungen sehen, den Mund zu halten und ein Geheimnis zu wahren, schaffen sie auf 179

diese Weise eine Reihe von Verwirrungen, denn in Wirklichkeit weiß keiner, wer der andere tatsächlich ist. Daher nimmt der Galan aus kleinstem Anlaß an, daß seine Dame zugleich die Dame seines Freundes ist (da der Freund ihm niemals den Namen seiner Dame verraten hat). Das gleiche geschieht dem Bruder, der verbirgt, daß er eine Schwester hat und daß diese in seinem Haus wohnt. Das hat zur Folge, daß der Galan wiederum an eine Liebesbeziehung zwischen ihm und seiner Schwester glaubt. Die Dame vertraut ihrer Freundin an, daß sie verliebt ist, sagt aber den Namen des Galans nicht. Der Vater verschweigt, daß seine Tochter geflohen ist, und dies verwirrt den verliebten Galan, der nicht weiß, woran er sich halten soll, da die Dame nicht bei ihm ist. Die Ehre verlangte es vor allem, Ober Liebesbeziehungen zu schweigen. Diese mußten ganz geheim gehalten werden. Die Verletzung dieser "Schweigepflicht" konnte unheilvolle Folgen haben. In "Nadie fíe su secreto" versucht Calderón zu zeigen, wohin es führt, wenn man ein Geheimnis nicht wahrt: Cesar, die Hauptperson, ist kurz davor, seine Dame wegen einer Indiskretion - als er seine Liebe und den Namen seiner Geliebten einem Freund anvertraute, der dieses Vertrauen für wenig edle Zwecke mißbrauchte - zu verlieren. Sowohl die Anziehungskraft der Personen wie auch ihre Verschlossenheit geben Anlaß zu verschiedenen komischen Effekten. Im ersten Fall steckt diese komische Wirkung sehr oft in der "UnWahrscheinlichkeit des Wahrscheinlichen". Daß ein Vater einmal im ungünstigen Augenblick erscheint, kann gut möglich sein? Calderón gibt dafür immer eine Erklärung. Daß sich dies in der Komödie wiederholt - nicht nur der Vater kehrt zurück; beim zweiten Mal ist es der Bruder und beim dritten Mal wieder der Vater - fällt schon in das Gebiet des Unwahrscheinlichen und wirkt zweifellos spaßig. Der Zuschauer, der in dieser Art Komödie bewandert ist, erwartet den Ausgang der Szene mit Vergnügen, obwohl er sie in seinem Innern für unwahrscheinlich hält, da es nicht möglich ist, daß in allen Komödien die Väter ständig dann erscheinen, Wenn die Liebenden sich etwas sehr 180

Wichtiges zu sagen haben. Aber das Publikum hat diesen Gemeinplatz schon akzeptiert. Die komische Wirkung, die durch diese Art Zwischenfälle hervorgerufen wird, konzentriert sich hier nicht in der Überraschung über den unerwarteten Ausgang, der sich auf einer ganz anderen Ebene abspielt als das vorhergehende, sondern auf die befriedigende Bestätigung einer Tatsache, die der Zuschauer schon vorausgeahnt hat und die seine überlegene Rolle rechtfertigt. In dem Augenblick, in dem die zwei Liebenden angefangen haben, miteinander zu sprechen, ahnt der Zuschauer schon, daß der Vater jeden Moment kommen muß. Es entsteht daher eine Spannung, die sich in Lachen löst, einem erleichterten Aufatmen einerseits und einer Bestätigung seiner Überlegenheit andererseits. Das Publikum lacht und genießt die Überraschung der Personen, daß sie nicht auf etwas gefaßt waren, das es (durch seine Erfahrung aus anderen Komödien) schon voraussetzte. Bei den meisten dieser Szenen ist der Zuschauer allwissend. Er kennt die geheimen Ursachen der Intrige und kann ihre Fäden sehr gut auseinanderhalten. Er ist nicht überrascht, sondern ergötzt sich am Erschrecken der armen genarrten Person. Er sieht in "La dama duende", wie don Manuel auf sein eigenes Zimmer gebracht wird, ohne daß dieser merkt, daß es das seine ist, aber er amüsiert sich erst, wenn er die erschreckte Reaktion des Caballeros sieht, als der sich seiner Situation bewußt wird. Der gleiche Mechanismus wird bei einer Gruppe Kinder in Gang gesetzt, die einem Spielgefährten eine Falle stellen und darauf warten, daß er vorbeikommt, stolpert und fällt. Dann kommt die Heiterkeit und das Lachen. Etwas Ähnliches passiert bei den Situationen in diesem Theater, nur etwas verhüllter und mit dem Unterschied, daß derjenige, der den Vorfall in Gang setzt, nicht der Zuschauer ist, sondern der Dichter. Das gleiche Phänomen der Allwissenheit des Zuschauers und seiner Freude angesichts der Reaktion der Personen gibt es bei 181

der "Verschlossenheit". Die Personen verschweigen den anderen ihre Beziehungen, aber der Zuschauer kennt sie und ahnt, wo die Verwirrungen entstehen können. In "Antes que todo es mi dama" kann er nicht anders als lächeln, wenn er Lisardo sieht, der seine Dame auf der Straße trifft und ihr höflich folgt und - während er ihr Komplimente macht - sich plötzlich in Ausdrücken wie "mudable, engañosa, falsa" ergeht, als er sieht, daß sie ein Band im Haar trägt, von dem er selbst gesehen hat, wie sein Freund Félix es seiner Dame kaufte. Da Lisardo den Namen von Félix Dame nicht kennt, weil dieser von ihr immer nur gesprochen hat als "engelhafter Erscheinung, Inbegriff der Schönheit" usw. (und dies auf jede Dame zutreffen könnte, die durch Madrid ginge), denkt er, daß Clara ihn mit don Félix betrügt, ohne zu wissen, daß die Dame des letzteren eine Freundin Claras ist, ihre Nachbarin, die ihr das Band geliehen hat. Allgemein gesprochen könnte man behaupten, daß die meisten Vorfälle in den Mantel- und Degenstücken - vor allem in denjenigen, die in Madrid spielen - ihre, wenn auch sehr fein dosierte, komische Seite haben. Schon der heitere Charakter des Stückes und sein Ausgang, den wir immer als glücklich und etwas banal kennen, tragen dazu bei, daß diese Vorfälle vom Zuschauer in einer anderen Stimmung aufgenommen werden. Da man schon von vornherein weiß, daß die Sache keine ernsten Folgen hat, kann man sich in aller Ruhe am Betrug und an der Überraschung des Nächsten freuen. Die Mantel- und Degenstücke Calderóns haben von sich aus etwas Komisches, da sie sich auf den Spott, die Täuschung der Personen, gründen, sei es durch Zufall, durch eine andere Person oder durch die Umstände. Dennoch mißbraucht Calderón die stark komischen Möglichkeiten, die Spott und Täuschung haben können, nicht und wendet sie in einer Weise an, daß sie von Worten und Begriffen verdeckt bleiben. Er präsentiert sie auch als Kontrast zu den adligen Charakteren der Personen (wodurch ihnen die komische Kraft genommen wird) und in eine große Anzahl von Überraschungen gekleidet, die für den Zuschauer bestimmt sind und die ihn wiederum von der Komik vieler Situationen ablenkt. 182

Die rein komische Seite bleibt, wie schon gesagt, auf die "graciosos" beschränkt und hier mehr auf ihre Sprache als auf ihre Handlungen. Die Komik der Intrige, die durch die adligen Personen verkörpert wird, wird sehr vorsichtig aufgedeckt und ist vor allem in unserer Zeit viel offensichtlicher, in der wir diese Welt mit anderen Augen einsehen und vielen Situationen, die zur Zeit Calderöns eine fundamentale Bedeutung hatten, weniger Bedeutung beimessen. Oft reagieren die calderonianischen Personen mit einem humoristischen Kommentar, der uns zeigt, daß sie sich für einen Augenblick aus der Situation heraushalten und das Geschehen mit objektiven, nüchternen und ironischen Blicken betrachten. Es ist, als dränge sich für einen Moment das Absurde der Dinge in ihr Bewußtsein. Sehen wir ein paar Beispiele: In der Komödie "Con quien vengo, vengo" erreicht die Verwirrung der Personen ihren Höhepunkt. Ich will mich nicht damit aufhalten, die Unzahl der Verwechslungssituationen in diesem Stück zu erklären; das würde zuviel Zeit in Anspruch nehmen. Jedenfalls befindet sich Octavio in großer Verwirrung, und als Lisarda, eine andere Hauptperson, auf ihn zugeht und ihn don Juan nennt, sagt er vor sich hin: (Con don Juan piensa que habla. ?Si me parezco a don Juan? Que segün las cosas andan , no serä mucho.) In "La dama duende" empfängt Angela don Manuel in ihrem Gemach und gibt sich als große Dame aus. Ihr Bruder klopft an die Tür und Manuel muß versteckt werden. Als ihr Bruder weggeht, will die Dienerin ihn zurückholen, doch statt seiner bringt sie versehentlich Cosme, Manuels Diener. Als Angela mit ihm spricht, klopft es aufs neue an die Tür. Es ist Luis, der andere Bruder: Para cada susto tengo un hermano

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platzt es Angela mitten in der gespannten Lage heraus. Calderóns Komödien sind gewürzt mit solchen Kommentaren, die eine verhüllte Anspielung auf die szenischen Mittel des calderonianischen Theaters im besonderen und auf das Intrigentheater im állgemeinen sind. Mir scheint, als spiegelten sie auch einen für Calderón sehr charakteristischen Zug wider, über den wir in einem späteren Kapitel sprechen werden.

2. Die Verwechslung. Ihre komische Wirkung Die Verwechslung ist einer der Grundpfeiler, auf die die Intrige in den Komödien Calderóns sich stützt. Jeder Komödiendichter verwendet sie in größerem oder kleinerem Ausmaß, denn sie ist eines der bewährten Mittel, das der Komödie Spannung gibt und der Handlung Leben verleiht. Sie wird von Calderón besonders bevorzugt. Es gibt zwei Arten von Verwechslung: die eine ist situationsbedingt, die andere entsteht aus dem Gesagten. Beide werden sowohl isoliert als auch gemeinsam angetroffen, sie ergänzen einander bisweilen, um eine größere szenische Wirkung zu erzeugen. Die Struktur und Konzeption der calderonianischen Komödien bieten ein weites Feld für die Entwicklung beider Arten von Verwechslung. Die sprachlich bedingte soll in einem späteren Kapitel untersucht werden; jetzt wollen wir uns mit der situationsbedingten beschäftigen, die die Grundlage für die Untersuchung bestimmter komischer Situationen im folgenden Kapitel bildet. Die situationsbedingte Verwechslung äußert sich in der Vielfalt der Aspekte, die eine bestimmte Situation aufweisen kann, die von jedem einzelnen, der sie unmittelbar oder mittelbar erlebt, anders interpretiert wird. Eine solche Situation muß zweideutiger Natur sein, damit die Personen, die ihrerseits von falschen Voraussetzungen ausgehen, ihr einen anderen, manchmal völlig entgegengesetzten Sinn verleihen. 184

Es ist notwendig, hier einzuhalten und diese mehrdeutigen Situationen zu untersuchen, da sie eine der Hauptquellen der von Calderon benutzten komischen Formeln sind. Die Verwechslungssituation ist ein wichtiges Mittel, mit dem erreicht werden soll, daß der Zuschauer sich amüsiert. Sie beruht auf der komischen Reaktion auf den Betrug an einer (oder mehrerer) Person, die die Welt um sie herum nicht so sieht, wie sie ist, sondern wie die Umstände oder ein anderer, fremder Wille sie dazu gebracht haben, sie zu sehen. Der Zuschauer kann lachen, weil er auf seiner höheren Ebene nicht nur die wahre Situation erkennt, sondern auch die Gründe, die die betreffende Person zum Betrug verleitet haben, so daß er die mehrdeutige Situation in ihrem ganzen Ausmaß erfaßt. Die Möglichkeit, gewisse Situationen mehrdeutig zu interpretieren, kann von einer der Personen genutzt werden, um aus einer Verlegenheit zu kommen, indem sie dazu beiträgt, daß eine andere Person die Situation auf bestimmte Weise auslegt. So ist es in "El maestro de danzar", als don Diego, Leonors Vater, plötzlich sein Haus betritt und dort einen jungen Caballero beim Gitarrestimmen antrifft. Die komische Wirkung dieser Szene wird noch durch den Kommentar des Vaters unterstrichen, der verärgert, aber nicht ohne gewisse Ironie ausruft: ?Quien es este caballero, gue, tan hallado en mi casa, viene a divertirse a ella?

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Um aus dieser heiklen Lage herauszukommen, hat Leonor den Einfall zu behaupten, der junge Mann sei ein Tanzlehrer, der gerufen wurde, um ihr die verschiedenen in Valencia üblichen Gesellschaftstänze zu zeigen. Hier bietet die Verwechslungssituation nur zwei Aspekte, einen wahren, den alle und natürlich auch der Zuschauer kennen, Und den anderen, falschen, der vom Vater geglaubt wird. Als dieser die Erklärung seiner Tochter akzeptiert, beginnt eine der amüsantesten Szenen des Stückes, da der Alte an der Lektion Gefallen findet und den vermeintli185

chen Lehrer zum Tanzen und Gitarrespielen auffordert, um seine Geschicklichkeit zu beweisen. Damit bringt er den armen Liebhaber, der über keinerlei musikalische Gaben verfügt, zur Verzweiflung. Aber Calderôn begnügt sich nicht nur damit, VerwechslungsSituationen mit zwei Aspekten zu schaffen, sondern er zeigt uns Situationen, die auf drei oder sogar noch mehr verschiedene Arten interpretiert werden können. In "Casa con dos puertas, mala es de guardar" nutzt Marcela, Felix Schwester, die Freundschaft Lauras dazu aus, sie zu bitten, ihr ihr Haus zu "leihen", damit sie mit ihrem Liebhaber Lisardo sprechen kann. Als die Liebenden sich gerade unterhalten, kommt - wie sollte es anders sein - Fabio, Lauras Vater, der natürlich glaubt, seine Tochter empfange einen Liebhaber im Hause. Zu alledem wartet Félix, der seinerseits Lauras Galan ist, voller Zorn auf der Straße, weil er (irregeführt durch das Haus) glaubt, daß die Dame seines Freundes Lisardo seine eigene, d. h. Laura, ist. Lisardo, der die Identität seiner Dame nicht kennt und auch nicht weiß, daß er sie in einem fremden Haus besucht, kommt mit Marcela am Arm heraus und übergibt sie, um sie vor dem Zorn ihres angeblichen Vaters zu retten, seinem Freund Félix, damit dieser sie mit zu sich nach Haus nimmt. Hier äußert sich der dreifache Aspekt der Situation: Für Lisardo besteht er nur in der Ubergabe seiner Dame an einen Freund, um sie so besser vor einer Gefahr schützen zu können. Für Félix besteht er darin, daß er seine eigene Dame, die ihn offensichtlich mit seinem Freund betrügt, in sein Haus bringt, und für Marcela und den Zuschauer, die als einzige die genaue Situation kennen, darin, daß sie von ihrem Bruder nach Haus gebracht wird und sich damit in die "Höhle des Löwen" begibt. Für den Zuschauer ist die Situation ironisch-amüsant: Der Freund Lisardo übergibt in bester Absicht seine Dame dem einzigen, Vor dem er sie in Wirklichkeit beschützen sollte. Félix ergeht sich in Schimpfreden über die, von der er glaubt, es sei seine Dame, und bezeichnet sie als Verräterin, als falsch, 186

leichtfertig usw., und die arme Marcela, die am Anfang glaubte, sie schlüge den Weg zu Lisardos Haus ein, erlebt eine böse Überraschung, als sie sich in der Gewalt ihres Bruders findet und in ihr eigenes Haus geführt wird. Aber diese Situationen können noch viel komplizierter sein. Ein treffendes Beispiel zeigt die Komödie "Peor estä que estaba". Zunächst muß die voraufgehende Situation des Stückes beschrieben werden, auch wenn es etwas Zeit in Anspruch nimmt. Ohne vorherige Erklärung ist die Szene, die wir als Beispiel nehmen wollen, nicht zu verstehen: Der Gobernador von Gaeta erhält von einem Freund einen Brief, in dem ihm mitgeteilt wird, daß Flerida, seine Tochter, mit ihrem Liebhaber Cesar Ursino geflohen sei. Er bittet den Gobernador zu versuchen, sie zu finden, und sie, um die Schande zu vertuschen, zu verheiraten. Tatsächlich sind sowohl Cesar als auch Flerida in Gaeta, aber sie sind nicht, wie alle annehmen, gemeinsam geflohen, sondern Cesar ist allein gekommen, nachdem er einen vermeintlichen Rivalen getötet hat, und Flerida, die sich seit diesem Zwischenfall in Gefahr befand, war allein aus dem Haus geflohen, um dem Zorn ihres Vaters zu entgehen und ihren Liebhaber zu suchen. Andererseits trifft Lisarda, die Tochter des Gobernadors, zufällig auf den versteckten Cesar, als sie verschleiert das Haus verläßt, um sich unerkannt zu amüsieren, und verliebt sich in ihn. Sie besucht ihn häufig, jedoch ohne ihr Gesicht zu zeigen und zu sagen, wer sie ist. Sie kennt auch nicht die Identität des Caballeros. Währenddessen bittet Flerida ausgerechnet in Lisardas Haus um Schutz. Sie erzählt ihre Geschichte, sagt aber ihren Namen nicht. Lisarda hat Mitleid mit ihr und gewährt ihr Asyl. Nun geschieht es, daß der Gobernador hinzukommt, als Lisarda wieder einmal mit dem versteckten Caballero spricht. Dieser ist nicht erstaunt, ihn mit einer verschleierten Dame anzutreffen, Weil er annimmt, es sei die Dame, die er entführt hat, und nimmt die beiden mit zu sich nach Haus, ohne natürlich zu ahnen, daß die verschleierte Dame seine Tochter ist. Diese glaubt, ihr Vater habe sie entdeckt, und schweigt nur, um den "Verlust seiner Ehre" nicht publik werden zu lassen. Sie ist entschlossen, ihm, sobald sie 187

nach Haus kommt, die Wahrheit zu sagen und ihn um Verzeihung zu bitten. Und hier beginnt nun die Verwechslung. Da der Gobernador Flérida im Haus antrifft (von der er keine Ahnung hat, wie sie dorthin gekommen ist und die von seinem Diener als Dame Cesars identifiziert wird), sieht er sich in seinem Glauben bestätigt, daß sie die verschleierte Dame ist, die er bei dem versteckten Caballero getroffen hat. Er will mit seiner Tochter Lisarda über diese Dame, die er angeblich ins Haus gebracht hat, sprechen. Lisarda glaubt, daß ihr Vater von ihr spricht, und als sie redet, antwortet sie mit Argumenten, die wiederum vom Gobernador falsch aufgefaßt werden. Hier der Dialog: Gobernador

Lisarda, ?es bien que no me agradezcas la amiga que te he enviado? ?No respondes? Lisarda (ap.) (lYo soy muerta!) Señor, si por ser tu hija, es posible que merezca piedad en ti ... Gobernador Ya querrás, de agrado y lástima llena, que la perdone. Lisarda Señor, quien tan levemente yerra, ganado tiene el perdón. Gobernador No es tan leve como piensas.

Zu alledem glaubt Flérida, die etwas abseits steht und die Unterhaltung nicht verstehen kann, daß Lisarda mit ihrem Vater darüber spricht, wie sie ins Haus gekommen ist, ihm ihre unglückliche Geschichte erzählt und ihn um Erlaubnis bittet, sie als Gast zu behalten. Fléridas Bemerkungen würzen den Dialog und tragen dazu bei, ihn noch lustiger zu machen: Flérida (ap.) (!Como le está hablanda en mí!) El de mirarme no cesa Lisarda ?Es más de ir a unos jardines disfrazada y encubierta? Gobernador Más; que esa dama, Lisarda, tiene padre, a quien debiera guardar mejor el respecto. Lisarda (ap.) (!Con que razones tan cuerdas me está penetrando el alma!) 188

No quieras, señor, no quieras afrentarme así; yo estoy a tus pies Gobernador ?Juzgas afrenta negarte lo que me pides? No lo es, hija, sino fuerza. De aquí no he de levantarme, Lisarda sin que tu perdón merezca. Flérida (ap.) (!0h, cuanto debo a Lisarda! De rodillas se lo ruega) No te canses, mi Lisarda, Gobernador en pedir eso, porque ella de casa no ha de salir, hasta que marido tenga. Yo digo que será asi; Lisarda (se levanta) y que ventana ni reja volverá a ver, si eso quieres, pero sólo que merezca 4 la gracia te pido Hier wendet sich der Gobernador an Flérida, und Lisarda begreift endlich, daß ihr Vater nicht sie selbst meinte. Die Situation wird also auf vier verschiedene Weisen verstanden: Die richtige Interpretation kennt nur der Zuschauer. Die anderen Personen verstehen die Vorgänge auf ihre Weise: Lisarda, daß ihr Vater alles entdeckt hat und versucht, ihr mit Vernunftsgründen das Taktlose ihres Vorgehens klarzumachen. Der Gobernador, daß sich seine Tochter die Verteidigung der unglücklichen Dame sehr zu Herzen nimmt. Flérida, daß Lisarda ihre Geschichte erzählt, damit der Vater sie in seinem Haus aufnimmt. Der Mangel an Präzision in der Ausdrucksweise der Personen bei Calderón ermöglicht das Entstehen solcher Verwechslungsszenen. Ihre Sprache meidet die konkrete Angabe, den Namen einer Person, einer Stadt, einer bestimmten Zeit oder eines bestimmten Ortes. Ihre Zurückhaltung in Liebesdingen und Fragen der Ehre läßt sie sich schämen, die Dinge so direkt zu äußern, und daher kommt es, daß das, was sie sagen, Wegen seiner Ungenauigkeit Allgemeingültigkeit hat und auf viele Personen zutreffen kann. (Ähnlich ist es mit den Horoskopen. Sie enthalten so unbestimmte Urteile und Ratschläge, daß diejenigen, die ihnen Glau189

ben schenken, immer etwas finden können, was auf das, was ihnen gerade geschieht, zutrifft.) Die falsche Auffassung des Geschehens, das von jedem einzelnen auf andere Weise interpretiert wird, verstärkt die komische Wirkung der Szene. Das Publikum, an die heftigen Reaktionen der Väter auf die kleinsten "Fehltritte'* ihrer Töchter gewöhnt, erlebt, wie dieser in den Augen Lisardas als Muster an Uingänglichkeit und Verständnis dasteht. Gleichermaßen komisch wirkt die Haltung Fléridas, die, da sie von dem, was tatsächlich um sie herum geschieht, nichts ahnt, tief gerührt ist über die Herzlichkeit und Bemühungen Lisardas zu ihrer - wie sie glaubt - Verteidigung. Welches können die Ursachen einer Verwechslungssituation sein? Versuchen wir, die wichtigsten und für Calderón typischsten zu zeigen. An erster Stelle steht das Nicht-kennen der wahren Identität einer Person und die falsche Zuordnung einer anderen Persönlichkeit. In "El maestro de danzar" z. B. glaubt Leonors Vater, daß Enrique, in Wirklichkeit ein Edelmann, ein einfacher, von seiner Tochter engagierter Tanzlehrer ist. Darum mißt er, als er in der Schlußszene Enrique in einem Gemach versteckt findet, dem keine große Bedeutung bei, und während er sagt, daß die Situation "keine ernste Sache" sei, erklärt er, dieser Mann müsse der Liebhaber der Dienerin sein, da die falsche Zuordnung zu einer anderen sozialen Schicht die Möglichkeit ausschließt, daß er der Galan seiner Tochter ist. Sofort will er ihn mit der Zofe verheiraten. Für das Publikum, das die Wahrheit kennt, wirkt der Versuch, in einer Komödie einen Caballero mit einer Dienerin zu verheiraten, natürlich sehr komisch. Calderón hat auch nicht die Absicht, diesen "Gag" unbemerkt zu lassen, und deshalb läßt er die Dienerin ausrufen: Señores, ?qué un día que sólo se vio a pique la criada de casar con el galán, hubiese estorbo? 190

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Dieser Fall von Verwirrung in einer Situation, der sich daraus ergibt, daß man die Identität einer Person nicht kennt, kommt im calderonianischen Theater sehr häufig vor. Es wurde vorher schon erwähnt, daß die außerordentliche Zurückhaltung der Personen bei allem, was die Ehre und ihre Liebesabenteuer betraf, eine solche Verwirrung ermöglichte. Eine andere Ursache für die Verwechslung ist das Vertauschen von Personen, auch ein bei Calderón sehr häufig angewandtes Mittel. Es besteht darin, daß eine der in der Szene auftretenden Personen - freiwillig oder unfreiwillig - durch eine andere ersetzt wird, auch dadurch, daß eine Person nicht den nimmt, den sie sollte, sondern einen anderen, verwechselten. Dies gelingt a) dank der Dunkelheit. Die dunklen Straßen Madrids im 17. Jahrhundert waren die geeignete Szenerie für ein derartiges Vertauschen. Sehr häufig sieht man die Szene, in der ein Caballero irrtümlich eine Dame führt und sich später wundert, wen er mitgenommen hat (so in "Con quien vengo, vengo"). Manchmal glaubt ein Liebhaber, daß er seine ihm "untreue" eigene Dame begleitet (so in dem oben kommentierten Fall aus "Casa con dos puertas"), ohne zu wissen, daß ihre Schwester die Frau an seiner Seite ist. Bei "Casa con dos puertas" verdoppelt Calderón die Verwechslung durch einen Personentausch: Als Felix nach Hause kommt, überzeugt, Laura sei die Frau, die er mitgenommen hat, verschwindet seine Schwester Marcela in der Dunkelheit und läßt die wirkliche Laura im Zimmer, die sich infolge einer Reihe von Umständen in Marcelas Haus befindet. Felix fährt mit seinen Vorwürfen fort und Laura, die von allem, was passiert, keine Ahnung hat, versteht die Haltung ihres Liebhabers absolut nicht. b) Das Tauschen der Kleider ist ein anderes beliebtes Mittel, um den Austausch der Personen vorzunehmen. Dank dieses Mittels bemerkt ein Teil der Personen nicht, daß der, den sie vor sich haben oder der sich in ihrer Macht befindet, jemand völlig anderes ist als der, den sie ursprünglich hatten. Dank der Tat191

sache, daB er sich Frauenkleider anzieht, kann Mosquito, der Diener, aus dem Haus entkommen, in dem er und sein Herr in. "El escondido y la tapada" eingeschlossen sind. Diego, der Eigentümer, beschützt und begünstigt ihn, weil er glaubt, es handele sich um eine Dame, mit der er sich gerade fünf Minuten zuvor unterhalten hat, und die ihn um Schutz gebeten hat. Diego, der für einen Moment auf die Straße gegangen ist, um zu sehen, ob der Weg für die Dame frei ist und keine Gefahr droht, trifft Mosquito an ihrer Stelle, aber wegen der Dunkelheit und vor allem, weil Mosquito Frauenkleider trägt, merkt er den Unterschied nicht. Mit höflichen Worten begleitet er den Schelm bis zur Tür, und sein Entgegenkommen ist so groß, daß Mosquito für sich bemerkt: Si esto ahora me sucede por un vestido inhumano, que a media pierna me viene, yo juro de no traer otro traje eternamente.

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Weil Gileta, die Bäuerin aus "La senora y la criada" ein Kleid von Diana, der Herzogin, trägt, wird sie mit ihr verwechselt und von den Freunden ihres Liebhabers entführt, was zu größten Verwirrungen führt. c) Der Manto ist ein anderer Faktor, der zur Täuschung führen kann, genauso wie die Verhüllung des Gesichts bei einem Caballero. Da dies aber eines der bevorzugten Mittel Calder&ns ist und in zahllosen Stücken auftaucht, soll es in einem gesonderten Abschnitt behandelt werden. Eine Verwechslungssituation kann außerdem dadurch entstehen, daß eine Person (irrtümlich) annimmt, der andere kenne alle Vorgänge. Ein gutes Beispiel hierfür ist die oben kommentierte Szene zwischen Lisarda, dem Gobernador und Flerida in "Peor estct que estaba". Die gleiche Szene, hur leicht abgeändert, findet sich in "Mejor estä que estaba". In "No hay burlas con el amor" spricht Beatriz gerade mit don Alonso, als ihr Vater ins Haus kommt. Wie unvermeidlich, wird der Galan sofort ver192

steckt. Sowohl Beatriz als auch ihre Schwester Leonor bekommen es mit der Angst, als sie don Pedro mit verzerrtem Gesicht ankommen sehen. Auf die Frage seiner Töchter nach dem Grund seines Zorns antwortet er: Tengo honor y traigo agravios ... Aunque miento en està parte? que no soy yo quien los traigo: ellos vienen a buscarme _ dentro de mi casa misma. Die Töchter denken, daß der Alte schon vom versteckten Galan erfahren hat, und sehen sich in ihrer Annahme bestätigt, als sie ihren Vater sagen hören, woher sein Ärger stammt: De tus locuras, Beatriz; que ya es fuerza declararme, viendo que por ti se atreve hoy un mozuelo arrogante al honor de aquesta casa

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Weder Beatriz noch Leonor wissen, was ihrem Vater auf der Straße zugestoßen ist, daß er nämlich den Hann getroffen hat, mit dem er Beatriz verheiraten wollte. Dieser hat auf die geplante Ehe aus einem gewissen, die Ehre betreffenden Vorbehalt verzichtet. Zeigen wir schließlich, daß eine Verwechslungssituation auch durch den festen Willen einer Person, die anderen in die Irre zu führen, entstehen kann. In diesem Fall hat die betrügerische Person den gleichen Uberblick wie der Zuschauer. Sie weiß über die wahren Umstände Bescheid. Diese Besonderheit hat sie mit anderen Personen aus anderen Situationen gemeinsam, die ebenfalls den wahren Sachverhalt kennen (.z. B. in "El maestro de danzar" wissen sowohl Enrique als auch Leonor, daß Enrique nicht der Liebhaber der Dienerin ist, aber sie haben keinen Einfluß darauf gehabt, daß der Vater es glaubt). In "El astròlogo fingido" jedoch weiß don Diego sehr wohl, was er tut, als er Violante - um seinen Ruf als Astrologe zu wahren - überzeugt, daß er mit Hilfe von Beschwörungsformeln ihren Liebha.— 193

ber Juan herbeischaffen könne, der sich nach Meinung aller in Flandern aufhält, in Wirklichkeit aber versteckt in Madrid geblieben ist, um sich mit seiner neuen Dame Maria zu treffen. Um seine Farce glaubhaft erscheinen zu lassen, teilt Diego Juan mit, daß Violante alles erfahren habe und ihn sprechen wolle. Man muß die Szene, die eine der spaßigsten des ganzen Stückes ist, zitieren. Jede einzelne Person interpretiert die Situation auf ihre Weise: Violante, die alles Menschenmögliche unternommen hat, um Juan zu sehen, erschrickt vor dem, was sie für eine Vision hält (da Juan ihrer Meinung nach weit fort von Madrid ist). Juan wiederum glaubt, Violantes Haltung rühre von ihrem Zorn darüber her, daß sie erfahren hat, daß er die letzte Zeit in Madrid verbracht und einer anderen Dame den Hof gemacht hat: Juan Violante

Violante, dame tus brazos Espera, don Juan, aguarda. Detente, don Juan, espera, (ap.) (Ya todo el valor me falta.) Juan Violante, escucha, ?qué tienes? ?Después de ausencia tan larga, desta suerte me recibes, y desta suerte me pagas venir a verte no más? Violante (ap.) (Estoy turbada! El cuerpo me cubre un hielo, y el corazón se desmaya.) Don Juan, ya veo que vienes a verme de dónde estabas ... Vuélvete presto, que a mi haberte visto me basta. Si por el ausencia mía Juan estás, Violante, enojada, escúchame las disculpas. Yo creo que tienes hartas. Violante Vete y déjame. Si estoy Juan en Madrid por ciertas causas ... Ya sé las causas que son. Violante Si en este papel me llamas ... Juan Yo te llamé, por pensar poderte hablar; más es tanta mi turbación, que no puedo. Bien verás que no fué falsa mi voluntad, pues que_hizo Violante diligencias tan extrañas Ya sé que tus diligencias han sabido cuanto pasa, por eso vengo yo a verte. 194

Juan

Fantasma, vuélvete y déjanos ya. Juan Hi bien, los baldones bastan. Dame los brazos ?Los brazos? Violante (huyendo) !Ay de mi! Violante, aguarda. Juan Cerrada en este aposento Violante estaré hasta que te vayas.

Violante

9

Die komische Wirkung der Verwechslungssituation wurzelt in der unangemessenen Haltung eines Subjekts im Hinblick auf die tatsächliche Situation. Das Subjekt, das aufgrund einer Reihe von Umständen die Situation verkennt, verhält sich falsch und schafft so eine abweichende und manchmal völlig entgegengesetzte Haltung zu dem, was man von ihm in dieser Situation erwartet. Dies ruft das Lachen hervor. Je größer der Kontrast zwischen dem tatsächlichen Benehmen des Subjekts und dem, was es eigentlich haben sollte, wenn es die wahre Bedeutung der Situation erfaßt hätte, ist, desto größer ist die komische Wirkung, die durch diese Diskrepanz entsteht. Die komische Wirkung, die auf der unangemessenen Haltung des Subjekts basiert, kann noch durch die unangemessene Haltung eines anderen Subjekts intensiviert werden, das sich ebenfalls in dieser Situation befindet. In "El astrologo fingido" wäre die Komik nicht so überzeugend, wenn Juan von dem Betrug wüßte und absichtlich seine Rolle als Trugbild spielte. So einen Fall gibt es aber nicht. Juan kennt die Bedeutung von Violantes Haltung nicht. Mehr noch, auch ihre Sprache wird verwechselt. Er interpretiert ihre Worte als Zeichen der Erbitterung, weil sie betrogen wurde. Deshalb antwortet Juan in gutem Glauben auf Violantes Fluch, der ganz wörtlich gemeint ist: "Weiche, Gespenst!" mit "Meine Liebste, genug der Beschimpfung", weil er glaubt, es handele sich bei dem Wort "fantasma" um eine Beschimpfung, nicht um eine Bezeichnung. Es wurde bereits erwähnt, daß Calder6n das Mittel der Verwechslungssituation sehr häufig in seinem Theater verwendet. Was unseren Dichter von den übrigen Dramatikern des Goldenen Zeitalters unterscheidet, ist die Wiederholung gewisser Arten 195

situationsbedingter Verwechslungen, wie sie hier aufgezeigt wurden. Sehen wir jetzt eines seiner Lieblingsrezepte - die Verwendung des Schleiers, des "manto", um Verwechslungssituationen mit der nachfolgenden komischen Wirkung zu schaffen.

3. Zwei beliebte Hilfsmittel: "manto" und "embozo" Wir haben an anderer Stelle darüber berichtet, wie Calder&n, der in seinem Theater keine große Vorliebe für die Verwendung der männlichen Verkleidung bei der Frau zeigt (man kann die Komödien, in denen das der Fall ist, an einer Hand abzählen), dafür eine bemerkenswerte Neigung hat, verschleierte Damen auftreten zu lassen. Wie es scheint - hierbei handelt es sich nur um eine Vermutung - glaubt er, daß dieses Mittel eher zur Psychologie des Weiblichen paßt und mit dem wirklichen Leben mehr übereinstimmt. Daß die Frauen sich im 17. Jahrhundert das Gesicht verschleierten, war eine unbestreitbar alltägliche Erscheinung. Sich als Mann zu verkleiden, war eine Tradition, die ihren Ursprung und ihre Entwicklung in der Literatur hatte, die sich in der Wirklichkeit jedoch auf seltene Ausnahmen beschränkte. Es steht fest, daß die Verwendung des "manto" sehr mißbraucht wurde. Das hatte zur Folge, daß verschiedene Gesetze erlassen wurden, die den Gebrauch verboten, aber dies hat nicht verhindert, daß der Schleier leidenschaftlich verteidigt wurde. Einen Beweis dafür liefert uns das 1641 erschienene Buch von Antonio de Le6n Pinelo10, in dem die Vorzüge der "velos antiguos y modernos" vor den Gesichtern der Frauen gepriesen, aber auch ihre Vor- und Nachteile erwähnt werden. Für Pinelo ist der Schleier ein Zeichen von Adel und Vornehmheit und vor allem von Sittsamkeit. Die Schleier sollen zu diesen drei Zwekken verwendet werden: Autorität (gegenüber allen), Sittsamkeit (gegenüber sich selbst) und Gehorsam (gegenüber dem Mann).11 In bezug auf die Komödien Calder&ns kann man nicht behaupten, 196

daß die "mantos" vor den Gesichtern der Frauen den Zwecken gedient hätten, die der Lizensiat Pinelo vor Augen hatte. Nicht, daß seine Verwendung immer aus ganz unehrenhaften Absichten geschah, aber sie stimmte so gar nicht mit der orthodoxen Moral überein, der sich die Frauen von Ansehen zu unterwerfen hatten. Die Verwendung des "mantos" um einen Galan zu erobern, um die Familie an der Nase herumzuführen oder um auszugehen und sich zu amüsieren, muß für die Moralisten der damaligen Zeit ein im höchsten Maße ausschweifender Brauch gewesen sein. Aber ein sehr amüsanter Brauch für die Zuschauer der Komödien, die sahen, wie dadurch die Handlung komplizierter wurde und immer witzigere Situationen entstanden. Calderön wollte die szenischen Möglichkeiten, die der "manto" bot, nicht ungenutzt lassen. Die verschleierten Damen seiner Stücke bilden nicht nur eine farbige und typische Note, die diesen Komödien Lokalkolorit verleiht, sondern auch ein Hauptmittel für die Entwicklung der Intrige, da sie aktiv an der Handlung teilnehmen. Ein Blick auf die calderonianischen Mantel- und Degenstücke zeigt uns die Vorliebe des Dichters für die verschleierte Frau. In den 44 Komödien, die der 2. Band der Ausgabe Valbuenas enthält (hierzu zähle ich nicht die 7 romanhaften und phantastischen), taucht in 18 das Motiv der verschleierten Dame auf. 14 dieser Komödien gehören dem Zyklus der städtischen Komödien, die in Madrid oder einer anderen spanischen Stadt spielen, an, vier dem höfischen Typ. Das sind fast 40 % der Mantel- und Degenstücke im allgemeinen und 60 % der städtischen Komödien, ein ziemlich hoher Anteil also. Die höfischen Komödien bedienen sich aufgrund ihrer Struktur und der Eigenschaft ihrer Personen weniger der verschleierten Dame. Die großen Damen, Prinzessinnen oder Herzoginnen, mußten noch viel mehr den Anstand wahren als die Madrider und konnten sich nicht so ungehindert bewegen, ihr Gesicht verbergen, auf Abenteuer ausgehen und versuchen, auf diese Weise einen Galan zu erobern. 197

Ich habe bei den städtischen Komödien die Beobachtung gemacht, daß dort, wo eine männliche Figur mit einer zum Spott neigenden Persönlichkeit auftaucht, keine verschleierten Damen erscheinen. Hier ist es der Galan, der dafür zu sorgen hat, daß die Intrige sich entwickelt. Das geschieht z. B. in "El astrólogo fingido" und "Hombre pobre es trazas". Auch in den Stükken, in denen die Figuren wegen ihres ausgeprägten Charakters ein besonderes Profil erhalten, wie in "No hay burlas con el amor" (es sei an die "culta" Beatriz erinnert) oder "Guardate del agua mansa" (mit Toribio, dem grotesken Vetter, und Eugenia, der kecken und witzigen Dame), tauchen sie nicht auf. Das Auftreten der verschleierten Dame hat ein Problem: daß sie durch ihre Stimme, Figur oder Gesten erkannt wird. Calderón versucht manchmal, die Wahrscheinlichkeit zu wahren. Mehr noch, fast immer bemüht er sich, die Dinge so zu regeln, daß er die möglichen Einwände des Zuschauers vorwegnimmt. In "Fuego de Dios en el querer bien" tut Angela so, als sei sie ihre Dienerin Luise, die die Kleider ihrer Herrin trägt und für sie spricht, während sie diskret an ihrer Seite bleibt und sich als Dienerin ausgibt, um zu vermeiden, daß ihr Gesprächspartner sie erkennt. In "Cual es mayor perfección" erklärt Leonor die Schwierigkeiten, nicht von ihrem Galan erkannt zu werden und sagt so nebenbei: Disfrazar en vano intento el habla y el sentimiento In "Marianas de abril y mayo" will Clara nicht sprechen, damit sie nicht von Hipólito, ihrem Liebhaber, erkannt wird, der irai keinen Preis erfahren darf, daß sie an diesem Tag im Park gewesen ist. Daher verständigt sie sich mit ihm nur durch Zeichen. Manchmal gibt sich Calderón aber auch keine große Mühe, uns Erklärungen zu liefern. In "Manana será otro dia" spricht Bea triz mit Fernando und gibt sich als drei verschiedene Persone aus. Der Caballero stellt offensichtlich keine Ähnlichkeit in 198

der Stimme fest. Das Mittel, sich zu verschleiern, hat zwei Funktionen: eine, die wir aktiv und in gewisser Hinsicht offensiv nennen könnten. Die Dame, die sich verschleiert, will ausgehen ohne erkannt zu werden, um größere Freiheit zu genießen, oder aber, sie will sich mittels des "manto" für eine andere (erfundene oder wirkliche) Figur ausgeben und auf diese Weise den Galan erobern oder zurückerobern. Der "manto" kann auch als Waffe zur Verteidigung benutzt werden: um sich aus einer Gefahr zu befreien und somit zu vermeiden, von irgendjemandem entdeckt zu werden (sei es Vater, Bruder oder Galan), der es sehr übelnehmen würde, die Dame unter diesen Umständen zu treffen. Innerhalb dieser defensiven Haltung gibt es ebenfalls zwei Formen: eine besteht in der einfachen Tatsache des Sich-Verschleierns, wie bei Clara (wie schon weiter oben erwähnt) in "Mananas de abril y mayo", die, als sie ihren Galan sieht, dem sie versprochen hatte, das Haus nicht zu verlassen, ihr Gesicht verhüllt, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Die andere Form ist das Weglaufen vor den Personen, vor denen man sich verstecken will, mit dem "manto" oder Schleier vorm Gesicht. Die Tatsache, daß eine verschleierte Dame auftritt, ist an sich noch nicht komisch. Das ist erst die Verwirrung, die sie durch ihre Verhüllung bei den übrigen Personen stiften kann. Diese Verwirrung kann verschiedener Art sein: a) Der Gesprächspartner glaubt, er stehe einer Person gegenüber, die er nicht kennt, ohne zu wissen, daß es sich um eine ihm sehr bekannte Dame handelt. In "Manana serä otro dia" lauscht Fernando verzückt den Worten einer verschleierten Dame, die ihn besucht, ohne zu wissen, daß sie in Wirklichkeit die Frau ist, die ihm zur Ehefrau bestimmt war und die er auch liebte, aus Eifersucht aber verlassen wollte. b) Der Gesprächspartner sieht in ihr eine andere Persönlich199

keit, die nicht die ihre ist. Als Marcela in "Casa con dos puertas, mala es de guardar" verschleiert Lisardo, den von ihr geliebten Mann, besucht, ist dieser vollkommen verwirrt und will nicht mit ihr sprechen. Er ist Uberzeugt, das sie die Dame seines Freundes Félix ist, denn er weiß nicht, daß Félix in Wirklichkeit Marcelas Bruder ist. c) Eine vorher versteckte, Verschleierte Dame erscheint plötzlich auf der Szene und geht durchs Zimmer. Dabei stiftet sie die größte Verwirrung unter den Personen und gibt der Situation eine völlig andere Wendung. Dieser Fall ergibt sich bei Calderón sehr häufig. Auch kann es geschehen, daß der Galan, der seiner Dame gerade Vorwürfe über ihr angeblich untreues Verhalten macht, sich gezwungen sieht, sich einerseits wegen des Erscheinens der Dame zu entschuldigen, von deren Gegenwart er überhaupt nichts wußte. Ein sehr spaßiges Beispiel bietet uns das Stück "Casa con dos puertas". In Félix Haus ist sein Freund Lisardo zu Gast, den Marcela, Félix Schwester, erobern will. Aus diesem Grund sucht sie verschleiert Lisardo in seinem Zimmer auf, um mit ihm zu sprechen. Dazu erscheint Félix, der seinem Freund erzählen will, daß seine Dame, Laura, in der vorigen Nacht einen Mann bei sich versteckt hatte. Als ihr Bruder eintritt, versteckt sich Marcela. Später kommt Laura, Marcelas Freundin, um ihrem Liebhaber Félix Erklärungen abzugeben. Lisardo geht und läßt die Liebenden allein. Da ihre Entschuldigungen nicht sehr überzeugend sind (Laura konnte nicht sagen, daß Marcela die Urheberin der Verwirrung war), wird Félix wütend und macht Laura schwere Vorwürfe. Aus Furcht, daß Laura nun alles erzählt und sie verrät, durchquert Marcela mit dem "manto" das Zimmer und läßt Félix und Laura perplex zurück. Letztere glaubt nun, daß ihr Liebhaber sie seinerseits betrügt. Jetzt ist Laura die Beleidigte! Und die gleiche Person, die sich noch in der vorangegangenen Szene von Félix beschuldigt sah, Félix mio, mi bien, mi señor, mi dueño sagt jetzt: 200

Quédate; que es rabio haber de llevar traiciones, cuando finezas vine a traer und Félix, der vorher ausrief: Mi mal, mi muerte, mi ofensa ?qué me quieres? ist jetzt derjenige, der sagt: Laura mía, mi señora, el cielo me falte, amén, si sé que mujer es ésta.

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Wir haben in dieser Szene gesehen, wie auf das Motiv des im Zimmer der Dame versteckten und verhüllten Mannes angespielt wurde. Dieses Motiv kommt bei Calderón gelegentlich vor, aber nicht ganz so häufig wie das der verschleierten Dame. Die Verhüllung beim Mann wirkt weniger komisch als der "manto" bei der Frau; vielleicht, weil sie immer unter den gleichen Umständen vorkommt: Der Liebhaber will vom Vater der Dame nicht erkannt werden und sieht sich gezwungen, sich zu verhüllen. Die Erscheinung des verhüllten Mannes hat sehr typische Züge. Fast niemals ist es der Liebhaber der Dame, in deren Gemach er sich befindet, sondern er hält sich durch einen Irrtum dort auf. Dies führt einerseits dazu, daß die arme Dame sich in außerordentlichen Schwierigkeiten befindet, um ihrem Liebsten zu erklären, daß der Mann, der in ihrem Zimmer war, mit ihr nichts zu tun hat, auch wenn es so scheint. Wenn der Vater hinzukommt, muß sich der Caballero verhüllen, weil die Tochter des Alten nicht seine Dame ist. Er weiß, wenn er entdeckt wird, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sie zu heiraten, denn der Vater würde ihn dazu zwingen, und der Caballero zeigt natürlich nicht die geringste Neigung, eine Frau zu heiraten, die er vielleicht noch nie im Leben gesehen hat. Das Stück "El escondido y la tapada" ist wie eine Synthese und wie ein Schema dieser beiden Motive. Trotzdem hat Valbuena Briones Recht, wenn er behauptet, daß das Stück in keiner Weise die der Gattung eigenen Merkmale aufweist, die z. B. "La dama duende" ausschmücken. Trotz der fast unwahrscheinlich an201

mutenden Ereignisse ist die Komik des Stückes sehr verblaßt. Auch hier haben wir das Motiv des verhüllten Mannes, der sich im Zimmer einer Frau befindet, und das Motiv der verschleierten Frau, die sich im Zimmer eines Mannes befindet. Lisarda und Juan, Vetter, Kusine und Verlobte, sind gerade in ein Haus gezogen, das einen Tag vorher von don Diego, Lisardas Vater, gemietet worden war. Sie wissen nicht, daß sich in diesem Haus César versteckt hält (den alle suchen, weil er don Diegos Sohn, Lisardas Bruder, getötet und überdies Félix beleidigt hat, indem er seiner Schwester den Hof machte). Das Haus hat vorher Celia, Félix Schwester, gehört, und César ist auf ihre Veranlassung dorthin gegangen, um sich zu verstecken, wobei er sich das Geheimzimmer des Hauses zunutze machte. Das Dumme daran ist nur, daß Felix, der plötzlich von einer Reise zurückkehrt, seine Schwester Celia zwingt, von heute auf morgen aus dem Haus auszuziehen, so daß César und sein Diener eingeschlossen zurückbleiben. Um die Situation noch verworrener zu machen, läßt Calderón César verliebt in Lisarda erscheinen (obwohl seine ständige Dame Celia gewesen ist). César traut seinen Augen nicht, als er zunächst allein und eingesperrt ist und später, als es ihm gelingt, in ein Gemach zu entweichen, ausgerechnet auf Lisarda trifft. Unterdessen will Celia, die ihren Geliebten nicht in einer solchen Lage sitzen lassen kann, zum Haus zurückkehren, um ihm zu helfen. Sie verschleiert sich, um unerkannt zu bleiben und César zu treffen. Hier beginnt eine phantastische Handlung. Celia bittet don Diego, den gegenwärtigen Eigentümer des Hauses, um Schutz, um so ins Haus zu gelangen, und gibt vor, einige Männer seien ihr gefolgt. Don Diego geht auf die Straße hinaus, um sich zu vergewissern, daß alles ruhig ist, und als er zurückkommt, führt er irrtümlicherweise Mosquito, Césars Diener, auf die Straße. Dieser hat sich als Frau verkleidet, um so besser aus dem Haus zu kommen. Juan, Lisardas Verlobter, trifft in einem Zimmer auf den versteckten César und verdächtigt Lisarda. Lisarda stößt auf die verschleierte Celia und macht Juan Vorwürfe. Don Diego beargwöhnt alles, weil sehr seltsame Dinge vor sich gehen, und will die Heirat seiner 202

Tochter beschleunigen, aus Angst vor dem, was noch alles passieren könnte. Schließlich, als alles entdeckt wird, muß César seine Liebe zu Lisarda vergessen und Celia vor ihrem Bruder schützen, indem er sie heiratet. Verschleierte Damen hier, verhüllte Männer dort, Verkleidungen, Verwirrungen, Geheimtüren, Kleidungsstücke, die aus einem Korb verschwinden, ohne daß man weiß, wer sie genommen hat. Alle diese von Calder&n in vorangegangenen Komödien schon verwandten Mittel werden hier bis zum äußersten strapaziert; soviel Verwirrung nimmt der Komödie Leben und Reiz, so daß sie schließlich zu einem Puzzle wird, dessen einziges Ziel es ist, daß am Ende alle Stücke an ihren Platz gelangen. Trotzdem ist das Stück interessant, weil es sehr schematisch ist und uns lediglich das Gerüst des szenischen Zimmerwerks bietet, mit dem Calderón gewöhnlich diese Art Stücke konzipierte. Daß Calder&n wußte, daß das Auftreten von verschleierten Damen und verhüllten Männern für ihn sehr typisch war, können wir aus den ironischen Anspielungen ersehen, die er selbst über 14 sein Theater macht. Das Rezept der verschleierten Dame mußte in der damaligen Zeit Erfolg haben. Calderón zögert nicht, es wieder und wieder zu verwenden und so eines der typischsten und eindrucksvollsten Motive der Mantel- und Degenstücke zu nutzen. Das Verwechseln von Persönlichkeiten, das durch die verschleierten Damen verursacht werden konnte, war häufig sehr amüsant. In "Los empeños de un acaso" flieht Leonor - auf der Flucht vor ihrem Vater - zufällig in Juans Haus. Dieser weiß aufgrund verschiedener Umstände über alles, was ihr Unglück betrifft, Bescheid. Während er mit ihr spricht, erscheint Elvira (in Juan verliebt), ebenfalls verschleiert. Danach erscheint Diego, Elviras Bruder und Leonors Bewerber. Als Elvira ihn sieht, fürchtet sie, er sei ihretwegen gekommen, und so spielt sich eine typische Verwechslungssituation ab, in der Elvira die folgenden Worte ihres Bruders Juan völlig falsch deutet: 203

pues en vuestra mano está mi honor, mi vida y mi fama. Una hermosura, en guien todo esto consiste, se halla en vuestro poder. Aber sie beruhigt sich schnell, als er sagt: No, señora, huyáis asi de quien tan rendido os ama, gue os busca para serviros con la vida y con el alma Elvira, die dachte, ihr Bruder sei gekommen, um sie zu töten, stellt nun erleichtert fest, als sie die artigen Komplimente hört, die nicht ihr gelten können, daß er sie für eine andere hält. So kann sie ironisch die folgenden Worte Diegos kommentieren: Diego

Elv. (ap.)

No a hablaros vengo en mi amor; gue no aspira mi esperanza a más méritos, a más dicha gue a serviros? pues me basta, si otro tiene los favores, gue tenga yo las desgracias. Que me enamore mi hermano, es sólo lo gue me falta

Aber das ist noch nicht alles. Juan bestreitet, daß die verschleierte Elvira Leonor ist. Diego glaubt es nicht und will, daß sie ihr Gesicht zeigt. In diesem Augenblick kommt Félix. Leonor will, als sie die Stimme ihres Geliebten hört, das Zimmer verlassen, aber groß ist ihre Überraschung, als sie sieht, daß Félix sich an die verschleierte Elvira wendet, als wäre sie es. (Félix hat diese für Leonor gehalten und Juan hat ihn in dem Glauben gelassen, um so Elvira aus der Sache herauszumanövrieren, ohne daß ihr Bruder sie erkennt.) Diego besteht weiter darauf, mit der Verschleierten zu sprechen. Am Ende erscheint Leonor und klärt den Betrug auf. Dies ist nicht der einzige Fall, in dem zwei verschleierte Damen die Situation komplizieren. In "Dicha y desdicha del nombre" besucht Serafina, die Félix aus Dankbarkeit in ihrem Hau204

se hat, ihn verhüllt, um nicht erkannt zu werden und so den ihrem Namen schuldigen Anstand zu wahren. Als sie zusammen in Félix Zimmer sind, ruft Serafinas Vater. Diese entblößt ihr Gesicht vor Félix und bittet ihn, ihr zu helfen. In dem Augenblick betritt eine andere verschleierte Dame das Zimmer, ohne daß Félix es merkt. Es ist Violante, die Felix sucht und von ihm erfahren will, wo sich ihr Liebhaber aufhält, da sie seinetwegen aus ihrem Hause geflohen ist. Schließlich kommt der Vater hinzu, der die verschleierte Violante sucht (es handelt sich praktisch um die gleiche Situation wie in "Peor esta que estaba" mit Flérida und dem Gobernador). Félix will auf alle Fälle verhindern, daß der Vater die Verschleierte sieht, und sein Erstaunen ist grenzenlos, als er sieht, daß Lidoro, der Vater, sie nicht nur mit Violante anredet, sondern daß es schließlich auch tatsächlich die genannte Violante ist. Verschleierte Damen erscheinen also, verschwinden, vertauschen sich, und all dies, ohne daß die anderen Personen es wahrnehmen. Dies geschieht in Calderôns Komödien sehr häufig.

4. Die verschiedenartigen Verwechslungen von Persönlichkeiten Wir haben bereits im vorhergehenden Abschnitt gesehen, wie die Einführung der verschleierten Frau in einer Komödie eine Verwechslung der Identität bei den anderen Personen hervorrufen kann. Ein großer Teil der Intrige in den calderonianischen Mantel- und Degenstücken gründet sich auf diese wechselnde Persönlichkeit der Figuren. Manchmal geschieht es aus eigenem Antrieb des Subjektes, um irgendein Ziel zu erreichen. Häufiger ist es aber der Schein, der eine bestimmte Person dazu bringt, sich in der Identität dessen, den sie vor sich hat, zu täuschen. In beiden Fällen führt die falsche Zuordnung einer anderen Persönlichkeit dazu, daß der Getäuschte eine seinen Vermutungen angemessene Haltung einnehmen muß, die mit der kontrastiert, die er hätte, wenn er die wahre Identität kennen wür205

de. Dies kann in vielen Fällen zu sehr spaßigen Szenen und Wirkungen führen, vor allem, je größer die Diskrepanz zwischen der Haltung des getäuschten Subjektes und der, die es einnehmen würde, wenn es um die wirklichen Vorgänge wüßte, ist. Die komische Wirkung hat viele Abstufungen. Nehmen wir an, eine Dame ist in einen gewissen Félix verliebt und vermutet, daß dieser Félix der Galan ihrer Freundin ist (aufgrund einer Namensverwechslung, da Félix in Wirklichkeit nicht Félix, sondern Juan ist). Sie weist ihren Geliebten zurecht und wirft ihm Falschheit und Untreue vor. Die komische Wirkung ist hier nicht sehr groß. Die Ursachen, die zu dem Irrtum der Dame geführt haben, wirken für den Zuschauer vollkommen glaubhaft, und ihre Haltung weicht nicht sehr von der ab, die man von einer verliebten Dame in solchen Fällen erwartet, zumal sich Eifersuchtsszenen zwischen Liebenden häufig abspielen; wenn auch nicht immer aus diesen Gründen, so doch aus vielen anderen. Aber nehmen wir den Fall an, wie er sich in "Los empenos de una acaso" abspielt, daß eine Dame ins Haus ihres Geliebten zurückkehrt, mit dem sie kurz zuvor gesprochen hatte, und dort einen Mann antrifft, der gerade schreibt und ihr den Rücken zukehrt. Diesen hält sie für ihren Liebhaber: ?Quién duda que estarâ escribiendo fino satisfacciones, que dé a la que hoy a verle vino? !Ciega estoy! Leer tengo, ingrato don Félix ... Der Zuschauer kostet die Überraschung aus, die die Dame erleben wird, denn der Mann, der so eifrig schreibt, ist niemand anders als ihr Vater, der sich zufällig im Haus des Caballero befindet. Es ist deutlich, daß die komische Wirkung hier viel stärker ist. Daß die Dame ihren Vater ausgerechnet mit ihrem Galan verwechselt, ihn undankbar nennt und ihm den Brief entreißen will, ist eine für den Zuschauer sehr ergötzliche Situation, die noch intensiver wird, wenn man sich die Reaktion des Vaters vorstellt, der sich von einer Frau "überfallen" sieht und feststellen muß, daß ausgerechnet seine Tochter die zornige Dame ist. 206

Das ganze Problem der fluktuierenden Persönlichkeit, des Scheinens, was man nicht ist, des Seins, was man nicht scheint, beschäftigte Calderón sehr, wie sich aus seinen Stücken ergibt. Vor allem die Mantel- und Degenstücke wären ohne diese Identitätsverwechslung der Personen unverständlich. Sie sind ein Beweis dafür, daß die Personen durch den Schein ständig getäuscht werden. In "La vida es sueno" geht dies bis zum äußersten, denn hier wird nicht eine zweite Person durch die Identität einer ersten getäuscht, sondern die gleiche Figur sieht sich mit zwei entgegengesetzten Identitäten konfrontiert und von ihren eigenen verschiedenen Persönlichkeiten betrogen. Wir wollen versuchen, in diesem komplexen Phänomen die Verwechslung der Persönlichkeiten zu unterscheiden. Einerseits haben wir die Aufspaltung einer Person in zwei oder mehrere, andererseits den Ersatz einer Persönlichkeit durch eine andere, und drittens das, was wir die unfreiwillige Verdrängung der Funktionen nennen könnten. Im Laufe der vorangegangenen Kapitel haben wir, wenn auf die eine oder andere Komödie bezug genommen wurde, gesehen, wie die weiblichen Figuren gewöhnlich verschiedene Persönlichkeiten annehmen, um auf diese Weise ihre Liebhaber anzuziehen. Normalerweise behalten sie einerseits ihre wahre Identität, um den Anstand zu wahren, andererseits ersinnen sie eine List, um sich als eine andere Frau auszugeben, die ungezwungener, geistreicher und von einem Hauch von Koketterie und Geheimnis umgeben ist. Dabei können sie ihre Liebesgefühle völlig frei äußern. Das geschieht in vielen Stücken, z. B. in "Fuego de Dios en el querer bien", "Los empeños de un acaso", "Peor está que estaba" u. a.). Bei manchen Gelegenheiten verdreifacht sich die Person, wie in dem schon erwähnten Stück "Mañana será otro dla", in dem Beatriz ihren Liebhaber durch ihre Schönheit verführen will (wobei sie sich unter ihrem wirklichen Namen und ihrer eigenen Persönlichkeit zeigt), durch ihren Geist (hier gibt sie sich als italienische Abenteurerin aus) und durch ihren Reichtum (hier gibt sie vor, eine große Dame zu sein, die ihm Gunst erweist und hohe Ämter anbietet). Beatriz 207

präzisiert sehr gut das Rezept: y asi, he de doblar mi papel con esta farsa de amor, siendo una, y haciendo tres Für die Damen ist es leicht, alle diese Schwindeleien durchzuführen. Sie verschleiern ihr Gesicht, verstellen ihre Stimme oder auch nicht, je nachdem - und lassen ihrem Geist und ihrer Phantasie freien Lauf, um die Rolle zu spielen, die ihre neue Persönlichkeit erfordert. Da die Höflichkeit es niemandem erlaubt, ihr Gesicht zu entblößen - obwohl die Männer keinen inständigeren Wunsch als diesen hatten -, gibt es nichts Leichteres, als sich des Privilegs des Verschleierns zu bedienen. Bei den Männern ist das anders. Sie dürfen nicht verhüllt herumlaufen und so mit einer Dame oder sonst jemandem sprechen. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die Situation, in der sich ein Caballero verhüllte, immer sehr heikel war und auf Streit schließen ließ. Calderón verzichtet jedoch nicht darauf, uns Beispiele dieser Art anzubieten, und wir sehen in seinen Stücken, wie ein Caballero sich aus dem einen oder anderen Grund in zwei Persönlichkeiten aufspaltet. Bei den höfischen Komödien haben wir häufig das Motiv des Caballeros, der seinen Namen ändert, um nicht erkannt zu werden, weil er einen anderen getötet hat und nicht dafür bestraft werden will. Aber diese einfache Namensänderung ist für uns nicht sehr interessant, da sie kaum (in vielen Fällen fast gar keine) komische Wirkung hat. Dafür haben wir ein besseres Beispiel im Falle des Bruders, der zwei verschiedene Namen benutzt (z. B. in "Manana será otro dla", wo Juan sich in Madrid nach seinem mütterlichen Zunamen Leyva nennt und Ayala heißt), denn dies erzeugt bei den Personen Verwirrungen, die für den Zuschauer sehr spaßig sein können. Fast immer glaubt der Liebhaber einer Dame ernsthaft - durch den unterschiedlichen Namen des Bruders getäuscht und durch die Vorsicht, mit der die Dame sich vor jenem Mann in acht nimmt -, daß sie einen anderen Liebhaber hat. Dies wird sogar noch komplizierter, wenn man daran denkt, 208

daß die Dame des Bruders mit dem doppelten Neimen schließlich auch auf seine Schwester eifersüchtig wird. Der Fall der Aufspaltung einer männlichen Figur ist in der Komödie "Hombre pobre todo es trazas" am besten durchgeführt. Die Aufspaltung geschieht hier bewußt wie bei den ränkeschmiedenden Damen, die weiter oben schon erwähnt wurden, und nicht mit Hilfe eines Zufalls, wie im Fall der Brüder, die zwei Namen führen oder außerhalb ihres Hauses leben. Bei ihnen besteht nicht die Absicht zu betrügen, die anderen Personen gelangen durch die Indizien zu solchen Schlußfolgerungen. Der don Diego in "Hombre pobre todo es trazas" ist ein Schwindler aus Absicht. Er nimmt zwei Persönlichkeiten an, um zwei Damen zu betrügen. Seinen richtigen Namen, Diego Osorio, hebt er für diejenige auf, die er später zu heiraten hofft (denn sie ist sehr reich). Der anderen gibt er vor, ein gewisser Don Dionls Vela zu sein. Er rechnet aber nicht mit dem Zufall. Die beiden Damen sind Freundinnen und besuchen einander, um ihre jeweiligen Caballeros in den Himmel zu heben und sich gegenseitig von dem Edelmut und guten Aussehen ihrer Liebhaber und Galane zu erzählen. In einem solchen Augenblick kommt don Diego, um die begütertere Dame zu besuchen, und trifft dort auch die andere an. Diese letztere wird natürlich wütend. Sie nutzt den Moment aus, in dem beide allein bleiben, um ihn zu beschuldigen: me ha dado ocasión, ingrato, en que pueda hablar, pueda quejarme porque el silencio cruel, hecho ponzoña en el alma, mil veces quiso romper la cárcel, y reprimido, hizo con mayor poder un cuchillo al corazón y a la garganta un cordel. Aber don Diego läßt sich nicht aus der Fassung bringen und antwortet scheinheilig: ?Vos con tanto sentimiento conmigo? ?Cómo o por qué? 209

?Quién dió causa a tanta pena? A tanta desdicha, ?quién? Beatriz fährt fort, ihm sein Benehmen vorzuwerfen, und don Diego beginnt, ihr einen heiligen Zorn vorzuspielen: Viven los cielos, señora, que no os entiendo, ni sé que decís, pues jurar puedo no haberos visto otra vez. Keine von Beatriz Fragen können ihn von seiner Haltung abbringen: Er ist don Diego de Osorio und kennt diese Dame nicht, noch weiß er, wer don Dionls Vela ist. Da Beatriz sich nicht überzeugen läßt, kommt er später mit seinem Diener und einem Freund überein, daß sie das Gerücht aufbringen, daß in Madrid zwei Männer herumliefen, die sich ähnlich seien wie ein Ei dem anderen. Trotzdem muß don Diego seinen Geist schon sehr anstrengen, um Beatriz zufriedenzustellen, die der Geschichte vom "Doppelgänger" noch mißtraut. Zum Schluß tritt don Diego - diesmal als don Osorio - auf, nachdem er vorgetäuscht hat, man habe don Dionls gefangengenommen. Dazu bemerkt Beatriz, als sie ihn sieht, zu ihrer Dienerin: Estoyle, Inés, mirando, de espacio, y voyme asi desenganando; porque, aunque es parecido, no es tanto como habla yo aprendido; que éste mil cosas tiene en que con don Dionls no se conviene.

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Calderón feilt hier seine Mittel sehr aus. Er bringt in fast allen seinen Komödien aufs Tapet, daß die Sinne betrogen werden; ein Galan z. B. hat einen Mann im Zimmer seiner Dame gesehen. Obwohl er sie beschuldigt, ist die Wirklichkeit nicht so, wie man sie sich vorstellt. Alle Erscheinungen sprechen zugunsten der Tatsache, daß die Dame X die Geliebte des Galans Y ist. Die Personen lassen sich von diesen Erscheinungen leiten, aber sie werden getäuscht. Es verhält sich nicht so. Hier haben wir eine calderonianische Person, die sich davon nicht beeindrucken läßt: Beatriz sagt, daß ihr Zorn verflogen sei. 210

Pues, ?no hablar» de cesar, si llego a considerar como se enganan los ojos? Diesmal ist es jedoch falsch, sich nicht von dem leiten zu lassen, was man sieht, und es wäre besser gewesen, es getan zu haben. Es ist offensichtlich das Los der calderonianischen Personen, immer betrogen zu werden. Wären nicht die letzten Szenen des dritten Aktes, so wären sie auch weiterhin Opfer des Betruges und Scheins geblieben. Don Diegos Dreistigkeit wirkt letztlich doch spaßig, obwohl der Zuschauer sein Benehmen nicht billigt, und obwohl der Dichter ihn am Ende bestraft. Andererseits bleibt das Mittel, die gleiche Person zu benutzen, die munter vor den gleichen Personen zwei Rollen spielt, wenn auch alt, so doch wirkungsvoll. Es erscheint auf den ersten Blick sehr unwahrscheinlich, aber es ist noch aktuell. Die gleiche Idee könnte mit Erfolg für eine moderne Komödie im Kino oder Theater genutzt werden und würde, gut durchgeführt, vom Publikum sicher sehr gut aufgenommen werden. Wenden wir uns jetzt der Aneignung einer fremden Persönlichkeit zu. Sie besteht darin, daß eine Person sich für jemand anderen ausgibt. Die Persönlichkeit wird gefälscht, indem man den Namen einer anderen annimmt, den Namen, der eine Person prägt und ihr Eigenschaften und Verpflichtungen verleiht. Den Namen, der an eine Klassenvorstellung gebunden ist und automatisch deren Vorrechte und Pflichten überträgt. Die Motive, die die Caballeros veranlassen, sich für jemand anderes auszugeben, können verschieden sein. Manchmal geschieht es, um einem Freund zu helfen; dies ist der häufigste Fall. Es kann mit und ohne dessen Zustimmung geschehen. Ein Beispiel für den letzten Fall bietet uns das Stück "Antes que todo es mi dama", wo Lisardo, um seinem Freund Félix zu helfen, sich für diesen ausgibt, um ihm Ärger zu ersparen. Als er den Vater von Félix Dame auftauchen sieht, mutmaßt Lisardo 211

Schlechtes, und es fällt ihm nichts weiter ein, als die Persönlichkeit seines Freundes anzunehmen. Das war sein Pechl Der Vater ist nicht gekommen, um Rechenschaft zu fordern, sondern im Gegenteil, um Félix in sein Haus einzuladen. Die komische Seite an der Aneignung einer fremden Persönlichkeit zeigt uns indessen die Reaktion des Gesprächspartners, nämlich des Vaters, der von dem Betrug nichts weiß. Den Alten, der Félix nie zuvor gesehen hat, der ihn aber wegen seines Namens und seiner Eigenschaft als Sohn eines früheren Freundes schätzt, bezaubert Lisardos Erscheinung, in der er alle Vorzüge erkennt, die don Félix Vater besessen haben mußte, und er ruft für sich aus: !Quê brio! !Qué gentileza! De su padre es un retrato. Es muß hier nebenbei bemerkt werden, daß dieser komische Ausbruch (man muß sich die Szene vorstellen) von Calderón auch für andere Stücke genutzt wird. Ein sehr typischer calderonianischer Zug, der vielleicht auf Kosten seines Einfallsreichtums geht, der aber andererseits entschuldbar ist, wenn man den Umfang seines Werkes bedenkt. Außerdem zeugt dieser Zug von seiner Sorgfalt, auf solche Einzelheiten zu achten, die eine gute Wirkung haben könnten. Darum werden sie bei den Komödien auch immer wieder angewendet. In dem Stück "Dicha y desdicha del nombre" haben wir eine ähnliche Situation: Lidoro, der annimmt, Cesar sei Lisardo, sagt, als er ihn sprechen hört: ¡Que cortesano! Más no es para ml cosa nueva serlo un hijo de tal padre, que era la cortesía mesma, la misma galantería.

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Es gibt eine andere Form, die Persönlichkeit eines anderen anzunehmen, ohne seine Einwilligung, aber in gemeinsamer Ubereinstimmung mit einem Dritten. In "Con quien vengo, vengo" gibt sich Octavio, um seinen Freund bei einem Liebesabenteuer zu begleiten, als Celio, Juans Diener, aus. Mit der Annahme 212

von Celios Namen nimmt er gleichzeitig seine Klasse, seine Stellung und sogar seine Sprache an (auch wenn er nicht immer seine ritterliche Herkunft verleugnen kann). Das Stück gibt Anlaß zu Verwechslungen und zu Szenen, die zum Lustigsten gehören, was das Repertoire der calderonianischen Komödie zu bieten hat, weil nämlich Lisarda, Leonors Schwester, sich gleichzeitig als Dienerin ausgibt, um ihre Schwester, die mit ihrem Galan sprechen möchte, zu begleiten. Nun verliebt sich sowohl die Dame in den vermeintlichen Diener, wie auch der Galan in die vermeintliche Dienerin. Aber das Amüsanteste ist, daß Lisarda, die bisher hochmütig und spröde war und von der Liebe nie viel gehalten hat, sich in einer verzweifelten Lage befindet, als sie sich von jemandem angezogen fühlt, von dem sie glaubt, er sei ein plumper und grober Mensch. Um ihre unfreiwillige Zuneigung auszulöschen, verabredet sie sich mit ihm am folgenden Tag bei Tageslicht. Nun erscheint der echte Celio (der nicht ahnt, daß jemand in der vergangenen Nacht seine Persönlichkeit angenommen hat). Hier nun die Szene. Stellen wir uns die widersprüchlichen Gefühle Lisardas vor, als sie sich einer männlichen Figur von lächerlichem Äußeren gegenübersieht, und ihre Anstrengungen, in ihm etwas zu finden, das ihre Verliebtheit rechtfertigen könnte: Lisarda (ap.)

!Que presto vino! ?Que un hombre tal, con cuidado me tenga?

Es folgt ein Abschnitt des "gracioso" mit den gewöhnlichen Allgemeinplätzen und den unerläßlichen Witzen. Lisarda bemerkt für sich:

Celio (ap.)

Lisarda (ap.)

?Que tan frias necedades, que frialdades tan necias como estas, a una mujer como yo, cuidado cuestan? ¡Castigo del cielo ha sido! Mucho la vista pasea por mi estatura, sin duda que los palos me tantea, quizäs porque los esclavos los den por razon y cuenta. (En esto el remedio hallo, que no hay cosa que aborrezca 213

Celio

más que a este hombre, si le miro. Mas disimular es fuerza, si asi tengo de sanar.) ?No os dije yo que no os viera aquí otra vez? Si, señora. De lo dicho se me acuerda; pero como son esclavos los que han de hacer la faena, huyendo al cuerpo de guardia de mis costillas su lena no me dio mucho cuidado; que no hay ninguno que sea más vuestro esclavo que yo; y siendo su esclavo, es fuerzy que como a prójimo suyo, ni me toquen ni me ofendan.

Diese Worte werden von Lisarda falsch verstanden, die in ihnen eine Anspielung auf ein vergangenes Ereignis sieht, dessen Hauptperson Octavio war, und schon versucht sie, in Celio irgendwelche adligen Züge zu erkennen. Lisarda (ap.)

Celio Lisarda (ap.) Celio (ap.)

Donaire de la amenaza hace; claramente muestra el valor con que le he visto alguna noche a mi puerta al lado de su señor, sobre espadas y rodelas desembarazar la calle, para quedar solo en ella !Es valiente! Mas, ?qué importa, si es quien es? Diome otra vuelta Yo pienso que me retrata, según me mira de atenta. !Qué mal talle! ?Pues la cara? !Qué fealdad! Haré una apuesta que está diciendo entre sí: 23 "Qué generosa presencia!"

All dies hat zur Folge, daß Celio fest daran glaubt, Lisarda sei heftig verliebt in ihn, und er beginnt, nachts in den Kleidern seines Herrn durch ihre Straße zu schlendern. Die Situation ist wegen der UnWahrscheinlichkeiten komisch, vor allem für den Zuschauer des 17. Jahrhunderts mit seinem strengen Klassenbewußtsein. Daß es so aussieht, als fühle sich 214

eine Dame von einem Diener angezogen, daß sie sich dem häßlichen und törichten Diener zeigt, der vor der Dame herumscharwenzelt, während sie darüber nachgrübelt, wie sie so hat empfinden können, war etwas, das allgemeine Heiterkeit hervorrufen konnte. Bei Calderón geschieht es auch, daß die Persönlichkeit von zwei Seiten vertauscht wird, im gegenseitigen Einverständnis zweier Freunde. Ein Stück, dessen Handlung sich um dieses Motiv dreht, ist "Dicha y desdicha del nombre". Félix bietet seinem Freund, der in dieser Nacht das erste Stelldichein mit seiner Dame hat, um ihm gefällig zu sein, an, sich für ihn auszugeben und nach Mailand zu gehen, um einen Brief zu übergeben, und es auf diese Weise seinem Freund César zu ermöglichen, in Padua zu bleiben. Er kommt in Mailand an, bewahrt eine unbekannte Dame davor, von einem bösen Caballero entführt zu werden, muß sich vorzeitig beim Prinzen einfinden und begibt sich als Gast in das Haus eines alten Freundes von Césars Vater, der wiederum der Vater der geretteten Dame ist. Eine der spaßigsten Szenen des Stückes ist, als der Vater Lidoro, in dem Glauben, er sei César, ihn sehr liebenswürdig nach seiner Familie fragt. Der Diener Tristan trägt mit seinen Bemerkungen dazu bei, die Szene noch witziger zu machen: Lidoro

Tristán (ap.) Félix

Lidoro (ap.) Tristan (ap.) Félix Tristán (ap.) Félix Lidoro Félix

!0h lo que un viejo se huelga cuando de sus mocedades el pasado siglo acuerda! ?Qué se hizo vuestro tío? Aquí es adonde le pesca ?Por cual preguntáis? (ap.) ?Qué haré? que aunque amigo soy de César, a un amigo no le toca saber estas menudencias.) Don Alejandro Farnesio Dios ponga tiento en tu lengua También murió ... Eso es echar por el atajo ... en la guerra Pues, fué a la guerra Alejandro? A qué propósito? ?No era letrado en Parma? Al Piamonte 215

Tristan (ap.)

pasó auditor Bien lo enmienda

Zum Schluß wenden wir uns dem, was ich weiter oben als Aneignung der Funktionen anderer Personen bezeichnet habe, zu. Hier wird nicht ein Name angenommen, sondern die Funktion einer bestimmten Person, von der man in den meisten Fällen den Namen nicht kennt. Dies gibt Anlaß zu zahlreichen Verwechslungen, bei denen z. B. eine Dame von ihrem Geliebten für die Dame des Freundes gehalten wird, oder umgekehrt, bei denen ein Caballero einen anderen fälschlich für seinen Feind hält. Diese Personen spielen ihre Rolle, ohne es zu wissen, und kennen auch die Vermutungen nicht, die die anderen in bezug auf ihre Persönlichkeit haben. Aber die Ereignisse verstricken sich immer derart, daß der Schein sie immer mit den Funktionen des anderen erscheinen läßt. Betrachten wir diese Erscheinung jetzt in ihrem ganzen Ausmaß, so müssen wir sagen, daß die Verwechslung von Persönlichkeiten in vielen Fällen zur Ermüdung führt, wenn man eine Komödie nach der anderen liest. Calderón wiederholt sich hierbei sehr häufig. Wir haben bereits gesehen, daß die komische Wirkung von den Reaktionen der anderen Personen abhängt, die sich vom Betrug lenken lassen, bewußt oder unbewußt von denen, die vorgeben, eine andere Persönlichkeit zu sein, und diese Reaktionen sind, wenn wir ehrlich sein wollen, nicht allzu häufig. Selbstverständlich muß man aber auch anerkennen, daß die Fälle, in denen dies geschieht, Beispiele von gelungener Komik sind, deren Wirkung anhält und nicht mit der Zeit verblaßt, weil sie sich andererseits auf bewährte Rezepte für sicheren Erfolg gründen.

5. Die Dame in Verlegenheit und Bedrängnis Der Verhaltenskodex der calderonianischen Personen war sogar noch strenger als der der Gesellschaft der damaligen Zeit. Der Klassenhierarchie unterworfen, hatte er den Schutz der Ehre 216

zur Grundlage, der für die Oberschicht typisch war, weil er sie von den anderen Klassen unterschied und über sie hinaushob. Der Schelm, der einfache Mann, der Bauer, sie alle hatten keine Ehre, und infolgedessen brauchten sie den Gesetzen, die sie vorschrieben, nicht zu folgen. Daß Pedro Crespo an diese Rechte appelliert und sie als die seinigen betrachtet, ist trotzdem bloß eine avantgardistische Position, die von den übrigen Personen des Stücks mit Erstaunen zur Kenntnis genommen wird (die kein Verständnis für eine solche Haltung bei einem Bauern zeigten). Natürlich kann man Pedro Crespos Auffassung (wie schon in einem vorhergehenden Kapitel erwähnt) damit erklären, daß er sich in gewisser Weise als einer Art von Adel angehörig fühlte: des "castellano viejo", von reinem Blut, unbefleckt von einer anderen "niedrigen" Rasse - für die die maurische oder jüdische gehalten wurde. Darum zögert er nicht, dem Capitän Alvaro de Ataide die Hand seiner Tochter anzubieten. Aber kehren wir zu den Ehrengesetzen der ritterlichen Welt zurück. Sie sahen vor, daß es, um die Ehre eines Mannes zu wahren, notwendig war, daß die seinem Schutz unterstellten Frauen (Schwestern, Ehefrauen, Töchter) ein makelloses Benehmen zeigten. Bei den ledigen Frauen äußerte sich dies darin, daß sie jeder Gelegenheit ferngehalten wurden, die dazu führen könnte, sie auch nur die geringste Liebesneigung zu einem Mann spüren zu lassen. Es war wünschenswert, daß die Dame nicht die geringste Gemütsbewegung zeigte, wenn ihr ihr zukünftiger Gemahl vorgestellt wurde, höchstens die Freude, dem väterlichen Willen zu gehorchen. So ergibt sich der für den modernen Menschen unbegreifliche Fall, daß ein Mann, der eine Frau umwirbt und ihr in Herkunft und sozialer Stellung ebenbürtig ist und dessen Gefühle von ihr gleichermaßen erwidert werden, nicht bei ihrem Vater um ihre Hand anhalten kann, weil er fürchten muß, daß der Alte - wenn auch nur die leiseste - Ahnung von ihrer gegenseitigen Zuneigung haben und dadurch glauben könnte, seine Tochter und der Galan hätten einen leichtfertigen Charakter. "Die frühere "Dame" eines Galans hält wenig von seiner Ehre und wird nie eine sittsame Gattin sein." Dies scheint das 217

Motto zu sein, und nicht nur das der Väter. Die Galane selbst reagieren genauso. Antonio antwortet in "Antes que todo es mi dama", als er sich von Laura, die er umwarb, die aber einen anderen liebt, verschmäht sieht, auf ihre Schmähungen nicht ohne Anmaßung:

sino que os aviso s6lo de esta esperanza que tengo, porque me trateis con mas rigores, pues todos ellos serän honras de un marido si son de un galän desprecios.

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Aus all diesen Gründen kann auch der Fall eintreten, wie er sich in "No hay burlas con el amor" ergibt, wo der Galan es nicht wagt, um die Hand seiner Geliebten anzuhalten, und das nicht etwa, weil er fürchtet, der Vater würde nicht zustimmen, sondern weil er weiß, daß dieser zwei Töchter hat, und da er nicht sagen darf, welche er liebt, ohne ihre Ehre aufs Spiel zu setzen, ist es sehr gut möglich, daß man ihm die ältere aufhalst, und er nicht einmal einen Mucks sagen darf. Diese widernatürlichen Gesetze konnten nicht in all ihrer Strenge in die Praxis umgesetzt werden; es ist daher völlig klar, daß die Frauen versuchten, das Joch, das sie unterdrückte, abzuschütteln und auf eigene Faust das Glück zu suchen, da sie der Wahl des Vaters nicht allzu viel Vertrauen entgegenbrachten. Die calderonianischen Komödien sind von der auflehnenden Haltung der Damen durchdrungen, die den Mann, der ihr Gatte werden sollte, frei wählen wollten. Damit gerieten sie in Widerspruch zu den gesellschaftlichen Normen, die in der Figur des Vaters oder Bruders repräsentiert und personifiziert werden; sie gerieten also in Widerspruch zur Autorität. In diesem ungleichen Kampf der Dame gegen die Autorität hat die letztere all unsere Sympathien, wie sie - auf anderem Gebiet - der Gauner hat, der sich mit der Justiz herumschlägt (wobei das Wort Justiz hier im Sinne des 17. Jahrhunderts aufzufassen ist, d. h. es sind die Mitglieder der Institution ge218

meint, die zum Ziel hatte, Ruhe und Ordnung zu bewahren und die Befolgung der Gesetze zu beobachten). Natürlich ist die Dame, wenn man ihre Ziele - die von der Natur, nicht durch Gesetz gegeben sind - berücksichtigt, dem Lazarillo näher als dem Guzmän de Alfarache. Es ist der Kampf des Kleinen gegen den Großen, der Kampf Davids gegen Goliath, ein sehr alter Streit, der den Zuschauer seit jeher interessiert und amüsiert. Besonders die Prahlerei des Großen trägt noch dazu bei, den Sieg des Kleinen umso spaßiger zu machen. Bei Calder&n ergibt sich die komische Wirkung, weil die Autorität in diesem Fall für eine Welt steht, die in den Augen des Zuschauers festgefügt, unbeugsam und streng erscheint, die im Gegensatz zur Beweglichkeit, Schlauheit und Lebhaftigkeit dessen steht, der versucht, sich mit ihr zu konfrontieren. Diese unnatürliche und manchmal unmenschliche Haltung der Väter hat zur Folge, daß die Sympathien auf Seiten der Töchter sind. Vom praktischen Gesichtspunkt aus, von der Theatertechnik her, verdichtet sich die Komik in den Szenen, in denen die Tochter in Konflikt mit der Autorität gerät und - bei Calderon - im Begriff ist, mit ihr in Konflikt zu geraten. Denn hier muß der Einwand gemacht werden, daß die Bedrängnisse der Damen, auf die ich in der Uberschrift dieses Kapitels hingewiesen habe, nichts anderes sind als deren Bemühungen, den offenen Konflikt mit ihrem Vormund zu vermeiden. Der Kampf, den die Dame führt, ist heimtückisch und setzt voraus, daß der Gegner keine Ahnung davon hat, was man ihm antut. Die calderonianische Dame widersetzt sich niemals offen der väterlichen Autorität, und wenn es doch geschieht, wird sie durch die Umstände dazu gezwungen, und das einzige Mittel zu ihrer Rettung ist die Flucht. Die Flucht an sich ist nicht komisch. Komisch sind nur die Versuche, der Situation zu entkommen, indem die Autorität hintergangen wird und die Dame in einer moralisch unantastbaren Position verbleibt. Aber bevor es zum äußersten Fall, der Flucht, kömmt, gibt es viele Situationen, in denen die Dame alle Geistesanstrengungen unternehmen muß, damit der Vater nicht merkt, was vor sich geht, und sie 219

das Spiel wie bisher weiterspielen kann. Die unangenehmen Lagen, in die die Dame gelangen kann, um nicht von ihrem Vater oder Bruder überrascht zu werden, können bei der calderonianischen Komödie sehr vereinfacht werden. Diese bietet trotz ihrer Vielfalt nur eine bestimmte Anzahl von Möglichkeiten, die sich von einer Komödie zur anderen wiederholen, da die Vorbedingungen ähnlich sind. Die Dame kann Überrascht werden: 1. in ihrem eigenen Haus. Hier kann es geschehen a) daß der Vater oder der Bruder etwas von ihren Beziehungen erfahren hat, b) daß ein versteckter Liebhaber da ist und der Vater hinzukommt (der häufigste Fall) 2. außerhalb ihres Hauses. Entweder a) läuft die Dame Gefahr, von ihrem Bruder erkannt zu werden, wenn sie sich verschleiert auf der Straße aufhält, oder b) die Dame befindet sich im Hause ihres Liebhabers und ihr Vater oder Bruder kommen hinzu. Aus diesem einfachen Schema entstehen alle Szenen, einige mehr, andere weniger amüsant, in denen die Dame versuchen muß, vor dem väterlichen oder brüderlichen Zorn zu fliehen, die sie (in einigen Fällen unter Gefahr für ihr Leben) all ihre Autorität spüren lassen. Wie reagiert die Dame angesichts einer gefährlichen Situation? Selbstverständlich immer mit Verstellung, Erfindung, Vortäuschung, im äußersten Fall mit der Flucht. Niemals mit der Wahrheit. Nur bei einer Gelegenheit gibt es eine Dame, die sich traut, die Wahrheit zu sagen (in anderen Stücken sind einige Damen drauf und dran, werden aber immer durch einen anderen glücklichen Zufall unterbrochen, der sie von ihrem Vorsatz abbringt). Diese Dame treffen wir in "Antes que todo es mi dama". Die Tochter, die sich vor der Situation sieht, einen ver220

steckten Liebhaber in ihrem Hause zu haben, pfeift auf alles, wie man so schön sagt, und, anstatt sich den Kopf mit Ausflüchten und Entschuldigungen zu zerbrechen, entscheidet sie sich, die ganze Wahrheit zu gestehen, geschähe, was da wolle: Señor, tú mismo me has dicho cuan ilustre caballero, cuan galán, cuan entendido es don Félix de Toledo: tercerías son que deben desenojarte más presto. El es mi esposo, señor, y él está en este aposento; ahora dame la muerte, que habiendo dicho primero que es mi esposo, moriré contenta, pues por lo menos curo la facilidad, llegándote en tanto aprieto antes la satisfacción que no la ofensa, el remedio que no el dolor, la paz que el susto, la triaca que el veneno. Inigo, Lauras Vater, ist bei alledem erleichtert und betrachtet es als göttliche Vorsehung, daß seine Tochter don Félix und keinen anderen erwählt hat. Die Aussicht, ihn zum Schwiegersohn zu bekommen, ist ihm keineswegs unangenehm. Lauras Freude ist unbeschreiblich, als das Geschehen einen so glücklichen Ausgang für sie nimmt. Alles stürzt jedoch zusammen, als sie sieht, daß aus dem anliegenden Gemach nicht, wie sie erwartet, Félix herauskommt, den sie vor einigen Augenblicken erst verließ, sondern ein ihr völlig unbekannter Mann. Laura sieht sich schon dem Tod durch die Hand ihres Vaters ausgeliefert, weil dieser Mann nicht don Félix ist. Doch der Vater zeigt sich keineswegs überrascht und fordert Lisardo (Félix Freund, den Inigo mit ihm verwechselt) freundlich auf, sofort seine Tochter zu heiraten. Wir haben es bereits gesehen. Wenn die Dame schon einmal versucht, ehrlich zu handeln, sieht sie sich plötzlich mit einem unbekannten Mann verheiratet und also einem noch größeren Übel ausgeliefert. Dies ist die von Calderón gezeigte Tendenz (wie 221

schon im vorigen Kapitel angedeutet), nach der schließlich diejenigen Personen verspottet werden, die ausnahmsweise logisch handeln und eine aufrichtige Haltung einnehmen. Es hat den Anschein, als wolle er uns ein sichtbares Beispiel von den Vorteilen der Verstellung und des Betruges geben. Aber gewöhnlich reagiert die Dame nicht auf diese Weise, wenn sie sich in einer schwierigen Lage befindet. Wenn der Liebhaber in einem Zimmer versteckt ist und der Vater aus irgendeinem Grund das Zimmer betreten will, gibt die Dienerin immer vor, daß der Schlüssel verlorengegangen sei und sie ihn suchen müsse. Das kann dreierlei Folgen haben: daß in der Zwischenzeit etwas Unerwartetes passiert, das den Vater zwingt, von seinem Vorhaben abzusehen, daß der Liebhaber Zeit hat, das Zimmer durch ein Fenster oder eine Tür zu verlassen oder daß der Galan am Ende entdeckt wird und der Dame nichts anderes übrig bleibt, als zu flüchten. Wenn der Vater oder Bruder den Galan antreffen, während er im Zimmer mit der Dame spricht, kann es eine originelle Lösung geben, wie z. B. in "El maestro de danzar", wo sich der Caballero in einen Tanzlehrer verwandelt; aber normalerweise werden immer dieselben Entschuldigungen angeführt: es ist ein Caballero, der sich vorgestellt hat, um mit dem Hausherrn über eine Angelegenheit zu sprechen, oder ein befreundeter Caballero, der vorgibt, seine Schwester, die dort zu Besuch ist, abholen zu wollen. Bei diesen letzten Fällen werden die Väter, um die Wahrheit zu sagen, recht argwöhnich; obwohl sie vorgeben, die Erklärungen anzunehmen, glauben sie nicht daran, sondern sind wachsam und warten auf eine günstigere Gelegenheit, um diesen Ehrenproblemen nachzugehen. Immerhin kann die Entschuldigung, die die Dame vorbringt, wenn sie im Gespräch mit ihrem Liebhaber ertappt wird, sehr spaßige Züge aufweisen. In "Dar tiempo al tiempo" entdeckt don Luis don Juan, einen ihm bekannten Caballero, als dieser mit seiner Tochter in seinem Haus um ein Billet streitet. Er ist entrüstet, schöpft Verdacht und will alles wissen, indem er die Nachricht liest. Um aus dieser heiklen Lage herauszukommen, gibt Leonor vor, daß dieser Caballero der Liebhaber ihrer 222

Freundin Beatriz sei, die Gast in ihrem Hause war. Sie rechtfertigt ihren Streit mit dem Galan mit der Begründung, daß sie sich aus Sittsamkeit geweigert habe, sich in die Angelegenheiten dieser beiden Liebenden einzumischen. Der Vater ist vollauf befriedigt und verlangt, daß don Juan Beatriz so schnell wie möglich heiratet. Laura und Juan können nichts anderes tun, als dieses Spiel mitzumachen; ihr einziges Bemühen ist es zu versuchen, die Sache in die Länge zu ziehen. Angesichts dieser Situation ruft Laura mit einigem Humor aus: ?Quien creerä que yo a mi amante __ le träte otro casamiento? Diese Lösung, die in dem Stück sehr geistvoll und geschickt durchgeführt wird, findet auch noch in einigen anderen Komödien Verwendung. Auch die Situation des Liebhabers, der in einem Gemach versteckt ist, kann Anlaß zu sehr amüsanten Szenen geben, vor allem, wenn die Spannung des Publikums wächst, während es die Versuche des Vaters oder Bruders mit ansieht, in das Zimmer zu gelangen, und die verzweifelten Bemühungen der Töchter, dies zu verhindern. Dies geschieht z. B. in "Mejor estä que estaba". Flora hat verschleiert das Haus verlassen, um mit einer Freundin den "Fiestas" beizuwohnen. Diese Freundin trifft sich mit ihrem Galan, der Freund des Galans stellt sich als Vetter Floras heraus, der ihr den Hof machen will, ohne sie zu erkennen. Um dies zu verhindern, versucht sie zu fliehen, und da der Vetter sie verfolgt, bittet sie einen fremden Caballero um Hilfe. Dieser gerät dabei mit dem Vetter in Streit und tötet ihn. Die Justiz verfolgt den Mörder, da der Tote der Neffe des "Potestad" von Wien, Floras Vater, ist. Der verfolgte Caballero flüchtet sich ausgerechnet in Floras Haus, und sie versteckt ihn. Die Schwierigkeiten beginnen, als sie ihn loswerden will. Als sie ihn herauslassen will, erscheint der Vater. Der Caballero, im anliegenden Gemach versteckt, wartet auf eine Gelegenheit zur Flucht. Der Vater will nun ausgerechnet in dem und keinem anderen Zimmer einen Brief schreiben. Flora gibt vor, sie habe den Schlüssel verloren. Don Cesar geht in sein Schlafzimmer, weil er sich erinnert, 223

daß er dort den Hauptschlüssel verwahrt. Während er fort ist, will Flora den Versteckten herauslassen, aber in diesem Augenblick kommt ein Freund ihres Vaters¿ Sie verschließt die Tür wieder und sucht eine andere Lösung. Sie bittet den Freund, er möge ihren Vater unter irgendeinem Vorwand mit hinausnehmen, damit er nicht einem Boten begegne, der ihm eine schlechte Nachricht überbringt. Das tut der Freund. Er und der Vater gehen fort. Wieder versucht Flora, den Mann aus ihrem Haus zu schaffen, aber ein neues Hindernis stellt sich ihr in den Weg: die Straße ist voller Menschen, die auf den "Potestad" warten, und der Verfolgte kann das Haus nicht verlassen, ohne gesehen zu werden. Flora muß bemerken: Ello está de Dios que este hombre en mi aposento se quede, y aun en él no está seguro, -o si a escribir mi padre vuelve. Aber die Schwierigkeiten, denen eine Dame zu begegnen hat, selbst wenn sich kein Mann in ihrem Haus befindet, können auch Anlaß zur Erheiterung sein, z. B. wenn sie von ihrem Vater entdeckt wird, bevor sie einen "Abstecher" unternehmen will oder nachdem sie einen unternommen hat. Im gleichen Stück "Mejor está que estaba" passiert es Flora, als sie sich mit dem "manto" verschleiert, um einen Caballero zu besuchen, der sich in einem benachbarten Turm aufhält, daß ihr Vater sie erwischt und sich wundert, sie mit bedecktem Gesicht zu sehen: César Flora César Flora César

Flora, ?qué es esto? A estas horas ?dónde vas? Yo no voy fuera Pues ?de dónde vienes? Yo de ninguna parte Pues, ?qué haces aqui con manto?

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Wenn die Dame sich außerhalb ihres Hauses überrascht sieht, nimmt sie immer die Hilfe eines Caballeros in Anspruch (sei es ihr eigener Galan oder ein anderer), der ihr in diesem kriti224

sehen Augenblick hilft. Die Möglichkeiten, die die Dame in den calderonianisehen Komödien zum Handeln hat, sind, wie wir gesehen haben, im allgemeinen sehr begrenzt und können in einigen Zeilen zusammengefaßt werden. Außerdem wiederholen sie sich in den einzelnen Stücken. Den Trick mit dem verlorenen Schlüssel finden wir sehr häufig. Die verschleierte Dame, die auf der Straße von ihrem Bruder oder Vetter hofiert wird, auch. Relativ selten sind originelle Lösungen, wie die in "El Maestro de danzar" (ein Motiv übrigens, das Calderón dem Stück Lope de Vegas mit dem gleichen Titel entlehnte), oder die des angeblichen Astrologen, wo der Vater mit der Geschichte betrogen wird, daß don Diego, anstatt mit Marie über Liebesangelegenheiten zu reden, mit ihr ein astrologisches Problem behandelt. Aber hier stammt die Idee nicht von der Dame, sondern vom Diener don Diegos. Läßt man beiseite, daß einige Szenen im komischen Sinne besser gestaltet sind als andere, so haben wir folgende Ausgangssituation: die Tochter, im Begriff, vom Vater in ihren Liebesangelegenheiten überrascht zu werden - eine Situation, die im Zuschauer schon eine gewisse Spannung schafft und die an sich schon amüsant ist, und zwar wegen der enormen Strenge des Moralkodexes, den wir zu Beginn dieses Kapitels erwähnten. In einer Gesellschaft mit flexibleren Normen ergäbe sich diese Spannung, dieser Kampf nicht, am Ende wäre der "Starke", die Autorität (in diesem Fall der Vater) nicht durch die Schläue des Schwächeren betrogen.

6. Die schwierigen Lagen des Galans Wir berichteten soeben von den bedrängten Situationen, in die eine Dame geraten kann£ um zu vermeiden, daß ihre Liebesbeziehungen dem Vater bekanntwerden. Dabei wurden ebenfalls - wenn auch nicht ausdrücklich - die Schwierigkeiten des Galans behandelt, denn er hat ebenfalls Interesse daran, der Autorität seines potentiellen Schwiegervaters zu entgehen. Für den Lieb225

haber ergeben sich natürlich weniger Gelegenheiten, vom Vater seiner Dame entdeckt zu werden, als für die Dame selbst. Er muß sich einzig und allein davor hüten, vom Alten im Haus angetroffen zu werden, und sich womöglich auch nicht in der unmittelbaren Umgebung sehen zu lassen, da es den Vätern oder Brüdern der Komödien nicht besonders gefiel, Galane in der Nähe ihrer Häuser herumlungern zu sehen. Die Ausgangssituation: ein Edelmann, versteckt in einem Zimmer oder an einem anderen Ort, ist von Natur aus komisch. Es besteht eine Diskrepanz zwischen der von einem Edelmann zu wahrenden Würde und der demütigenden Tatsache, in einem Winkel versteckt auszuharren und zu warten, daß die Gefahr vorübergeht. Je größer das Demütigende des Verstecks ist, desto größer der Kontrast zwischen der vom Ideal vorgeschriebenen ritterlichen Würde und der tatsächlichen Situation. Diese Demütigung eines Individuums aus einer höheren Schicht wird von denen umso stärker verspürt, die einer niedrigeren Schicht angehören, und die so in aller Bequemlichkeit den Fall der Personen genießen können, die sie zu respektieren und zu achten gewohnt sind. Aber bei Calderón ist diese latente Demütigung sehr versteckt. In seinen Komödien geht sie nicht so weit wie bei Shakespeare, der einen Adligen in einem Korb mit schmutziger Wäsche verstecken läßt. Auch muß gesagt werden, daß die Liebhaber, wenn die delikate Situation - das unvermeidliche Erscheinen des Vaters - naht, offen dagegen protestieren, etwas tun zu müssen, das gegen ihre adlige Natur und Würde geht. Und die Proteste sind noch lauter, wenn der, der kommt, nicht der Vater, sondern jemand anderes ist. Nur durch die vehementen Bitten der Dame, die Rücksicht auf ihre Ehre und die Gefahr, die für ihr Leben besteht, lassen sie sich überreden, sich zu verstecken. Es liegt auch nichts übertrieben Demütigendes in diesen Verstecken: Die Galane beschränken sich darauf, sich in einem anliegenden Gemach einzuschließen, und damit genug. Nur einige wenige Male macht Calderón in dieser Beziehung eine Ausnahme und intensiviert so das Lächerliche an der Situation des Ver226

steckens. Eine solche Ausnahme haben wir in "No hay burlas con el amor", wo don Alonso, der überhaupt keine Liebschaft mit der Dame unterhält, gezwungen wird, sich mit seinem Diener in einem Wandschrank einzuschließen: lLindo bücaro del Dugue, o de la Maya sere! ?Yo en alacena de vidrios? IVive Dios!

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Seine Wut ist umso spaßiger, als sie ihm nichts nützt, denn am Ende begibt er sich doch in das Versteck. Und nicht nur das: etwas später, als der Vater schon im Hause ist, zerbricht er die Gläser im Schrank und verursacht solchen Lärm, daß Ines, die Dienerin, einen Kandelaber fallen lassen muß, um den Krach zu kaschieren. Die Situation ist typisch für die Komödie aller Zeiten, aber deshalb nicht weniger spaßig. In einem anderen Stück, "Peor estä que estaba", springt der Gobernador, der im Haus ein Geräusch hört und schon Gefahr für seine Ehre wittert, voller Argwohn aus dem Bett. Zugleich erhebt sich auch sein zukünftiger Schwiegersohn und schickt sich an, ihm bei seiner Suche zu helfen. Dieser findet den gesuchten Galan, zusammengekauert in einer Sänfte. Aber, wie schon gesagt, nicht immer setzen die calderonianischen Caballeros ihre Würde einer Gefahr aus, indem sie sich mehr oder weniger lächerliche Verstecke suchen. Calder6n neigt dazu, alles zu vermeiden, was der würdigen Haltung seiner Figuren Schaden zufügen könnte, auch wenn er dabei auf sichere komische Effekte verzichten muß. Deshalb macht er bei der Versteck-Situation, die sich so sehr für die Komik eignet, nur sehr vage Ansätze. Der Zufall z. B. kann dem Caballero einen schlechten Streich spielen, und somit zu einer für den Zuschauer amüsanten Situation führen. Im vorigen Kapitel wurde von der Komödie "Antes que todo es mi dama" gesprochen und auf eine Situation bezug genommen, in der eine Tochter zum ersten Mal die ganze Wahrheit sagt und gesteht, daß sich im Zimmer nebenan ihr Liebha227

ber aufhält. Sehen wir jetzt die Situation vom Gesichtspunkt des Caballero aus. Lisardo spricht gerade mit seiner Dame, als deren Bruder kommt. Der Galan muß verschwinden. Durch ein Fenster gelangt er in den Garten von Claras Nachbarin, Laura, und begibt sich in das gleiche Gemach, in dem sich Minuten vorher Félix, Lauras Liebhaber, aufgehalten hat. Als diese, hocherfreut darüber, daß ihr Vater ihre Wahl akzeptiert hat, die Tür öffnet, sieht sich Lisardo einem beleidigten Vater gegenüber, der ihn sofort mit seiner Tochter verheiraten will, einer Dame, die nicht die Seine ist und die er nicht einmal kennt. Eine gewisse Konzession an die Komik macht Calderón, als er in ein Gemach, in dem ein Liebhaber eingeschlossen ist, einen anderen eintreten läßt - den der erste als Rivale betrachtet und so beide, rasend vor Eifersucht, eingeschlossen warten läßt, daß die Gefahr für die Dame vorübergeht und der Vater verschwindet. Auch die Situation hat komische Seiten, in der ein Galan, im anliegenden Zimmer versteckt, einen anderen Galan kommen sieht, der seine Dame hofiert, und dessen Komplimente ertragen muß. Der Stolz der Caballeros leidet bei solchen Gelegenheiten ziemlich. Manchmal müssen sie die ganze Zeit schweigend ausharren und können ihre Wut erst auslassen, wenn der Eindringling gegangen ist? dann muß die Dame die Folgen ertragen, und obwohl diese sich damit entschuldigt, daß sie zum Hofieren keinen Anlaß gegeben habe, ist der Caballero nicht zufrieden. Bei anderen Gelegenheiten kann der Galan die Komplimente nicht mehr mitanhören, kommt mit gezogenem Degen aus dem Zimmer und will mit dem anderen kämpfen, der seinerseits nun erstaunt und beleidigt ist, daß plötzlich aus dem Zimmer der Dame, die bisher soviel Sprödigkeit und Hochmut an den Tag legte, ein Mann herauskommt. Aber obwohl wir gesagt haben, daß der Caballero in höchster Gefahr schwebt, wenn er im Hause seiner Angebeteten überrascht wird, bedeutet dies noch nicht, daß er nicht auch außerhalb des Hauses fürchtet, mit dem, der sein Schwiegervater werden könnte, in Schwierigkeiten zu geraten. Vielleicht vermeiden es die Caballeros deshalb, dem Bruder oder 228

Vater ihrer Dame zu begegnen. !Qué cobarde un noble ha sido cuando se mira culpado! sagt Pedro in "Dar tiempo al tiempo", als er, nachdem er in der vergangenen Nacht einen Streit gehabt hat und nicht weiß, was aus seiner'Dame geworden ist, deren Bruder trifft. Voller Argwohn näher er sich ihm und erklärt: .... porque temo que en mi cara leyendo su ofensa está. Allerdings hat dieser gleiche Bruder, vor dem Pedro Angst hat, neben seinen Ehrproblemen auch noch andere, nämlich Liebesprobleme, und muß selbst vor dem Vater seiner Dame Angst haben, wie Pedro vor ihm. So entsteht, als er den alten don Luis in seinem Haus auftauchen sieht und dieser zu sprechen beginnt, eine typische Verwechslungssituation, wie sie im Theater Calderons so häufig ist. Der Vater fängt an, sich mit Diego zu unterhalten, und der Galan glaubt, er spricht von seinen Liebesbeziehungen zu seiner Tochter: Materias, señor don Diego, del honor, en quien profesa sustentarlas como noble, son tan sagradas materias, que no se tratan sin que hayan de costar por fuerza o vergüenza en quien las oye, o en quien las dice vergüenza; pero cuando este respeto que se les pierde al moverlas, es por hombre de mis canas, de mi sangre y de mis prendas, parece que encomendada llevan no sé qué licencia que hace tratable el horror, si no apacible la ofensa. Esto viene a parar todo .... Diego, der bei dieser langen Vorrede schon auf das schlimmste gefaßt ist und sich über seine Liebesangelegenheiten Rechenschaft ablegen sieht, seufzt vor sich hin:

¡Pluguiera a Dios, no supiera yo en lo que viene a parar! Aber er irrt sich. Der Vater seiner Geliebten will Probleme der Ehre behandeln, aber nicht seine, die des Alten-, sondern die seines Gesprächspartners, und er will damit don Diego sagen, daß er seine Schwester im Hause habe, die vergangene Nacht aus dem Haus ihres Bruders geflohen ist, und daß er sich bemühe, die Ehe mit ihrem Galan auszuhandeln. Diese Situation, in der sich in einer Person der beschuldigte Galan und der beleidigte Vormund vereinen, ist nicht einmalig in Calderóns Stücken. Die ledigen Brüder, die für ihre Damen jegliche Entschuldigung finden, verwandeln sich in dem Augenblick in die wildesten und strengsten Hüter der Ehre, wenn sie bei ihrer Schwester einen Fehler argwöhnen. Diese komische Diskrepanz wird sehr gut in den Worten don Diegos zusammengefaßt, als er in der eben zitierten Szene den Vater seiner Dame bei sich zu Haus erscheinen sieht: Sin duda me conoció anoche. Lo más que yo he menester ahora aqui, es que otro, de un ofendido, celos de su honor me pida, cuando los tiene mi vida de otro a quien yo nos lo pido. Damit will ich so weit gehen zu sagen, daß die Situation des Galans, der vor dem Vater seiner Dame flüchten will, noch komischer ist, wenn dieser Galan seinerseits auf der Suche nach dem, der ihn beleidigt hat, ist, denn wenn es ihm gelingt, dem Vater auszuweichen oder ihn zu betrügen, sieht der Zuschauer doch, daß man auch ihm entwischt und er vom Galan seiner Schwester betrogen wird. Die Komik dieser Situationen basiert auf dem ewigen und uralten Fall des "betrogenen Betrügers" oder des "bestohlenen Diebes" und hat die Eigenschaft, solchen Situationen doppelt komische Kraft zu verleihen. 230

Schließen wir damit, daß die schwierigen Situationen für den Caballero, obwohl sie zuweilen gute komische Seiten zeigen, in dieser Hinsicht nicht mit denen der Dame verglichen werden können: Erstens, weil diese aufgrund ihrer familiären Situation, die auf Unterwerfung unter die Autorität beruht, viel eher Gefahr läuft, mit ihr in Konflikt zu geraten. Zweitens, weil die Würde, die Calderón seine Galane selbst in den heikelsten Augenblicken wahren läßt, die komische Wirkung, die viele Szenen haben könnten, abschwächt. Die Furcht, der Galan könne völlig ins Lächerliche abgleiten, ist ein Hindernis für die Ausnutzung einer Situation, die latente Komik beinhaltet. Die Deutle kann sich verstecken, fortgehen, fliehen, die unwahrscheinlichsten Entschuldigungen vorbringen, sich in den heikelsten Situationen befinden und vor allem Furcht zeigen. Gerade diese enorme Furcht vor der väterlichen und später die dank ihres Geistes oder den günstigen Umständen - glückliche Lösung machen für den Zuschauer den Reiz der Situation aus. Aber die Dame darf sich leisten, feige zu sein, Angst zu haben und es zuzugeben, weil ihr guter Ruf als Dame dadurch nicht im mindesten beeinträchtigt wird. Die Tatsache, daß sie eine Frau ist, entschuldigt sogar ihre Feigheit. Sie ist ein Attribut ihrer Weiblichkeit und kein Grund zur Schande. Nicht so beim Caballero, für den Schwäche oder Feigheit ein Vergehen gegen seinen Adel bedeuten. Der Kleine, der Schwache, der Ängstliche ist von jeher die ideale Person für die Komödie. Der Tapfere, der Kühne, der Mächtige kann zwar seinen Humor in verbaler Form zeigen, aber für die Situationskomik ist er wenig geeignet. (Erinnern wir uns an die Stummfilme, die für die Filmgeschichte klassisch sind, erinnern wir uns an Chaplin, an Buster Keaton etc.) Auf die Komödien bezogen bedeutet dies, daß der Caballero aufgrund der Konzeption der Personen auf dem Gebiet der Situationskomik in den Szenen, in denen er einer Gefahr ausweichen muß, nicht so viele Möglichkeiten für die Komik bietet wie die Dame. 231

7. Die Reaktion des Vaters Als wir die Charaktere der verschiedenen calderonianischen Personen analysierten, stellten wir fest, daß der Vater sehr stereotyp gezeichnet war. Wir haben auch, als wir über die bedrängten Situationen der Damen und Galane sprachen, den in den Mantel- und Degenstücken enthaltenen Konflikt, den Kampf zwischen der väterlichen Autorität und den Bemühungen, sich davon zu lösen, erwähnt. Vom Gesichtspunkt des Komischen aus ist es sehr interessant, die Reaktionen dieser Autorität zu untersuchen, wenn sie gewahr wird, daß sie verspottet wurde. Die Reaktion des Vaters in der calderonianischen Komödie kann nicht mit der Zuneigung des Zuschauers, der verstandesmäßigen Billigung seiner Haltung rechnen, weil seine Prinzipien übertrieben streng und unbeugsam erscheinen und in Mißklang zu den Naturgesetzen stehen. Deshalb verbleibt der Vater von Seiten des Dichters, der die absurde Unbeugsamkeit dieser Verhaltensnormen verurteilt, in vielen Fällen in einer etwas lächerlichen Position, die als verschleierte Verurteilung interpretiert werden kann. Aber - dies muß immer wieder betont werden diese Verurteilung erfolgt bei Calderón nicht offen. Die latente Satire, die die Art, diese Figur zu zeigen, voraussetzt, ist nicht sichtbar, wie bei den Komödien Molieres, sondern man muß sie erahnen, so versteckt ist sie in dem feinen Humor, mit dem viele Situationen dieser Art gezeigt werden. Es gibt in den Komödien zwei Hauptmomente, in denen der Vater eine wichtige Rolle spielt: wenn er mögliche Liebesbeziehungen seiner Tochter argwöhnt, und wenn er tatsächlich davon erfährt, etwas, das mitten im Stück passieren könnte, das aber immer erst am Ende geschieht. Desgleichen kann, wenn auch selten, der Fall eintreten, daß der Vater nichts erfährt von all den Liebesangelegenheiten seiner Tochter, die am Ende mit dem Mann verheiratet wird, den ihr Vater für sie bestimmt hat, und somit auf den verzichten muß, den sie wirklich liebt. Dies geschieht z. B. in "Peor está que estaba". Abgesehen von diesen Reaktionen, die etwas so persönliches wie 232

die Ehre berühren, zeigt sich der Vater anderen Situationen gegenüber relativ freundlich, vor allem wenn es sich darum handelt, anderen Caballeros bei ihren Liebesangelegenheiten, die edle Zwecke haben, zu helfen. Er ist höflich jungen Damen gegenüber, die seine Hilfe erbitten, und immer bereit, ihnen diese zu gewähren. Er erweist sich auch (und das ist in komischer Hinsicht interessant) als recht naiv, wenn es darum geht, phantastische und hergesuchte Geschichten zu glauben. So in "El astròlogo fingido" und "El maestro de danzar" , wo der Vater (im ersten Stück) die äußerst merkwürdige Geschichte von den astrologischen Fähigkeiten don Diegos glaubt, sich sogar darüber freut und weitere Einzelheiten wissen will, und im zweiten Stück die abgegebene Erklärung ganz plausibel findet und sogleich eine Probe der tänzerischen Geschicklichkeit des jungen Caballeros sehen will. Diese Naivität zeigt sich auch in seiner Meinung über die Personen, die mit ihm durch Familien- oder Freundschaftsbande verbunden sind. Eher als von Naivität könnte man hier von begrenztem Blickfeld sprechen, das ihn dazu bringt, in der befreundeten Person die außerordentlichsten Eigenschaften zu sehen. Das beste Beispiel bietet uns "Guardate del agua mansa", wo don Alonso seinen Neffen, den ungeschliffenen, bäuerischen Toribio, rufen läßt, damit er eine seiner Töchter heiratet. Sehen wir uns den Kommentar don Alonsos an, nachdem er von Toribio einen Vergleich über die Schönheit seiner beiden Kusinen und die Schwierigkeit, sich für eine von ihnen zu entscheiden, gehört hat: Toribio

Alonso

Escriben los naturales que puesto un borrico enmedio de dos piensos de cebada, se deja morir primero que haga del uno elección, por mas que los mire hambriento: y asl, enmedio de las dos, que sois mis mejores piensos, no sabiendo a cual llegue antes, me quedaré de hambre muerto !0h sencillez de mi patria, cuanto de hallarte me huelgo! 233

Die gleiche Einseitigkeit im Urteil verleitet die Väter dazu, in den Caballeros, von denen sie glauben, sie seien die Söhne ihrer Freunde, eine Fülle von Reizen und Geistesgaben zu sehen, und obwohl der Caballero von vornherein keineswegs der ist, für den der Alte ihn hält, sieht er in ihm doch das lebende Abbild seines Vaters. Aber gehen wir jetzt zu etwas Interessanterem über. Wie reagiert der calderonianische Vater gewöhnlich, wenn er von den Liebesneigungen seiner Tochter erfährt? Wir wollen die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigen, die uns die Mantel- und Degenstücke anbieten: a) Der Vater erfährt es am Schluß des Stückes, wenn der Liebhaber auch anwesend ist. Die Ereignisse haben sich so überstürzt, die Verwirrung der Personen ist noch lange nicht geklärt oder dauert noch an. Der Vater hat gerade erfahren, daß seine Tochter ihn hintergangen hat, aber er weiß - bei so vielen Anwesenden - noch nicht mit Sicherheit, wer der "Beleidiger" ist. Er fällt zuerst über die Dame her, um sie zu beschimpfen oder zu bestrafen. Ein Caballero erscheint, um sie zu beschützen, und der Vater sagt unweigerlich, daß nur der Ehemann seine Tochter verteidigen könne. Der Galan erklärt sich dazu bereit, und der Alte nimmt das Angebot ohne weiteres an. Dies ist die schnellste, aber auch am wenigsten spannende Lösung, auch die am wenigsten komische. Wir finden sie in "Casa con dos puertas, mala es de guardar", in "No hay burlas con el amor", in "Antes que todo es mi dama" und einigen anderen. b) Der Vater findet seine Tochter mit einem Galan "verheiratet" (d. h. verlobt) vor. Es wird ihm von einem Dritten, für gewöhnlich von einem Höherstehenden - Prinzen, Gobernador o.ä. - mitgeteilt, der ihm eine sehr ausgeschmückte Geschichte erzählt, um die plötzliche "Heirat" seiner Tochter zu erklären. Der Vater ist sehr argwöhnisch und bildet sich ein, daß die Sache komplizierter sei als es scheint, aber er schweigt, um den guten Ruf zu wahren. Dies gibt zu etwas amüsanteren Situationen Anlaß. Ein Beispiel haben wir in "La banda y la flor", 234

wo der Herzog Fabio mitteilt, daß er beschlossen hat, seine Tochter mit einem bestimmten Caballero zu verheiraten. Fabio bemerkt für sich: Aunque nada de esto creo, estáme bien el creer, pues desmiento las sospechas del vulgo, que ya le ve casado con hija mía. c) Der Vater resigniert angesichts der Tatsache, daß die Sache nicht mehr zu ändern ist, und ist bemüht, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Die Dinge haben ihn überrascht, und am Ende zeigt er sogar eine gewisse Zufriedenheit, das Problem der Heirat seiner Tochter - wenn auch auf ihm suspekte Weise - gelöst zu sehen. So reagiert don Diego in "Dar tiempo al tiempo", beraten von don Luis, der ihm sagt: Don Diego, aquí no más medio que hacer del pesar placer und antwortet Yo por mí digo que estoy satisfecho So verhält sich auch don Pedro, als sich seine Tochter ihm vor die Füße wirft, in der Schlußszene von "No siempre lo peor es cierto": No me digas nada; que como mi honor restaure, en albricias de esta dicha perdono tantos pesares d) Manchmal zeigt die Haltung des Vaters keine Resignation, sondern offene Freude, weil die Heirat seiner Tochter so stattfindet, wie er sie sich vorgestellt hat. Das ist der Fall in "Mejor está que estaba", Wo don César, als er erfährt, wer der zukünftige Gatte seiner Tochter sein wird, sagt: 235

Si yo casar a don Carlos con Flora siempre pensé para poder perdonarle, y esto vino a suceder, ?de qué me puedo quejar? Aber die komische Wirkung der Szene wurzelt in dem plötzlichen Stimmungsumschwung des Vaters, der einige Minuten vorher zu seiner Tochter gesagt hat: !Muerte, ingrata, te daré!

39

Dieser abrupte Stimmungswechsel in den Schlußszenen ist sehr typisch für die calderonianischen Komödien und bietet deshalb für das Publikum etwas Erheiterndes. Der Zuschauer kann den zürnenden Vater mit kriminellen Absichten und den zufriedengestellten Caballero wenige Verse später in so kurzer Zeit nicht "verdauen". e) Die Tatsache, seine Tochter eines Liebesabenteuers beschuldigt zu sehen, setzt den Vater mehr als in anderen Komödien (in denen natürlich immer eine ganze Portion Überraschung vorkommt) in Erstaunen. Dazu trägt die heillose Verwirrung, die im Hause herrscht, bei. Der Vater sieht, wie sich die Ereignisse mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit entwickeln und hat nicht einmal Zeit zu reagieren. Daher rührt seine Überraschung, und daher drückt sich seine Unentschlossenheit und sein großes Erstaunen durch unfreiwillige Ironie aus, die für das Publikum so spaßig wirkt. Ein gutes Beispiel können wir in "Guárdate del agua mansa" finden. Don Alonso sieht in seinem Haus drei verschiedene Galane, einen nach dem anderen, auftauchen. Der arme Alte kann nicht anders als ausrufen: Suspenso en repetidos agravios no se a cual de ir primero Eine ähnliche Situation liegt in "Bien vengas mal, si vienes sólo" vor. Hier, im Hause des don Bernardo, schießen die Galane wie Pilze aus der Erde. Als der Vater bereits den Streit, 236

der durch den ersten versteckten Galan hervorgerufen wurde, geschlichtet hat, indem er ihn mit einer Freundin seiner Tochter, der Schwester eines jungen befreundeten Caballeros, der ebenfalls anwesend ist, verheiratet, und als letzterer sich als Gatte seiner Tochter anbietet und der Vater zufrieden zustimmt, taucht noch ein Galan auf, der sich versteckt hielt, und sagt, daß diese Hochzeit nicht stattfinden könne, da er der Liebhaber der Tochter sei. Don Bernardo ist bestürzt: Dentro de mi misma casa ?Que encanto, cielos, es este? una pendencia y un hombre de cada raz6n procede

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f) Der Vater gibt während der ganzen Komödie den anderen Männern Ratschläge, arrangiert Heiraten, berät die Brüder oder Väter anderer Damen mit Klugheit, gesundem Menschenverstand und Sanftmut, reagiert aber zornig, wenn seine Ehre in Verruf gerät. Das Komische an der Situation ist ersichtlich: Der Zuschauer hat die ganze Zeit über gesehen, wie der Vater sich die Ehre der anderen zu Herzen nimmt, er hat ihn als gemessenen Menschen kennengelernt, er hat seine Argumente gehört, Nachsicht der Dame gegenüber zu üben und hat ihn vernünftig nach einer Ausrede für die Liebenden suchen sehen. All dies, solange das Problem seine Freunde betrag. Aber plötzlich findet er sich, der sich über die Situation in seinem Hause erhaben glaubt, dem gleichen Fall gegenüber. So in "Dar tiempo al tiempo": Als don Luis seine Tochter in einer kompromittierenden Situation antrifft, ruft er, all seine vernünftigen Ratschläge vergessend, voller Zorn aus: ILeonor! !0h aleve! !0h cruel! IHija ingratal In "El maestro de danzar" sieht sich der Vater gezwungen, genauso zu handeln, wie er es, kurz vorher, einem anderen geraten hat. Aber man kann deutlich erkennen, daß er es nur sehr ungern tut, wenn man seinen Ausruf hört:

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Mal podré si con mi razón me atajan, dejar de tomar consejo que di a otro. Dale, ingrata, la mano a ese caballero. g) Schließlich soll noch die komischste aller väterlichen Reaktionen erwähnt werden. Der Vater drückt sich so hochtrabend aus, so pompös, daß es überhaupt nicht zur Situation paßt. Seine Reaktion ist "tragisch" und es gibt nichts, was dem Komischen zuträglicher wäre als eine tragische Reaktion auf Ursachen, die überhaupt nicht tragisch sind. Hier haben wir, so deutlich wie nirgends sonst, den starren Vater des Theaters, der schreit und gestikuliert und in Drohungen ausbricht, die keinen anderen Zweck haben, als seine Figur mit lächerlichen Zügen erscheinen zu lassen, weil sein Verhalten den Erfordernissen der Umstände nicht entspricht. Die durch seine Reaktion hervorgerufene Heiterkeit wird auch deshalb möglich, weil das Publikum von vornherein weiß, daß seine Macht nicht so groß ist, wie er vorgibt, weil es weiß, daß die Komödie gut ausgeht, und weil es weiß, daß die Väter in den Komödien ihre Töchter nicht töten, schon gar nicht, wenn keine offensichtliche Schande vorliegt. Bei diesem Verhalten des Vaters scheint nur eine unnütze Geste durch, die wegen ihrer Nutzlosigkeit und Unangemessenheit komisch ist, weil irgendwelche strengen Ehrgesetze verteidigt werden, deren Postúlate sich als sehr zweifelhaft erweisen. Man kann sogar sagen, daß die komische Wirkung besagter Reaktionen in unserer Zeit noch größer ist, weil die Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit und dem Verhalten der Person noch deutlicher wird. Illustrieren wir das mit einigen Beispielen. In "Los empeños de un acaso" hat don Alonso seine Tochter im Hause ihres Liebhabers Félix überrascht (auf die Komik dieser Szene wurde bereits im Kapitel über die Verwechslung und Verwirrung der Personen hingewiesen). Er will sie töten, aber ein Diener, der einen "seinem Stande unangemessenen Mut" zeigt, (man bemerke, daß Calderón jegliches Mittel verwendet, um seine Dame in der Komödie unversehrt zu erhalten 1) verteidigt sie, und es ge238

lingt ihm, den Vater in einem Gemach einzuschließen. Don Alonso kann, als er sich eingeschlossen sieht, seine Wut nicht unterdrücken. In diesem Selbstgespräch äußert sich der Grad der Lächerlichkeit, den eine Figur erreichen kann, wenn ihre Reaktion den Umständen nicht angemessen ist. Natürlich braucht don Alonso nicht gerade vergnügt zu sein, aber die Form, in der er seinen Zorn zum Ausdruck bringt, läßt uns annehmen, daß sich in seiner Wut eine Tragödie mit tiefer menschlicher Resonanz widerspiegelt: ?Habräse algün hombre visto, de cuantos hasta ahora nacieron en mäs ciego laberinto? Pero pues es imposible la puerta abrir, y aqui miro una ventana sin reja, arrojarme determino por ella, y en seguimiento de mi siempre honor invicto hacer estragos, portentos, escándalos y prodigios. !Ea! Corazón, no temas este breve precipicio; gue es mayor caida has dado; pues la mayor siempre ha sido verse caer un hombre noble del estado de si mismo. Genauso grotesk ist die Reaktion Aurelios, als er seine Tochter dabei überrascht, wie sie aus der Hand des Dieners eines Caballeros eine Nachricht entgegennimmt. Der Zuschauer ist sehr neugierig auf die Reaktion des Alten, aber dieser zieht es vor, das Publikum im Ungewissen zu lassen und klagt nur: Más esto mejor lo dirá la fama cuando en láminas de acero deje mi venganza escrita en los anales del tiempo. Man könnte viele Beispiele dieser Art finden. Valbuena hat sehr treffend diese Art Calderons, die Figur des Vaters lächerlich zu machen, bemerkt und in der Einführung zu den Komödien die eine oder andere Passage zitiert, die das Komische

dieser Situation illustriert. Dieses Lächerlich-machen der Vaterfigur ist ein Fluchtventil aus der Festigkeit der bis ins Extreme geführten Ehrengesetze, wie es in den calderonianischen Komödien der Fall ist. Es ist auch ein gutes Beispiel für den Humor bei Calderón, der es versteht, die Person grotesk erscheinen zu lassen, ohne allzu sehr zu übertreiben. So vermeidet er es, auf eine billige Komik zurückzugreifen, die nicht in die dramatische Konzeption passen würde.

8. Der Caballero zwischen mehreren Ehrenpflichten Ein Motiv, das das calderonianische Theater charakterisiert und das sich, mehr als sonst irgendwo, in den Mantel- und Degenstücken widerspiegelt, ist die Situation des Caballeros, der gleichzeitig von verschiedenen Ehrenverpflichtungen bedrängt ist. Calderón findet ein unbändiges Vergnügen daran, uns den von Zweifeln gepeinigten Galan zu zeigen, der sich nicht entscheiden kann, welches die beste Lösung ist, der nicht der einen oder anderen Pflicht den Vorrang geben kann. Die Komödien Calderóns sind eine in Szene gesetzte Kasuistik der ritterlichen Gesetze. Sie veranlassen das Publikum, am Dilemma teilzuhaben, in dem sich der Caballero befindet, und vor der einen oder anderen Lösung Farbe zu bekennen. Die Person wird von zwei oder drei Verpflichtungen bedrängt und weiß nicht, welcher davon sie den Vorrang geben soll. Mal fühlt der Caballero sich verpflichtet, seine Dame zu beschützen, mal, sich mit einem anderen zu schlagen, nur weil er sein Wort gegeben hat, mal, die Interessen eines Dritten zu verteidigen usw. Die Lösung dieser verzwickten Situationen ist von einer Komödie zur anderen verschieden, denn das Anziehende an diesen problematischen Fragestellungen besteht darin, daß der Rang, der den verschiedenen Verpflichtungen beigemessen wird, sehr 240

umstritten ist. So kann die in einer Komödie angebotene Lösung für die nächste ungültig sein. Die Handlungen vieler Komödien drehen sich um diese Konfrontation und sind schon im Titel erkennbar. Trotz der Kompliziertheit und den Feinheiten, die man durch Schaffung dieser Situationen erreicht, können sie zusammengefaßt werden, weil sie sich immer um den gleichen Kern drehen. Die Hauptkonflikte sind: a) Das Gesetz des gegebenen Wortes. Eine typische Situation wird uns in "Peor estä que estaba" geboten, wo Juan seinen Freund im Haus seiner zukünftigen Gattin versteckt entdeckt. Er denkt daran, ihn zu töten, aber er hält sich zurück, weil er selbst es war, der ihn aus dem Gefängnis geholt und sein Wort gegeben hat, ihn am folgenden Tag unversehrt zurückzubringen . b) Das Gesetz, in jedem Augenblick dem beizustehen, den man begleitet, sei er ein Freund oder nicht, und diesen Beistand jeder familiären oder freundschaftlichen Neigung voranzustellen. So geschieht es in "Con quien vengo, vengo", wo ein Vater und sein Sohn sich gezwungen sehen, gegeneinander den Degen zu ziehen, nur weil sie verpflichtet sind, dem beizustehen, der an ihrer Seite geht. Dieses Motto "Con quien vengo, vengo" wird häufig von anderen Personen in anderen Komödien zitiert und angewendet. c) Die Verpflichtung, die Dame zu verteidigen. Wir finden sie in allen calderonianischen Komödien, aber besonders beispielhaft behandelt in "Antes que todo es mi dama", wo die Hauptperson andere Verpflichtungen aufschiebt, um die Geliebte zu retten. d) Die Freundschaftspflicht und der gebührende Respekt vor der Gastfreundschaft. Wir finden sie z. B. in "No hay burlas con el amor", wo Juan sich wahrhaft in Nöten sieht, um seinen Freund Alonso, der sich verstecken mußte, aus dem Hause seiner Dame zu holen. Hier muß die Einschränkung gemacht werden, daß, wenn diese Verpflichtung mit einer anderen zusammentrifft (die 241

Rettung der Ehre einer Dame, das Gesetz "con quien vengo, vengo) , der Freund immer erst an zweiter Stelle kommt; zuerst werden die anderen Pflichten erfüllt. e) Die völlige Unterwerfung unter den Monarchen. Respekt und Gehorsam dem König gegenüber standen hoch über jeder anderen Verpflichtung, auch wenn der Monarch unwürdig handelte. So ist es in "Amigo, amante y leal", wo die Hauptperson sogar entschlossen ist, die Ehre ihrer Dame zu verlieren und sie dem König auszuliefern. f) Die Verpflichtung, den Rivalen anzugreifen, das, was wir als 'Gesetz der Eifersucht' bezeichnen könnten. Der Caballero betrachtet es als Beleidigung, wenn sich ein anderer Galan in der Nähe seiner Dame aufhält, und es gilt als Fleck auf seiner Ehre, wenn er zuläßt, daß so etwas geschieht. In fast allen Komödien finden sich Beispiele. Wenn diese Verpflichtung mit einer anderen zusammentrifft, wird sie zweitrangig, weil sie die Ehre nicht ernstlich berührt. g) Das Gesetz des Duells ("ley del duelo"). Verpflichtungen, die eine Person hat, wenn sie sich entschlossen hat, sich zu schlagen, und andere Pflichten auftauchen, die sie davon abhalten, es sofort zu tun. Sie durchlaufen das gesamte calderonianische Theater, nehmen aber einen besonders wichtigen Platz in solchen Komödien wie "Los empeños de un acaso", "Dicha y desdicha del nombre" und auch "Con quien vengo, vengo" ein. Schließlich müssen wir noch feststellen, daß alle diese Verpflichtungen im allgemeinen der beleidigten Ehre in der Person der Gattin, Tochter oder Schwester unterliegen. Ist einmal die Beleidigung entdeckt, gibt es keine Pflicht, die die Absicht, die Beleidigung zu rächen, hindern könnte. Es muß auch festgestellt werden, daß Calderón uns gewöhnlich keine anderen Verpflichtungen anbietet, die mit der eben genannten Pflicht in Streit geraten könnte, Vielleicht weil er weiß, daß er damit keinen "zweifelhaften Fall" zeigt. In der Auffassung aller war es klar, daß die Verteidigung der persönlichen Ehre immer 242

den Vorrang haben mußte. Nur ein anderer Konflikt konnte sich damit messen und so ein wirkliches Problem schaffen, das den Zuschauer mitriß: daß die beleidigte Ehre mit der Autorität des Monarchen in Konflikt geriet, oder besser gesagt, daß der Monarch selbst der Beleidiger war. Dieser Fall tritt in einigen höfischen Komödien ein, unter denen die schon erwähnte "Amigo, amante y leal" hervorsticht. In Wirklichkeit ist es eine ähnliche Situation wie in "El alcalde de Zalamea". Pedro ist für den Caballero Alvaro de Ataide dasselbe, was ein Caballero für den König ist. Crespo hat kein Recht sich zu beklagen, noch Rache zu fordern, weil er als Bauer keine Ehre hat. Calderón löst das Problem, indem er Crespo - auf dem Gebiet der Ehre - auf das Niveau des Caballeros erhebt, ihn geistig adelt, damit er, nun auf gleicher Ebene, seine Rache ausführen kann. Aber das konnte nicht mit dem König, dem sich niemand gleichstellen durfte, geschehen. Calderón zieht daher die versöhnliche Lösung vor und läßt den König am Ende seine Würde wiedererlangen und auf die Dame verzichten. Die Konfliktsituation, in die eine Person gerät, die sich zwischen verschiedenen Pflichten entscheiden muß, hat auch ihre komischen Seiten, und ich unterstreiche hier, daß sich diese dem heutigen Zuschauer deutlicher zeigen als dem damaligen. Das ist klar, denn was für den Menschen des 17. Jahrhunderts noch ein Problem bedeutete, ist für den des 20. Jahrhunderts nichts als eine unnütze Abschweifung über eine Frage, deren Wurzeln jeder Grundlage entbehren, weil sie jede Verbindung mit der Wirklichkeit verloren haben, und für die in der Welt, in der wir leben, keine Anwendungsmöglichkeit mehr besteht. Der historische Charakter, dem diese Situationen unterworfen sind, zeigt sich uns heute mit aller Kraft. Die Voraussetzungen, auf die sie sich gründen, sind überwunden und existieren nicht mehr. Der Zuschauer betrachtet die Person unter einer völlig anderen Perspektive, und wenn er ihre Angst vor Konflikten sieht, denen er intellektuell nicht beistimmen kann, reagiert er, indem er das Lächerliche ihrer Haltung ans Licht 243

zieht. Zu dieser lächerlichen Haltung trägt die Ausdrucksweise des Caballeros bei, der sich von Problemen bedroht sieht. Ähnlich wie der Vater, der die - leichte - Beleidigung seiner Tochter entdeckte, drückt sich der Galan, wenn er sich einer Situation, die noch unentschieden ist, gegenübersieht, in Worten aus, die diese Situation als das schrecklichste, ernsteste, schwierigste und außergewöhnlichste Ereignis beschreiben, dem sich je ein Mensch gegenüberfand. So zum Beispiel: En dudas tan imposibles, ?quién en el mundo se vió cercado de tantos males? oder !Hay más desdicha suerte! ?Quién en tal lance se ha visto? ?Qué debo yo hacer aquí en tan fiera, en tan tirana ocasión como me vi? Diese Art Beispiele können nach Belieben vermehrt werden. Die Caballeros bei Calderón beginnen ihre Selbstgespräche, in denen sie ihre quälenden Zweifel ausdrücken, um zu einem Entschluß zu kommen, immer in ähnlichen Worten, in denen sie ihre enorme Verantwortung und den immsensen Konflikt zeigen wollen, in dem sich ihr Geist befindet. Mit ihrem übertriebenen Verhalten tun sie nichts anderes, als die große Kluft zu verdeutlichen, die die Ursachen von der Wirkung trennt; sie zeigen uns, wohin die peinlich genaue Erfüllung der ritterlichen Verpflichtungen führt, die, wenn sie so furchtbar ernst genommen werden, den Zuschauer dazu bringen, die Person nicht mehr ernst zu nehmen. Das schon krankhafte Bemühen der calderonianischen Männer, jeden Augenblick ihren Verpflichtungen als Caballeros nachzukommen und so ihre Ehre und ihren guten Ruf zu bewahren, kann sie in Situationen bringen, die ans Absurde grenzen. Und diese Situationen sind ein geeignetes Feld für das Komische. Das Gesetz des Duells kommt diesen komischen Seiten sehr entgegen, und Calderón zeigt mit viel Witz die verschiedensten Lagen, in denen die Galane mit Mantel und De244

gen intervenieren, indem sie ihre Tapferkeit zeigen wollen, wenn die Stunde kommt, sich zu schlagen, und indem sie ihre Bedenken zeigen, wenn sie beweisen wollen, wer am besten den ritterlichen Ehrenkodex erfüllt. Viel Material bietet uns in dieser Hinsicht "Los empenos de un acaso". Juan und Diego sind Freunde. Letzterer liebt Leonor, ohne daß seine Liebe erwidert wird, da die Dame schon länger einen Liebhaber hat: Félix. Félix entdeckt einmal einen Diener Juans (der im Auftrage Diegos Leonor eine Botschaft bringt) und verwundet ihn wutentbrannt und voller Eifersucht, während er ihn gleichzeitig beauftragt, seinem Herrn zu sagen, daß er ihn fordere, denn er glaubt irrtümlicherweise, daß Juan Leonor s Geliebter sei. Als der Diener die Botschaft überbringt, will Diego hingehen, um sich zu schlagen, da er sich, völlig zu Recht, als Felix Rivalen betrachtet und weiß, daß jener den herausfordern wollte, der der Liebhaber seiner Dame ist. Juan willigt indessen nicht ein. Obwohl er Félix nicht einmal kennt und kein persönliches Motiv hat, um mit ihm zu kämpfen, führt er an, daß die Herausforderung seinem Namen gilt und er deshalb darauf zu antworten habe, um seine Pflichten als Caballero nicht zu verletzen. Diego läßt dieses Argument nicht gelten; er sieht, daß sein Freund sich seinetwegen schlagen will, und findet das ungerecht, Juan antwortet, seine Ehre sei wenn auch nur durch Zufall - beleidigt, und diese Verletzung müsse wieder gutgemacht werden. Da keiner der beiden sich von den Argumenten des anderen überzeugen läßt, entschließen sie sich, jeder seinerseits loszugehen und so schnell wie möglich Félix Haus zu finden, um zu verhindern, daß der andere eher da sein könnte. Juan findet das Haus als erster, und es entspinnt sich ein überaus höfliches Gespräch, in dem beide Ort und Zeit des Duells vereinbaren. Ihr Benehmen ist derart taktvoll, daß Hernando, der am Kopf verletzte Diener, nicht umhin kann auszurufen: Visita de cortesia parece, mâs que pendencia Félix, der noch nicht weiß, daß der Mann, den er vor sich hat, 245

nicht sein eigentlicher Rivale ist, sagt: porgue se crea de mi que quien se atreviere a mirar a Leonor bella, se atreve a darme pesar Aber Juan findet jetzt, daß es ein wenig zu weit geht, sich allein wegen der Schönheit einer Dame zu schlagen, die er nicht einmal kennt, und er antwortet: Aqueso es otra materia. Yo vengo a reñir, y no a averiguar competencias; Y asi hasta que hable el acero, vaya callando la lengua. Während sie noch so debakeln, kommt Diego, sehr betrübt, als er merkt, daß Juan ihm zuvorgekommen ist, und beansprucht seinen Teil an dem Konflikt. Er gesteht Félix, daß er Leonor den Hof macht, und daß er versucht habe, ihr durch Juans Diener das Billet zukommen zu lassen. Hier beginnt ein Streit zwischen Juan und Diego, wer nun eigentlich Félix Gegner sein soll. Dieser kann sich nicht entscheiden, wie er verbleiben soll, denn beide überzeugen ihn mit scharfsinnigsten Argumenten von ihrem Recht, der "Auserwählte" zu sein. Die Szene ist es wert, hier wiedergegeben zu werden. Sie zeigt uns einen sophistischen Calderón, der jede These mit den ausgeklügeltsten Argumenten verteidigen kann: Félix

Juan

246

Y asi, puesto que llegó_ tan a tiempo el desengano, y que sois quien sois los dos, y uno sólo ha de reñir; habiendo yo_de elegir elijo el reñir con vos (a don Diego) Habiendo dicho el criado, mi nombre, a mi me ofendisteis, pues cuando mi nombre oísteis no estábades informado si iba de mi parte o no: luego, si conmigo hablásteis, el hombre a quien agraviásteis fue a mi, y a mi se me dio.

Félix

Diego

Félix

Juan

Diego

Juan

Diego

Conmigo debéis reñir; pues aunque otro os dé el pesar, debéis siempre sustentar lo que enviásteis a decir. Es verdad; con vos hablé y aunque allí el dolor me aflige, cumpliré aqui lo que dije Guiad, que con vos iré (a don Juan) Dejar uno de reñir por dejar de reñir, fuera cobardía; más si espera sanear y desmentir, rinendo después, aquella opinión¿ yerra la acción, pues riñe sin ocasión, pudiendo reñir con ella. Yo os la doy, que don Juan no; ved cuan más preciso sea, pues don Juan no galantea vuestra dama, sino yo. Decís bien, y eso ha de ser; que vos me hacéis el pesar, y yo no me he de quitar la razón para vencer. Y asi con vos he de ir. El duelo primero es mío, pues primero os desafio. Y si acabáis de decir que con quien da la ocasión se ha de reñir, siendo asi, vos me la habéis dado a mi, y es mía la obligación. Pues en duelo_tan cruel, el mismo empeño en los dos hay de reñir yo con vos, que vos de reñir con él. De aquella razón se arguya que en mi favor viene llena, pues no ha de reñir la ajena causa, pudiendo la suya. Suya es, pues quien la llama pone su honor_en recelos; y no ha de reñir por celos, primero que por su fama. Si vos le desafiáis, yo también; con que el honor queda igual, y es el amor 51 la ventaja que me dais.

Felix ermüdet langsam und sieht keine Lösung. So ruft er, von seinem gesunden Menschenverstand Gebrauch machend, schließlich aus: 247

Pues conformaos los dos en duelo tan importuno; que siendo yo sólo uno, no puedo reñir con dos.

52

Aber Juan und Diego lassen in ihrem Streit nicht nach. So fordern sie ihn, jeder auf seine guten Motive anspielend, für die gleiche Zeit an einen verschiedenen Ort. Felix ist verwirrt. Er weiß nicht, was er tun soll. Er bittet einen Freund um Rat, und dieser, an die Streitigkeiten der Caballeros gewöhnt, rät ihm, mit Juan zu kämpfen, da er der erste gewesen sei, der in sein Haus gekommen ist, um ihn herauszufordern, und da sein Problem mit Diego nicht seine Ehre berührt. Da der Streit mit Diego aus Eifersucht geschah, die Herausforderung Juans aber seine Ehre betraf, muß dem letzteren der Vorrang gegeben werden. Juan indessen, und merkt, daß kann sich aber ner Lage nicht

der seinen Widersacher auf dem Feld erwartet dieser sich verspätet, ist völlig verwirrt, eine ironische Bemerkung über das Absurde seiverkneifen: ?Quién en el mundo, ¡cielos! se vio sin dama, sin amor, sin celos, en tal lance empeñado?

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Darauf kommt Félix und entschuldigt sich für seine Verspätung. Juan antwortet mit äußerster Liebenswürdigkeit und zeigt seine Dankbarkeit, daß er der Auserwählte ist. Als sie sich zum Kampf bereit machen, kommt der Diener Félix' und sagt, daß seine Dame in Gefahr ist. Félix bittet daher Juan um Erlaubnis ihn gehen zu lassen, um ihr zu helfen. Dieser gibt ihm nicht nur die Erlaubnis, sondern bietet sich edelmütig an, ihm zu helfen und beizustehen, bis er seine Dame findet und in Sicherheit bringen kann. Später könnten sie das Duell dann ja fortführen und sich, wenn nötig, in aller Ruhe töten. Vuestro enemigo y amigo soy, dividido en dos partes 248

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sagt Juan zu Félix. Damit gehen beide, äußerst zufrieden miteinander, und sagen sich gegenseitig Komplimente, wann immer sich die Gelegenheit ergibt. Juan, so eifrig, sich mit Félix zu schlagen und ihn, wenn nötig, zu töten, richtet folgende Worte an seinen Gegner, als er ihn betrübt sieht: Un ánimo tan valiente, un corazón tan constante, !se ha de rendir desta suerte, del amor y la fortuna, a ningún grave accidente!

^^

In dem Augenblick, in dem sie sich die Hand geben und neue Komplimente austauschen, erscheint Diego, der wie versteinert stehenbleibt, als er sie so sieht: !Pues, señor don Juan, don Félix! ?Ya tan amigos los dos estáis?

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Diego ist furchtbar beleidigt. Er, der so lange auf dem Feld gewartet hat und sich hintangesetzt fühlt, muß jetzt diese Szene sehen. Er will keine Zeit mehr verlieren und stürzt sich auf Félix. Aber seine Überraschung ist noch größer, als er feststellt, daß Juan vortritt, um Félix zu verteidigen. Diego versteht überhaupt nichts mehr: ?Tan mudado estáis, que ya, en vez de darle la muerte, la defendéis?

-7

So ist das: Juan ist entzückt über den Feind, den das Geschick ihm beschert hat. Er weiß aber, daß er, nachdem er sein Wort gehalten und ihm geholfen hat, den Kampf zu Ende führen und ihn, so leid es ihm auch tun mag, vielleicht töten muß. Die extremen Verpflichtungen, zu denen der ritterliche Ehrenkodex führt, werden hier von ihrer humoristischen Seite gezeigt. Durch Szenen wie diese macht uns Calderón auf das Groteske der Ehrengesetze aufmerksam. Zwei Ereignisse amüsieren den Zuschauer, aber die Kritik, die diese amüsanten Ereignisse ent249

halten, verhindert nicht, daß die Gültigkeit des Kodex bestehen bleibt. So wird man eine versöhnliche Lösung suchen (wie in dem Fall des Königs, der die Dame beleidigt), um das Schlimmste zu vermeiden. In unserem Stück bleiben Juan und Felix die besten Freunde, die es, ohne ihrer Ehre auch nur im geringsten Abbruch zu tun, nicht nötig haben, sich zu schlagen. Daß schon zur damaligen Zeit diese Spitzfindigkeit der Caballeros in Ehrenhändeln absurd erscheinen mußte, zeigt die Kritik des "gracioso", der als einziger offen sein Nicht-Einverständnis äußert und sich als einziger über das Benehmen seines Herrn lustig macht. Je mehr sich der Blickwinkel des Zuschauers dem des "gracioso" nähert (der in diesem Fall den gesunden Menschenverstand darstellt), desto mehr Komik kann das Publikum an dieser Art Situationen entdecken.

1 Con quien vengo, vengo, III, S. 1159 2 La dama duende, III, S. 268 3 El maestro de danzar, II, S. 1555 4 Peor está que estaba, II, S. 327 5 El maestro de danzar, III, S. 1572 6 El escondido y la tapada, II, S. 695 7 No hay burlas con el amor, II, S. 525 8 ibid, II, S. 525 9 El astrólogo fingido, II, S. 152 Beim Zitieren dieser Szene habe ich die Zwischenbemerkungen der Dienerin Quiterias ausgelassen, damit die Verwechslungssituation der beiden Personen noch deutlicher wird. 10 Le&n Pinelo, Velos antiguos i modernos en los rostros de las mugeres, sus conveniencias i sus danos. Ilustración de la Real Prematica de las Tapadas D.C.O. Por el licenciado Antonio de Leon Pinelo, Relator del Consejo Real de las Indias. En Madrid por Juan Sánchez. Ano de 1641 11 Um die Zweckmäßigkeit des "mantos" zu rechtfertigen, geht der Autor bis auf die Genesis zurück und erklärt, wie Adam und Eva sich verhielten, nachdem sie die Sünde begangen hatten: "temieron, i para vestirse juntaron hojas de higuera con que hizieron los primeros velos o vestidos que sintió nuestra Naturaleza. Moisés Barcefas es de parecer que se anticipo a honestarese la muger i que luego la imito el hombre; por aver sido la causa de la culpa. I si della resulto la verguenca en la muger devio comencar la decencia". Danach erklärt der Autor, wie Gott sie mit anderen, noch sittsameren Kleidungsstücken versieht, wobei er (logischerweise) zunächst an Eva denkt. Diese "Túnica" war der Ursprung des Schleiers und für die Frau notwendiger als für den Mann. Vor allem bei der Frau genügte der Schleier nicht, um sich damit den Körper zu bedecken, sondern auch das Gesicht. 12 Cual es mayor perfección, II, S. 1641 13 Casa con dos puertas, mala es de guardar, II, S. 292 u. 297 14 Nichts paßt besser in diesem Fall als der Satz Don Alonsos in "No hay burlas con el amor", als er sich gezwungen sieht, sich in einem Schrank zu verstecken, weil der Vater der Dame kommt: ?Es comedia de don Pedro Calderón, donde ha de haber por fuerza amante escondido o rebozada mujer? 15 Los empeños de un acaso, III, S. 1071 u. 1072 16 Los empeños de un acaso, II, S. 1062 17 Mañana será otro día, II, S. 784 18 Hombre pobre todo es trazas, II, S. 217 19 ibid, III, S. 229 20 ibid, III, S. 230 251

21 A n t e s q u e t o d o e s m i d a m a , II, S. 890 22 D i c h a y d e s d i c h a d e l n o m b r e , II, S. 1815 23 C o n q u i e n v e n g o , v e n g o , II, S.

1142/43

24 D i c h a y d e s d i c h a d e l n o m b r e , II, S. 1816 25 A n t e s que t o d o es m i dama, II, S. 895 26 ibid, II, S. 899 27 D a r t i e m p o a l t i e m p o , IJI,, S. 1357 28 M e j o r e s t á que e s t a b a , I, S. 396 29 ibid, II, S. 400 30 N o h a y b u r l a s c o n e l amor, II, S. 514 31 D a r t i e m p o al t i e m p o , II, S. 1345 32 ibid, II, S. 1345 33 ibid, II, S.

1349/50

34 ibid, II, S. 1349 35 G u á r d a t e d e l a g u a m a n s a , I, S. 1302 36 L a b a n d a y l a flor, III, S. 456 37 Dar t i e m p o al t i e m p o , III, S.

1370

38 N o s i e m p r e lo p e o r e s c i e r t o , III, S. 1486 39 M e j o r e s t á que e s t a b a , III, S. 419 40 G u á r d a t e d e l a g u a m a n s a , III, S. 1328 41 B i e n v e n g a s m a l , si v i e n e s solo, III, S. 634 42 D a r t i e m p o al t i e m p o , III, S. 1369 43 E l m a e s t r o d o d a n z a r , III, S.

1572

44 L o s e m p e ñ o s de u n acaso, II, S. 1603 45 D i c h a y d e s d i c h a d e l n o m b r e , I, S. 1806 46 B i e n v e n g a s m a l , si v i e n e s solo, III, S. 624 47 ibid, III, S. 633 48 E l e s c o n d i d o y la t a p a d a , III, S. 707 49 L o s e m p e ñ o s de u n a c a s o , II, S. 1059 50 ibid, II, S. 1059 51 ibid, II, S. 1 0 6 0 52 ibid, II, S.

1060

53 ibid, II, S.

1063

54 ibid, III, S. 1065 55 ibid, III, S. 1065 56 ibid, III, S. 1066 57 ibid, III, S. 1066

VI. DIE TECHNIK DES RAUMES

1. Die Funktion der Architektur Der Raum selbst, in dem sich die Personen bewegen, hat im Intrigentheater eine wichtige Rolle gespielt und spielt sie noch, denn je nach seiner Anordnung ist es dem Dichter möglich, den Umständen entsprechende Elemente zu schaffen, die zur Entwicklung der szenischen Handlung beitragen. Das Theater, das nicht über unbeschränkten Raum verfügt wie der Roman oder - in unseren Tagen - der Film, muß sich zwangsläufig aller Möglichkeiten bedienen, die der beschränkte Raum bietet (ein Haus, ein Straßenstück, ein Garten etc.), vor allem, wenn das, was man vor hat, nicht in erster Linie ein dramatischer Konflikt zwischen Menschen ist, sondern die Schaffung von Situationen. Calderón macht nicht nur keine Ausnahme von dieser Regel, indem er die Möglichkeiten des Raumes, soweit er kann, ausnutzt, sondern er überträgt ihm eine überaus wichtige Rolle in der Struktur seiner Stücke, vor allem der Mantel- und Degenstücke, und innerhalb derer in denen des Madrider Zyklus. Die Architektur hat eine wichtige Funktion im Theater Calderóns. Gemächer, Fenster, Balkone, Türen, Form und Grundriß des Hauses sind bestimmende Faktoren für das von den Personen gezeigte Verhalten. Das Haus ist äußeres Zeichen der privaten Sphäre, ein Bereich, der eifersüchtig bewacht werden muß, weil ein Eindringen in diesen Bereich zugleich ein Eindringen in die Intimsphäre des Individuums ist. Das Haus ist Defensivwaffe für die Ehre, die in der Schwester oder Tochter personifiziert ist, Kapsel, in die man diese zarte und zerbrechliche Ehre, die die Frau verkörpert, einschließen will. Der Vergleich der Eroberung einer Frau mit der Eroberung einer 253

Festung ist ein in der Literatur häufig vorkommendes Motiv. Die Caballeros des Theaters im Goldenen Zeitalter folgen diesem Motiv und wenden die Eroberungstaktik an. Aber hier bleibt - wenn die Festung Frau erobert ist - noch eine zweite Festung, die umkämpft werden muß, das Haus, das sie behütet. Und diese zweite Eroberung ist mit noch weit größeren Gefahren verbunden als die erste. Viele calderonianischen Väter möchten gern den "Celoso extremeño" von Cervantes nachahmen, indem sie nicht zulassen, daß ihr Haus irgendeinen Zugang für die so gefürchteten Angriffe von außen hat. Im Theater Calderóns wird sehr oft diese Figur Cervantes1 zitiert, wenn man von der eifersüchtigen Obhut spricht, der einige Väter ihre Töchter unterwerfen. Aber die Häuser in den Komödien haben doch Fenster, Türen und sogar geheime Eingänge, die dem, der die Ehre rauben will, Eintritt verschaffen. Dies ist der Anlaß für komplizierte Situationen, bei denen letzterer alle möglichen Listen anwendet, um seine Ziele zu erreichen und gleichzeitig vom Hausherrn nicht entdeckt zu werden. Der Eindringling trägt zum Schluß den Sieg davon, und der Entehrer des Hauses ehrt es schließlich dadurch, daß er die Tochter heiratet. Das Haus ist das Heiligtum, in dem die Familienehre gehütet wird. Ein Eindringen ist nahezu ein Sakrileg. Dies ist dem gesamten calderonianischen Theater deutlich anzumerken. Anspielungen auf den Hausfriedensbruch gibt es in "Casa con dos puertas" besonders häufig. Fabio, Lauras Vater, überrascht in seinem Hause einen Galan. Da dieser flieht, kann er nur dem Diener gegenübertreten und weist ihn so zurecht: ?S6is criado del que agravia esta casa? Darauf antwortet der "gracioso": Si, señor; porgue es un "agravia-casas" gue no se puede sufrir.

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Mit dieser burlesken Bezeichnung erklärt der Diener die vorherrschende Eigenschaft, die - in den Augen des Vaters - der 254

Mann hat, der in sein Haus eindringt. Für die Damen hat das Haus eine andere Funktion, die der, die es für den Vater hat, genau entgegengesetzt ist. Da die Ehre es erfordert, die Beziehung Dame-Caballero absolut geheimzuhalten, und da die Dame andererseits nicht viele Gelegenheiten hatte, sich außerhalb mit einem Galan zu treffen, war das Haus der ideale Ort für ein Stelldichein, wobei immer die Abwesenheit des Vaters oder Bruders ausgenutzt wurde, oder die Tatsache, daß sie schliefen. Es bleibt selbst für den heutigen Zuschauer paradox, daß die Deumen des Theaters im Goldenen Zeitalter, die nach außen hin so sittsam, so bedacht auf ihre Tugend wirkten, daß sie nicht einmal mit einem Caballero sprechen konnten, ohne einen Skandal zu entfachen, - daß diese Damen einen Galan die ganze Nacht in ihrem Haus empfingen. Das Anormale dieses Verhaltens ist in "El astrólogo fingido" von einer Dienerin sehr gut beobachtet und ausgedrückt worden, als sie das Benehmen ihrer Herrin folgendermaßen kommentiert: IVed lo que en el mundo pasa, y qué es honor! Por no hablalle con escándolo en la calle, le entramos dentro de casa. Cuando miro estas honradas, pienso que sus fantasías vuelven las caballerías de las historias pasadas. Dama, que tus vanidades te hicieron impertinente, cima al uso de la gente, ^ deja singularidades Die Haltung dieser Dame ist indessen keine Ausnahme; sie alle gehen genauso vor, veranlaßt durch die Umstände, die sie dazu zwingen, ihre Ehre größter Gefahr auszusetzen, wenn sie den Galan zu Hause einführen, da sie nicht über die kleinen Freiheiten verfügen, die es ihnen gestatten, öffentlich mit ihm Beziehungen zu unterhalten. Die Verschlossenheit der Personen, die wir an anderer Stelle bereits erwähnten, ist der Anlaß da255

für, daß das Haus mitunter das einzige Mittel ist, eine Person oder deren Funktionen kennenzulernen. Ein Galan A, der einen Freund B hat, der in eine Dame verliebt ist, die er nicht kennt, denkt automatisch, wenn er ihn in der Straße seiner Dame sieht oder wenn er sogar ins Haus geht, daß der Freund der Galan seiner Dame ist (da er wegen der Geheimnistuerei nicht wissen kann, daß es sich - im besten Fall - um den Bruder oder einen anderen Verwandten handelt). Deshalb bitten die Damen, die sich vor den Caballeros, in die sie verliebt sind, nicht zu erkennen geben wollen, eine Freundin, ihnen ihr Haus zur Verfügung zu stellen, damit der Galan so nicht erfahren kann, wer die Frau ist, die ihm diese Gunst gewährt. So ist es in "Casa con dos puertas". Auch in "Mananas de abril y mayo" ist es das Haus, durch das Hipólito ein Irrtum unterläuft, denn als er sieht, daß die verschleierte Dame, der er folgt, in ein Haus geht, geht auch er hinein, in der Annahme, es sei ihr Haus, und geht bis in das Zimmer, wo sich tatsächlich die Herrin des Hauses aufhält (die aber nicht die verschleierte Dame, die er hineingehen sah, war). Hipólito beginnt, ihr schöne Worte zu machen, und die Dame, die von der verschleierten um Hilfe gebeten wurde, indem diese sagte, der Mann, der ihr folge, sei ihr Mann, kann sich von ihrem Erstaunen nicht erholen, als sie ihn die feinsten Komplimente über ihre Schönheit machen hört: ?Hay cosa semejante? !Qué entre un hombre marido y salga amante, , y de sus mismas penas descuidad, llegue celoso y vuelva enamorado! Als der Caballero fortgeht, holt die Hausherrin die verschleierte Dame aus ihrem Versteck und bemerkt ironisch: Vos tenéis un finísmo marido

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Diese witzige Szene ist ein Beispiel für die Verwirrung, zu der das Haus führen kann, denn es wird als Zeichen zur Identifizierung dessen, der es betritt, angesehen. Aber da in den 256

calderonianischen Komödien die Umstände die Personen ständig zwingen, aus Häusern zu kommen oder sie zu betreten, in denen sie nichts zu suchen und zu denen sie keinerlei Beziehungen haben, kann man sich leicht vorstellen, welche Verwirrung sie bei den anderen Personen durch ihre Anwesenheit stiften, die ihnen Beziehungen und Funktionen beimessen, die sie gar nicht haben. Der Irrtum, der den Personen unterlaufen kann, wenn sie ein bestimmtes Individuum in einem Haus antreffen, kann ernste Folgen haben. Ich meine hier besonders den Fall, in dem eine Dame im Hause ihres Galans überrascht wird. In "Los empenos de un acaso" ist die Szene, in der die Dame ihren Vater mit ihrem Galan verwechselt, und in der später der Vater eingesperrt herumschnauzt, voll feiner Komik. Aber in "No hay cosa como callar" nimmt die Sache tragische Züge an. Juan trifft die Dame seiner Träume schlafend in seinem Gemach (er weiß nicht, daß sie zufällig in das Haus seines Vaters geflohen ist, als in ihrem Haus ein Feuer ausbrach), nimmt sich das Recht sie zu vergewaltigen und hinterher zu fliehen, und denkt nicht einen Augenblick daran, ihr Genugtuung zu geben, weil es "sich mit seiner Ehre nicht verträgt", eine Frau zu respektieren, die "er weiß aus welchem Anlaß" eine Nacht außerhalb ihres Hauses verbringt. Oft entsteht der Eindruck, daß die vier Wände eines Gebäudes • das einzig Greifbare sind, an das sich die Caballeros in ihren amourösen Problemen halten können. Die vier Wände sind der einzig konkrete Punkt, der ihnen Sicherheit bietet. Deshalb tritt, wenn zufällig ein Wohnungswechsel stattfindet, eine wahre Katastrophe ein. Ein gutes Beispiel dazu bietet uns "Dar tiempo al tiempo". Der Liebhaber der Dame, die vorher in dem Haus gewohnt hat, sieht - als er von einer Reise zurückkehrt -, wie ein Mann an die Tür klopft und wie ihm mit größter Selbstverständlichkeit geöffnet wird. (Das war ganz natürlich, denn der Mann war kein anderer als der Herr des Hauses und Bruder der Dame, die zur Zeit darin lebte). Der Galan empört sich. Er denkt, daß seine Dame einen Geliebten hat und nimmt sie sich 257

vor, indem er sich mit dem Bruder herumschlägt, aber schließlich läuft er weg, um nicht erkannt zu werden. Indessen kocht der Liebhaber der Dame, der sich in ihrem Haus aufhält, vor Eifersucht, weil ein anderer auf der Straße herumstreift, der so eingebildet daherkommt. Der Bruder erscheint und will die "Leichtfertige" töten. Sie muß fliehen und bittet den erstbesten Mann, den sie auf der Straße trifft, um Hilfe, natürlich ausgerechnet den, der die ganze Verwirrung gestiftet hat. Dieser - überzeugt, daß er seine eigene Dame begleitet - bringt sie ins Haus einer Freundin, die ausgerechnet die Dame ist, die vorher in dem Haus gewohnt hat und die wirkliche Geliebte des Caballeros ist. Am folgenden Tag trifft er sich mit seiner Dame und wirft ihr ihr Benehmen vor, ohne zu wissen, daß dieses Haus nicht das ist, in dem sie Zuflucht gesucht hat, wie er glaubt, sondern ihr eigenes Heim. Bei Calderón stehen die Häuser seiner Hauptersonen meistens nebeneinander. Dies verursacht ein Gedränge von Personen von einer Seite zur anderen. Es wird aus dem Fenster oder von Balkon zu Balkon gesprungen, und so ereignen sich eine Reihe typischer Vorfälle für die Mantel- und Degenstücke, in denen plötzlich ein unbekannter Caballero aus einem Gemach zum Vorschein kommt, oder in denen ein Galan zwangsläufig für den Liebhaber der Tochter des Hauses gehalten wird, wie es in "Antes que todo es mi dama" geschieht. Die Struktur und Anlage des Hauses ist in vielen calderonianischen Komödien ein bestimmender Faktor für die Intrige. Um die von unserem Autor bevorzugten Mittel zusammenzufassen, seien hier die folgenden Elemente genannt: a) Die geheime Verbindung zwischen zwei Zimmern Sie hat in "La dama duende" eine eminent wichtige Funktion. Ohne sie wäre die Entwicklung der Intrige unmöglich gewesen. Hier hat das Zimmer, in dem sich Manuel als Gast aufhält, eine Tür, die zu den Gemächern Angelas führt. Diese Tür sollte durch einen Wandschrank geschlossen und verdeckt werden. Dieser Wandschrank wurde aber nach und nach auseinandergenommen, so daß er offen bleibt und jeder, Vann er will, hinein- und hinauslaufen kann. Isabel, die Dienerin, schlägt ihrer Herrin 258

vor, dies zu nutzen, damit sie, weder von ihm noch von ihren Brüdern bemerkt, in Manuels Zimmer gelangen können. So geschieht es, und damit beginnt eine Reihe von Geschehnissen, die zum lustigsten Repertoire der calderonianischen Komödien gehören. Zwischen Angela und Manuel spinnt sich eine amouröse Korrespondenz an, die ein wenig spöttisch ist, da sie den Stil der Ritterromane nachahmt. Angela sorgt dafür, Manuel zu erfreuen, t und Isabel dafür, Cosme zu ärgern, der außer sich vor Angst ist, weil er fest an die Existenz eines übernatürlichen Wesens glaubt. Calderón, der fürchtet, das Publikum erhebe Einwände wegen der geringen Intelligenz Manuels, der den einfachen Trick nicht entdeckt, greift etwas vor und versucht, durch Angela eine Erklärung zu geben: ?Ahora sabes lo del huevo de Juanelo, que los ingenios más grandes trabajaron en hacer que en un bufete de jaspe se tuviese en pie, y Juanelo, con sólo llegar y darle un golpecillo le tuvo? Las grandes dificultades, hasta saberse lo son; que sabido, todo es fácil Manuel will zu Anfang nichts von Cosmes Qualen wissen und mißt dem Geschehen - auch wenn er es für eigenartig hält - keinerlei übernatürliche Bedeutung bei. Seine einzige Erklärung ist, daß die mysteriöse Frau die Geliebte Luis', eines seiner Gastgeber, der im Hause lebt und einen Schlüssel für das Zimmer besitzt, ist. Eine Unterredung mit Luis läßt ihn jedoch später diese Annahme wieder verwerfen. Einmal hätte er Isabel fast ertappt. In dem Augenblick, in dem er sie festhalten will, gelingt es ihr, durch den Wandschrank zu fliehen (das Zimmer war dunkel), und Manuel hält nur noch einen Wäschekorb in der Hand. Auch jetzt ist er noch nicht überzeugt, bis er bei anderer Gelegenheit Angela selbst überrascht. Diese will zu Beginn die Farce fortsetzen und gibt sich als Kobold aus, aber Manuel will es nun wissen und richtet seinen Degen auf sie. Da gesteht Angela, daß sie eine Frau ist, und fleht ihn an, er mö259

ge Milde und Rücksicht walten lassen, um ihre Ehre zu schonen. Sie gibt zu verstehen, sie sei eine Dame von höchstem Adel, und bittet den Galan, die Türen des Gemaches gut zu sichern, damit niemand eintreten kann. Während Manuel die Aufgabe erfüllt, flüchtet Angela durch den Wandschrank, und als er zurückkehrt, ist das Zimmer leer. Er will nun irgendeine Spur an der Wand oder auf dem Boden entdecken, oder wo sonst ein Ausgang sein könnte, aber das einzige, was sich seinen Augen darbietet, ist der Wandschrank: Por ella no hay que dudar ni temer, siempre compuesta de vidrios sagt Manuel und verwirft so die einzige Möglichkeit, des Rätsels Lösung zu finden. Seine Möglichkeiten für eine natürliche Erklärung sind nun erschöpft: Como sombra se mostró fantástica su luz fue, pero como cosa humana se dejó tocar y ver; como mortal se temió, receló como mujer, como ilusión se deshizo, como fantasma se fue. Si doy la rienda al discurso, no se, ¡vive Dios!, no sé, ni que tengo que dudar ni que tengo de creer Aber die mutwillige Dame Kobold läßt in ihrem Bemühen nicht nach, Manuel zu "necken", der aus lauter Verwirrung nicht weiß, woran er sich halten soll. Die Architektur spielt auch weiterhin die Hauptrolle: Manuel erhält von der mysteriösen Dame einen Zettel, in dem sie darauf besteht, daß er auf den Friedhof geht. Dort erwarten ihn zwei Diener, die ihn - in einer Kalesche - durch die ganze Stadt fahren, bis zu Angelas Haus, in dem er selbst zu Gast ist. Der Zuschauer, der all dies weiß, kann den Verwirrungen und Ängsten Manuels vergnügt zusehen, als er, bevor er Angelas Gemach betritt, sich sein Abenteuer ins Gedächtnis zurückruft: 260

!Qué pena a mi pena iguala! Yo volví del Escorial, y este encanto peregrino, este pasmo celestial, que a traerme la luz vino y me deja en duda igual, me tiene escrito un papel, diciendo muy tierna en él: "Si os atrevéis a venir a verme, habéis de salir esta noche con aquel_ criado que os acompaña. Dos hombres esperarán en el cementerio (¡extraña parte!) de San Sebastian,_ y una silla" Y no me engana. En ella entré y discurrí, hasta que el tino perdí. Y al fin a un portal de horror lleno, de sombra y temor, solo y a oscuras salí. Angela hat gut vorgesorgt, ihre Rolle als große Dame zu spielen: Den Augen Manuels bietet sich ein blendendes Schauspiel. Juwelen, Kostbarkeiten, Reichtümer überall. Und in der Mitte Angela als überragende Schönheit, umgeben von Isabel und ihrer Freundin Beatriz, die ihr bei ihrem Auftreten als hochgestellte Dame assistieren. Ein "Exzellenz", von Beatriz wie aus Versehen fallengelassen, überzeugt Manuel völlig, daß er dem Geheimnis auf die Spur gekommen ist: Agora he creído que una gran señora ha sido, que por serlo, se encubrió, y que con el oro vió su secreto conseguido. Aber bald muß der berühmte Wandschrank wieder in Aktion treten. Da Juan, Angelas Bruder, an die Tür klopft, sieht sie sich gezwungen, Manuel zu verstecken, mit der Erklärung, daß ihr Vater käme. Isabel bringt ihn in sein eigenes Zimmer (das völlig dunkel ist) und fleht ihn an zu warten, was Manuel Anlaß gibt, sich erneut in den seltsamen Fall zu vertiefen: !0h, a cuánto, cielos, se atreve quien se atreve a entrar en parte 261

donde ni a l c a n z a ni entiende que danos se le aperciben, que riesgos se le previenen! Verne aqul a m l en una casa, que dueno tan noble tiene (de e x c e l e n c i a por lo menos), U e n o de asombros crueles, y tan lejos de la m l a



In diesem M o m e n t h ö r t M a n u e l ein Geräusch. Es ist Cosme,

sein

Diener, der das Zimmer betritt. Er spricht m i t ihm, ohne ihn zu erkennen, u n d denkt, es sei ein Diener des Hauses;

danach

w i l l er sich erkundigen, w e r der Hausherr ist. E s folgt e i n ä u ß e r s t spaßiger Dialog, in dem Cosme ihm erklärt, dies sei das H a u s des Teufels und einer Dame Kobold, die d a r i n lebt, u n d auf die Frage, w e r sein Herr sei, e r k e n n t M a n u e l

schließ-

lich seinen Diener. E r w u n d e r t sich, ist erstaunt, u n d glaubt, daß Cosme ihm bis h i e r h e r gefolgt sei, aber als ihm der "gracioso" mitteilt, daß er sich in seinem eigenen Zimmer b e f i n det, w i r d Manuel auf einmal wütend: IViven los cielos, que mientes! Porque lejos de m i casa y en o t r a b i e n diferente e s t a b a e n aqueste instante. E s scheint so, als w o l l e n die Zweifel die Person bis zum letzten p l a g e n . A l s e r n a c h der W a h r h e i t fragen w i l l , ö f f n e t sich w i e d e r der W a n d s c h r a n k u n d Isabel n ä h e r sich Cosme, der d a n n für M a n u e l w i e d u r c h Zauberhand verschwindet. "Ich w e r d e n o c h den V e r s t a n d verlieren", sagt sich Manuel, und entschließt sich zu w a r t e n . Das nächste Ereignis läßt n i c h t lange auf s i c h warten: im Zimmer erscheint, d u r c h d e n Wandschrank, Luis, der d e n Trick herausbekommen hat, m i t gezogenem Degen u n d n e n n t ihn e i n e n "schlechten Caballero, Verräter,

niederträchtigen

M e n s c h e n u n d u n d a n k b a r e n Gast". M a n u e l versteht ü b e r h a u p t nichts, u n d n o c h weniger, als er A n g e l a eintreten sieht

(wäh-

r e n d Luis einen D e g e n h o l t u n d M a n u e l e i n g e s c h l o s s e n im Zimmer zurückläßt). E n d l i c h k a n n sie ihm d e n ganzen W i r r w a r r e r k l ä ren, u n d M a n u e l stellt s i c h ihr ritterlich zur Seice u n d v e r t e i d i g t sie gegen ihre Brüder, indem er ihr als Gatte die H a n d 262

reicht. Das Mittel, zwei Gemächer durch eine Tür oder heimliche Öffnung miteinander zu verbinden, wiederholt Calderón in "El encanto sin encanto". Hier handelt es sich um eine Dame, die, um den Caballero, in den sie sich verliebt hat, zu beschützen und zu begünstigen, veranlaßt, daß einer ihrer Diener (ohne daß der Galan erfährt, von wem er kommt) ihn in einen verlassenen Turm bringt, der durch eine Tür, die schon seit Jahren nicht mehr benutzt wird, mit dem Haus der Dame in Verbindung steht. Der Trick besteht darin, die Tür so zu bemalen, daß man sie mit der Wand des Turmes verwechselt und daß es so söheint, als habe er keinen weiteren Ausgang als den, den man sieht. Die Dame will damit einerseits dem Caballero ihre Gunst erweisen, ohne daß er erfährt, woher diese Gunstbezeigungen kommen, und ihn andererseits - vielleicht aus Eifersucht - in heillose Verwirrung stürzen, indem sie ihn mit irgendwelchen Stimmen bedroht und durch andere tröstet, und ihn glauben macht, er befände sich in der Macht einer Dame, die ihm günstig, und einer, die ihm feindlich gesinnt ist, und daß dies durch Zauberei geschehen sei. Die Einführung des übernatürlichen Elements mit Hilfe eines architektonischen Tricks hat das Stück mit "La dama duende" gemein, aber in "El encanto sin encanto" gehen die Dinge nicht so weit. Natürlich stimmt es, daß der Caballero am Anfang verwirrt ist, als er sieht, wie in der tiefen Dunkelheit seines Gemaches ein Kandelaber wie durch Zauber auftaucht und mit ihm zwei mysteriöse Zettel, deren einer eine Todesdrohung enthält und der andere ihm Gunst verspricht. Auch wiederholen sich die Befürchtungen des Dieners, daß der Teufel mit der Sache etwas zu tun habe, aber am folgenden Tag untersucht Enrique, der Caballero, den Aufenthalt genauer und bemerkt, daß es eine versteckte Tür gibt: En fin, Franchipán, ya dimos con el secreto que encierra este encanto. Wie gegenwärtig Calderón dabei "La dama duende" war und wie bewußt er dieses Mittel noch einmal anwendet, zeigt uns die 263

Antwort des Dieners, durch die Calderón dem Publikum zu verstehen gibt, daß er nicht vorhat, sich diesmal zu wiederholen: •Vive Cristo, que me alegro 1 Porgue estaba pendiente el alma de un hilo, pensando que si durase, se hablan de ver repetidos pasos de "La dama duende" y es gran cosa que al principio echemos por otro lado.

..

b) Das Haus mit zwei Türen Dies ist das zweite Element, dessen Calderón sich gewöhnlich bedient; er verwendet es häufiger als das eben erwähnte (dessen Hauptexponenten "La dama duende" und "El encanto sin encanto" sind). Angefangen mit dem Stück, dessen Titel ausdrücklich auf dieses Mittel hinweist, existieren eine Reihe calderonianischer Stücke, in denen das Haus mit zwei Türen eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielt. Abgesehen von "Casa con dos puertas, mala es de guardar" seien noch "Mañana será otro día", "Peor está que estaba", "El escondido y la tapada", "También hay duelo en las damas" wie auch noch einmal "La dama duende" erwähnt. Die beiden Türen gestatten den Damen eine größere Bewegungsfreiheit zu kommen und zu gehen ("La dama duende"), ohne bemerkt zu werden, und ermöglichen den Caballeros auch die Flucht, wenn die Dinge sich zuspitzen und der Vater hereinkommt ("Casa con dos puertas"). Sie dienen desgleichen dazu, einen Fremden irrezuführen, der von der Existenz der zweiten Tür nichts weiß, und ihn glauben zu machen, daß er zu einem anderen Haus geführt wurde ("La dama duende" und "Manana será otro día", wo Beatriz ihren eigenen Verlobten rufen läßt und vorgibt, eine andere Dame zu sein. Damit dieser das Haus nicht erkennt, veranlaßt sie, daß der Kutscher eine Weile mit ihm durch die Stadt fährt - nachdem er eine Drehung gemacht hat, um ihn irrezuführen - und ihn dann durch die zweite Tür bis zum Gitter des Innenhofes führt). 264

Diese letzte Funktion des Hauses mit zwei Türen bietet uns einen sehr interessanten Aspekt. Dank der Existenz dieser zwei Eingänge wird in der Person eine Entfremdung in bezug auf das Haus hervorgerufen, das jetzt nicht mehr als gewohnter und bekannter Gegenstand erscheint. Da die Person völlig andere seelische Voraussetzungen mitbringt als die, die sie hätte, wenn sie die wahren Umstände im Hause kennen würde (seinen Eigentümer, den genauen Platz etc.), erhält das Haus nun für die Person neue, andere, vorzugsweise erstaunliche oder auch beunruhigende Aspekte. In "La dama duende" wird Manuel in Angelas Gemach geführt, das sich im gleichen Haus befindet, in dem er sich als Gast aufhält. Gestehen wir zu, daß die Dame das Menschenmögliche getan hat, um das Zimmer so herzurichten und sich selbst so herauszuputzen, daß ein Eindruck von großer Prunkhaftigkeit entsteht; trotzdem neigen wir zu der Annahme, daß dieses Zimmer keinen wesentlich anderen Anblick geboten haben konnte als das übrige Haus. Doch Manuel, der ins Zimmer getreten ist, noch überwältigt von dem Mysteriösen seines Abenteuers, glaubt sich in eine andere Welt versetzt, eine Welt, in der jedes Objekt ihm in anderer Dimension erscheint, eingehüllt in den Schein des Wunderbaren. Und so ruft er, außer sich, aus: ¡Qué JQué !Qué JQué ¡Qué

casa tan alhajada! mujeres tan lucidas! sala tan adornada! damas tan bien prendidas! beldad tan extremada!

Sehen wir als Kontrast den Eindruck an, den das gleiche Zimmer bei Luis, Angelas Bruder, hervorruft, der an den Raum gewöhnt ist: ?Qué notable estrago es éste de platos, dulces y vidrios? Die gleichen falschen Voraussetzungen, die den calderonianischen Vater beim Anblick eines Galans, von dem er glaubt, er 265

sei der Sohn eines Freundes, ausrufen lassen: "Qué brío, qué gentileza, de su padre es un retrato", sind es, die hier Manuel bei der Betrachtung von Angelas Gemach dazu führen, es für eine Dekoration aus "Tausend und eine Nacht" zu halten. Genauso, wie Calderón immer wieder das Mittel anwendet, daß seine Personen mit anderen Personen verwechselt werden oder jemand für einen anderen gehalten wird, macht er es, daß seine Personen in der Wahrnehmung des Raumes getäuscht werden. Die gesellschaftliche Persönlichkeit ist eine Schöpfung der Gedanken der "anderen". Wenn wir die physische Erscheinung eines Wesens erkennen oder wiedererkennen, versehen wir sie mit einer Reihe von Attributen - wesentliche oder umstandsbedingte die wir von ihm haben, und das Bild dieses Wesens wird durch die Gesamtheit dieser Züge gebildet. Wenn uns viele davon fehlen, haben wir vielleicht nur eine Teilsicht der Persönlichkeit des Individuums (auch wenn wir meinen, daß wir im Besitz des Gesamtbildes sind). Dies ist meistens der Fall, da immer irgendwelche Aspekte von uns nicht erkannt werden oder unserer Wahrnehmung entgehen. Nun ist es so, daß eines der Hauptmerkmale der Komödien Calderóns darin besteht, daß die Attribute, die irgendwelche Personen den anderen gegeben haben, falsch sind. Da die Figuren sich mit soviel Geheimnistuerei umgeben, sehen sich die anderen gezwungen, Vermutungen zu äußern, indem sie von falschen Indizien ausgehen, und bilden sich so ein ungenaues Bild vom Individuum. Dies gilt nicht nur für die Personen, sondern auch für die Räume. c) Das geheime Gemach Dies ist ein weiteres Element, das einer Erwähnung im calderonianischen Theater wert ist. Das geheime Gemach ist den meisten Personen unbekannt, nur eine oder zwei wissen von seiner Existenz. "El escondido y la tapada" ist ein Beispiel dafür. Hier will Celia ihren Galan, der von den Häschern verfolgt wird, um ihn zu schützen, in einer Art Treppe oder Gang verstecken, der früher das obere Stockwerk mit dem unteren verband und später geschlossen wurde, als das Haus zwei Mieter 266

hatte. Die Intrige beginnt, als Celias Bruder kommt und darauf besteht, plötzlich auszuziehen. César bleibt versteckt und eingeschlossen, ohne zu wissen, was passiert ist. Neue Mieter ziehen ein, die von der Existenz des Versteckes keine Ahnung haben. Die Bemühungen Césars, aus seinem Versteck zu kommen, setzen eine Reihe von Ereignissen in Bewegung, die die neuen Bewohner in heillose Verwirrung stürzen. Kleidungsstücke und Nahrungsmittel verschwinden, ein verhüllter Galan und eine verschleierte Dame tauchen auf, ohne daß man weiß, woher sie kommen, und alle Welt gibt sich die größte Mühe, für diese Vorgänge eine Erklärung zu finden, die nie die Wahrheit trifft. In "El galân fantasma" schafft ein Stollen oder Geheimgang, der zwei Häuser miteinander verbindet, größte Verwirrung. Da in diesem Fall der Caballero, der diesen Geheimgang benutzte, um in den Garten seiner Liebsten zu gelangen, für tot gehalten wurde, haben die Leute keine andere Erklärung, als an einen Geist zu glauben. Wie wir gesehen haben, dient die Technik der Architektur Calderôns einerseits dazu, übernatürliche Elemente einzuführen, für die später eine rationale Erklärung gegeben wird ("La dama duende", "El encanto sin encanto", "El galân fantasma"), und andererseits, um die Hauptpersonen irrezuführen, die, wenn sie von falschen Voraussetzungen ausgehen, eine Reihe von Episoden durchstehen, die die Handlung noch mehr verwirren ("Manana serâ otro dla", "Casa con dos puertas", "No siempre lo peor es cierto" etc.). Die komische Seite variiert je nach Situation. Sie hängt von der Reaktion einiger Personen auf die Verwechslung ab und von dem Kontrast zwischen ihr und der Wirklichkeit. Sie hängt auch von der Charakterstärke der Personen und deren Profilierung ab• In "El galân fantasma" zum Beispiel spielen sich keine besonders spaßigen Szenen ab. In "El encanto sin encanto" kommt die rationale Erklärung zu schnell und läßt keine Zeit, daß der Caballero wirklich mit dem Ubernatürlichen konfrontiert wird. In "La dama duende" allerdings hat Calderôn in allen 267

Einzelheiten Manuels Reaktionen gezeichnet, und der Wandschrank spielt eine Uberaus wichtige Rolle im ganzen Stück und gibt so Anlaß zu einer Fülle von feingestalteten amüsanten Szenen, die ihre Wirkung bis heute nicht verfehlen.

2. Die Nähe der Personen. Ihr Zusammentreffen in einem geschlossenen Raum Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, wie die Struktur und Anlage des Hauses eine wichtige Rolle in der Intrige der Mantel- und Degenstücke spielt. Wir wollen jetzt das Haus als Anziehungspunkt für die Personen betrachten, als Achse, um die sich jede einzelne Person der Handlung zu drehen scheint. Diese "Konzentration der Personen auf begrenztem Raum", um es so zu definieren, ist ebenfalls ein typischer Zug des calderonianischen Theaters. In dem Kapitel, in dem die Theatertechnik Calderons behandelt wurde, wurde ebenfalls eine Erscheinung untersucht, die man als "Anziehungskraft der Personen" bezeichnen könnte. Es scheint eine verborgene Macht zu geben, die sie veranlaßt, sich am gleichen Ort zusammenzufinden und zueinander in Beziehungen zu treten, auch wenn sie von dieser Beziehung überhaupt keine Ahnung haben. Das Haus ist das äußere Zeichen, durch das sich diese Tendenz erkennen läßt. Man muß natürlich bedenken, daß das Zusammentreffen von Personen in einem begrenzten Raum für den Theaterdichter eine zwangsläufige Verpflichtung ist, da er mit sehr beschränkten Mitteln arbeiten muß, aber Calder6n führt diese Verpflichtung weiter als unbedingt notwendig, und er sucht nicht nur am Schluß des Stückes, wo es innerhalb des ganzen sowieso nötig ist, alle Personen auftreten zu lassen, um die Verwirrungen aufzuklären, sondern auch in dessen Verlauf nach Gelegenheiten, bei denen die Personen, aus verschiedenen Ursachen, in dem engen Raum des Hauses oder sogar nur eines Zimmers zusammenkommen.

268

Somit können wir zwei Aspekte unterscheiden: Die Konzentration der Figuren zum einen in einem Haus, zum anderen in einem Zimmer. Welcher Mittel bedient sich nun Calderón, damit diese Ähsammlungen von Personen wahrscheinlich erscheinen? Manchmal ist die Nähe zweier Häuser der Grund dafür, daß sich alle am gleichen Ort treffen. In "También hay duelo en las damas" sieht Violante in ihrem Haus ihren Vetter Juan auftauchen, der ihr eine ohnmächtige Dame, seine Geliebte, übergibt. Violante erkennt in ihr ihre Freundin Leonor, die im Haus nebenan wohnt. Dieses Nebeneinanderliegen der Häuser ist der Grund dafür, daßJuan sich dorthin geflüchtet hat, um nicht vom Vater seiner Dame entdeckt zu werden, der beide verfolgt. Aber Violante ist nicht nur Leonors Freundin, sondern auch die Geliebte ihres Bruders Félix, dem sie nicht sagen will, daß seine Schwester hier ist, solange sie ihm keine Lösung für den Verlust seiner Ehre anbieten kann, d. h. solange Leonor noch nicht verheiratet ist. Mit diesem Schweigen weckt sie Félix Eifersucht, der, als er Juan an der Tür des Hauses seiner Dame herumlungern sieht, glaubt, sie habe einen anderen Liebhaber. Zu alledem sind Juan und Félix zufällig Freunde, wissen aber beide nichts von den Liebesgeschichten des anderen. Félix weiß daher nicht, daß Juan der Liebhaber seiner Schwester ist, und der angebliche Liebhaber Violantes. Juan hat andererseits keine Ahnung, daß Félix der Bruder seiner Dame ist. Violantes Haus und das von Félix sind Anziehungspunkte für die Personen, die sich sowohl in dem einen wie auch in dem anderen aufhalten. In diesem Stück wiederholt sich eine Situation, die wir schon in "Casa con dos puertas" gesehen haben. Violante verläßt ihr Haus, damit Leonor bequemer mit ihrem Liebhaber Juan sprechen kann. Sie geht in Félix Haus, um ihn abzulenken und sich nebenbei mit ihm auszusöhnen. Sie rechnet allerdings nicht damit, daß Félix Juan zu Violantes Haus begleitet hat, wo Leonor sich aufhält, und daß Juan, als er von Violantes Vater überrascht wird, mit der Dame fliehen muß und sie Félix übergibt, damit er sie schützt. Félix geht fort, überzeugt, daß er Vio269

lante bei sich hat, und bringt sie in ihr eigenes Haus. Während er ihr wegen ihres Vorgehens Vorwürfe macht, erreichen die beiden Felix' Zimmer; Leonor entkommt und läßt Violante, die sich schon seit geraumer Zeit dort befindet, an ihrer Stelle zurück. Diese ist überrascht, weil Félix nicht überrascht ist, sie hier zu sehen, und mehr noch, weil er sich nicht entschuldigt, eine andere Dame ins Haus gebracht zu haben. Und nicht nur das: Félix weist sie außerdem zurecht und wirft ihr Untreue vor. In diesem Augenblick tritt Juan ein, der, als er Violante hier sieht, glaubt, daß es sich um einen Trick handele, um Leonor zu schützen. Er will das Spiel weiterführen, indem er behauptet, Violante sei die Dame, die er Félix übergeben habe. In dem Augenblick kommt Leonor, die vor Pedro, einem verachteten und eifersüchtigen Liebhaber, dessentwegen der Streit begann, flieht. Félix will, wie es Brauch ist, seine Schwester töten, wird aber von Juan und Pedro, dem Betrogenen, daran gehindert. Pedro zeigt sich sehr edelmütig und hilft Juan, die Hand seiner Dame zu bekommen. Die Szene gipfelt im Auftreten der jeweiligen Väter, die sich rächen wollen, nun aber, da sich alles aufklärt, zufrieden sind. Calder&n erfindet die unwahrscheinlichsten Beziehungen der Personen zueinander, als Rechtfertigung dafür, daß sie immer am gleichen Ort auftreten und sich am Schluß des Stückes immer an ein und derselben Stelle zusammenfinden. In der eben besprochenen Komödie "Tambien hay duelo en las damas" kehrt Félix, der Madrid wegen eines Totschlages verlassen mußte, inkognito zurück, um sich ausgerechnet in Pedros Haus als Gast einzuquartieren, ohne zu wissen, daß dieser der Anlaß zur Flucht seiner Schwester war. Nachdem er es entdeckt und versucht hat, ihn zu töten, stößt er ausgerechnet auf einen anderen seiner Freunde, Juan, ohne zu wissen, daß er der wirkliche Liebhaber seiner Schwester ist. In "Cada uno para si" wird Félix bei einem Stelldichein im Hause seiner Dame von einem Galan gestört, der hinein will. Er will hinaus und kämpfen, als Leonors Vater kommt. Messersteche270

reien, wie üblich, und Flucht der beiden Galane. Félix ist verzweifelt, weil er seinen Rivalen nicht erkennen konnte. Das gleiche gilt für den anderen Galan, der bemerkt hatte, daß ein anderer Mann im Hause war. Nun ist Félix als Gast in Enriques Haus, und gerade dieser Enrique ist der Rivale der vergangenen Nacht. Der Beginn des zweiten Aktes ist sehr amüsant, als sich die beiden am Morgen nach der ereignisreichen Nacht in Enriques Haus begrüßen: Enrique (aparte) Félix (aparte) Enrique (aparte) Félix (aparte) Enrique

?A quién sino a mi en el mundo tan gran yerro sucediera? ?En quién sino en mi se hallaran juntas, ¡cielos! tantas penas? ?Qué hubiese de ser su padre el que fuese a abrir la puerta? ?Qué abriese yo la ventana para afirmar mis ofensas? ¡Don Félix! ?Tan de manana? Pues, ?qué madrugada es está?

Aber das ist noch nicht alles. Leonor, die eine starke Anziehungskraft besitzen muß, hat einen dritten Bewunderer, Carlos, der ebenfalls ein enger Freund von Félix ist. Dieser Carlos, der in Toledo wohnt, hat kurz zuvor Félix von seinem Liebeskummer wegen einer Madrider Dame (es war Leonor) berichtet; er erzählte, wie er, als er einmal mit ihr sprach, von einem anderen eifersüchtigen Caballero angegriffen worden sei und ihn habe verletzen müssen. Von seinem Rivalen konnte er nur die Insignien des Gewandes von Santiago erkennen (es war niemand anderes als Enrique, Carlos anderer Freund). In einem bestimmten Augenblick, als Félix Enriques Wunde sieht, ist er nahe daran, einen Teil der Wahrheit zu erkennen, indem er sich vorstellt, daß vielleicht sein Freund Carlos Rivale ist - natürlich ohne im geringsten zu ahnen, daß die Dame, die beide umwerben, seine eigene Dame, d. h. Leonor ist. Enrique jedoch, der die Dame nicht in Verruf bringen will, führt an, daß die Wunde nicht von einem Liebesstreit herrühre, sondern von einem Raubüberfall auf ihn. Wir sehen wiederum, wie es Calderón gefällt, seine Personen zu necken, wenn sie nahe daran sind, die Wahrheit zu entdecken. 271

Felix schämt sich fast, so "unlogisch" gedacht zu haben (obwohl er eigentlich richtig gedacht hatte) und sagt bei sich: Desvelóses mi sospecha que del hábito y la herida habla formado, en que fuera éste el disgusto de Carlos. Pero ¡qué cosa tan necia querer reducir a un punto de Madrid las contingencias!

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Das, was Félix als absurd ausschließt, ist gerade das, was Calderón in seinen Stücken und besonders in diesem tut. Enrique erhält einige Briefe, daß er in geheimer Mission nach Toledo gehen muß, und bittet Félix, ihn zu begleiten. Dieser läßt sich nicht lange bitten, weil seine Dame Leonor gerade mit ihrem Vater in die Reichsstadt gezogen ist, und obwohl Felix wegen der Sache der vergangenen Nacht mit ihr böse ist, kann er der Versuchung nicht widerstehen, ihre Nähe zu suchen. Sehen wir nun, was der Dichter sich ausdenkt, um alle Figuren am gleichen Ort auftreten zu lassen. Eine gewisse Violante, die zu Beginn des Stückes Félix (in Toledo) um Hilfe gebeten hatte, stellt sich als die Dame von Carlos heraus. Sie wird im Augenblick von ihm ein wenig vernachlässigt, weil der Galan inzwischen in Madrid Leonor kennengelernt hat. Diese Violante ist auch Leonors Kusine, und in ihrem Hause quartieren sich Leonor und ihr Vater ein, als sie in Toledo ankommen. Andererseits berührt das Geschäft, das Enrique nach Toledo führt, direkt Carlos Ehre, und dazu benötigt er die Unterstützung von Luis, Violantes Vater. Aus diesem Grund begibt sich Félix in Luis Haus, um so Carlos bei seinem Geschäft zu helfen, und trifft nicht nur Violante, die Dame, die im ersten Akt seinen Schutz suchte, sondern auch Leonor, die Dame, die die Ursache aller Streitigkeiten ist. Die gleiche Überraschung wird den anderen beiden Caballeros zuteil, Carlos und Enrique, als sie sich dort treffen. Noch komplizierter wird die Sache dadurch, daß Violante, die über Carlos "Seitensprung" erbittert ist, der sie ihrer Meinung nach mit einer "mujercilla" beleidigt hat (sie weiß natürlich nicht, 272

daß es sich um Leonor handelt), sich in Felix verliebt und ihrer Kusine, der wirklichen Geliebten Felix', ihre Liebespläne anvertraut. Auch die Väter der beiden Damen streuen ihr Körnchen Sand in das Getriebe, denn die beiden wählen Enrique als zukünftigen Gatten ihrer Töchter aus, der eine, weil ihm dessen natürliche Gaben gefallen, der andere, weil er ihn hat seine Tochter hofieren sehen. Sowohl Enrique als auch die beiden Väter werden gefoppt, weil die jungen Damen sich diesmal entschlossen weigern, den väterlichen Willen zu erfüllen, natürlich unterstützt von ihren Galanen, die sich sofort anbieten, ihnen die Hand zu reichen. In "No siempre lo peor es cierto" bietet sich uns ein ähnliches Schema, das gleichermaßen Calderons Geschicklichkeit zeigt, seine Personen durch ein kompliziertes System von gegenseitigen Beziehungen in einem bestimmten Raum zusammenzuführen. Hier heißt die Dame, die von verschiedenen Galanen umworben wird - in diesem Fall zwei, nicht drei - ebenfalls Leonor. Die Situation ist ähnlich wie in "Cada uno para sl". Als Leonor gerade mit ihrem Liebhaber spricht, kommt ein anderer Caballero aus ihrem Gemach. Carlos, Leonors Galan, verwundet ihn schwer. Da erscheint Leonors Vater, und Carlos bringt sie, um sie nicht schutzlos zurückzulassen, von Madrid nach Valencia, obwohl er über ihre vermeintliche Untreue furchtbar beleidigt ist. Dort bittet er einen Freund, Juan, sie in sein Haus aufzunehmen und sie seiner Schwester Beatriz als Dienerin zur Hand gehen zu lassen. Diese Beatriz stellt sich als die Geliebte Diegos, des Mannes, der in Leonors Gemach war, heraus. Sie hat von der Beleidigung ihres Galans erfahren und ist rasend vor Eifersucht und Neugier, und möchte nur wissen, wer das Frauenzimmer ist, das ihrem Liebhaber soviel Ärger bereitet hat: diera por ver a la dama que puedo empenarle asi, el alma y la vida Als sie diese Viorte beendet hat, kündigt die Dienerin Ines 273

Leonors Ankunft an, die sich als Bedienstete vorstellt. Hier nun beginnen die Ereignisse. Beatriz Haus wird zum Magnet, der aus dem einen oder anderen Grund alle Personen anzieht. Diego erscheint, um seine alte Geliebte Beatriz zu sprechen und sie auszusöhnen, und trifft Leonor im Haus, worüber er höchst erstaunt ist. Carlos will sich von seiner, wie er glaubt, "perfiden" Dame zurückziehen, aber Juan fordert ihn auf zu bleiben, weil er im Verhalten seiner Schwester etwas argwöhnt, und bittet ihn, das Haus zu bewachen. Als man Diego darin entdeckt, nehmen sie an, er sei wegen Leonor gekommen, und sowohl Juan wie auch Carlos selbst wollen ihn mit ihr verheiraten. Beatriz, die anfangs glaubte, Leonor sei nur eine Dienerin, die nur ihre Rolle als Diegos Dame gut spielt, um ihr zu helfen, merkt plötzlich, daß Leonor die Dame ist, die ihr soviel Kopfzerbrechen bereitet hat. Damit alle beisammen sind, fehlt nur noch Leonors Vater, der dann auch noch auftaucht, und zwar extra aus Madrid, um seine verletzte Ehre wieder herzustellen. Der Zufall will es, daß er in Toledo ausgerechnet Juan, Beatriz' Bruder, um Hilfe-bittet, nicht ahnend, daß seine Tochter sich in dessen Haus befindet. Als er sie einmal dort trifft, spielt sich die klassische Szene voll entfesselten väterlichen Zornes ab, der komisch wird durch den Kontrast zu Beatriz Reaktion. Dies spiegelt sich in einem humoristischen Kommentar zu den Ereignissen wider, die durch Leonors Anwesenheit hervorgerufen werden. Der erste Teil dieser Szene folgt hier: Beatriz Pedro

Beatriz

Pedro Beatriz 274

!En este cuarto golpes y voces! ?Qué es esto? Es un furor, es un pasmo, una desesperación, un horror, una ira, un rayo, que ha de abrasar cuanto encuentre, que intente ponerse al paso. Pues ?cómo este atrevimiento en mi casa? ?Quién ha dado ocasión, para que asi haya podido empeñaros una cólera? Una fiera, que aquí se oculta. Esperaos. ?Es Leonor?

Pedro Beatriz (ap.)

Pues, ?quién pudiera, sino ella, obligarme a tanto? (Esto nos faltaba sólo!¿ otro amante, y destos anos, tras don Carlos y don Diego, que pusiese en paz a entrambos.)

Es scheint, als assoziierte Calderón mit dem Namen Leonor eine weibliche Figur, hinter der alle Personen her sind. In "Los empeños de un acaso" suchen alle Leonor, die aus dem Hause geflohen ist und zufällig im Hause Juans Zuflucht sucht, der sie nicht persönlich kennt, der von ihr aber schon durch seinen Freund Diego und seinen Feind-Freund Félix gehört hat. Im Hause Juans erscheint also einer nach dem anderen; zuerst kommt eine verschleierte Dame, Elvira, die in Juan verliebt ist. Später Diego, Elviras Bruder und Juans Freund, der sich bemüht, Leonor zu sehen. Später taucht Félix auf und will sie mitnehmen, und schließlich der Vater, Alonso, der alles über den Haufen rennt und seine Tochter töten will; Ebenfalls ins Haus eines Juan kommen alle Personen aus "Dar tiempo al tiempo", wo sich wieder eine andere Leonor versteckt hält. Aber diesmal kommt der Vater nicht, um sie zu suchen, sondern um den Galan zu bitten, Beatriz, die mit Leonor befreundete Dame, die der Alte in sein Haus aufgenommen hat, zu heiraten. Juan kann es nicht tun, weil er Leonors Liebhaber ist. In dem Zimmer ist jedoch Pedro versteckt, Beatriz Liebhaber, der gern seine Dame vor dem Zorn ihres Bruders Diego, der auch im Zimmer ist, in Schutz nehmen will, und sich anbietet, sie zu heiraten. Diese Anhäufung von Personen in einem kleinen Raum ist für das Theater Calderóns symptomatisch, vor allem in den Schlußszenen. Aus einem kleinen Raum kommen verschleierte Damen, die ihr Gesicht zeigen, und Galane, von denen man nicht vermutet, daß sie dagewesen sein können. In "Bien vengas mal, sie vienessolo" z. B. treffen sich im dritten Akt in Bernardos Haus: Bernardo, seine Tochter Ana, ihr Liebhaber, Diego, der sich versteckt hält, Maria, Anas Freundin, ihr Liebhaber, Juan, der 275

Bernardos Gast ist und im Hause lebt, Luis, Marias Bruder, Bewerber Anas und Freund Bernardos (ebenfalls versteckt). In "Maestro de danzar" gibt uns die Dienerin Ines einen Lagebericht über die im Haus befindlichen Personen: Vayan todos en el cuento. Beatriz escondida en casa, su galán en su aposento, su hermano con mi señor, mi señor con sus recelos, mi ama con sus sobresaltos, el no aun mi amo con_sus celos, yo con mit temor. Señores, ?en que ha de parar aquesto, y más en venticuatro horas que da la trova de tiempo? Die komische Wirkung dieser Szenen ist rein bühnenmäßig. Sie hängt nicht so sehr von den Bemerkungen und Reaktionen der Personen ab - wie bei anderen Gelegenheiten -, sondern von ihrem Handeln. Man muß die Szene im Theater erleben, um sie richtig einschätzen zu können. Man muß den Vater auf der Bühne sehen, voller Wut, als er merkt, daß aus einem Zimmer ein oder zwei Galane herauskommen, und die Galane, wie sie aus einem Versteck kommen, wenn der Vater seine Tochter einem anderen Mann geben will. Man muß die verschleierte Dame sehen, die sich entschleiert und als Tochter des Vaters herausstellt, der gekommen ist, um eine Heirat für eine andere Dame zu arrangieren und weit davon entfernt war, seine Tochter in diesem Winkel zu vermuten. All dies, in atemberaubendem Tempo durchgeführt, gibt den anderen Personen keine Gelegenheit, irgendwie zu reagieren. Calderón ist ein Meister in der Ausnutzung des Raumes. Was wir oben über sein Bemühen um Originalität in den kleinsten Variationen des scheinbar gleichen gesagt haben, läßt sich auch auf seine Raumtechnik anwenden, da er alle Möglichkeiten ausschöpft, vor allem, Wenn dieser Raum aufs äußerste beschränkt ist. Diese Technik eignet sich sehr gut für die Komödie, denn in ihr liegt der Kern zu etwas Komischem: zu einer Komik, die man 276

als "räumlich" bezeichnen könnte, und die darin besteht, zu versuchen, die Ordnung der räumlichen Gesetze zu sprengen, indem der Inhalt größer als der Behälter erscheint. Das komische Mittel beim Film, das uns eine Familie von zehn Personen und einem Hund zeigt, die nach und nach aus einem winzigen Auto klettern, beruht auf diesem Prinzip; desgleichen, wenn eine Person aus einem Koffer steigt, oder ähnliche Situationen, die den Anschein erwecken, als mache man sich über die Natur und ihre Gesetze lustig. Wir haben also gesehen, wie die komischen Situationen im calderonianischen Theater hauptsächlich auf Verwechslungen beruhen. Falsche Voraussetzungen und äußere Umstände - bei denen der Raum und die Architektur eine nicht geringe Rolle spielen - tragen dazu bei, die Personen irrezuführen. Sehen wir nun im folgenden Kapitel, wie sich der Humor in der Sprache der adligen Personen äußert.

1 Casa con dos puertas, mala de guardar, III, S. 306 2 El astrólogo fingido, I, S. 136 3 Mananas de abril y mayo, I, S. 578 4 ibid, I, S. 578 5 La dama duende, II, S. 252 6 ibid, II, S. 262 7 ibid, III, S. 263 8 ibid, III, S. 264 9 ibid, III, S. 265 10 ibid, III, S. 266 11 El encanto sin encanto, III, S. 1606 (Die letzten Zeilen v o n mir unterstrichen) 12 La dama duende, III, S. 263 13 ibid, III, S. 268 14 Cada uno para sl, II, S. 1678 15 ibid, I, S. 1459 16 No siempre lo peor es cierto, I, S. 1459 17 ibid, III, S. 1481 18 El maestro de danzar, II, S. 1562

VII. DIE SPRACHE DES HUMORS

Die calderonianischen Personen sehen sich, wie wir bereits gemerkt haben, mit Situationen konfrontiert, die in den Augen des Zuschauers komisch erscheinen, die die Person selbst aber in allem Ernst erlebt. Desgleichen ruft ihr eigener lächerlicher Charakter eine große komische Wirkung hervor (wir haben diesen Fall schon im entsprechenden Kapitel behandelt). Nicht so häufig allerdings ist es, daß sich in ihrer Sprache Humor zeigt, da dazu eine humoristische Absicht vorausgesetzt wird, die nur sehr wenige dieser Personen besitzen. Der "gracioso" ist die Figur, die allein dafür geschaffen ist, Komik und Humor in der Sprache zu liefern, und nur in einigen Fällen machen die Damen oder Herren Gebrauch von dieser ihrem Stand so wenig würdigen Funktion. Nur ein so lächerliches Wesen wie Toribio in "Guärdate del agua mansa" oder eine völlig Unwissende wie Angela in "Cual es mayor perfecci&n" gebrauchen manchmal Wendungen, die mit denen der "graciosos" in den Komödien verglichen werden können. So wie sich in den Stücken Tirsos, Lopes oder anderer Dramatiker jener Zeit die adligen Personen oft mit ihren humoristischen Ausdrücken großtun, so hüten sich die calderonianischen Damen und Caballeros, so etwas zu zeigen. Und nicht nur das. Sie ärgern sich über die Witze ihrer Diener, die damit keinerlei Echo finden, und geraten bisweilen so in Wut, daß sie sie wegen ihrer Manie, jedem Ereignis einen witzigen Kommentar zu geben, mißhandeln. Nicht, daß Calder&n seinen adligen Personen die humoristischen Fähigkeiten abspricht - er schließt diese Fähigkeiten ganz absichtlich aus ihren Klassenfunktionen aus. Sie dürfen Humor haben, aber sie "üben" ihn nicht aus, da sie ihn als etwas Niedriges ansehen. 279

Beweis dafür ist, daß, wenn ein Caballero sich, durch bestimmte Umstände gezwungen, als Diener ausgibt, es ihm nicht an spaßigen Kommentaren für jede Situation mangelt. Die ernsten Figuren im Theater Calderóns vermeiden es, von einigen Ausnahmen abgesehen, eine humoristische Stellung zu den Ereignissen einzunehmen. Sie unterstreichen im Gegenteil den Ernst und die Wichtigkeit dieser Ereignisse und rufen dadurch schließlich manchmal unfreiwillig eine komische Wirkung hervor. So finden sich in den Komödien zahllose Ausdrücke, wie die von Carlos in "No siempre lo peor es cierto", als er seinem Freund Juan die Schicksalsschläge seiner Liebschaften (die für den Zuschauer schon etwas oft Gehörtes aus anderen Komödien dieser Art waren) mit diesen Worten schildert: que ahora empieza el más extraño, el más notable, el más nuevo lance de amor que jamás dio la cadena a su templo. Nachdem Carlos erzählt hat, wie ein anderer Rivale erschien, als er mit seiner Dame sprach, wie sie die Degen zogen, der Eindringling schwer verletzt wurde, der Vater wegen des Lärms erschien und er mit seiner Dame fließen mußte, um sie vor dem väterlichen Zorn zu schützen, ruft sein Freund Juan aus: Es tan nueva vuestra historia, tan raro vuestro suceso, que sólo puede admirarse, dejándoselo al silencio.

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Wenn der Zuschauer die Personen nicht kennen würde, fühlte er sich geneigt zu glauben, sie machten sich übereinander lustig. Aber das ist nicht der Fall. Dieser furchtbare Ernst, mit dem die Personen ihre eigenen Angelegenheiten behandeln, ist für Calderón charakteristisch und läßt die Figur in vielen Fällen in einem sehr schlechten Licht erscheinen, da sie in Situationen hochtrabend wirkt, die gar keinen Anlaß dazu bieten. Zwei Arten von Sprache, die jede für sich eine andere Einstel280

lung gegenüber der Wirklichkeit zeigen, und die im Goldenen Zeitalter bei fast allen Dichtern zusammentreffen: die rein adlige und poetische Sprechweise und die humoristische mit vorwiegend satirischer Tendenz (denken wir an Gongora und Quevedo) finden sich auch bei Calderón, aber im Munde derer, die völlig verschiedenen sozialen Schichten angehören: der Herren und der Diener. Eine Studie speziell über die Sprache des calderonianischen "gracioso" wäre sehr interessant, denn dieser bietet uns eine Fülle von Material. Man muß indessen sehr aufmerksam sein, um Beispiele dafür zu finden, wie die Adligen die Sprache, indem sie mit der Bedeutung des Wortes spielen und neue Wortbildungen schaffen, in humoristischer Form benutzen, die Lachen hervorruft. Auch die Ausdrücke mit volkstümlicher Schattierung sind aus dem verbalen Gebiet der Damen und Galane verbannt. Deshalb erstaunt es uns ein wenig, wenn wir die folgenden Worte aus dem Munde einer Dame hören, die sich auf ihren Galan beziehen: has de ver que al retortero los traigo

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oder von einer anderen, die, damit ihre Dienerin im Zimmer bleibt, anführt: porque no tengo otra yo que sepa hacer más garambaina del pelo

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oder von einem Galan, der der Dienerin, die ihn beschwört, vom Balkon zu springen, um aus dem Haus zu entkommen, antwortet: ?eso tenemos ahora? Ines, ?balconear, después de una alacena?

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Auch läßt sich bisweilen die der Sprache des "gracioso" eigene burleske Metapher finden, aber die Beispiele für ihre Verwendung sehen wir nur bei Personen besonders ausgeprägter Natur, die sehr wenig dem ritterlichen Ideal entsprechen, wie Toribio 281

oder Angela, die wir bereits weiter oben erwähnten. So hören wir letztere, als sie von ihrem Galan spricht, folgende Ausdrücke benutzen: Si es murmurar que por mí no fue, dígalo el efecto, pues de los tres apeados desde aquel instanto mesmo a otro y tu hermano en mi calle a todas horas los veo, camaleones de esquina beberse por mí los vientos Sehen wir auch, wie sich Toribio in dieser Hinsicht ausdrückt, als er seine Mißbilligung über die Galane zeigt, die das Haus seiner Kusinen umschwärmen. Seine Sprache ist so plastisch, daß sie von Quevedo stammen könnte: Toribio Alonso Toribio

IEn la calle de mis primas sin más ni más se pasean! Pues ?por qué no? Porque no me ha de haber paseante en ella, ni piante, ni mamante, y más de estos de melena, que Filenos de golilla, de candil y bigotera, andan cerrados de sienes y transparentes de piernas.

1. Die Wortspiele Die calderonianische Person hat keine große Vorliebe für das Spiel mit der doppelten Bedeutung eines Wortes oder eines Satzes. Hier und da findet man ein vereinzeltes Beispiel, das auf den ersten Blick als Achtlosigkeit Calder6ns erscheint, sich aber später als sehr bewußt angewandtes Mittel erweist, das dazu dient, eine Person zu charakterisieren. Diesen Fall haben wir in "Hombre pobre todo es trazas", Wo die Hauptperson, der Spötter Diego, von dem schon ausreichend in dieser Arbeit gesprochen wurde, sich selbst humoristisch beschreibt, wobei er von der doppelten Bedeutung eines Satzes ausgeht. Da Diego von seinen Gläubigern verfolgt wird und keinen Pfennig besitzt, um 282

sie zu bezahlen, ersinnt er eine wenig edle List, um sich ihrer zu entledigen. Um sein Verhalten zu rechtfertigen, spielt er ironisch auf einen Ratschlag an, den ihm sein Vater gegeben hat: Consejo de mi padre es: "Se el que debes", me dijo, y soy el que "debo".

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In "El maestro de danzar" verläßt Enrique, der gezwungenermaßen zum Musiklehrer wurde, nachdem er Leonor die erste Lektion in Gegenwart ihres Vaters erteilt hat, befriedigt das Haus, weil er glücklich dieser Gefahr entronnen ist, und macht eine witzige Bemerkung, in der er mit der Doppelbedeutung des Wortes "mudanza", das auch für die Sprache des Tanzes sehr typisch ist, spielt: ?Quién creerá que a aprender vaya, queriendo firme a Leonor, el como he de hacer mudanzas?

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In "Guárdate del agua mansa" interpretiert Toribio ein Wort, indem er ihm eine Bedeutung verleiht, die es nicht hat, das aber phonetisch so verstanden werden kann. Er tut es, weil er, von dieser falschen Interpretation ausgehend, durch Analogie ein Wort schaffen will, das zu der Situation sehr gut paßt. Als der Vater von Clara und Eugenia ihn einigen herumstehenden Galanen vorstellen will, die seine Nachbarn sind, weigert sich Toribio, sie zu begrüßen. Der Vater läßt nicht ab und wendet sich an die Caballeros, indem er sagt: Conoced a mi sobrino, que quiero que desde hoy sea vuestro servidor. Toribio (ap. ?Yo había a don Alonso) de ser alhaja tan puerca? Alonso Esta acción es cortesana. Toribio Más me huele a corte-enferma.



In "No hay burlas con el amor" bietet uns Alonso, auf den wir 283

wegen seines fröhlichen und sorglosen Charakters und seiner Neigung zum Scherzen auch schon häufig angespielt haben, ein Beispiel für seine Ungeniertheit und seinen Humor in den heikelsten Situationen. Als er sich, nachdem er sich beim Herabspringen vom Balkon ein Bein verletzt hat und noch von jemand anderem verwundet wurde, die Liebesprobleme seines Freundes Juan anhören muß, der nicht in das Haus seiner Dame zurückkehren will, versteht Alonso ihn nicht: Alonso

Juan

Alonso

Por Beatriz he de volver a su casa, y a su calle a hablarla y verla por la tarde y la manana, siendo yo el descalabrado, y vos la cabeza sana; ?y no iréis? No, porque herida mas penetrante y tirana son mis celos, porgue son mortal herida del alma. Pues troquemos las heridas; que yo primero tomara sea mortal o venial, tener hoy descalabrada 10 el alma, que la cabeza

Wie vorher schon gesagt, bilden diese Beispiele eher die Ausnahme. Wir können behaupten, daß die calderonianischen Personen keine Neigung zeigen, ihre Sprache zu humoristischen Zwecken zu gebrauchen, noch haben sie die Absicht, mit Worten zu spielen, um bewußt eine komische Wirkung zu erzeugen. Der Witz ist das Vorrecht des "gracioso", und die Adligen, von der einen oder anderen Ausnahme abgesehen, gehen nicht Uber die Sphäre ihrer Funktionen hinaus. Die Ursache für dieses Phänomen muß, wie schon erwähnt, in der hohen Auffassung gesucht werden, die die Oberschicht von ihrer Würde hatte, die sich nicht gut mit der Neigung zu scherzen oder damit, die Dinge von ihrer komischen Seite zu nehmen, vereinbaren ließ. Wir haben schon gezeigt, wie die Caballeros, die diese Norm in gewisser Weise verletzen, vom Dichter als relativ unvollkommen dargestellt werden und am Ende von ihrem Verhalten abgebracht und geheilt werden (man erinnere sich an Diego in "Hombre pobre todo es trazas", an Diego in "El astrologo fingido", an 284

Alonso in "No hay burlas con el amor" etc.). 2. Die Zweideutigkeit Dieses Feld liefert uns mehr Material für eine Untersuchung als das vorige. Hier finden wir nicht eine freiwillige Neigung zum Witz, die nicht mit dem Verhalten eines Adligen zu vereinbaren ist, sondern eine fundamentale Situation im Theater Calder&ns, in der eine (oder auch mehr als eine) Person zum Irrtum verleitet wird. Dies geschieht durch ein Wort oder einen Satz, die in verschiedener Weise interpretiert werden können. Der Doppelsinn in der Sprache kann komisch wirken, sobald man seinen Ursprung entdeckt. Wenn also zwei Menschen eine Weile miteinander über zwei völlig verschiedene Dinge gesprochen haben, wobei jeder von ihnen glaubt, der andere beziehe sich auf das, was er selbst meint, so gibt es zunächst nichts als Erstaunen oder Befremden, wenn man merkt, daß der andere der Angelegenheit Eigenschaften beimißt, die sich von den wirklichen unterscheiden. Jeder verwundert sich über die Ungereimtheiten des anderen, bis man sogar dessen Urteilsfähigkeit anzweifelt, was andererseits absurd erscheint, da es überhaupt nicht mit dem übereinstimmt, was man von dem anderen weiß. Erst wenn klargestellt ist, daß beide von völlig verschiedenen Dingen gesprochen haben, tritt die komische Wirkung ein, vor allem, wenn die Einzelheiten der Unterhaltung noch einmal durchgegangen werden und nun, da der Irrtum bekannt ist, die abgegebenen Urteile mit der Natur der Sache oder mit dem, wovon gesprochen wurde, verglichen werden. Diese Form der Komik, die aus der Zweideutigkeit in der Sprache entsteht, ist im Grunde die gleiche wie die des Spieles, für das man ein Stück Papier in verschiedene Knicke faltet und in jeden Knick von verschiedenen Personen einen Teil des menschlichen Körpers einzeichnen läßt, ohne daß jemand eine Ahnung davon hat, was vorher oder nachher gezeichnet wird. Die Mißgeburt, die aus dieser Kollektivzeichnung hervorgeht, hat immer große Heiterkeit erzeugt. Kein Teil paßt zum anderen, 285

aber das Ganze soll eine Einheit darstellen: ein menschliches Wesen. Dies auf die Sprache bezogen bedeutet, daß, während wir die einzelnen Teile dieses Körpers zeichnen, keine Komik da ist: so auch nicht, während die beiden Individuen sprechen und sich auf verschiedene Dinge beziehen. Erst in dem Augenblick, in dem der Irrtum erkannt wird, in dem wir die "Mißgeburt" sehen, die wir mit unseren Urteilen geschaffen haben, stellt sich das Komische ein. Im Theater genießt der Zuschauer vom ersten Augenblick an das "Geheimnis" und kann von Anfang an bemerken, wie durch diese Art der Unterhaltung Komik entsteht. Auf diesem Gebiet der Zweideutigkeit gelingen Calder&n sehr schöne Erfolge, die in einigen Komödien Szenen voller Witz hervorgebracht haben. "El astrologo fingido" enthält eine der spaßigsten auf Zweideutigkeit beruhenden Szenen des calderonianischen Theaters, der den Ernst und den Eifer sieht, mit dem die Personen debattieren, sogar noch komischer ist. Leonardo, Marias Vater, bemerkt, daß seiner Tochter ein Schmuckstück fehlt, das er ihr vor kurzem geschenkt hat. Um nicht sagen zu müssen, daß sie es ihrem Liebhaber Juan als Liebespfand gegeben hat, gibt Maria vor, daß es ihr gestohlen worden sei. Leonardo will Diego, den falschen Astrologen, konsultieren, um etwas über den Verbleib des Schmucks zu erfahren. Diego, der durch seinen Diener erfahren hat, wo er sich befindet, teilt Leonardo mit, daß Juan ihn habe. Leonardo kannte Juan bereits und hatte ihn in sein Haus eingeladen. Sehen wir jetzt die Szene, in der Leonardo schamerfüllt zu dem vermeintlichen Dieb geht und ihn um das Schmuckstück bittet. Juan glaubt, er spreche von seinen Liebesbeziehungen zu Maria, weil er sich durch den Ausdruck "aquella mano de quien la hubisteis" (das Schmuckstück) irreführen läßt, einen Satz, den Leonardo gleichermaßen als Entschuldigung für den Caballero anführt und damit irgendeinen Diener beschuldigt, ihn zu dem Diebstahl verleitet zu haben. Die ehrenhafte Haltung des Alten und das Benehmen des Galans, sowie ihr beiderseitiges Verwun286

d e m über die Reaktion des anderen machen die komische Wirkung der Szene aus. Sie zeigt uns auch, wie Calderón seine besten Erfolge gerade durch den Ernst seiner Personen und ihr vollkommen ritterliches Benehmen erzielt. Die Szene verdient es trotz ihrer Länge, vollständig wiedergegeben zu werden: León, (ap.)

Juan

León, (ap.)

Juan León. (ap.) Juan (ap.) León. Juan (ap.) León.

Juan (ap.)

León. Juan

(el es: tiemblo de hablalle. !Qué un mozo desta cara y deste talle hiciese tal! A no tener María su gusto aquí, por vida suya y mía, que no se la pidiera..., y he tenido vergüenza de miralle. Pero no me daré por entendido de que él la hurtó.) Yo vengo, Don Juan, buscándoos. Desde aquí me tengo por dichoso, si ha sido para mandarme, porque agradecido el favor, he deseado serviros. (¡Qué cortés! !Qué bien hablado! ¡Gran lástima es, por cierto, que veneno tan vil esté encubierto en tan hermoso vaso.) Yo he venido, Don Juan, vamos al caso, a vos, porque he sabido que una joya tenéis, que hoy se ha perdido en mi casa. ¡Señor! ...?Cómo? (Turbado ¡Qué presto su delito ha confesado!) (¡Cielos! !Qué es lo que he oido!) No digo yo que vos habéis tenido la culpa, sino aquella mano de quien la hubisteis (¡Fuerte estrella es la mía!) Ni dudo, Don Juan, que quien la dió, darla no pudo. Vos estáis disculpado, pues al fin la tomásteis engañado. (ap.: Así un error tan grave le pretendo dorar.) (Todo lo sabe, pero, por Dios, María, que aquí toda la culpa ha de ser mía.) Señor Yo no pretendo, Don Juan, satisfacción. dártela entiendo, 287

Leon.

(ap.)

Juan Leon. Juan

Leon,

(ap.)

Juan Leon. (ap.) Juan

Leon. Juan

Leon.

Juan Leon. 288

(ap.)

para que de tu engaño llegues con mi vergüenza al desengaño. La joya yo la tengo: vesla aguí. La disculpa, que prevengo, no es para m ^ Yo he sido solamente, señor, quien ha tenido culpa; que te ha engañado quien te dijo que nadie me la ha dado. (Tanto su error le ciega, que se lo encubro yo, y él no lo niega.) Yo soló ... Don Juan, mira que yo sé la verdad. Pues fué mentira, (ap.) (IQué esté un hombre tan ciego, que cuando de su honor a darle llego satisfacción, se culpa tanto, que aun no me admite la disculpa1 Y, pues me da ocasión con disculparme el_camino mejor es declararme.) Señor, pues se ha sabido quien la joya me dió ... (Más advertido Don Juan se ha reparado con la misma disculpa que le he dado.) Sabrás que ha muchos días, que con piedad oyó las quejas mías. (Ya se va disculpando.) Don Juan (Ya se va holgando de que su agravio diga, como lo sabe y el honor le obliga.) Yo, como habrás sabido, aunque pobre, señor, soy bien nacido. Disculpas son forzosas ... Mozo fui; no me espanto de esas cosas. Pues que mi bien dispones, por quitarme de aquestas ocasiones honra la humildad mía hoy con la celestial Doña María, y cesará con esto causa que en tal peligro nos ha puesto. Advierte Poco a poce, Don Juan (ap.: Este hombre es loco porque él ladrón no sea, quiere que yo le case (?hay quién tal crea?) con mi hija. tY que presto dice que la ocasión cesa con esto! Hurte cuanto quisiere; más casar con mi hija, no lo espere. No sin causa, Don Diego le avisaba, que un casamiento tal la amenzaba.) Don Juan, yo te prometo ... ?A tu hija, señor? Basta el secreto. 11 Vase.

Es ist einleuchtend, daß die situationsbedingte Verwechslung, von der wir im vorigen Kapitel gesprochen haben, fast immer durch die sprachliche Verwechslung verstärkt wird, aber es gibt Gelegenheiten, wo ganz besonders ein Wort oder ein Satz die wahren Urheber der Verwechslung mit komischer Wirkung sind. So ist es in "Dar tiempo al tiempo", einem Stück, das wir schon im Kapitel über die Technik des Raumes erwähnten. Wie schon beschrieben, verursacht ein Umzug in ein anderes Haus den ganzen Konflikt. Als Juan nach einer Abwesenheit seiner Dame gegenübertritt, von der er glaubt, er habe sie in der vergangenen Nacht mit einem anderen Liebhaber überrascht (er wußte nicht, daß nicht sie, sondern eine Freundin in ihrem Haus wohnt), entspinnt sich zwischen den beiden ein Dialog, der die Doppelbedeutung des Wortes "mudarse" zur Grundlage hat, das einerseits meint: umziehen, die Wohnung wechseln, und andererseits: seine Gefühle, besonders die Liebesgefühle, ändern. Jede der beiden Personen legt das Wort nach ihren Gesichtspunkten aus und wundert sich deshalb sehr über die unangebrachte Reaktion des anderen. Die Dame begreift nicht die Verärgerung ihres Liebhabers über einen harmlosen Umzug, der Galan verzweifelt vor dem, was er als Dreistigkeit seiner Dame auffaßt, die ihre Schuld nicht leugnet, sondern offen eingesteht. Juan betritt, begleitet von Chacon, das Haus Leonors, die ihn mit der größten Zärtlichkeit empfängt, aber der Caballero stößt sie grob zurück, und als die überraschte Leonor den Grund für seinen Widerwillen erfahren will, antwortet er: Juan

Leonor Juan

?Qué me preguntas, vil cocodrilo, engañosa sirena que cautelosa halago y peligro juntas, si preguntándote a ti tu falso estilo traidor, puedes saberlo mejor? ?Pudo negarme el agrado desa fingida apariencia que te has mudado en mi ausencia? Verdad es que me he mudado; pero ?Qué agravio te he hecho en mudarme? ?Habrá tenido, no digo yo el que haya sido 289

Leonor Chacón Leonor Chacón Leonor Chacón Leonor Chacón

(ap.) (ap.) (ap.) (ap.)

noble, pero el más vil pecho, descaro de confesar a un hombre que ya enganó, que es verdad que se mudó? Pues ?por qué lo he de negar, si es verdad .... (!Qué bofetada!) que me mudé (¡Qué cachete!) por mejorar (!Qué puñete!) comodidad? (!Qué patada!)

Es gefällt Calder&n sehr, mit den verschiedenen Bedeutungen des Wortes "mudarse" oder "hacer mudanzas" zu spielen. In "El maestro de danzar" spielt er im Verlauf des Stückes immer wieder darauf an. Enrique, der Leonor liebt, muß sich als Tanzlehrer ausgeben, um den Vater zu täuschen. Da dieser darauf besteht, der Lektion beizuwohnen, täuschen die Liebenden eine Stunde vor, in der Enrique Leonor seinen Ärger deutlich machen will, weil er annimmt, sie habe einen anderen Liebhaber. Leonor versucht auf die gleiche Weise, sich zu entschuldigen, so daß nur Enrique es versteht und der Vater, der zuhört, nichts ahnt. Diego, der Vater, fragt den Lehrer: Diego Enrique

Leonor Enrique Leonor

?Qué le ha parecido al maestro? Que el aire luego se deja conocer. Que sabrá presto cuanto hay que saber; porque a la primer lección veo que ha hecho toda una mudanza. Engánase, que no he hecho. Yo la he visto ejecutada. Si, pero llena de yerros.

13

In "Guárdate del aqua mansa" ist es das Wort "filis", das den einfachen Toribio irreführt. Er, der keine Ahnung davon hat, was dieses Wort bedeuten soll, sich aber vorstellt, es müsse etwas "Vortreffliches" sein, hat sich mit seiner Kusine erzürnt, weil sie ihm ins Gesicht gesagt hat, daß ihm etwas Wichtiges fehle. Er geht direkt zu ihrem Vater, um sich zu beschweren: 290

Toribio

Alonso Toribio Alonso Toribio

Alonso Toribio

Mi prima (si es que es mi prima) es una mujer terrible, con todos sus aderezos de sirena, áspid y esfinge. Aquí me ha dicho una cosa, que no pudiera decirse a un barquillero asturiano de los de quite y desquite. ?A vos? En toda esta cara. Fuerza será que me admire. ?Qué fué? Que filis no tengo. Y para que no se averigüe si los hombres como yo tienen o no tienen filis, por no obligarme a retarla en extranjeros países, haced que me compren luego cuantos filis sean vendibles, y cuesten lo que costaren. Esa es locura terrible. ?Tan caros son? Pues no importa. Donde se vende, decidme, o yo lo preguntaré? que volver no se permite a su vista, hasta volver 14 todo cargado de filis.

3. Die Rolle des Diminutivs Die Verkleinerung ist meiner Meinung nach eines der lebendigsten und ausdrucksvollsten Suffixe der spanischen Sprache, und eines der affektivsten. Es gibt verschiedene Arbeiten, die das Diminutiv in der spanischen Sprache untersuchen^, sowie einen Aufsatz, der es im Werk Calderons behandelt^®. Letzterer hat ganz richtig den despektierlichen Charakter aufgezeigt, den dieses Suffix in der Sprache unseres Dichters hat. Gehen wir jetzt einen Schritt weiter und untersuchen wir die mögliche komische Wirkung, die das Diminutiv aus dem Munde einer calderonianischen Person haben kann. Die Frage ist interessanter, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Als erstes kann man feststellen, daß die Verkleinerungsform im gesamten Werk Calderons bewußt von den Adligen vermieden wird. Hier sehen wir wieder einen Klassenunterschied. Das spanische Volk, das das Diminutiv sehr gern anwendet, hatte es zu einer seiner liebsten Formen gemacht, und deshalb waren die Adligen be291

strebt, es aus ihrem Wortschatz auszuklammern, und wenn sie es doch einmal benutzten, so geschah es immer in verächtlichem Sinn oder mit Geringschätzung. Dabei gibt es allerdings Kategorien und Calderón verwendet hier typische Formeln. Das Diminutiv macht durch seinen familiären und populären Gehalt die Sprache, und damit zugleich die Person, die es verwendet, menschlicher. Es kann auch eine Satire beinhalten, wie wir es an der Ausdrucksform vieler Figuren Calderóns sehen können. Nehmen wir eines der Beispiele, die sich in den Komödien am häufigsten wiederholen: Die calderonianischen Väter geben ihrer Geringschätzung, wenn sie sich auf die jungen Caballeros, ihre Lebensform und ihr Verhalten beziehen, durch die Verkleinerungssilbe -ito Ausdruck. Luis, Leonors Vater z. B. hat sich vorgenommen, die Ehre von Beatriz und ihrem Bruder zu retten und die genannte (die sich in sein Haus geflüchtet hatte), mit ihrem Galan zu verheiraten. Als Schwierigkeiten auftauchen, sagt er: ?Quien me ha metido a ml en esto de andarme yo entre mocitos, ajustando amor y celos? Oder Alonso, der seine Tochter mit seinem Neffen Toribio verheiraten will: porgue no quiero que lo que a mi ha costado tanta fatiga y anhelos, me malbarate un mocito que gaste en medias de pelo más que vale un mayorazgo Ähnlich drückt sich Marias Vater aus, als er die vermeintlichen astrologischen Fähigkeiten Diegos sieht: prudente quiero yo al sabio, y no como otros mocitos, que diciendo que son sabios los da por necios el siglo.

^

Diese Bezeichnung wiederholt sich in vielen Komödien fast im292

mer unter Umständen, in denen der Vater seiner Geringschätzung gegenüber dem, was wir heute als "junge Generation" bezeichnen würden, Ausdruck verleihen will. Die verächtliche Bedeutung des Diminutivs -ito ist auch an anderen Beispielen zu erkennen, in denen sich ebenfalls der tiefe Abscheu der calderonianischen Väter der Jugend gegenüber, wegen ihrer Liebesabenteuer, die mit ihrer eigenen Würde nicht zu vereinbaren sind, zeigt. In "Cual es mayor perfección" sagt Alonso, ein Vater, nachdem er in seinem Haus eine verschleierte Dame und zwei Galane angetroffen und später die Sache bereinigt hat: !No faltaba más que era andarme yo ahora, si más el lance durara, ajustando duelecitos 20 de melenas y tapadas! Das Suffix -illo vermindert ebenfalls die Eigenschaften des Objekts oder Wesens, auf das es angewandt wird; vielleicht nicht ganz so stark wie -ito, aber genau so verächtlich. Es ist eigenartig, daß es viel häufiger auf Wesen oder Dinge weiblichen Geschlechts angewandt wird. Es wird häufig von den "graciosos" benutzt, aber auch bei den übrigen Personen finden sich genügend Beispiele. Es hat eine satirische Absicht und soll eine Nachahmung mit leicht komischen Zügen dessen sein, was im ursprünglichen Wort ausgedrückt wurde. So sagt Antonio, der befreundete Caballero aus "Cual es mayor perfección" mit bezug auf Angela: La cándida beldad leve, que sierpecilla de nieve, tigrecito de cristal, como a negros nos trató el día del Angel.

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Gerade das Verächtliche dieser Verkleinerungsformen verleiht der Sprache Humor. Der Hörer, der durch die Dichtung daran gehöhnt ist, Ausdrücke wie "sierpe de nieve", "tigre", "áspid", 293

"tirana", "cruel" oder ähnliche Beiworte zu hören, die man ja spröden Frauen widmet, muß eine Verkleinerung dieser Begriffe, denen auf diese Weise etwas von ihrer vermeintlichen poetischen Größe abgesprochen wird, komisch finden, wenn sie in so lächerlicher Form erscheinen. Es wurde bereits gesagt, daß die "graciosos" diese Begriffe immer anwenden, wenn sie sich auf die Dienerinnen beziehen, und so dank der Verkleinerungsform die hochtrabende Sprache ihrer Herren parodieren. Hier ist es indessen ein Adliger, der diese Sprachform verwendet, als er von einer Dame spricht. Dies ist keine Inkonsequenz bei Calderón. Man muß berücksichtigen, was für ein Caballero diese Worte sagt, und auf was für eine Dame sie sich beziehen. Antonio, den wir schon in einem anderen Kapitel behandelten, ist ein spottender und nüchterner Caballero. Angela, die ganz dumme Dame, auf die schon häufig verwiesen wurde. Eine andere Anwendung der Verkleinerungsform mit recht erheiternder Wirkung, die übrigens regelmäßig von Calderón benutzt wird, ist die Endung auf -illo, von einer Frau ausgesprochen, wenn sie eine bestimmte Sorte Frau meint. Das Wort "mujercilla" hat im Theater Calderóns eine ganz bestimmte Bedeutung. Man bezeichnet damit jene Frauen, die nicht die Eigenschaft einer Dame haben, sei es durch Geburt oder durch ihr Verhalten. Sie kann sowohl eine Dirne als auch eine Dame sein, die sich nicht standesgemäß aufführt, immer auf Liebesabenteuer aus ist und die Männer kompromittiert. Die calderonianischen Damen benutzen den Ausdruck "mujercilla" oft, wenn sie von anderen Frauen sprechen, aber die komische Wirkung ergibt sich aus den Umständen, unter denen dies geschieht. Im allgemeinen handelt es sich um Damen, die vor ihren Galanen, Brüdern oder Vätern in so geringschätzigen Worten reden, wenn sie selbst, verkleidet oder verhüllt, die Hauptpersonen der Ereignisse waren. Es scheint, als hätten die Damen an solchen Äußerungen ein heimliches Vergnügen: 294

Por eso estoy harta yo de decir (si bien te acuerdas) que mires que no te pierdas por mujercillas, que no saben más que aventurar los hombres sagt die Dame Kobold zu ihrem Bruder, als sie von dem Erlebnis hört, das er mit einer verschleierten Dame hatte, die niemand anders als sie selbst war. Der verächtliche oder wertmindernde Charakter des Diminutivs wird von den Damen auch geschickt ausgenutzt, wenn sie etwas von ihren Verwandten erbitten wollen. Es ist die Verkleinerungsform der Bescheidenheit, die gleiche, die man heute in der spanischen Sprache verwendet, um nicht allzu läsig und aufdringlich zu erscheinen; so z. B. "quisiera hacerle una preguntita". Um diese Bescheidenheit auszudrücken, zieht Calderón die Endung -illo vor. Es ist die von den Damen bevorzugte Endung, die absichtlich den Gehalt ihrer Bitte verkleinert, damit sie, wie man so sagt, "besser ankommt". Calderón, der seine Formen sehr gern wiederholt, assoziiert mit dem Wort "alhaja" immer den Suffix -illo, und so sehen wir in einer Anzahl von Stücken mehr oder weniger ähnliche Szenen wie in "Cual es mayor perfección", wo Leonor mit viel Charme versucht, ihrem Bruder Geld für die Vesper dieses Tages zu entlocken. Dieser will etwas zu essen kaufen, aber darauf allein laufen die Wünsche seiner Schwester nicht hinaus, und sie erwidert: Lo que son dulces, y son chocolates y bebidas, ya las tengo prevenidas; alhajillas, que a ocasión de abrir un escaparate, como acaso estén allí, sólo me falta; y asi, de enviarme tu amor trate como relojes, cajillas, y estuches de filigrana, de cristal y porcelana, y si algunas sortijillas, 295

lazos y guantes quisieres añadir In "Fuego de Dios en el querer bien" will Angela ihrem Bruder eine vertrauliche Mitteilung Beatriz' verkaufen (die im übrigen eine reine Erfindung von ihr ist): y una cosa que me dijo dilatártela no quiero, aunque venderla pensaba 24 de alguna alhajilla al precio. Als letztes sei das Suffix -ico zitiert, das am volkstümlichsten ist und am wenigsten pejorative Bedeutung hat, da es das Wesen oder Subjekt, das so bezeichnet wird, nicht abschätzend bewertet, sondern eher herzliche Zuneigung verrät. Bei Calderón hat die Verwendung dieses Suffixes in erster Linie die Funktion, die Personen noch besser zu charakterisieren, ihre volkstümlichen Züge noch deutlicher herauszuheben. Darum sind gerade Toribio aus "Guárdate del agua mansa" und Angela aus "Cual es mayor perfección" die Personen, die sie anwenden. Beiden ist Unwissenheit und Einfalt des Geistes gemeinsam, die nicht zu ihrer sozialen Stellung passen. Nicht einmal die calderonianischen "graciosos" zeigen eine Vorliebe für diese Verkleinerungsform. Man findet sie bei den Bauern und Tölpeln in Calderóns Werk. Es ist daher sehr aufschlußreich, daß die beiden erwähnten Personen sie verwenden. Die komische Wirkung, die sich auf den Gebrauch dieser Verkleinerungsform durch diese Figuren stützt, besteht darin, daß es trotz ihrer Einfalt - eine Dame und ein Junker sind, die sie verwenden. Das, was das Publikum aus dem Munde einer Dienerin nicht überrascht zu hören, wird zweifellos spaßig, wenn es von einer Dame gesagt wird. Hören wir Angela in "Cual es mayor perfección". Alonso bezweifelt, daß seine Nichte Beatriz mit einem Galan spricht, und will den Behauptungen Angelas keinen Glauben schenken. Er fragt sie daher, ob sie es selbst gesehen habe, worauf die Dame antwortet:

296

Por estos mesmos ojos que se han de comer mariposicas, que aguello de los gusanos,, señor, no se han de entender con estos.

25

Und Toribio erklärt seinen Kusinen, als er mit ihnen über den Adelsbrief spricht, den er mit soviel Liebe und Hingabe hütet .... vestida de terciopelo carmesí, y allí pintados, mis padres y mis abuelos, como unos santicos de horas .

26

In der gleichen Komödie gefällt es Eugenia, der Hauptperson, die uns schon mit Ausdrücken wie "al retortero les traigo" oder beim Kommentieren eines Satzes ihres Vetters "de borrico es, por lo menos" überrascht hat, die Verkleinerungsform -ico zu verwenden. So sagt sie, als sie sich darüber beklagt, daß ihr Vater einen so weit vom Zentrum Madrids entfernten Ort ausgesucht hat, und ihre Schwester meint, es sei "por la quie tud y el jardin lo harla": Lindos cuidados! ?Quietud y jardín? Para eso Yuste está juntico a Cuacos.

27

Eugenia ist eine der am wenigsten intriganten Heldinnen Calde róns. Sie ist in dieser Hinsicht nicht mit den Damen der ande ren Komödien zu vergleichen, ist jedoch von allen die witzigste. Ein von Calderón sehr bewußt angewandtes Mittel, der damit beweisen will, daß Eugenia der Gegenpol zu ihrer Schwester, auf die der Titel des Stückes anspielt, ist. Eugenia, von der ihre Schwester sagt: pues sé .... que perderás tu remedio sólo por decir un chiste

28

erlaubt sich sogar, sich ein wenig über ihren Vater lustig zu machen, indem sie auf sein Geld anspielt, das er in Amerika

angehäuft hat, Geld, das sie gern ausgeben möchte. So erleben wir sie bei Wortspielen wie diesem: Qué Indias hay donde no hay coche? !Aqul, de Dios y sus santos! ?Qué ensyados trae, no ha escrito, muchos pesos? Pues veamos, si no han de hacer su papel, ?para qué se han ensayado?

~9

Aber dies bleibt eine Ausnahme im Theater Calderóns. Nicht alle Damen und Galane sind so witzig. Als Schlußfolgerung können wir sagen, daß die witzige Sprache, die bei den "graciosos" so wichtig ist, bei den adligen Personen nur eine geringe Rolle spielt. In dieser Hinsicht ist die Sprache der Figuren interessant, die durch ihr Verhalten mehr zum Lächerlichen neigen, wie die schon erwähnten Toribio, Angela und die Beatriz aus "No hay burlas con el amor", deren Sprache wir im einzelnen im dritten Kapitel untersucht haben. Die übrigen Beispiele sind selten und kommen bei Personen mit eher sorglosem oder spöttischem Temperament, deren beste Exponentin Eugenia aus "Guárdate del agua mansa" ist, vor. Mit der Zweideutigkeit, die durch die Sprache hervorgerufen wird, erzielt Calderón seine besten Erfolge, denn die Personen bleiben völlig ernst, wodurch der Irrtum, dem sie unterliegen, umso komischer erscheint. Die Verkleinerungsform kann humorvoll sein, weil Calderón sie fast systematisch aus der Sprache seiner adligen Figuren ausschließt. Sie steht deshalb, wenn sie aus deren Munde erklingt, nicht in Einklang mit den aristokratischen Eigenschaften dieser Personen.

1 No siempre lo peor es cierto, I, S. 1456/57 2 Guárdate del agua mansa, II, S. 1300 3 Cual es mayor perfección, II. S. 1653 4 No hay burlas con el amor, II, S. 516 5 Cual es mayor perfección, I, S. 1627 6 Guárdate del agua mansa, I, S. 1327 7 Hombre pobre todo es trazar, III, S. 224 8 El maestro de danzar, II, S. 1556 9 Guárdate del agua mansa, II, S. 1307 10 No hay burlas con el amor, III, S. 521 11 El astrólogo fingido, III, S. 160/1 12 Dar tiempo al tiempo, I, S. 1343 13 El maestro de danzar, II, S. 1561 14 Guárdate del agua mansa, II, S. 1313 15 Siehe: Amado Alonso, Para la lingüistica de nuestro diminutivo, Humanidades, XXI, 1930. n ° 21, p. 35/41

, Noción, emoción, acción y

fantasía en los diminutivos, Volkstum und Kultur der Romanen, 1935, VIII, S. 104/126, Amunategui y Reyes, una lección sobre diminutivos, Anales de la Universidad de Chile, CXIV, 1904, p. 695-718, L.J. Cisneros. Los diminutivos en español. Mercurio Peruano, XXXVII, 1956, p. 327/345 16 Manfred Engelbert, Zur Sprache Calderóns: Das Diminutiv, Romanistisches Jahrbuch, XX, 1969, S. 290/99 17 Dar tiempo al tiempo, III, S. 1356 18 Guárdate del agua mansa, I, S. 1303 19 El astrólogo fingido, III, S. 158 20 Cual es mayor perfección, II, S. 1641 21 ibid, II, S. 1629 22 La dama duende, I, S. 243 23 Cual es mayor perfección, I, S. 1624 24 Fuego de Dios en el querer bien, I, S. 1257 25 Cual es mayor perfección, III, S. 1653 26 Guárdate del agua mansa, I, S. 1302 27 ibid, I, S. 1299 28 ibid, II, S. 1313 29 ibid, I, S. 1299

VIII. SATIRISCHE ELEMENTE IN DEN "COMEDIAS"

1. Allgemeine Aspekte Als wir über die Mantel- und Degenstücke des Goldenen Zeitalters sprachen, erwähnten wir schon, daß sie in erster Linie nicht satirisch sind, wenn man sie allgemein betrachtet und einige Aspekte aus dem Werk Tirsos oder Lopes außer acht läßt. Ihre Absicht besteht nicht darin, die Sitten einer Gesellschaft zu kritisieren, da sich der Dichter - im allgemeinen völlig mit der Ideologie seiner Zeit identifiziert und nur in bestimmten einzelnen Elementen von ihr abweicht. Selbst die Schriften Quevedos, die als die besten satirischen Schriften des Jahrhunderts gelten, weisen für uns eine übertriebene Beschäftigung mit diesen Zusatzelementen auf, die bis zur ständigen Wiederholung der Motive geht: so erscheint immer wieder die unbarmherzige Kritik an den Schreibern, Schneidern, Ärzten, bis hin zu den Dichtern und den Frauen. Im Spott anadiesen - nennen wir sie einmal - sozialen Gremien erschöpft sich oftmals die Satire Quevedos, die, wenn wir sie des unvergleichlichen Reizes entkleiden, mit dem sie geschrieben ist, etwas arm an Mitteln erscheint. Gracián ist der einzige Schriftsteller seiner Zeit, der den Versuch unternimmt, über das rein Anekdotenhafte hinauszugehen, aber seine Satire bietet kaum humoristische oder komische Aspekte. Die Motive Quevedos finden wir auch episodisch in den Mantelund Degenstücken. Sie sind das Ziel der Satire von Seiten der "graciosos". Die berechnenden Frauen, die Schneider, die Dichter, die Liebe, die Ehre, der Hof und seine Intrigen, all dies ist auch das Motiv für den Spott der Diener in der spanischen 300

Komödie. Ich würde sogar sagen, die "graciosos" gehen in ihren Bewertungen weiter, indem sie Gebräuche, Sitten und ideologische Standpunkte innerhalb eines viel weiteren Gebietes verspotten, als es die vorherrschend satirischen Schriftsteller tun. Aber da sie gerade die "hombres de placer" sind, wie Graciän sagt, die, die beauftragt sind, solche Betrachtungen anzustellen, fehlt ihren Urteilen Relevanz, da ihre Figuren nicht die Achse sind, um die sich die Elemente des Stückes drehen, sondern nur ein zweitrangiger Teil davon. Der calderonianische "gracioso" bildet keine Ausnahme von dieser Regel und verspottet, so gut er kann, die verschiedenen Elemente des gesellschaftlichen Bildes. Was die adligen Personen angeht, muß noch einmal wiederholt werden, daß diese sich nicht gerade wegen einer außergewöhnlichen Neigung zur Gesellschaftssatire hervortun. Es kommt natürlich vor, daß sie sich über die harten Ehrgesetze, das bittere Dasein dessen, der arm geboren ist, oder - wie im Fall der Frauen - ihre zwangsweise Unterwerfung unter die Autorität des Mannes beklagen; aber ihre Klage enthält keine kritischen und tadelnden und noch viel weniger komische Akzente. Die Person drückt ihre Mißbilligung gegenüber einer sozialen Tatsache aus, nimmt sie aber, auch wenn sie sich beklagt, als unvermeidliches Obel hin, und es kommt ihr nicht in den Sinn, sie lächerlich zu machen oder dem Spott der anderen preiszugeben. Ausnahmsweise vermischt sich in diesen Akzenten ein bitterer Humor, der die Klagen in wirkliche Gesellschaftskritik verwandelt, eine in erhabenen Worten ausgedrückte Gesellschaftskritik, die dank der bewußten Verwendung schlichter sprachlicher Ausdrücke völlig überzeugend wirkt. In dem Stück "Basta callar" beklagt sich Margarita über eine Ehe, die ihr durch Zwang auferlegt wurde: !Mal haya el primer legislador que hizo a la mujer vasalla tanto del hombre, que quiso que ellos hereden las casas, y ellas las obligacionesl_ ?Que tenga el mundo campanas, ya al estudio de las letras, 301

ya al manejo de las armas, donde se pueden labrar mármoles, bronces y estatuas, y sobre darles los medios a su mayor alabanza, les dé también los estados, primeros o últimos nazcan; dejándonos a nosotras. sin el libro y sin la espada y sin el mando, ser sólo la más inútil alhaja de sus familias, y tanto, que el padre que más nos ama, aun con ser padre, no ve la hora de echarnos de casa?

^

Vergleichen wir die Sprache dieser Dame mit der einer anderen, die auch gezwungen wird zu heiraten, nur daß diesmal nicht Calderón der Autor ist, sondern Tirso, und die Dame ein junges Mädchen von fünfzehn Jahren, das einen alten begüterten Mann heiraten soll: Cuanto más lo considero, más me aflijo y desespero. lYo en el abril apacible de quince anos con setenta 1 ?Qué importa toda su plata, si cuando dármela trata, Con el estaño la afrenta De la vejez que la obliga? ?Ni de qué valor serán Todas sus barras, si están Mezcladas con tanta liga? Si el desposorio celebro, Y estando juntos los dos, Me dice amores con tos, Me arroja un diente requiebro, Y con él me descalabra, ?Qué he de hacer con un marido, En la ejecución fallido, Y fecundo de palabra? Was bei Calderón eine Verurteilung eines von der Gesellschaft erlassenen Gesetzes und eine bittere Klage über die Lieblosigkeit der Väter ihren Töchtern gegenüber ist, ist bei Tirso eine Gelegenheit, die gesellschaftlichen Heiratsbräuche zwischen Alten und Kindern in bissiger und leichtfertiger Sprache (man beachte dieses "en la ejecución fallido y fecundo en la pala302

bra") lächerlich zu machen und das Widernatürliche und Groteske dieses Brauches hervorzuheben. Calderön geht von einem einzelnen Phänomen aus, um zu allgemeinen Tatsachen, zu kommen und bestimmte gesellschaftliche Gesetze mit großer Reichweite zu kritisieren. Tirso kritisiert auch eine Tatsache, aber er geht nicht über den Einzelfall hinaus, mehr noch, er sucht gerade in ihm eine größere komische Wirkung, um so implizit das Allgemeine zu verurteilen. Andererseits klafft zwischen Margaritas Sprache und der Jusepas ein Abgrund. Die erste benutzt wohl abgewogene und gemessene Worte, die zweite pikareske Ausdrücke ("amores con tos", "Diente-requiebro" usw.), die in einer Komödie Calderons nur dem Diener oder der Dienerin erlaubt gewesen wären. Tirsos Kritik ist witziger, komischer, aber gerade deshalb neigt sie dazu, sich im Anekdotenhaften zu verlieren, und ihre Wirkung ist nur für den Augenblick. Calderons Kritik ist intellektueller und ironischer und - meiner Ansicht nach - wirkungsvoller. Andererseits, wenn wir zu den calderonianischen Personen zurückkehren, gibt ihnen die Handlung der Stücke wenig Gelegenheit, ihre satirische Ader zu zeigen. Es gibt viel zu viel Bewegung in dieser Art von Stücken, die Person kann auch nicht einen Augenblick dem ständigen Wirbel der sie verfolgenden Ereignisse entfliehen, um satirische Bemerkungen über ihre Umwelt zu machen. Was nicht heißt, daß es nicht doch geschehen kann. Die Motive, die dann ausgewählt werden, sind im allgemeinen: die Frau, die Liebe, die ritterliche Ehre und andere. Wir werden sie später untersuchen. Manchmal gibt es ein paar Anspielungen auf die "justicia", auf die Büttel bzw. Gerichtsdiener - sehr häufig übrigens in der spanischen Literatur des 17. Jahrhunderts -, die Calderön in verschiedenen Komödien durchschimmern läßt: gue justicia me pone tan digno miedo, 303

que al decir "teneos al rey" de pies y de manos tiemblo. sagt Félix in "También hay duelo en las damas", worauf ihm sein Freund Juan antwortet: la cuartana de los nobles llaman a agüese respe to

,

oder auch: Justicia debéis de ser, que tanto esfuerzo habéis puesto ^ en conocerme bekommt don Luis in "Bien vengas mal, sie vienes solo" zur Antwort, als er einen Streit in seinem Haus entdeckt hatte und sich einen der Angreifer ansehen wollte. Auch die Satire über die Macht des Geldes fehlt nicht. So z.B. sagt Ursino, ein alter Caballero und Vater eines der Galane aus "Con quien vengo, vengo", als er aus einem Spielhaus kommt: Fácil es de verse que he perdido, pues del juego no salgo acompañado ni a un mirón reverencias he debido, ni luz al garitero le he costado. Y aún mejor despaché que he merecido, pues que las escaleras no he rodado. Bien del garito al tiempo no hay distancia pues sólo medra el que anda de ganancia.

5

Calderóns Satire zeigt sich nicht direkt in den Bemerkungen seiner Personen, wenn wir den "gracioso" nicht mitrechnen. Sie spiegelt sich aber indirekt in den Situationen, mit denen sich die Figuren konfrontiert sehen. In den Reaktionen der Väter z. B. sieht man eine Kritik an der Übertreibung des Ehrbegriffes, der scheinbar von Calderón in seinen Stücken so sehr verteidigt wird. In den bedrängten Situationen, in die sowohl die Damen als auch die Galane geraten, um ihre amourösen Vorhaben zu einem guten Ende zu bringen, ist der Ansatz des Spottes über die sozialen Gesetze zu erkennen, denen in jener Zeit die Ehre unterworfen war. 304

Meines Erachtens ist "El astrólogo fingido" die Komödie Calderóns, die die größte satirische Absicht verrät. Valbuena spricht hier von einer "paralización de la intriga por medio de una ficción"^. Gerade in dieser "paralización" finden sich die satirischen Elemente des Stückes. Die Madrider Gesellschaft ist Zielscheibe der Satire. In diesem Stück bespöttelt Calderón fein und mit einer guten Portion Witz und Geist: a) den blinden und übertriebenen Glauben an die Astrologie, das Fehlen kritischen Verstandes, die Leichtgläubigkeit gegenüber dem Unwahrscheinlichen, b) die Vorliebe für die Übertreibung und den Klatsch, c) die Blindheit der Menschen, die nichts anderes sehen als das, was ihrer Eitelkeit oder ihren Interessen entgegenkommt. Versuchen wir, diese Punkte etwas ausführlicher zu behandeln: a) Das, was als Entschuldigung von Diegos Diener beginnt, um seinen Komplizen, nämlich die Dienerin Marias, nicht zu verraten, wird von Diego mit solchem Nachdruck bestätigt, daß die Dame nicht anders kann, als sich von den vermeintlichen astrologischen Gaben des Galans zu überzeugen. Diego selbst ist überrascht, als er merkt, wie leicht Maria ihm glaubt. Aber noch größer ist seine Überraschung, als deren Vater, ein vernünftiger und weiser Mann, nicht nur sofort die erfundene Geschichte glaubt, sondern sich sogar begeistert zeigt und mehr Einzelheiten aus Diegos Mund erfahren will. Die Überraschung verwandelt sich für Diego in Vergnügen, so daß er seine unglückliche Liebe zu Maria beinahe vergißt. Um die Sache nicht zu verderben, entschließt er sich, zusammen mit seinem Diener Morón und seinem Freund Antonio, diese erstaunliche Nachricht in Madrid zu verbreiten. Carlos, ein Galan, dem Antonio von den wundersamen Dingen erzählt, die er Diego hat tun sehen, stellt deren Richtigkeit nicht in Zweifel und ruft, um nicht "unwissend" oder "nicht informiert" zu erscheinen, aus, als er 305

von dem Astrologen spricht: En mi vida no le he hablado sino es una vez o dos, y en esas solas, por Dios, no se bien que aire me ha dado; que aunque no de astrologia (que eso era mucho saber), en el he echado de ver ^ que era hombre que sabla. Als Carlos Violante von Diegos Fähigkeiten berichtet und ihr rät, sich an ihn zu wenden, wenn sie ihren Galan Juan sehen will, weil der Astrologe in der Lage sei, sein Bild aus Flandern herzubringen, zweifelt auch die Dame nicht einen Moment an der Wirksamkeit dieser geheimen Methoden. Ihre Eile, Diegos Rat zu erbitten, ist so groß, daß sie den "manto" nimmt und das Haus verlassen will. Auf die Bemerkung ihrer Dienerin, die sie warnt, daß all dies nichts als Lug und Trug sei, antwortet sie: IBueno es eso! Si don Diego quiere, yo vere a don Juan.



Die Szene zwischen den beiden ist sehr spaßig. Diego sieht sich recht in die Enge getrieben, als er merkt, daß die Dame ihn um nichts weniger bittet als darum, ihren Liebhaber, der sich in Flandern aufhält, erscheinen zu lassen. Der Caballero bringt tausend Ausreden hervor und sagt, dies sei außerhalb seiner Möglichkeiten. Die Dame besteht immer wieder darauf, von den Fähigkeiten des vermeintlichen Astrologen fest überzeugt. Um aus dieser bedrängten Lage herauszukommen, fUhrt Diego als letztes Mittel an, daß er den Zauber nicht bewerkstelligen könne, da der so herbeigesehnte Caballero sich in Flandern aufhalte, und ein Meer dazwischenliege, das die Beschwörungen unwirksam mache. Aber es gibt kein Entrinnen für ihn. Violante antwortet erleichtert, daß ihr Galan nach Flandern "gegangen" sei, nicht, daß er sich dort befinde. Er sei jetzt kaum weiter weg als Zaragoza. Der Zufall hilft don Diego weiter. Als er erfährt, daß der Galan Violantes don Juan de 306

Medrano ist (in Wirklichkeit Diegos Rivale, weil er Marias Galan war, und sich außerdem in Madrid versteckt aufhält), kann er in aller Sorglosigkeit versprechen, daß der Galan Violante in dieser Nacht in ihrem Haus erscheinen werde, unter der Bedingung, daß sie ihm eine Nachricht schreibt. Diese Nachricht wirft Diego später durchs Fenster von Juans Haus, und dieser geht zum Haus Violantes, völlig überzeugt davon, daß sie seinen Aufenthaltsort erfahren hat und ihn rufen läßt, um von ihm wegen seiner "Untreue" Rechenschaft zu fordern. Die blinde Leichtgläubigkeit gegenüber der Macht der astrologischen Künste wird in den Worten deutlich, die Violante in jener Nacht an ihre Dienerin richtet, die kurz vorher ihren Zweifel gegenüber der geringen Wahrscheinlichkeit der Sache geäußert hat: Necia estás. ?Quieres tú con tu ignorancia poner limite a las ciencias que tanto poder alcanzan? Como no haya mar en medio, es ya cosa averiguada que vendrá; más no don Juan, sino sombra que retrata a él mismo de la manera „ que allá estuviera. Calderón, der sich in einigen seiner Stücke mit den Einflüssen beschäftigt hat, die die Gestirne auf das Schicksal der Menschen haben, behandelt das Thema in dieser Komödie in burlesker Form. In "La dama duendo" bespöttelt er den Glauben des Volkes an Hexen, Kobolde und Geister der Hölle. Die Adligen sind, obwohl sie sich manchmal den Zusammenhang der Geschehnisse nicht erklären können, niemals völlig von der Existenz solcher Geister überzeugt. In "El astrólogo fingido" ist es gerade die adlige Schicht, die sich in einem Netz von Aberglauben verfängt, das allerdings im Gewand der Wissenschaft und der Gelehrsamkeit erscheint. Der Edelmann kann über seinen Diener lachen, weil dieser an die Existenz von Geistern glaubt, aber gleichzeitig 307

akzeptiert er die Tatsache, daß man die entferntesten Dinge wissen und die Zukunft voraussagen kann, wann immer sich jemand dem Studium der astrologischen Wissenschaften widmet. Diego, der dies weiß, zögert nicht, den Bericht über seine astrologischen Studien mit den erstaunlichsten Einzelheiten auszuschmücken, so daß alle mit seinen Erklärungen zufrieden sind. So sagt er, als er von seinem angeblichen Lehrer spricht; Duró dos anos, que estuve allí, aquesta amistad, y en ellos, con estudiar y asistir, llegué, no sé si a saber (estoy por decir que si) la Astrologla tan bien, que puediera competir con el mismo, a quien mil veces envidia y espanto di. Trotz seiner Betrügereien bleibt Diego sympathisch, behauptet Valbuena Briones, und zwar deshalb, weil er vom Dichter dazu geschaffen sei, den blinden Glauben an die absurden Dinge lächerlich zu machen. Natürlich wird Diego am Ende wegen seiner Betrügereien getadelt und bestraft, aber genauso sicher sehen sich die anderen Personen lächerlich gemacht, weil sie so leichtfertig an die falsche Wissenschaft geglaubt haben. b) Die Nachricht von Diegos Astrologie geht wie ein Lauffeuer durch Madrid. Die Phantasie des Volkes kommt ins Spiel, und der eine erzählt dem anderen von den vermeintlichen Wundertaten des Astrologen, wobei das Wunderbare an den Fällen immer größer wird. Augenzeugen tauchen auf, die den Caballero dabei gesehen haben wollen, wie er Wunderdinge vollbrachte. Antonio, der den Auftrag hatte, das Gerede am ganzen Hof zu verbreiten, kehrt sehr erfreut über seine Bemühungen zurück und berichtet Diego von den Ergebnissen. Calderón zeichnet hier treffend eine nach Sensationen hungernde Gesellschaft, die aufnahmebereit ist für Klatsch und Aufschneiderei. Die Urheber des Spottes werden später bestraft, aber in diesem Augenblick befinden sie sich auf einer höheren Ebene und genießen ihren Triumph: 308

Astrólogo excelente, sois, divulgado ya de gente en gente. En Madrid no he hallado hombre ninguno, a quien no haya contado mil cosas: sea justo, o no sea justo, !Por Dios, Don Diego, que el mentir es gustó! Al punto que de vos me aparté, luego ful a la casa de juego; dljelo a dos mirones, que es lo mismo llamaros a pregones. Salí de allí, y entréme en los corrales de las comedias, donde la más oculta cosa no se esconde. Pasé adelante, a aquellas cuatro esquinas de la calle del Lobo y la del Prado, a quien por nombre ha dado una discreta dama "mentidero de varones ilustres". Lo primero fue hablar de vos; ya habla allí quien por astrólogo os tenía, y como si no fuera yo quien mejor que todos lo supiera, (?a quién esto no admira?) por verdad me contaron mi mentira. Más lo mejor de todo no fue esto sino que entré en los trucos, donde estaba un hombre que contaba cosas que os había visto hacer. No sé, por Dios, como resisto la risa. No pudiendo sufrirlo, empecé a hablar contradiciendo, de tantos disparates enfadado. Levantóse enojado, diciéndome: "Si usted no le conoce, yo si muy bien, y sé lo que aquí digo de buen original, porque es mi amigo". Tanto una novedad, Madrid esfuerza, ^ que mi mentira la creí por fuerza. c) Ist Diego ganz allein schuldig, wenn er vorgibt, Astrologe zu sein? Ganz Madrid zwingt ihn dazu, als es von seinen Gaben erfährt. Leute aller gesellschaftlichen Schichten suchen ihn auf und betrachten ihn als Allheilmittel für ihre Probleme: Violante, weil sie ihren abwesenden Liebhaber sehen will, und später, weil sie wünscht, daß ihr Liebhaber ihre Rivalin verabscheut. Carlos, weil er die Liebe Violantes erringen will, die ihn verachtet. Leonardo, weil er wissen will, wo ein vermißtes Schmuckstück steckt. Die Bemühungen Diegos, all diese "Aufträge" abzulehnen, nützen ihm nichts. Die "Klienten" lassen in ihrem Bemühen nicht nach, und so spielen sich Szenen 309

von unnachahmlichem calderonianischen Humor ab, wenn die verzweifelten Bemühungen beider Seiten gezeigt werden. Nehmen wir als Beispiel den Dialog Leonardos mit Diego, als er wissen will, wo sich das gestohlene Schmuckstück seiner Tochter befindet. Diego erschrickt zuerst, und als er sich dann verloren und verkauft sieht, versucht er es mit der Wahrheit:

Diego

y es verdad, pues no sé tanto como alguna vez he dicho, porque entonces no importò con poca causa fingirlo; más hoy, que llega a más veras porque no penséis que estimo más la opinión que el trataros verdad, la verdad os digo. Yo no sé de astrologia tanto, que pueda deciros desa joya.

Leonardo zeigt sich weder enttäuscht noch verärgert. Im Gegenteil. Dies bestärkt ihn umso mehr in seiner Uberzeugung, daß Diego wunderbare Fähigkeiten besitzt, und so antwortet er ihm: Leonardo

Diego Leonardo

Cuando yo jamás hubiera tenido noticia de que vos sois hombre docto, haberos visto hablar con tanta humildad, basta para haber creído que sabéis mucho. Por Dios, que no sé nada. Eso mismo que decís, es lo que más os acredita conmigo. Asi han de ser los que saben, muy modestos y encogidos, Vuelva por ellos su ciencia, no su soberbia. Prudente quiero yo al sabio, y no como otros mocitos, que diciendo que son sabios, los da por necios el siglo

12

Am Ende befreit Diego immer ein glücklicher Zufall aus seiner bedrängten Lage, und spielt ihm die notwendige Information zu. 310

Er ist auch geschickt genug, um seinen Auftrag mit Erfolg ausführen zu können. Als Violante ihn bittet, eine Beschwörung zu machen, damit Juan Maria verabscheut, beruhigt Diego sie und sagt, daß Juan in Wirklichkeit sie und nicht Maria liebt, und daß er seine zur Schau getragene Verachtung nur vorschiebt, um sie auf die Prot« zu stellen. Violante ist darüber sehr zufrieden, und zwischen ihr und Juan spielt sich später eine spaßige Szene ab, die deutlich die Blindheit der Dame und ihren unerschütterlichen Glauben an den Astrologen zeigt, ein Glaube, der darauf beruhte, daß Diego ihr etwas gesagt hatte, was ihrer Eitelkeit schmeichelte. Hören wir die beiden. Juan zeigt sich dieses Mal so grob, daß sein Verhalten einen gründlichen Leser calderonianischer Komödien überrascht. Es ist eine vom Dichter bewußt überlegte Wirkung, um die Reaktion Violantes auf seine geringschätzigen Bemerkungen noch sichtbarer werden zu lassen: Juan

Viol, Juan Viol.

Juan Viol.

Juan Viol.

Dijisteis que en vuestra casa no entrase: yo he obedecido, por estar más encendido otro fuego que me abrasa. Corrió el tiempo, el gusto pasa: si vos misma me mandáis, que no os vea, ?Qué os quejáis, si os obedezco? (ap.) !Qué bien sabe fingir el desden! Mirad, pues, que me mandáis. (ap. ) (!Qué bien su amor encubrió!) Que mil anos os gocéis con la dama que queréis. (ap. ) (Bien digo, pues, que soy yo.) ?Veréisme esta noche? No. No os reñirá esa señora a quien vuestro pecho adora, que yo sé que se holgará. (ap.) (Pues que soy yo, claro está que he de holgarme.) Dadme agora licencia .... ?Por que mostráis estar aquí con disguto, si yo sé que tenéis gusto, Don Juan, de estar donde estáis? Si me queréis, si me amáis, 311

Juan

Viol.

ya es la entereza sobrada. Estáis, por Dios, enganada; que después que otro sol vi, sois, Violante, para mi la cosa más olvidada. Vase PHase visto ni se ha oído en un hombre enamorado desprecio tan mal fundado 13 ni desdén tan bien fingido?

Die Dienerin Quiteria, die nicht so voreingenommen ist wie ihre Herrin, hat einen schärferen Blick für die Wirklichkeit und bemerkt daher: Antes presumo que ha sido verdad, cuando_a mirar llego que en un engano tan ciego te quieres asegurar. Aber Violante läßt sich nicht beeinflussen: ?Pues esto puede faltar, si me lo ha dicho don Diego?

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Genauso überzeugt von der absoluten Macht Diegos ist Carlos, der Violante liebt, ohne daß seine Liebe erwidert wird. Als er zu dem vermeintlichen Astrologen geht, um für seinen Liebesschmerz ein Mittel zu finden, gibt ihm Diego ein ähnliches Rezept wie das, was er Violante anbot. Er sagt ihm, daß er nicht aufgeben solle und daß, so undankbar sich die Dame auch am Anfang gezeigt habe, er ihm verspräche, daß sich seine Liebe auf sie auswirken würde. Carlos geht zufrieden fort, ohne auch nur einen Augenblick die Voraussagen Diegos anzuzweifeln. Dieser ist ebenfalls stolz auf seine "psychologischen" Fähigkeiten und argumentiert folgendermaßen: Porfiando vencerá él, y luego me dará todas las gracias a mi. ?Que mujer no se rindió a las amantes porfías? Quien más resiste, es tres días al cuarto ninguna llega. 312

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Und Diego behält Recht. Da Violante Juan eifersüchtig raachen will, gibt sie vor, ihr Herz erwärme sich für Carlos. Dieser führt natürlich all dies auf den Zauber Diegos zurück. Der Astrologe hat sehr gut erkannt, daß der absolute Glaube, mit dem ihm seine "Klienten" ehren, auch daher rührt, daß er ihnen etwas verspricht, das mit ihren Wünschen so gut in Einklang steht. Er schmeichelt Violantes Eitelkeit, indem er sagt, daß Juan sie wahnsinnig liebe, so daß sie schließlich den gröbsten Beleidigungen ihres Liebhabers gegenüber blind ist und sie als Liebesbeweis interpretiert. Das gleiche geschieht mit Carlos, der bei der kleinsten Anspielung Violantes schon glaubt, sie sei seiner Leidenschaft erlegen, und sich begünstigt sieht. Diego weiß sehr gut, daß die Leute glauben, was sie glauben wollen, und solange er sie in ihrem Glauben bestärkt, kann die Wirklichkeit mit all ihrer Kraft sie nicht von diesem Irrtum abbringen. So ist die Situation in "El astrólogo fingido", einer Komödie, in der unter humoristischem Gesichtspunkt der Witz der Situation mit der Ergründung psychologischer Motive gepaart ist, Motive einer frivolen und kritiklosen Gesellschaft, die nur auf ihr persönliches Vergnügen und das Erreichen ihrer individuellen Kapricen bedacht ist. Das, was als "Lähmung" der Intrige bezeichnet wird, ist eher eine Abweichung der Intrige, die als Richtschnur dient, um uns in reinen theatertechnischen Formen eine Satire über das Betragen der Caballeros und Damen jener Zeit zu zeigen. Hier wie in anderen schon erwähnten Komödien, in denen sich die Adligen auf einer mehr komischen Ebene äußern (erinnern wir uns an "No hay burlas con el amor" oder "Guárdate del agua mansa"), ist die Rolle des "gracioso" gleich Null. Es scheint, als wolle Calderón die Aufmerksamkeit des Zuschauers konzentrieren, damit er die humoristischen Seiten seiner ernsten Personen besser bemerkt. Bei der Behandlung der Vaterfigur sahen wir einen Ansatz zur Satire, der in vielen Komödien zu bemerken ist. Wir haben die313

sen Aspekt schon nebenbei in den vorangegangenen Kapiteln behandelt. Diese Figur mit ihrem übertriebenen Ernst erhält bei Calderön Züge, die von der Karikatur nicht weit entfernt sind. Die Satire gegen die "cultas" wurde ebenfalls untersucht, als wir das Stück "No hay burlas con el amor" und die Figur Beatriz, der Hauptperson, besprachen.

2. Die Frau Valbuena hat verschiedentlich den frauenfeindlichen Charakter des calderonianischen Theaters hervorgehoben. Ich bemerkte schon zu Beginn dieser Arbeit, daß Calderón sich meines Erachtens hier nicht wesentlich von anderen Autoren - Dramatikern oder nicht - seiner Zeit unterschied. Es wäre einer Untersuchung würdig, ob Tirso de Molina z. B., den die allgemeine Meinung als großartigen Schöpfer weiblicher Charaktere bezeichnet, sich im Grunde - zumindest in den Intrigenkomödien nicht als frauenfeindlicher erweisen würde als Calderón. Lassen wir die Einwände beiseite, die Damen Tirsos seien leichtfertig, sinnlich und kokett; aber viele von ihnen handeln aus vollkommen egoistischen Motiven, die einzig aus der Liebe erwachsen sind, und nicht wenige sind von reiner Geldgier getrieben.16 Aber Calderón konnte natürlich nicht darauf verzichten, in seinen Stücken auf die Mängel anzuspielen, die die damalige Zeit der Frau andichtete, und die als typisch weibliche Mängel betrachtet wurden. Dies war ein unentbehrliches Requisit in der Literatur, und noch viel mehr im Theater. Ohne diese Anspielungen hätte seinen Komödien eine der Würzen gefehlt, die sie schmackhaft gestalten, und Calderón kannte seine Aufgabe zur Genüge, um nicht darauf zu verzichten.' Und hier hat der "gracioso" nun wieder eine wichtige Funktion. Der Hauptteil der gegen die Frau gerichteten Satire wird durch den "gracioso" ausgedrückt, der, um die Wahrheit zu sagen, keine Gelegenheit ungenutzt läßt, um sie zu verspotten. 314

Wie verhalten sich in dieser Hinsicht die übrigen Personen? Sie folgen natürlich der allgemeinen Norm der calderonianischen Adligen in bezug auf Bedachtsamkeit und relative Zurückhaltung gegenüber allem, was als satirische oder humoristische Äußerung ihrer Umwelt aufgefaßt werden könnte. Die gegen die Frau gerichtete Satire aus dem Munde der ernsten Personen schließt, abgesehen davon, daß sie nur vereinzelt vorkommt, auch keine komische Absicht ein, die sie bei einem Quevedo oder - man braucht gar nicht so weit zurückzugehen - einem anderen Dramatiker des Goldenen Zeitalters durchaus haben kann. Calderón beschränkt sich mehr darauf, einige Tatsachen, die im übrigen allgemeiner Art sind und von allen akzeptiert werden, festzustellen und im gegebenen Augenblick einige in der Gesellschaft verwurzelten Uberzeugungen zu betonen. Mit anderen Worten: den Zuschauer in dem zu bestätigen, was er schon wußte. Bei Calderón entdecken die Caballeros keine neuen Seiten an ihrer Satire gegen die Frau. Sie finden an ihr eine Reihe von Fehlern, wissen aber zugleich, daß dies keine eigene Entdeckung ist, sondern daß sie von der öffentlichen Meinung unterstützt wird. Oft machen die Damen selbst Anspielungen auf ihre Fehler. Dies geschieht fast immer, wenn sie irgendeine Handlung, die sie für wenig lobenswert halten, rechtfertigen wollen. So z. B. als Maria aus "Bien vengas mal, si vienes solo" wahnsinnig vor Eifersucht aus dem Haus ihres Liebhabers kommt und ihre Dienerin ihr rät, daß, wenn sie Lust zum Streiten habe, sie doch die Ankunft ihres Bruders nutzen solle, um es zu tun. Sie antwortet: Necia estás. ?A qué mujer quieres que le falte una pendencia cuando la haya menester?

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Und Flora aus "Mejor está que estaba" äußert sich so: Yo, pues (Que con decir yo no es necesario que diga 315

más, pues diciendo mujer, la consecuencia es precisa), sin prevenir los sucesos que resultarme podrían de que alguien me conociese, con Laura fui Die satirischen Anspielungen aus dem Munde der adligen Personen verraten keine komischen Absichten. Die Caballeros sind weit davon entfernt, mit ihrer Satire einen Witz machen zu wollen. Nur einige von ihnen, wie z. B. Diego aus "Hombre pobre todo es trazas" oder Alonso aus "No hay burlas con el amor" oder auch Antonio aus "Cual es mayor perfección" geben ihrer Satire betont spöttische Züge, die sich bei den anderen nicht finden. In den verschiedenen Kapiteln wurde bereits unter dem einen oder anderen Aspekt der Charakter dieser Personen untersucht, so daß es uns nicht im geringsten verwundert, daß ausgerechnet sie es sind, die für diese Beispiele stehen. Der Katalog weiblicher Fehler, die Gegenstand der Kritik sind, kann in wenigen Punkten zusammengefaßt werden. Eines der Lieblingsmotive Calderóns ist die Anspielung auf die indiskrete Natur der Frauen, denen es unmöglich ist, längere Zeit ein Geheimnis zu bewahren. Die Diener und Dienerinnen erwähnen dieses Charakteristikum häufig, aber auch die Caballeros und Damen bringen es in vielen Komödien immer wieder in Erinnerung. Das geschieht so häufig, daß Calderón selbst eine Formel dafür fand, als er behauptete, daß "secreto y mujer implican contradicción" (Frau und Geheimnis stehen in Widerspruch zueinander) Ironisch drückt sich auch Diego in "Bien vengas mal, si vienes solo" aus, als er von seiher Geliebten Ana erfahren will, was Sie einer Freundin anvertraut hat, und Ana sich weigert, ihm das Geheimnis zu verraten: Mujer eres, poco importa que descubras un secreto. No aspires, dona Ana, a ser el prodigio de los tiempos.

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In "Con quien vengo, vengo" ist es eine Dame, die ihrem Bruder verspricht nicht auszuplauern, was er ihr eben gesagt hat: El callarlo te prometo, aunque yo sea mujer, y él sea secreto. Unvorsichtigkeit und Leichtsinn der Frau sind ebenfalls Motive für die Kritik, und es sind, wie schon erwähnt, hauptsächlich die Damen, die auf diesen ihrem Geschlecht eigenen Fehler aufmerksam machen. Ein anderes, häufig wiederholtes Motiv ist die Unbeständigkeit der Frau. Félix drückt es in "Guárdate del agua mansa" so aus: Vos estáis bien persuadido que en Madrid, cosa es notoria, que en las damas la memoria vive a espalda del olvido. Su favor y su desdén ya en ningún estado no hizo fe: ¡bien haya yo, qui en mi vida quise bien! Genauso häufig ist die Satire gegen die "culta" oder zumindest außergewöhnlich gebildete Frau. Und nicht nur gegen die lächerliche "culta" in der Art von Beatriz, sondern auch gegen die geistreiche oder allzu intelligente Frau. In "Hombre pobre todo es trazar" will Félix, der von der schönen und intelligenten Beatriz verachtet wird, ihre Geringschätzung nicht länger ertragen und ruft erbittert aus: Vamos, Leonelo, porque no quiero que tenga ocasión, Beatriz, de ser descortés conmigo y necia, porque son muy insufribles necedades de discretas. Und als Alonso, der Vater Eugenias, in "Guárdate del agua mansa" erfährt, daß seine Tochter Bücher und Verse liebt, sagt er verärgert:

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?Versos? ¡Gentil cañamazo! ?No fuera mucho mejor un remiendo y un hilado? Betrügerisches Verhalten und Untreue sind andere negative Eigenschaften, die im calderonianischen Theater verurteilt werden. Hauptsächlich sind es die Liebenden, die glauben, eine Herabsetzung erlitten zu haben, die Argumente anführen, um das falsche Verhalten ihrer Damen und der Frauen im allgemeinen zu zeigen. Diese Klagen haben keine satirische Absicht, sondern sind Vorwürfe gegenüber dem, was sie für Betrug von Seiten ihrer Damen halten. Die satirische Absicht findet sich jedoch bei Diego aus "Hombre pobre todo es trazas", als er, um seine Betrügereien zu rechtfertigen, sagt: No será trato ruin que yo engañe a dos, si una suele enganar a dos mil. Die altbekannte Satire gegen die "Dueñas", die im gesamten Theater des 17. Jahrhunderts so in Mode war, kommt ebenfalls vor, ausnahmsweise bei einem Adligen Calderóns. Aber nicht bei einem gewöhnlichen Adligen, sondern bei dem plumpen Toribio aus "Guárdate del agua mansa", der, als er Mari-Nuñez erscheinen sieht, ausruft: Toribio

Alonso Torlbio

!Ay, señor tio! ?Qué es esto? ?TrajIsteis este animal de las Indias? Que no creo que es_hombre ni mujer, y habla. Es dueña. ?Y es mansa?

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Die übertriebene Vorliebe der Frauen, Geschenke zu erbetteln und zu empfangen, ein Motiv, das bei Quevedo schon an Besessenheit grenzt, findet sich in den calderonianischen Mantelund Degenstücken nur sehr selten, und wenn es auftaucht, so immer bei irgendeinem spöttischen Caballero. So drückt sich z. B. Alonso in "No hay burlas con el amor" aus, indem er in Geist und Sprache an den "caballero de la tenaza" von Quevedo erinnert: 318

?No sabes lo que en aquesto más me mata, mas me admira, que usándose hombres que nieguen se usen mujeres que pidan? Viel zynischer drückt sich Juan aus, der Galan in "No hay cosa como callar", ein Caballero "tenorio" mit niedriger Auffassung von der Frau, die er mit wahrer Leidenschaft betrügt und verspottet: Ni yo la hora de verme en la cama, que es la mas hermosa dama y mas cómoda, pues no pide pollera ni coche, y en un rincón encerrada todo el día está, y no enfada con gozarla cada noche.

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Im allgemeinen nehmen nur wenige calderonianische Caballeros die Frau als Zielscheibe für ihre Satire. Nur die erwähnten Frauenverführer erlauben sich in ihren Ausdrücken eine gewisse Freiheit und Ungeniertheit in dieser Beziehung. Das beste Beispiel hierfür ist Diego aus "Hombre pobre todo es trazas" (man könnte annehmen, daß Calderón den Namen Diego mit dem Betrug verbindet, wie Angela mit der Schelmerei und dem Ränkeschmieden oder Leonor mit der Dame, die zwei oder drei Galane um sich herum hat). Genau wie der Diego aus "El astrólogo fingido", der, zunächst durch einen Zufall dazu veranlaßt, später vom Spott getrieben, sich dazu hinreißen läßt, eine Schau daraus zu machen und eine ganze Stadt an der Nase herumzuführen, so betrachtet es der andere Diego augh nicht als Schande, sondern eher als Ehre, die Frauen zu betrügen, und findet offensichtlich großen Gefallen daran. Indirekt wird in diesem Stück die weibliche Leichtgläubigkeit gegenüber den Liebesgeständnissen der Galana bespöttelt und folglich auch ihre Dummheit, da sie, wenn sie sich von ihrer Eitelkeit leiten lassen, nicht mehr fähig sind. Wahres vom Falschen zu unterscheiden. Diego plustert sich mit seinen Spottkünsten auf und ausgerechnet Beatriz, die intelligente, geistreiche Frau ist es, die am Ende dem Betrug erliegt: 319

No hay quien a una mujer burlar no pueda. Damas, las más discreta y entendidas, criticas presumidas, las de más arte, ingenio, industria y_mana, quien no quiere enganaros, no os engana. Das ist Diegos These. Er wiederholt sie, so oft er kanr . So auch, als ein Freund den Einwand macht, daß es für ihn schwer sein wird, Beatriz davon zu überzeugen, daß er und der angebliche Dionis Vela nicht die gleiche Person sind. Er antwortet: y no está la dificultad en ser Beatriz necia o entendida, que al fin la más presumida tiene ingenio de mujer. In diesem Fall hat Diego Recht. Am Ende gelingt es ihm, Beatriz etwas vorzumachen, und der Zuschauer hört, wie sie, als sie vor ihrem Liebhaber steht, ihn für den anderen hält und ausruft: Estoyle, Inés, mirando de espacio, y voyme asi desenganando; porque, aunque es parecido, no es tanto como habla yo aprendido; que éste mil cosas tiene en que con Don Dionis no se conviene Die moralisierende Wirkung dieser Lösung, bei der Diego keine der beiden Damen heiratet und von ihnen beschimpft wird, vermindert nicht den Eindruck, den der Betrug hinterlassen hat, da hier nicht Beatriz' Geist über Diego triumphiert, sondern der Zufall, der es gewollt hat, daß die Dame von den schlechten Künsten ihres Galans erfuhr. Aber nicht Diegos Meinung ist für das calderonianische Theater ausschlaggebend. Die "graciosos" z. B. glauben nicht an die weibliche Leichtgläubigkeit und Naivität. Ganz im Gegenteil verwünschen sie bei jeder Gelegenheit deren Schlauheit und Geschicklichkeit und vergleichen ihr Wissen mit dem des Teufels.

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Die einzige Komödie mit vorherrschend satirischem Charakter gegen die Frauen, oder besser gesagt, gegen einen ihrer Fehler, ist "No hay burlas con el amor". Dieses Stück wurde bereits untersucht, und es wurde festgestellt, daß die Satire des Dichters nicht bitter ist, sondern konstruktiv, und daß sie mit fröhlichen Vorzeichen voll feinsten Humors durchgeführt wird. Beatriz wird nicht nur von ihrem Fehler, der am Ende nur noch unwesentlich ist, geheilt, sondern ihre Figur gewinnt zuletzt an Adel, und mit der Liebe und der Ehe erhält sie den Preis für ihr "Bemühen", sich zu ändern. Ihre Figur ist mit viel Sympathie gezeichnet. Wenn wir uns an die Klassifikation Rommels erinnern, auf die wir in der Einleitung verwiesen haben, kommen wir zu der Ansicht, daß "No hay burlas con el amor" eines der zauberhaftesten Beispiele für das Lustspiel darstellt, voller bühnenwirksamer Komik, die aus der Freude am Spiel und dem Humor erwächst.

3. Die Liebe Ernst Arnold veröffentlichte 1968 eine Arbeit über die Darstellung der Liebe in den calderonianischen Dramen.^"*" Der Autor zieht den Schluß, daß sowohl in der Sprache als auch in einigen Begriffen über das Wesen und die Wirkung der Liebe ein deutlicher Einfluß der provenzalisehen Dichtung und der platonischen Renaissancelyrik zu spüren ist. Nur in seiner Auffassung über die Ehre weicht Calderón von beiden ab, da er sie nicht nur mit der höfischen Liebe für vereinbar hält, sondern auch als deren Krönung und Ziel ansieht. Die Liebe ist bei Calderón ein galantes und höfisches Spiel. Die Leidenschaft spielt eine zweitrangige Rolle und bleibt immer in Schranken. Ehre und Pflicht stehen hoch über den Neigungen des Herzens. Arnold zeigt schließlich den idealistischen Charakter der Liebe bei Calderón auf, der der Wirklichkeit der damaligen Zeit nicht entspricht, sondern etwas zeigt, wie es "sein sollte". Diese Idealisierung der Liebe, die durch die Abnahme einiger literarischer, von vornherein festgelegter 321

Formen erfolgt, die übrigens das ganze calderonianische Werk durchzieht, vor allem seine Mantel- und Degenstücke, hat zur Folge, daß für die Satire gegen diese besondere Form der Liebe, die in so vielen dramatischen Stücken ihren Ausdruck findet, wenig Platz bleibt. Die Personen, die die Träger eines derart idealisierten Begriffs von Liebesempfindungen sind, können nicht anders als ihm treu bleiben, wenn sie nicht riskieren wollen, daß ihr Verhalten unpassend wirkt. Die Person beklagt sich, der Tradition folgend, und weint in klischeehafter Form über die Wirkungen der "tyrannischen Leidenschaft", aber sie lacht nicht darüber, von einigen Ausnahmen abgesehen. Diese Ausnahmen sollen als Ausgangspunkt für die folgenden Betrachtungen dienen. Der verspottende und verführende Caballero, von dem wir schon im dritten Kapitel gesprochen haben, wie auch der "nüchterne Freund" richten ihre Satire gegen den Begriff der idealisierten und höfischen Liebe. Die satirischen Äußerungen dieser Männer stimmen mit ihrem Charakter und ihrer Haltung dem Leben gegenüber überein. Sie verachten die Liebe - jedenfalls die Liebe, wie sie Calderón gewöhnlich in seinen Stücken versteht und verspotten sie. Sie akzeptieren jedoch ihre angenehmere Seite, die ihren Absichten mehr entgegenkommt. Sie verspotten außerdem alle diejenigen, die unter ihr Joch geraten sind. Innerhalb dieser gemeinsamen Züge gibt es aber in bezug auf ihre Auffassung von der Liebe auch Unterschiede zwischen ihnen. a) Die am wenigsten idealisierte Auffassung und die in brutaler Weise realistischste verkörpert Juan aus "No hay cosa como callar". Für ihn ist die Liebe Ausdruck des sexuellen Begehrens, das in dem Augenblick gestillt ist, in dem es befriedigt wird. Seine Ratschläge an einen Freund, um seine Dame zu vergessen, lauten folgendermaßen: Alcanzar esa hermosura. Esta es la cura, don Luis, más cuerda porque ?quien tan importuna pasión tuvo, que de una 322

lograda ocasión se acuerda? ?Por qué pensáis que Maclas enamorado muridó? Porque nunca consiguió

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Die Haltung Juans macht seinem Namen Ehre, wenn man ihn als Symbol auffaßt. Es ist nicht gesagt, daß seine "Demokratie" bis zu der des Burladors de Sevilla reicht, der alle sozialen Schichten durchläuft, aber geographisch gesehen kennen seine Neigungen zumindest keine Grenzen: Si por damas, cosa es llana que a mi lo mismo me inclina angosta una vizcaína, que ancha una castellana Juan brüstet sich damit, nicht die geringste Zuneigung gegenüber einer Frau zu empfinden:

no hay mujer que me deba cuidado de cuatro días; porque burlándome de ellas, la que a mi me dura más, es la que menos me cuesta. Auf die Frage don Luis, der erstaunt ist, daß Juan überhaupt keine Neugier zeigt, wer die Dame in seinem Gemach war, die er vergewaltigt hat, und wie sie dorthin gekommen ist, antwortet Juan in zynischer Weise, indem er sich über die konventionellen Formen der Liebe lustig macht: que estimara el no saber della más, porque estoy ya muy cansado de saber como se llama y donde vive mi dama, que porte tiene, y que estado; b) Ohne derart niederträchtig wie Juan zu sein, hat Diego, der Held aus "Hombre pobre todo es trazas" eine ziemlich ähnliche Vorstellung von der Liebe wie dieser. Man kann aus dem Stück nicht ersehen, ob Vergewaltigung oder einfach die sexuelle Er323

oberung einer klar, daß die Zeitvertreib, Damen betrügt ist.

Dame zu seinen Methoden gehören, aber es ist Liebe für ihn ein Spiel ist, ein unterhaltsamer besonders anziehend für ihn dadurch, daß er die und verspottet und ihnen, natürlich, nicht treu

finjo, engano, y es forzoso tener dicha semejante, porque ya el más firme amante es el menos venturoso. sagt er als Erklärung für sein Glück bei den Frauen. Sowohl Juan als auch Diego haben die Verachtung für die Liebe gemeinsam, aber auch ihre scheinbare Anpassung an sie. Beide fühlen sich frei von Gefühlen, der eine denkt nur an sein sexuelles Begehren, der andere an sein Amüsement und an wirtschaftliche Interessen, aber beide führen die Liebe in der hergebrachten Form durch. Sie hofieren die Damen, legen ihnen gegenüber tausend Liebes- und Treueschwüre ab, machen ihnen mit den ausgesuchtesten Worten Komplimente, in einem Wort, sie erfüllen alle Gesetze der höfischen Liebe bis ins kleinste. Die Personen, die wir jetzt als Beispiele bringen, stehen nicht nur der Liebe im allgemeinen abweisend gegenüber, sondern wenden sich auch offen gegen ihre äußeren Formen. Don Alonso aus "No hay burlas con el amor" liebt seine Freiheit über alles, und die Tatsache, sich zu verlieben, erscheint ihm als Ungeheuerlichkeit: Pues no hace alevosía, traición ni bellaquería como enamorarse un hombre

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Alonso betrachtet die Liebe mit völlig leidenschaftslosen Augen, frei von vorgefaßten Meinungen und Vorurteilen. Die Art, die Damen jener Zeit zu umwerben, erscheint ihm lächerlich. Von ihm hören wir die spaßigsten satirischen Verse, die Calde324

r6n je einem Caballero in den Mund gelegt hat, wenn er davon spricht, wie die Damen umworben werden: ?Yo mirar a una ventana embobado todo el dia, haciendo el amor ardiente a un cántaro de agua fría? ?Yo sobornar a una moza, porque mis penas la diga? ?Yo abrazar a un escudero con la barba hasta la cinta? ?Yo seguir a una mujer, ni saber donde va a misa ni si la oye? (Que al fin yo, don Juan, en toda mi vida he averiguado a mi dama si tiene o no tiene crisma: y ellas se alegran, pues todas niegan donde se bautizan.) ?Yo escribir papel tan cuerdo que mil locuras no diga, donde ande el razonamiento entre el afecto y la dicha? ?Yo parlar a una ventana, dos horas de noche fría, para pedir una mano a quien siempre que la pida me responda "es de mi esposo", y con aquesta porfía me ande con su doncellez dando en rostro cada día? Die leidenschaftliche Ausdrucksweise, derer sich die übrigen Personen Calder6ns gewöhnlich bedienen, wird auch von Alonso, allerdings zur Vertretung seiner völlig entgegengesetzten Ansichten, benutzt. Seine Abneigung gegen die Liebe läßt ihn nur ihre Unbequemlichkeiten sehen, und diese bieten uns, wenn sie betont und übersteigert werden, ein Bild der Liebe, das karikaturistische, und somit auch komische Züge besitzt. Nicht weniger spaßig in dieser Hinsicht ist Antonios Sprache in "Cual es mayor perfección". Wir erwähnten seine Auffassung von der Liebe und vom Leben bereits früher. Antonios Angriffe richten sich besonders gegen die von den Verliebten benutzte Sprache, gegen den ständigen Gebrauch der gleichen Wendungen, gegen die Wiederholung der gleichen Mittel und vor allem gegen die Absurdität der poetischen Sprache. 325

Als ein Freund ihn fragt, was er Luis gesagt habe, antwortet Antonio ironisch: ?Qué se yo? Aquello de que me abraso, con su algo de girasol, cielo, estrella, luna y sol y lo demás que en tal caso de derechos se requiere. Bei einer Gelegenheit kann er nicht anders, als seine Freunde in einer ihrer leidenschaftlichen Beschreibungen der Schönheit einer Dame zu unterbrechen und in humoristischem Ton zu sagen: De eso hipérboles llenos de crepúsculos y albores, el mundo cansado está. ?No los dejaremos ya_ siquiera por hoy? Señores, IQué nunca me pase a mi esto de una mujer ver, que sea más que una mujer 1 En cierta ocasión_me vi en casa de una señora, de quien decían que era el alba su pordiosera y su mendiga la aurora. A oscuras quedé algún rato, y su luz no me alumbró, hasta que en la cuadra entró un candil de garabato. Mirad: IQué sol tan civil, el que arrastrando despojos, no puede hacer que sus ojos alumbren lo que un candil. Diese spöttischen Bemerkungen über die typische Sprache der Liebe (und damit auch über die Sprache Calder6ns selbst) finden sich auch bei anderen Personen. In "Con quien vengo, vengo" ist es Lisarda, eine Dame, die sich über diese Ausdrücke lustig zu machen scheint. Als der Liebhaber ihrer Schwester nachts kommt, um mit seiner Dame zu sprechen, und Lisarda ihm die Tür öffnet (indem sie sich als Dienerin ausgibt), findet folgender Dialog statt: Juan 326

Escasa

Lisarda

de luz, la noche, no da, Nise, solo un rayo. Ya en presencia de Leonor, será luz y resplandor, la tiniebla oscura y fría.

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Ganz allgemein kann man sagen, daß die Satire gegen die Liebe, die Calderón nur sehr selten aus dem Munde einer seiner Personen - und wenn, von einem ganz besonderen Typ - durchblicken läßt, zum großen Teil durch das Geschick gemildert wird, daß der Dichter jedem einzelnen am Ende des Stückes bereitet. Die Hauptperson aus "No hay cosa como callar" scheint von ihren Neigungen nicht unbedingt geheilt zu sein, sieht sich aber immerhin genötigt, das Joch der Ehe auf sich zu nehmen. Die verführte Heldin erhält so ihre befleckte Ehre zurück und besiegt die Unglücksfälle, die der Zufall ihr bescherte. Diego aus "Hombre pobre" heiratet am Ende nicht und bereut seine Fehler, was andererseits nicht bedeutet, daß er seine Denkweise über die Liebe geändert hätte, denn sein moralischer Fehler bestand im Lügen und Betrügen. Das Schicksam Alonsos in "No hay burlas con el amor" ist voll Ironie. Er, der sich so sehr gegen die Liebe sträubte, der soviel Anstrengungen darauf verwandte, sie zu verspotten, indem er die Konflikte, die sie mit sich bringt, lächerlich machte, ergibt sich nicht nur verliebt Beatriz, der "culta", dem Typ Frau, der seinem Geschmack am wenigsten entsprach, sondern setzt sich ihretwegen schlimmeren Risiken aus, als er selbst sich jemals vorgestellt hat: er wird in einen Schrank eingeschlossen, stürzt vom Balkon, erhält einen Messerstich usw. In einem Wort, er verhält sich so töricht wie die von ihm lächerlich gemachten Liebhaber. Antonio ist die Person, der am meisten Freiheit zugestanden wird. Natürlich heiratet er am Schluß, er heiratet gezwungenermaßen, aber das bedeutet keine Änderung seiner Vorstellungen, die die gleichen bleiben. Er geht eine Ehe aus Vernunftsgründen ein, da die Dame sehr reich ist und er sehr arm. Wir sehen hier, daß diese Personen nicht genügend Kraft besit327

zen, ihre Ideen ihrer Umwelt aufzuzwingen, weil sie ein wenig in Mißkredit stehen. Keiner von ihnen ist der "fehlerlose Typ" des Caballeros. Nur Antonio - dessen Rolle übrigens zweitrangig ist - rettet sich vor dieser Beurteilung, und es ist sehr einsichtig, daß seine Satire sich gut der Mentalität Calderóns jener Zeit anpaßt, eines schon reifen Calderóns, der, obwohl er in seinem Theater auch weiterhin alle traditionellen Mittel benutzte, um die Liebe auszudrücken, seine Äußerungen mit anderen Augen ansah und bemerkte, was man an ihr verspotten konnte. Die Tatsache, daß in der gleichen Komödie ("Cual es mayor perfección") der Intelligenz der Frau die Vorrangstellung gegenüber ihrer Schönheit gegeben wird, ist ein Beweis, daß Calderón - indem er mit der Tradition brach - sich nicht von den Sinnen beeinflussen ließ und in seinem Theater (in bezug auf die Liebe) die tiefsten und dauerhaftesten Werte sichtbar machte.

4. Der ritterliche Ehrenkodex Wenn die Komödien Calderons und sein Gesamtwerk ganz allgemein eine Verteidigungsrede für die Ehre und die ritterlichen Tugenden sind, eine beständige Exemplifizierung der Eigenschaften und Pflichten der adligen Schicht, so darf man nicht denken, daß die Personen, die diese Fülle von Eigenschaften verkörpern, auch nur einen Augenblick daran denken, sie lächerlich zu machen. Das erotische Gebiet bot, wie wir gesehen haben, den meisten Stoff für die Satire. Weder die Frau noch die Liebe waren davor sicher, mit kritischem Blick betrachtet und in mancher Beziehung lächerlich gemacht zu werden. Aber dies erscheint normal, wenn man die Hierarchie der geltenden Werte im calderonianischen Kosmos bedenkt. Die Frau, solange sie nicht Ehefrau ist, und die Liebe, solange sie sich im vorehelichen Zeitraum abspielt, sind etwas, das den "gusto", das Vergnügen, betrifft (ich gebrauche hier einen Ausdruck Calderons, den er in vielen Passagen seiner Komödien verwendet). Auch wenn die Liebe und die Frau Anlaß zu Ereignissen und Abenteuern sind, obwohl sie ihre eigenen Gesetze haben, sind 328

sie nicht etwas so Geheiligtes und Wichtiges für das Individuum wie die Ehre, mit der die calderonianischen Personen gewöhnlich nicht spaßen. Wenn sie sich über ihre ungerechten Gesetze beklagen, so sind ihre Klagen ernst. Eine satirische Kritik bedeutet eine Herabsetzung, ein Lächerlichmachen dessen, was sie als das höchste Gut und wesentlichste Attribut ihrer aristokratischen Persönlichkeit ansahen. Die strikte Befolgung der Ehrgesetze ist jedoch etwas, das eine vollkommene Kenntnis eben dieser Gesetze erfordert und ihre korrekte Anwendung in einer bestimmten Situation. Die Sache ist nicht so einfach wie im Fall des Ehebruchs, wo man genau weiß, welche Haltung man einnehmen muß: die Beleidigung mit dem Blut der Ehebrecherin und ihres Geliebten rächen. Auch nicht wie bei der Ohrfeige, bei der der Angegriffene weiß, daß, weill er nicht auch nur eine Minute entehrt dastehen, er sich mit dem Angreifer schlagen muß. Es gibt eine Unzahl von Konflikten, in denen sich der Caballero nach den Regeln der Ehre verhalten muß, die aber nicht so genau definiert sind, daß er genau weiß, wie er sich ihnen gegenüber verhalten muß. Daher rühren die in einem anderen Kapitel besprochenen Zweifel und Schwankungen, die den Caballero befallen, weil er nicht weiß, welcher Norm er den Vorrang geben muß. Wenn diese Konfliktsituationen übertrieben und eine nach der anderen in einer Komödie angehäuft werden, wirken sie schließlich auf den Zuschauer komisch, für den der Ehrenkodex schon ein Text ohne Geist ist, ein steifes System von Pflichten, die sich nicht nur der Spontaneität des Individuums widersetzen, sondern die aus ihm eine Marionette machen, die nur durch Fäden bewegt wird (in diesem Fall die Ehrgesetze). So geschieht es in einigen Komödien, wie z. B. in "Los empeiios de un acaso" oder "Con quien vengo, vengo", die, nachdem man sie gesehen oder gelesen hat, wie eine verhüllte Satire auf einen Aspekt der Ehrgesetze, nämlich das des Duells, wirken. Die Caballeros sehen sich in ihrem ehrsüchtigen Eifer, genau und in jedem Augenblick ihre Pflichten zu erfüllen, in die absurdesten Situationen gedrängt und zu den unlogischsten Handlungen getrieben. Der tierische Ernst, mit dem sie ihre Handlungen durchführen, überzeugt davon, daß sie vollkommen richtig handeln, obwohl das gegen den elemen329

tarsten gesunden Menschenverstand spricht, führt dazu, daß der Zuschauer das Lächerliche ihres Vorgehens bemerkt. Manchmal hat einer von ihnen einen lichten Moment und wird sich der absurden Situation bewußt; so in "Los empeños de un acaso", als Juan feststellt, daß er sich nur aufgrund einer Namensverwechslung mit einem Mann schlagen muß, den er nicht kennt und gegen den er eigentlich gar nichts hat: ?Quien en el mundo, ¡Cielos! se vio sin dama, sin amor, sin celos, en tal lance empeñado?

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Dies ist zugleich eine Bemerkung für den Zuschauer, damit er das Widernatürliche der Situation genau wahrnimmt. Aber das hindert nicht daran, daß sich der Galan während des ganzen Stückes bemüht, nicht gegen die Normen, die ihn fesseln und verpflichten, zu verstoßen. Die Verwirrungen und Schwierigkeiten, zu denen die Befolgung des Duellgesetzes führen kann, bleiben einigen Personen nicht ganz verborgen. In "Dicha y desdicha de nombre" befindet sich César in einer ähnlichen Lage wie Juan in "Los empeños de un acaso"; er hat vergeblich seinen Freund Felix überzeugen wollen, sich nicht zu schlagen, denn er glaubt, das Duell gelte ihm. So kommentiert er, als Félix gegangen ist: 10h lo que dirán de mi ahora los duelistas, cielos, sobre si hice bien o mal!

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Gelegentlich sind die Caballeros dieser Verpflichtungen überdrüssig. Dies enthüllt ihre menschliche Seite, und ihre Ausdrucksweise zeigt, wie satt sie es haben, sich immer mit Fingerspitzengefühl zu benehmen, um nicht ihre adligen Tugenden zu verlieren. So passiert es Félix in "El escondido y la tapada", der sich gezwungen sieht, mit einem Freund loszuziehen, um eine Beleidigung zu rächen. Obwohl Félix sich bereit zeigt, seinem Freund in allem zu helfen, kommt er murrend aus dem Haus und ruft, ohne daß der andere es hören kann, aus:

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¡Oh, a que de cosas obliga esta necia ley del duelo! Viel spaßiger ist die Reaktion einer anderen Person: In "Fuego de Dios en el querer bien" hält sich Alvaro ruhig in seinem Haus auf, sitzt am Tisch und schreibt einen Brief. Plötzlich hört er draußen einen Kampf und die Stimme eines Mannes, der ausruft: "Flieht, ihr Feiglinge"! Die ihm als Edelmann innewohnenden Instinkte erwachen bei Alvaro sofort, und so ruft er, völlig im Einklang mit der Situation, pathetisch aus: ?Como se puede excusar no salir, tal voz oyendo? Einen Augenblick später fällt ihm offensichtlich ein, wie unwichtig ihm diese Streiterei auf der Straße ist, und wie wenig Lust er hat, sein Haus zu verlassen, denn mit dem trockenen Humor, der die calderonianischen Personen auszeichnet, fügt er hinzu: Que esta es una de las muchas necedades que hace el cuerdo.

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Zusammengefaßt bietet das Gesetz des Duells unter den verschiedenen Verpflichtungen, die der Ehrenkodex dem Caballero auferlegt, das meiste Material für eine satirische Behandlung, sei es durch ausdrückliche Anspielungen der Person selbst, sei es durch die Struktur der Komödie und die Darbietung der Situationen in einer Art, aus der der Zuschauer die Kritik des Dichters in dieser Beziehung erkennen kann.

5. Die Stadt und der Hof Die Stadt Madrid war im 17. Jahrhundert Zielscheibe der zeitgenössischen Satire: der Schmutz in den Straßen, der Zustand des Bodens, die Gefahren, die dem Fremden drohten, der sich in diesen städtischen Urwald begab, die Scherze der "Capeadores", der Mantelräuber, der Wirrwarr seiner Plätze. All dies und 331

viel mehr wurde von jedem Dramatiker des 17. Jahrhunderts, und auch von den Dichtern (man erinnere sich an Góngora und Quevedo) oder Schriftstellern wie Zabaleta behandelt. Diese Richtung wird auch im Theater Calderóns vertreten, aber fast ausschließlich beim "gracioso". Das Sittentheater des Madrider Dramatikers bietet uns sehr typische Szenen, die ein verworrenes und buntes Madrid zeigen. Wir brauchen nur an "Dar tiempo al tiempo" zu denken: Juan und sein Diener Chacón kommen nach langer Abwesenheit des nachts in Madrid an. Chacón fällt in eine Grube und wird völlig von Schmutz besudelt. Während er über den Zustand der Straßen in Madrid flucht, will er sich an einem Brunnen reinigen, als ihn auf den Ruf "Vorsicht, Wasser" ein Eimer mit schmutzigem Wasser und voller Exkremente trifft. Als sich der arme Diener dem Haus seiner Braut nähert, wird ihm die Tür geöffnet und ein Neugeborenes mit den Worten "die Juana hat sich heute Nacht als richtige Frau bewährt" in den Arm gelegt. Chacón ist außer sich, aber auf all seine Schimpfreden antwortet sein Herr nur: Extrañas cosas suceden_ en Madrid, y por extrañas no molestan tanto como por lo que aguí me dilatan llegar a adorar, Leonor, los umbrales de tu casa. Diese Haltung charakterisiert den calderonianischen Caballero in bezug auf eine mögliche Satire gegen die Stadt. Genau wie die Diener keine Gelegenheit versäumen, um spaßige Bemerkungen über die Dinge zu machen, die am Hofe vor sich gehen, scheinen die Galane, nur auf ihre Liebes- und Ehrenprobleme bedacht, ihnen gegenüber blind zu sein. Bei Tirso, Lope oder anderen Dramatikern finden sich spöttische Bemerkungen über tausend tadelnswerte Dinge in Madrid, auch von Seiten der Adligen. Bei Calderón fehlen solche Anspielungen fast völlig. Einmal übt die sympathische Eugenia aus "Guárdate del agua mansa" Kritik am Zustand der lauten Madrider Straßen, aber ihre Kritik ist zugleich eine feurige Lobeshymne auf die Hauptstadt, die alle 332

Wünsche einer Dame, die sich gern amüsiert, erfüllen kann: Pero en Madrid ?qué quietud hay como el ruido??Y qué cuadro, aunque con más tulipanes que trajo extranjero mayo, como una calle que tenga gente, coches y caballos, llena de lodo en invierno, llena de polvo el verano Es ist ebenfalls sehr erstaunlich zu bemerken, daß, wenn aus dem Munde eines Adligen eine witzige Anspielung kommt, dieser sich halbwegs dafür entschuldigt, vielleicht, weil er annimmt, es sei ein Zeichen mangelnder Originalität und schlechten Geschmacks. So macht es auch Alvaro in "Fuego de Dios en el querer bien", als er seiner Schwester von einem Ausflug an den Manzanares berichtet. Nachdem er die Gegend in ausgesuchten und gewählten Worten beschrieben hat, schließt er: País tan hermoso y tan vario, que para ser la "Florida" estación de todo el orbe la más bella, hermosa y rica, sólo al rio falta el rio; más ya es objección antigua Es scheint, als schäme sich Calderón hier ein wenig, daß eine seiner Personen der Versuchung erlegen ist, sich einen Witz mit dem Manzanares zu erlauben - dem Fluß, über den schon Generationen von Dichtern gelästert haben und als entschuldige er den Schnitzer, indem er die hypothetischen Einwände, die man ihm machen könnte, schon vorwegnimmt.

6. Die Ironisierung der Theatereffekte Einer der beliebtesten Vorgänge in der Technik Calderons besteht in der Anspielung auf die Komödie in der Komödie selbst, etwas, das von den Kritikern schon beachtet und untersucht 49 wurde. 333

Valbuena Prat nennt es "Ironie und Reflexion über die eigenen szenischen Mittel", und es gibt kaum ein Stück, in dem nicht die eine oder andere Anspielung dieser Art auftaucht. Calderón bedient sich hauptsächlich der "graciosos" für diese Zwecke deshalb sollen sie hier verschiedentlich zitiert werden -, aber er nimmt die adligen Figuren nicht völlig aus. Untersuchen wir diese Mittel, die in augenscheinlichster Form einen wichtigen Aspekt des calderonianischen Humors offenbaren, etwas genauer. Die fiktive Wirklichkeit der Komödie kann sich auf doppelter Ebene zeigen: a) Der Dichter scheint diese Wirklichkeit zu akzeptieren, d.h. er gibt vor, daß die Komödie ein Stück des wirklichen Lebens ist; aber trotzdem macht er in ihr Anspielungen auf die Welt der Komödie und ihre Normen, als ob die Personen, die scheinbar - in der Wirklichkeit leben, den Normen des Theaters folgen müßten, als ob sie in ihrem Leben die Verhaltensweiser der Figuren des Theaters nachahmen müßten. Dafür haben wir in "Antes que todo es mi dama" ein Beispiel, wo wir den Galan Lisardo sagen hören: Todo lo sé; y puesto que amistad tanta los dos profesamos, Félix, hablémosnos cara a cara; que esto de andar dos amigos engañados de una dama, es bueno para que dure entretenida una farsa, más no para que suceda Oder besser noch in "Bien vengas mal, si vienes sólo", wo Ana und Diego einen Streit über Eifersuchtsfragen gehabt haben. Sie trennen sich, aber Diego kommt wieder zurück: Diego

334

Si habéis visto; y no me espanto que no conozcáis las senas, porque me visteis dichoso, y ya los favores truecan las desdichas

Ana

Deso mismo he visto yo una comedia.

51

Auch in "Hombre pobre todo es trazas", wo der Galan Diego sagt: ?No has visto en una comedia verse dos, y en mil razones hacerse mil relaciones de su gusto y su tragedia? Pues imitemos aquí su estilo, que en esta parte tengo mucho que contarte.

52

b) Die Wirklichkeit der Fiktion löst sich auf. Das Publikum, an die Theaterkonvention gewöhnt, nach der es alles, was auf der Bühne geschieht, als wirklich aufnimmt, entdeckt plötzlich, daß die handelnden Personen sich ihrer Eigenschaft als fiktive Wesen bewußt werden. Es existiert keine Wirklichkeit mehr, nicht einmal eine scheinbare. Alles ist reine Fiktion. Das Theater zeigt sich vollkommen nackt und gibt nicht vor, das Leben nachzuahmen, und seine Gestalten folgen nicht mehr den Gesetzen des Lebens, sondern nur denen des Theaters. Die Negation der Wirklichkeit der Fiktion wird fast immer durch den "gracioso" durchgeführt, fehlt aber auch bei den übrigen Personen nicht. Sie kann in einer gemäßigten Form vorkommen, bei der der Zuschauer feststellt, daß die Person nicht mehr ihren - in der angenommenen Wirklichkeit der Intrige angemessenen Umständen entspricht, sondern als Person, die sich aus ihr entfernt, um in Angleichung an die Wirklichkeit des Spielens zu handeln. So hören wir eine "Duena" in "Gustos y disgustos no son más que imaginación" sagen: Yo estoy en notable aprieto pues sola me vengo a ver y un soliloquio he de haver o he de decir un soneto. ?Que escogeré de los dos?

53

oder zwei Diener in "Antes que todo es mi dama": Hernando

sino hagamos cosa 335

Mendoz Hernando

que sea nueva en los teatros ?Qué es? Que seamos amigos, pues que lo son nuestros amos; que es muy viejo esto de andar de pendencia los criados toda la vida.

Dieser Zerfall der Wirklichkeit der Fiktion kann ganz brüsk erfolgen. Die Person handelt nicht nur als fiktives Wesen, als Produkt der Phantasie des Dichters, sondern tritt dem Publikum direkt gegenüber, indem sie in ihm einen "Schock" hervorruft und gleichzeitig einen Kontakt zwischen sich und dem Zuschauer herstellt, während sie auf mögliche Einwände antwortet und seine Aufmerksamkeit weckt, damit er etwas bemerkt, was sie für wichtig hält. So sagt die "graciosa" in "El maestro de danzar", als der Vater einer der Damen den Galan seiner Tochter mit dem Freund der Dienerin verwechselt und der Irrtum aufgeklärt ist: No_estoy ahora de gracias..Señores, ?qué un día que sólo se vio a pique la criada de casar con el galán hubiese estorbo? IMal haya mi alma y mi vidal Noch vielsagender ist der Fall Isabels, der Dienerin aus "La dama duende", die, nachdem sie ihre Absicht geäußert hat, Cosme ein paar Kohlen anstatt des Geldes in den Beutel zu tun, sich ans Publikum wendet und sagt: quitarle de aquí el dinero al tal lacayo, y ponerle unos carbones. Dirán ?dónde demonios los tiene esta mujer? No advirtiendo que esto sucedió en Noviembre y que hay brasero en el cuarto. Dieses Mittel, die dem Theater eigenen Elemente ironisch zu behandeln, seine "Tricks" bewußt herauszustellen, zeigt einerseits eine überlegene und intellektuelle Technik - daher ist 336

es mit den Tendenzen des Theaters späterer Epochen verwandt (Pirandello, Cocteau, Ionesco usw.) - aber andererseits läßt es uns auch eine der wesentlichsten Eigenschaften des Theaters an sich sehen: seinen "spielerischen" Charakter. In ihm widerspiegelt sich die Fähigkeit, sich ständig aus der Wirklichkeit in die Fiktion zu flüchten, sich in der Fiktion durch das Spiel wie in der Wirklichkeit zu fühlen. Die Kinder spielen "General", "Prinzessin" oder "Indianer". Das Kind beginnt, "Theater" zu spielen, von dem Moment an, wo es seinen Verstand gebraucht, und ist Autor und Zuschauer zugleich. Mitunter ist es schwierig, die Grenzen zwischen dem Fiktiven und dem Wirklichen zu erkennen. Der Erwachsene lernt später, diese Grenzen zu ziehen, seine Phantasie läßt ein wenig nach, aber er läßt das Spiel nicht. In der Gesellschaft lernt er, in anderer Form zu spielen. Er versucht jetzt, eine Rolle zu "spielen". Nicht mehr vom Gefallen am Spiel bewegt, sondern aus anderen, unterschiedlichen Beweggründen. Im Theater, wie es sich zur Zeit Calderons entwickelte, war der Zuschauer daran gewöhnt, die szenische Fiktion als "Spiel" oder Aufführung zu betrachten, die er annehmen oder auch ablehnen konnte, in der er sich aber nicht als Teilnehmer empfand, sondern als Außenseiter. Die Versuche Calderons, die Wirklichkeit der szenischen Fiktion zu zerstören, die Tatsache, daß seine Personen sich gelegentlich an den Zuschauer wenden, sind eine ausdrückliche Einladung an diesen, an den szenischen Tricks teilzunehmen, sich, da er die Fiktion nun kennt, in diese Welt des "Spiels" einzulassen; etwa so, wie es bei den Marionetten geschieht, wo die Gliederpuppen den Kindern beständig ihre Absichten mitteilen und sie sogar bitten, sich zu zeigen oder ihnen zu widersprechen. Diese Tendenz bei Calder6n, das - illusorische - Gefühl der Wirklichkeit des Theaters zu zerstören, eine Verbindung zwischen den Personen der Fiktion und dem Zuschauer zu schaffen, ist nur angedeutet, ist aber ein avantgardistischer Zug in der Theatertechnik unseres Dichters. Wir müssen bis ins 20. Jahrhundert gehen und die modernen Tendenzen im Theater be337

trachten, um herauszufinden, daß das Theater neue Wege sucht und daß es diese Beziehung zwischen Zuschauer und Fiktion, die Teilnahme des Zuschauers am "Spiel" für wichtig hält. Die ironischen Anspielungen Calderóns beschränken sich nicht nur auf die szenischen Mittel im allgemeinen, sondern ganz besonders auf seine eigenen. Calderón bespöttelt - und wie! seine eigenen "Rezepte". Hierin enthüllt er sich uns als ein wahrer Humorist. Es gelingt ihm, sich von sich selbst zu distanzieren und uns zu zeigen, daß er fähig ist, wenn auch sehr zurückhaltend über seine eigene Technik zu lachen. Ist es vielleicht das Vertrauen in die Überlegenheit dieser Technik, die ihn dazu bringt, sie zu verspotten, weil er weiß, daß er deshalb nicht angegriffen werden kann? Oder ist es das sorgfältige Bestreben, den möglichen Bedenken des Publikums zuvorzukommen, als wollte er ihm damit sagen: "Ich ahne eure Kritik, ehe ihr sie überhaupt gedacht habt"? Zweifellos hat Calderón immer die Einwände, die das Publikum ihm machen könnte, vor Augen gehabt, wenn er sich eine neue Begebenheit ausdachte. Deshalb gefällt es ihm, mit dem Überraschungsmoment zu spielen, mit dem "Bluff", neue Lösungen zu schaffen, die das Publikum nicht erwartet, ihm aber hinterher zu verstehen zu geben, daß er, der Dichter, mehr gewußt hat als das Publikum. Diese ständige Sorge in bezug auf die Reaktion des Zuschauers ist sehr eigenartig bei Calderón, wie auch der Wunsch, seine Überlegenheit zu zeigen. Wir sehen in "La dama duende", wie Isabel - das Sprachrohr des Dichters - sich in diesem Fall darin gefällt, den Gang der szenischen Ereignisse zu unterbrechen, um sich mit dem Publikum über mögliche Herkunft der Kohlen zu unterhalten. Am Ende ist der Zuschauer an der Nase herumgeführt, weil er nicht daran gedacht hat, daß es Winter und somit auch ein Kohlenbecken vorhanden ist. Die Szene in "Hombre pobre todo es trazas" ist noch raffinierter. Beatriz und Clara sehen sich zusammen mit ihren zwei Dienerinneu Isabel und Ines gezwungen, sich draußen auf dem Lande zu verstecken, um nicht erkannt zu werden. Wir müssen uns die 338

ganze Szenenausstattung der damaligen Zeit vorstellen, die nämlich sehr dürftig war. Als Beatriz vorschlägt, man solle sich hinter "estas rotas tapias" verstecken, ruft Ines sehr ironisch aus: Estéril poeta es éste pues en un campo le falta hiedra, jazmín o arrayán para esconder unas damas. Calderón hat sich schon zum Echo eines hypothetischen Vorwurfs von seiten des Zuschauers gemacht und sich selbst angegriffen. Aber dann kommt der Uberraschungseffekt, und er triumphiert vor dem Publikum. Die andere Dienerin antwortet: ?No ves que estamos detrás de San Jerónimo, y basta que finja tapias? Y aun ésas plegue al cielo que las haya. Diese Sorge vor den Bedenken, die man seinen Methoden gegenüber haben könnte, ist noch bis in die ernsten Dialoge zwischen Caballeros und Damen zu spüren. In "Con quien vengo, vengo" hat Octavio seinen Freund bei seinen Unternehmungen um Hilfe gebeten. Damit dieser erfährt, worum es sich handelt, gibt er ihm einen sehr ausführlichen Bericht über sein Leben, seit er das letzte Mal mit seinem Gesprächspartner zusammen war. Als er schon 21 Verse lang erzählt hat, bemerkt Calderón, daß er überhaupt noch nichts Konkretes gesagt hat, und läßt ihn ironisch Selbstkritik an seiner Erzählweise üben: Más ?qué va que estáis diciendo ahora entre vos: este hombre dónde va con este cuento, que ha dejado tantos cabos para su novela sueltos? Porque él tiene introducidos una dama, por quien muerto de amores está; un amigo de quien se queja con celos; un duque a quien encarece: a mi, a quien tiene propuesto que le tengo de valer 339

Und als Rechtfertigung fügt er hinzu: Pues de la farsa que emprendo todos somos personajes Damit ihm keine Vorwürfe gemacht werden können, fährt er dann fort: *

Pues ninguno está más. A

58

Darauf folgen 53 weitere Verse, in denen er sich wieder entschuldigt, "Dame, Freund, Krieg, Begegnung, Herzog und Franzose" angeführt zu haben, weil all dies in der Erzählung nötig war. Jetzt erfolgt der überraschende Schlag des Dichters. Nachdem er indirekt den Zuschauer davon überzeugt hat, wie wichtig es war, alle diese Vorbemerkungen genau erfahren zu haben, um schließlich zum eigentlichen Kern der Geschichte vorzustoßen, zum wesentlichen, und nachdem er die Aufmerksamkeit des Publikums, das jetzt großes Interesse dafür zeigt, worin das schwere Problem Octavios besteht, auf die Folter gespannt hat, unterbricht er den Bericht an der spannendsten Stelle, weil der Vater Juans, des anderen Caballeros, kommt, um mit seinem Sohn zu sprechen. Calderón scheint also den möglichen Einwänden des Publikums zuvorzukommen, er scheint so zu tun, als sei er ganz anderer Meinung, um nachher durch eine Änderung der Ereignisse, oder eine Bemerkung ganz anderer Art das Publikum mit einem unerwarteten Ausgang zu verblüffen und zu erstaunen, es sozusagen an der Nase herumzuführen. Es gibt bei Calderón eine Tendenz, an Gemeinplätzen festzuhalten, seien es allgemeine szenische Gemeinplätze oder die persönlichen des Dichters selbst. Daß er sich deutlich seiner Methode bewußt war, gewisse Mittel zu wiederholen, zeigt uns Alonso, wenn er in "No hay burlas con el amor" sagt: ?Es comedia de don Pedro 340

Calderón, donde ha de haber por fuerza amante escondido o rebozada mujer?

59

In "El escondido y la tapada" rebelliert eine der Personen gegen den Dichter, indem sie ihm - indirekt - Mangel an Originalität vorwirft. Als Lisarda und Beatriz die Verheerung sehen, die im Zimmer angerichtet ist, und nicht wissen, wie sie entstanden ist, ruft Beatriz aus: Esto ya es hecho, porque es paso de la Dama Duende, y no he de pasar por él.

60

Calderón beherrscht bis ins Letzte eine Technik, das Publikum zu verwirren, es brüsk in die Wirklichkeit zurückzuführen, es für einen Augenblick die Konflikte, die sich auf der Bühne abspielen, vergessen zu lassen und so seine Aufmerksamkeit auf die Methoden und Techniken des Dichters zu lenken, der mit einer ganzen Portion Humor auf diese Weise seine Kunstfertigkeit demonstriert. In "Las manos blancas no ofenden" gelingt es Lisarda, als Mann verkleidet und verhüllt, dank der Verkleidung aus dem Saal zu gelangen, ohne daß man sie erkennt. Dies ist eine der wichtigsten Szenen des Stückes. Aber hier unterbricht nun eine Dienerin die Fiktion und wendet sich an das Publikum, um darauf aufmerksam zu machen, daß die Dame sich nicht auf die übliche Weise, an die man bei Calderón schon gewöhnt ist, in Sicherheit bringt: Haya testigos de que, aunque un embozo la salva, no hubo manto en la comedia sino mascarilla y capa.

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1 Basta callar, I, S. 1710/11 2 Por el sótano y el torno, 2. Akt, 3. Szene, Comedias de Tirso de Molina, Biblioteca de Autores Españoles, Bd. V, S. 235 3 También hay duelo en las damas, II, S. 1507 4 Bien vengas mal, si vienes solo, I, S. 604 5 Con quien vengo, vengo, III, S. 1152 6 Angel Valbuena Briones, Nota preliminar a "El astrólogo fingido" in Obras completas de Calderón de la Barca, Vol. II, p. 127 7 El astrólogo fingido, II, S. 146 8 ibid, II, S. 147 9 ibid, II, S. 151 10 ibid, S. 142, II 11 ibid, III , s. 148 12 ibid, III , s. 157/58 13 ibid. III , s. 161 14 ibid, III , s. 161 15 ibid, III , s. 157

16 Hier ein Beispiel aus "Por el sótano y el torno", das den Charakter einer Dame Tirsos zeigt: La codicia y la afición Pelean dentro en mi pecho, Y cada cual el derecho Alega de su opinion: Tiene Jusepa razón En no cautivar cuidados Con setenta anos nevados; Y asi combate me dan Las barras del capitan. Que pesan diez mil ducados. Convénceme el interés A guardalla y reprendella, Y la edad la inclina a ella Al gallardo portugués. Amigo de mi amante es; Bastaba para obligarme A hacer sus partes, si el darme Los diez mil no hiciera excesos Pues perdiendo diez mil pesos, No tengo con que casarme. El viejo la está mejor, Que es una boba mi hermana, Pues cien mil ducados gana Al primer lance de amor: La senectud sin calor Es nieve que se dilata Al fuego que la maltrata; Necia será si no admite Anos que el amor derrite; Pues se queda con la plata Diese Bernarda, egoistisch und berechnend, die sich nicht von ihrer natürlichen Neigung zu einem Caballero leiten läßt, weil sie so zehntausend Pesos verlieren würde, die sie von ihrem zukünftigen Schwager erhalten könnte, dem alten Mann, mit dem sie ihre Schwester verheiraten will, wird nicht, wie man erwarten könnte, am Schluß des Stückes 342

b e s t r a f t . Im G e g e n t e i l , sie h e i r a t e t e i n e n j u n g e n u n d sehr

reichen

M a n n , der sich in sie v e r l i e b t h a t u n d ihr z e h n t a u s e n d P e s o s für d i e E h e schenkt. E i n e ä h n l i c h e F i g u r f i n d e t s i c h im T h e a t e r

Calderóns

nicht. 17 B i e n v e n g a s m a l , sie v i e n e s solo, III, S. 627 18 M e j o r e s t á que e s t a b a , I, S. 387 19 B i e n v e n g a s m a l , sie v i e n e s solo, I, S. 614 20 C o n q u i e n v e n g o , v e n g o , I. S. 1137 21 G u á r d a t e d e l a g u a m a n s a , I, S. 1290 22 H o m b r e p o b r e t o d o es t r a z a s , I, S. 212 23 G u á r d a t e d e l a g u a m a n s a , I, S. 1293 24 H o m b r e p o b r e t o d o e s t r a z a s , I, S. 205 25 G u á r d a t e d e l a g u a m a n s a , II, S. 1302 26 N o h a y b u r l a s c o n e l amor, I, S. 511 27 N o h a y c o s a como c a l l a r , II, S. 1020 28 H o m b r e p o b r e t o d o e s t r a z a s , II, S. 230 29 ibid, III, S. 218 30 ibid, III, S. 229 31 E r n s t A r n o l d , D i e D a r s t e l l u n g d e r L i e b e in d e n D r a m e n v o n C a l d e r ó n , Dissertation, München

1958

32 N o h a y c o s a como c a l l e r , II, S.

1017/18

33 ibid, II, S. 1017 34 ibid, I, S. 1001 35 ibid, II, S. 1019 36 H o m b r e p o b r e todo e s t r a z a s , I, S. 205 37 N o h a y b u r l a s c o n el amor, I, S. 497 38 ibid, II, S. 511 39 C u a l e s m a y o r p e r f e c c i ó n , I, S. 1624 40 ibid, I, S. 1620 41 C o n q u i e n v e n g o , v e n g o , I, S. 1138 42 L o s e m p e ñ o s de u n a c a s o , II, S. 1063 43 D i c h a y d e s d i c h a d e l n o m b r e , III, S. 1837 44 E l e x c o n d i d o y la t a p a d a , I, S. 682 45 F u e g o de D i o s e n el q u e r e r b i e n , I, S.

1258

46 D a r t i e m p o al t i e m p o , I, S. 1335 47 G u á r d a t e del a g u a m a n s a , I, S. 1229 48 F u e g o de D i o s e n e l q u e r e r b i e n , I, S. 1251 49 V g l . A n g e l V a l b u e n a Prat, C a l d e r ó n , s u p e r s o n a l i d a d , su arte co, su e s t i l o y sus o b r a s , B a r c e l o n a 1941. E b e n f a l l s : C a r m e n

dramátiBravo

V i l l a s a n t e , L a r e a l i d a d de la ficción, n e g a d a p o r e l g r a c i o s o , X X V I I I , 1944, S.

RFE,

264/68

50 A n t e s q u e t o d o e s m i d a m a , I, S. 883 51 B i e n v e n g a s m a l , sie v i e n e solo, II, S. 617 52 H o m b r e p o b r e t o d o es t r a z a s , I, S. 204

343

53 Gustos y disgustos no son más que imaginación, I, S. 963 54 Antes que todo es mi dama, I, S. 874 55 El maestro de danzar, III, S. 1572 56 La dama duende, I, S. 247 57 Hombre pobre todo es trazas, III, S. 231 58 Con quien vengo, vengo, I, S. 1134/35 59 No hay burlas con el amor, II, S. 514 60 El escondido y la tapada, II, S. 693 61 Las manos blancas no ofenden, III, S. 1117

SCHLUSSBETRACHTUNGEN

Ich hoffe, mit dieser Arbeit gezeigt zu haben, daß das Werk Calderóns, auch wenn man die Figur des "gracioso" ausklammert, genügend Material für eine Untersuchung des Humors bietet. Diese letzten Seiten sollen nun dem Versuch einer Synthese und einer Zusammenfassung der hervorstechendsten Aspekte, die eine solche Untersuchung anbieten kann, dienen. Die Schlußfolgerungen lauten: Der humoristische Aspekt im Werk Calderóns wurde bisher noch nicht im einzelnen untersucht, auch wenn es nicht an Arbeiten fehlt, die ihm nachspürten. Die Meinungen der Kritiker über einen angeblich humoristischen Calderón sind in vielen Fällen geteilt. Die "ernsten Personen" wurden bisher noch nie unter diesem Aspekt untersucht. Ebensowenig die Situationskomik. Die auf diesem Gebiet angefertigten Arbeiten beziehen sich immer auf die Figur des "gracioso". Das humoristische Element findet sich besonders in den Mantelund Degenstücken ausgeprägt, und innerhalb dieser bei denjenigen, die sich im städtischen Raum abspielen, also in den sogenannten "Sittenkomödien". Die Struktur solcher Komödien ist der Entwicklung und Äußerung des Humors angepaßt. Die Äußerung des Humors zeigt bei den adligen Personen sehr eigentümliche Züge: Der calderonianische Edelmann ist im allgemeinen ernst und sich seiner Würde in übertriebener Weise bewußt; er verachtet den Witz, scherzt fast nie und ist völlig unfähig, das Leben von der scherzhaft-spöttischen Seite zu betrachten, Darin unterscheidet er sich von seinen Bühnen-Verwandten bei Tirso, Lope oder anderen zeitgenössischen Dramatikern, die ihre Dialoge mit spaßigen Ausdrücken würzen und 345

nicht versäumen, einen Witz zu machen, wenn die Gelegenheit es erfordert. Neben diesen würdevollen Figuren taucht indessen eine Gruppe von Personen auf, die vom humoristischen Talent Calderóns bei der Schaffung von Charakteren Zeugnis ablegen. Innerhalb dieser Gruppe gibt es zwei Arten: die einen sind wirklich komische Charaktere (Beatriz aus "No hay burlas con el amor", Toribio aus "Guárdate del agua mansa", Angela aus "Cual es mayor perfección"). Zur anderen Kategorie gehören die Personen, deren Charakter keine lächerlichen Züge aufweist, sondern die in ihrer Haltung gegenüber den Ereignissen einen bewußten Humor besitzen. Erinnern wir uns an die beiden Angelas aus "La dama duende" und "Fuego de Dios en el querer bien" oder an Alonso aus "No hay burlas con el amor". Auch Antonio aus "Cual es mayor perfección",Diego aus "Hombre pobre todo es trazas" und Eugenia aus "Guárdate del agua mansa" gehören hierzu. Es bleibt hinzuzufügen, daß es andere Personen gibt, die, obwohl sie nicht ganz und gar unter die letzte Gruppe fallen, sich auch durch ihre Fähigkeit zum Humor auszeichnen, den sie bei einigen Gelegenheiten ausdrücken (Diego in "El astrólogo fingido", Beatriz in "Cual es mayor perfección", Félix in Guárdate del agua mansa" und andere). Ein besonderer Zug Calderóns ist es, daß die Personen, die komische Züge aufweisen oder humoristische Absichten haben können, Figuren sind, die in irgendeiner Form nicht den Idealvorstellungen vom Benehmen ihrer Klasse entsprechen. Mit anderen Worten: der Humor Calderóns äußert sich nicht bei seinen Prototypen, sondern bei seinen Typen, was besagt, daß die humorvollen Züge dazu beitragen, der Figur Individualität und Persönlichkeit zu geben. Die Beziehungen zwischen den Personen sind gekennzeichnet durch eine besondere Form des Betrugs, die den meisten Stoff für die komische Wirkung liefert. Diese Form kann in drei verschiedene Phasen eingeteilt werden: die übertriebene Höflich346

keit, die Verstellung und der "Schwindel". Die Situationskomik basiert hauptsächlich auf der Verwechslung und allen ihren Formen. Hierbei verwendet Calderón seine typischen Mittel, die er wiederholt und mit großer Mannigfaltigkeit einsetzt. Als wichtigste seien genannt: der Austausch und die Verwechslung von Persönlichkeiten, das Annehmen der Identität eines anderen, die Verhüllung, die Verkleidung und die Dunkelheit. Der Raumfaktor - die Architektur, das Zusammentreffen von Personen in einem geschlossenen Raum usw. - spielt eine nicht geringe Rolle bei der komischen Wirkung, die durch Situationen hervorgerufen wird. Die sprachlichen Äußerungen des Humors bei den adligen Personen sind sehr sporadisch und durch ihre Gemessenheit gekennzeichnet. Zwischen ihrer Sprache und der der "graciosos" klafft ein Abgrund. Wenn eine Figur sich trotzdem nicht an die Verhaltensregeln hält, denen sich die Personen bei Calderón unterwerfen müssen, kann ihre Sprache entweder völlig komisch sein (auch wenn es nicht in ihrer Absicht liegt, diese Wirkung hervorzurufen, wie bei Beatriz in "No hay burlas con el amor" oder Angela aus "Cual es mayor perfección"), oder mit humoristischen Ausdrücken durchsetzt (Alonso in "No hay burlas con el amor" oder Antonio in "Cual es mayor perfección"). Typisch calderonianisch ist auch das Mittel, einen Diaglog zu zeigen, der komisch wirkt, weil er auf Zweideutigkeit basiert. Diese Wirkung wird noch durch den außerordentlichen Ernst vertieft, mit dem die Personen ihre Rolle spielen und so die Doppeldeutigkeit noch sichtbarer machen, wobei sie das Absurde der Sprache in bezug auf die Wirklichkeit zeigen. Der satirische Teil des calderonianischen Theaters wird im allgemeinen vom "gracioso" getragen, aber auch hier gibt es einige Vertreter der gehobenen Schicht, denen Kritik in den Mund gelegt wird, wie sie in der Literatur der damaligen Zeit recht häufig ist: z. B. an den Frauen, der höfischen Liebe, 347

der Macht des Geldes oder den übertriebenen Verpflichtungen, die der ritterliche Ehrenkodex auferlegte. Es gibt Komödien von Calderón, in denen man eine satirische Absicht erkennen kann. Hier seien die folgenden genannt: "No hay burlas con el amor" (die Exzesse, zu denen die Manie des "culteranismo" bei den Frauen führen kann, werden lächerlich gemacht), "El astrólogo fingido" (der auf humoristische Weise die blinde Leichtgläubigkeit der gehobenen Schicht an die Wirksamkeit der Astrologie offenbart), "La dama duende" oder "El encanto sin encanto" (in denen der Aberglaube angegriffen wird), "Con quien vengo, vengo" oder "Los empeños de un acaso" (die zeigen, wie absurd das gewissenhafte Streben, die Verpflichtungen der Ehrgesetze, und besonders das Gesetz des Duells peinlich genau zu befolgen, ist), "Guárdate del agua mansa" (ein Stück, das das Groteske am Verhalten einer Person auf einem Gebiet zeigt, das nicht das seine ist, oder, mit anderen Worten, das Betragen eines Tölpels am Hof), "Cual es mayor perfección" (eine Satire gegen die Einfalt bei der Frau). Die Ironisierung der Mittel des Theaters, besonders der des Dichters selbst, ist ein charakteristischer Zug des calderonianischen Humors. Wie wir gesehen haben, geschieht sie nicht nur durch die "graciosos"; auch die übrigen Personen tragen dazu bei. Eine verhüllte Satire gegen die übertriebene Unterordnung der Frau sowie gegen die strengen Gesetze, die ihre Liebesbeziehungen beherrschen, läßt sich aus der Behandlung der Figur ableiten, die die Autorität verkörpert, die des Vaters, der in vielen Komödien mit Zügen ausgestattet ist, die ihn in den Augen des Zuschauers lächerlich machen. Die Erfolge Calderóns auf dem Gebiet des Humors, soweit er sich auf die Personen bezieht, beruhen hauptsächlich auf: a) dem Talent, völlig komische Charaktere zu schaffen, die jedoch niemals ins Gewöhnliche oder Anstößige abgleiten, und die 348

immer - trotz der Lächerlichkeit in ihrem Verhalten - etwas von ihrer Würde behalten (Beatriz reagiert gelassen, als sie von dem Spott erfährt, dessen Zielscheibe sie gewesen ist; Toribio erkennt am Ende die herabsetzende Rolle, die er spielt, und sieht ein, wie unpassend es für ihn ist, eine Dame aus der Hauptstadt zu heiraten. b) dem Einsatz von komischen Mitteln von universeller Gültigkeit in Zeit und Raum zur Offenbarung dieser Charaktere. Es sind die neuen und doch so alten Mittel, die sich auf die Beobachtung der menschlichen Natur gründen und daher zu allen Zeiten und bei allen sozialen Schichten Erfolg haben. c) der Dosierung der komischen Wirkung, dank der der Calderón die Auftritte der Person berechnet. sie nicht zum Schluß mit ihren "Witzen", und der inzwischen den Zuschauer mit anderen Ereignissen heiten ab. Wenn die Person wieder auftritt, kann len Interesses des Publikums gewiß sein.

Umsicht, mit So langweilt Dichter lenkt und Begebensie des vol-

Bei den Personen, die keine komischen Figuren sind, sondern deren Charakter gewisse humoristische Züge aufweist, kommt Calderón ebenfalls auf diese "Dosierung" der Elemente zurück. Die eben erwähnten Personen sind in ihren Äußerungen sparsam, aber dank dieser Sparsamkeit in ihrem Humor wirkungsvoller, der so - sei es auch nur wegen des Kontrastes - besser geschätzt wird. Ihre Bemerkungen in bestimmten Situationen sind Ausdruck eines feinen und trockenen Humors voller Ironie und offensichtlichem Uberlegenheitsgefühl. Die Affektivität des modernen Zuschauers mag möglicherweise eine noch bessere "Antenne" für diesen zarten Humor sein, der nicht auf den ersten Blick ins Auge springt und der seine skeptische und spöttische Haltung gegenüber der Komödie des Lebens ausdrückt. Der Humor der Situationen in -den Mantel- und Degenstücken wurzelt in der allzu ernsten Haltung einer Person gegenüber einer Situation, die für den Zuschauer (der sie kennt) komisch wirkt. Indem sie so handelt, wie sie glaubt, daß die Umstände 349

es erfordern, wird die Person oft hintergangen oder getäuscht, ohne daß sie sich dessen auch nur im geringsten bewußt wird. Diese Naivität hat eine große komische Wirkung. Von Seiten des Dichters liegt unzweifelhaft eine ironische Absicht vor, wenn er die Personen handeln läßt, wie es ihr Verhalten erfordert, so daß sie das Gegenteil dessen erreichen, was sie sich vorgenommen haben, und am Ende verspottet werden. Der Schein nimmt für diese Person den Charakter von Wahrheit an, und wenn sie der Wahrheit gegenübersteht, erkennt sie sie nicht und hält sie für Schein. Dieses Problem, die Wahrheit zu erkennen, wird auf theologischem Gebiet in "No hay más fortuna que Dios" sehr plastisch exemplifiziert, wo die "Bosheit" die Mäntel des "Guten" und des "Bösen" vertauscht, so daß der Mensch das Böse im Gewand des Guten sieht und es dafür hält. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall: er weist das Gute zurück, weil es im Gewand des Bösen kommt. Diese Verspottung der Personen, die Calderón so sehr zu gefallen scheint, bildet daher eine der Säulen, auf die sich der situationsgebundene Humor stützt. Aber Calderón scheint sich nicht nur über seine Personen lustig zu machen. Die Welt seiner Komödien zeigt eine Tendenz, die gesellschaftlichen Themen und auch die Themen des Theaters spöttisch zu betrachten, als wolle er zeigen, wie bedeutungslos die Probleme, die auf der Bühne abgehandelt werden, sind, trotz der Ernsthaftigkeit, mit der sie dargeboten werden, und als wünsche er in bestimmten Augenblicken, daß man erkennen soll, daß alles nur Fiktion und Täuschung ist. Die Komödie Calderóns scheint mitunter ein Spott auf die Komödie an sich zu sein, ein Spott auf die eigene calderonianische Auffassung der Gesellschaft, der Calderón selbst entspricht. Dies kann man an zwei Erscheinungen erkennen: an der Anspielung auf die szenischen Tricks und dem Sichtbarmachen der Fiktion durch Humor und Ironie, sowie an der Verfechtung von sich widersprechenden Thesen, die den Anschein erweckt, als sei kein fester Wert vorhanden, an den man sich halten 350

könne. Dieser Mangel an Relevanz dessen, was den Menschen sorgt, erfreut oder quält, würde ich in einem Satz Calderóns, der Titel einer seiner Komödien ist, zusammenfassen: "Gustos y disgustos no son más que imaginación". Der Humor Calderóns läßt eine allgemeine Skepsis gegenüber den menschlichen Gesetzen und den sozialen Normen erahnen. Aber der eigentümlichste Zug des Dichters besteht darin, daß dieser Humor, der die sozialen, künstlerischen, die Konventionen des Theaters zu verachten und zu verspotten scheint, seinen Ausdruck in einer anscheinend leidenschaftlichen Verteidigung gerade dieser Konventionen findet: Die calderonianischen Personen sind die ernstesten und gewissenhaftesten, und sie sind im größten Ausmaß Sklaven ihrer Verpflichtungen. Ihre Sprache ist eng mit den Traditionen und kulturellen sowie literarischen Themen verknüpft; die Struktur des calderonianischen Theaters fällt vollkommen unter die in Spanien geltenden Auffassungen, und Calderón schafft noch dazu für sich selbst besondere Konventionen, eine Sprache und eigene Mittel, die er in seinen Werken immer wieder wiederholt. Deshalb ist die Überraschung umso größer, wenn er durch einen humoristischen Zug die Gültigkeit eines so heiß verfochtenen Systems in Frage stellt. Schließen wir damit, daß wir zu der Frage Sturgis E. Leavitts zurückkehren: Hat Calderón einen Sinn für Humor? Ich glaube, daß diese Seiten als bejahende Antwort angesehen werden können. Faßt man die charakteristischsten Aspekts dieses Humors zusammen, so kann man behaupten: dieser Humor ist fein, trocken, verdeckt, dosiert, manchmal bitter - aus dem Munde des "gracioso", der nicht Gegenstand unserer Untersuchung war -, fröhlich und optimistisch bei bestimmten Personen und skeptisch in bezug auf die Tendenz vieler Komödien, die die Haltung eines Dramatikers zeigen, der über den Dingen steht. Er läßt die Bedeutungslosigkeit der anscheinend so beunruhigenden Probleme erkennen. Er zeigt das Leben wie ein Spiel, wie eine "Komödie". Er verspottet den Allgemeinplatz

und die Konventionen. Er äußert sich mehr in der Situation als in Worten. Der Kern der komischen Situation ist, daß keiner der daran Teilhabenden sich der Komik bewußt wird und mit außerordentlichem Ernst handelt. Auf dem Gebiet der Sprache enthüllt sich der Humor eher in kurzen Ausdrücken voll starker Ironie.

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VERZEICHNIS DER ZITIERTEN STÜCKE CALDERONS A secreto agravio, secreta venganza, 76 El acaso y el error, 104, 153, 163, 167 Afectos de odio y amor, 52, 62, 72, 78, 143 El alcalde de Zalamea, 22, 26, 243 Amigo, amante y leal, 68, 72, 242, 243 Amor, honor y poder, 55 Antes que todo es mi dama, 176, 182, 218, 220, 227, 234, 241, 252, 334, 335, 343, 344 El astrólogo fingido, 52, 57, 62, 65, 67, 70, 75, 78, 126, 129, 137, 153, 165, 167, 168, 178, 193, 195, 198, 233, 251, 255, 278, 284, 286, 299, 305, 307, 313, 319, 342, 346, 348 Auristela y Lisidante, 57 La banda y la flor, 126, 234, 252 Basta callar, 301, 342 Bien vengas mal, si vienes solo, 176, 252, 275, 304, 315, 316, 334, 342, 343 Cada uno para si, 270, 273, 278 Casa con dos puertas, mala es de guardar, 163, 170, 171, 176, 177, 186, 191, 200, 234, 251, 254, 256, 264, 267, 269, 278 La cena del rey Baltasar, 47 Con quien vengo, vengo, 177, 183, 191, 212, 241, 242, 251, 252, 304, 317, 326, 329, 339, 342, 343, 344 El conde Lucanor, 57 Cual es mayor perfección, 52, 62, 84, 95, 96, 103, 117, 126, 143, 144, 149, 172, 198, 251, 279, 293, 296, 299, 316, 325, 328, 343, 346, 348 La dama duende, 17, 20, 31, 38, 46, 47, 52, 62, 63, 64, 67, 72, 78, 112, 116, 120, 143, 156, 157, 167, 170, 171, 176, 177, 178, 179, 181, 183, 201, 251, 258, 263, 264, 265, 267, 278, 299, 336, 338, 344, 346, 348 Dar tiempo al tiempo, 154, 160, 167, 168, 176, 177, 222, 229, 235, 237, 252, 257, 275, 289, 299, 332, 343 De una causa dos efectos, 96 La desdicha de la voz, 72 Dicha y desdicha del nombre, 204, 212, 215, 242, 252, 330, 343 Eco y Narciso, 23 Los empeños de un acaso, 203, 206, 207, 238, 242, 245, 251, 252, 257, 275, 329, 330, 343, 348 El encanto sin encanto, 24, 263, 264, 267, 278, 348 El escondido y la tapada, 52, 57, 176, 192, 201, 251, 252, 264, 266, 330, 341, 343, 344

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Fuego de Dios en el querer bien, 119, 121, 123, 125, 143, 144, 151, 167, 174, 178, 198, 207, 296, 299, 330, 333, 343, 346 El galán fantasma, 57, 267 El gran teatro del mundo, 37, 47 Guárdate del agua mansa, 52, 70, 96, 102, 113, 126, 143, 144, 149, 233, 236, 252, 279, 283, 290, 296, 299, 313, 317, 318, 332, 343, 346, 348 Gustos y disgustos no son más que imaginación, 335, 344, 351 La hija del aire, 45 Hombre pobre todo es trazas, 56, 65, 74, 78, 126, 129, 137, 144, 165, 198, 209, 251, 282, 284, 299, 316, 318, 319, 323, 335, 338, 343, 344, 346 El jardín de Falerina, 23 El maestro de danzar, 21, 52, 168, 176, 185, 190, 193, 222, 225, 233, 237, 251, 252, 276, 278, 283, 290, 299, 330, 344 El mágico prodigioso, 31, 38, 50 Las manos blancas no ofenden, 50, 57, 341, 344 Mañana será otro día, 113, 117, 126, 132, 143, 175, 176, 177, 178, 198, 199, 207, 208, 251, 264, 267 Mañanas de abril y mayo, 117, 157, 167, 176, 198, 199, 256, 278 El mayor encanto amor, 23 El médico de su honra, 17, 29, 38, 39, 48, 76 Mejor está que estaba, 57, 167, 192, 223, 224, 235, 252, 315, 343 Mujer llora y vencerás, 57, 72 Nadie fie su secreto, 180 No hay burlas con el amor, 52, 53, 126, 128, 129, 132, 227, 234, 241, 251, 318, 321, 324, 340, No hay cosa como callar, 126, 257, No hay más fortuna que Dios, 350

57, 60, 62, 66, 70, 138, 143, 144, 177, 252, 283, 298, 299, 343, 344, 346, 347, 319, 322, 327, 343

78, 81, 96, 103, 192, 198, 218, 313, 314, 316, 348

No siempre lo peor es cierto, 164, 168, 235, 252, 267, 273, 278, 280, 299 Peor está que estaba, 57, 163, 167, 168, 173, 187, 192, 205, 207, 227, 232, 241, 251, 264 Primero soy yo, 71 La puente de Mantible, 23, 57 El secreto a voces, 12 La señora y la criada, 50, 173, 192 También hay duelo en las damas, 57, 72, 269, 270, 304, 342 La vida es sueño, 39, 45, 50, 207, 264

NAMENREGISTER Acevedo, Evaristo, 36 Alemán, Mateo, 219 Alonso, Amado, 299 Alonso, Dámaso, 68 Amunategui y Reyes, 299 Arlstophanes, 12, 37, 44 Arnold, Ernst, 321, 343 Béguer, Gustavo Adolfo, 4 Berceo, Gonzalo de, 2 Bergson, Henry, 36, 143 Bousono, Carlos, 36, 143 Bravo Villasante, Carmen, 346 Gañlzares, José de, 143 Casares, Julio, 2, 3, 36 Cervantes, Miguel de, 21, 44, 45, 254 Chaplin, Charles, 231 Chesterfield, Lord Ph. D., 4 Clsneros, L. J., 299 Cocteau, Jean, 337 Dante, 13 Engelbert, Manfred, 299 Fernández Florez, Wenceslao, 2, 3, 36 Goethe, Johann Wolfgang, 4, 12, 44 Góngora, Luis de, 81, 89, 164, 281, 332 Graolán, Baltasar, 127, 128, 129, 144, 300 Hartzenbusch, Juan Eugenio de, 81 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, 25 Herrero García, Miguel, 38 Heseler, Maria, 38 Hita, Arcipreste de, 2, 28 Holl, Karl, 37 Ionesco, Eugene, 337 Jáuregui, Juan de, 89 Kayser, Wolfgang, 10, 36, 37 Keaton, Buster, 231 Kleist, Heinrich von, 12 Kluckhohn, Paul, 37 Kommereil, Max, 43, 44, 45, 60 Later, Paul, 37 Leavitt, Sturgis E., 36, 39, 46, 47, 60 Ley, Charles David, 38

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Lope de Vega, 14, 15, 20, 22, 24, 27, 28, 32, 33, 37, 42, 43, 49, 55, 61, 71, 82, 95, 225, 279, 299 Maranôn, Gregorio, 47, 60 Menander, 37 Molière, 11, 17, 23, 44, 62, 83, 95 Osorio Tejada, Nelson, 37 Parker, Alexander, 39, 60 Pinelo, Leon, 196, 251 Pirandello, Luigi, 12, 337 Plautus, 28 Quevedo, Francisco de, 2, 81, 89, 164, 281, 300, 318, 332 Rlos, 28 Ruiz de Alarcón, Juan, 24 Santillana, Marqués de, 13 Schack, Fr. von, 41, 44, 45, 60 Schlegel, August Wilhelm, 40, 60 Seneca, 14 Shakespeare, William, 11, 12, 16, 43, 44 Shaw, George Bernard, 12 Soler y Arqués, Carlos, 68, 78 Steinberger, Hans, 39, 42, 43, 60 Terenz, 28 Tirso de Molina, 2, 24, 33, 41, 42, 43, 49, 55, 71, 279, 299, 302, 314, 342 Valbuena Briones, Angel, 17, 23, 45, 54, 60, 83, 108, 170, 175, 197, 201, 305, 308, 314, 342 Valbuena Prat, Angel, 45, 334, 343 Wilde, Oscar, 12 Wurzbach, Wolfgang, 41, 60 Zabaleta, Juan de, 332

SACHREGISTER1 Aneignung der Funktionen, 216 Annahme einer anderen Persönlichkeit, 211, 212, 215, 347 Anziehungskraft der Personen, 177, 178, 268 ff. "Autos Sacramentales", 12, 15, 37, 47 Betrogene Personen, 147, 148, 150, 160 BewuBter Humor, 79, 80 Charakterkomödie, 10, 12 "Comedia", 9 ff., 26 "Culta latiniparla", 80 ff., 133, 314, 317, 328 "Culteranismo", 89 Diminutiv, 291 ff. Eingebildete Törin, 94 ff. "Entremes", 13, 21 Exemplarische Komödie, 57 Figuron, 102 Gesellschaftsstück, 12, 13 Gracioso, 2, 8, 11, 16, 20, 25, 26 ff., 36, 40, 46, 49, 66, 120, 128, 167, 250, 281, 294, 296, 301, 314, 332, 335, 345 Höfische Komödie, 56, 58, 172 Humor, 1, 3 ff., 44, 345, 346 IntrigenstUck, 10 Intrigenlustspiel, 12, 37 Ironisierung der Theatereffekte, 52, 330 ff., 348 Komik (das Komische), 1, 2, 3 ff. Komik der Charaktere, 5, 79, 80, 348 Komik der Unzulänglichkeit, 11 Komische Figur, 11, 19, 70, 79, 349 Komische Phonetik, 87 ff. Komödie, 9 ff. Konzentration der Personen, 268, 269, 275, 276 Lachen, 4, 5 Lächerliche Figur, 10, 11 ff., 40 Mechanisierung, 86, 87, 104, 153 Mantel- und Degenstücke, 12, 18, 21, 40, 41, 46, 50 ff., 125, 169, 182, 232, 253, 300, 345, 349 Nüchterner Freund, 138 ff. Ränkeschmiedende Dame, 110 ff. Reiner Humor, 2, 3, 36 Romanhafte Komödie, 57, 59 Satire, 1, 2, 3, 23, 24, 34, 300 ff., 347, 348 Scheinbare Intrige, 175, 176 ff.

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Schwindel, 162 ff., 347 Spottender Galan, 125 Sittenkomödie

(städtische Komödie), 10, 56, 58, 174, 198, 345

Situationskomik, 10, 18 Technik des Raumes, 253 ff., 347 Tölpelhafter Caballero, 102 ff. Tragödie, 13, 14, 28 Ubermäßige Höflichkeit, 149 ff. Unfreiwillige Komik, 79, 80 Verbale Komik, 5 ff. Verschlossenheit der Personen, 179, 182 Verstellung, 146, 155 ff., 347 Vertauschen von Personen, 191, 192, 215, 347 Verwechslungssituation, 184 ff., 251 Verwechslung von Persönlichkeiten, 205 ff., 347 Witz, 2, 3, 29, 34 Wortspiel, 34, 282 ff. Zweideutigkeit, 34, 285 ff., 298, 347 Zwischenspiel, 11

1 Zur Art der Einordnung der Termini vgl. auch E. R. Curtius, Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter, Index Nominum et Rerum, Bern, 1961