Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion [1 ed.] 9783428534692, 9783428134694

Der Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes aus der Fraktion schmälert die politischen und parlamentarischen Handlungsmögli

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German Pages 250 Year 2011

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Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion [1 ed.]
 9783428534692, 9783428134694

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Beiträge zum Parlamentsrecht Band 69

Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion Von

Alexandra Bäcker

Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDRA BÄCKER

Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

Beiträge zum Parlamentsrecht Band 69

Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion Von

Alexandra Bäcker

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 61 Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: werksatz ∙ Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6674 ISBN 978-3-428-13469-4 (Print) ISBN 978-3-428-53469-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83469-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit wurde im März 2010 von der Juristischen Fakultät der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf als Dissertation angenommen. Erstgutachter war Prof. Dr. Martin Morlok, Zweitgutachter PD Dr. Christof Gramm. Rechtsprechung, Literatur und das einschlägige Geschäftsordnungsrecht wurden bis März 2010 berücksichtigt. „Wem Quellen oder andere zuverlässige Nachrichten zu Gebote stehen, wer die Fähigkeit, etwas Züchtiges zu schreiben, hat, findet das ganze Jahr hindurch gewiß auch Zeit genug zu diesem Geschäfte, sobald und so lange es ihm nur nicht am guten Willen dazu fehlet. Die Zeit außer den Berufs-Geschäften kann nicht besser angewendet werden ...“ *

Dem Vorbild des bedeutenden Verfassungsjuristen Nagelmann folgend, war dieser Hinweis auch für das Entstehen dieser Arbeit wesentlich. Fähigkeit, lohnende Zeitnutzung und guter Wille hängen allerdings von Umständen ab, für deren günstige Entwicklung es Anderen Dank zu sagen gilt. Die Fähigkeit, „etwas Züchtiges zu schreiben“, verdanke ich zuallererst meinen Eltern, die mir alles Notwendige und Vieles darüber hinaus mit auf den Weg gegeben haben. Der fachlichen und persönlichen Förderung meines akademischen Lehrers Prof. Dr. Martin Morlok verdanke ich es, dass ich meine Fähigkeiten während der Tätigkeit an seinem Institut für Deutsches und Europäisches Parteienrecht und Parteienforschung (PRuF) weiter entwickeln konnte und kann. Insbesondere hat er mir auch den Weg zu einer intensiveren, lohnenden Zeitnutzung gewiesen, ohne die ein Abschluss der Arbeit sicher noch immer auf sich warten ließe. Auch dafür gebührt ihm Dank. Dass der „gute Wille“ nie verloren ging und Tat werden konnte, ist darüber hinaus vielen Menschen zu verdanken, die alle zu nennen ein Vorwort in gebotener Kürze nicht genug Raum lässt. All diesen Menschen sei an dieser Stelle gedankt. Keinesfalls unerwähnt bleiben darf aber Peter Steffen, der mir stets Halt und Helfer war und als geduldiger Rezensent die mitunter verschlungenen Pfade meiner Gedanken zu entwirren wusste. Für die fortwährende Hege und * Amts- und Intelligenz-Blatt zur kaiserl. könig. privilegirten Salzburger Zeitung vom 4. März 1831, Stück 18, S. 344, zit. nach Dieter C. Umbach, Die Reine Rechtslehre – oder: Die Basis ist das Fundament der Grundlage, in: Umbach / Urban / Fritz / Böttcher / v. Bargen (Hrsg.), Das wahre Verfassungsrecht – Zwischen Lust und Leistung, Gedächtnisschrift für Friedrich Gottlob Nagelmann, Baden-Baden 1984, S. 447 Fn. 37.

6

Vorwort

Pflege meiner Tatkraft, persönlich und beruflich, bin ich Dr. Heike Merten zu großem Dank verpflichtet. Dank gebührt auch denjenigen, die dafür Sorge getragen haben, dass mir ausreichend „zuverlässige Nachrichten“ aus der Praxis zu Gebote standen. Zu nennen sind hier zum einen die Fraktionen des Bundestages und der Landtage, vor allem aber auch Nina Salloch-Sälzer, deren Informationsressourcenmanagement mir eine wertvolle Hilfe war. Andrea Holtermann und Birgit Yao waren als Motivationstrainer für mich unverzichtbar. Düsseldorf, im August 2010

Alexandra Bäcker

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A.

Die Bundestagsfraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche und geschäftsordnungsrechtliche Aufgaben der Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung der Fraktionsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktion als Arbeitsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Arbeitsgemeinschaften des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . (1) Teilhabe der Fraktionen an der Gesetzgebungsfunktion des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teilhabe der Fraktionen an der Kontrollfunktion des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Teilhabe der Fraktionen an der Kreationsfunktion des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Teilhabe der Fraktionen an der Öffentlichkeitsfunktion des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arbeitsgemeinschaften der Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . b) Funktion als Tendenzgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Funktion als Wettbewerbsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen . . . . . . . . . . 1. Der Abgeordnetenstatus als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 21 GG als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . 3. Das Parlament als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt . . . . . a) Verankerung der Bundestagsfraktionen in den Funktionen, Aufgaben und Befugnissen des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verankerung der Bundestagsfraktionen in der parlamentarischen Geschäftsordnungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsnatur der Bundestagsfraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen der Bundestagsfraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsordnungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgeordnetengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 22 23 24 28 31 33 35 37 39 44 47 48 48 52 58 58 61 64 64 66 66 68

8

B.

C.

Inhaltsverzeichnis aa) Gesetzgebungskompetenz des Bundestages . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fraktionsbinnenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung der Rechtsnatur der Bundestagsfraktionen . . . . . . . . . a) Zuordnung zum öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuordnung zu einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform . . aa) Körperschaft des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Öffentlich-rechtlicher Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Organ des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Organteil des Bundestages in Gestalt der juristischen Person des Parlamentsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Organteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Juristische Person des Parlamentsrechts . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69 73 78 79 79 79 83 83 85 86

Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausübung des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mandatsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufnahme in die Fraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fraktionsbildung und -bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mindeststärke der Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Politische Homogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fortgesetztes Erfüllen der Fraktionsbildungsvoraussetzungen . .

95 96 97 102 107 108 110 116

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innerfraktionelle Geltung des freien Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstorganisationsrecht und -pflicht der Fraktionen . . . . . . . . . . . . a) Beachtung demokratischer Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltungsreichweite des Fraktionsbinnenrechts . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerfraktionelle Rechte und Pflichten des Abgeordneten . . . . . . . . a) Grundsätzliche Anerkennung von mitgliedschaftlichen Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschlossenheit der Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geltung des Mehrheitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Innerfraktionell konkretisierte Mitgliedschaftspflichten . . . . . . . c) Innerfraktionell konkretisierte Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . .

120 120 122 123 125 127 128 129 136 137 141

III. Folgen fehlender Mitgliedschaft – Der fraktionslose Abgeordnete . . . .

157

Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

I. Rechtsgrundlage des Ausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

89 89 92 94

Inhaltsverzeichnis 1. Fehlen ausdrücklicher Regelungen in Verfassung und Gesetz . . . . . 2. Ausschlusskompetenz aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . a) Assoziationsfreiheit der Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Personalhoheit“ der Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestandsschutz der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgleich der Interessenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fraktionsbinnenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 164 166 167 168 169 170 176

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses 177 1. Ausschlussgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Definitionsmacht der Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) Prognoseentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 bb) Freiwillige Beschränkung auf konkrete Ausschlussgründe 186 cc) „Wichtiger Grund“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Prozedurale Gewährleistung der Interessenabwägung . . . . . . . . 190 2. Ausschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Entscheidung der Fraktionsversammlung . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Initiativrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Vorbereitung der Ausschlussentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Rechtzeitige Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Umfassende Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (1) Mitwirkung des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (2) Mitwirkung von Nichtmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . 200 c) Ausschlussentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Stimmrecht des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Abstimmungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 cc) Abstimmungsquorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 dd) Dokumentationspflicht und Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag . . . . . . . . 1. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fraktionsausschlussregelungen der Bundestags- und Landtagsfraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichende Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspolitischer Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

208 208 209 224 229

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

232

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

246

Einleitung Demokratisch legitimierte Herrschaft ist auf die Diskussion unterschiedlicher Positionen, den Abgleich von Argumenten, die konsensorientierte Aushandlung von Lösungen für strittige Fragen angewiesen. Die demokratische Ordnung des Grundgesetzes setzt die Unterschiedlichkeit und Gegensätzlichkeit von Meinungen, Interessen, Willensrichtungen und Bestrebungen, mithin pluralistische Initiativen und Alternativen voraus, die stets erneut die Herstellung politischer Einheit als Bedingung der Entstehung und des Wirkens staatlicher Gewalt notwendig machen 1. Dabei sind Parlamente in der Demokratie der Ort des rationalen Diskurses, der die Herstellungsbemühungen in einem geregelten Verfahren zur politischen Verständigung organisiert, das Konflikte nicht verdrängt, sondern von begründeten Differenzen und divergierenden Standpunkten lebt. „Die Stärken der Demokratie, zumal ihre Lernfähigkeit, zumal ihre Anpassungsfähigkeit, gedeihen in der Tat nur in einem Klima, das Diskussion und Konflikt zuläßt, das sogar Streit zuläßt.“ 2

Als Ordnung eines freien politischen Prozesses ermöglicht die Demokratie des Grundgesetzes das Austragen der Konflikte, indem sie Institutionen und Verfahren der Entscheidungsfindung bereit stellt, die grundsätzlich auch die real gleichen Chancen der Minderheiten sichern, zur Mehrheit zu werden 3. Kommunikation, mit dem Ziel, für die eigenen politischen Überzeugungen Gehör und Unterstützung zu finden, prägt die parlamentarische Arbeit 4. Dabei gilt das Prinzip der Konkurrenz von Interessen und Meinungen nicht nur für das gesamte Parlament, sondern auch für seine Fraktionen 5, die als politisches Gliederungsprinzip des Bundestages insbesondere der Koordination und Umsetzung politischer Richtungsentscheidungen dienen 6. Die deshalb grundsätzlich von 1

Konrad Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 133, 135. Helmut Schmidt, Maximen politischen Handelns, Bemerkungen zu Moral, Pflicht und Verantwortung des Politikers: Rede des Bundeskanzlers auf dem Kant-Kongress der Friedrich-Ebert-Stiftung am 12. März 1981, zit. nach Peter Köhler, Die schönsten Zitate der Politiker, Baden-Baden 2005, S. 54. 3 Konrad Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 154. 4 Näher zur allen Parlamentsfunktionen inhärenten Kommunikationsfunktion Werner J. Patzelt, in: Jarren u. a., Politische Kommunikation, S. 431 (433 ff.). Zu den Funktionen des Bundestages s. auch unten, S. 26 ff. 5 Jürgen Dittberner, in: ZParl. 2003, 550 (553); zur innerfraktionellen Kommunikation und der Funktion der Fraktionen als Tendenzgemeinschaften s. unten, S. 39 ff. 2

12

Einleitung

§ 10 GeschOBT geforderte politische Homogenität im Sinne gleicher politischer Grundüberzeugungen der in der Fraktion zusammengeschlossenen Abgeordneten 7 ist Grundlage und Ausgangspunkt aller innerfraktionellen Kommunikation, nicht aber Garant einer konfliktfreien Auseinandersetzung um die Auslegung, Weiterentwicklung oder auch Änderung der programmatischen Richtung. Organisation und Arbeitsweise der Fraktionen sind auf den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie aufzubauen und an diesen auszurichten (s. § 48 Abs. 1 AbgG), weshalb auch innerfraktionell Meinungen und Standpunkte frei, gleichberechtigt und gleichgewichtig Ausdruck finden können müssen 8. Gleichwohl sind die Fraktionen um ihrer politischen Handlungsfähigkeit willen darauf angewiesen, die auch innerfraktionell vorhandene Meinungsvielfalt zu gemeinschaftlich vertretenen Fraktionspositionen zu formen. Einstimmigkeit wird dabei selten zu erreichen sein. Der wechselseitigen Überzeugungsarbeit der Fraktionsmitglieder sind sowohl inhaltlich als auch zeitlich Grenzen gesetzt. Das freie Mandat eröffnet den Abgeordneten jedoch die Möglichkeit, ihre von der Fraktionslinie abweichenden Standpunkte ungeachtet der unter der Geltung des Mehrheitsprinzips 9 ausgehandelten innerfraktionellen Kompromisse in ihrer parlamentarischen Arbeit und vor der Öffentlichkeit weiter zu verfolgen 10. Gelegentliches, begründetes Abweichen von einer grundsätzlich als legitim anerkannten fraktionsmehrheitlichen Entscheidung werden Fraktion und Fraktionskollegen dabei regelmäßig tolerieren. Die Toleranzgrenze kann unter Umständen aber auch überschritten sein, und zwar nicht nur in Fällen inhaltlicher Meinungsverschiedenheiten, sondern auch, wenn die Regeln eines loyalen und konstruktiven Miteinanders verletzt werden oder das öffentliche Ansehen der Fraktion Schaden nimmt. Handelt sich ein Abgeordneter den Ruf eines Querulanten und Störenfrieds ein, ist häufig Folge, dass ihm Ausschussmitgliedschaften, parlamentarische Redezeit und Beteiligung an sonstigen parlamentarischen Aufgaben verweigert werden, eben durch fortwährende Nadelstiche im innerfraktionellen Umgang versucht wird, den Abweichler wieder auf „Fraktionskurs“ zu bringen und zur disziplinierteren Berücksichtigung des Bedürfnisses nach einem geschlossenen Vertreten der fraktionsmehrheitlich getroffenen Entscheidungen anzuhalten oder ihn nachdrücklich an seine Loyalitätspflichten zu erinnern 11. Seltener, aber dennoch recht regelmäßig greifen Fraktionen aber auch zur schärfsten Sanktion, dem Ausschluss des Abgeordneten. In den turbulenteren Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland gestaltete sich auch das fraktio6

Zu den Fraktionsfunktionen s. unten, S. 17 ff. Zur politischen Homogenität der Fraktionen s. unten, S. 110 ff. 8 Zur innerfraktionellen Demokratie s. unten, S. 123 ff. 9 Zur innerfraktionellen Geltung des Mehrheitsprinzips s. unten, S. 136 ff. 10 Zur innerfraktionellen Geltung des freien Mandats s. unten, S. 120 ff. 11 Zur Geschlossenheit der Fraktionen s. unten, S. 129 ff. 7

Einleitung

13

nelle Miteinander der Abgeordneten noch etwas wechselhafter. So wurde Alfred Loritz 1951 aus der Fraktion der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung ausgeschlossen, weil er seine Partei mit der rechtsradikalen Sozialistischen Reichspartei vereinigen wollte. In demselben Jahr musste auch Wolfgang Hedler wegen antisemitischer Äußerungen die Fraktion der Deutschen Partei verlassen. Die FDP-Fraktion schloss den als unabhängigen Kandidaten direkt gewählten, als Gast in der Fraktion aufgenommenen Richard Freudenberg 1952 wegen seiner Ablehnung der Westverträge aus. Der CSU-Politiker Hans Bodensteiner musste im gleichen Jahr seine Fraktion verlassen, weil er Verhandlungen mit der Sowjetunion forderte. Aus der Bayernpartei wurden 1950 Hermann Aumer und 1952 Anton Freiherr von Aretin ausgeschlossen 12. 1960 trennte sich die SPDFraktion von Alfred Frenzel, der wegen Verdachts des Landesverrats zugunsten der Tschechoslowakei verhaftet wurde und kurz darauf gegenüber dem Generalbundesanwalt ein Geständnis abgelegt hatte 13, im Jahr 1972 von Günther Müller, der später der CDU / CSU-Fraktion beitrat, und im Jahr 1981 – in der Folge des vorherigen Parteiausschlusses – von Karl-Heinz Hansen 14, der dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und seiner Regierung mit Blick auf den Nato-Doppelbeschluss eine Art „Geheimdiplomatie gegen das eigene Volk“ vorgeworfen hatte. Thomas Wüppesahl wurde im Januar 1988 von der GrünenFraktion ausgeschlossen, nachdem der Abgeordnete selbst zuvor bereits wegen interner Streitigkeiten aus der Partei ausgetreten war. Der Ausschluss zog vor allem deshalb besondere Aufmerksamkeit auf sich, weil sich Wüppesahl gegen die Schlechterstellung als fraktionsloser Abgeordneter in einem Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Wehr setzte 15. 1989 trennte sich die Grünen-Fraktion von Trude Unruh, der streitbaren, späteren Vorsitzenden der Seniorenpartei „Die Grauen“, die zunächst als Parteilose über die Liste der Grünen in den Bundestag gelangt war. Die SPD-Fraktion schloss im Oktober 1996 aufgrund eines vorangegangenen Parteiausschlusses Kurt Neumann aus, weil dieser bei seiner Kandidatur im Jahr 1994 Verurteilungen wegen einer Steuerstrafsache und nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge verschwiegen hatte 16. Besonders große Medienaufmerksamkeit wurde dem Ausschluss von Jürgen W. Möllemann 12

Eine Übersicht der frühen Fraktionsausschlüsse findet sich in dem Artikel „Das ist schon vorgekommen – Gegen seinen Willen verlässt kaum einer die Fraktion oder die Partei. Wer warum gehen musste“, in: Der Tagesspiegel vom 16. 11. 2003, veröffentlicht im online-Archiv unter http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Archiv;art1291,2081542, 01. 02. 2010. 13 Zu den Einzelheiten der Affäre s. Der Spiegel, Nr. 46/1960 vom 09. 11. 1960, S. 23 – 31, online veröffentlicht unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43067418 .html, 01. 02. 2010. 14 s. Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 – 1999, Eine Veröffentlichung der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Baden-Baden 1999, S. 3652, 3658, online veröffentlicht unter http://www .bundestag.de/dokumente/parlamentsarchiv/dbuch/index.html, 01. 02. 2010. 15 s. BVerfGE 88, 188 ff.

14

Einleitung

im Februar 2003 aus der FDP-Fraktion des Bundestages zuteil 17, der wenige Tage vor der Bundestagswahl mit einem israelkritischen Flugblatt und dessen undurchsichtiger Finanzierung für einen politischen Skandal sorgte, in dessen Folge er im März 2003 dann auch aus der FDP austrat. Anfang Juni 2003 hob der Bundestag die Immunität des Politikers auf und die Staatsanwaltschaft eröffnete die Ermittlungen wegen des Verdachts von Schwarzgeldkonten und illegalen Parteispenden. Noch im Juni 2003 fand Jürgen W. Möllemann bei einem Fallschirmabsturz einen tragischen Tod. Am 14. November 2003 beschloss die CDU / CSU-Bundestagsfraktion den Ausschluss von Martin Hohmann, der in einer Rede zum Tag der Deutschen Einheit Juden mit dem Begriff „Tätervolk“ in Verbindung gebracht hatte 18. Keiner der aus einer Bundestagsfraktion ausgeschlossenen Abgeordneten hat bislang versucht, sich gerichtlich gegen den Ausschluss zur Wehr zu setzen. Anders aber auf Länderebene: Die aus der Landtagsfraktion der brandenburgischen PDS ausgeschlossene Abgeordnete Dr. Esther Schröder ging – letztlich erfolglos – in einem Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gegen den Ausschluss vor 19. Die als Staatssekretärin nominierte Abgeordnete schlug das angebotene Amt aus, nachdem in der Frage um die sofortige Verbeamtung auf Lebenszeit keine Einigung erzielt werden konnte. In einer Pressekonferenz antwortete die Abgeordnete auf Fragen zu diesem Thema mit persönlichen Angriffen gegen Fraktionsmitglieder unter Anspielung auf deren politische Vergangenheit. Die dadurch angestoßenen internen Streitigkeiten konnten nicht mehr beigelegt werden. Auch das Organstreitverfahren des Abgeordneten Wolfgang Mleczkowski vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof gegen seinen Ausschluss aus der FDP-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin blieb ohne Erfolg 20. Die Fraktion hatte ihn wegen „dauerhaft schädigenden Verhaltens“ ausgeschlossen, das mit wochenlanger äußerst negativer Berichterstattung in Presse und Rundfunk im Zusammenhang mit der Person des Abgeordneten begründet wurde, gegen den Ermittlungsverfahren wegen ver16

s. Johanna Metz, in: Das Parlament Nr. 30 – 31 vom 25. 07. 2005, S. 22. Kritisch zur Rechtmäßigkeit des Ausschlusses Erwin Quambusch, in: VR 2003, 303 ff.; ähnlich Jürgen Dittberner, in: ZParl. 2003, 550 (561). 18 Kritisch zur Rechtmäßigkeit des Ausschlusses Rüdiger Zuck, in: NJW 2004, 1720 f. 19 s. BbgVerfG, Beschluss vom 16. 10. 2003 – VfGBbg 4/03, in: NVwZ-RR 2004, 161 ff. In einer Gesamtwürdigung der Umstände sah das Gericht in dem Ausschluss keine Verletzung der Rechte der Abgeordneten aus Art. 56 Abs. 1 BbgVerf. 20 s. BerlVerfGH, Urteil vom 22. 11. 2005 – VerfGH 53/05, in: NVwZ-RR 2006, 441 ff. Nach Ansicht des Gerichts ist die Wertung der Fraktion vertretbar, nach der in einer Gesamtschau die zahlreichen Vorkommnisse und Äußerungen des Abgeordneten das Vertrauensverhältnis derartig nachhaltig gestört haben, dass den anderen Mitgliedern der Fraktion die weitere Zusammenarbeit mit dem Abgeordneten nicht mehr zugemutet werden kann. 17

Einleitung

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schiedener Körperverletzungen, Betrug, Sachbeschädigungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung eingeleitet worden waren 21. Das bisher einzige erfolgreiche Organstreitverfahren führte der Abgeordnete Klaus Schier vor dem Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern gegen seinen Ausschluss aus der Fraktion der SPD im Landtag MecklenburgVorpommern 22. Der Abgeordnete war in der 3. Wahlperiode des Landtages wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und hatte wiederholt öffentlich personalpolitische Entscheidungen der SPD kritisiert. Im Zuge der Kandidatenaufstellung zum Ende der dritten Wahlperiode für die nächsten Landtagswahlen wurde er in seinem Wahlkreis nicht wieder aufgestellt. Er trat deshalb bei den Wahlen als Einzelbewerber an. Die Konkurrenzkandidatur wertete die SPD als Parteiaustritt. Aufgrund des Nichtbestehens einer Parteimitgliedschaft wurde dem Abgeordneten zugleich die Mitgliedschaft in der Fraktion aberkannt 23. Das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat in der Urteilsbegründung offen gelassen, ob der Verlust der Parteizugehörigkeit automatisch auch zu einem Verlust der Fraktionszugehörigkeit führen kann, da es bereits an einem rechtskräftigen Parteiausschluss mangelte. Auch die Frage, unter Beachtung welcher konkreten demokratischen Verfahrensregeln über einen Ausschluss beraten und entschieden werden muss, bedurfte deshalb keiner vertieften Auseinandersetzung in der Urteilsbegründung. Wenngleich Rechtsstreitigkeiten anlässlich erfolgter Fraktionsausschlüsse auf Kommunalebene auch weitaus zahlreicher sind, so hat sich hier eine einheitliche Rechtsprechungspraxis bislang nicht herausgebildet. Schon in der Frage des Rechtswegs scheiden sich die Geister, sowohl der Zivilrechtsweg als auch der Gang vor die Verwaltungsgerichte wird für zulässig erachtet, und auch die Anforderungen an Ausschlussgründe und -verfahren werden unterschiedlich beurteilt 24. Der Umgang mit Fraktionsausschlüssen ist in der Praxis demnach immer noch mit Unsicherheiten behaftet. Unter welchen Voraussetzungen sich eine Fraktion 21

s. BerlVerfGH, Urteil vom 22. 11. 2005 – VerfGH 53/05, in: NVwZ-RR 2006, 441 (441). 22 s. MVVerfG, Urteil vom 27. 5. 2003 – LVerfG 10/02, in: LKV 2003, 516 ff.; kritisch wegen der recht pragmatisch geratenen Urteilsbegründung und zahlreicher offen gebliebener Fragen, im Ergebnis aber zustimmend Florian Edinger, in: ZParl. 2003, 764 ff.; ähnlich Siegfried Jutzi, in: Neue Justiz 2003, 471 ff.; s. auch Michael Sachs, in: JuS 2004, 74 ff. 23 Zu den Hintergründen des Verfahrens s. Der Spiegel, Nr. 37/2002 vom 09. 09. 2002, S. 54 (56), online veröffentlicht unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-24793101 .html, 01. 02. 2010. 24 s. hierzu Josef Aulehner, in: JA 1989, 478 ff.; Michael Borchmann, in: VR 2002, 11 ff.; Klaus Lange, in: JuS 1994, 296 ff.; Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 116 ff.; Jan Ziekow, in: NWVBl. 1998, 297 ff.

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Einleitung

von einem Mitglied rechtswirksam trennen kann beziehungsweise wann ein Fraktionsmitglied mit einem Ausschluss rechnen muss, lässt sich nicht zuverlässig beurteilen. Die kaum verallgemeinerungsfähige aufgezeigte Bandbreite der Gründe, die zu einem Ausschluss aus einer Parlamentsfraktion geführt haben, und die sich insbesondere an dem Ausschluss des Abgeordnete Klaus Schier aus der SPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern erweisende Verkennung verfahrensrechtlicher Anforderungen belegen das praktische Bedürfnis nach einer Klärung der sich im Zusammenhang mit einem Ausschluss ergebenden Rechtsfragen. Ausschlüsse von Politikern aus Bundestagsfraktionen sind nicht alltäglich. Weder liegt es im Interesse der Fraktion noch des Fraktionsmitglieds, Konflikte in einer Weise eskalieren zu lassen, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich scheint. Politischer Erfolg stellt sich eben nur im Zusammenspiel mit einer ausreichenden Anzahl anderer ein 25. Auf Gegenseitigkeit basierende Disziplin und Rücksichtnahme im Umgang miteinander ist dabei grundlegende Erfolgsbedingung. Insoweit folgt Politik denselben Regeln der Professionalität, wie sie in anderen Berufen bekannt und bewährt sind. Persönliche Sympathien sind dabei zwar nützlich, aber nicht entscheidend. Heiner Geißler, langjähriger Generalsekretär und Spitzenpolitiker der CDU, der regelmäßig durch stark polarisierende Äußerungen für beträchtliches Aufsehen sorgt, formulierte diese Einsicht wiederholt wie folgt: „Mir wird schlecht bei der Vorstellung, ich müsste alle Mitglieder meiner Fraktion in Berlin lieben.“ 26

Dass in einer Fraktion gestritten wird, ist daher nicht ungewöhnlich. In einer auf konsensorientierte Aushandlung von Lösungen für strittige Fragen ausgelegten Institution sind Meinungsverschiedenheiten und Konfliktsituationen eher typisch. Unter welchen Voraussetzungen sich Bundestagsfraktionen aber im Konfliktfall von ihren „ungeliebten“ und unerwünschten Mitgliedern trennen können, soll im Folgenden dargestellt werden.

25

Vgl. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (638). s. Focus online, Zitat vom 13. 05. 2007, veröffentlicht unter http://www.focus.de /politik/zitate/zitat_aid_56167.html, 03. 02. 2010; Interview mit Heiner Geißler, in: DIE ZEIT, Nr. 1 vom 22. Dezember 2003, online veröffentlicht unter http://www.zeit.de/2004 /01/ST-Gei_a7ler, 03. 02. 2010; Heiner Geißler, Vortrag im Rahmen der vom Oberbürgermeister der Stadt Hannover veranstalteten Hannah-Arendt-Tage in Hannover im Jahr 2004, online veröffentlicht unter http://www.hannah-arendt-hannover.de/media/geissler _rede.pdf, 03. 02. 2010; Heiner Geißler, Vortrag im Frankfurter Städelmuseum auf Einladung der Deutschen Flugsicherung, zitiert nach DER SPIEGEL, Ausgabe 16/2004 vom 10. 04. 2004, S. 71, online veröffentlicht unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d -30458405.html, 03. 02. 2010. 26

A. Die Bundestagsfraktionen Gegenstand der Untersuchung sind Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses eines Bundestagsabgeordneten aus „seiner“ Fraktion. Bei einem Ausschluss verliert der Abgeordnete seine Rechtsstellung als Fraktionsmitglied. Aber welche Rechtsstellung erlangt der Abgeordnete durch die Mitgliedschaft in einer Fraktion? Eine Antwort auf diese Frage setzt voraus, sich Klarheit über Funktionen, Aufgaben und Rechtsstellung der Fraktionen zu verschaffen. Was also sind Fraktionen? Das Grundgesetz selbst enthält keine spezifischen Normierungen des Fraktionsstatus 27. Das in Art. 53a GG erwähnte Stärkeverhältnis der Fraktionen beinhaltet keine qualitative Aussage über die Fraktionen, sondern macht nur die Relation zwischen den als existent vorausgesetzten Fraktionen zum Anknüpfungspunkt für verfassungsrechtliche Folgerungen. In Art. 53a GG wird daher die Existenz der Fraktionen zwar anerkannt, weder ihre Bildung noch ihre Wirkungsweise oder gar ihre Rechtsnatur sind jedoch explizit Gegenstand grundgesetzlicher Regelungen. Doch nehmen die Fraktionen in der grundgesetzlich vorgezeichneten parlamentarischen Ordnung einen Platz ein, der durch das Verfassungsrecht bestimmt und auch begrenzt wird. Sie sind – ebenso wie das Parlament, die Abgeordneten und die politischen Parteien – Bausteine der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes 28, die nicht losgelöst von ihrem Wirkungsbereich und der diesen mitbestimmenden und -tragenden Faktoren gesehen werden können. Zur Präzisierung der Funktionen, Aufgaben und Rechtsstellung der Fraktionen ist demnach das Verhältnis der Fraktionen zu den anderen Bausteinen der parlamentarischen Demokratie näher zu untersuchen.

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen In den Fraktionen finden sich Abgeordnete mit gemeinsamer parteipolitischer Ausrichtung zusammen. Faktisch repräsentiert die Fraktion deshalb eine poli27 Anders in einigen Landesverfassungen, so z. B. in Art. 25 MecklVoVerf., Art. 85a RhPfVerf., Art. 47 SachsAnhVerf. 28 s. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 46 f.

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A. Die Bundestagsfraktionen

tische Partei innerhalb der Volksvertretung 29. Häufig werden sie deshalb als „Parteien im Parlament“ 30 bezeichnet. Im politischen Sinne nehmen die Fraktionen im parlamentarischen Bereich Aufgaben der Parteien wahr 31. Über die Fraktionen versuchen die Parteien, die parteiintern vorformulierte Politik parlamentarisch umzusetzen und damit die gesellschaftliche Willensbildung in staatliches Handeln zu transformieren 32. Mit Hilfe der Fraktionen werden die Parteien im Parlament handlungsfähig 33. Gleichzeitig und vor allem aber dienen die Fraktionen der Aufgabenerfüllung des Parlaments und der Abgeordneten. Eine effiziente Parlamentsarbeit setzt angesichts der wachsenden Komplexität sowie Ausweitung und Verzahnung der Entscheidungsprozesse weitgehend eine Steuerung durch kollektive Gruppen voraus 34. In diesem Sinne liegt die Bildung von Fraktionen im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments. In ihnen findet eine effiziente Vorberatung parlamentarischer Angelegenheiten statt. Sie kanalisieren eine diffuse Vielfalt von Ansichten und Absichten, indem sie eine Plattform für eine vertrauensvolle Diskussion politisch gleichgesinnter Abgeordneter schaffen und sie zu handlungs- und verständigungsfähigen Einheiten bündeln 35. Für den einzelnen Mandatsträger schaffen sie erst die Voraussetzungen, einen zur Entscheidung befähigenden Kenntnisstand zu erlangen – zum einen in zeitlicher und zum anderen in fachlicher Hinsicht: Angesichts der Vielzahl und der Komplexität der zur Beratung bzw. Entscheidung stehenden Fragestellungen sind Arbeitsteilung und Spezialisierung ein „unvermeidlicher Sachzwang“ 36. Infolgedessen stellt der Zusammenschluss in Fraktionen ein wesentliches Gliederungsprinzip 37 des Bundestages dar.

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Vgl. Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 33. So z. B. Walter Schmidt, in: Der Staat 9 (1970), 481 (488, 493); Hansjörg Dellmann, in: DÖV 1976, 153 (154); Wilhelm Henke, Parteien, S. 145; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 33. Diese Bezeichnung spitzt das faktische Verhältnis zwischen Fraktion und Partei zwar sehr bildhaft zu, ist rechtlich aber dennoch unzutreffend. s. hierzu unten, S. 52 ff. 31 Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 142; Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 43. 32 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 33. 33 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 51 f. 34 Vgl. Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 107; Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 47 f.; Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1146); Hansjörg Dellmann, in: DÖV 1976, 153 (154, 156). 35 Vgl. Gerald Roth, in: Umbach / Clemens, Art. 38 Rn. 120; BVerfGE 84, 304 (336). 36 Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1146). 37 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 33; BVerfGE 80, 188 (219). 30

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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In einer Zusammenschau der parlamentarischen und der parteipolitischen Zweckdienlichkeiten wird die wesentliche Bedeutung der Fraktionen für das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie auch so beschrieben: „Aus der Perspektive der Parlamente sind Fraktionen ihre unverzichtbaren Binnenorganisationen, um politische Entscheidungen vorzustrukturieren, den parlamentarischen Prozess zu steuern und – im parlamentarischen Regierungssystem besonders wichtig – durch Geschlossenheit für stabile Mehrheiten zu sorgen, so dass eine Regierung kalkulierbar handlungsfähig ist, die Opposition konkret alternativfähig gemacht wird. Aus der Perspektive der Parteien sind Fraktionen ihre unverzichtbaren Außen-Organisationen, in denen die von den Parteien aufgenommenen und bearbeiteten Interessen und Impulse in politische Entscheidungen umgesetzt, insofern erst konkretisiert und gesamtgesellschaftlich zum Tragen gebracht werden. Fraktionen sind die Stätte der handelnden Politik und der professionellen Politiker“ 38.

Einigkeit über die Funktionen der Fraktionen besteht allerdings nicht. Die Existenz verschiedener Funktionskataloge verdeutlicht die Schwierigkeiten, die es bereitet, die vielschichtigen Aufgaben der Fraktionen zu systematisieren und daraus allgemeine Funktionszuschreibungen zu entwickeln 39. Insbesondere die Anzahl der festgestellten Fraktionsfunktionen variiert und zeugt von einer unterschiedlichen Interpretation dessen, was als von den Fraktionen zu erfüllende Aufgaben betrachtet wird. So ist beispielsweise von einer Doppelfunktionalität der Fraktionen die Rede, die sich aus dem Bezug der Fraktion zum Parlament sowie zur politischen Partei ergebe 40. An anderer Stelle werden einer Fraktion sechs Funktionen zugeschrieben, nämlich die der Meinungs- und Willensbildung, der Steuerung des Parlamentsablaufs, der Regierungsunterstützung oder Opposition, der Repräsentation der Partei, der Heranziehung politischer Führungskräfte sowie der Herstellung einer „Heimat des Abgeordneten“ 41. Erfüllen Fraktionen all diese Funktionen, nur einige davon oder gar andere? Die Antwort hängt auch davon ab, welche Leistungen die Fraktionen tatsächlich für das politische und parlamentarische System erbringen, in das sie eingebettet sind.

38

Suzanne S. Schüttemeyer, in: Helms, Parteien, S. 39 (39). Einen Überblick gibt Uwe Kranenpohl, Mächtig, S. 33 ff., der den dargestellten rechtswissenschaftlich orientierten Funktionskatalogen einen eigenen „politikwissenschaftlichen Katalog der Fraktionsfunktionen“ hinzufügt (S. 35 ff.). Zu ergänzen sind die „abstrakte Bestimmung der Funktionen von Parlamentsfraktionen“ von Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 246 ff., und die an den Motiven der Zusammenarbeit ausgerichtete Funktionsbeschreibung von Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (634). 40 s. Martina Mardini, Finanzierung, S. 109 ff., die den von Meinhard Schröder, Grundlagen, S. 311 f., geprägten Begriff aufgreift; vgl. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 246 f. 41 s. Ortlieb Fliedner, in: VOP 3/1979, 144 (146 f.). 39

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A. Die Bundestagsfraktionen

1. Gesetzliche und geschäftsordnungsrechtliche Aufgaben der Fraktionen Die Regelungen des erst 1995 durch das sog. Fraktionsgesetz 42 im Abgeordnetengesetz eingefügten Abschnitts über die Fraktionen 43 konzentrieren sich auf die parlamentarische Perspektive. Die Fraktionsaufgaben werden in § 47 AbgG behandelt 44. Danach wirken die Fraktionen an der Erfüllung der Aufgaben des Deutschen Bundestages mit, sie können mit Fraktionen anderer Parlamente und parlamentarischen Einrichtungen national und international zusammenarbeiten und die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit unterrichten. Sowohl mit der interfraktionellen Zusammenarbeit als auch mit der Öffentlichkeitsarbeit greift § 47 AbgG in seinen Absätzen 2 und 3 lediglich punktuell für regelungsbedürftig erachtete Einzelfragen auf und beantwortet diese im Sinne einer rechtlichen Zulässigkeit der genannten Aufgaben 45. Deutlich breiter angelegt ist demgegenüber § 47 Abs. 1 AbgG, wenn er den Fraktionen die Aufgabe der Mitwirkung an der Erfüllung der Aufgaben des Bundestages zuweist. Sowohl hinsichtlich der nicht näher konkretisierten Mitwirkungsbefugnisse als auch des in Bezug genommenen Aufgabenspektrums ist die Regelung in erheblichem Maße auslegungsfähig und -bedürftig. Nach dem Willen des Gesetzgebers zählt zu den in § 47 Abs. 1 AbgG aufgeführten Aufgaben „[...] namentlich die Mitwirkungs- und Koordinationsfunktion der Fraktionen bei der Ausübung der Gesetzgebungs-, der Kontroll-, der Wahl- und der Öffentlichkeitsaufgaben des Deutschen Bundestages, die die Fraktionen insbesondere dadurch erfüllen, daß sie die Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedern und im Deutschen Bundestag organisieren, Initiativen vorbereiten und aufeinander abstimmen sowie unterschiedliche Positionen zu verhandlungs- und verständigungsfähigen Einheiten zusammenfassen“ 46.

Dabei stützt sich die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Fraktionsfinanzierungspraxis, die finanzielle Zuwendungen für die Erfüllung der genannten Aufgaben als zulässig und notwendig anerkennt 47. Die Begründung des Gesetzentwurfs ist als exemplarische Aufzählung der – insbesondere zuwendungsfähigen – Fraktions42 Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Fraktionsgesetz) vom 11. 03. 1994 – BGBl. I S. 526. 43 §§ 45 – 54 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz – AbgG) vom 18. Februar 1977 (BGBl. I S. 297), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. März 2004 (BGBl. I S. 459). 44 Zu weiteren Regelungsinhalten s. unten, S. 73 ff. 45 Zur Entstehungsgeschichte s. Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 47 Rn. 4 –6; zur Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen s. Hans Hugo Klein, in: FS Badura, S. 263 ff.; insbes. zur Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit s. Sven Hölscheidt, in: DÖV 2000, 712 (715 f.). 46 s. BT-Drs. 12/4756, S. 7.

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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aufgaben formuliert. Es war schon nicht beabsichtigt, die tatsächliche Bedeutung der Fraktionen und die Vielschichtigkeit ihrer Aufgabenerfüllung in einem abschließenden Funktions- und Aufgabenkatalog zu beschreiben, weder durch den Normtext selbst, noch durch die Gesetzesbegründung. Vielmehr wird mit der Aufgabenbeschreibung der Rahmen festgelegt, in dem die staatliche Finanzierung der Wahrnehmung dieser Aufgaben und die Verwendung der öffentlichen Mittel durch die Fraktionen zulässig sind 48. Auch die Aufgabenbeschreibung in § 47 AbgG spiegelt damit den deutlich auf Fragen der Finanzierung konzentrierten Schwerpunkt der Fraktionsregelungen im Abgeordnetengesetz wider 49. Damit gibt die einfachgesetzliche Beschreibung der Fraktionsaufgaben in § 47 AbgG nur begrenzt Auskunft über die tatsächlichen Leistungen der Fraktionen. In ähnlicher Weise begrenzt aufschlussreich sind die Regelungen in der Geschäftsordnung des Bundestages (GeschOBT). Die Geschäftsordnung trifft Aussagen über die Beteiligung der Fraktionen am parlamentarischen Arbeitsablauf. Die als existent vorausgesetzten Fraktionen, deren Bildung allerdings von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht wird (s. § 10 Abs. 1 GeschOBT), werden für den Bereich ihrer parlamentarischen Tätigkeit mit konkreten Rechten ausgestattet. Unter anderem ist jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten im Präsidium vertreten (§ 2 Abs. 1 S. 2 GeschOBT). Die Fraktionen benennen Mitglieder für den Ältestenrat, der auf ihr Verlangen einberufen werden muss (§ 6 Abs. 1 S. 1 und S. 3 GeschOBT). Sie sind entsprechend ihrer Stärke und ihrer Ausrichtung mit Rednern während der Debatten zu berücksichtigen (§ 28 GeschOBT), sie können namentliche Abstimmungen verlangen (§ 52 47

s. BT-Drs. 12/4756, S. 6 und S. 7: ausdrücklich in Bezug genommen werden BVerfGE 20, 56 (104) und E 80, 188 (231); kritisch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 175, der die Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG wegen abweichender Formulierung als problematisch bewertet: „Das Gericht spricht allerdings nur davon, dass die Fraktionen den technischen Ablauf der Parlamentsarbeit in gewissem Grade steuern und damit erleichtern.“; zustimmend Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 47 Rn. 2 Fn. 4. Die Kritik geht allerdings fehl. Zum einen bleibt der ergänzende Rekurs auf die Fraktionsfinanzierungspraxis unberücksichtigt. Zum anderen äußert sich das BVerfG insbesondere in E 80, 188 (231), in dem in der Gesetzesbegründung wiedergegebenen Sinne: „Die Fraktionszuschüsse dienen ausschließlich der Finanzierung von Tätigkeiten des Bundestages, die den Fraktionen nach Verfassung und Geschäftsordnung obliegen. Die Fraktionen steuern und erleichtern in gewissem Grade die parlamentarische Arbeit (vgl. BVerfGE 20, 56 [104]), indem sie insbesondere eine Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedern organisieren, gemeinsame Initiativen vorbereiten und aufeinander abstimmen sowie eine umfassende Information der Fraktionsmitglieder unterstützen. Auf diese Weise fassen sie unterschiedliche politische Positionen zu handlungs- und verständigungsfähigen Einheiten zusammen. Die Fraktionszuschüsse sind für die Finanzierung dieser der Koordination dienenden Parlamentsarbeit bestimmt und insoweit zweckgebunden.“ 48 s. BT-Drs. 12/4756, S. 7; vgl. auch Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 133.1. 49 Vgl. Georg Christoph Schneider, Finanzierung, S. 73 f., 79 f.

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A. Die Bundestagsfraktionen

S. 1 GeschOBT) und sie benennen Mitglieder für ständige Ausschüsse, Unterausschüsse, Kommissionen und Untersuchungsausschüsse (§§ 54 ff. GeschOBT), um nur einige Beispiele zu geben. Nur einige der parlamentarischen Handlungsmöglichkeiten sind ausschließlich den Fraktionen vorbehalten (sog. echte Fraktionsvorbehalte 50). Den Fraktionen werden jedoch, zumeist neben anderen, durch die Geschäftsordnung im Zusammenhang mit Organisation und Verfahren des Bundestages umfassende Beteiligungsrechte 51, Verfahrensrechte 52 und Kontrollrechte 53 eingeräumt 54. Jedenfalls aber sind allein die konkreten parlamentarischen Handlungsbefugnisse Gegenstand der Regelungen. Diese sind allen Fraktionen gleichermaßen eingeräumt und geben für sich genommen keinen Aufschluss darüber, in welcher Weise und mit welchem Ziel die Fraktionen von ihren Rechten im parlamentarischen Alltagsgeschäft Gebrauch machen. Die allen Fraktionen gleichermaßen gesetzlich und geschäftsordnungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben und Handlungsbefugnisse sind damit zwar indiziell für ein bestimmtes, parlamentsbezogenes Funktionsverständnis. Sie blenden jedoch den für eine umfassende Funktionsbestimmung notwendig zu berücksichtigenden politischen Gestaltungswillen der durchaus differenten Fraktionen aus. Für die Funktionsbestimmung sind Motive, Ziele und Absichten, vor deren Hintergrund von den zur Verfügung stehenden gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, ebenfalls von Belang. 2. Bestimmung der Fraktionsfunktionen Die gesetzlichen und geschäftsordnungsrechtlichen Aufgabenzuweisungen zeichnen lediglich ein verschwommenes Bild der Fraktionsfunktionen nach. Um 50

Martin Morlok, in: JZ 1989, 1035 (1036). Vgl. § 2 Abs. 1 S. 2, § 3 S. 2 und S. 3, § 4 S. 2, § 6 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1, § 25 Abs. 2 S. 3, § 35 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 sowie Abs. 3, § 44 Abs. 2, § 55 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 1 sowie Abs. 3, § 56 Abs. 2 S. 1 und S. 2 sowie Abs. 3, § 57 Abs. 2 S. 1 und Abs. 4, § 69 Abs. 4, § 70 Abs. 4, § 71 Abs. 3, § 79 S. 1, § 81 Abs. 1 S. 1 und S. 2, § 112 Abs. 2 S. 2 GeschOBT. 52 Vgl. § 6 Abs. 1 S. 3, § 20 Abs. 3 S. 1 sowie Abs. 5 S. 2, § 25 Abs. 2 S. 1, § 26, § 42, § 45 Abs. 2 S. 1 und Abs. 4, § 52 S. 1, § 59 Abs. 4, § 60 Abs. 2 und Abs. 3, § 61 Abs. 2, § 62 Abs. 2 S. 1, § 64 Abs. 2 S. 3, § 76 Abs. 1 i.V. m. § 75 Abs. 1 und Abs. 2, § 78 Abs. 2 S. 2, § 80 Abs. 2 S. 1, § 84 S. 1, § 85 Abs. 1 S. 1, § 86 S. 3, § 88 Abs. 2 S. 2, § 89, § 93a Abs. 2 S. 1 und Abs. 4 S. 2 sowie Abs. 6 S. 2, § 114 Abs. 1, § 115 Abs. 1 und Abs. 2, § 127 Abs. 1 S. 2 GeschOBT. 53 Vgl. § 76 Abs. 1 i.V. m. § 75 Abs. 1 lit. f), § 97 Abs. 1 S. 2, § 101 S. 3, § 102 S. 2, § 76 Abs. 1 i.V. m. § 75 Abs. 3 i.V. m. § 104 GeschOBT, § 106 Abs. 1 GeschOBT i.V. m. Nr. 1 lit. b) und lit. c) der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse. 54 Die Systematisierung der Rechte folgt Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 334 ff. 51

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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ein klares Bild von den Funktionen der Fraktionen zu erhalten, ist der Blick über diese rechtlich verfassten Aufgabenkreise hinaus auf die tatsächlichen Wirkungsbereiche der Fraktionen zu erstrecken. Mit anderen Worten: es sind die tatsächlichen Leistungen näher zu untersuchen, welche die Fraktionen für das politische System erbringen. Auch die zahlreichen bereits unternommenen Versuche, die Funktionen der Fraktionen näher zu beschreiben, nehmen zwar generell die Wirkungsbereiche der Fraktionen zum Ausgangspunkt der Überlegungen. Es kommen bei der Funktionsbestimmung jedoch unterschiedliche Zuordnungskriterien und Abstraktionsgrade zum Tragen, die in einen mehr oder weniger ausdifferenzierten Funktionenkatalog münden. Für die Beantwortung der hier interessierenden Frage nach dem Verhältnis der Fraktionen zu den weiteren Bausteinen der parlamentarischen Demokratie ist der Blick allerdings in erster Linie auf eben diese den Wirkungsbereich der Fraktionen mitbestimmenden und -tragenden Faktoren zu richten. Es erscheint daher sachgerecht, die Funktionen der Fraktionen ausgehend von den Leistungen zu bestimmen, die sie für die anderen Beteiligten in dem verfassungsrechtlich vorausgesetzten politischen Gestaltungsprozess der parlamentarischen Demokratie erbringen: nämlich für das Parlament, den Abgeordneten in seiner Eigenschaft als Fraktionsmitglied und die politischen Parteien. Dabei können – der Morlokschen Funktionsdogmatik folgend – übergeordnete strukturierende Merkmale der Leistungserbringung zugrunde gelegt werden, die insbesondere auch den politischen Gestaltungsauftrag der Fraktionen in den Blick nehmen. Die Fraktionen erfüllen danach Funktionen als Arbeitsgemeinschaften, als Tendenzgemeinschaften und als Wettbewerbsgemeinschaften 55. a) Funktion als Arbeitsgemeinschaften Fraktionen erfüllen eine Funktion als Arbeitsgemeinschaften, indem sie innerhalb des Bundestages für diesen und für die in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten Leistungen erbringen, die ein effizientes Funktionieren der parlamentarischen Demokratie gewährleisten. Sowohl die Größe des Plenums als auch die Ausdifferenziertheit der dort zu behandelnden Themen sind dabei Sachzwänge, die einen Zusammenschluss von Abgeordneten zu Fraktionen geradezu unabdingbar werden lassen 56. Der Bundestag besteht gem. § 1 Abs. 1 BWahlG aus mindestens 598 Abgeordneten. Aufgrund von Überhangmandaten erhöht sich die Anzahl der Abgeordneten des Bundestages regelmäßig 57. Ein aus mindestens 598 einzelnen, untereinan55 56

Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (634 f.). Vgl. Suzanne S. Schüttemeyer, Fraktionen, S. 24 f.

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A. Die Bundestagsfraktionen

der nicht vernetzten Abgeordneten bestehender Bundestag ist zu einer effizienten Beschlussfassung tatsächlich nicht fähig. Erheblicher Verständigungs- und Koordinationsbedarf besteht in allen Belangen der parlamentarischen Arbeit. Können sich rund 600 Abgeordnete innerhalb überschaubarer Zeit auf eine gemeinsame Tagesordnung verständigen? Dürfen anschließend alle Abgeordneten zu jedem Tagesordnungspunkt in beliebiger Dauer sprechen? Wenn jeder Abgeordnete nur fünf Minuten Redezeit pro Sachthema in Anspruch nehmen würde, müsste ein Zeitbedarf von über fünfzig Stunden nur für eine erste Aussprache zu einem jeden Thema angesetzt werden. Nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich dürfte es ein erhebliches Problem darstellen, wenn jeder Abgeordnete Gesetzentwürfe schreiben, Änderungsanträge und Stellungnahmen dazu erarbeiten und – darüber hinaus – die Gesetzentwürfe, Änderungsanträge und Stellungnahmen der anderen Abgeordneten lesen sollte. Wie soll sich der einzelne Abgeordnete überhaupt in den Stand versetzen, in jedem denkbaren Fachgebiet mit dem erforderlichen Fachwissen aufzuwarten? Selbst wenn Einvernehmen darüber hergestellt werden kann, dass sich der Bundestag in entsprechende Fachausschüsse untergliedert, bleibt die Frage der Ausschussbesetzung zu klären. Ist jeder Abgeordnete nach seinen Interessen mitwirkungsberechtigt? Die Stabilität und auch Effektivität demokratischer Abläufe hängt demnach maßgeblich davon ab, dass sich die Abgeordneten nicht nur technisch, beispielsweise in Ausschüssen oder auch durch Steuerungsstrukturen wie das Präsidium und den Ältestenrat, sondern auch entsprechend ihrer politischen Grundüberzeugung organisieren. Dieser politischen Organisation der demokratischen Willensbildung und Entscheidungsfindung dienen die Fraktionen. Zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Parlaments bedarf es in dem politischen Gestaltungsprozess der Demokratie des Grundgesetzes daher auch der Fraktionen 58, in denen die Beteiligungsrechte der Abgeordneten im parlamentarischen Alltag um ihrer Effektivität willen gebündelt werden 59. aa) Arbeitsgemeinschaften des Bundestages Fraktionen haben teil an der Aufgabenerfüllung des Bundestages. Die Beschränkung auf eine Teilhabe ergibt sich schon daraus, dass eine Fraktion immer nur einen Ausschnitt aus dem in der Volksvertretung lebendigen politischen Meinungs- und Kräftespektrum verkörpert und infolgedessen für sich allein das Volk nicht repräsentieren kann 60. 57 Auch die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag hat zu Überhangmandaten geführt, die den Kreis der gesetzlich vorgesehenen 598 Abgeordneten um 24 auf 622 Abgeordnete erweitern. 58 Vgl. Hans-Hermann Kasten, in: ZParl. 1985, 475 (476). 59 s. Claus Binder / Frank Hoffmann, in: Jura 2006, 387 (389).

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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Die Repräsentation des Volkes ist der Vertretung insgesamt und damit der Gesamtheit ihrer gewählten Mitglieder übertragen 61. Dabei bedarf die Repräsentation des Volkes – das als Träger der Souveränität durch eine pluralistisch aufgefächerte Vielfalt gekennzeichnet ist – institutioneller Vorkehrungen zur Hervorbringung von dem Volk zurechenbaren Entscheidungen. Vor der Anwendung von Organisations- und Verfahrensregeln, mit deren Hilfe die unterschiedlichen Auffassungen und divergierenden Interessen des Volkes im Staatswillensbildungsprozess Berücksichtigung finden, existiert kein umsetzbarer einheitlicher „Volkswille“. Der Volkswille ist immer Produkt eines bestimmten Herstellungsprozesses 62. Für die Repräsentation des Volkes, verstanden als Prozess der Herstellung bindender staatlicher Entscheidungen unter möglichster Beachtung der Präferenzen des Volkes, sind Organisation und Verfahren dieses Herstellungsprozesses von zentraler Bedeutung 63. In zahlreichen verfassungsrechtlichen Einzelnormen ist diesem Prozess eine bestimmte Gestalt verliehen worden, die in einfachgesetzlichen Bestimmungen und der Geschäftsordnung des Bundestages etwa durch Ausformung von Mitwirkungsrechten, Entscheidungsbefugnissen, Entscheidungsregeln, Kontrolle und Verantwortlichkeiten weiter konkretisiert wurde. Danach verlangt die Repräsentation des Volkes durch das Parlament in der Gesamtheit seiner Mitglieder unter anderem, dass bei parlamentarischen Entscheidungen die Mitwirkung aller Abgeordneten nach Möglichkeit und im Rahmen des im demokratisch-parlamentarischen System des Grundgesetzes Vertretbaren sichergestellt ist 64. Zwar werden diese Entscheidungen letztlich stets von der Mehrheit der Vertreter getroffen. Doch das im demokratischen Prinzip wurzelnde Gebot parlamentarische Minderheiten zu schützen sowie das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition beinhalten nicht, die Minderheit vor Sachentscheidungen der Mehrheit zu bewahren (Art. 42 Abs. 2 GG) 65. Wohl aber muss die Minderheit Gelegenheit haben, ihren Standpunkt in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen 66. In diesem Sinne sind öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, die öffentliche

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BVerwGE 90, 104 (108). BVerfGE 80, 188 (218); 84, 304 (321); 118, 277 (324). 62 Martin Morlok, in: FS BVerfG, S. 559 (575 ff., insb. 579): „Angesichts der Vielköpfigkeit und der Heterogenität des Volkes gewinnt der ‚Volkswille‘ erst Realität durch Prozeduren der Prüfung und Verwerfung von Alternativen und der Bejahung einer Handlungsoption, die dann als Wille des Volkes gelten soll.“ 63 Martin Morlok, in: FS BVerfG, S. 559 (581); ähnlich bereits Peter Krause, in: DÖV 1974, 325 (327). 64 BVerfGE 118, 277 (324). 65 Vgl. BVerfGE 2, 1 (12 f.); 44, 308 (321). 66 BVerfGE 70, 324 (363); 44, 308 (316 f.). 61

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A. Die Bundestagsfraktionen

Debatte und öffentliche Diskussion wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus 67. Dabei ist die politische Einbindung des Abgeordneten in die Fraktion verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt 68: „Die Fraktionen nehmen im parlamentarischen Raum unabdingbare Koordinierungsaufgaben wahr, bündeln die Vielfalt der Meinungen zur politischen Stimme und spitzen Themen auf politische Entscheidbarkeit hin zu. Wenn der einzelne Abgeordnete im Parlament politischen Einfluss von Gewicht ausüben, wenn er gestalten will, bedarf er der abgestimmten Unterstützung (vgl. BVerfGE 102, 224 [239 f.]; 112, 118 [135]; 114, 121 [150]). Eine gewisse Bindekraft der Fraktionen im Verhältnis zum einzelnen Abgeordneten ist daher in einer repräsentativen Demokratie nicht nur zulässig, sondern notwendig (vgl. BVerfGE 10, 4 [14])“ 69.

Auf diese Weise wirken die Fraktionen der Gefahr entgegen, dass eine zu große Vielfalt politischer Interessen und Erwartungen zu einer Überlastung parlamentarischer Arbeit führt. Sie verknüpfen die Vorstellungen der Parteien und der einzelnen Abgeordneten mit der parlamentarischen Willensbildung und Entscheidungsfindung 70. Für den Bundestag in der Gesamtheit seiner Mitglieder und dessen Repräsentationsfunktion hat darum die öffentliche Auseinandersetzung zwischen den Fraktionen im Plenum in Form von Rede und Gegenrede eine wesentliche und tragende Bedeutung 71. Als solchermaßen gedeutete Arbeitsgemeinschaften des Bundestages sind die Aufgaben der Fraktionen inhaltlich an die Aufgaben des Bundestages gekoppelt 72. Das Grundgesetz enthält für den Bundestag – anders als beispielsweise für den Bundesrat (Art. 50 GG) – keine zusammenfassende Bestimmung über dessen Aufgaben und Befugnisse. Die Funktionen des Bundestages ergeben sich aus dem Zusammenhang der Verfassung, ihrem Ziel und Zweck sowie aus der 67 BVerfGE 70, 324 (355). Ausgehend von einem realistischen Parlamentsverständnis ist mit Martin Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), 37 (65), die „verfassungsrechtlich statuierte Input-Offenheit und Chancengleichheit aller gesellschaftlichen Interessen und Überzeugungen“ als Substanz des parlamentarischen Charakters im Sinne einer „systemischen Qualität, der parlamentarische Diskurs als soziale Ordnung eines Kommunikationsprozesses zu verstehen“. 68 BVerfGE 118, 277 (328); s. auch Martin Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), 37 (65). 69 BVerfGE 118, 277 (329). 70 Vgl. Susanne S. Schüttemeyer, Fraktionen, S. 24 f. 71 BVerfGE 70, 324 (355); vgl. auch BVerwGE 90, 104 (108). 72 Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 240; s. auch Suzanne S. Schüttemeyer, Fraktionen, S. 25.

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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Praxis, die sich unter der Geltung des Grundgesetzes entwickelt hat und sich zukünftig entwickeln wird 73. Zentral ist dabei die Stellung des Bundestages als Vertretung des Volkes, dessen Mitglieder auf der Grundlage eines allgemeinen, gleichen, freien und geheimen Wahlrechts auf Zeit unmittelbar vom Volk gewählt werden (Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 GG). Im Bundestag kommt so die Repräsentation des Volkes zur Darstellung 74. Die parlamentarische Demokratie des Grundgesetzes normiert rechtsstaatliche Herrschaft auf der Grundlage der durch Wahlen und Abstimmungen betätigten Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit in Freiheit und Gleichheit. Die verfassungsrechtlich geforderte repräsentative Parlamentsherrschaft wird durch eine möglichst proportionale Abbildung des Wählerwillens in der Sitzverteilung verwirklicht, in der sich die Richtungsentscheidung der Wähler widerspiegelt. Die Mehrheit soll sich im Parlament und in der Regierung wiederfinden, der unterlegene Teil als politische Alternative sichtbar und im Raum freier Meinungsbildung wie auch in förmlichen Entscheidungsverfahren als Opposition mit der Chance auf Mehrheitsbildung bei späteren Wahlen wirksam bleiben 75. „Demokratie lebt zuerst von und in einer funktionsfähigen öffentlichen Meinung, die sich auf zentrale politische Richtungsbestimmungen und die periodische Vergabe von politischen Spitzenämtern im Wettbewerb von Regierung und Opposition konzentriert. Diese öffentliche Meinung macht für Wahlen und Abstimmungen erst die Alternativen sichtbar und ruft diese auch für einzelne Sachentscheidungen fortlaufend in Erinnerung, damit die politische Willensbildung des Volkes über die für alle Bürger zur Mitwirkung geöffneten Parteien und im öffentlichen Informationsraum beständig präsent und wirksam bleiben. Art. 38 und Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG schützen insoweit auch den Zusammenhang von politischer Sachentscheidung mit dem wahlkonstituierten Mehrheitswillen und dem daraus abgeleiteten Regierungs-Oppositions-Dualismus in einem System konkurrierender Parteienvielfalt und beobachtender, kontrollierender öffentlicher Meinungsbildung“ 76.

In diesem Wettbewerb der politischen Kräfte erfüllt der Bundestag eine Fülle von Aufgaben, die das Grundgesetz an verschiedenen Stellen beschreibt, aber nicht vollständig ausformuliert, auch nicht in Gänze ausformulieren kann. Der prozesshafte, von unterschiedlichen Sachzwängen und unvorhersehbaren Faktoren abhängige Charakter aller Politik ist nur begrenzt formaler Gewährleistungen und konstitutioneller Normierung zugänglich 77. Zu den ausdrücklich grund73 Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 16. Zur Wandelbarkeit der Parlamentsfunktionen, insbes. durch eine zunehmende Informalisierung und Entparlamentarisierung politischer Entscheidungen s. Martin Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), 37 ff. 74 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 30. 75 BVerfG, Urteil vom 30. 6. 2009 – 2 BvE 2/08 u. a., in: NJW 2009, 2267 (2269). 76 BVerfG, Urteil vom 30. 6. 2009 – 2 BvE 2/08 u. a., in: NJW 2009, 2267 (2274). 77 Hans Hugo Klein, in: HdBStR III, § 50 Rn. 16.

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A. Die Bundestagsfraktionen

gesetzlich genannten Aufgaben treten deshalb noch weitere, die sich aus der Konzeption der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes und der dem Bundestag zugewiesenen Rolle im darin angelegten Wettbewerb um die Wählergunst ergeben. Die Aufgaben lassen sich in einer Gesetzgebungsfunktion, einer Kontrollfunktion, einer Kreationsfunktion und einer Öffentlichkeitsfunktion des Bundestages zusammenfassen 78. Als Arbeitsgemeinschaften des Bundestages, deren Aufgaben denen des Bundestages folgen, obliegt es den Fraktionen, die Wahrnehmung der Gesetzgebungs-, Kontroll-, Kreations- und Öffentlichkeitsfunktion des Bundestages im Sinn der eigenen politischen Richtung zu steuern 79. (1) Teilhabe der Fraktionen an der Gesetzgebungsfunktion des Bundestages Im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenzen 80 beschließt der Bundestag Gesetze. Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht (Art. 76 Abs. 1 GG). Aus der Mitte des Bundestages können nur Fraktionen oder eine Gruppe von Abgeordneten mit mindestens Fraktionsstärke einen Gesetzentwurf einbringen (§ 76 Abs. 1 GeschOBT). Der schon technisch sehr aufwendige Verfahrensablauf rechtfertigt es, zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Parlaments das Initiativrecht nicht jedem einzelnen Abgeordneten zuzugestehen, sondern nur den Fraktionen oder einer der Fraktionsmindeststärke entsprechenden Anzahl von Abgeordneten 81. Gesetzesvorlagen ergänzen als selbständige Punkte die Tagesordnung (§ 75 Abs. 1 lit. a GeschOBT) und werden als Bundesdrucksachen an alle Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates und an die Bundesministerien verteilt (§ 77 Abs. 1 GeschOBT). Gesetzentwürfe werden in drei Beratungen behandelt (§ 78 Abs. 1 S. 1 GeschOBT), wobei das Recht, auch noch in der dritten Lesung Änderungsanträge zu stellen, wiederum nur den Fraktionen oder einer Gruppe von Abgeordneten mit mindestens Fraktionsstärke vorbehalten ist (§ 85 Abs. 1 GeschOBT). In der ersten Beratung findet auf 78 Statt vieler Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 47. Teilweise werden die Funktionen des Bundestages in der Literatur abweichend bestimmt, vgl. nur Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 17, der gegen eine Öffentlichkeitsfunktion votiert, die Inhalte dieser Funktion allerdings zum Teil der Kontrollfunktion und zum Teil einer Repräsentationsfunktion zuordnet. Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 32, bezeichnet die Öffentlichkeit als einen in der Demokratie notwendigen Faktor der parlamentarischen Arbeit, welcher die Einzelfunktionen erst erfüllbar macht, aber nicht als selbständige Funktion des Parlaments zu verstehen ist. 79 Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 240; zustimmend Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 255; s. auch Andreas Linde, Fraktionsfinanzierung, S. 41 ff. 80 s. Artt. 70 ff., Art. 77 Abs. 1 GG. 81 Vgl. nur BVerfGE 80, 188 (217 ff.).

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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Verlangen einer Fraktion oder einer der Fraktionsmindeststärke entsprechenden Anzahl von Abgeordneten eine Aussprache statt, in der dann nur die Grundsätze der Vorlagen besprochen, aber keine Sachanträge gestellt werden dürfen (§ 79 GeschOBT). Die Gesetzesvorlagen werden dann zunächst zur weiteren Beratung in den – im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen besetzten (§§ 12, 57 GeschOBT) – zuständigen Ausschuss bzw. gegebenenfalls die zuständigen Ausschüsse überwiesen (§ 80 Abs. 1 GeschOBT). In den grundsätzlich nicht öffentlichen Ausschusssitzungen (§ 69 Abs. 1 S. 1 GeschOBT) können Experten angehört (§ 70 GeschOBT) und die Gesetzentwürfe in Eigenregie geändert, ergänzt oder umformuliert werden (§ 71 GeschOBT). Die Ausschüsse berichten über das Ergebnis ihrer Beratungen dem Bundestag, der in zweiter Lesung über jede Einzelbestimmung abstimmt (§ 81 Abs. 2 GeschOBT), zuvor aber nur auf Empfehlung des Ältestenrats oder Verlangen einer Fraktion bzw. von einer Gruppe von Abgeordneten in Fraktionsstärke eine allgemeine Aussprache abhält. Die Vorlage kann ganz oder teilweise zur Beratung in die Ausschüsse zurückverwiesen werden (§ 82 Abs. 3 GeschOBT). Generaldebatte und Schlussabstimmung finden in dritter Lesung statt (§ 84 GeschOBT), wobei den Fraktionen wiederum eigene, den Verfahrensgang beeinflussende Rechte eingeräumt sind (vgl. §§ 84b, 85 Abs. 1 S. 1 und S. 2, 86 S. 2 GeschOBT) 82. Den Fraktionen sind also formal umfangreiche Handlungsbefugnisse im Gesetzgebungsverfahren eingeräumt. Bei der Wahrnehmung dieser Rechte kommen die Fraktionen ihrer inhaltlich richtungweisenden Aufgabe allerdings in sehr unterschiedlicher Weise nach. Dies ist Ausdruck der die demokratische Ordnung des Grundgesetzes kennzeichnenden Gewaltenverschränkung: zwischen parlamentarischer Mehrheit und Regierung. Deutlich mehr als die Hälfte aller Gesetzesinitiativen, die in der 16. Wahlperiode beim Bundestag eingebracht wurden, stammen von der Regierung (537 von 905 Gesetzesvorlagen insgesamt 83) und wurden im Parlament mit den Stimmen der Mehrheitsfraktionen durchgesetzt (488 von 616 der vom Bundestag verabschiedeten Gesetze) 84. Demzufolge liegt der Anteil der im Bundestag erfolgreichen Regierungsvorlagen in der 16. Wahlperiode bei fast 80 %. Der Anteil der eindeutig auf Regierungsvorlagen zurückzuführenden, letztlich auch verkündeten Gesetze liegt sogar bei knapp über 80 % (484 von 603 verkündeten Gesetzen). Dagegen wurden nur fast 30 % der Geset82

Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 145 ff., gibt einen Überblick über die geschäftsordnungsmäßigen Fraktionsrechte im Verfahrensgang der Gesetzesinitiative und -beratung. 83 Basierend auf dem Datenmaterial des Referats Parlamentsdokumentation des Deutschen Bundestages, Statistik der Gesetzgebung – Überblick 16. Wahlperiode, Stand 30. 09. 2009, online unter http://www.bundestag.de/dokumente/parlamentsdokumentation /gesetzgebung.pdf abrufbar, 08. 10. 2009. 84 Dabei ist die große Anzahl an Gesetzesvorlagen dem „raschen Wechsel der Lebensverhältnisse“ und dem dadurch bedingten Anpassungsdruck der Politik, „die sich verpflichtet fühlt, die gesellschaftliche Entwicklung [...] ‚gerecht‘ zu gestalten“ geschuldet, so Hans Hugo Klein, in: HdBStR III, § 50 Rn. 20.

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A. Die Bundestagsfraktionen

zesvorlagen aus der Mitte des Bundestages eingebracht (264 von 905), davon ca. 37 % (97 von 264 Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages) von der Regierungskoalition bestehend aus den Fraktionen von CDU / CSU und SPD. Mit jeweils einem Anteil von ca. 16% schlagen die seitens der Oppositionsfraktionen von FDP (44 von 264), Die Linke (42 von 264) und Bündnis 90/Die Grünen (48 von 264) eingebrachten Gesetzentwürfe zu Buche. Insgesamt beträgt der Anteil der Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages an den auch verkündeten Gesetzen nur fast 14% (83 von 603). Letztlich Erfolg beschieden waren mit 67 von insgesamt 603 verkündeten Gesetzen ca. 11% der von der Regierungskoalition eingebrachten Gesetzesvorlagen. Dies entspricht allerdings bezogen auf die Gesamtzahl der aus der Mitte des Bundestages überhaupt eingebrachten und letztlich auch verkündeten Gesetzesvorlagen (67 von 83) einer Erfolgsquote von knapp über 80 %. Von den seitens der Oppositionsfraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen jeweils eingebrachten Gesetzesvorlagen erblickte keine in Form eines Gesetzes das Licht der Welt. Die verbleibenden 20 % erfolgreicher Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages sind auf Regierungsund Oppositionsfraktionen einigende Allianzen zurückzuführen 85. Damit wird deutlich, dass vor allem Vorlagen der Bundesregierung (484 von 603) und solche, die unter Beteiligung der Regierungskoalition aus der Mitte des Bundestages (80 von 603) oder von Regierung und Regierungskoalition gemeinsam (18 von 603) eingebracht wurden, den Bundestag erfolgreich passiert haben und auch verkündet wurden. Die in Urheberschaft der Opposition und des Bundesrates entstandenen Gesetzesvorlagen haben allerdings mit nur knapp 3,5 % (21 von 603) einen sehr geringen Anteil an den beschlossenen und verkündeten Gesetzen 86. Wenngleich Gesetzesinitiativen demnach vor allem von der Bundesregierung ausgehen, so ist es doch der Bundestag, der über das Zustandekommen der Gesetze beschließt. Im parlamentarischen Beratungsprozess haben die Fraktionen, auch die der Opposition, die Möglichkeit, ihre inhaltlichen Vorstellungen in die Parlamentsarbeit einzubringen 87. Das geschäftsordnungsrechtlich geordnete Gesetzgebungsverfahren (insbes. §§ 75, 76 GeschOBT) sichert den Fraktionen eine politisch aktive Teilhabe an der Gesetzgebungsfunktion des Parlaments. Vor al85

Hierbei handelt es sich um Gesetzesinitiativen von CDU / CSU, SPD, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen (2), von CDU / CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen (6), von CDU / CSU, SPD, FDP (4), von CDU / CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen (1) und von Abgeordneten ohne Beteiligung der Fraktionen (3), s. Referat Parlamentsdokumentation des Deutschen Bundestages, Statistik der Gesetzgebung, Überblick 16. Wahlperiode, Stand 30. 09. 2009, online abrufbar http://www.bundestag.de /dokumente/parlamentsdokumentation/gesetzgebung.pdf, 08. 10. 2009. 86 Einen statistischen Überblick für die Jahre 1949 bis 2005 gibt Gebhard Ziller, in: Das Parlament Nr. 04 vom 23. 01. 2006, S. 12. 87 Hans Hugo Klein, in: HdBStR III, § 50 Rn. 21.

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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lem das Recht zur Einbringung von Änderungsanträgen vermag als politisches Werkzeug zur Entwicklung konkurrenzfähiger Alternativen beizutragen 88. Zwar tragen insbesondere die Mehrheitsfraktionen ihrer politischen Ausrichtung entsprechend gesellschaftliche Interessen und Forderungen in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren hinein. Zum einen geht der größte Anteil erfolgreicher Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages auf ihre (Mit-) Urheberschaft zurück. Zum anderen fungieren sie aber auch für die Regierungsvorlagen als „Resonanzboden des Zumutbaren“ 89, indem sie die Akzeptanz einer geplanten Regelung vorklären und oft auch inhaltliche Details ändern oder hinzufügen. Jedoch nehmen auch die Oppositionsfraktionen politisch steuernd am Gesetzgebungsverfahren teil, indem sie den Widerstand gegen den Mehrheitswillen inhaltlich formulieren, organisieren und im Wege parlamentarischer Kooperation legislatorische Kompromisse aushandeln 90. (2) Teilhabe der Fraktionen an der Kontrollfunktion des Bundestages Die Kontrollfunktion des Bundestages weist diesem sowohl eine nachträgliche, sanktionierende als auch eine mitwirkende, dirigierende Rolle zu 91. Demnach ist die parlamentarische Kontrolle nicht beschränkt auf eine rückblickende späte Kritik an einem als kritikwürdig empfundenen Regierungshandeln. Der Kontrollzugriff des Bundestages erfasst den gesamten Umfang der Regierungstätigkeit und beinhaltet demzufolge auch die Einflussnahme auf das Verhalten des Kontrollierten 92. Die Kontrollfunktion des Bundestages setzt in dieser Lesart voraus, dass die Regierungstätigkeit auch durch parlamentarische Willensäußerungen in ihrer Politik beeinflusst werden kann 93. Die mitwirkende Kontrolle des Bundestages ist in Einzelfällen durch ausdrücklich normierte unmittelbare Beteiligungsrechte schon in der einen Rechtsakt der Regierung vorbereitenden Phase der Willensfindung gesichert. So statuieren Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG im Falle der Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union, dass der Bundestag zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten und ihm vor der Mitwirkung Gelegenheit zur – dann auch zu berücksichtigenden – Stellungnahme zu geben ist 94. Die Aufnahme von Krediten sowie 88

Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 243. Zum Begriff s. Winfried Steffani, in: ders., Demokratie, 141 (162). 90 Suzanne S. Schüttemeyer, in: Hartmann / Thaysen, Pluralismus, S. 113 (118); Suzanne S. Schüttemeyer, Fraktionen, S. 35 ff. 91 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 44; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 52; Hans Hugo Klein, in: HdBStR III, § 50 Rn. 33. 92 Vgl. Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 41, 44. 93 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 52. 89

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A. Die Bundestagsfraktionen

die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz (Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG). Weitere durch Parlamentsvorbehalte gesicherte Mitwirkungsrechte sind für die Feststellung des Spannungs- und Verteidigungsfalles, bei dessen Beendigung und beim Friedensschluss vorgesehen (Art. 80a Abs. 1 GG, 115a Abs. 1, 115l GG). Soweit allerdings die vorherige bzw. begleitende Einbeziehung des Bundestages in die Regierungstätigkeit nicht schon grundgesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist, ist der Bundestag auf die Inanspruchnahme von Informationsrechten angewiesen. „Grundlage jeglicher Kontrolle ist Information“ 95. Dies gilt indes nicht nur für die mitwirkende, sondern auch für die nachträglich sanktionierende Kontrolle 96. Auch ein nachträgliches Unwerturteil setzt Kenntnis vom Handeln des Kontrollierten voraus. Dies gilt auch in den Fällen, in denen das parlamentarische Kontrollinstrumentarium nicht lediglich informatorische, sondern unmittelbar sanktionierende Maßnahmen, wie das des konstruktiven Misstrauensvotums (Art. 67 GG), bereitstellt. Eine Beurteilung des Handelns bedarf, soll sie nicht unsachlich und unbegründet sein, zur Entscheidung befähigender Informationen. In Vorbereitung der Sanktion wird der Bundestag also regelmäßig auf die Inanspruchnahme seiner Informationsrechte angewiesen sein. Das Grundgesetz und die Geschäftsordnung des Bundestages stellen ein ausdifferenziertes und umfangreiches Kontrollinstrumentarium zur Verfügung. Die vielfach gegebene, oft (nur) unterstellte, mitunter aber auch fehlende Interessenkongruenz von Mehrheitsfraktionen und Regierung bedingt im parlamentarischen Regierungssystem, dass die Kontrolle nicht vom Gesamtparlament ausgeübt wird, sondern von der Mehrheit einerseits und von der Opposition andererseits. Mehrheit und Opposition verfolgen dabei eigene Ziele 97. Parlamentarische Kontrolle der Mehrheit erfolgt in erster Linie als Prozess des Überprüfens und Bestimmens der Politik der Regierung 98, dient aber auch dem Nachweis von Effizienz und Erfolg der Regierungstätigkeit 99. Demgegenüber nutzt die Opposition ihre Kontrollrechte vornehmlich, um das Handeln der Regierung und ihrer Mehrheit im Parlament zu überprüfen. Öffentliche Kritik und die Möglichkeit, Alternativen zu formulieren, sind demnach für die Opposition handlungsleitend 100. 94 Ausführlich zur Kontrolle der Mitwirkung der Regierung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union s. Peter M. Huber, in: HdBStR III, § 47 Rn. 53 ff. 95 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 42. 96 Vgl. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 55. 97 Grundsätzlich und ausführlich zur Stellung und Rolle der Opposition im parlamentarischen Regierungssystem s. Peter M. Huber, in: HdBStR III, § 47 passim. 98 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 53. 99 Vgl. Suzanne S. Schüttemeyer, in: Hartmann / Thaysen, Pluralismus, S. 113 (118).

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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Die Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung sind zahlreich und mehr oder weniger öffentlichkeitswirksam. So erregen beispielsweise mündliche oder schriftliche Einzelfragen zu eng umrissenen Sachverhalten (§ 105 GeschOBT i.V. m. Anl. 4 GeschOBT), die von jedem einzelnen Abgeordneten an die Bundesregierung gerichtet werden können, regelmäßig aufgrund ihrer thematischen Beschränkung eher weniger Aufmerksamkeit. Mehr Beachtung finden die auf umfangreiche Themenkomplexe gerichteten Großen Anfragen (§§ 75 Abs. 1 lit. f, 76 Abs. 1, 77, 78 Abs. 1 S. 1, 100 bis 103 GeschOBT), die von einer Fraktion oder von mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages eingebracht werden können. Da mit ihnen nicht nur eine schriftliche Antwort der Regierung erreicht werden kann 101, sondern sie auch zur Debatte auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt werden können, zielen sie neben der reinen Informationsbeschaffung auch auf eine öffentliche Auseinandersetzung mit der jeweiligen Politik. In ähnlicher Weise dienen auch die Aktuellen Stunden, die von einer Fraktion zur Aussprache „über ein bestimmt bezeichnetes Thema von allgemeinem aktuellen Interesse“ (§ 106 GeschOBT) beantragt werden können, als ein Mittel zum politischen Schlagabtausch. Über beide Instrumente wird die auch unter Kontrollgesichtspunkten bedeutsame Öffentlichkeit hergestellt. Die öffentliche Resonanz lässt das Kontrollinstrumentarium wirksam werden und erzeugt eine legitimierende Wirkung der parlamentarischen Kontrolle. Der Öffentlichkeit obliegt es, den Kontrollierten entsprechend dem Kontrollergebnis mit Sanktionen politischer Natur zu belegen. Der Reputationsverlust in der Öffentlichkeit und in der Folge eine verminderte Zustimmung beim Wahlvolk ist die maßgebliche, dem Kontrollinstrumentarium zu seiner Wirksamkeit verhelfende Sanktionsdrohung, über die insbesondere die Oppositionsfraktionen ihrer Teilhabe an der Kontrollfunktion des Bundestages gerecht werden 102. (3) Teilhabe der Fraktionen an der Kreationsfunktion des Bundestages In Ausübung seiner Kreationsfunktion organisiert der Bundestag sich selbst und bestimmt in Teilen die personelle Be- bzw. Zusammensetzung anderer oberster Bundesorgane. So ist die Wahl des Bundestagspräsidenten sowie dessen Stellvertreter und des Schriftführers (Art. 40 Abs. 1 S. 1 GG), die Berufung des Wehrbeauftragten (Art. 45b GG), die Bildung des Ältestenrats, bestehend aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und dreiundzwanzig weiteren von den Fraktionen zu benennenden Mitgliedern (§ 6 GeschOBT), und die Einsetzung von 100

Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 244. So aber bei Kleinen Anfragen, mit denen „Auskunft über bestimmt bezeichnete Bereiche“ von der Regierung verlangt werden kann (§§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 1, 77 Abs. 1, 104 GeschOBT). 102 Vgl. Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 45. 101

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A. Die Bundestagsfraktionen

Ausschüssen, deren Mitglieder wiederum von den Fraktionen benannt werden (§§ 54, 57 Abs. 2 GeschOBT), dem Bereich der Selbstorganisation des Bundestages zuzurechnen. Ein besonders wichtiger Part der Beteiligung des Bundestages an der Kreation anderer oberster Bundesorgane ist die Wahl des Bundeskanzlers (Art. 63 GG). Darüber hinaus entsendet der Bundestag beispielsweise sechzehn Mitglieder in den Vermittlungsausschuss (Art. 77 Abs. 2 GG, § 1 Gemeinsame Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuss nach Artikel 77 GG), er wählt zur Hälfte die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes, die andere Hälfte wählt der Bundesrat (Art. 94 Abs. 1 S. 2 GG), Präsident und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts werden nach § 9 BVerfGG abwechselnd von Bundestag und Bundesrat bestimmt, der Bundestag wählt auch einen Teil der Mitglieder des Richterwahlausschusses, der über die Berufung der Richter der Bundesgerichte mitentscheidet (Art. 95 Abs. 2 GG) 103. Der Dualismus zwischen Mehrheit und Opposition spiegelt sich auch in der Teilhabe der Fraktionen an der Kreationsfunktion des Bundestages wider. In nahezu allen Bereichen, sowohl bei der personellen Besetzung bundestagseigener Organisationsstrukturen als auch bei der Entsendung von Mitgliedern aus den eigenen Reihen in andere Gremien, sind zwar alle Fraktionen mitspracheberechtigt, allerdings können sie ihren eigenen „Personal-politischen“ Vorstellungen nur entsprechend ihres Stärkeverhältnisses Geltung verschaffen. Bei der Wahl des Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter (des Präsidiums) ist die Unterschiede im Stärkeverhältnis teilweise egalisierend sogar vorgesehen, dass jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten ist (§ 2 Abs. 1 S. 2 GeschOBT). Der Ältestenrat und die für die parlamentarische Arbeit wesentlichen Ausschüsse des Bundestages werden jedoch von den Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke beschickt (§ 12 GeschOBT). Auch die vom Bundestag in den Vermittlungsausschuss gem. Art. 77 Abs. 2 GG zu entsendenden Mitglieder werden nach einem – wenn auch nicht zwingend uneingeschränkten 104 – proportionalen Verteilungsverfahren bestimmt. Sowohl die Wahl der Mitglieder des Richterwahlausschusses als auch der Mitglieder des Wahlausschusses für die Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts erfolgt nach den Regeln der Verhältniswahl, wobei jede Fraktion einen Vorschlag einbringen kann (§ 5 RiWG und § 6 BVerfGG). Die generelle Orientierung an dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bedingt, dass die Möglichkeiten der Minderheitsfraktionen zur Einflussnahme, sowohl auf die Besetzung der Gremien als auch bei der inhaltlichen Arbeit der Gremien, hinter denen der Mehrheitsfraktionen schon aufgrund ihrer zahlenmä103

Näher zur Kreationsfunktion s. Hans Hugo Klein, in: HdBStR III, § 50 Rn. 27 ff. Der auch für die Besetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuss geltende Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt nicht uneingeschränkt. Er muss im Konfliktfall mit dem Prinzip stabiler parlamentarischer Mehrheitsbildung in Einklang gebracht werden: BVerfGE 112, 118 (140). 104

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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ßigen Unterlegenheit zurückbleiben. Gerade für den für die parlamentarische Arbeit außerordentlich bedeutsamen Bereich der Ausschussarbeit sind den Minderheitsfraktionen durch die Geschäftsordnung des Bundestages jedoch ihren Mitwirkungsanspruch sichernde Rechte eingeräumt. So kann die Durchführung einer Anhörung im Ausschuss von einer Minderheit der Mitglieder des Ausschusses verlangt werden (§ 70 Abs. 1 und Abs. 2 GeschOBT) und ein Antrag auf Schluss der Aussprache darf frühestens zur Abstimmung gestellt werden, wenn jede Fraktion Gelegenheit hatte, zur Sache zu sprechen und von der jeweiligen Fraktionsauffassung abweichende Meinungen vorgetragen werden konnten (§ 71 Abs. 3 GeschOBT). Die Teilhabe der Fraktionen an dem wohl prägnantesten Beispiel der Wahrnehmung der Kreationsfunktion durch den Bundestag, der Wahl des Bundeskanzlers, ist allerdings deutlich zugunsten der Mehrheitsfraktionen ausgestaltet. Die Wahl des Bundeskanzlers wird durch das Ergebnis der Wahlen zum Bundestag und der daran ausgerichteten Koalitionsbildung vorbestimmt. Die jeweilige parlamentarische Konstellation lässt die Wahlaussichten der Kanzlerkandidaten derart evident erscheinen, dass der Bundestagespräsident sich bei der Ausübung seines Vorschlagsrechtes gegenüber dem Bundestag (Art. 63 Abs. 1 GG) an den Erfolgsaussichten des Vorgeschlagenen orientieren wird 105. Damit obliegt die Wahl – aber auch die Abberufung (Art. 67 GG) – des Bundeskanzlers der Mehrheit im Parlament. Durch die Wahl übernehmen die Mehrheitsfraktionen eine verpflichtende Verantwortung für die Arbeitsfähigkeit und die Erfolgschancen des Bundeskanzlers sowie seiner Regierung 106. Zudem ist „die Auslese der dem Wahlvolk zu präsentierenden Personen sowie deren Ersetzung im Falle ihrer je spezifischen Leistungsunfähigkeit“ eine zentrale Aufgabe der Fraktionen 107, freilich in erster Linie der Mehrheitsfraktionen. (4) Teilhabe der Fraktionen an der Öffentlichkeitsfunktion des Bundestages Die Öffentlichkeitsfunktion ist als Querschnittsfunktion zu verstehen, die für den gesamten Bereich der parlamentarischen Arbeit Wirkung entfaltet 108. Sie verpflichtet den Bundestag als Repräsentationsorgan des Volkes zur Herstellung politischer Kommunikation 109. Die Repräsentation des Volkes ist rechtlich au105

Hans Hugo Klein, in: HdBStR III, § 50 Rn. 28. Suzanne S. Schüttemeyer, in: Hartmann / Thaysen, Pluralismus, S. 113 (120). 107 s. Suzanne S. Schüttemeyer, in: Hartmann / Thaysen, Pluralismus, S. 113 (123). 108 Hans Hugo Klein, in: HdBStR III, § 50 Rn. 56; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 32, versteht die Öffentlichkeit nicht als selbständige Funktion, sieht sie aber als Faktor der parlamentarischen Arbeit, welcher die Einzelfunktionen erst erfüllbar macht. Ähnlich auch Suzanne S. Schüttemeyer, Fraktionen, S. 22 f. 109 Leo Kißler, in: Schneider / Zeh, § 36 Rn. 1, 8 ff. 106

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torisierte Herrschaft in dem Sinne, dass der Bundestag im Namen des Volkes, „jedoch ohne dessen bindenden Auftrag“ seine Autorität unmittelbar vom Volk ableitet und „mit dem Anspruch legitimiert, dem Gesamtinteresse des Volkes zu dienen und dergestalt dessen wahren Willen zu vollziehen“ 110. Dabei ist notwendige Ergänzung der periodischen Volkswahl die permanente demokratische Kommunikation zwischen Volk und Parlament, um eine rationale Wahlentscheidung zu ermöglichen und die staatliche Willensbildung im Parlament an die politische Willensbildung im Volk zu binden 111. Einerseits ist demokratische Kommunikation demnach die Vermittlung von politischen Informationen an die Öffentlichkeit, um die Willensbildung des Volkes zu ermöglichen und die Beteiligung an der politischen Willensbildung zu fördern. Zum anderen ist mit ihr eine fortgesetzte Aktualisierung der Verantwortlichkeit des Bundestages gegenüber dem Volk verbunden, die ihn dazu anhält, den „in der Gesellschaft vorhandenen Wertefundus“ 112 zu berücksichtigen, die Meinungen und Interessen aufzugreifen und zu bedenken. Wesentlicher Bestandteil der Öffentlichkeitsfunktion ist die durch Art. 42 Abs. 1 GG statuierte Öffentlichkeit der Verhandlungen des Bundestages 113. Der Öffentlichkeitsgrundsatz bezieht sich ausschließlich auf Plenarsitzungen und verlangt allgemeine Zugänglichkeit, die entweder unmittelbar durch Sitzungsöffentlichkeit oder aber mittelbar durch Parlamentsberichterstattung zu gewährleisten ist 114. Die öffentliche Plenardebatte ist darauf gerichtet, „die parlamentsinternen Willensbildungsprozesse für die Bürger durch öffentlichen Kontakt und Darlegung transparent, nachvollziehbar und damit kritisierbar zu machen“ 115. Dabei gilt der Öffentlichkeitsgrundsatz sowohl für die Erörterung anstehender Sachfragen als auch für die Kontrollaktivitäten, welche die Abgeordneten und Fraktionen – die in Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben für das Volk handeln – entfalten 116. Die Fraktionen haben teil an dieser Öffentlichkeitsfunktion des Bundestages 117. Zum einen sind sie bestimmend für die Auswahl der zu beratenden Themen, zum anderen dominieren sie die parlamentarische Redeordnung 118 und 110

Ernst Fraenkel, Deutschland, S. 113; ebenso Leo Kißler, in: JöR 26 (1977), 39 (52). Siegfried Magiera, in: Sachs, Art. 38 Rn. 26. 112 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 35. 113 Vgl. BVerfGE 44, 125 (139). 114 Leo Kißler, in: Schneider / Zeh, § 36 Rn. 23. 115 Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 241. 116 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 32. 117 Daneben ist auch eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen nunmehr durch § 47 Abs. 3 AbgG ausdrücklich erlaubt. Die Zulässigkeit fraktioneller Öffentlichkeitsarbeit ist auch nach Einführung des § 47 Abs. 3 AbgG nicht unumstritten, insbesondere bereitet die Abgrenzung zur nicht erlaubten Verwendung der Mittel der staatlichen Fraktionsfinanzierung für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit für die politischen Parteien 111

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erhalten so Gelegenheit, die fraktionsinterne Willensbildung, die dafür maßgeblichen Gesichtspunkte und Argumente öffentlich darzulegen 119. Die Geschäftsordnung des Bundestages sichert die Teilhabe der Fraktionen durch zahlreiche Fraktionsrechte in der Plenardebatte. So legt grundsätzlich der Ältestenrat die Beratungsgegenstände und die Reihenfolge ihrer Behandlung in der Tagesordnung fest (§ 20 Abs. 1 GeschOBT) und damit unter Beteiligung der im Ältestenrat entsprechend ihrer Stärke vertretenen Fraktionen (§ 6 GeschOBT). Weitere unmittelbare Einflussmöglichkeiten der Fraktionen während der Plenardebatte sind in § 20 Abs. 3 und Abs. 5 GeschOBT vorgesehen. Insbesondere die Verteilung der Redezeit bei zeitlich begrenzter Aussprachedauer ist wiederum Gegenstand interfraktioneller Vereinbarung im Ältestenrat, wobei die Fraktionen in der Regel im Verhältnis ihrer Stärke berücksichtigt werden 120. Wenngleich diese Regel sich nicht ausdrücklich aus der Geschäftsordnung ergibt, so geht doch § 44 Abs. 2 GeschOBT von einer fraktionsorientierten Redezeitverteilung aus. Zudem bestimmt nach § 28 Abs. 1 GeschOBT der Bundestagspräsident die Reihenfolge der Redner: „Dabei soll ihn die Sorge für sachgemäße Erledigung und zweckmäßige Gestaltung der Beratung, die Rücksicht auf die verschiedenen Parteirichtungen, auf Rede und Gegenrede und auf die Stärke der Fraktionen leiten.“ Der demokratischen Kommunikation durch Informationsvermittlung an die Öffentlichkeit dienen die Fraktionen auch bei der Ausübung der ihnen obliegenden Kontrolle 121 durch Veranlassen der Regierung zur Informationsbereitstellung: Die Oppositionsfraktionen mit dem Ziel, das Handeln der Regierung und der sie tragenden Mehrheit im Parlament zu überprüfen, Alternativen zu präsentieren und zu begründen. Die Mehrheitsfraktionen mit dem Ziel, für die eigenen Konzepte zu werben und die Leistungen stärker zu betonen. Gegenüber der Öffentlichkeit werden so Absichten, Prioritäten und Defizite der Regierungspolitik offen gelegt. bb) Arbeitsgemeinschaften der Abgeordneten Die Funktion der Fraktionen als Arbeitsgemeinschaften der in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten nimmt die – der Entscheidungsfindung im Parlament vorgelagerte – Willensbildung und Entscheidungsfindung in den Fraktionen in den Blick. Selbstverständlich dienen die Fraktionen auch in dieser (§ 50 Abs. 4 S. 2 AbgG) Schwierigkeiten, s. hierzu Hans Hugo Klein, in: FS Badura, S. 263 ff., und Sven Hölscheidt, in: DÖV 2000, 712 (715 ff.). 118 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 258. 119 Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 241. 120 Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 86. 121 Hierzu bereits oben, S. 31 ff.

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Sichtweise der Aufgabenerfüllung des Parlaments, indem sie insbesondere eine Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedern organisieren, gemeinsame Initiativen vorbereiten und aufeinander abstimmen sowie eine umfassende Information der Fraktionsmitglieder unterstützen und auf diese Weise unterschiedliche Positionen zu handlungs- und verständigungsfähigen Einheiten zusammenfassen 122. Sie leisten damit entscheidende Vorarbeit für die sachgerechte und zügige Behandlung von Verhandlungsgegenständen im Parlament. Im Vordergrund stehen hier aber Effizienz und Optimierung der Parlamentsarbeit des einzelnen Abgeordneten: „Aus der Arbeit der Fraktionen erwächst ihren Mitgliedern eine Reihe von Vorteilen, die sie nicht nur für die Mitwirkung in der Fraktion, sondern auch für ihre eigene politische Arbeit nutzen können. So bringt es die Einbindung in eine Fraktion mit sich, dass dem Abgeordneten zahlreiche, auch schon politisch aufgearbeitete Informationen zufließen, die er sich ohne diese Hilfestellung der Fraktion nur mühsam zu verschaffen vermöchte“ 123.

Die Fraktionen erleichtern ihren Mitgliedern demzufolge sowohl die Informationsbeschaffung, als auch die Informationsverarbeitung 124. Besondere Bedeutung gewinnt diese Serviceleistung der Fraktionen für ihre Mitglieder vor dem Hintergrund der Vielzahl und der Komplexität der zur Beratung bzw. Entscheidung stehenden Fragestellungen. Die sich daraus ergebende Herausforderung macht Arbeitsteilung und Spezialisierung zu einem unvermeidlichen Sachzwang, und zwar sowohl für die Arbeit des Gesamtparlaments als auch für die Arbeit innerhalb der Fraktionen 125. Die sachpolitische Detailausarbeitung beziehungsweise -überprüfung und nicht zuletzt die Abgleichung der parlamentarischen Entscheidungsvorbereitung mit Positionen von Partei und Wählerschaft im Einzelnen bedarf einer Vielzahl von Fraktionsexperten 126. Hier entfalten die Fraktionen ihren integrativen Charakter für den einzelnen Abgeordneten: „[...] ihre spezifische Teamarbeit, die Vorbereitung gemeinsamer Initiativen, das Aufeinanderabgestimmtsein, das Vertrauen auf ergänzende Sachkompetenz binden den Abgeordneten mit seinen Fähigkeiten und Kräften in die Gesamtabläufe ein“ 127. 122 Hans-Hermann Kasten, Ausschußorganisation, S. 150; s. auch BVerfGE 80, 188 (231); Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1146). 123 BVerfGE 80, 188 (231 f.). 124 Vgl. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 253, 258, der eine „Mitgliederfunktion“ der Fraktionen darin sieht, dass sie die Mandatsausübung ihrer Mitglieder unterstützen, indem sie „Initiativen vorbereiten, gemeinsame Ziele formulieren und durchsetzen, Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedern organisieren sowie ihre Mitglieder bei der Informationsbeschaffung, -aufbereitung und -vermittlung unterstützen. 125 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (634); s. auch Claus Arndt, in: Schneider / Zeh, § 21 Rn. 5. 126 Suzanne S. Schüttemeyer, Fraktionen, S. 229. 127 Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1146).

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Indem die Fraktionen eine Plattform für eine vertrauensvolle Diskussion politisch gleichgesinnter (vgl. § 10 Abs. 1 GeschOBT) Abgeordneter schaffen und den sachlichen und politischen Interessen ihrer Mitglieder Rechnung tragen 128, schaffen sie einen Ausgleich dafür, dass ohne Spezialisierung auf Einzelbereiche eine vernünftige Politikgestaltung zumeist nicht möglich ist, das Spezialistentum auf einem Gebiet aber zwangsläufig mit einer verminderten Kompetenz auf anderen Politikfeldern einhergeht 129. Die Arbeitsteiligkeit der politischen Arbeit auf der Basis der Kollegialität innerhalb der Fraktion schafft für den einzelnen Mandatsträger daher erst die Voraussetzungen, einen zur Entscheidung befähigenden Kenntnisstand zu erlangen. Der einzelne Abgeordnete erlangt so insbesondere durch die Arbeitsteilung der Fraktionsmitglieder einen nachhaltigen Einfluss auf das parlamentarische Geschehen und vermag seine Rechte aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG effektiv auszuüben 130. Das danach notwendige Vertrauen der Abgeordneten in die Sachkompetenz seiner Fraktionskollegen auf deren Hauptarbeitsgebieten wird dadurch stabilisiert, dass die Fraktionsmitglieder grundsätzlich die gleichen politischen Grundüberzeugungen teilen 131. b) Funktion als Tendenzgemeinschaften Die Funktion der Fraktionen als Tendenzgemeinschaften ist Ausdruck der politikgestaltenden und damit interessen- und überzeugungsgeleiteten Aufgabenwahrnehmung der Fraktionen 132. Der Begriff Tendenz suggeriert sinnvollerweise eine Richtung, einen Prozess, einen Weg 133. Richtungweisend ist die gemeinsame politische Grundüberzeugung der in den Fraktionen zusammengeschlossenen Abgeordneten, wobei die gleiche Parteizugehörigkeit ein formalisierter Ausdruck der inhaltlichen Gemeinsamkeit ist 134.

128 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 246; Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 248; Suzanne S. Schüttemeyer, in: Helms, Parteien, S. 39 (45). 129 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (634); Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (628); Claus Arndt, in: Schneider / Zeh, § 21 Rn. 5. 130 Vgl. Gerald Roth, in: Umbach / Clemens, Art. 38 Rn. 120; Suzanne S. Schüttemeyer, in: Helms, Parteien, S. 39 (45). 131 Vgl. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (634, 641 f.). 132 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (634); Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 172; grundlegend zur Tendenzfreiheit am Beispiel politischer Parteien s. Martin Morlok, in: NJW 1991, 1162 ff.; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 21 Rn. 59; Martin Morlok, in: MIP 2007, 14 (17 f.). 133 Das Wort Tendenz geht zurück auf den englischen Begriff tendence, französisch tendance, lateinisch tendere. Die Bedeutung des lateinischen Verbs tendere gibt Hilfestellung: sich ausdehnen; in eine Richtung, auf ein Ziel lenken. Substantivierend bedeutet „tendentia“ (mittellateinisch) „das Bewegen in eine Richtung“, s. Duden, Das Herkunftswörterbuch (Band 7), 2. Aufl., Mannheim u. a. 1989, Stichwort „tendieren“, S. 740.

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A. Die Bundestagsfraktionen

Für die Fraktionen als Tendenzgemeinschaften folgt daraus inhaltlich eine Rückbindung an die programmatischen Grundsätze der Partei, die zur Grundlage aller innerfraktionellen Kommunikation gemacht werden dürfen. Dabei darf selbstverständlich über die Auslegung und auch Änderung der programmatischen Grundsätze gestritten werden. Aber als maßgeblicher Bezugspunkt darf die Programmatik, die explizit Ausdruck der Gemeinsamkeit der politischen Grundüberzeugungen der sich in den Fraktionen zusammenfindenden Abgeordneten ist, verpflichtend vorgegeben werden 135. Die Parteiprogrammatik ist damit richtungweisende Grundlage und Ausgangspunkt der innerfraktionellen Diskussion, von der aus sich die Meinungs- und Willensbildung in eine der Fraktionstendenz entsprechende Richtung entwickelt. In diesem Sinne impliziert der Begriff Tendenzgemeinschaft die grundsätzliche Offenheit und Beeinflussbarkeit der innerfraktionellen Meinungs- und Willensbildung 136. Tendenzen müssen sich erst in eine bestimmte Richtung verfestigen, um als gemeinsame Willensbildung in – zumindest mehrheitsgetragene – Entscheidungen umgesetzt zu werden. Dabei steht der freie, auf Argumentation und Konsensbildung beruhende Willensbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess innerhalb der Fraktionen nicht in einem Gegensatz zu bestehenden Parteibindungen 137. Die Parteibindungen können die Willensbildung und Entscheidungsfindung der Abgeordneten jedoch nicht einseitig verbindlich determinieren. Einer solchen Fremdbestimmung steht das freie Mandat der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) entgegen 138. Es ist organisatorische Voraussetzung dafür, 134

Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (369); s. auch Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (634); zur Zulässigkeit und Notwendigkeit des Zusammenschlusses nach (partei-) politischen Kriterien s. Claus Arndt, in: Schneider / Zeh, § 21 Rn. 6; s. auch Hans Hugo Klein, in: FS Badura, S. 263 (273, insb. Fn. 43). 135 So für die innerparteiliche Verpflichtung auf gemeinsame Grundanschauungen Martin Morlok, in: NJW 1991, 1162 (1163); die Offenheit des innerfraktionellen Willensbildungsprozesses betonend auch Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (641). 136 Vgl. auch Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (628): Fraktionen bringen Geschlossenheit hervor „durch eine auf gemeinsamen Grundüberzeugungen aufbauende, aber freie und kontroverse Diskussion in den eigenen Reihen“; s. auch bereits Martin Kriele, in: ZRP 1969, 241 (241). 137 Hans-Peter Schneider, in: Denninger u. a., AK-GG, Art. 38 Rn. 44; Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 87; s. auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, in: Zwischenbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT-Drs. 6/3829, Zur Sache 1/73, S. 123 (124). 138 Zur Freiheit des Mandats und insbesondere zur Unzulässigkeit rechtlich verbindlicher Mandatsbindungen s. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 93 ff.; auch Konstruktionen wie die des rahmengebundenen Mandats (hierzu Norbert Achterberg, Mandat, passim) oder des parteibezogenen Mandats (s. Hans-Peter Schneider, in: HdbVerf., § 13 Rn. 51) können die durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistete rechtliche Unabhängigkeit des Abgeordneten nicht überwinden, so Hans-Heinrich Trute, in: von Münch / Kunig,

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dass der innerfraktionelle Willensbildungsprozess Raum lässt für Diskussion und Ausgleich. Zugleich gewährleistet das freie Mandat allerdings auch die tendenzgeleitete, ja die parteilinienkonforme Mandatsausübung des nur seinem Gewissen verpflichteten einzelnen Abgeordneten 139. Welche Motivationen den einzelnen Abgeordneten tatsächlich leiten, liegt außerhalb des rechtlichen Wirkungsbereiches des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG 140. Auch solche, die Willensbildung des Abgeordneten tragenden Beweggründe, die nicht auf der Überzeugung von der Richtigkeit nach gründlichem Überlegen beruhen – wie Konformismus, blindes oder auch waches Vertrauen in den Sachverstand der Fraktionskollegen oder die vorgefasste Meinung, die Partei habe immer recht – lassen die Mandatsausübung nicht „unfrei“ sein 141. Auf der anderen Seite schützt das freie Mandat den Abgeordneten auch nicht vor den unter Umständen stärker ausgeprägten sozialen Kompetenzen – wie Überzeugungs- und Durchsetzungskraft, Stehvermögen, Charakterstärke und Kompromissbereitschaft – seiner Fraktionskollegen. Diese Art faktischer Einflüsse auf die inhaltliche, geistigideelle Unabhängigkeit des Abgeordneten stehen einer freien Mandatsausübung grundsätzlich nicht entgegen 142. Das freie Mandat des Abgeordneten entfaltet im Prozess der parlamentarischen innerfraktionellen Willensbildung in dem Maße Wirkung, in dem der einzelne Abgeordnete sich durchsetzen kann und will und bereit ist, die Konsequenzen seiner Überzeugungen zu tragen 143. Dies erfordert in jedem Einzelfall eine individuelle Entscheidung 144. Unter Wahrung dieser Entscheidungsfreiheit können und dürfen die Abgeordneten die von Parteien, aber auch von Verbänden und öffentlicher Meinung an sie herangetragenen Interessen, Wünsche und Vorschläge prüfen und berücksichtigen 145. Das Selbstverständnis des Abgeordneten wird durch das in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG statuierte freie Mandat zum rechtlichen Art. 38 Rn. 76; insbes. zur Schwierigkeit der Abgrenzung von Fraktionszwang und Fraktionsdisziplin s. Claus Arndt, in: Schneider / Zeh, § 21 Rn. 23 ff., und Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (265 ff.); zum imperativen und freien Mandat s. Christoph Müller, Mandat, passim. 139 Martin Morlok, Selbstverständnis, S. 56: „Der Abgeordnete darf kraft des Verweises auf sein Gewissen seinen eigenen Überzeugungen folgen.“; s. auch Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (262); zum Begriff des Gewissens in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG s. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 195; s. auch Erk Volkmar Heyen, in: DÖV 1985, 772 (773 f.). 140 Agnes Launhardt, in: MIP 1999, 37 (40); Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (258 f.); s. auch schon Eduard Dreher, in: NJW 1950, 661 (663). 141 Vgl. Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (258); Horst Sendler, in: NJW 1985, 1425 (1428). 142 Vgl. Horst Sendler, in: NJW 1985, 1425 (1428). 143 Agnes Launhardt, in: MIP 1999, 37 (45); Hans Hugo Klein, in: HdBStR III, § 51 Rn. 6. 144 Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (628).

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A. Die Bundestagsfraktionen

Maßstab, und zwar sowohl für die inhaltlichen Entscheidungen als auch für die Konzeption der Abgeordnetenrolle selbst 146. Besondere Bedeutung kommt dem freien Mandat hier als prozedurale Sicherung der Freiheitsposition des Abgeordneten zu. Die verfassungsrechtlich gewährleistete und faktisch vorausgesetzte Unabhängigkeit der Abgeordneten ist Garant für Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit der innerfraktionellen Willensbildung und Entscheidungsfindung. Sie ermöglicht die Auseinandersetzung in der Fraktion und gestattet es, sich einer allzu umfassenden Herrschaft des eigenen Partei- oder Fraktionsapparates zu widersetzen 147, sie verpflichtet den einzelnen Abgeordneten aber nicht zu Gegenrede oder Widerspruch. Inhalt, Schwerpunkt und Ausübungsmodus der Tätigkeit des Abgeordneten können und müssen von jedem Abgeordneten selbst definiert werden 148. Die Fraktionen als Gemeinschaften der tendenziell gleichgesinnten Abgeordneten sind nun der Ort der Koordination und des Abgleichs der Überzeugungen und Interessen 149. Unmittelbar erfüllen sie diese Funktion für die in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten, indem sie die – teils homogenen, teils divergenten – Ansichten kanalisieren, bündeln und zu mehrheitsgetragenen Fraktionspositionen formen. Zugleich sind die Fraktionen aber auch kraft der politisch-ideologischen Klammer der gemeinsamen politischen Grundüberzeugungen der Abgeordneten Vermittler zwischen der Willensbildung der Parteien zur staatlichen Ebene und umgekehrt 150. Dabei entfaltet die Tendenzfreiheit der einzelnen Abgeordneten auch für den Zusammenschluss, also die Fraktionen, seine Wirkung. Auch die Fraktionen sind frei, von ihrer Mitwirkung an der staatlichen Willensbildung nach eigenen Ideen und Vorstellungen Gebrauch zu machen, eine eigen geprägte Tendenz zu pflegen. Fraktion und Partei werden in der Öffentlichkeit jedoch regelmäßig als Einheit wahrgenommen, Erfolg und Misserfolg des einen werden jeweils auch dem anderen zugerechnet 151. Dies ist einerseits Folge der von einem wechselseitigen 145

Wilhelm Henke, in: DVBl. 1973, 553 (559); Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 158 ff.; vgl. auch Hans-Heinrich Trute, in: von Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 74; Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (259). 146 Martin Morlok, Selbstverständnis, S. 56 f. 147 s. Horst Sendler, in: NJW 1985, 1425 (1428); s. auch Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 87; Manfred Zuleeg, in: JuS 1978, 240 (243); Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 172 f. 148 Martin Morlok, Selbstverständnis, S. 57. 149 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (634). 150 HbgVerfG, Urteil vom 11. 07. 1997 – Az. HVerfG 1/96, in: NJW 1998, 1054 (1056): „Den Fraktionen obliegt es [...] Verbindungsglied zwischen Partei und Parlament zu sein“. Vgl. auch Hans Hugo Klein, in: HdBStR III, § 51 Rn. 13; Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 247.

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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Einfluss gekennzeichneten politischen Arbeit von Fraktion und Partei, andererseits aber auch Motor des Bewahrens und der Pflege der Gemeinsamkeiten. Ziel beider ist es, in der Öffentlichkeit Vertrauen und Zustimmung für die eigene politische Richtung zu gewinnen. Konkordanzstiftend wirkt dabei die politisch berechtigte, aber rechtlich nicht bindende Erwartungshaltung des Volkes, dass sich die gewählten Abgeordneten darum bemühen, die im Vorfeld der Wahl gemeinsam verfolgten politischen Ziele – auf der Grundlage der programmatischen Aussagen der die Kandidatur tragenden Parteien – nach der Wahl auch im Parlament gemeinsam durchzusetzen 152. Das grundsätzlich größere Medieninteresse gilt regelmäßig dem Bereich staatlichen Entscheidens und damit den Fraktionen und Abgeordneten, die so mit Blick auf ihre konkrete politische Verantwortung in Regierungs- oder Oppositionsfraktion die Willensbildung in der Partei und damit ihr programmatisches Profil mit prägen 153. Wiederwahlinteresse der politischen Parteien und – der innerparteilichen Zustimmung bedürfendes – Wiedernominierungsinteresse der Abgeordneten stabilisieren den Prozess der wechselseitigen Einflussnahme. Sie gewährleisten darüber hinaus aber auch die Rückbindung der politischen Willensbildung innerhalb der Parteien und innerhalb der Fraktionen an die Wähler, die ihrerseits nicht nur über die politischen Parteien, sondern z. B. auch über Verbände und die Massenmedien Einfluss, vor allem auf die Staatswillensbildung, zu nehmen suchen 154. An die Fraktionen als der Staatswillensbildung dienende Handlungseinheiten werden von daher auch von anderen gesellschaftlichen Gruppierungen als den politischen Parteien Interessen herangetragen. Die Aufnahme und Berücksichtigung dieser, sich nicht aus einem direkten Zusammenspiel von innerparteilicher und innerfraktioneller Willensbildung ergebenden Interessen ist mit prägend für den gegenüber den politischen Parteien eigenständigen Tendenzcharakter. In dem grundsätzlich von wechselseitiger Einflussnahme und Abstimmung geprägten Verhältnis von Partei und Fraktion können und werden sich regelmäßig – sowohl im Umgang mit parteilichen, als auch mit „fremden“ Interessen – eigene Fraktionstendenzen herausbilden. Einerseits kann dies Ausdruck einer bewussten und gewollten Abweichung von der Parteilinie sein. Nicht immer ist Folge der wechselseitigen Abstimmung und Einflussnahme von Fraktion und Partei, dass die Auffassungen und Vorstellungen des einen vom jeweils anderen adaptiert werden. Mitunter treten zwischen Fraktion und Partei erhebliche Unterschiede 151

S. 47.

Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 259; Jürgen Wolters, Fraktions-Status,

152 Vgl. Hans Hugo Klein, in: FS Badura, S. 263 (273 f.); s. auch Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (260). 153 Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 47. Zur weitergehenden Institutionalisierung der Zusammenarbeit über die Fraktionsgeschäftsordnungen und Parteisatzungen s. ebenda, S. 45 ff. 154 Vgl. BVerfGE 44, 125 (139 f.).

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A. Die Bundestagsfraktionen

zutage, zumal die Mehrheitsverhältnisse in Partei und Fraktion nicht identisch sein müssen 155. Andererseits bietet sich auch auf Basis der die gemeinsamen politischen Grundüberzeugungen bildenden Grundsatz- und Wahlprogramme der Parteien ein großer Gestaltungsspielraum der Fraktionen. Die Parteiprogramme können angesichts der heutigen Komplexität und Vielschichtigkeit politischer Sachprobleme nur bedingt handlungsleitend für aktuelle politische Entscheidungen im Parlament sein 156. In den Parteigremien können nicht alle Aspekte eines potentiellen Regelungsgegenstandes so erfasst und verarbeitet werden, wie dies in den Fraktionen und Ausschüssen des Parlaments mit Hilfe von Experten aus Verbänden, Wissenschaft und Exekutive geschieht 157. Die Tendenz der Fraktion speist sich demnach aus der gemeinsamen politischen Grundüberzeugung ihrer Mitglieder, die sich in der gleichen Parteizugehörigkeit manifestiert hat, aber nicht gleichzusetzen ist mit der Tendenz der Partei. Die Parteien wirken über „ihre“ Fraktionen im Parlament und die Fraktionen wirken über ihren parlamentarischen Wirkungskreis hinaus in die Partei sowie die Öffentlichkeit hinein 158 und werden ihrerseits von der Öffentlichkeit beeinflusst. Dabei können Partei und Fraktion, ausgehend von der – die gemeinsamen politischen Grundüberzeugungen sowohl der Fraktions- als auch der Parteimitglieder bildenden – Parteiprogrammatik, je eigene Tendenzen entwickeln und verfolgen. c) Funktion als Wettbewerbsgemeinschaften Politisches Handeln ist unter den Bedingungen der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes in wesentlichen Zügen Handeln in einer Wettbewerbssituation 159. Die grundgesetzliche parlamentarische „Demokratie als Wettbewerbsordnung“ 160 stellt den äußeren, institutionellen Rahmen dieses Wettbewerbshandelns bereit. Insbesondere die den demokratischen Wettbewerb kennzeichnenden 155 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 259; vgl. auch Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 237. 156 So schon Manfred Zuleeg, in: JuS 1978, 240 (242). 157 Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 111 f. 158 Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 48. Damit korrespondierend ist den Fraktionen nunmehr gesetzlich erlaubt, die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit zu informieren (§ 47 Abs. 3 AbgG) und hierfür die ihnen zur Verfügung gestellten staatlichen Mittel zu verwenden (§ 50 Abs. 1 AbgG). Eine Verwendung der öffentlichen Mittel für Parteiaufgaben ist jedoch untersagt (§ 50 Abs. 4 S. 2 AbgG). Wenngleich eine Abgrenzung mitunter schwierig sein kann, so ist sie doch möglich, s. Hans Hugo Klein, in: FS Badura, S. 263 (285 f.), der eine unzweideutige Erkennbarkeit der Urheberschaft und einen sachlichen Bezug zur parlamentarischen Tätigkeit der Fraktion ausreichen lässt, und Sven Hölscheidt, in: DÖV 2000, 712 (715 f.), der darüber hinaus einen sachlichen, nicht plakativen Stil verlangt. 159 Martin Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 (410); Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 175.

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Verfahrensregeln des politischen Prozesses, namentlich die Mehrheitsentscheidung, die Chancengleichheit der Akteure und der Minderheitenschutz, sind Garanten der Rationalität dieses demokratischen Wettbewerbs 161, der sich „in einer ersten Annäherung als Prozess definieren [lässt], in dem die Verwirklichung des Gemeinwohls dadurch angestrebt wird, dass verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Politikentwürfen und Personalangeboten um regierungsfähige Mehrheiten konkurrieren“ 162. Dabei wird der elektorale und parlamentarische Wettbewerb der politischen Überzeugungen um die Gunst der Wähler durch die Verfassung ermöglicht, aber auch durch das Rechtsstaatsprinzip begrenzt, wenn etwa seine Ergebnisse die Verfassung verletzen würden 163. Demokratie geht deshalb nicht im Wettbewerbsprinzip auf, sie ist nicht nur Wettbewerb 164. Ein wesentlicher Grund für die Einschränkungen der Konkurrenz ist, dass die Verfassung zwar intensiven demokratischen Wettbewerb erlaubt, zugleich aber eine ebenso intensive Kooperation der potentiellen Konkurrenten nicht verbietet 165. In einem so verstandenen demokratischen Wettbewerb ist auch den Fraktionen, neben anderen Akteuren, eine zentrale Rolle zugewiesen, die insbesondere in der Dialektik von regierungstragender Mehrheit und Opposition ihren Ausdruck findet 166, verfassungsrechtlich jedoch egalitär gewährleistet ist. Das Streben um 160

„Gemeinwohl durch Wettbewerb?“ war Gegenstand der Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Graz vom 7. bis 10. Oktober 2009. Die annoncierten Beiträge von Armin Hatje und Markus Kotzur unter der Überschrift „Demokratie als Wettbewerbsordnung“, in: VVDStRL 69 (2010), i. E., lassen die Aktualität dieses Leitgedankens erkennen. Leider konnten im Folgenden aufgrund der noch ausstehenden Veröffentlichung lediglich die online verfügbaren Thesen Berücksichtigung finden. 161 Markus Kotzur, in: VVDStRL 69 (2010), i. E., These 11, online veröffentlicht unter http://www.staatsrechtslehrer.jura.uni-wuerzburg.de/Thesen-Kotzur.htm, 30. 10. 2009: „Wo nicht strikt durch Verfahren reglementiert, bleibt es indes bei mehr oder weniger diffusen Prozessen des Wettbewerbens im weiteren Sinne. Sie sind deshalb als kompetitives Umfeld verfahrensgeregelten Wettbewerbs im engeren Sinne stets mitzudenken [...]“; insbesondere den Aspekt der Chancengleichheit des politischen Prozesses, namentlich auch im Parlamentsrecht, betont schon Martin Morlok, in: Jura 2006, 696 (702). 162 Armin Hatje, in: VVDStRL 69 (2010), i. E., These 7, online veröffentlicht unter http://www.staatsrechtslehrer.jura.uni-wuerzburg.de/Thesen-Hatje.htm, 30. 10. 2009. 163 Armin Hatje, in: VVDStRL 69 (2010), i. E., These 11, online veröffentlicht unter http://www.staatsrechtslehrer.jura.uni-wuerzburg.de/Thesen-Hatje.htm, 30. 10. 2009. So entbindet beispielsweise das Mehrheitsprinzip die Regierung und die sie tragende Parlamentsmehrheit nicht von der Grundverpflichtung aller Staatsgewalt zur Mitberücksichtigung von Minderheiteninteressen, weshalb der grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässigen und notwendigen Öffentlichkeitsarbeit der Regierung bestimmte Schranken gesetzt sind, s. hierzu BVerfGE 44, 125 (138 ff.). 164 Armin Hatje, in: VVDStRL 69 (2010), i. E., These 10, online veröffentlicht unter http://www.staatsrechtslehrer.jura.uni-wuerzburg.de/Thesen-Hatje.htm, 30. 10. 2009. 165 Armin Hatje, in: VVDStRL 69 (2010), i. E., These 13, online veröffentlicht unter http://www.staatsrechtslehrer.jura.uni-wuerzburg.de/Thesen-Hatje.htm, 30. 10. 2009.

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A. Die Bundestagsfraktionen

Machterwerb und Machterhalt ist zentral für die Wettbewerbsorientierung aller Fraktionen, die auf (partei-)politische Profilierung und Neutralisierung der Konkurrenz angelegt ist. Fraktionen tragen die politische Substanz in den Bundestag und setzen dabei die Parteienkonkurrenz fort 167. Insbesondere die zeitliche Limitiertheit der durch den Wähler vermittelten Macht bedingt, dass die politischen Akteure stets um das Vertrauen der Wähler werben müssen. Die Zielerreichung der Konkurrenten um die politische Macht hängt ab von der freien Entscheidung der Wähler, die sich beim Streben nach Durchsetzung ihnen wichtiger Interessen, Überzeugungen oder Anliegen dem einen oder anderen Mitbewerber zuwenden können 168. Diese Wettbewerbssituation rückt den öffentlichen Charakter des demokratischen Wettbewerbs der Fraktionen in den Vordergrund 169, die ihre Konkurrenzfähigkeit sichtbar und wahrnehmbar vor dem Volk unter Beweis stellen müssen 170. Die Konkurrenz vor dem Volk um die Wählerstimmen gewährleistet die Aufnahmefähigkeit des politischen Systems für die Anliegen der Bevölkerung: zum einen kann der Wähler unmittelbar durch sein verändertes Wahlverhalten einen politischen Richtungswechsel bewirken, zum anderen hält die Gefahr eines Erfolgs des politischen Gegners die Konkurrenten für die Problemwahrnehmung und die Auffassungen der Bevölkerung sensibel. Weil politische Anliegen zuerst von Parteien und Fraktionen aufgenommen und sich in ihnen durchsetzen müssen, ist demokratischer Wettbewerb auch innerorganisatorisch angelegt 171. Die Verpflichtung der Fraktionen, ihre Organisation und Arbeitsweise auf den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie aufzubauen und an diesen auszurichten (§ 48 Abs. 1 AbgG), verhilft dabei auch den einen demokratischen Wettbewerb kennzeichnenden Verfahrensregeln des politischen Prozesses innerfraktionell zur Geltung. Demokratie heißt auch innerfraktionell, dass mehrere Auffassungen miteinander in eine Auseinandersetzung treten, die durch demokratische Konkurrenz und damit unter Berücksichtigung der Grundsätze der Mehrheitsentscheidung, der Chancengleichheit der Akteure und des Minderheitenschutzes entschieden wird 172. Das Wettbewerbsforum ist hier die innerorganisatorische, genauer die „innerfraktionelle Öffentlichkeit“. 166

Markus Kotzur, in: VVDStRL 69 (2010), i. E., These 19, online veröffentlicht unter http://www.staatsrechtslehrer.jura.uni-wuerzburg.de/Thesen-Kotzur.htm, 30. 10. 2009. 167 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 175; grundsätzlich zum Wettbewerbscharakter des politischen Prozesses s. Martin Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 ff. 168 Vgl. Martin Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 (414). 169 Zur – hinzunehmenden – Oberflächlichkeit des dadurch bedingten Darstellungswettbewerbs s. Martin Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 (425). 170 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (634); Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 175. 171 Zur innerparteilichen Demokratie als Wettbewerbsordnung s. Martin Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 (429 ff.). 172 Vgl. Martin Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 (429).

I. Funktionen und Aufgaben der Bundestagsfraktionen

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Vor den Fraktionsmitgliedern müssen sich die eigenen Vorstellungen und Überzeugungen als konkurrenz- und mehrheitsfähig erweisen. 3. Zusammenfassung Die gesetzliche und geschäftsordnungsrechtliche Aufgabenbeschreibung der Bundestagsfraktionen legt insofern ein parlamentsbezogenes Verständnis von den Fraktionsfunktionen nahe, als sie sich weit überwiegend auf eine egalitäre Zuschreibung von Kompetenzen und Rechten im Rahmen der Teilnahme am Prozess der Staatswillensbildung durch das Gesamtparlament beschränken. Die Fraktionsfunktionen werden damit aber nicht erschöpfend beschrieben. „Die spezifische Verklammerungs-(Scharnier-)Funktion, die die Fraktion vermöge ihrer Rechtsstellung im politischen Kräftefeld zwischen Parteien, Parlament, zwischen gesellschaftlicher Willensbildung und staatlichem Entscheidungsprozess, zu erfüllen haben, hat notwendigerweise Auswirkungen auf die ihnen von Verfassungsrechts wegen zukommenden Aufgaben. Sie erschöpfen sich nicht in einer bloß nach innen gerichteten, die Reibungslosigkeit der parlamentarischen Arbeit ermöglichenden, dienenden Funktion; sie ist nur eine von mehreren“ 173.

In umfassender Betrachtung erfüllen die Fraktionen daher als Arbeitsgemeinschaften des Bundestages und der in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten auch eine technisch verstandene, die Reibungslosigkeit der parlamentarischen Arbeit ermöglichende, dienende Funktion. Sie streben dabei aber einen möglichst beherrschenden, politikgestaltenden Einfluss auf die Staatswillensbildung an. An diesem Schnittpunkt erweist sich die besondere Vermittlerstellung der Fraktionen, kraft der die Willensbildung der Parteien, die gesellschaftliche Willensbildung und der staatliche Entscheidungsprozess miteinander verzahnt werden. Sie spiegelt sich wider in der rollenspezifischen Erfüllung der Funktion als Arbeitsgemeinschaften, je nach Zugehörigkeit zur parlamentarischen Mehrheit oder Minderheit, ist kennzeichnend aber insbesondere für die Funktionen der Fraktionen als grundsätzlich gemeinsamen politischen Grundüberzeugungen verpflichteter Tendenzgemeinschaften und der Konkurrenz um die Durchsetzung politischer Grundüberzeugungen dienender Wettbewerbsgemeinschaften.

173

Hans Hugo Klein, in: FS Badura, S. 263 (275).

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A. Die Bundestagsfraktionen

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen Faktisch lassen sich Verbindungslinien der Fraktionen sowohl zu den politischen Parteien sowie zum Parlament als auch zu den Abgeordneten nachzeichnen. Zu klären bleibt allerdings die Relevanz dieser faktischen Verflechtungen für die verfassungsrechtliche Verortung der Fraktionen und damit, inwieweit die Verfassung – im Lichte dieser anderen Beteiligten, nämlich Abgeordnete, Parlament und Parteien – Auslegungskriterien zur Verfügung stellt, um die Rechtsstellung der Fraktionen näher zu beschreiben. Es stellt sich damit die Frage, welche der verfassungsrechtlich unterschiedlich geregelten jeweiligen Bezugsgruppen auch maßgeblichen Einfluss auf die Rechtsstellung der Fraktionen hat oder haben. Die Verfassung ist daher auf solche Zusammenhänge hin zu untersuchen, die Aufschluss über die Geltungsgrundlagen der Fraktionen geben könnten. 1. Der Abgeordnetenstatus als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt Das Parlament ist die Versammlung der Abgeordneten, ohne sie kann es keine parlamentarische Tätigkeit geben. Die Verfassung geht von ihm als parlamentarischer Grundeinheit aus. Sie normiert das Einzelmandat, Stellvertretung ist nicht vorgesehen und Gleichheit im Rechtsstatus ist vorausgesetzt. Im Hinblick auf die Bedeutung, die das Verfassungssystem dem Abgeordneten zumisst, hat es auch die Grundzüge seines Status normiert. Wie schon die systematische Einordnung im Grundgesetz zeigt, stützt sich der Abgeordnete auf eine demokratische Legitimation durch Volkswahl. Als Teil des Parlaments ist er ebenso befugt wie verpflichtet, an der Erfüllung seiner Aufgaben mitzuwirken, also etwa die Regierung zu kontrollieren, Gesetze zu erlassen und Funktionsträger zu wählen 174. Die Verfassung sieht allerdings keine Aufgaben vor, die dem Abgeordneten als einzelnem zugewiesen wären. Vielmehr weist sie die Aufgaben immer der Institution Parlament zu. Sie überlässt die Regelung, wie die einzelnen Abgeordneten im Rahmen dieser institutionellen Funktionen tätig werden, der Regelung durch das Parlament selbst. Nach außen hingegen, also gegenüber außerhalb des Parlaments stehenden Institutionen, Personen und Kräften, sichert sie die Stellung des Abgeordneten nachhaltig in ihrer Unabhängigkeit. Dazu bedient sie sich formeller Anordnungen und Privilegien, so der Indemnität und des Rechts 174 Zur Teilhabe der Fraktionen an den Funktionen des Bundestages s. bereits oben, S. 24 ff.

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen

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auf Entschädigung (Artt. 46, 48 GG). Vor allem aber geht die Verfassung von einem bestimmten politischen Bild des Abgeordneten aus, das sie verfassungsnormativ festschreibt. Es ist das Prinzip des freien Mandats, des von Weisungen unabhängigen und nur seinem Gewissen unterworfenen Abgeordneten als eines Vertreters des ganzen Volkes, Art. 38 Abs. 1 GG. Art. 38 Abs. 1 GG kann aufgrund dieser am Gewissen orientierten und damit personalen Ausrichtung keine unmittelbare Geltung für die Fraktionen entfalten 175. Es liegt aber nahe, die verfassungsrechtliche Grundlage der Fraktionen aus dem verfassungsrechtlichen Status der in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten abzuleiten, denn die Abgeordneten sind die konstitutiven Elemente der Fraktionen 176. Die Fraktionsbildung beruht auf der in Ausübung des Mandats getroffenen freien Entscheidung der Abgeordneten 177. Der Annahme einer solchen willensgetragenen und -abhängigen Fraktionsbildung wird teilweise entgegengehalten, dass eine Fraktion unabhängig von einem Willensakt der Abgeordneten in dem Augenblick bereits latent vorhanden sei, in dem eine politische Partei als Ergebnis einer Wahl in einem Parlament vertreten ist 178. Dem Abgeordneten bliebe lediglich die Möglichkeit, sich der organisatorischen Einbindung in eine Fraktion unter Berufung auf das freie Mandat zu entziehen 179. Die Fraktionsbildung aber unterliege einem Automatismus 180. Im politischen Alltag mag die Fraktionsbildung einen solchen zwangsläufigen Zusammenschluss darstellen und deshalb den Anschein eines vom Abgeordneten unabhängigen Vorganges erwecken. Rechtlich ist das komplexe Geschehen aber in seinen Einzelheiten zu betrachten. So wie der ebenfalls von gewissen Zwangsläufigkeiten geprägte Brötchenkauf der rechtlichen Bewertung zugänglich ist und auf diese Weise in drei einzelne Rechtsgeschäfte aufgeschlüsselt wird, ist auch die Fraktionsbildung nicht allein mit ihrem faktischen Ablauf bereits rechtlich erfasst. Das in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistete freie Mandat des Abgeordneten verbietet es, ihn unabhängig von seiner eigenen Entscheidung zur – sogar organisatorisch verfestigten – Zusammenarbeit mit anderen 175

Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 240; zum Begriff des Gewissens in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG s. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 195; s. auch Erk Volkmar Heyen, in: DÖV 1985, 772 (773 f.). 176 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 239. 177 BVerfGE 80, 188 (LS 3b, 220); 84, 304 (322); 93, 195 (203 f.); s. auch Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (263); Jörn Ipsen, in: NVwZ 2006, 176 (176); Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (262). 178 Hartmut Borchert, in: AöR 102 (1977), 210 (229 f.); Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 36; Hans Meyer, in: FS Mahrenholz, S. 319 (334); Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 230. 179 Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 37. 180 Hartmut Borchert, in: AöR 102 (1977), 210 (230); Hans Meyer, in: FS Mahrenholz, S. 319 (335); Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 230.

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A. Die Bundestagsfraktionen

Abgeordneten zu zwingen 181. Die Verfassung gewährt dem Abgeordneten einen eigenständigen, nicht einen abgeleiteten oder abhängigen Status. Für diesen so geprägten Verfassungsstatus gibt es in der Frage der Fraktionsbildung keine vorgegebene verfassungskräftige Maßgabe, also keine Rechtspflicht zur Handlung und erst recht keine automatische Zuordnung. Eine wie auch immer geartete Willensbekundung ist unerlässlich. Dieser Wille kann ausdrücklich erklärt werden oder sich aus den Umständen ergeben. So ist die Teilnahme an der konstituierenden Sitzung der Fraktion als – zumindest stillschweigende – Willenserklärung zu sehen, sich mit anderen Abgeordneten gleicher politischer Überzeugung zur Zusammenarbeit zusammenzuschließen 182. Die Abgeordneten sind aber nicht nur konstitutiv für die Fraktionen, wenn und weil sie ihr Mandat in Richtung Fraktionsbildung ausüben. Die Fraktionsbildung ist auch ausschließlich Inhabern eines parlamentarischen Mandats vorbehalten 183. Nur wer den Abgeordnetenstatus besitzt, kann daran mitwirken, einen Fraktionsstatus zu etablieren und in der Folge daran teilhaben. Darüber hinaus muss zur Wahrung des Fraktionsstatus für die Dauer der Legislaturperiode eine genügend große Anzahl von Abgeordneten in der Fraktion verbleiben 184. Die Abgeordneten sind sowohl statusbildende als auch statuserhaltende Urheber der Fraktionen. Die Fraktionen leiten ihre Rechtsstellung daher maßgeblich von den in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten her 185. Konsequenz dieser Herleitung ist eine doppelte Wirkrichtung des freien Mandats. Die Verfassung organisiert die Repräsentation des Volkes und die Arbeit des Parlaments in ganz bestimmter Weise: Zunächst einmal durch die Beteiligung aller Abgeordneten, sodann durch den Status der Gleichheit aller Abgeordne-

181

Vgl. Jörn Ipsen, in: NVwZ 2006, 176 (176). Armin Tschermak von Seysenegg, Fraktion, S. 162 f.; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 183; Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 45 Rn. 15; Jörn Ipsen, in: NVwZ 2006, 176 (176). 183 Näher dazu unten, S. 97 ff. 184 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 239; Jörn Ipsen, in: NVwZ 2006, 176 (177). Im Einzelnen dazu unten, S. 116 ff. 185 s. Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 176 m.w. N.; Martin Morlok, in: JZ 1989, 1035 (1038 f.); Helmuth Schulze-Fielitz, in: DÖV 1989, 829 (834 f.); Claus Binder / Frank Hoffmann, in: Jura 2006, 387 (390); vgl. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 237 ff., insb. S. 244 f., der die Fraktionen untrennbar mit dem Abgeordnetenstatus verbunden sieht, daneben aber in einer „Bedeutungshierarchie“ an zweiter Stelle aus faktischen Erwägungen heraus eine Verortung im Parteienrechtsartikel und letztlich auch in der Geschäftsordnungsautonomie bejaht. Das Bundesverfassungsgericht ist in neueren Entscheidungen dazu übergegangen nur Art. 38 GG heranzuziehen: BVerfGE 70, 324 (363); 80, 188 (220); 84, 304 (317 f.), in früheren Entscheidungen (s. auch unten, S. 52 ff.) wurde auch Art. 21 GG in Bezug genommen: vgl. BVerfGE 7, 99 (107); 10, 4 (14); 47, 198 (225). 182

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen

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ten, ergänzt um einen Status der Öffentlichkeit 186. Die Abgeordneten verlieren diesen verfassungsrechtlich garantierten Status der Freiheit, der Gleichheit und der Öffentlichkeit nicht, wenn sie sich zu einer Fraktion zusammenschließen. Er entfaltet vielmehr innerhalb des Zusammenschlusses und auch für ihn seine Wirkung 187. Daraus folgt, dass einerseits das freie Mandat des Abgeordneten auch im Verhältnis zu seiner Fraktion geschützt ist; andererseits partizipieren die Fraktionen aber auch an dem ihren Mitgliedern zur Sicherung ihrer Rolle bei der Erfüllung der Funktionen des Bundestages gewährleisteten Abgeordnetenstatus 188. Der die Chancen der Repräsentation des Volkes im Bundestag sichernde Status der Gleichheit gewährleistet die gleichen Mitwirkungsmöglichkeiten aller Abgeordneten im Bundestag, die wiederum auch eine Gleichbehandlung der Fraktionen fordern 189. Die Abgeordneten sind auch in ihrem fraktionellen Zusammenwirken gegen zwangsweise Einflussnahme auf die Art der Mandatsausübung geschützt, weshalb auch der Zusammenschluss einen Status der Freiheit innehat, der in dem Grundsatz der Fraktionsautonomie zur Geltung gelangt 190. Der Öffentlichkeitsgedanke, dessen Sinn darin besteht, das Volk, für das im Parlament gehandelt wird, über das Verhalten der Abgeordneten und über das parlamentarische Geschehen zu informieren, weist auch den Fraktionen eine eigene Öffentlichkeitsfunktion zu 191. Insgesamt ist der Abgeordnetenstatus daher prägend für die Fraktionen 192 und stellt den für eine Bestimmung der Rechtsstellung der Fraktionen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt dar.

186

Peter Häberle, in: NJW 1976, 537 ff. Vgl. auch Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 48 f. 188 s. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 341: „Bilden gleiche und freie Abgeordnete Fraktionen, sind auch die Fraktionen gleich und frei.“ 189 BVerfGE 93, 195 (204); s. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 339 f.; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 179. 190 So Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 341; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 263; s. auch Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 69, 73. Die Gewährleistung der Fraktionsautonomie wird in Abhängigkeit von der Bestimmung der Rechtsnatur der Fraktionen unterschiedlich begründet. So charakterisiert Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 200, die Fraktionen als Parlamentsorgane und folgert die Fraktionsautonomie aus der Parlamentsautonomie. Mit anderer Begründung auch Georg Christoph Schneider, Finanzierung, S. 106 f. Zum Fehlgehen einer Herleitung der Rechtsstellung vom Parlament s. unten, S. 58 ff., zur Rechtsnatur der Fraktionen s. unten, S. 64 ff., zu Inhalten der Fraktionsautonomie s. unten, S. 120 ff. 191 Vgl. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 258, der die Frage nach dem Ursprung dieser eigenen Öffentlichkeitsfunktion jedoch nicht behandelt. 192 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 240. 187

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A. Die Bundestagsfraktionen

2. Art. 21 GG als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt Über die Frage der rechtlichen Beziehungen der Partei zu „ihrer“ Fraktion im Bundestag herrscht Uneinigkeit. Teilweise wird der Verfassungsstatus der Fraktionen aufgrund der tatsächlichen engen politischen Verknüpfungen zwischen den politischen Parteien und den Fraktionen aus Art. 21 Abs. 1 GG hergeleitet 193. Die Fraktionen seien die „Parteien im Parlament“ 194. Zur Untermauerung dieser These wird eine frühe Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 195 in Bezug genommen, derzufolge mit der Anerkennung der politischen Parteien in Art. 21 GG auch die Fraktionen als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens anerkannt worden sind 196. Die verfassungsrechtliche Stellung der Parlamentsfraktion sei angesichts der grundgesetzlich geforderten Legitimation der Staatsgewalt vom Volk aus (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) von den politischen Parteien her zu begreifen, zu deren Funktionen es gehöre, das Volk im Parlament zu vertreten 197. Aus der Wertentscheidung des Art. 21 GG sei die Forderung abzuleiten, jeder parlamentarisch vertretenen Partei den Fraktionsstatus einzuräumen 198. Es sei davon auszugehen, dass Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG den politischen Parteien auch das Recht garantiert „in den Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit hineinzuwirken“ 199. Daraus folge ein Anspruch der Partei, der sich auch darauf richtet, dass die Geschäftsordnung es den Abgeordneten ermöglicht, sich zu parteiorientierten Fraktionen zusammenzuschließen 200. Gegen einen solchen Wechselbezug von Fraktions- und Parteienstatus spricht jedoch einiges. Fraktion und politische Partei stehen unbestritten faktisch in einer engen personellen und funktionellen Verflechtung. Das faktische Miteinander ist für eine politisch-soziologische Betrachtungsweise von Bedeutung, jedoch lässt sich eine rechtlich zwingende Schlussfolgerung daraus nicht ziehen 201. Fraktion und Partei sind vielmehr rechtlich voneinander zu trennen 202. 193 So Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 61; Martina Mardini, Finanzierung, S. 165; s. auch abweichende Meinung des Richters Kruis, BVerfGE 80, 188 (241). 194 Walter Schmidt, in: Der Staat 9 (1970), 481 (488, 493, insb. 495); Hansjörg Dellmann, in: DÖV 1976, 153 (154); Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 61; mit Einschränkungen auch Hans-Peter Schneider, in: Denninger u. a., AK-GG, Art. 38 Rn. 47. 195 BVerfGE 10, 4 (14). 196 Ausführlich z. B. Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 58. 197 Walter Schmidt, in: Der Staat 9 (1970), 481 (489, 495). 198 Hansjörg Dellmann, in: DÖV 1976, 153 (155); einschränkend auch Gunter Kisker, in: JuS 1980, 284 (285, 286). 199 Gunter Kisker, in: JuS 1980, 284 (285), bezugnehmend auf BVerfGE 20, 56 (101). 200 Hansjörg Dellmann, in: DÖV 1976, 154; Gunter Kisker, in: JuS 1980, 284 (286).

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen

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Zwar obliegt den Parteien, wie zutreffend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 203 angeführt wird, die Aufgabe, in den Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit hineinzuwirken. „Einwirken auf“ ist allerdings nicht gleichzusetzen mit „Bildung des“ Staatswillens. Mitwirkungsbefugnisse bei der Staatswillensbildung kommen den Fraktionen, nicht aber den politischen Parteien zu. Gerade wegen ihrer unmittelbaren Beteiligung an der Bildung des Staatswillens sind die Parlamentsfraktionen aber nicht als Teil der dahinter stehenden politischen Partei anzusehen 204. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat die Aufgaben der Parteien dahingehend präzisiert, dass „... die Parteien die auf die politische Macht und ihre Ausübung gerichteten Meinungen, Interessen und Bestrebungen sammeln, sie ausgleichen und zu Alternativen formen unter denen die Bürger auswählen können. Sie beeinflussen die Bildung des Staatswillens, indem sie in das System der institutionalisierten Staatlichkeit hineinwirken und zwar insbesondere durch Einflußnahme auf die Beschlüsse und Maßnahmen von Parlament und Regierung.“ 205

In einer so verstandenen Einwirkung auf die politische Entwicklung im Parlament sind die Parteien auf eine Vorformung des Staatswillens beschränkt. Sie sind im Dauerprozess der politischen Meinungs- und Willensbildung des Volkes ein wesentlicher – nicht aber der alleinige – Einflussfaktor. Ein Kernbereich ihrer Aktivitäten liegt in der Auslese, Aufstellung und Unterstützung von Wahl201 s. Reinhold Kassing, Abgeordnetengruppe, S. 37; Hans-Wolfgang Arndt / Michael Schweitzer, in: ZParl. 1976, 71 (78); Joachim Linck, in: DÖV 1975, 689 (693); StGH Bremen, in: DÖV 1970, 639 (640); vgl. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 241, 245, der gegen eine auf Empirie gestützte Ableitung des Fraktionsstatus aus Art. 21 GG argumentiert, dies aber dennoch billigt und den Fraktionsstatus u. a. „mittelbar“ als auf Art. 21 GG gestützt ansieht; ähnlich auch Hans-Heinrich Trute, in: von Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 96. 202 Ulrich K. Preuß, in: Denninger u. a., AK-GG, Art. 21 Rn. 53, 55; Winfried Kluth, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 21 Rn. 49; Helmut Martin, Fraktionsfinanzierung, S. 44 f.; Ernst Friesenhahn, in: VVDStRL 16 (1958), 9 (22 ff.); Hans-Hermann Kasten, in: ZParl. 1985, 475 (476); Hans-Wolfgang Arndt / Michael Schweitzer, in: ZParl. 1976, 71 (78); Reiner Schmidt, in: FS von der Heydte, S. 1179 (1184 f.); Peter Häberle, in: NJW 1976, 537 (542); Joachim Linck, in: DÖV 1975, 689 (693); Albrecht Weber / Harald Eschmann, in: JuS 1990, 659 (660); StGH Bremen, in: DÖV 1970, 639 (640). 203 BVerfGE 20, 56 (101). 204 BVerfGE 20, 56 (104); 70, 324 (363, 376, 382); 80, 188 (220); Joachim Linck, in: DÖV 1975, 689 (693); Albrecht Weber / Harald Eschmann, in: JuS 1990, 659 (660); Gerald Kretschmer, Fraktionen, S. 41; Dieter Birk, in: NJW 1988, 2521 (2523); Ulrich K. Preuß, in: Denninger u. a., AK-GG, Art. 21, Rn. 53; Wilhelm Henke, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 21 Rn. 123, 130; Reiner Schmidt, in: FS von der Heydte, S. 1179 (1184). 205 BVerfGE 20, 56 (99, 101); vgl. auch E 3, 19 (26); 14, 121 (133); 44, 125 (145 f.); 52, 63 (82 f.).

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A. Die Bundestagsfraktionen

bewerbern 206. Aber die politischen Parteien besitzen keine Rechte unmittelbarer Teilnahme am staatlichen Verfassungsprozess der postelektorischen Phase 207. Die von ihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Prozess der staatlichen Willensbildung einzubringen vermögen nur die gewählten Abgeordneten. Die Beschränkung der Parteien auf Vorformung, Beeinflussung und nur mittelbare Teilnahme an der Staatswillensbildung ist als verfassungsrechtliche Grundentscheidung zwingend 208. Die Partei ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt befugt in den verfassungsrechtlichen Status einzugreifen oder auf Entschließungen unmittelbar Einfluss zu nehmen, die der Abgeordnete in seiner Eigenschaft als Mandatsträger zu treffen hat. Die Befugnis des Abgeordneten sich einer Fraktion anzuschließen folgt nicht aus seiner Parteizugehörigkeit, sondern aus seiner Mandatsträgerschaft und somit gehört auch die Mitarbeit in einer Fraktion nicht zu den Aufgaben des Abgeordneten als Parteimitglied, sondern zur Ausübung seines – freien – Mandats 209. Kein Abgeordneter kann von seiner Partei gezwungen werden, sich einer Fraktion anzuschließen oder in ihr zu verbleiben 210, weshalb auch ein freiwilliger oder unfreiwilliger Verlust der Fraktionsmitgliedschaft zunächst keinen Einfluss auf die Parteimitgliedschaft hat 211, geschweige denn zu einem Verlust des Mandats führen kann 212. Es existiert auch kein Recht der Parteien, dass sich „ihre“ gewählten Abgeordneten zu einer Fraktion zusammen-

206

Vgl. Karl-Heinz Seifert, Parteien, S. 90 ff. Karl-Heinz Seifert, Parteien, S. 91; Dieter Grimm, in: Schneider / Zeh, § 6 Rn. 12. 208 Ulrich K. Preuß, in: Denninger u. a., AK-GG, Art. 21 Rn. 28, 53 ff.; Karl-Heinz Seifert, Parteien, S. 92. 209 Ernst Friesenhahn, in: VVDStRL 16 (1958), 9 (24); Hans-Wolfgang Arndt / Michael Schweitzer, in: ZParl. 1976, 71 (78); Albrecht Weber / Harald Eschmann, in: JuS 1990, 659 (660); Gerald Kretschmer, Fraktionen, S. 140; StGH Bremen, in: DÖV 1970, 639 (640); Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (263 f.). 210 s. Gerald Roth, in: Umbach / Clemens, Art. 38 Rn. 121. 211 Hans-Wolfgang Arndt / Michael Schweitzer, in: ZParl. 1976, 71 (78); Wilhelm Henke, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 21 Rn. 130; StGH Bremen, in: DÖV 1970, 639 (640); gleichermaßen schlägt auch der Parteiausschluss nicht unmittelbar auf die Fraktionsmitgliedschaft durch, vgl. nur Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 168. 212 Sowohl der Austritt als auch der Ausschluss aus einer Partei oder Fraktion lassen den Bestand des parlamentarischen Mandats unberührt, s. Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 87; grundlegend bereits Jürgen Spalckhaver, Mandatsverlust, passim; Volkmar Kese, in: VR 1993, 266 (269 f.); Heinrich-Josef Schröder, in: ZRP 1971, 97 ff.; Heinrich-Josef Schröder, in: DVBl. 1971, 132 ff.; s. auch – allerdings für eine den Mandatsverlust ermöglichende Verfassungsergänzung votierend – Karl Loewenstein, in: JZ 1972, 352 f.; die Zulässigkeit einer gesetzlichen Anordnung des Mandatsverlust auch ohne Verfassungsänderung bejahend Martin Kriele, in: ZRP 1971, 99 ff.; Horst Säcker, in: DVBl. 1970, 567 (571); Horst Säcker, in: DVBl. 1971, 642 ff.; Horst Säcker, in: ZParl. 1972, 347 ff.; Hubertus Schröer, Partei, S. 71 ff.; der Anlass der damaligen intensiven Diskussion wird anschaulich belegt durch die empirische Untersuchung der Häufigkeit von Fraktions- und Parteiwechslern von Heino Kaack, in: ZParl. 1972, 3 ff. 207

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen

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schließen 213. Es unterliegt allein dem freien Willensentschluss der Mandatsträger, sich einer Fraktion anzuschließen. Die faktischen Einflussmöglichkeiten der politischen Parteien auf „ihre“ Mandatsträger mögen vielfältig und gewichtig sein, rechtlich ist der Abgeordnete ungebunden 214. Zutreffend werden diese faktischen Wirkungen so bewertet: „Daß tatsächlich über die Rechtsausübung hinaus Einfluß in diffuser Weise stattfindet, ist rechtlich nicht anders zu beurteilen als alle die anderen zahllosen und gestaltlosen, fordernden, beratenden, gebenden und nehmenden Verbindungen zwischen Staatsorganen [...] einerseits und Bürgern, Vereinigungen, Institutionen, Medien andererseits, in denen Politik sich bildet und abspielt, in dem die Beteiligten aber nicht von verfassungsmäßig begründeten Rechten Gebrauch machen [...]. Die Verfassung im Ganzen und Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG im Besonderen bilden den politischen Prozeß nicht ab, sondern setzen rechtliche Positionen in ihm fest, zu deren Inhalt nicht alle faktischen Voraussetzungen und Konsequenzen ihrer Wahrnehmung gehören.“ 215

In diesem Sinne gehört auch die von parteipolitischer Einflussnahme geprägte Fraktionstätigkeit der Abgeordneten nicht zum Inhalt der rechtlichen Position der politischen Parteien. Deshalb kommt trotz der tatsächlichen engen politischen Verknüpfungen Art. 21 Abs. 1 GG nicht als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Verfassungsstatus der Fraktionen in Betracht 216. Etwas anderes ergibt sich auch nicht in Ansehung der zur Stützung der These von der „Fraktion als Partei im Parlament“ – oftmals begründungsersetzend – bemühten frühen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Sie trägt eine Herleitung des Fraktionsstatus aus Art. 21 GG nicht. Das regelmäßig zitierte Redezeit-Urteil wird in seinem Bedeutungsgehalt überstrapaziert, wenn ihm eine verfassungsrechtliche Verortung der Fraktionen in Art. 21 GG entnommen wird 217. In der Entscheidung, die Fragen der Redezeitbeschränkung betraf, führte das Bundesverfassungsgericht aus: „Die Parlamentsfraktionen sind notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens. Mit der Anerkennung der Parteien in Art. 21 erkennt das Grundgesetz auch sie an.“ 218

213 Ulrich K. Preuß, in: Denninger u. a., AK-GG, Art. 21 Rn. 53, 55; Hans-Wolfgang Arndt / Michael Schweitzer, in: ZParl. 1976, 71 (78); StGH Bremen, in: DÖV 1970, 639 (640). 214 s. Gerald Roth, in: Umbach / Clemens, Art. 38 Rn. 109; ebenso schon Klaus-Dieter Buchholz, Beziehungen, S. 65, 124. 215 Wilhelm Henke, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 21 Rn. 71. 216 Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (264). 217 Vgl. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 294.

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A. Die Bundestagsfraktionen

Dass das Bundesverfassungsgericht mit dieser, im Übrigen weder an dieser Stelle noch sonst in der Entscheidung argumentativ untermauerten, Feststellung gerade keine Stellung zum Status und zur Rechtsstellung der Fraktionen nehmen will, verdeutlichen die Erläuterungen im direkten Anschluss: „Über ihre Stellung und Aufgaben mögen in mancherlei Hinsicht Zweifel bestehen. Unzweifelhaft ist aber, daß sie den technischen Ablauf der Parlamentsarbeit in gewissem Grade zu steuern und damit zu erleichtern haben.“ 219

Bereits hier wird deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht nur eine funktionale Beschreibung der Fraktionen vornimmt. Entscheidend ist aber, dass für die Klärung der im Zusammenhang mit der Redezeitverteilung aufgeworfenen Fragen im Verhältnis Fraktion, Abgeordneter und Parlament Art. 21 GG keine Rolle spielt. Zur Rechtfertigung der Einschränkung des sich aus dem verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten ergebenden Rederechts – sowohl durch die Festsetzung von Fraktionsredezeiten als auch durch die Redezeitverteilung nach Fraktionsstärke – wird ausschließlich auf die Arbeitsfähigkeit des Bundestages abgestellt. Hier wird nicht etwa Art. 21 GG für eine chancengleiche Berücksichtigung der Fraktionen in Bezug genommen. Vielmehr versteht das Bundesverfassungsgericht die Fraktionen von den Abgeordneten her, wenn es davon ausgeht, dass ihnen kein originäres Rederecht zusteht, sondern sich dies in seinem zeitlichen Umfang von der Zahl ihrer Mitglieder ableitet 220. Noch deutlicher lässt auch das spätere Kontrollgremiums-Urteil des Bundesverfassungsgerichts denselben dogmatischen Bruch erkennen, wenn dort zunächst formelhaft wiederholt wird, die Anerkennung der Fraktionen folge aus der der Parteien, um sodann den Fraktionsstatus aus Art. 38 GG herzuleiten und explizit einen Rückgriff auf Art. 21 GG zur Bestimmung der Rechtsstellung der Fraktionen abzulehnen 221. Teilweise wird hieraus gefolgert, dass die verfassungsrechtliche Anerkennung der Fraktionen aus Art. 21 GG folge, ihre Rechtsstellung sich aber nach Art. 38 GG richte 222. Es ist jedoch nicht ersichtlich, was mit einer solchen Verortung gewonnen sein soll, wenn gleichwohl ein anderer verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Rechtsstellung maßgeblich sein soll 223.

218 BVerfGE 10, 4 (14). Unter Verfassungsleben versteht das Bundesverfassungsgericht, wie es in einer späteren Entscheidung ausführt, die durch Verfassung und Geschäftsordnung geregelte Tätigkeit des Bundestages, BVerfGE 20, 56 (104). 219 BVerfGE 10, 4 (14). 220 s. Hans-Hermann Kasten, Ausschußorganisation, S. 144, unter Hinweis auf BVerfGE 10, 4 (16). 221 BVerfGE 70, 324 (362 f.). 222 So z. B. Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 58.

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen

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Letztlich bleibt unklar, warum das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Anerkennung der Fraktionen zur Anerkennung der politischen Parteien in Bezug setzt. Es ist denkbar, dass die im Grunde wenig aussagekräftige Formulierung lediglich die in der Verfassung angelegte politische Arbeitsstruktur des Parlaments legitimieren sollte, ohne dass damit eine verfassungsrechtliche Grundlegung der Fraktionen beabsichtigt war 224. Möglicherweise sollten so Bedenken gegen die Zulässigkeit parteiorientierter Zusammenschlüsse von – der Verfassung zufolge unabhängigen – Abgeordneten zerstreut werden: diese sind eben nicht verboten, sondern das Grundgesetz akzeptiert sie und erkennt sie in diesem Sinne an. Vielleicht handelt es sich, wie die „Antipoden suggerierende Zwar-Aber-Konstruktion“ in den dem Redezeit-Urteil folgenden Entscheidungen vermuten lässt, „um die letzten Ausläufer der überholten Parteienstaatslehre, die Art. 21 GG und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG als prinzipiell unvereinbar ansah“ 225. Die Ursachenforschung muss jedoch angesichts der knappen, sehr vagen Formulierung spekulativ bleiben. Der in der Bezugnahme auf Art. 21 GG liegende Widerspruch zu den Entscheidungsbegründungen im Übrigen lässt sich jedenfalls nicht auflösen. Eine glaubhafte, argumentativ nachvollziehbare Verortung der Fraktionen in Art. 21 GG ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts daher zu keinem Zeitpunkt zu entnehmen. In einer Phase des Übergangs wurden zwar Art. 38 und Art. 21 GG nebeneinander als Grundlage der Fraktionen angegeben 226. In der neueren Rechtsprechung ist das Bundesverfassungsgericht jedoch immer weiter vom Parteienstatus abgerückt und verortet die Fraktionen nunmehr ausdrücklich und eindeutig im freien Mandat der Abgeordneten 227. Weder die formelhafte Erwähnung des Art. 21 GG in den frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts noch die faktisch engen personellen und funktionellen Verflechtungen zwischen Fraktion und Partei sind daher geeignet, den Fraktionsstatus am Parteienstatus festzumachen. 223 Ablehnend auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 297 f. Dass diese Unterscheidung keinen Sinn bzw. Nutzen hat wird auch darin deutlich, dass sie folgenlos bleibt: Das Bundesverfassungsgericht lässt Art. 21 GG gänzlich unberücksichtigt. Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 58, 64 f., unterscheidet zwar verbaliter nach Verortung und Rechtsstellung, zieht aber beide verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkte unterschiedslos zur Bestimmung der Rechtsstellung heran, indem z. B. die Fraktionen in entsprechender Anwendung des Art. 21 GG zu innerfraktioneller Demokratie verpflichtet werden. 224 Zur verfassungsrechtlichen Legitimation der politischen Arbeitsstruktur s. im Folgenden. 225 So die Vermutung von Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 302; schon früh gegen ein solches Spannungsverhältnis argumentierend etwa Heribert Boll, Parteienstaat, S. 130 f. 226 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 299, unter Hinweis auf Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 193. 227 s. BVerfGE 80, 188 (LS 3b, 220); 84, 304 (322); 93, 195 (203 f.); 96, 264 (278).

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A. Die Bundestagsfraktionen

3. Das Parlament als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt Die bereits geschilderte Vielschichtigkeit der Aufgabenerfüllung durch die Fraktionen weist auch deutliche Bezüge zum Parlament auf, zu dessen Funktionsfähigkeit sie vor allem in Wahrnehmung der ihnen aufgrund der Geschäftsordnung des Bundestages verliehenen Rechte und Befugnisse wesentlich beitragen. a) Verankerung der Bundestagsfraktionen in den Funktionen, Aufgaben und Befugnissen des Parlaments Die Arbeitsgliederung des Bundestages ist politisch nach Fraktionen, sachlich nach Ausschüssen erfolgt 228. Während die sachliche Arbeitsstruktur der Parlamente verfassungsrechtliche Normierung erfahren hat – etwa durch Institutionalisierung des Parlamentspräsidenten, des Ältestenrats und der Ausschüsse –, gilt dies für die politische Struktur nicht. Dennoch legitimiert die Verfassung die politische Struktur des Verfassungsorgans Parlament. Dies bezieht sich nicht auf den politischen Charakter des Parlaments in dem Sinne, dass es „Politik macht“, was selbstverständlich ist. Es geht vielmehr um den verfassungskräftigen Ausdruck der Einsicht, dass ein politischer Prozess in einer bestimmten, verfassungsgewollten Art und Weise zu ermöglichen und zu strukturieren ist und dass die parlamentarischen Fraktionen in diesem Prozess eine spezifische, verfassungsanerkannte Rolle spielen. In dem politischen Prozess der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes bekleiden die politischen Parteien eine herausragende Rolle: Sie sammeln und formulieren politische Interessen und Meinungen, rekrutieren politisches Personal und erfüllen wichtige Funktionen bei der Wahlvorbereitung. Die erste Funktion ist den Parteien gleichsam als Daueraufgabe zugewiesen und zugleich dem gesellschaftlichen Bereich überantwortet. Zwar ist der Einfluss der politischen Parteien im Bereich der Bildung der politischen Führung des Staates, so insbesondere bei der Bildung der parlamentarischen Regierung, selbstverständlich und von Verfassungs wegen gewollt. Für die staatliche Willensbildung, gemeint ist staatliches Entscheiden, nicht nur Meinungsbildung, sind aber nicht die gesellschaftlich agierenden politischen Parteien, sondern die rechtlich von ihnen getrennt zu sehenden Fraktionen wesentlich 229. In diesem Bereich übernehmen die Fraktionen eine zentrale Funktion der politischen Kräfte in der Demokratie: die Austragung der Interessengegen228

Zur Unterscheidung zwischen politischer Arbeitsgliederung nach Fraktionen und sachlicher Arbeitsgliederung nach Ausschüssen s. Hans-Hermann Kasten, Ausschußorganisation, S. 177. 229 Zur rechtlichen Trennung von Fraktion und Partei s. bereits oben, S. 52 ff.

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen

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sätze in Konfliktform. Das Parlament ist der Ort der politischen Differenz in der parlamentarischen Demokratie und die Fraktionen repräsentieren diese Differenz: Sie sind die differenten politischen Kräfte. Jedwede Formulierung und Entscheidung staatlich durchzusetzender Politik ist Gegenstand der Erörterung im Parlament und damit der Befassung durch die parlamentarischen Fraktionen. Dies entspricht der verfassungsmäßig gewollten Rolle des Parlaments und auch der parlamentarischen Fraktionen als der politisch gestaltenden Kräfte in diesem Parlament 230. Bei der Erfüllung der Funktionen und Aufgaben sowie bei der Wahrnehmung der Befugnisse des Parlaments kommen den Fraktionen, ebenso wie dem einzelnen Abgeordneten, allerdings nur Mitwirkungsrechte zu. Zwar lassen diese Mitwirkungsrechte das Parlamentsganze nicht unberührt, denn das Parlament wird durch viele parlamentarische Initiativen zum Handeln verpflichtet 231. Gleichwohl sind die Handlungen der Fraktionen lediglich an das Parlament gerichtet und diesem nicht unmittelbar zuzurechnen. Der in Fraktionen zusammengefasste Teil der Mitglieder des Parlaments kann nicht Funktionen und Kompetenzen des gesamten Parlaments ausüben 232. Die Funktionen, Aufgaben und Befugnisse des Parlaments sind diesem als Ganzem, d. h. in der Gesamtheit seiner Mitglieder zugeordnet 233. Als Volksvertretung kommt dem Bundestag die Funktion zu, das Bundesvolk – durch die Abgeordneten in ihrer Gesamtheit – zu repräsentieren 234. Die Repräsentationsfunktion ist grundlegend für alle Einzelbefugnisse des Bundestages 235. Bei aller Bedeutung der Fraktionen können und sollen sie diese Funktion des Bundestages nicht ersetzen, weshalb sich ihre Rechtsstellung auch nicht vom Parlament selbst herleiten lässt. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass demgegenüber Ausschüsse des Bundestages, die sich ihrerseits ebenfalls nur aus einem Teil der Mitglieder des Bundestages zusammensetzen, für das Parlament handeln 236 und ihnen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Befugnis zum Handeln für das Gesamtparlament übertragen werden kann 237. Bei der Ausschussbesetzung gilt

230

Vgl. BVerfGE 118, 227 (328 f.). Zur politischen Organisation des Parlaments s. auch Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 48 f.; s. auch Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 45 Rn. 5. 231 Vgl. nur § 106 GeschOBT, wonach auf Verlangen einer Fraktion eine aktuelle Stunde stattfindet. 232 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 327, 320 ff. 233 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 327. 234 Gerald Roth, in: Umbach / Clemens, Art. 38 Rn. 11. 235 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 30. 236 Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 199.

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A. Die Bundestagsfraktionen

das Prinzip der verhältnismäßigen Repräsentation der im Bundestag vertretenen Kräfte 238. Dieser Repräsentationsfunktion des Bundestages und der Ausschüsse als verkleinertem Abbild des Plenums vermögen die Fraktionen gerade nicht zu entsprechen. Sie repräsentieren eben nicht alle im Bundestag vertretenen Strömungen, sondern zeichnen sich durch Geschlossenheit aus. Die Mehrheitsfraktionen tragen in der parlamentarischen Demokratie die Regierung, wohingegen die Minderheit als Opposition das parlamentarische Wächteramt ausübt 239. Hierin ist der in diesem Zusammenhang wesentliche Unterschied zwischen den sich ebenfalls nur aus Teilen der Mitglieder des Bundestages zusammensetzenden Ausschüssen und den Fraktionen zu sehen. Auch innerhalb der Ausschüsse setzt sich die politische Arbeitsgliederung nach Fraktionen fort. Die politische Arbeitsgliederung ist für die parlamentarische Demokratie gleichermaßen funktionsnotwendig wie die sachliche. Mehrheiten zu finden ist unabdingbare Voraussetzung, um seine Ziele im Parlament zu verwirklichen. Die Diskussion und Abstimmung in der Fraktion macht aus dem Anliegen einzelner mehrheitsfähige Positionen. Während Parlamentsakte des Bundestages jedoch immer unter Beteiligung aller politischen Kräfte zustande kommen, gilt dies für das Handeln der Fraktionen nie. Fraktionsentscheidungen repräsentieren immer nur den Mehrheitswillen der Abgeordneten gleicher parteipolitischer Ausrichtung. Letztlich mag sich der Wille der jeweiligen Mehrheitsfraktionen zwar in den Ausschüssen und im Bundestag durchsetzen. Den oppositionellen Kräften sind aber Mitwirkungsmöglichkeiten eröffnet. Auch wenn jeder Abgeordnete Vertreter nicht etwa (z. B. parteipolitisch) abgegrenzter Volksteile sondern des ganzen Volkes ist 240, kommen Entscheidungen der Fraktionen, anders als die in Ausschüssen oder im Bundestag, zwangsläufig unter vollständigem Ausschluss konkurrierender politischer Gruppierungen zustande. Gerade die hierin liegende eingeschränkte Repräsentationsfunktion der Fraktionen steht aber einer Herleitung der Rechtsstellung der Fraktionen unmittelbar vom Parlament entgegen.

237 Art. 45 GG eröffnet ausdrücklich die Möglichkeit, den Unionsausschuss zur Wahrnehmung der Rechte des Bundestages gem. Art. 23 GG gegenüber der Bundesregierung zu ermächtigen. 238 Siegfried Magiera, in: Sachs, Art. 40 Rn. 17; Reinhold Kassing, Abgeordnetengruppe, S. 40; BVerfGE 84, 304 (322 f., 327 f.). 239 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 44 Rn. 11; Hasso Hofmann / Horst Dreier, in: Schneider / Zeh, § 5 Rn. 60 ff., 68; BVerfGE 49, 70 (85 f.). 240 s. statt vieler Siegfried Magiera, in: Sachs, Art. 38 Rn. 45.

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen

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b) Verankerung der Bundestagsfraktionen in der parlamentarischen Geschäftsordnungsautonomie Als unmittelbar konstituierende Norm für die Fraktionen wird teilweise auch Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG herangezogen 241. Die Geschäftsordnungsautonomie stelle die verfassungsrechtliche Rückbindung der Fraktionen als Institute der parlamentarischen Selbstorganisation dar. Das Recht, sich selbst zu organisieren, beinhaltet jedoch nicht bereits die Konstituierung einer bestimmten Organisationsform 242, so dass Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG unter diesem Gesichtspunkt keine konstituierende Wirkung für die Fraktionen entnommen werden kann. Die Parlamentsautonomie besagt nur, dass das Parlament als Ganzes autonom ist in der Setzung des Geschäftsordnungsrechtes, nicht aber, was Inhalt dieser Geschäftsordnung ist. Allenfalls die in Ausübung dieses Rechts erlassene Geschäftsordnung könnte konstituierend für die Fraktionen sein. Aufgabe der Geschäftsordnung ist es, die Binnenorganisation des Parlaments und den Ablauf seiner Meinungs- und Willensbildung zu regeln 243. Ihr Zweck besteht in erster Linie darin, die Funktionsund Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu sichern 244. Diesem Zweck dienen auch die Fraktionen, weshalb der Zusammenschluss in Fraktionen ein selbst gewähltes, wesentliches Gliederungsprinzip des Bundestages darstellt 245. Dementsprechend wird den Fraktionen bei der Regelung von Organisation und Verfahren des Bundestages in der Geschäftsordnung eine zentrale Stellung eingeräumt 246. Die Geschäftsordnung hat allerdings lediglich das Verfassungsrecht konkretisierenden Charakter, kann aber keinen verfassungsrechtlichen Status erschaffen. Die Geschäftsordnung vermag den Fraktionsstatus nur unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben näher auszugestalten. Selbst wenn die Fraktionen allein auf die parlamentarische Geschäftsordnung zurückzuführen wären, würde die Geschäftsordnung ihnen keinen durch Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG begründeten verfassungsrechtlichen Status vermitteln. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht, sich eine Geschäftsordnung zu geben, verleiht weder der Geschäftsordnung selbst noch den in ihr geregelten Organisationsformen Verfassungsrang. Der dem Bundestag bei der Gestaltung seiner inne241

Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 171; Hans-Hermann Kasten, Ausschußorganisation, S. 151; Hans-Hermann Kasten, in: ZParl. 1985, 475 (476). 242 s. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 243. 243 s. Joachim Scherer, in: AöR 112 (1987), 189 (212 f.). 244 Vgl. Monika Böhm, in: ZParl. 1992, 231 (234); Monika Böhm / Florian Edinger, in: ZRP 1991, 138 (140). 245 s. bereits oben, S. 18 ff.; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 33; BVerfGE 80, 188 (219). 246 Im Einzelnen hierzu s. oben, S. 21 f.

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A. Die Bundestagsfraktionen

ren Ordnung, so auch bei der Ausgestaltung des Fraktionsstatus 247, zukommende weitgehende Regelungsspielraum 248, ist durch das Verfassungsrecht geprägt und begrenzt 249. Die verfassungsrechtliche Rückbindung der Fraktionen leistet daher nicht das in Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistete Recht, sich selbst zu organisieren, sondern das bei der Ausgestaltung des Fraktionsstatus zu beachtende Verfassungsrecht. In diesem Sinne stellen die Regelungen der Geschäftsordnung des Bundestages eine Konkretisierung der originär in der Verfassung verankerten Abgeordnetenrechte dar, sie gestalten ihre Ausübung, auch durch bzw. über die Fraktionen. Das Grundgesetz selbst weist den Fraktionen keine originären Rechte zu. Auch Art. 53a Abs. 1 S. 2 GG bindet den allein zur Entscheidung berufenen Bundestag nur an das Stärkeverhältnis der Fraktionen, nicht aber an die gem. § 2 Abs. 1 S. 2 GeschOGA eingereichten Einzelvorschläge der Fraktionen 250. Das den Fraktionen bei der Besetzung des Gemeinsamen Ausschusses eingeräumte Vorschlagsrecht ist geschäftsordnungsrechtlich begründet 251. Die den Fraktionen geschäftsordnungsmäßig eingeräumten Rechte leiten sich von den Abgeordnetenrechten her 252, unabhängig davon, ob sie als Bündel von im Abgeordnetenstatus wurzelnden Rechten 253 oder als von den Abgeordneten übertragene Rechte 254 bezeichnet werden oder beide Kategorien zur Anwendung gebracht werden 255. Erkennt die Geschäftsordnung einzelne parlamentarische Möglichkeiten allein den Fraktionen zu, stellt dies eine begründungspflichtige Einschränkung des Abgeordnetenstatus dar 256. Generell gilt: Werden dem einzelnen Mandatsträger Rechte entzogen und ausschließlich einem Kollektiv von Abgeordneten zugewie247

Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 34. Zur weitgehenden Ausgestaltungsfreiheit aufgrund der Geschäftsordnungsautonomie z. B. BVerfGE 10, 4 (19 f.). 249 Vgl. statt vieler Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 7; Joachim Scherer, in: AöR 112 (1987), 189 (210). 250 Werner Heun, in: Dreier, Art. 53a Rn. 7; vgl. auch Gerhard Robbers, in: Sachs, Art. 53a Rn. 4. 251 Dies verkennt Georg Christoph Schneider, Finanzierung, S. 48 f., wenn er den Fraktionen insoweit ein originär grundgesetzliches Recht zuweist. 252 Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 79 f., 104; a. A. Georg Christoph Schneider, Finanzierung, S. 52 f. 253 Martin Morlok, in: DVBl. 1991, 998 (999). 254 Jan Ziekow, in: JuS 1991, 28 (30); Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 269. 255 So unterscheidet Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 339 ff., zwischen von den Abgeordneten übertragenen Rechten einerseits und einer Zusammenfassung von Abgeordnetenrechten in den Rechten auf Fraktionsgleichheit und -autonomie andererseits. 256 So Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 176; Martin Morlok, in: DVBl. 1991, 998 (999); Martin Morlok, in: JZ 1989, S. 1035 (1038 f.); BVerfGE 84, 304 (321 ff.); 93, 109 (204); 96, 264 (278); demgegenüber hält Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 343 ff., die geschäftsordnungsrechtliche Statuierung ausschließlich fraktionsgebundener 248

II. Verfassungsrechtliche Verortung der Bundestagsfraktionen

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sen, trägt der Bundestag für eine solche Beschränkung von Abgeordnetenrechten die Argumentationslast 257. Soweit den Fraktionen jedoch durch die Geschäftsordnung Befugnisse zugewiesen werden, handelt es sich um eigene Rechte der Fraktionen 258. Die Geschäftsordnung kann daher zwar als konstituierend für bestimmte Rechte der Fraktionen angesehen werden. Sie ist aber nicht konstituierend für die Fraktionen. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Fraktionsbildungsrecht nach der Geschäftsordnung von der Erreichung eines bestimmten Quorums abhängig ist. Zwar stellt diese Relativierung des im Abgeordnetenstatus verankerten Fraktionsbildungsrechts eine Hürde für die Konstituierung dar, konstituierende Wirkung kommt der Quorumsfestlegung aber nicht zu. Für die Fraktionsbildung bleibt letztlich die freie Willensentschließung der Abgeordneten entscheidend 259. Die Geschäftsordnung statuiert mit der zahlenmäßigen Festsetzung der zur Fraktionsbildung berechtigten Abgeordneten „lediglich“ eine organisatorische Voraussetzung. Diese ist zwar zugegebenermaßen essentiell, sowohl für das Erreichen als auch für das Erhalten des Fraktionsstatus. Die folgenschweren Auswirkungen dieser Quorumsfestlegung verleihen der Geschäftsordnungsregelung aber keine konstituierende, statusbildende oder sonst über ihren organisatorischen Gehalt hinausreichende Bedeutung 260. Sie erhöhen lediglich die Anforderungen für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der mit der Quorumsfestlegung einhergehenden Einschränkung der Abgeordnetenrechte. Der Charakter der Geschäftsordnungsregelungen als konkretisierendes Verfassungsrecht ändert sich nicht je nach Bedeutsamkeit der Rechtsfolgen, die sie zeitigt. Die Geschäftsordnung ist als konkretisiertes Verfassungsrecht diesem im Rang nachgeordnet. Die Regelungen der Geschäftsordnung lassen sich auf die Verfassung zurückführen und müssen mit ihr im Einklang stehen. Sie können daher nur eine ohnehin bestehende verfassungsrechtliche An- oder Rückbindung konkretisieren, diese aber nicht erzeugen. Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG kommt daher als unmittelbar konstituierende Norm für die Fraktionen nicht in Betracht.

Rechte für verfassungswidrig, sofern die Rechte nicht auch einer Zahl von Abgeordneten zustehen, die zur Fraktionsbildung erforderlich ist. 257 Vgl. Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 34. 258 Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 106. 259 Vgl. schon oben, S. 49 f. 260 So aber wohl Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 244, der wegen ihrer essentiellen Bedeutung in der Quorumsfestlegung eine nicht nur organisatorische Voraussetzung sieht.

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A. Die Bundestagsfraktionen

4. Zusammenfassung Der Fraktionsstatus leitet sich ausschließlich vom Abgeordnetenstatus ab 261. Dagegen kann ein – sei es auch ergänzender – Rekurs auf Art. 21 GG die verfassungsrechtliche Verortung nicht leisten. Der Status der Fraktionen bestimmt sich auch nicht nach Funktionen, Aufgaben und Befugnissen des Parlaments und insbesondere sind die Fraktionen nicht in der parlamentarischen Geschäftsordnungsautonomie institutionell verankert. Allerdings obliegt es dem Parlament, kraft seiner Geschäftsordnungsautonomie den Fraktionsstatus näher auszugestalten.

III. Rechtsnatur der Bundestagsfraktionen Was aber sind Fraktionen im Rechtssinne? Das Bundesverfassungsgericht beschreibt sie in ständiger Rechtsprechung als „notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens“ 262. Über die Rechtsnatur dieser Einrichtung ist damit allerdings noch nichts gesagt 263. Die Bestimmung dieser Rechtsnatur bereitet offenbar Schwierigkeiten, ist die Parlamentsfraktion in der Fachliteratur doch äußerst vielgestaltig. Die Auffassungen reichen vom „nichtrechtsfähigen Verein 264“ über den Status eines „öffentlichen Verbandes 265“ oder auch eines „teilrechtsfähigen Verbandes des öffentlichen Rechts“ 266, einer „Körperschaft 267“, einer sich davon 261

So auch Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (264). BVerfGE 10, 4 (14); 20, 56 (104); 43, 142 (147); 84, 304 (324). 263 Eine eindeutige Aussage zu dieser Frage findet sich in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht. Trotz zahlreicher deskriptiver Aussagen zur Wirkungsweise und zur verfassungsrechtlichen Verortung der Fraktionen, die ihren Status von den in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten herleiten, enthält sich das Bundesverfassungsgericht konsequent einer Bestimmung der Rechtsnatur. Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 301 f., der die bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen zur Thematik umfassend auswertet, S. 291 ff. 264 So schon Walter Lebenstein, Rechtsstellung, S. 135; in neuerer Zeit z. B. Norbert Achterberg, in: JA 1984, 9 (10), der Fraktionen als „innrechtsfähige Vereine des Bürgerlichen Rechts“ qualifiziert; vgl. auch Friedrich Schäfer, Bundestag, S. 132; BayVGH, in: NJW 1988, 2754 (2755 f.). 265 Rüdiger Altmann, in: Zeitschrift für Politik 1955, 211 ff., insbes. 224, der allerdings die Position der öffentlichen Verbände in der Rechtsordnung als unklar beschreibt und die Fraktionen daher letztlich als „unvollkommenes, sekundäres Verfassungsrecht“ bezeichnet. 266 So Herbert Bethge, in: Maunz u. a., BVerfGG, § 63 Rn. 71, mit pauschalem Hinweis auf Otto Bachof. Bezug genommen wird wohl auf die Veröffentlichung von Otto Bachof, in: AöR 83 (1958), 208 ff., die sich aber mit der Rechtsnatur der Technischen Ausschüsse des § 24 der Gewerbeordnung auseinandersetzt. Die Rechtsstellung der Fraktionen findet dort keine Berücksichtigung. Die Überlegungen sind auch nicht ohne weiteres auf die Fraktionen übertragbar. Im Gegensatz zu den Fraktionen entstehen die Ausschüsse durch 262

III. Rechtsnatur der Bundestagsfraktionen

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durch eine „geringere Rechtsposition“ unterscheidenden „öffentlich-rechtlichen Vereinigung 268“ bzw. „Vereinigung des Parlamentsrechts 269“ bis zum „Organ 270“ oder „Organteil 271“ des Parlaments oder auch als nach innen mit eigenen Rechten versehenes Organteil, nach außen als juristische Person des Privatrechts 272. Es wird auch eine Zuordnung zu rechtlichen Kategorien für ausgeschlossen gehalten, weshalb es bei einer offenen Rechtsnatur der Fraktionen verbleibe 273. Diese Aufzählung erschöpft das Meinungsspektrum allerdings keineswegs 274. Für eine Klärung der sich bei einem Fraktionsausschluss stellenden Rechtsprobleme wäre es allerdings hilfreich, sich Klarheit über die Rechtsnatur der Fraktionen zu verschaffen. Diese Frage ist nicht nur von theoretischem Interesse, vielmehr knüpfen greifbare Konsequenzen an das dogmatische Verständnis des Fraktionsstatus. Nur ausgehend von einem wie auch immer gearteten rechtlichen Status der Fraktionen können in dogmatisch stringenter Weise die an einen Fraktionsausschluss zu stellenden Anforderungen hergeleitet werden 275. Obwohl „sowohl die Rechtsprechung als auch die parlamentarische Praxis in nunmehr jahrzehntelanger Übung die wesentlichen Faktoren der Rechtsstellung der parlamentarischen Fraktionen bestimmt haben, ohne dabei auf eine definitive Festlegung der Rechtsnatur angewiesen gewesen zu sein“ 276, besteht dennoch auch ein praktisches Bedürfnis nach einer eindeutigen Bestimmung dessen, was die Rechtsfigur der Fraktionen ausmacht. Rechtssätze über Fraktionen werden nicht aus bestimmten faktischen Gegebenheiten abgeleitet. Es sind gerade nicht diese tatsächlichen Umstände, sondern allgemeine verfassungsrechtliche Grundsätze, nach denen Fraktionen gewissen Bindungen unterworfen oder ihnen bestaatlichen Hoheitsakt, weder ihre Gründung noch die Auflösung stehen im Belieben der Mitglieder, s. Otto Bachof, in: AöR 83 (1958), 208 (271 f.). 267 Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 108 ff., 110. 268 s. Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 276 (281); Hans-Jürgen Moecke, in: DÖV 1966, 162 (163). 269 So Sylvia Kürschner, in: DÖV 1995, 16 (17). 270 So Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 167 ff.; Hartmut Borchert, in: AöR 102 (1977), 210 (242), bezeichnet sie als „Staatsorgan“; s. auch Bodo Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 40 Rn. 6, der einschränkend von Quasi-Organ oder Organ sui generis spricht. 271 Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 60; Wilhelm Henke, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 21 Rn. 123; Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 46 Rn. 18. 272 s. Jörn Ipsen, in: NVwZ 2005, 361 (363); Reinhard Singer, in: NZA 2008, 789 (793). Die These von der „Doppelstellung“ findet sich bereits bei Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 276 (278), der jedoch die Möglichkeit einer daraus resultierenden doppelten Rechtsnatur verneint (279). 273 Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 54. 274 Einen ausführlichen Überblick gibt Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 286 ff. 275 Vgl. auch Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 44 f. 276 Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 184.

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A. Die Bundestagsfraktionen

stimmte Befugnisse zuerkannt werden. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse beruhen auf einzelfallspezifischen norm- und situationsbezogenen Erwägungen und Wertungen, die in anderen Zusammenhängen nur begrenzt Rückschlüsse erlauben. Eine auf die Verfassung rückführbare Vorstellung von den Fraktionen als einem einheitlichen Rechtsinstitut gewährleistet demgegenüber eine die Rechtssicherheit fördernde einheitliche Rechtspraxis. 1. Rechtsgrundlagen der Bundestagsfraktionen Die tatsächliche und die rechtliche Ausgestaltung des Fraktionswesens liegt in der Hand der Abgeordneten, denn nur sie können in Ausübung ihres freien Mandats eine Fraktion bilden 277 und ihnen obliegt die Schaffung der für ihr Wirken erforderlichen Rechtsgrundlagen. Als Folge der dem Parlament von der Verfassung verliehenen autonomen Befugnis, sich selbst zu organisieren und sich so in den Stand seiner Aufgabenerfüllung zu setzen 278, enthält die Geschäftsordnung des Bundestages zahlreiche Vorschriften mit Fraktionsbezug. Die Fraktionen sind aber auch Regelungsgegenstand sowohl des einfachen Rechts als auch des Fraktionsbinnenrechts. Inwieweit diese den Fraktionsstatus konkretisierenden Rechtsgrundlagen Rückschlüsse auf die Rechtsnatur der Fraktionen zulassen, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. a) Geschäftsordnungsregelungen Der umfangreichste Regelungsbestand findet sich in der Geschäftsordnung des Bundestages. Der verfassungsrechtliche Fraktionsstatus kann zwar nicht unter Rückgriff auf die Regelungen der Geschäftsordnung begründet, aber näher ausgestaltet und konkretisiert werden 279. Aufgrund der für eine – verfassungskonforme – Ausgestaltung des Fraktionsstatus eröffneten Regelungsspielräume scheiden die Geschäftsordnungsregelungen nicht von vornherein zur Konkretisierung der Rechtsnatur der Fraktionen aus, so dass sie diesbezüglich durchaus Rückschlüsse erlauben würden. Allerdings hat sich der Geschäftsordnungsgeber insoweit in Zurückhaltung geübt. Der eigens den Fraktionen gewidmete vierte Abschnitt der Geschäftsordnung des Bundestages fällt – angesichts der fraktionsfokussierten Ausgestaltung der Geschäftsordnung im Übrigen 280 – mit nur drei Paragraphen (§§ 10 – 12 GeschOBT) sehr knapp aus. Die §§ 11 und 12 GeschOBT befassen sich mit der 277 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 239; s. auch BVerfGE 93, 195 (203 f.). 278 BVerfGE 80, 188 (219). 279 s. oben, S. 61 ff.

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Reihenfolge der Fraktionen und mit der auf der Bemessung der Fraktionsstärke beruhenden Verteilung der Stellenanteile. Die deutlich umfangreichste Regelung ist der Fraktionsbildung gewidmet und unterwirft diese in § 10 Abs. 1 GeschOBT auffällig strengen Anforderungen. Hiernach erhalten nur parteipolitisch begründete Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die mindestens fünf Prozent der tatsächlichen Zahl der Mitglieder des Bundestages in sich vereinen, den Status einer Fraktion 281. Zusammenschließen dürfen sich nur die Mandatsträger derselben Partei oder solcher Parteien, „die aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander in Wettbewerb stehen“ 282. Wollen sich die Abgeordneten zweier oder mehrerer Parteien, die auch nur in einem einzigen Bundesland gegeneinander um Wählerstimmen gekämpft haben, zu einer Fraktion verbinden, dann bedarf dies der Zustimmung des Bundestagsplenums. Die weiteren Absätze des § 10 GeschOBT statuieren Mitteilungspflichten (Abs. 2), regeln Fragen hinsichtlich der Bemessung der Stellenanteile (Abs. 3 und 5) und der Anerkennung des Gruppenstatus für den Zusammenschluss von Mitgliedern des Bundestages, die zahlenmäßig nicht das erforderliche Mindestquorum erreichen. Wenn auch die Regelungen der Geschäftsordnung des Bundestages die Fraktionsbildung näher ausgestalten und den Fraktionen zahlreiche Befugnisse zuerkennen, enthalten sie dennoch keine Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf eine bestimmte Rechtsnatur der Fraktionen zulassen. Dass die Möglichkeit zur Fraktionsbildung ausschließlich Mitgliedern des Bundestages offen steht und die Fraktionen im parlamentsinternen Bereich mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattet sind, mag eine Präferenz für eine Verortung der Fraktionen im öffentlich-rechtlichen bzw. parlamentsrechtlichen Bereich bedeuten 283. Die organisatorische Art des Zusammenschlusses ist damit aber ebenso wenig vorgegeben wie die Stellung der Fraktion im Parlamentsgefüge. Die Geschäftsordnung enthält daher lediglich Hinweise, die für eine dogmatische Charakterisierung 280 Zum erheblichen Anteil der fraktionsbezogenen Regelungen in der Geschäftsordnung des Bundestages s. schon oben, S. 21, und die Übersicht bei Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 334 ff. 281 Zur Zulässigkeit dieses Mindestquorums s. Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 178 m.w. N. in Fn. 563; kritisch aber Klaus Abmeier, Befugnisse, S. 202 ff., insb. 213 ff.; s. auch unten, S. 107 ff. 282 Diese im Jahre 1969 eingeführte Formel diente vor allem dem Interesse der CDU und der CSU, eine gemeinsame Fraktion zu bilden und damit die Vorteile aus der gemeinsamen Größe zu ziehen, wie sie es seit den Anfängen der Bundesrepublik getan haben. Zur Zulässigkeit dieser Regelung vgl. Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 82 ff.; s. auch Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (264 f.); Jörn Ipsen, in: NVwZ 2006, 176 (177 f.), s. auch unten, S. 110 ff. 283 A. A. z. B. Norbert Achterberg, in: JA 1984, 9 (9 f.), der unter Hinweis auf die auch sonst im Recht nicht unbekannte Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch bürgerliche Rechtsträger eine solche Zuordnung ablehnt.

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A. Die Bundestagsfraktionen

nutzbar gemacht werden können, hat aber keinen die Rechtsnatur der Fraktionen konkretisierenden Inhalt. b) Abgeordnetengesetz Erst 1995 wurde dem Abgeordnetengesetz 284 ein Abschnitt über die Fraktionen hinzugefügt 285. Der parlamentarische Gesetzgeber hat bei der Einführung der Fraktionsregelungen im Abgeordnetengesetz einen deutlichen Schwerpunkt auf Fragen der Finanzierung gelegt (§§ 50 –54 AbgG). Im Übrigen finden sich nähere Bestimmungen nur zu ausgewählten Einzelfragen des Fraktionswesens. § 45 Abs. 1 AbgG statuiert das Recht der Abgeordneten zur Fraktionsbildung, überantwortet nähere Regelungen jedoch der Geschäftsordnung des Bundestages. Die Aufgaben der Fraktionen werden in § 47 Abs. 1 AbgG allgemein mit dem Leitgedanken umschrieben, dass sie an der Erfüllung der Aufgaben des Deutschen Bundestages mitwirken. Konkretisiert wird diese Aussage nicht. Stattdessen widmet sich die Norm im weiteren punktuellen Fragen von Kooperationsbefugnissen und der Öffentlichkeitsarbeit. Hinsichtlich ihrer Organisation werden den Fraktionen durch § 48 AbgG zwei grundsätzliche Pflichten auferlegt: zum einen die Ausrichtung ihrer innerfraktionellen Ordnung an den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie und zum anderen die Selbstorganisation durch eine eigene Geschäftsordnung. In § 49 AbgG finden sich ausführliche Bestimmungen zur Geheimhaltungspflicht von Fraktionsangestellten. Die auf den ersten Blick für eine Bestimmung der Rechtsnatur ausschlaggebende Regelung betrifft die Rechtsstellung der Fraktionen. Laut § 46 AbgG sind Fraktionen rechtsfähige Vereinigungen von Abgeordneten im Deutschen Bundestag (Abs. 1), die klagen und verklagt werden können (Abs. 2), aber nicht Teil der öffentlichen Verwaltung sind und keine öffentliche Gewalt ausüben (Abs. 3). Die Fraktionsregelungen im Abgeordnetengesetz sind in zweifacher Hinsicht problematisch: Zum einen steht die Rechtsformwahl im Kreuzfeuer der Kritik und zum anderen sind die rechtlichen Konsequenzen insbesondere des § 46 AbgG in Bezug auf die Rechtsnatur der Fraktionen umstritten.

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Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Fraktionsgesetz) vom 11. 03. 1994 – BGBl. I S. 526. 285 §§ 45 – 54 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz – AbgG) vom 18. Februar 1977 (BGBl. I S. 297), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. März 2004 (BGBl. I S. 459). Erwähnung finden die Fraktionen auch in weiteren Gesetzen, so z. B. in § 25 Abs. 1 PartG, § 13 WbeauftrG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 VereinsG. in diesen Vorschriften spielen die Fraktionen jedoch nur eine untergeordnete Rolle, vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 178 m.w. N.

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aa) Gesetzgebungskompetenz des Bundestages Die Gesetzgebungskompetenz des Bundestages in Bezug auf Fraktionsregelungen ist äußerst umstritten. Vielfach wird die Kompetenz des Bundestages zum Erlass derartiger Regelungen in Gesetzesform unter Hinweis auf einen insoweit bestehenden Geschäftsordnungsvorbehalt verneint 286. Die verfassungsrechtliche Einräumung der Geschäftsordnungskompetenz begründe nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, seine Angelegenheiten in dieser Form zu regeln. Die Geschäftsordnungsautonomie stelle eine verfassungsunmittelbare Sachkompetenz des Bundestages dar, sowohl die sogenannten Kern-, aber auch alle Randfragen seiner inneren Angelegenheiten in der Geschäftsordnung zu regeln. In diese Kompetenz dürfe der – an die verfassungsrechtlich vorgegebene Kompetenzordnung gebundene – Gesetzgeber nicht ohne besondere Ermächtigung eingreifen 287. Da an der Gesetzgebung neben dem Bundestag weitere Verfassungsorgane beteiligt sind, widerspreche eine Regelung durch Gesetz auch dem Sinn und Zweck der Parlamentsautonomie, die Unabhängigkeit des Bundestages gegenüber anderen Verfassungsorganen zu sichern 288. Zudem umgehe der Gesetzgebungsweg den Minderheitenschutz, dem die Geschäftsordnung mit ihrer begrenzten Geltungsdauer und der verminderten Bindungswirkung heute wesentlich diene 289. Demgegenüber sehen die Verfechter einer freien Formwahl 290 die Organisationsautonomie des Bundestages weder in Gefahr noch verletzt, sondern folgern aus ihr vielmehr die Befugnis, Regelungen „unter Inanspruchnahme der parlamentarischen Geschäftsordnungsautonomie oder im Kleid eines förmlichen Gesetzes“ 291 zu erlassen. Da dem Bundestag sowohl die Geschäftsordnungsals auch die Gesetzgebungskompetenz zukomme, sei es im Ergebnis gleich, in welcher Form er seine inneren Angelegenheiten regelt 292. Bei den so oder so hervorgebrachten Normen handele es sich jedenfalls um konkretisiertes Verfas286 So Siegfried Magiera, in: Sachs, Art. 40 Rn. 24; Hans Meyer, in: MIP 1995, 87 ff.; Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 48 f.; Sondervotum Mahrenholz BVerfGE 70, 324 (366 ff., 377); Sondervotum Böckenförde BVerfGE 70, 324 (380 ff., 386 f.). 287 So Sondervotum Böckenförde BVerfGE 70, 324 (380 ff., 387); zustimmend Siegfried Magiera, in: Sachs, Art. 40 Rn. 24; Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 48 f. 288 Siegfried Magiera, in: Sachs, Art. 40 Rn. 24. 289 Sondervotum Mahrenholz BVerfGE 70, 324 (366 ff., 377); ähnlich auch Joachim Scherer, in: AöR 112 (1987), 189 (213 f.), der jedoch wegen der verminderten Bindungswirkung eine geschäftsordnungsrechtliche Regelung bei unmittelbaren grundrechtsrelevanten Auswirkungen auf Private nicht für ausreichend erachtet. 290 Volker Haug, Bindungsprobleme, S. 50 f.; Jürgen Jekewitz, in: ZRP 1993, 344 (349); Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 42; Joseph Bücker, in: ZParl. 1986, 324 ff.; Gerald Kretschmer, in: ZParl. 1986, 334 (339 f.); Klaus Abmeier, Befugnisse, S. 24 f. 291 Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 42.

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A. Die Bundestagsfraktionen

sungsrecht, das in seinem Bestand an der Verfassung selbst zu messen ist 293. Eine relevante Einflussnahme anderer Verfassungsorgane auf die Organisation oder das Verfahren des Bundestages sei in einem parlamentarischen Regierungssystem nicht zu befürchten 294. Zudem sei es der Funktionsfähigkeit des Parlaments und insbesondere dem Minderheitenschutz eher förderlich, wenn eine Regelung in Gesetzesform getroffen und so der erleichterten Änderbarkeit der Geschäftsordnungsregelung entzogen werde 295. Diesen beiden Extrempositionen stehen – teilweise deckungsgleiche, sich nur partikulär unterscheidende – vermittelnde Auffassungen gegenüber. Grundsätzlich sei eine Wahlmöglichkeit des Bundestages gegeben. Die Möglichkeit, Geschäftsordnungsregelungen per Gesetz zu erlassen, stehe jedoch unter dem Vorbehalt, dass ein Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfe, der Kern der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages nicht berührt werde und gewichtige sachliche Gründe für eine Regelung durch Gesetz sprechen 296. Anknüpfend an diese durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Schranken haben sich – mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung – weitere vermittelnde Ansichten herausgebildet. Zur Abgrenzung der dem Geschäftsordnungsvorbehalt unterfallenden und andererseits der Gesetzgebung zugänglichen Materien wird vielfach auf den funktionellen Gesichtspunkt der Gebotenheit gesetzlicher Regelungen abgestellt. Die Geschäftsordnung sei systematisch bzw. normhierarchisch auf die Regelung parlamentsinterner Rechtsverhältnisse beschränkt. Für Bestimmungen mit Außenwirkung seien gesetzliche Regelungen notwendig 297, die ihrerseits allerdings nicht die schützenswerte Autonomie der Fraktionen einengen dürfen 298. Die Unterscheidung zwischen Parlamentsinterna und solchen Regeln, die (auch) Organisations- und Verfahrensstrukturen außerhalb des Parlaments betreffen oder gleichzeitig Rechtspositionen Privater 292

Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 42; Klaus Abmeier, Befugnisse, S. 24 f. 293 Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 42; ausführlicher Jürgen Jekewitz, in: FS Wassermann, S. 381 (384 f.); Joseph Bücker, in: ZParl. 1986, 324 (333). 294 Volker Haug, Bindungsprobleme, S. 50; Florian Edinger, Wahl, S. 344; vgl. auch BVerfGE 70, 324 (362), wonach keine ins Gewicht fallenden Einwirkungsmöglichkeiten anderer Verfassungsorgane auf das Verfahren und die Willensbildung des Bundestages eröffnet werden, wenn das Gesetz – auch seine Aufhebung – nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. 295 Volker Haug, Bindungsprobleme, S. 51; Joseph Bücker, in: ZParl. 1986, 324 (331); vgl. auch Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 48 f., die aber dennoch einen ausschließlichen Geschäftsordnungsvorbehalt annimmt. 296 BVerfGE 70, 324 (360 f.). 297 Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 31; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 34 Fn. 125; Bodo Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 40 Rn. 6; Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1147). 298 Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (31).

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berühren, werde im Einzelfall ermöglicht durch die minderheitenschützende und freiheitssichernde Funktion der Unterscheidung von Geschäftsordnungskompetenz und Gesetzgebungskompetenz 299. Das minderheitenschützende Geschäftsordnungsrecht sei infolge seiner verminderten Bindungswirkung ein ungeeignetes Instrument, soweit es parlamentarische Verfahren mit unmittelbar grundrechtsrelevanten Auswirkungen auf Private regelt 300. Übereinstimmend wird die gesetzliche Regelung von Geschäftsordnungsangelegenheiten jedenfalls bei Vorliegen einer verfassungsgesetzlichen Ermächtigung für zulässig gehalten. Unabhängig von der Frage, ob bereits die parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie selbst eine Wahlfreiheit zwischen den Handlungsformen der Geschäftsordnung und des formellen Gesetzes einräumt, stellt sich daher die Frage, ob nicht Art. 38 Abs. 3 GG auch für Fraktionsregelungen eine solche verfassungsrechtliche Gesetzgebungskompetenz enthält 301. Zwar kann Art. 38 Abs. 1 GG aufgrund seiner personalen Ausrichtung keine unmittelbare Geltung für die Fraktionen entfalten 302, aber Regelungen, die die innerparlamentarischen Zusammenschlüsse der Abgeordneten zum Gegenstand haben, betreffen gleichermaßen die Abgeordneten selbst 303. Den Fraktionen kommen keine originären Rechte zu, sie leiten ihre Rechte von den ihnen angehörenden Abgeordneten her 304. Die verfassungsmäßigen Rechte der Abgeordneten beinhalten auch das Recht zum Zusammenschluss mit anderen zu einer Fraktion und zur fraktionsgemäßen Betätigung im Bundestag 305. Werden den Fraktionen Handlungsmöglichkeiten zuerkannt, die dem einzelnen Abgeordneten nicht zu

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Joachim Scherer, in: AöR 112 (1987), 189 (213). Joachim Scherer, in: AöR 112 (1987), 189 (213, 214), wobei allerdings unklar bleibt, was er unter grundrechtsrelevanten Auswirkungen auf Private verstanden wissen will. Auch der Hinweis Scherers in Fn. 134 auf Joseph Bücker, in: ZParl. 1986, 324 (333), vermag nur begrenzt zur Klärung beizutragen. Wenn Bücker wegen einer „ubiquitären ‚Drittwirkung‘ des Parlamentsrechts“ eine gesetzliche Regelung für geboten hält (S. 333), bezieht sich dies auf eine direkte Regelung von Außenbeziehungen bzw. „ein ‚Durchschlagen‘ auf nicht mehr parlamentsinterne Rechtsverhältnisse“, wodurch über das Parlament hinausreichende Positionen oder auch Rechte Dritter betroffen sein können und verweist insoweit beispielhaft auf das Wahl-, Parteien- und Medienrecht (S. 329, 333). Scherer verkennt, dass Bücker den Begriff „Drittwirkung“ untechnisch verwendet und ihn nicht mit einer „Grundrechtsrelevanz“ gleichsetzt. 301 Der Regelungsvorbehalt bezieht sich auch auf die Ausgestaltung der in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG enthaltenen Grundsätze, Theodor Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 71. 302 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 240. 303 Vgl. BbgVerfG, Urteil v. 10. 11. 1994 – Az. 4/94, in: DÖV 1995, 377 (379). 304 s. oben, S. 48 ff.; vgl. auch BVerfGE 80, 188 (219 f.); 84, 304 (322); Martin Morlok, in: JZ 1989, 1035 (1038 f.); Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 216 ff. 305 BVerfGE 80, 188 (218 ff.). 300

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A. Die Bundestagsfraktionen

Gebote stehen, stellt sich dies konstruktiv als Einschränkung des Abgeordnetenstatus dar 306. Auch sonstige Fraktionsregelungen konkretisieren die rechtliche Stellung und die – kollektiven – Handlungsmöglichkeiten des Abgeordneten. Dies gilt für die Statuierung von Voraussetzungen für die Fraktionsbildung ebenso wie für die Ausstattung der Fraktionen mit Finanz- und Sachmitteln sowie die Zuerkennung von Handlungsbefugnissen. Die darin liegende Einräumung zusätzlicher Handlungsoptionen verbessert die Einwirkungsmöglichkeiten und damit die Rechtsstellung der in Fraktionen zusammengeschlossenen Abgeordneten. Sie bedingen allerdings gleichermaßen eine Schlechterstellung der fraktionslosen Abgeordneten, denen die mit einem fraktionellen Zusammenwirken verbundenen Vorteile eben vorenthalten bleiben. Die hierin liegende Ungleichbehandlung ist jedoch rechtfertigungsbedürftig und kann zu ihrer Rechtfertigung auch der Kompensation bedürfen 307. Fraktionsregelungen stellen daher stets auch – beschränkende oder jedenfalls konkretisierende – Regelungen des Abgeordnetenstatus im Sinne des Art. 38 Abs. 1 GG dar und unterfallen insoweit auch der Regelungsbefugnis des Art. 38 Abs. 3 GG 308. Eine Regelungsbefugnis des Bundestages ergibt sich somit sowohl aus seiner Gesetzgebungskompetenz als auch aus der Geschäftsordnungsautonomie. Zwischen diesen beiden Regelungsalternativen besteht grundsätzlich Wahlfreiheit, die lediglich aus sachlichen Erwägungen heraus auf nur eine zulässige Regelungsform reduziert sein kann. So eignet sich die ausschließlich parlamentsintern Bindungswirkung entfaltende Geschäftsordnung des Bundestages 309 nicht dazu, Regelungen mit Wirkung über den parlamentsinternen Bereich hinaus zu treffen 310. Ob und inwieweit jedoch ein „unantastbarer Kernbereich“ der Geschäftsordnungsautonomie eine Regelung durch Gesetz verbieten kann, erscheint fraglich. Zum einen stellt schon die Bestimmung eines solchen Kerns eine kaum zu bewältigende Herausforderung dar 311. Zum anderen liegt auch die Entscheidung dar306 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (637); Martin Morlok, in: JZ 1989, S. 1035 (1039). 307 Vgl. BVerfGE 80, 188 (233): Die dem fraktionslosen Abgeordneten entstehenden Nachteile bei der Informationsbeschaffung „hat der Deutsche Bundestag im Blick auf die gleiche Rechtsstellung aller, der fraktionsangehörigen wie der fraktionslosen Abgeordneten [...], auszugleichen.“ Hierfür genügt es, „daß ihm der Deutsche Bundestag durch seine Verwaltung und insbesondere seine wissenschaftlichen Dienste die für einen solchen Ausgleich erforderlichen Leistungen anbietet.“ 308 So auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 160. 309 Vgl. statt vieler Bodo Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 40 Rn. 7. 310 Die Reglung der Partei- und Rechtsfähigkeit der Fraktionen konnte folglich nur durch Gesetz erfolgen, so auch BT-Drs. 12/4756, S. 4; vgl. auch Joseph Bücker, in: ZParl. 1986, 324 (329 ff., 333).

III. Rechtsnatur der Bundestagsfraktionen

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über, ob – selbst den „Kern“ der Geschäftsordnungsautonomie berührende – Regelungen durch Gesetz getroffen oder aber wieder aufgehoben werden sollen, in der Hand der Abgeordneten. Soweit gegen eine solche grundsätzliche Entscheidungsfreiheit eingewandt wird, dass sich das Parlament in eine nicht hinnehmbare Abhängigkeit von anderen Verfassungsorganen 312 begäbe, greifen diese Bedenken nicht durch 313. Allenfalls Gründe des Minderheitenschutzes könnten gegen eine freie Formenwahl sprechen: nämlich wenn und soweit dies dem Schutz der Mehrheit von morgen diente, die dann möglicherweise an der Aufhebung der einmal gesetzlich getroffenen Regelung gehindert sein oder dabei auch nur auf die Mitwirkung anderer Verfassungsorgane angewiesen sein könnte. Allerdings werden weder der Bundesregierung noch dem Bundesrat, sofern es sich nicht um zustimmungspflichtige Gesetze handelt, ins Gewicht fallende Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verfahren und die Willensbildung des Bundestages eröffnet, da es die Volksvertretung ist, die bestimmt, mit welchem Inhalt das Gesetz beschlossen wird 314. Zudem ist nicht ersichtlich, inwieweit die Organisation oder das Verfahren des Bundestages betreffende Regelungen durch Gesetz oder deren Aufhebung der Zustimmung des Bundesrates bedürfen sollten 315. Die Befugnis des Bundestages zum Erlass der oben genannten Fraktionsregelungen in §§ 45 – 54 AbgG ist auch unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls nicht in Frage zu stellen. bb) Inhalt der gesetzlichen Regelung Der parlamentarische Gesetzgeber hat mit der Neufassung des Abgeordnetengesetzes 316 durch Einführung eines Abschnitts über die Fraktionen in zulässiger Weise von seiner Ausgestaltungsfreiheit Gebrauch gemacht. Die Regelungen erweisen sich in Bezug auf eine Klärung der Rechtsnatur der Fraktionen jedoch weitestgehend als unergiebig. Der Gesetzgeber beabsichtigte eine Normierung der Rechte und Befugnisse der Fraktionen zur Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr, ihrer Arbeitgebereigenschaft, ihrer Aktiv- und Passivlegitimation in Gerichtsverfahren sowie der 311 Sondervotum Mahrenholz BVerfGE 70, 324 (366 ff., 378); Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 160. 312 So Siegfried Magiera, in: Sachs, Art. 40 Rn. 24. 313 Diese Befürchtung geht auf historische Konstellationen zurück. Eines Schutzes vor Abhängigkeit bzw. Fremdbestimmung bedarf die „Parlamentsautonomie in zeitgerechter Begründung“ nicht, Joseph Bücker, in: ZParl. 1986, 324 (331 f.); vgl. auch Gerald Kretschmer, in: ZParl. 1986, 334 (337); Sondervotum Mahrenholz BVerfGE 70, 324 (366 ff., 377). 314 BVerfGE 70, 324 (362); Volker Haug, Bindungsprobleme, S. 50. 315 Vgl. auch Volker Haug, Bindungsprobleme, S. 50. 316 Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Fraktionsgesetz) vom 11. 03. 1994 – BGBl. I S. 526.

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A. Die Bundestagsfraktionen

Einzelheiten der Verwendung und Kontrolle der den Fraktionen zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel 317. Das Gesetz sollte jedoch „keine Festlegungen zu der rechtstheoretischen Einordnung des Status der Fraktionen“ enthalten. 318 Teilweise wird bezweifelt, dass es dem Gesetzgeber gelungen ist, die geplante Enthaltsamkeit auch in die Tat umzusetzen. Insbesondere der Vorschrift über die Rechtsstellung der Fraktionen (§ 46 AbgG) sei eine einfachgesetzliche Verankerung einer doppelten Rechtsnatur der Fraktionen zu entnehmen. Zwar stünde fest, dass Fraktionen einen verfassungsrechtlichen Status besitzen, aber § 46 AbgG fingiere, dass es sich bei Fraktionen um privatrechtliche Vereinigungen handelt. Demnach zeichne sich eine doppelte Rechtsnatur der Bundestagsfraktionen ab, die nach innen als mit eigenen Rechten versehene Organteile, nach außen als juristische Personen zu qualifizieren seien (These von der Doppelnatur) 319. In krassem Gegensatz hierzu steht die Ansicht, dass das Gesetz den Fraktionen die Stellung eines eigenständigen Verfassungsorgans einräume 320. Der Gesetzgeber habe durch die mit der Verleihung eigener Rechtsfähigkeit einhergehende umfassende rechtliche Verselbständigung die Fraktionen besser gestellt, als das Parlament selbst 321 und ihm dadurch eine vom Parlament separierte Organqualität zuerkannt 322. Die Fraktionsregelungen des Abgeordnetengesetzes bieten indes für keine dieser Schlussfolgerungen eine geeignete Grundlage. Rechtsfähigkeit bezeichnet lediglich die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Indem § 46 Abs. 1 AbgG den Fraktionen die Rechtsfähigkeit zuerkennt, werden sie von der Rechtsordnung als verselbständigte Organisationen anerkannt, die Träger eigener Rechte und Pflichten sein können. Allein die Verleihung der Rechtsfähigkeit erlaubt jedoch keine Rückschlüsse auf die Art des nunmehr durch die Rechtsordnung geschaffenen Rechtssubjekts. Weder werden sie als öffentlich-rechtliche, noch als privatrechtliche oder sogar verfassungsrechtliche Organisation institutionalisiert 323. Die Rechtsfähigkeit der Fraktionen erstreckt sich unabhängig von ihrer rechtlichen Verortung auf alle juristischen 317

s. BT-Drs. 12/4756, S. 4. BT-Drs. 12/4756, S. 6 zu § 46; s. auch Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 46 Rn. 1. 319 Jörn Ipsen, in: NVwZ 2005, 361 (363). Die These von der „Doppelstellung“ findet sich bereits bei Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 276 (278), der jedoch die Möglichkeit einer daraus resultierenden doppelten Rechtsnatur verneint (279); ablehnend auch Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 68. 320 Hans Meyer, in: MIP 1995, 87 (94, 121, insbes. 128 ff.). 321 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 174; Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 156; vgl. auch Hans Meyer, in: MIP 1995, 87 (94). 322 Hans Meyer, in: MIP 1995, 87 (121, 129). 323 So auch Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1147); vgl. auch – insoweit widersprüchlich – Hans Meyer, in: MIP 1995, 87 (93). 318

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Ebenen 324. Gleiches gilt hinsichtlich der Parteifähigkeit (§ 46 Abs. 2 AbgG), zumal sie ohnehin aus der Rechtsfähigkeit folgt 325. Der Gesetzgeber hat die Fraktionen aus Zweckmäßigkeitsgründen als Rechtssubjekte qualifiziert und die faktisch ohnehin bereits bestehende – allerdings vielfach umstrittene – Teilnahme der Fraktionen am allgemeinen Rechtsverkehr auf eine gesetzliche Grundlage gestellt 326. Ihnen wurde damit die Handlungsfähigkeit zuerkannt, derer sie für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bedürfen 327. Die Fraktionen sind jetzt zweifelsfrei befähigt, Verträge in eigenem Namen abzuschließen 328 und Eigentum zu erwerben. Zwar erlangen die Fraktionen mit der Verleihung der Rechtsfähigkeit eine Rechtsqualität, die dem Parlament nicht zukommt 329. Dies beinhaltet aber keine „Aufwertung“ der Fraktionen in dem Sinne, dass sie nunmehr neben dem Parlament und in gänzlicher Unabhängigkeit von diesem in den Stand eines Verfassungsorgans erhoben werden 330. Die Fraktionen sind abhängig sowohl vom Parlament als auch von ihren Mitgliedern. Schon die Fraktionsbildung setzt die Existenz eines Parlaments voraus. Ohne die Gesamtheit der gewählten Abgeordneten fehlte es an dem für eine Fraktionsgründung erforderlichen Forum. Die Abhängigkeit besteht auch von den Abgeordneten, die sich in genügend großer Anzahl in einer Fraktion zusammenschließen und in ihr verbleiben müssen, um den Fraktionsstatus zu erlangen bzw. zu behalten. In ihrer so begründeten Abhängigkeit sind die Fraktionen jedoch autonom und müssen dies auch sein 331. Die in Fraktionen zusammengeschlossenen Abgeordneten verlieren durch den Zusammenschluss ihren in Art. 38 Abs. 1 GG gewährleisteten Status der Unabhängigkeit nicht. Aus der Unabhängigkeit der Mitglieder einer Fraktion folgt vielmehr auch die Unabhängigkeit der Fraktion. Sie können „selbständig und unabhängig darüber entscheiden, ob und wie sie von ihren parlamentarischen Rechten Gebrauch machen bzw. generell innerparlamentarisch agieren“ 332. § 46 Abs. 1 AbgG hat diesen unabhängigen Aktionskreis erweitert, indem den Fraktionen nunmehr 324

Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1147). Die gesonderte Normierung der Parteifähigkeit hat insoweit lediglich klarstellenden Charakter, s. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 174; vgl. auch Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 157; BT-Drs. 12/4756, S. 6 zu § 46. 326 Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1147). 327 Dimitris Th. Tsatsos, Diskussionsbeitrag zu Hans Meyer, in: MIP 1995, 87 (127). 328 Insbesondere für den Abschluss von Arbeitsverträgen entspricht dies den praktischen Bedürfnissen, vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 175; s. auch Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (30 f.). 329 Zur Rechtsstellung des Bundestages s. Theodor Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 7. 330 Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 62; Dimitris Th. Tsatsos, Diskussionsbeitrag zu Hans Meyer, in: MIP 1995, 87 (127). 331 s. auch Hans-Jürgen Papier, in: BayVBl. 1998, 513 (516). 332 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 324, 341. 325

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A. Die Bundestagsfraktionen

auch die Fähigkeit zur Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr und (damit auch) die Parteifähigkeit zuerkannt wurde. Er hat sie aber keinesfalls aus ihrer parlamentarischen Einbindung und Abhängigkeit entlassen oder sie gar als aus dem Parlament ausgegliedertes selbständiges Verfassungsorgan konstituiert. Die Selbständigkeit der Fraktionen besteht nur mit Bezug auf das Parlament. Dies bringt der Wortlaut des § 46 Abs. 1 AbgG auch hinreichend zum Ausdruck, indem die Fraktionen als rechtsfähige Vereinigungen von Abgeordneten „im“ Deutschen Bundestag bezeichnet werden. Soweit hierin eine verfassungsrechtlich bedenkliche Formulierung gesehen wird, die eine Ausgliederung der Fraktionen aus dem parlamentsinternen Bereich impliziere 333, wohingegen die Wortwahl „des“ Deutschen Bundestages die Abhängigkeit der Fraktionen von der Existenz des Parlaments hinreichend zum Ausdruck bringe 334, kann dem nicht gefolgt werden. Das bei der Verwendung des Genitivus possessivus „des Deutschen Bundestages“ ausgedrückte Besitz- oder allgemeine Zugehörigkeitsverhältnis ist hinsichtlich der Beschreibung des Verhältnisses der Fraktionen zum Deutschen Bundestag zwar eindeutig. Dies gilt aber gleichermaßen für das ersatzweise gewählte Präpositionalgefüge 335. Auch insoweit wird das Verhältnis der Fraktionen zum Deutschen Bundestag als diesem zugehörig beschrieben 336. Demgegenüber ist die Regelung des § 46 Abs. 3 AbgG aussagekräftiger, aber auch problematischer. Uneingeschränkt zuzustimmen ist der Feststellung, dass die Fraktionen nicht Teil der öffentlichen Verwaltung sind. Zwar wird die Zuordnung zu den Gewalten auf Verfassungsebene und nicht durch Selbstdeklaration des Gesetzgebers entschieden 337. Die so beschriebene Stellung der Fraktionen im Gefüge der Gewalten steht jedoch im Einklang mit der Verfassung. Der Wirkungsbereich der Fraktionen ist das Parlament. Die Abgeordneten schließen sich in Fraktionen zusammen, um ihre Beteiligung am parlamentarischen Prozess der Entscheidungsfindung effizienter zu gestalten. Damit steht außer Frage, dass sie parlamentarische Aufgaben, nicht aber Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen 338. 333

So Walter Schmidt-Bens, in: ZRP 1992, 281 (282), unter Bezugnahme auf eine entsprechende Formulierung im Bayerischen Fraktionsgesetz; bezugnehmend auf die bundesgesetzliche Regelung wohl auch Jürgen Wolters, Fraktions-Status, 1996, S. 155 Fn. 8. 334 So Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 324; zurückhaltender, i. E. aber wohl auch Hans Meyer, in: FS Mahrenholz, S. 319 (341). 335 Auch wenn die Verwendung des Präpositionalgefüges statt des Genitivus possessivus als umgangssprachlich gilt: s. Duden, Richtiges und gutes Deutsch (Band 9), 5. Aufl. 2001, Genitivattribut 1.3.3 a.E., S. 353. 336 Vgl. auch Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 62. 337 Vgl. Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (31). 338 s. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 323; s. auch Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (31); Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 46 Rn. 18.

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Ob die Fraktionen jedoch – wie § 46 Abs. 3 AbgG weiter formuliert – im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung keine öffentliche Gewalt ausüben, ist indes fraglich. Was öffentliche Gewalt ist, bestimmt wiederum das Verfassungsrecht. Die hiernach zu treffende Einordnung kann nicht durch eine (einfach-)gesetzliche Fiktion unterlaufen werden 339. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird durch besondere Organe der Legislative, der Exekutive und der Judikative ausgeübt (Art. 20 Abs. 2 GG). Dieser Begriff der Staatsgewalt unterscheidet sich von dem Begriff der „öffentlichen Gewalt“ des Art. 19 Abs. 4 GG, der – jedenfalls nach der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts 340 – auf Gesetzgebungsakte des parlamentarischen Gesetzgebers nicht anwendbar ist 341. Öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG kann aber in Ausnahmefällen, insbesondere durch Akte außerhalb der Gesetzgebung, auch vom Parlament und von dessen Teilen ausgeübt werden 342. Fraglich ist daher, inwieweit das parlamentarische Wirken der Fraktionen in seinen konkreten Ausprägungen den Charakter von Parlamentsakten haben kann und hat, die ihrerseits als Ausübung öffentlicher Gewalt zu qualifizieren sind. Ob § 46 Abs. 3 AbgG die Rechtsstellung der Fraktionen insoweit verfassungskonform beschreibt, bedarf daher der Klärung und kann nicht als einfachgesetzlich vorausgesetzt betrachtet werden. Unabhängig von einer Charakterisierung (bestimmter) fraktioneller Handlungen als hoheitlich oder eben nicht, lässt aber auch diese Einordnung keine Rückschlüsse auf eine bestimmte Rechtsnatur der Fraktionen zu. Ist das Handeln der Fraktionen nicht hoheitlicher Art, so bliebe weiterhin zu klären, ob sie dennoch der grundsätzlich gleichfalls nicht hoheitlich handelnden Legislative zuzurechnen oder aber dem Privatrecht unterstellt sind. Allenfalls ein eindeutiger Befund zugunsten eines hoheitlichen Handelns würde auch eine eindeutige Zuordnung der Fraktionen zum öffentlichen Recht erlauben. Dieses wiederum eröffnet den Zugriff auf eine große Bandbreite möglicher Organisationsformen. Die Regelung des § 46 AbgG erweist sich in Bezug auf die Frage der Rechtsnatur der Fraktionen daher insgesamt als wenig erhellend 343. Vielmehr steht sie selbst auf dem Prüfstand ihrer Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht.

339 Vgl. Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 65 f.; Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 166; Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (31). 340 Vgl. BVerfGE 24, 33 (49); 24, 367 (401); 25, 352 (365); 45, 297 (334). 341 Statt vieler Bodo Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 19 Rn. 44; kritisch Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 93. 342 Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 90 f.; vgl. auch Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (31); ausdrücklich Akte der Parlamentsfraktionen einbeziehend Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 19 Abs. 4 Rn. 50. 343 So auch Gerald Roth, in: Umbach / Clemens, Art. 38 Rn. 120 Fn. 368; Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 78 f.; Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1147).

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A. Die Bundestagsfraktionen

c) Fraktionsbinnenrecht Das Selbstorganisationsrecht ist Ausfluss des den Fraktionen über ihre Mitglieder vermittelten Status der Unabhängigkeit 344. Alle im Bundestag vertretenen Fraktionen haben von diesem Recht Gebrauch gemacht und ihre fraktionsinternen Angelegenheiten, insbesondere Organisation und Verfahren, schriftlich fixiert. Unabhängig davon, ob auch eine verfassungsrechtliche Pflicht der Fraktionen zu geschäftsordnungsmäßiger Selbstorganisation besteht, ist nach Einführung des § 48 Abs. 2 AbgG eine solche Pflicht jetzt zumindest einfachgesetzlich statuiert 345. Dem Regelungsbereich des Fraktionsbinnenrechts sind durch die Verfassung Grenzen gesetzt, insbesondere entfaltet Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG auch im Verhältnis des Abgeordneten zu seiner Fraktion Geltung 346. Inwieweit schon die Verfassung die Fraktionen auf eine innerfraktionelle demokratische Ordnung verpflichtet, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet 347. Nunmehr sind die Fraktionen allerdings durch § 48 Abs. 2 AbgG dazu verpflichtet, ihre innere Ordnung an den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie auszurichten. Auch die Rechtsnatur und die Bindungswirkungen der Fraktionsgeschäftsordnungen sind umstritten. Im Zusammenhang mit und in Abhängigkeit von der rechtlichen Charakterisierung der Fraktionen, wird auch den Fraktionsgeschäftsordnungen unterschiedliche Rechtsqualität zugesprochen 348. Zwar hängt die rechtliche Qualifikation des Fraktionsbinnenrechts entscheidend auch von der Bestimmung der Rechtsnatur der Fraktionen ab. Umgekehrt vermag das Fraktionsbinnenrecht jedoch nicht zur Klärung der Rechtsnatur der Fraktionen beizutragen 349. Die Fraktionsgeschäftsordnung kann Geltung nur innerhalb der Fraktion entfalten und dient der Organisation ihrer parlamentarischen Arbeit 350. Durch die Herstellung einer inneren Ordnung, d. h. mit der Bestimmung ihrer eigenen Organe, der Zuständigkeiten und des fraktionsinternen Verfahrens, werden sie handlungsfähig 351. Weiterreichende Regelungsinhalte, insbesondere mit 344 Nach Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 69, folgt das Selbstorganisationsrecht aus der Geschäftsordnungsautonomie; zur Herleitung der Fraktionsautonomie s. bereits oben, S. 51. 345 s. zum Selbstorganisationsrecht auch unten, S. 122 ff. 346 Ausführlich hierzu Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 46 ff.; s. auch unten, S. 120 f. 347 s. zur innerfraktionellen Demokratie auch unten, S. 123 ff. 348 Zur Problematik Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 71 ff.; s. auch Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 136 f., 140 f. 349 So auch Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 97. 350 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 265; Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 71 f.; zur Verbindlichkeit des Fraktionsbinnenrechts s. auch unten, S. 125 f. 351 Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 96 f.

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Wirkung über den fraktionsinternen Bereich hinaus, sind einer geschäftsordnungsmäßigen Festlegung nicht zugänglich. d) Zusammenfassung Das Fraktionsbinnenrecht kann aufgrund seines eingeschränkten Geltungsbereichs die Rechtsnatur der Fraktionen nicht näher bestimmen. Die Rechtsnatur der Fraktionen ist weder gesetzlich, noch geschäftsordnungsrechtlich konkretisiert worden. Allenfalls können einzelnen Regelungen Anhaltspunkte für eine Zuordnung entnommen werden. Letztlich ist es aber das Verfassungsrecht, das die rechtliche Stellung der Fraktionen bestimmt. Soweit der Gesetz- bzw. Geschäftsordnungsgeber innerhalb der verfassungsrechtlich eröffneten Regelungsspielräume die Fraktionen näher beschreibt, handelt es sich um konkretisiertes Verfassungsrecht, das am Maßstab der Verfassung zu messen ist und mit ihr im Einklang stehen muss. 2. Bestimmung der Rechtsnatur der Bundestagsfraktionen Eine Konkretisierung der Rechtsnatur der Fraktionen hat ausgehend von ihrer verfassungsrechtlichen Verortung im freien Mandat der Abgeordneten zu erfolgen. In ihrer organisatorischen Selbständigkeit unterliegen die Fraktionen in dem von der Verfassung vorgezeichneten Prozess parlamentarischer Willensbildung denselben Voraussetzungen wie die in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten. a) Zuordnung zum öffentlichen Recht Die den Abgeordneten- und den Fraktionsstatus ausgestaltenden Regelungen sind unzweifelhaft solche des öffentlichen Rechts 352. Obwohl der Charakter der Fraktionen demnach vor allem durch öffentlich-rechtliche Normen geprägt wird, ist eine Zuordnung der Fraktionen selbst zum öffentlichen Recht nicht unumstritten. Immer wiederkehrend findet sich die These von den Fraktionen als privatrechtliche Vereine, mitunter ist auch eine Parallele zur Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in Betracht gezogen worden. Während letztere Organisationsform noch einhellig als nicht einschlägig eingestuft wird 353, stößt die Anwendung des bürgerlichen Vereinsrechts auf eine größere Anhängerschaft. 352

Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 306; Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 50.

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Die Gründe, aus denen Fraktionen als privatrechtliche Vereine charakterisiert werden, variieren. Teilweise wird das Vereinsrecht nur hilfsweise, quasi als Auffangregelung herangezogen, weil es an einer öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage fehle 354. In Ansehung der im Übrigen vom öffentlichen Recht dominierten Stellung der Fraktionen wird das bürgerliche Vereinsrecht vielfach auch nur ergänzend und mit Einschränkungen angewendet, wobei die Vorbehalte unterschiedlicher und durchaus konträrer Ausrichtung sind. Auf der einen Seite wird lediglich auf den Aspekt des bürgerlichen Vereinsrechts abgestellt, der den Fraktionen Außenrechtsfähigkeit zuspricht: Lediglich im Rahmen der Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr seien die Fraktionen als nichtrechtsfähige Vereine anzusehen 355. Auf der anderen Seite wird gerade dieser Aspekt als unzutreffend bewertet: Die geschäftsordnungsmäßige Einräumung von Rechten und Pflichten begründe ausschließlich die Rechtsfähigkeit der Fraktionen für das parlamentarische Innenverhältnis, weshalb sie innenrechtsfähige Vereine des bürgerlichen Rechts seien 356. Es wird auch versucht, den zivilrechtlichen Vereinscharakter der Fraktionen unter Hinweis auf die enge Verflechtung mit den politischen Parteien, die überwiegend als nichtrechtsfähige Vereine organisiert sind 357, zu belegen 358. Dass die Fraktionen in einer zwar durch faktischen Parteieinfluss gekennzeichneten Beziehung zu den Parteien stehen, aber dennoch rechtlich parteiunabhängig sind, wurde bereits dargelegt 359. Sie sind daher weder Organe, noch organisatorische Gliederungen der Parteien 360. Auch eine von einer organisatorischen Unabhängigkeit ausgehende vergleichende Betrachtung kann nicht quasi begründungsersetzend die Einordnung der Fraktionen als bürgerlich-rechtliche Vereine tragen. Gerade die durch Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG institutionell garantierte Selbständigkeit der Abgeordneten und der Fraktionen gegenüber den im gesellschaftlichen Bereich verwurzelten Parteien 361 lässt die Gleichsetzung der Institutionen Fraktion und Partei mehr als nur fraglich erscheinen. Die Behauptung einer solchen Entsprechung ist jedenfalls solange substanzlos, wie nicht darüber hinaus Gründe 353 Vgl. Manfred Geiger, Rechtsstellung, S. 42 ff.; Wilhelm Henke, Parteien, S. 274; Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 95; OLG München, in: NJW 1989, 910 (911). 354 Dittmar Hahn, in: DVBl. 1974, 509 (510); vgl. auch OLG München, in: NJW 1989, 910 (911). 355 Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 186 f., der im Übrigen ausdrücklich eine sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche „Qualifizierbarkeit“ verneint. Ebenfalls lediglich im Sinne einer Klärung der Rechtsstellung der Fraktionen im Außenrechtsverkehr Friedrich Schäfer, Bundestag, S. 135. 356 Norbert Achterberg, in: JA 1984, 9 (10). 357 Lediglich die CSU und die FDP haben sich als rechtsfähige Vereine organisiert. 358 s. hierzu die Darstellung bei Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 308 ff. 359 s. oben, S. 52 ff. 360 s. auch Stefan Dammholz, Vereinbarung, S. 35 f. 361 s. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 312 f.

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benannt werden, die eine Anwendbarkeit des bürgerlichen Vereinsrechts plausibel machen könnten. In ähnlicher Weise argumentativ zu kurz greift auch die Auffassung, derzufolge die Fraktionen deshalb als privatrechtliche Vereine zu betrachten seien, weil § 2 Abs. 2 Nr. 2 VereinsG sie von der Geltung des Vereinsgesetzes ausnimmt. Dies impliziere, dass sie grundsätzlich ihrer Rechtsnatur nach Vereine seien 362. Dieser – eine Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Vereinsbegriffs umgehende – Rückschluss entbehrt jeglicher argumentativen Überzeugungskraft und verkennt den Geltungsbereich des Vereinsgesetzes. Die Fraktionen erfüllen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Legaldefinition eines Vereins in § 2 Abs. 1 VereinsG nämlich nicht. Die Ausklammerung der Fraktionen aus dem Geltungsbereich des Vereinsgesetzes hat lediglich klarstellenden Charakter 363. Es haben sich in Fraktionen nicht – wie § 2 Abs. 1 VereinsG aber voraussetzt – natürliche Personen, sondern Inhaber eines öffentlichen Amtes „für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen“ 364. Dies ist selbst eingedenk dessen, dass die Abgeordneten auch natürliche Personen sind, nicht anders zu beurteilen. Die Abgeordneten machen nicht als Privatbürger von ihrem Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG Gebrauch, wenn sie sich zu Fraktionen zusammenschließen (vgl. § 1 Abs. 1 VereinsG). Die Fraktionsbildung erfolgt in Ausübung des freien Mandats. Das Verhältnis der Abgeordneten zueinander ist nicht das natürlicher Personen auf der Grundlage des bürgerlichen Rechts. Die Freiheit der Mandatsausübung und die Gleichheit ihrer Positionen, die innerparlamentarisch erst den freiwilligen Zusammenschluss erlauben und im Weiteren prägen, sind notwendige Folgen aus ihrem verfassungsrechtlich festgelegten Status als Parlamentsabgeordnete. Abgeordnete stehen sich in Verfassungsrechtsverhältnissen gegenüber, nicht in Privatrechtsverhältnissen 365. Bei der Fraktionsgründung und in der Folge in ihrem fraktionellen Zusammenwirken handeln sie nicht als Privatrechtssubjekte, sondern in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe als Träger verfassungsrechtlicher Abgeordnetenrechte. Die Fraktionen erfüllen die tatbestandlichen Voraussetzungen des öffentlichrechtlichen Vereinsbegriffs daher nicht. Darüber hinaus kann die Legaldefinition des Vereins in § 2 Abs. 1 VereinsG wenn überhaupt jedenfalls nur begrenzt für eine zivilrechtliche Beurteilung fruchtbar gemacht werden, da sie öffentlichrechtlich dazu dient, die Verbotsnorm des Art. 9 Abs. 2 GG gegenüber Vereinigungen jeglicher Art – nicht nur Vereinen im Sinne des BGB – durchzusetzen. 362

BayVGH, in: NJW 1988, 2754 (2746). Wie hier Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 305 m.w. N. 364 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 305, 306; so auch Hans Meyer, in: FS Mahrenholz, S. 319 (327). 365 So auch Hans-Hermann Kasten, in: Jura 1985, 231 (232). 363

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A. Die Bundestagsfraktionen

Die Fraktionen sind allerdings auch nicht dem bürgerlichen Vereinsrecht unterstellt oder generell dem Zivilrecht zuzuordnen. Der Funktionszusammenhang, in dem den Abgeordneten und den Fraktionen Mitwirkungsbefugnisse eingeräumt werden, charakterisiert den Status der Beteiligten eindeutig als öffentlichrechtlich 366. Die Fraktionen bündeln und kanalisieren die Wirkungs- und Handlungsmöglichkeiten der Träger verfassungsrechtlicher Abgeordnetenrechte. Sie sind ein Zusammenschluss von originär durch Volkswahl legitimierten Volksvertretern, die initiierend und einflussnehmend an der parlamentarischen Willensbildung beteiligt sind. Sowohl die Entstehungsvoraussetzungen – als Zusammenschluss von Abgeordneten in ihrer Funktion als Mandatsträger – und auch die Aufgabenstellung – Mitwirkung bei demokratisch legitimiertem Entscheiden – kennzeichnen sie als öffentlich-rechtliche Rechtsträger. Wenn insbesondere den Fraktionsgründungsbedingungen und dem Aufgabenspektrum der Fraktionen Gründe für eine zivilrechtliche Einordnung entnommen werden, weil einerseits auch ausschließlich aus Hoheitsträgern bestehende Vereinigungen sich privatrechtlich organisieren könnten und andererseits die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben nicht nur Hoheitsträgern vorbehalten sei, sind dies singuläre Aspekte, die für sich genommen richtig sind, die aber dennoch keine den Fraktionen vergleichbare Rechtslage beschreiben. Auch wenn privatrechtliche anerkannte Vereinigungen von Hoheitsträgern nicht unbekannt sind – wie z. B. die kommunalen Spitzenverbände – und öffentliche Aufgaben in anderen Bereichen auch von Privaten wahrgenommen werden – wie das Beispiel der Beliehenen zeigt –, so fechten diese Argumente nicht für eine Charakterisierung der Fraktionen als privatrechtliche Vereine 367. Zum Ersten: Die privatrechtlichen Vereinigungen von Hoheitsträgern agieren, anders als die Fraktionen, ausschließlich im privatrechtlichen Bereich. Zum Zweiten: Es werden keine Hoheitsrechte durch staatlichen Rechtsakt auf außerparlamentarisch bereits existierende private Rechtsträger übertragen. Dies wäre für den Bereich der Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung auch nicht möglich. Die Organisationsform der Fraktionen kann demnach nur dem öffentlichen Recht zu entnehmen sein.

366

Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 69; Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 51. Anders aber Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 50 f., die aus Gründungsakt und Aufgabenspektrum Rückschlüsse auf eine privatrechtliche Verankerung für zulässig hält und eine Zuordnung der Fraktionen zum Privatrecht allein durch den Funktionszusammenhang, in dem sie stehen, als widerlegt ansieht. 367

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b) Zuordnung zu einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform aa) Körperschaft des öffentlichen Rechts Nach gebräuchlicher Definition sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mitgliedschaftlich verfasste und unabhängig vom Wechsel der Mitglieder bestehende Organisationen, die durch Hoheitsakt als selbständige Verwaltungsträger der mittelbaren Staatsverwaltung eingerichtet werden 368. Die mitgliedschaftlich aufgebaute Organisationsstruktur der Fraktionen lässt diese auf den ersten Blick zumindest als köperschaftsähnlich erscheinen. Problematisch ist aber bereits das weitere Begriffsmerkmal der Unabhängigkeit vom Wechsel der Mitglieder. Fraktionen sind nicht in der Weise organisatorisch verfestigt, dass sie unabhängig vom Willen und von der Anzahl der in ihr verbleibenden Mitglieder existieren 369. Die Entscheidung der Abgeordneten zur Fraktionsbildung ist jederzeit revidierbar und eine Fluktuation im Mitgliederbestand lässt die Fraktionen nur dann unberührt, wenn infolgedessen nicht die erforderliche Mindeststärke unterschritten wird 370. Unzweifelhaft sind die Fraktionen auch keine Verwaltungsrechtsträger der mittelbaren Staatsverwaltung 371. Dies ist mittlerweile auch in § 46 Abs. 3 AbgG einfachgesetzlich verfassungskonform festgelegt: Die Fraktionen sind nicht Teil der öffentlichen Verwaltung. Darüber hinaus ist die Konsequenz der Einordnung als öffentlich-rechtliche Körperschaft, nämlich die Unterstellung unter staatliche Aufsicht, für einen Zusammenschluss weisungsunabhängiger Abgeordneter verfassungsrechtlich ausgeschlossen 372. Dessen ungeachtet wird die Fraktion mitunter dennoch als Körperschaft des öffentlichen Rechts bezeichnet 373. Die Geschäftsordnung des Bundestages sei als staatlicher Hoheitsakt zu betrachten, durch den die Fraktion als Körperschaft des öffentlichen Rechts – befristet für die Dauer der Wahlperiode – errichtet und zugleich anerkannt werde 374. Diese Auffassung verkennt, dass die Geschäftsordnung nicht konstituierend für die Fraktionen ist 375. Die Geschäftsordnung setzt die Existenz der Fraktionen zwar voraus, errichtet sie aber nicht bereits. Ihre Bildung und Auflösung 368

s. statt vieler Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 1, 37. Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 313. 370 Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 91; Manfred Geiger, Rechtsstellung, S. 86; s. auch unten, S. 116 ff. 371 Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 153. 372 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 313. 373 In neuerer Zeit s. Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 108 ff., 110. 374 Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 109. 369

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hängt vom Willen ihrer Mitglieder ab. Unabhängig davon, ob die Geschäftsordnung mit ihrer begrenzten Geltungsdauer und der verminderten Bindungswirkung überhaupt als körperschaftserrichtender staatlicher Hoheitsakt in Betracht kommt 376, ist sie dies jedenfalls schon ihrem Inhalt nach nicht. Auch dem mittlerweile in das Abgeordnetengesetz eingefügten Abschnitt über die Fraktionen lässt sich dergleichen nicht entnehmen 377. Vielmehr regelt § 45 Abs. 1 AbgG explizit, dass die Fraktionen sich durch freiwilligen Zusammenschluss der Abgeordneten bilden. Die Mitglieder eines Verbandes können diesen jedoch nicht als öffentlich-rechtliche Körperschaft entstehen lassen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie – wie die Abgeordneten – staatliche Funktionsträger sind 378. Die in Ausübung des freien Mandats getroffene freie Willensentscheidung, sich zu Fraktionen zusammenzuschließen, ist in ihren Rechtswirkungen auf den innerparlamentarischen Bereich beschränkt. Die Mandatsausübung beinhaltet nicht die Befugnis zur Errichtung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Genau genommen erschöpft sich die Ähnlichkeit der Fraktionen mit den Körperschaften des öffentlichen Rechts daher in der mitgliedschaftlichen Organisation. Im Grundsatz wird dies auch eingeräumt. Statt aber – wie es nahe liegt – demzufolge eine Vergleichbarkeit der Fraktionen mit den Körperschaften des öffentlichen Rechts zu verneinen, werden die Begriffsmerkmale und Rechtsfolgen modifiziert. Es sei von einem weiten Körperschaftsbegriff auszugehen, der nicht nur die herkömmlich als Körperschaften des öffentlichen Rechts bezeichneten Verwaltungsrechtsträger erfasse, sondern darüber hinaus „eine Reihe von weiteren öffentlichen Rechtsträgern [...], bei denen sich die öffentliche Rechtsposition aber aus der Einordnung in die Staatsorganisation oder aus einer sonstigen originären öffentlichen Aufgabenstellung“ ergebe 379. Diese öffentliche Aufgabenstellung könne von den Funktionen des Staates her präzisiert und der Terminus mittelbare Staatsverwaltung um die Begriffe „mittelbare Gesetzgebung“ oder „mittelbare Parlamentstätigkeit“ ergänzt werden 380. Auf der Rechtsfolgenseite wird dann auch die Staatsaufsicht gänzlich abgelehnt 381 und zumindest in einer 375

s. hierzu oben, S. 61 ff. Mit ausführlicher Begründung ablehnend bereits Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 567 (570). 377 Zum Inhalt des Abgeordnetengesetzes s. bereits oben, S. 68 ff. 378 s. Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 71 m.w. N. 379 Vgl. Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 276 (280); Hans-Jürgen Moecke, in: DÖV 1966, 162 (163 f.), der allerdings ausgehend von diesem weiten Körperschaftsbegriff die Rechtsfigur des öffentlich-rechtlichen Vereins entwickelt. s. hierzu im Folgenden. 380 So Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 154, der jedoch letztlich aus Praktikabilitätserwägungen heraus die Körperschaftslösung, die für die Erforschung der Rechtsnatur der Fraktionen zu wenig hergebe, ablehnt. Die Fraktionen ebenfalls als Delegaten für Aufgaben der Legislative sieht Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 101. 376

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an die Besonderheiten angepassten und die Unabhängigkeit der Abgeordneten wahrenden Form für zulässig gehalten 382. Auch hinsichtlich ihrer inneren Organisation könne sich die Fraktion nur begrenzt an den für Körperschaften des öffentlichen Rechts geltenden Maßgaben ausrichten. Hierfür ebenso wie für den Ausschluss von Mitgliedern sei das private Vereinsrecht heranzuziehen 383, für die Aufnahme von (Gast-)Mitgliedern sei jedoch eine entsprechende Anwendung des Parteiengesetzes sachgerecht 384. Auf diese Weise werden – ohne erkennbare Stringenz – mal der einen, mal der anderen Rechtsmaterie „passende“ Rechtsvorgaben für die Fraktionen entnommen und die für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts typischen Merkmale eliminiert, so dass letztendlich eine sich von dieser erheblich unterscheidende Rechtsform kreiert wird 385. Letztlich stellen die für die Körperschaft des öffentlichen Rechts entwickelten Grundsätze daher keine Einordnungskriterien zur Verfügung, die der Charakterisierung der Fraktionen dienlich sind. Die Fraktionen sind daher keine Körperschaften des öffentlichen Rechts und auch nicht gleich diesen zu behandeln. bb) Öffentlich-rechtlicher Verein Ausgehend von einer Einordnung der Fraktionen als öffentlich-rechtliche Rechtsträger, die jedoch nicht die Voraussetzungen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im engeren Sinne erfüllen, werden die Fraktionen auch als mit den Rechten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgestattete körperschaftliche Vereinigungen bezeichnet, auf die – soweit nicht die Besonderheiten der verfassungsrechtlichen Stellung der Fraktionen dem entgegenstehen – das bürgerliche Vereinsrecht entsprechend anzuwenden sei 386. Diese Rechtsfigur wird – in der Annahme, ihr so einen „klar umrissenen Inhalt“ zuzuweisen – mit dem Terminus „öffentlich-rechtlicher Verein“ belegt 387. 381

s. Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 276 (280). So Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 103 f., der den Bundestagspräsidenten offenbar als Aufsichtsorgan betrachtet, der im Interesse der Arbeitsfähigkeit des Parlaments neben der Einhaltung der geschäftsordnungsmäßig statuierten Meldepflichten auch die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Fraktionen überwachen dürfe. 383 s. Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 114 f., 183. 384 Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 114 f., 165. 385 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 314; s. auch Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 154 ff., 157. 386 Zusammenfassend dargestellt von Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 567 (567); zuvor bereits Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 276 (279 ff.); s. auch Hans-Jürgen Moecke, in: DÖV 1966, 162 (163 f.); zustimmend Martina Mardini, Finanzierung, S. 98 ff., 101. 387 Hans-Jürgen Moecke, in: DÖV 1966, 162 (163). 382

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Die aus sehr allgemein gehaltenen Aussagen über zwei sich grundlegend voneinander unterscheidende Rechtstypen zusammengesetzte Rechtsfigur des öffentlich-rechtlichen Vereins ist für eine rechtliche Grundlegung der Fraktionen mit dem Ziel einer dogmatisch stringent ableitbaren Rechtsstellung jedoch problematisch. So wird eine konkrete rechtliche Einordnung dadurch erschwert, dass einerseits das öffentlich-rechtliche Körperschaftsrecht und andererseits das zivilrechtliche Vereinsrecht nebeneinander zur Anwendung kommen soll 388. Die Frage, aus welchem Rechtsbereich welche Normen im Einzelfall zur Anwendung kommen sollen, bleibt weitgehend unbeantwortet. Allgemein gehaltene Anwendungsgrenzen, denen zufolge das Körperschaftsrecht nur „bereinigt“ um die spezifisch verwaltungsrechtlichen Aspekte gelte und das Zivilrecht, soweit es mit der verfassungsrechtlichen Stellung der Fraktionen in Einklang stehe, ermöglichen nicht die erforderliche Abgrenzung zwischen den Rechtsgebieten und halten keine Zugriffskriterien bereit 389. Die Unbestimmtheit setzt sich auch in der vorgeschlagenen konkreten Rechtsanwendung fort 390. Der analogen Anwendung bzw. dem Anwendungsausschluss vereinsrechtlicher und körperschaftlicher Regelungen unter Zweckmäßigkeits- und Wertungsgesichtspunkten haftet eine gewisse Beliebigkeit an 391. Auf diese Weise wird letztlich der dem Vereinsbegriff tatsächlich zukommende klar umrissene Inhalt für die Konstruktion des öffentlich-rechtlichen Vereins wieder unklar gemacht 392. Ein solcher Begriff eines öffentlichen rechtlichen Vereins ist einer dogmatisch stringenten praktischen Handhabung damit entzogen und erweist sich für eine rechtliche Erfassung der Fraktionen daher als nicht zweckdienlich. cc) Organ des Bundestages Der Funktionszusammenhang, in dem die Fraktionen als unmittelbar Beteiligte am Prozess der parlamentarischen Willensbildung stehen, wirft die Frage 388 Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 276 (279 f.), lehnt vordergründig entschieden die Möglichkeit einer „gespaltenen“, teils öffentlich-rechtlichen, teils zivilrechtlichen Rechtsnatur ab, will aber dennoch neben dem öffentlichen Körperschaftsrecht das zivilrechtliche Vereinsrecht zur Anwendung gelangen lassen. Er glaubt den hierin liegenden Widerspruch dadurch aufzulösen, dass er die allgemeinen vereinsrechtlichen Regelungen nur analog und insoweit auf die Fraktionen anwendet, „als nicht die besondere verfassungsrechtliche Stellung der Fraktionen und ihrer Mitglieder dem entgegensteht“ und dem Konstrukt die Bezeichnung „öffentlicher Verein“ verleiht. Letztlich ist die Schöpfung jedoch nichts anderes als eine Mischform aus zivilrechtlichem Verein und Verwaltungskörperschaft, deren „rein öffentlich-rechtlicher Charakter“ damit lediglich unterstellt wird. 389 Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 74. 390 Hierzu im Einzelnen Hans-Jürgen Moecke, in: NJW 1965, 567 ff. 391 Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 54 mit Beispielen. 392 In diesem Sinne auch Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 54.

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auf, ob sie dergestalt „in die organisierte Staatlichkeit eingefügt“ 393 sind, dass sie als selbständige Organe des Bundestages charakterisiert werden können. Mögen die Einzelheiten des Organbegriffs in der Literatur auch umstritten sein, so wird doch übereinstimmend zumindest eine Zurechnungsfunktion der Organstellung angenommen: Organe sind Handlungseinheiten juristischer Personen, deren Handeln der juristischen Person zugerechnet wird 394. Unzweifelhaft nehmen die Fraktionen keine originären Zuständigkeiten des Bundestages für diesen wahr. Die Mitwirkung der Fraktionen am Prozess der parlamentarischen Willensbildung ist beschränkt auf die Erleichterung und Steuerung der einer Entscheidung des Bundestages vorgeschalteten Abläufe und bereitet die Wahrnehmung der Zuständigkeiten durch den Bundestag daher lediglich vor. Dies wird von den Befürwortern einer Organstellung der Fraktionen auch nicht in Abrede gestellt. Jedoch wird das Handeln der Fraktionen dem Bundestag als Erfüllung sog. „Sekundärfunktionen“ zugerechnet. Auch das „alleinige Wirken im Innern der Körperschaft“ sei ein Handeln für den Bundestag, das eben lediglich begrenzt sei auf ein Tätigwerden gegenüber anderen Organen oder den Mitgliedern 395. Es gäbe auch sonst Organe, die nur zur Meinungsbildung berufen sind und keine „Handlungsvollmachten“ im Sinne einer Gesamtvertretung besitzen. Insofern komme es nicht darauf an, dass die Fraktionen nur gemeinsam einen Akt des Parlaments setzen könnten 396. Wenn sie auch keine Staatsakte setzen könnten, würden sie dennoch staatlichen Willen erzeugen, indem sie den Willen des Parlaments bilden 397. Diese Sichtweise verkennt jedoch die der Organstellung zukommende Zurechnungsfunktion, indem nicht genügend zwischen dem Handeln einzelner Fraktionen und dem gemeinsamen Handeln aller Fraktionen differenziert wird 398. Es ist gerade nicht so, dass jede einzelne Fraktion für sich den Willen des Parlaments bildet, sie wirkt lediglich an der Willensbildung des Parlaments vorbereitend mit. Die innerfraktionelle Meinungs- und Willensbildung wird keinesfalls dem Parlament in seiner Gesamtheit wie dessen eigener Wille zugerechnet. Dies gilt auch nicht, soweit den einzelnen Fraktionen „Initiativrechte“ oder „Ernennungsrechte“ zukommen 399. Diese Rechte werden von den Fraktionen gegenüber dem Parlament geltend gemacht, sind an dieses gerichtet, verpflichten es bisweilen 393

BVerfGE 80, 188 (213). Vgl. statt vieler Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 24; s. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 317. 395 Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 169. 396 Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 168. 397 Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 170. 398 So Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 56. 394

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zum Handeln und können gegebenenfalls verfassungsgerichtlich durchgesetzt werden. Jedoch kann nicht davon die Rede sein, dass die Fraktionen bei der Ausübung ihrer Rechte die Gesamtheit repräsentieren und für sie handeln 400. Gleiches gilt hinsichtlich ihrer internen Meinungsbildung im Rahmen der vorbereitenden Teilnahme am parlamentarischen Willensbildungsprozess 401. Jeder einzelnen Fraktionen gleichrangig eine Zurechnungsfunktion zuzusprechen, wäre im Hinblick darauf äußerst problematisch, welche der sich je nach politischer Ausrichtung voneinander unterscheidenden Willensbekundungen mehrerer Fraktionen dem Parlament zugerechnet werden soll. Dieses Zurechnungsproblem bei sich widersprechenden Äußerungen kann auch nicht durch eine Zuständigkeitsübertragung auf eine oder mehrere Fraktionen, z. B. die Mehrheitsfraktionen, gelöst werden. Dies hieße notwendigerweise, die nicht an der Mehrheitsfraktion Beteiligten von der Zuständigkeitswahrnehmung für das Parlament auszuschließen und stünde damit im Widerspruch zur demokratischen Ordnung des Grundgesetzes, namentlich zum Minderheitenschutz und zum Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG 402. Auch aus der anerkannten Befugnis der Parlamentsfraktionen, Rechte des gesamten Bundestages gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V. m. §§ 63, 64 BVerfGG in Prozessstandschaft geltend zu machen, folgt nichts anderes 403. Diese Befugnis ist Ausdruck des Minderheitenschutzes und steht den Fraktionen als „anderen Beteiligten“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG zu, die im Sinne des § 63 BVerfGG zugleich Teile des Verfassungsorgans Bundestag sind 404. Grundsätzlich knüpft die Antragsbefugnis im Organstreitverfahren an die grundgesetzlich begründete Rechtsstellung an und ermöglicht jedem Rechtsträger, seine – ihm durch das Grundgesetz oder die Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans eingeräumten – Rechte in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu verteidigen 405. Der Kreis der hiernach Berechtigten erstreckt sich nicht nur auf 399 s. auch Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 180; anders aber Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 169. 400 So auch Martin Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 33 Fn. 123. 401 Vgl. Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 180. 402 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 321. 403 s. Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 56; Helmut Martin, Fraktionsfinanzierung, S. 50 ff.; anders aber Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 169. 404 Gerd Sturm, in: Sachs, Art. 93 Rn. 47; Dieter C. Umbach, in: FS Zeidler, S. 1235 (1254 f.); anders Herbert Bethge, in: Maunz u. a., BVerfGG, § 63 Rn. 45 f., 71, der Fraktionen als weitere „kollegial strukturierte Beteiligte“ ansieht, wobei ihnen die Bezeichnung als Organteil nicht gerecht werde (Rn. 46), da ihre „organschaftliche Grundierung“ aus dem Grundgesetz und der Geschäftsordnung des Bundestags folge (vor Rn. 45) und ein „unbestrittener Verfassungsorganstatus“ gegeben sei (Rn. 71). Letztere Aussage ist angesichts des dargelegten Meinungsspektrums eine unhaltbare Aussage. 405 Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 181; Dieter C. Umbach, in: FS Zeidler, S. 1235 (1252).

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Verfassungsorgane oder Organteile, sondern schließt z. B. auch Außenstehende ein, wie das Beispiel der ebenfalls anerkannten Antragsbefugnis der politischen Parteien zeigt. Allein die Möglichkeit neben den eigenen Rechten auch Rechte der in § 63 BVerfGG genannten Organe in Prozessstandschaft geltend zu machen, ist durch § 63 BVerfGG nur „Teilen dieser Organe“ eingeräumt 406. Begrifflich erfasst werden durch diese einschränkende Formulierung nur ständig vorhandene Gliederungen des Organs, dessen Rechte in Prozessstandschaft geltend gemacht werden 407. Eine eigene Organqualität des mit einer Befugnis zur Prozessstandschaft ausgestatteten Teils des Organs wird durch § 63 BVerfGG jedenfalls nicht vorausgesetzt, geschweige denn auch nur nahe gelegt. Weder mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG noch mit §§ 63, 64 BVerfGG lässt sich daher eine Organstellung der Fraktionen begründen. Die Existenz der Fraktionen geht auf praktische, verfassungsrechtlich weitgehend offen gelassene Aspekte zurück. Die Fraktion ist in der parlamentarischen Demokratie keinesfalls unverzichtbar, wenn auch in der heutigen konkreten Ausgestaltung kaum hinwegzudenken. Die Fraktion ist ein Kind der Praktikabilitäten. Diese Praktikabilitäten sind dogmatisch stringent zu verarbeiten. Sie können der Fraktion aber nicht zu einer Organqualität verhelfen, die weder verfassungsrechtlich angelegt noch in seiner konkreten, Kraft entsprechender Organisationsautonomie verliehenen Gestalt begründet ist. Trotz ihrer parlamentsrechtlichen Einbindung sind Fraktionen daher keine Organe des Parlaments. dd) Organteil des Bundestages in Gestalt der juristischen Person des Parlamentsrechts (1) Organteil Fraktionen sind die politische Untergliederung des Bundestages und als solche – zumindest im sprachlichen Sinne – (Bruch-)Teile des Verfassungsorgans Bundestag 408. Ob und inwiefern die danach nahe liegende Bezeichnung als Organteil 409 ihre organisationsrechtliche Stellung zutreffend beschreibt, bedarf näherer Betrachtung. Zu Recht wird der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das Fraktionen wiederholt als Teile 410, in zwei frühen Entscheidungen gar als Organe 411 406

Dieter C. Umbach, in: FS Zeidler, S. 1235 (1253). Dieter C. Umbach, in: FS Zeidler, S. 1235 (1252 f.). 408 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 316. 409 So Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 322 ff.; Wilhelm Henke, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 21 Rn. 123; Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 46 Rn. 18; Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 253; den Begriff Teilorgan verwenden Dimitris Tsatsos / Martin Morlok, Parteienrecht, S. 215; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 60, bejaht sowohl den Rechtscharakter als Organteil als auch eine Rechtsstellung „sui generis“, S. 75. 407

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des Parlaments bezeichnet hat, eine entsprechende organisationsrechtliche Einordnung nicht entnommen 412. Vornehmlich hat das Bundesverfassungsgericht in Subsumtion unter die prozessrechtlichen Voraussetzungen insbesondere zur Befugnis der Fraktionen Stellung genommen, Rechte des Gesamtparlaments in Prozessstandschaft geltend zu machen. Im Übrigen werden die Fraktionen deskriptiv charakterisiert, wobei der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts keine eindeutigen Aussagen zur Rechtsnatur der Fraktionen zu entnehmen sind. So finden sich in den Entscheidungen zusätzlich zur und im Zusammenhang mit der Bezeichnung als Teil des Parlaments regelmäßig immer weitere, die Rechtsstellung der Fraktionen in anderer Weise umschreibende Formulierungen. Danach sind sie ständige Gliederungen des Parlaments 413 und der organisierten Staatlichkeit eingefügt 414, außerdem notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens 415, die den technischen Ablauf der Parlamentsarbeit in gewissem Grade steuern und damit erleichtern 416. Das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungsrechtliche Verortung der Fraktionen vornehmlich unter Rückgriff auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zunehmend präzisiert, ohne aber eine abstrakte organisationsrechtliche Einordnung der Fraktionen für erforderlich zu halten 417. Die maßgeblichen Rechtsbeziehungen, gegebenenfalls Rechtsansprüche oder auch Verhaltensanforderungen wurden vom Bundesverfassungsgericht stets einzelfallbezogen, konkret und individuell, herausgearbeitet 418. Unter Hinweis auf diese Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgerichts wird die Klärung der Rechtsnatur in der Literatur mitunter für entbehrlich gehalten, da alle die Fraktionen betreffenden Rechtsfragen auch ohne Zuordnung zu einer bestimmten Rechtsform zu lösen seien und zudem die bekannten Orga410

BVerfGE 1, 351 (359); 2, 143 (LS 6, 159 f.); 2, 347 (365); 20, 56 (104); 43, 142 (147); 90, 286 (336, 343 f.); 105, 197 (220). 411 s. BVerfGE 1, 208 (222, 229); 27, 44 (51). Die Bezeichnung als Organ war wohl der Terminologie des jeweils einschlägigen schleswig-holsteinischen Landesrechts geschuldet, das die Fraktionen in der Geschäftsordnung des Landtags unter der Überschrift „Organe des Landtags“ aufführte, s. Oliver Homann, Zusammenarbeit, S. 50, insb. Fn. 207. 412 s. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 301 f.; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 66 f.; Oliver Homann, Zusammenarbeit, S. 50 f.; Wolfgang Zeh, in: HdBStR III, § 52 Rn. 8. 413 Z. B. BVerfGE 1, 208 (223); 2, 143 (LS 6, 159 f.); 20, 56 (104); 43, 142 (147); 80, 188 (231); 90, 286 (344); 102, 224 (242); 105, 197 (220). 414 Z. B. BVerfGE 20, 56 (104); 80, 188 (231); 102, 224 (242). 415 Z. B. BVerfGE 20, 56 (104); 43, 142 (147); 80, 188 (219); 102, 224 (242). 416 Z. B. BVerfGE 20, 56 (104); 43, 142 (147); 80, 188 (231). 417 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 302. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe bereits oben, S. 52 ff. 418 Oliver Homann, Zusammenarbeit, S. 50; s. auch Wolfgang Zeh, in: HdBStR III, § 52 Rn. 8.

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nisationstypen dem tatsächlichen Erscheinungsbild der Fraktionen nicht gerecht würden 419. Soweit nicht nur das existierende Rechtsformen-Angebot, sondern auch die Entbehrlichkeit einer Zuordnung als unbefriedigend bewertet wird, wird die Rechtsform der Fraktionen als „sui generis“, also als „eigener Gattung / eigenen Geschlechts“ und damit als einzigartig in seinen Charakteristika, beschrieben 420. Nicht immer ist die Möglichkeit einer Einordnung der Fraktionen als Organteile des Bundestages Bestandteil der Überlegungen 421. Dennoch macht die Negativabgrenzung zu bekannten Rechtsformen nach beiden Ansichten im Ergebnis eine einzelfallbezogene Interpretation der Rechtsstellung erforderlich. Diese einzelfallbezogene Interpretation verzichtet aber auf ein grundlegendes Verständnis von der organisationsrechtlichen Einordnung der Fraktionen und muss die konkrete Position der Fraktionen im Verhältnis zu den anderen Beteiligten immer wieder neu bestimmen. Dabei wird grundsätzlich verkannt, dass die Bezeichnung als Organteil durchaus geeignet ist, den Rechtscharakter der Fraktionen zu präzisieren und sie im System der bekannten Rechtsformen anschaulicher zu verorten. Die entscheidenden Einordnungskriterien liefert dabei nicht allein die Kategorisierung als Organteil. Sie ergeben sich vielmehr unter Berücksichtigung des von der Organisation vorgegebenen rechtlichen Bezugsrahmens, dessen Teil das Organteil ist, und in Ansehung der Funktionen und Aufgaben, die das Organteil für das Organ erfüllen soll. Damit leistet die begriffliche Einordnung der Fraktion als Organteil des Bundestages immerhin Folgendes: Sie weist die Frak419 s. Wolfgang Zeh, in: HdBStR III, § 52 Rn. 8; Oliver Homann, Zusammenarbeit, S. 49 ff.; Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 206 ff.; Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 184, 187; vgl. auch Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 54 a.E.; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 249 a.E.; Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 73; Karl-Heinz Hohm, in: NJW 1985, 408 (410). 420 Hartmut Borchert, in: AöR 102 (1977), 210 (231), unter Hinweis auf Eva-Maria Werberger, Stellung, S. 211, die allerdings von „Rechtssubjekten des Verfassungsrechts sui generis“ spricht. In neuerer Zeit auch Corinna Schmidt, in: DÖV 1990, 102 (105 f.), und wohl auch Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 78, der die von ihm konstatierte unmögliche Zuordnung zu anerkannten Organisationsformen für rechtsdogmatisch unbefriedigend hält und Fraktionen als „eigenständige, demokratisch legitimierte Repräsentation im parlamentarischen System“ bezeichnet. Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 75, geht von als „rechtsfähige verfassungsrechtliche Vereinigungen sui generis ausgestalteten Organteilen“ aus. Ähnlich Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 126, der von Organteilen mit einem (öffentlichen-rechtlichen) Rechtscharakter „sui generis“ ausgeht, dem die Qualifikation als „selbstständige Rechtspersönlichkeiten des Parlamentsrechts“ entspricht. 421 Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 195 – 209, befasst sich ausführlich mit der Rechtsnatur der Fraktionen, erwähnt den Begriff Organteil aber nur am Rande (S. 201) ohne sich inhaltlich damit auseinander zu setzen; ebenso Oliver Homann, Zusammenarbeit, S. 46 – 51 (S. 47) und Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 51 –54 (Rn. 51); Karl-Heinz Hohm, in: NJW 1985, 408 (410) unternimmt erst gar nicht den Versuch einer organisationsrechtlichen Einordnung.

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tionen als dem Parlamentsrecht unterstellt aus und stellt sie unzweifelhaft in einen Funktionszusammenhang mit der Aufgabenerfüllung des Parlaments. Insbesondere eine parteienrechtliche oder auch zivilrechtliche Charakterisierung 422 der Fraktionen ist damit jedenfalls – zu Recht – ausgeschlossen 423. Infolgedessen beinhaltet der Begriff Organteil eine zutreffende und durchaus weiterführende organisationsrechtliche Präzisierung, die – wie das bereits dargelegte Meinungsspektrum zur Rechtsnatur der Fraktionen zeigt – keineswegs selbstverständlich 424 ist. (2) Juristische Person des Parlamentsrechts Die Bezeichnung Organteil verortet die Fraktionen in einem parlamentsrechtlichen Organisationsrahmen, der aber nur die äußeren Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten festlegt. Begrifflich ist damit nicht im Detail vorgegeben, wie die Fraktionen innerhalb des Bundestages rechtlich verfasst sind. Der Terminus Organteil sagt zunächst nichts über die organisationsrechtliche Ausgestaltung dieses Teils eines Organs aus 425. Grundsätzlich können Organteile ihrerseits als selbständige oder unselbständige, unabhängige oder abhängige, kollegiale oder monokratische Untergliederung eingerichtet oder sogar mit eigener Organqualität ausgestattet sein 426. Der Rechtscharakter der Fraktionen lässt sich aber unter Berücksichtigung ihrer verfassungsrechtlichen Verortung sowie der Funktionen und Aufgaben, die sie erfüllen, in diesem Sinne weiter präzisieren. Fraktionen sind mit eigenen Rechten ausgestattete Organisationseinheiten des Bundestages. Der Bundestag ist der Ort ihrer Entstehung, er ist ihr originärer Wirkungskreis. Ihre Existenz und auch ihr Handeln leiten sich allerdings ausschließlich von den in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten her. Weder die Kreationskompetenz noch die Auflösungsbefugnis liegt beim Bundestag. Zwar werden die rechtlichen Rahmenbedingungen der Fraktionen vom Bundestag beschlossen, die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses und der Auf422

s. oben, S. 52 ff. und S. 79 ff. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 248 Fn. 4 und Rn. 249; vgl. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 323. 424 So aber Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 181; vgl. auch Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 75. 425 Wenn Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 323, dem Terminus Organteil einen „relativ klaren juristischen Bedeutungsgehalt“ zuschreibt, vermag dies nicht darüber hinwegzutäuschen, dass dieser Bedeutungsgehalt von ihm anhand „der Wolfschen Definition und der eigenen Überlegungen“ (S. 320) auf immerhin über neun Seiten der Habilitationsschrift (S. 316 – 325) erst ermittelt werden musste. 426 Vgl. auch Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 181. 423

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lösung – unabhängig vom Willen des Bundestages – sind dadurch allerdings nicht tangiert. Allein für die größen- und homogenitätsabhängige, unter dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit des Bundestages zu rechtfertigende Existenzbegrenzung der Fraktionen ist ein parlamentarischer Gestaltungsspielraum eröffnet. Sobald und solange Abgeordnete die in § 10 GeschOBT festgelegten rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, liegen die Entscheidungen über Gründung und Fortbestand der Fraktionen ausschließlich in der Hand der jeweiligen Fraktionsmitglieder. Sie sind deshalb innerhalb des Bundestages selbständige und unabhängige Einrichtungen 427. Fraktionen sind ein Zusammenschluss von Organmitgliedern des Bundestages, nämlich der Abgeordneten. Die Abgeordneten verlieren ihren verfassungsrechtlich garantierten Status der Freiheit, der Gleichheit und der Öffentlichkeit 428 nicht, wenn sie sich zu einer Fraktion zusammenschließen. Er entfaltet vielmehr innerhalb des Zusammenschlusses und auch für ihn seine Wirkung 429. Hieraus folgt unter anderem der kollegiale Charakter der Fraktionen: Entscheidungen werden gleichberechtigt gemeinsam durch Herstellung von Konsens oder durch Abstimmungen nach dem Mehrheitsprinzip getroffen. Das Erfordernis eines demokratischen innerfraktionellen Entscheidungsverfahrens wird auch bereits von § 48 Abs. 1 AbgG vorausgesetzt, der die Fraktionen verpflichtet, ihre Organisation und Arbeitsweise auf den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie aufzubauen und an diesen auszurichten. Einfachgesetzlich wird damit die aus der Geltung des Parlamentsrechts für die Fraktionen resultierende Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung und somit an die Grundregeln des demokratischen Verfahrens noch einmal betont. Zudem erkennt § 46 Abs. 1 AbgG den Fraktionen als Vereinigungen von Abgeordneten die Rechtsfähigkeit zu. Die Fraktion ist damit eine rechtlich verselbständigte Personenmehrheit und mithin eine juristische Person. Da die Fraktionen als Organteil des Bundestages dem Parlamentsrecht unterstellt sind, können sie zutreffend als juristische Personen des Parlamentsrechts beschrieben werden 430. 427 Vgl. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 324, der allerdings begrifflich eine Charakterisierung der Fraktionen als selbständig und unabhängig ablehnt: Selbständigkeit und Unabhängigkeit innerhalb des Parlaments sei gegeben, stünde aber unter der Bedingung, dass ein Parlament überhaupt existiert und eine ausreichende Anzahl von Abgeordneten den Willen zur Fraktionsbildung betätigen. 428 s. bereits oben, S. 50 f. 429 Vgl. auch Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 48 f. 430 So auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 326, unter Hinweis auf Gerald Kretschmer, in: Das Parlament Nr. 22 – 23 vom 22. / 29. 05. 1992, S. 12 f., der allerdings von selbständigen Rechtspersonen des Parlamentsrechts spricht. Die Bezeichnung „juristische Person des Parlamentsrechts“ findet sich auch in § 2 Abs. 4 FraktG Berlin. Die Kommission der Landtagsdirektoren schlug vor, Fraktionen als „selbständige Rechtspersönlichkeiten des Parlamentsrechts“ anzuerkennen, so Rosemarie Strauß-Zielbauer / Dietrich Schnellbach, in: ZParl. 1993, 588 (591).

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A. Die Bundestagsfraktionen

Die mitgliedschaftliche Organisation der Fraktionen als juristische Personen des Parlamentsrechts ließe es auch zu, sie als rechtsfähigen Verein des Parlamentsrechts zu bezeichnen. Dies wäre jedoch ein leicht misszuverstehender Begriff, weil er eine Nähe zum – tatsächlich aber nicht anwendbaren – bürgerlichen Vereinsrecht suggeriert und auf diese Weise mehr Verwirrung stiftet als nützt. 3. Zusammenfassung Die Fraktionen sind ausgehend von ihrer verfassungsrechtlichen Verortung im freien Mandat der Abgeordneten dem öffentlichen Recht, namentlich dem Parlamentsrecht unterstellt. Die Fraktionen unterliegen in dem von der Verfassung vorgezeichneten Prozess parlamentarischer Willensbildung denselben Voraussetzungen wie die in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten und stehen in einem engen Funktionszusammenhang mit dem Parlament. Sie wirken durch die Erfüllung ihrer Funktionen und Aufgaben an der Aufgabenerfüllung des Parlaments mit. Dabei sind sie aber auf eine vorbereitende Teilnahme am parlamentarischen Willensbildungsprozess beschränkt, weshalb sie selbst nicht als Organ des Bundestages zu qualifizieren sind. Der so konkretisierte Rechtscharakter der Fraktionen wird durch den Begriff Organteil beschrieben. Als Organteil des Bundestages genießen die Fraktionen organisatorische Selbständigkeit. Aufgrund der den Fraktionen zuerkannten Rechtsfähigkeit sind diese organisatorisch selbständigen Organteile zugleich juristische Personen des Parlamentsrechts.

B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion Wie die Rechtsstellung der Fraktionen und die des Abgeordneten wurzelt auch die Fraktionsmitgliedschaft des Abgeordneten im materiellen Verfassungsrecht. Die Abgeordneten schließen sich in Ausübung des Mandats zu Fraktionen zusammen, um ihre Beteiligung am parlamentarischen Prozess der Entscheidungsfindung im Sinne der eigenen politischen Richtung zu effektuieren. Sowohl der einer Fraktionsbildung zugrunde liegende Einrichtungsakt als auch die Rechtsstellung der Beteiligten und ihr Wirkungsbereich werden – wie im Vorangegangenen dargelegt – durch das Parlaments- und Verfassungsrecht bestimmt 431. Auch die Regeln über innere Organisation, Tätigkeit, Befugnisse und Beziehungen der Fraktionsmitglieder untereinander betreffen den parlamentsund verfassungsrechtlich geregelten Status und Wirkungsbereich der Beteiligten. Daraus folgt, dass auch die Mitgliedschaft in einer Fraktion ein Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher, genauer parlaments- und verfassungsrechtlicher Art ist 432. Die das Mitgliedschaftsverhältnis ausgestaltenden Regelungen sind damit konkretisiertes Verfassungsrecht und als solches am Maßstab der Verfassung zu messen. Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Fraktionsmitgliedschaft, die Einbindung des Abgeordneten in die gemeinsame politische Willensbildung und -äußerung und die Möglichkeiten der Ausgestaltung der Arbeitsteilung und Kooperation der Fraktionsmitglieder durch die innere Ordnung der Fraktionen ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft Es gehört zu dem verfassungsrechtlich verbürgten Recht des Abgeordneten, sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion zusammenzuschließen 433. Die431 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 306; vgl. auch (für Gemeinderatsfraktionen) Jan Ziekow, in: NWVBl. 1998, 297 (299). 432 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 251; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 157; vgl. auch Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 73 f., die den Fraktionsbinnenbereich betreffende Regelungen dem Parlamentsrecht zuordnet; s. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 374. Selbst eine Zivilrechtsgeltung für Fraktionen bejahende Ansichten gehen von einer Parlamentsrechtsgeltung für die Innenrechtsbeziehungen aus, vgl. Norbert Achterberg, in: JA 1984, 9 (10); Jörn Ipsen, in: NVwZ 2005, 361 (363).

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

ses Recht auf Fraktionsbildung hat in der Regelung des § 45 Abs. 1 AbgG ausdrücklich einfachgesetzliche Normierung erfahren. Durch den Einrichtungsakt wird auch das Mitgliedschaftsverhältnis zwischen der Fraktion und den an der Fraktionsgründung beteiligten Abgeordneten begründet. Ein Mitgliedschaftsverhältnis kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt durch Beitritt entstehen 434. Der Mitgliedschaftserwerb wird jedoch, wie sich im Folgenden zeigen wird, sowohl durch das freie Mandat des Abgeordneten gewährleistet als auch begrenzt. 1. Ausübung des Mandats Die Fraktionsbildung beruht – wie dargelegt 435 – auf der in Ausübung des Mandats getroffenen freien Entscheidung der Abgeordneten 436. Gleiches gilt für den Erwerb der Fraktionsmitgliedschaft, entweder durch Mitwirkung an der Fraktionsgründung oder durch späteren Beitritt. Als actus contrarius steht dem Abgeordneten in Ausübung seines freien Mandats auch das jederzeitige Recht zum Austritt aus der Fraktion zu 437. Der Mitgliedschaftserwerb ist damit ebenso wie der Austritt aus der Fraktion von einer entsprechenden Mandatsausübung abhängig. Dabei reicht die Freiheit der Mandatsausübung allerdings nicht so weit, dass ein Abgeordneter gleichzeitig Mitglied mehrerer Fraktionen sein kann. Das Verbot der Doppel- oder Mehrfachmitgliedschaft ist als Einschränkung des im freien Mandat verankerten Fraktionsbildungsrechts gerechtfertigt zur Gewährleistung der auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden Gleichheit der Mandatsträger. Doppel- oder Mehrfachmitgliedschaften beispielsweise in Koalitionsfraktionen hätten eine künstliche Erhöhung der Mitgliederzahlen zur Folge, die wiederum bei der Zuweisung von parlamentarischen Mitwirkungsbefugnissen nach der Stärke der Fraktionen zu einer gleichheitswidrigen überproportionalen Berücksichtigung führen und zudem zusätzliche Finanzierungsansprüche auslösen würde 438.

433

BVerfGE 70, 324 (354); 43, 142 (149). Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 374; Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 45 Rn. 15; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 156; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 183. 435 s. oben, S. 49 f. 436 BVerfGE 80, 188 (LS 3b, 220); 84, 304 (322); 93, 195 (203 f.); s. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 374; Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (263); Jörn Ipsen, in: NVwZ 2006, 176 (176); Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (262). 437 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 183; Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 45 Rn. 6. 434

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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a) Mandatsträgerschaft Exklusivität der Mitgliedschaft besteht aber nicht nur in dem Sinne, dass Abgeordnete nur einer Fraktion angehören dürfen, vielmehr dürfen auch nur Abgeordnete einer Fraktion als Mitglied angehören. Die Fraktionsbildung ist ausschließlich Inhabern eines parlamentarischen Mandats vorbehalten 439. Nur wer den Abgeordnetenstatus besitzt, kann daran mitwirken, einen Fraktionsstatus zu etablieren und – dies ist der maßgebliche Aspekt – in der Folge daran teilhaben. Die Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung ist für den Bereich verbindlichen Entscheidens ausschließlich den demokratisch unmittelbar durch Volkswahl legitimierten Mandatsträgern vorbehalten. Dies gilt auch für die vorbereitende Teilnahme am parlamentarischen Willensbildungsprozess in den und durch die Fraktionen 440. Das Erfordernis der Mandatsträgerschaft ist auch für die Erlangung des Gaststatus in einer Fraktion im Sinne des § 10 Abs. 3 GeschOBT zwingend, was sich schon daraus ergibt, dass Gäste bei der Bemessung der Stellenanteile im Sinne des § 12 GeschOBT zu berücksichtigen sind 441. Allerdings sehen die Fraktionsgeschäftsordnungen aller Bundestagsfraktionen die Beteiligung weiterer Personen ohne Abgeordnetenmandat vor. Die Beteiligung Mandatsloser an der Willensbildung und Entscheidungsfindung innerhalb der Fraktion ist jedoch mit Blick auf die erforderliche demokratische Legitimation staatlichen Entscheidens nicht unproblematisch 442. Dennoch ist die Bandbreite der in den Fraktionsgeschäftsordnungen vorgesehen Möglichkeiten zur Einbindung auch solcher Personen groß. Nach § 1 der Geschäftsordnung der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag 443 besteht die Fraktion aus den in den Bundestag gewählten Mitgliedern der SPD. Zur lediglich beratenden Teilnahme an den Fraktionssitzungen sind als Personen ohne Bundestagsmandat die deutschen Mitglieder der Sozialistischen 438 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 406 f.; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 245; s. auch Norbert Achterberg, Parlamentsrecht, S. 280, der entsprechende ausdrückliche Regelungen zu Recht als überflüssig bezeichnet; vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 16. 10. 2003 – Az. VfBbg 4/03, LVerfGE 2, 201 (207), bei dem die Regelung in § 1 Abs. 2 FraktG Brandenburg, derzufolge ein Mitglied des Landtages nur einer Fraktion angehören kann, auf keinerlei Bedenken stieß. 439 Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 45 Rn. 15; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 240; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 85; Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 395. 440 Joachim Linck, in: ZParl. 1980, 511 (512 ff.). 441 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 382. 442 Grundlegend hierzu Joachim Linck, in: ZParl. 1980, 511 ff., und Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 147 ff. 443 In der Fassung vom 3. Juni 1997.

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Fraktion des Europäischen Parlaments berechtigt (§ 12 Abs. 2 SPD-GeschO). Auch an den Vorstandssitzungen dürfen Personen ohne Bundestagsmandat, allerdings gleichfalls nur mit beratender Stimme, teilnehmen (§ 10 Abs. 4 und Abs. 5 SPD-GeschO) 444. Die Geschäftsordnung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 445 bezeichnet als mit Sitz und Stimme ausgestattete Mitglieder der Fraktion diejenigen Abgeordneten des Bundestages, die sich gem. § 10 GeschOBT zur Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zusammengefunden haben (§ 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 GeschO Bündnis 90/Die Grünen). Darüber hinaus sind durch § 4 Abs. 4 GeschO Bündnis 90/Die Grünen Personen ohne Bundestagsmandat zur ständigen Teilnahme an den Fraktionsversammlungen berechtigt 446. Weitere Sachverständige und Gäste können mit oder ohne Rederecht zu Beratungen hinzugezogen werden, den Fraktionssowie Abgeordnetenmitarbeitern wird Zugang gewährt. Die Geschäftsordnung der Fraktion „Die Linke.“ 447 sieht die Aufnahme von Gästen im Sinne des § 10 Abs. 3 GeschOBT vor, über deren Rechte und Pflichten die Fraktion mit 2/3-Mehrheit entscheidet (§ 1 Abs. 1 S. 2 GeschO „Die Linke.“). Nach § 5 Abs. 3 und 4 GeschO „Die Linke.“ können an der Fraktionsversammlung weitere ständige und geladene Gäste ohne Bundestagsmandat mit Rederecht teilnehmen 448. Die Geschäftsordnung der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag 449 unterscheidet nach Mitgliedern der Fraktion, die zwingend Abgeordnete des Deutschen Bundestages sein müssen, Gästen im Sinne von § 10 Abs. 3 GeschOBT, über deren Rechte und Pflichten die Fraktion mit 2/3-Mehrheit entscheidet, und der Fraktion ohne Mitgliedschaftsstatus angehörenden, auf Wahlvorschlag 444 Sozialdemokratische Mitglieder der Bundesregierung und sozialdemokratische Parlamentarische Staatssekretäre, Vorsitzender oder stellv. Vorsitzender der deutschen Mitglieder der sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments sowie Präsident oder Vizepräsident des Europäischen Parlaments, wenn sie deutsche Mitglieder der Sozialistischen Fraktion sind. 445 Beschlossen am 27. September 2005, geändert mit Beschluss vom 5. September 2007. 446 Zur ständigen Teilnahme berechtigt sind der geschäftsführende Bundesvorstand, die Mitglieder des Parteirats, die Sprecher und Sprecherinnen der Landesvorstände, die Mitglieder des Präsidiums des Länderrates und die Bündnis 90/Die Grünen angehörenden Mitglieder einer Landesregierung und der Europagruppe sowie die Fraktionsvorsitzenden der Länderparlamente. 447 Beschlossen am 1. Oktober 2005, zuletzt geändert am 6. September 2007. 448 Als ständige Gäste vorgesehen sind die Bundesvorsitzenden bzw. die BundesgeschäftsführerIn der Partei „Die Linke.“, die Mitglieder des Bundesrates bei gleichzeitiger Mitgliedschaft in der Partei „Die Linke.“, die / der Vorsitzende der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Partei „Die Linke.“, die / der Vorsitzende der Partei Die Linke-Gruppe im Europaparlament und ein / e Vertreter / in der Rosa-Luxemburg-Stiftung. 449 In der Fassung vom 26. 10. 2009.

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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der Freien Demokratischen Partei gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlamentes, die an den Fraktionssitzungen mit beratender Stimme teilnehmen (§ 1 FDP-GeschO). Weitere Teilnahmeberechtigte der Fraktionsversammlungen ohne Bundestagsmandat sind in § 3 Abs. 4 FDP-GeschO aufgeführt 450. Darüber hinaus können auch an den Sitzungen des Vorstandes Personen ohne Bundestagsmandat teilnehmen 451. Die Arbeitsordnung der CDU / CSU-Bundestagsfraktion 452 sieht vor, dass die Fraktion aus den Abgeordneten der CDU und der CSU sowie Hospitanten besteht (§ 1 Abs. 1 CDU / CSU-ArbO). Wer Hospitant sein kann ist nicht geregelt, nach der Praxis handelt es sich wohl aber um Gäste im Sinne des § 10 Abs. 3 GeschOBT 453. Es finden sich keine Regelungen zu den Mitwirkungsbefugnissen der Hospitanten. Lediglich inzident aus § 1 Abs. 2 der CDU / CSU-ArbO ergibt sich, dass alle Mitglieder, und damit wohl auch die in Abs. 1 genannten Hospitanten, die gleichen Rechte und Pflichten haben. In § 3 Abs. 2 der CDU / CSUArbO ist weiter vorgesehen, dass an der Sitzung der Fraktionsversammlung auf Einladung des Vorsitzenden Gäste teilnehmen können, die nicht Inhaber eines Bundestagsmandats sind, wobei ein relativ großer Personenkreis unabhängig von einer konkreten Einladung im Einzelfall als ständig geladen gilt 454. Bei der Regelung der von der Fraktionsversammlung wahrzunehmenden Aufgaben (§ 4 der CDU / CSU-ArbO) wird nicht hinsichtlich der Mitwirkungsbefugnisse von Fraktionsmitgliedern und Gästen unterschieden. Auch bei Vorstandssitzungen ist nach § 6 Abs. 2 der CDU / CSU-ArbO die Beteiligung von Personen 455 vorgesehen, die kein Bundestagsmandat innehaben, jedoch sind diese „nur“ mit450 Die ehemaligen Mitglieder der Fraktion, die Bundesminister, die Mitglieder des Bundesrates, sofern diese Mitglied der FDP sind, der Bundesvorsitzende der FDP, die Ehrenvorsitzenden der FDP, der Generalsekretär der FDP, die Mitglieder der Kommission der Europäischen Union, die Mitglied der FDP sind. Anderen Personen kann der Fraktionsvorstand die Teilnahme gestatten. Die Teilnahme kann für alle Genannten beschränkt werden. 451 Der Bundesvorsitzende, die Ehrenvorsitzenden der Partei, der Generalsekretär der Partei und die Bundesminister, die Mitglied der FDP sind. 452 Arbeitsordnung der CDU / CSU-Bundestagsfraktion vom 28. November 2005. 453 So Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 83. 454 Als geladene Gäste gelten alle der CDU und der CSU angehörenden Mitglieder der Bundesregierung, Staatssekretäre, Mitglieder des Bundesrates, Fraktionsvorsitzenden der Länderparlamente, die Parteivorsitzenden und Generalsekretäre von CDU und CSU, die Mitglieder der CDU / CSU-Gruppe der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament sowie die ehemaligen Mitglieder der Fraktion. Über die Zulassung von Mitarbeitern der Fraktion, der Bundesregierung und der Landesregierungen zur Fraktionssitzung entscheidet der Vorstand. 455 Die Parteivorsitzenden und Generalsekretäre von CDU und CSU und, soweit sie CDU oder CSU angehören, die Mitglieder des Bundestagspräsidiums und des Präsidiums des Europäischen Parlaments, der Bundesregierung, die früheren Bundeskanzler, der Vorsitzende der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament und der Vorsitzende der

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

beratungsberechtigt. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung für die Teilnahme an den Sitzungen der Fraktionsversammlung ist wohl zu schließen, dass den Gästen dort sowohl ein Mitberatungs- als auch Stimmrecht eingeräumt wird. Allen Fraktionsgeschäftsordnungen gemein ist demnach, dass Personen ohne Abgeordnetenmandat Mitwirkungsmöglichkeiten bei der fraktionsinternen Willensbildung eingeräumt werden. Soweit sich diese in einer anlassbezogenen, nur beratenden Einflussnahme erschöpfen, ist dies auch unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten grundsätzlich nicht zu beanstanden 456. Die parlamentsinterne Entscheidungsfindung ist nicht gegen außerparlamentarische Einflüsse hermetisch abzuriegeln, vielmehr ist eine Aufgabe des Parlaments und auch der Fraktionen darin zu sehen, die an sie herangetragenen Auffassungen und Vorstellungen aus der Gesellschaft aufzunehmen und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Dabei dürfen sie sich zur Vorbereitung ihrer Entscheidung auch durchaus der Expertise nicht parlamentsangehöriger Personen bedienen. Diese Möglichkeit wird für die nach sachlichen Gesichtspunkten gegliederte Arbeit der Ausschüsse in § 70 GeschOBT ausdrücklich anerkannt. Für die politische Arbeit der Fraktionen gilt dies gleichermaßen und bedeutet, dass sie sich insbesondere des auch parlamentsexternen parteipolitischen Sachverstands bedienen dürfen. Die in allen Fraktionsgeschäftsordnungen vorgesehene beratende Unterstützung durch parteipolitisches Führungspersonal, Mandatsträger anderer Parlamente wie auch der Regierungsmitglieder gleicher Parteizugehörigkeit ist nicht nur demokratietheoretisch unproblematisch, sondern – soweit es um die sachpolitische Willensbildung geht 457 – sogar erwünscht. Sie ist Ausdruck der Verklammerungs-(Scharnier-)Funktion, die die Fraktionen vermöge ihrer Rechtsstellung im politischen Kräftefeld zwischen Parteien, Parlament, zwischen gesellschaftlicher Willensbildung und staatlichem Entscheidungsprozess, zu erfüllen haben und die sich insbesondere in ihrer Funktion als Tendenz- und Wettbewerbsgemeinschaften widerspiegelt 458. Selbst soweit diese Rückkoppelung an parteipolitischen Sachverstand nicht nur punktuell bei Gelegenheit oder Bedarf aktualisiert, sondern als permanentes Beratungsverfahren institutionalisiert wird, ist dies anzuerkennen 459. Die AufCDU / CSU-Gruppe dieser Fraktion. Der Vorsitzende kann (wohl weitere) Gäste zur Beratung hinzuziehen. 456 So auch Joachim Linck, in: ZParl. 1980, 511 (511); Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 147. 457 Anders ist dies zu beurteilen, sofern es um die der ausschließlichen Entscheidungskompetenz der Mandatsträger unterfallende Entscheidung über den Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes geht, s. dazu unten, S. 200 f. 458 s. hierzu bereits oben, S. 39 ff. 459 Im Ergebnis ebenso Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 148; a. A. Joachim Linck, in: ZParl. 1980, 511 (515).

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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gabe, die Vorstellungen der Parteien und der einzelnen Abgeordneten mit der parlamentarischen Willensbildung und Entscheidungsfindung zu verknüpfen, obliegt den Fraktionen dauerhaft, „damit die politische Willensbildung des Volkes über die für alle Bürger zur Mitwirkung geöffneten Parteien [...] beständig präsent und wirksam bleibt“ 460. Seine Grenze findet die Mitwirkung von Personen ohne Abgeordnetenmandat allerdings in der verbindlich bestimmenden Einflussnahme auf die fraktionsinterne Entscheidungsfindung. Mit anderen Worten: Personen ohne Abgeordnetenmandat dürfen nicht mit Stimmrecht ausgestattet sein 461. Mit der Ausübung des Stimmrechts wird die Grenze zwischen beratender Einflussnahme auf die fraktionsinterne Willensbildung und verbindlichem Entscheiden als Teil der Staatswillensbildung überschritten. Die Teilnahme an fraktionsinternen Wahlen und Abstimmungen stellt sich als unmittelbare Mitwirkung an der den Fraktionen als Organteilen des Parlamentes überantworteten vorbereitenden Mitwirkung an der staatlichen Willensbildung und Entscheidungsfindung dar, die ausschließlich den unmittelbar durch Volkswahl legitimierten Abgeordneten vorbehalten ist. Fraktionsmitgliedschaft im hier verstandenen Sinne als mit Stimmrecht ausgestattete Vollmitgliedschaft ist daher ausschließlich den Bundestagsabgeordneten vorbehalten. Anderslautende Fraktionsgeschäftsordnungsregelungen wären ebenso wie eine von diesem Grundsatz abweichende Praxis verfassungswidrig 462. 460 Vgl. BVerfG, Urteil vom 30. 6. 2009 – 2 BvE 2/08 u. a., in: NJW 2009, 2267 (2274). 461 s. Joachim Linck, in: ZParl. 1980, 511 (514 f.); Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 147 f.; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 85; a. A. BVerwGE 90, 104 (108 f.): Nach der demokratischen Konzeption des Grundgesetzes soll die Repräsentation des Volkes im Wesentlichen erst im Plenum und / oder in den Ausschüssen bewirkt werden, weshalb an die nur vorbereitende Tätigkeit in den Fraktionen nicht die gleichen demokratischen Legitimationsanforderungen zu stellen seien wie an die endgültige Willensbildung. Mit dieser Begründung hatte das BVerwG eine Abstimmung in einer Ratsfraktion unter Beteiligung nicht gewählter Personen mit eigenem Stimmrecht für unbedenklich erklärt. Das BVerwG verkennt, dass die Tätigkeit der Fraktionen bereits der „endgültigen“ parlamentarischen Willensbildung dient. Zu Unrecht beruft sich das Gericht zur Stützung seiner These auf BVerfGE 83, 60 (74). Das BVerfG hatte in der betreffenden Entscheidung lediglich festgestellt, dass die nicht mit Mitbestimmungsbefugnissen verbundene, beratende Tätigkeit von Vertretern gesellschaftlicher Interessen bei der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben über Beiräte oder sonstige Expertengremien nicht auf das Volk zurückgeführt werden muss. Weiter heißt es: „Verdichtet sich indes die unverbindliche, bloß beratende Teilhabe an der Verwaltung zur Mitentscheidung [...], so wird staatliche Herrschaft ausgeübt, die stets demokratisch, d. h. vom Staatsvolk, legitimiert sein muß“. 462 Allerdings stattet keine der Fraktionsgeschäftsordnungen Personen ohne Abgeordnetenmandat ausdrücklich mit Stimmrecht aus. Insbes. die Geschäftsordnung der CDU-Fraktion enthält aber auch keine ausdrückliche Beschränkung auf eine nur beratende Teilnahme, vielmehr lassen die Formulierungen – wie dargelegt – eher den ge-

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

b) Aufnahme in die Fraktion Das in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistete freie Mandat des Abgeordneten verbietet es, ihn unabhängig von seiner eigenen Entscheidung zur Zusammenarbeit mit anderen Abgeordneten zu zwingen. Die Verfassung gewährt dem Abgeordneten einen eigenständigen, nicht einen abgeleiteten oder abhängigen Status. Für diesen so geprägten Verfassungsstatus gibt es in der Frage der Fraktionsbildung keine vorgegebene verfassungskräftige Maßgabe, also keine Rechtspflicht zur Handlung 463. Die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses ist durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG für alle Abgeordneten gleichermaßen garantiert und umfasst das Recht auf Fraktionsbildung nach eigenen Vorstellungen in politischer wie auch persönlicher Hinsicht. Der durch das freie Mandat geschützte und in dessen Ausübung geltend gemachte Beitrittswille des einen Abgeordneten trifft daher auf die durch das freie Mandat gleichfalls geschützte Kooperationsfreiheit der anderen beitrittswilligen oder bereits fraktionsangehörigen Abgeordneten 464. Das Verfassungsrecht gibt keiner Seite den Vorzug: Der den Abgeordneten gewährleistete Status der Freiheit und Gleichheit 465 schützt jeden Abgeordneten gleich gegenüber zwangsweiser Einflussnahme auf die Mandatsausübung. Deshalb verlangen die Fraktionsgründung und zugleich der Mitgliedschaftserwerb eine gleichgerichtete und von allen beteiligten Abgeordneten gemeinsam getroffene Entscheidung, der spätere Beitritt setzt die Zustimmung der Fraktion voraus 466. Einen originären Anspruch auf Fraktionsmitgliedschaft gibt es nicht 467.

genteiligen Schluss zu. Die Geschäftsordnungen der anderen Bundestagsfraktionen sind in dieser Frage – mit Ausnahme der Geschäftsordnung der SPD-Fraktion, die ausdrücklich nur eine beratende Stimme gewährt – von einer als unglücklich zu bezeichnenden Unklarheit, wenn Personen ohne Abgeordnetenmandat ohne nähere Spezifizierung der Mitwirkungsbefugnisse allgemein gehalten eine Teilnahme an den Sitzungen der Fraktionsversammlung und / oder des Fraktionsvorstandes erlaubt wird. 463 s. bereits oben, S. 49 f. 464 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (639). 465 s. hierzu bereits oben, S. 48 ff. 466 Wobei die Aufnahmeentscheidung freilich nach der dem innerfraktionellen Demokratiegebot innewohnenden Mehrheitsregel zu treffen ist, s. StGH Bremen, in: DÖV 1970, 639 (640); zur innerfraktionellen Demokratie s. auch unten, S. 123 ff., zur Geltung des Mehrheitsprinzips s. unten, S. 136 f. 467 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 375 f.; s. auch Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 221, 241; so auch Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (639); a. A. aber Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 183, der dort von einem Aufnahmeanspruch unter dem Vorbehalt nicht entgegenstehender Ausschlussgründe ausgeht (s. hierzu auch unten, Fn. 483); ähnlich Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 164 f.

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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Ein solcher lässt sich auch nicht aus dem Umstand der politischen Parteigebundenheit des Abgeordneten herleiten 468. Es kann nicht als Konsequenz des von den politischen Parteien beherrschten Wahlsystems angesehen werden, dass die Fraktionsbildung der gewählten Abgeordneten gleicher Parteizugehörigkeit automatisch oder zwangsläufig und unter anfänglicher Nichtbeachtung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Unabhängigkeit des Abgeordneten erfolgen soll. Dem freien Mandat der Abgeordneten ist nicht allein durch die Möglichkeit zum jederzeitigen Austritt aus der Fraktion ausreichend Geltung verschafft 469. Die Volkssouveränität ist sowohl für den grundgesetzlichen Demokratiebegriff als auch für das – die Ausgestaltung der konkreten Form der Demokratie wesentlich mitbestimmende – Wahlsystem das tragende und funktional zuordnende Prinzip 470. Volkssouveränität bedeutet in ihrer sachlichen Dimension, dass Sachentscheidungen vom Volk inhaltlich bestimmt werden können, einerseits durch Abstimmungen, andererseits und im Regelfall durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Für die Ausübung der Staatsgewalt durch besondere Organe gewinnt die personelle Dimension der Volkssouveränität besondere Bedeutung: Die Besetzung jeder Position, von der aus staatliche Gewalt ausgeübt wird, muss in ununterbrochener Legitimationskette auf das Volk zurückgeführt werden können. Das entscheidende Verfahren zur Herstellung dieses Legitimationszusammenhangs sind Wahlen. In zeitlicher Dimension verlangt die Volkssouveränität, dass die Bestimmungsmacht des Volkes über die Sach- und Personalentscheidungen tatsächlich wirksam werden kann, dass also in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen eine Rückkopplung der Staatsgewalt an das Volk durch erneute Betätigung der Volkssouveränität, mit anderen Worten durch Wahlen erfolgt 471. Die Wahlen sind damit in der Tat zentrales Medium der Einflussnahme des Volkes auf die staatliche Entscheidungsbildung. Die Teilnahme der politischen Parteien an diesem Verfahren der demokratischen Legitimation der Staatsgewalt vermittelt diesen aber keinen unmittelbaren Zugriff auf die Ausübung der Staatsgewalt durch die gewählten Volksvertreter 472. 468 So aber Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 230 f.; Hans Meyer, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 4 Rn. 101 f.; Hans Meyer, in: FS Mahrenholz, S. 319 (337); Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 183; wie hier Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 161 ff., der aber insoweit inkonsequent dennoch aus der parteipolitisch berechtigten Erwartung der Mitwirkung in der Fraktion einen Aufnahmeanspruch nur der parteiangehörigen Abgeordneten herleitet; hierzu auch im Folgenden, insb. Fn. 483. 469 So aber Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 230 f.; Hans Meyer, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, § 4 Rn. 101 f.; Hans Meyer, in: FS Mahrenholz, S. 319 (337). 470 Martin Morlok, in: FS BVerfG, S. 559 (559). 471 s. hierzu grundlegend Martin Morlok, in: FS BVerfG, S. 559 (565 ff.).

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Denn Volkssouveränität erschöpft sich nicht in einem regelmäßig ermöglichten Urnengang der Wähler, durch den sich der Volkswille einmalig für die gesamte Dauer der Legislaturperiode in personeller Hinsicht konstituiert. Die Volkssouveränität sichert zur Aufrechterhaltung der demokratischen Legitimation der Staatsgewalt Einflussmöglichkeiten des Volkes auch zwischen den Wahlen 473. Dabei wird das Volk als Träger der Volkssouveränität handlungsfähig durch Organisation und Verfahren, in denen ein Wille des Volkes erst gebildet wird. Weil das Volk eine pluralistische, heterogene Kollektivität ist, ist der „Volkswille“ nicht an sich bereits vorhanden. Er gewinnt vielmehr erst „Realität durch Prozeduren der Prüfung und Verwerfung von Alternativen und der Bejahung einer Handlungsoption, die dann als Wille des Volkes gelten soll“ 474. Dieser Herstellungsprozess ist Aufgabe der Repräsentanten des Volkes, also der gewählten Volksvertreter. Dabei ist für die Einflussnahme des Volkes auf die Staatswillensbildung die im Wahlakt zum Ausdruck kommende und mit bestimmten wahlkampfrelevanten parteipolitischen Sachpositionen verbundene „Entsendungsmacht“ der Wähler weit weniger wichtig, als die antezipierte nächste Wahlentscheidung. Über das Wiederwahlinteresse der Gewählten erhalten die Wähler bestimmenden Einfluss auf die Politik. In der Bevölkerung sich abzeichnende sachpolitische Präferenzen und Meinungen werden als Faktoren der künftigen Wahlentscheidung ernst genommen 475. Der scheinbar unaufhaltsame Trend des Mitgliederrückgangs bei politischen Parteien verleiht der so hergestellten Rückkopplung der gewählten Abgeordneten unmittelbar an das Volk zusätzlich Gewicht. Die rechtliche Gewährleistung dieses Beeinflussungsmechanismus liegt in der Freistellung des Abgeordneten von allen rechtlichen Bindungen. „Die Freiheit des Mandats schafft die Freiheit, sich beeinflussen zu lassen – und zwar von einem unbestimmten Kreis von Wählern und auch von ganz unbestimmten Angelegenheiten. [...] Die Freistellung des Abgeordneten von Instruktionen ist auch die Voraussetzung für die Möglichkeit, zu Kompromissen zu kommen“ 476.

472

Zur rechtlichen Trennung von Partei und Fraktion s. schon oben, S. 52 ff. Hans-Heinrich Trute, in: von Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 75: „Im demokratisch-parlamentarischen System bildet das zu repräsentierende Gesamtinteresse [...] keine dem politischen Prozeß vorausliegende, sondern idealiter eine sich im Medium der Öffentlichkeit und im Diskurs der weisungsfreien und unabhängigen Repräsentanten ergebende Größe.“ 474 Martin Morlok, in: FS BVerfG, S. 559 (579). 475 Martin Morlok, in: FS BVerfG, S. 559 (585); s. auch Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 144; zur Bedeutung der geheimen Abstimmung für die Furcht des Abgeordneten vor der Parteiführung einerseits und vor den Wählern andererseits s. Wilhelm Grewe, in: AöR 75 (1949), 468 (469 f.). 476 Martin Morlok, in: FS BVerfG, S. 559 (586). 473

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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Das freie Mandat ermöglicht freie Kommunikation sowie eine situationsgemäße, flexible Mandatsausübung, nicht nur gesamtparlamentarisch, auch innerfraktionell 477. Es ermöglicht die Darstellung von Differenzen und deren Ausgleich, hat also auch eine integrative Funktion 478. Dabei schließt das freie Mandat die Orientierung des nur seinem Gewissen unterworfenen Abgeordneten an den parteilichen Vorstellungen nicht aus 479. Indem es die Stellung des Abgeordneten für eine gewisse Zeit unangreifbar macht und ihm so Selbständigkeit gegenüber der Partei verleiht, dient es zugleich auch der Offenheit des innerparteilichen demokratischen Willensbildungsprozesses. Es erlaubt ihm, von der offiziellen Parteilinie abzuweichen, damit die innerparteiliche Diskussion voranzutreiben und lebendig zu halten 480. Aus der engen Verbindung von Abgeordnetem und Partei speist sich daher lediglich die allgemeine Erwartungshaltung, dass sich sämtliche Mitglieder einer Partei zu einer gemeinsamen Fraktion zusammenschließen. Dieser Erwartung wird auch regelmäßig entsprochen werden 481, sie ist aber keineswegs zwingender Natur. Auch das einfache Recht gibt einer entsprechenden Erwartung zwar Ausdruck, verleiht ihr aber keine rechtliche Verbindlichkeit. Weder § 45 Abs. 1 AbgG noch § 45 Abs. 2 AbgG i.V. m. § 10 Abs. 1 GeschO BT setzen voraus, dass die Fraktionsbildung ausschließlich Abgeordneten gleicher Parteizugehörigkeit möglich ist 482. Die Erwartungshaltung eines ins Parlament gewählten parteiangehörigen Abgeordneten, in der Fraktion dieser Partei auch Mitglied zu sein und mitwirken zu 477

Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 162. Hasso Hofmann / Horst Dreier, in: Schneider / Zeh, § 5 Rn. 43; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 145. 479 Zur Vermittlerstellung der Fraktionen im politischen Kräftefeld zwischen Parteien und Parlament s. schon oben, S. 39 ff. 480 Hasso Hofmann / Horst Dreier, in: Schneider / Zeh, § 5 Rn. 45; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 144;; Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 171 ff. 481 Ein – wohl das einzige – Gegenbeispiel ist der Fall des SPD-angehörigen Abgeordneten Hans-Uwe Emeis, der im Dezember 1975 in den 7. Deutschen Bundestag nachrückte. Die SPD-Fraktion verweigerte die Aufnahme wegen eines schwebenden Parteiordnungsverfahrens, das letztlich zum Ausschluss aus der Partei führte, weil Emeis während des Landtagswahlkampfes 1975 in Schleswig-Holstein einen Brief des Bundesverkehrsministers Kurt Gscheidle falsch wiedergegeben hatte. Gscheidle hatte Emeis auf Anfrage mitgeteilt, dass eine Kanalunterquerung bei Brunsbüttel (Nord-Ostsee-Kanal) „aus Kostengründen in absehbarer Zeit nicht möglich“ sei. Emeis aber verkündete bei Wahlveranstaltungen, Bonn habe für den Tunnelbau „grünes Licht“ gegeben; s. statt vieler Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 161 mit dem Verweis auf den stenographischen Bericht der 208. Bundestagssitzung, 7. Wahlperiode, 10. Dezember 1975, S. 14315; zur Resonanz in der Öffentlichkeit s. Der Spiegel, Ausgabe 08/1976, S. 156, online abrufbar unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41331175.html, 09. 11. 2009. 482 So auch Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 163; grundsätzlich zur politischen Homogenität als Voraussetzung der Fraktionsbildung s. unten, S. 110 ff. 478

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

dürfen, wurzelt in der Parteimitgliedschaft und wirkt wegen der grundsätzlich selbständigen Ausgestaltung des Abgeordnetenstatus gegenüber der Parteimitgliedschaft nicht in das Abgeordnetenrecht hinüber 483. Wenngleich der Abgeordnete in Personalunion sowohl Mandatsträger als auch Parteimitglied ist, so sind die beiden Rechtssphären rechtlich doch strikt voneinander zu trennen. Die für den Abgeordneten als Parteimitglied geltenden Regeln und Grundsätze, die er für sich mit seinem Eintritt in die Partei als verpflichtend anerkannt hat, können ebenso wie die aus der Parteimitgliedschaft folgenden Rechte für die Aufgabenerfüllung im verfassungsrechtlichen Bereich als Mandatsträger keine rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen. Es obliegt dem Abgeordneten zwar, beiden Aufgabenbereichen mit den dadurch bedingten doppelten Bindungen und den entsprechenden Rechten und Pflichten gerecht zu werden 484. Gleichwohl ist ein unmittelbares Hinüberwirken der parteimitgliedschaftlichen Rechtsstellung in das Abgeordnetenmandat durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ausgeschlossen 485. Der Abgeordnete kann deshalb aus seiner Rechtsstellung als Parteimitglied weder gegenüber anderen Abgeordneten, noch gegenüber der Fraktion oder dem Parlament Ansprüche herleiten. Ebenso wenig kann die Parteimitgliedschaft rechtsverbindliche Pflichten eines Mandatsträgers begründen.

483 So Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (640); a. A. noch Martin Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Tübingen 1998, Art. 38 Rn. 172, unverändert auch in der aktuellen Auflage (2006), Rn. 183. Zur Begründung eines Aufnahmeanspruchs unter dem Vorbehalt nicht entgegenstehender Ausschlussgründe wird allerdings wenig überzeugend lediglich verwiesen auf die Spiegelbildlichkeit des Aufnahmeanspruchs zur Möglichkeit der Parteien, Mandatsträger parteienrechtlich zur Mitwirkung in der Fraktion zu verpflichten. Eine innerparteiliche Pflicht die freilich auch nur innerparteiliche Rechtswirkungen entfalten kann. Eine das spiegelbildliche Hinüberwirken der parteienrechtlichen Pflichtensituation in das Parlamentsrecht ermöglichende rechtliche Konstruktion wird nicht aufgezeigt. Ähnlich, gleichfalls nicht überzeugend Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 164 f.: die nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigte Ablehnung der Aufnahme eines parteiangehörigen Abgeordneten stelle eine Verletzung seiner im Verfassungsstatus begründeten Teilhaberechte dar. Tatsächlich wird aber nicht der Verfassungsstatus des Abgeordneten, sondern die – auch nach Auffassung von Stevens rechtlich nicht in das Mandat hineinwirkende (S. 163) – Parteimitgliedschaft, genauer: die sich aus dieser ergebende politische Erwartung der Zusammenarbeit, zum alleinigen Anknüpfungspunkt gemacht, und zwar sowohl für die Herleitung der als verletzt gerügten Teilhaberechte als auch für den grundsätzlichen, sich aus dem Vorliegen „aller wesentlichen Bedingungen einer Aufnahme in die Fraktion“ ergebenden Aufnahmeanspruch und sogar für die differenzierende Betrachtungsweise von – in ihrem Verfassungsstatus aber grundsätzlich gleichen – partei- und nicht parteiangehörigen Abgeordneten. 484 Dies gilt für alle, mit den vielfältigen Bindungen des Abgeordneten korrelierenden Rollenerwartungen, s. Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 161 f.; kritisch zu den vielfältigen „Abhängigkeiten“ des Abgeordneten und für den Ausschluss einer Wiederwahl plädierend Walter Schmitt Glaeser, in: ZRP 2006, 10 ff. 485 Zur rechtlichen Trennung von Partei und Fraktion s. schon oben, S. 52 ff.; vgl. auch StGH Bremen, in: DÖV 1970, 639 (640).

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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Die Erwartungshaltung, in der Fraktion „seiner“ Partei Mitglied zu sein, ist damit zwar politisch berechtigt, aber rechtlich nicht bindend. Ein Zusammentreffen von rechtlicher Freiheit und politischer Zwangsläufigkeit ist im Verfassungsleben keine Seltenheit, sie findet sich beispielsweise auch bei der Regierungsbildung. So steht es der parlamentarischen Mehrheit frei zu entscheiden, ob sie ihren Kandidaten zum Bundeskanzler wählt, dieser wiederum ist rechtlich frei bei der Regierungsbildung, beide Entscheidungen tragen jedoch regelmäßig politisch den Charakter nur obligatorischer Willensbekundungen. Aus der politischen Automatik lässt sich aber in keinem Fall folgern, dass rechtlich keine Entscheidungsfreiheit mehr besteht 486. Die Frage nach einem (verfassungsrechtlichen) Anspruch auf Mitgliedschaft in einer bestimmten Fraktion ist ausschließlich nach Grundsätzen zu beurteilen, die nicht zum politischen, sondern zum verfassungsrechtlichen Bereich gehören 487. Die Fraktionen sind Konsensgemeinschaften rechtlich unabhängiger Abgeordneter, die sich in dem Bewusstsein und mit dem Willen freiwilliger Kooperation in und zur Ausübung ihres verfassungsrechtlichen freien Mandats zusammenschließen. In diesem durch das freie Mandat gekennzeichneten Verfassungsstatus gibt es weder eine Rechtspflicht zur noch einen Rechtsanspruch auf Fraktionsmitgliedschaft. 2. Fraktionsbildung und -bestand Die Mitgliedschaft in einer Fraktion setzt Existenz der Fraktion voraus oder genauer, dass die Voraussetzungen der Fraktionsbildung erfüllt sind und beständig erfüllt bleiben. Der Abgeordnete hat nur das Recht, sich mit anderen Abgeordneten, die ihrerseits dazu bereit sind, zu einer Fraktion zusammenschließen zu können, soweit die in der Geschäftsordnung genannten Voraussetzungen dafür vorliegen 488. Die Voraussetzungen der Fraktionsbildung legt der Bundestag aufgrund seiner in Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG verbürgten Geschäftsordnungsautonomie selbst fest. Die Festlegung von Hürden für die Fraktionsbildung ist allerdings immer auch eine Beschränkung des im freien Mandat verankerten Fraktionsbildungsrechts jedes Abgeordneten und deshalb rechtfertigungsbedürftig. Ein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund für die Festsetzung von Fraktionsbildungsvoraussetzungen liegt in der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Parlaments 489. Dem 486

Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 375, 379. StGH Bremen, in: DÖV 1970, 639 (640). 488 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 250 Fn. 4. 489 Vgl. BVerfGE 96, 264 (278 f.); Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (263); Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 413. 487

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Bundestag ist bei der Entscheidung darüber, welcher Regeln es zu seiner Selbstorganisation und zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs bedarf, ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt 490. Die Einschränkung des Fraktionsbildungsrechts der Abgeordneten ist dabei aber nur unter Beachtung der dem Geschäftsordnungsgeber gesetzten verfassungsrechtlichen Schranken und bis zu der Grenze zulässig, die der Zweck der Regelung erfordert 491. Den Gestaltungsspielraum des Geschäftsordnungsgebers zu begrenzen vermögen insbesondere die Gleichheit der Abgeordneten und das darin enthaltene Willkürverbot, die elementaren Rechte der Mitglieder des Parlaments, das Übermaßverbot, die Oppositionsfreiheit und der Minderheitenschutz 492. Unter Beachtung dieser Grenzen hat der Bundestag in § 10 Abs. 1 das Erreichen einer Fraktionsmindeststärke und die politische Homogenität der potentiellen Fraktionsmitglieder zur Voraussetzung der Fraktionsbildung gemacht. a) Mindeststärke der Fraktionen Die Fraktionsbildung vom Erreichen der in § 10 Abs. 1 S. 1 GeschOBT festgelegten Mindestmitgliederzahl in Höhe von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages abhängig zu machen, liegt innerhalb des dem Bundestag eingeräumten Gestaltungsspielraums 493. Die zur Fraktionsbildung erforderliche Mindestmitgliederzahl ist zur Beurteilung ihrer Zulässigkeit im Zusammenhang mit der geschäftsordnungsrechtlichen Ausgestaltung der parlamentarischen Mitwirkungsbefugnisse zu sehen. Nicht die lediglich einer bestimmten Anzahl von Abgeordneten vorbehaltene Fraktionsbildung an sich wirkt als Beschränkung des Abgeordnetenstatus. Vielmehr werden die parlamentarischen Befugnisse des Einzelabgeordneten dadurch verkürzt, 490

BVerfGE 84, 304 (322). Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 243 f.; s. auch Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (262 f.); vgl. auch Peter R. Dach, in: DVBl. 1982, 1080 (1081). 492 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 243; Joachim Linck, in: DÖV 1975, 689 (692 ff.); abwegig entnimmt Margot Fröhlinger, in: DVBl. 1982, 682 (683 ff.), nur dem Willkür-, Übermaß und Missbrauchsverbot – zudem recht spärliche – Schranken: „im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des (Kommunal-)Parlaments [ist] eine formale Gleichbehandlung aller Abgeordneten nicht durchführbar“; zur berechtigten Kritik s. Peter R. Dach, in: DVBl. 1982, 1080 f.; aufgrund der rechtlichen Trennung von Fraktion und Partei (s. oben, S. 52 ff.) ist dem Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien keine verfassungsrechtliche Schranke der Geschäftsordnungsautonomie des Parlaments zu entnehmen, so aber Hansjörg Dellmann, in: DÖV 1976, 153 (155); wie hier Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 414 f. 493 Zur Verfassungsmäßigkeit der Quorumsregelung in § 10 Abs. 1 GeschOBT s. BVerfGE 96, 264 (278 ff.); 84, 304 (321 ff.); s. auch Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 244; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 178 m.w. N. in Fn. 563; kritisch aber Klaus Abmeier, Befugnisse, S. 202 ff., insb. 213 ff. 491

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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dass die Geschäftsordnung durch die kollektive Gestaltung parlamentarischer Tätigkeit an das Erreichen der zur Fraktionsbildung erforderlichen Mitgliederzahl weitere Rechtsfolgen knüpft 494. Zur Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit des Parlaments ist es jedoch grundsätzlich zulässig und auch erforderlich, die Wahrnehmung bestimmter Befugnisse ausschließlich Fraktionen oder Gruppen von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke vorzubehalten 495, nicht aber auch kleineren Zusammenschlüssen oder einzelnen Abgeordneten zuzugestehen. Dies begegnet der Gefahr, dass die parlamentarische Arbeit durch eine Vielzahl von – letztlich aussichtslosen – Anträgen kleiner Gruppen oder Einzelner behindert wird 496. Unter diesen, abstrakt wertenden Gesichtspunkten stößt die derzeitige Festlegung der Fraktionsmindeststärke auf mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages nicht auf Bedenken 497. Auch erlaubt es die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit des Bundestages, die Fraktionsmindeststärke unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen höher oder niedriger festzulegen 498. Insbesondere lässt sich aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) keine Begrenzung der Fraktionsmindeststärke etwa der Höhe nach auf die wahlrechtliche 5 %-Sperrklausel herleiten. Der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit ist auf Wahlen begrenzt, er betrifft weder die Stellung der Abgeordneten im Parlament noch den Status von Gruppen von Abgeordneten derselben Partei oder Liste. Eine die Geschäftsordnungsautonomie begrenzende formale Gleichstellung aller Mitglieder des Parlaments folgt aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. Sperrklausel-Regelungen im Wahlrecht vermögen danach nicht die Ausübung der Befugnis des Bundestages zu determinieren, die Mindeststärke der Fraktion festzusetzen 499. Für die Beantwortung der Frage, wann das geschäftsordnungsrechtliche Quorum erreicht ist, haben sich nicht zu beanstandende Anwendungskriterien herausgebildet. Danach ist Berechnungsgrundlage nicht die in § 1 Abs. 1 BWahlG festgelegte Mindestmitgliederzahl des Bundestages, sondern die sich nach der Sitzverteilung unter Berücksichtigung auch der Überhangmandate ergebende tatsächliche Mitgliederzahl des Bundestages. Ein Quotient, der keine ganze Zahl 494

Vgl. Joachim Linck, in: DÖV 1975, 689 (692). Zu den quorumsabhängigen Befugnissen s. bereits oben, S. 21 f. 496 BVerfGE 96, 264 (278 f.). 497 s. die Nachweise in Fn. 493. Für eine, sogar die Pflicht zur Anerkennung als Fraktion auch bei Unterschreiten der festgelegten Mindeststärke auslösende, konkret-realitätsbezogene Betrachtung der Funktionsfähigkeit, die allein auf die Gefahren abstellt, die sich für die Effizienz der Arbeit im Parlament in seiner konkreten Zusammensetzung ergeben können, Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 416 f.; ähnlich schon Peter R. Dach, in: DVBl. 1982, 1080 (1081). 498 BVerfGE 84, 304 (324 f.). 499 BVerfGE 96, 264 (279); 84, 304 (324 f.); s. auch Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (262). 495

110

B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

ergibt, ist bei der Berechnung des Quorums nach oben aufzurunden 500. Gäste der Fraktion, das heißt fraktions- oder parteilose Bundestagsmitglieder 501, zählen nach § 10 Abs. 3 GeschOBT bei der Berechnung der Fraktionsmitgliederzahl nicht mit. Bei Nichterreichen der Fraktionsmindeststärke kann nach § 10 Abs. 4 GeschOBT ein Antrag auf Anerkennung als Gruppe gestellt werden 502. Die Anerkennung wirkt konstitutiv. Bei Anerkennung werden der Gruppe durch Bundestagsbeschluss im Einzelnen näher bezeichnete Gruppenrechte zuerkannt, die allerdings bislang stets deutlich hinter den Mitwirkungsbefugnissen der Fraktionen zurückblieben 503. b) Politische Homogenität § 10 Abs. 1 S. 1 GeschOBT macht die Fraktionsbildung weiter davon abhängig, dass die sich in der Fraktion zusammenfindenden Mitglieder derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen. Dass grundsätzlich politische Homogenität im Sinne gleicher politischer Grundüberzeugungen der in der Fraktion zusammengeschlossenen Abgeordneten verlangt wird, steht im Einklang mit den Funktionen, welche die Fraktionen erfüllen 504. Als politisches Gliederungsprinzip des Bundestages 505 dient der Zusammenschluss in Fraktionen insbesondere der Koordination und Umsetzung politischer Richtungsentscheidungen. Die Bündelung politischer Ansichten und Absichten zu handlungs- und verständigungsfähigen Einheiten kann effektiv vor allem unter der Voraussetzung erfolgen, dass die Mitglieder der Fraktion tendenziell gleichgesinnt sind. Eine heterogene, nicht über ähnliche politische Grundüberzeugungen verbundene Gruppe von Abgeordneten ist zur gemeinsamen politischen Arbeit nicht annähernd in gleich effektiver Weise fähig 506.

500

Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 45 Rn. 10. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 382; s. zum Gaststatus auch oben, S. 97 ff. 502 Zum Gruppenstatus s. Reinhold Kassing, Abgeordnetengruppe, passim, und Johann Christoph Besch, in: FS Ipsen, S. 577 ff., sowie Dieter Birk, in: Betrifft Justiz 1991, 157 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 4 GeschOBT s. BVerfGE 96, 264 (278 ff.); 84, 304 (321 ff.). 503 Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 45 Rn. 26. 504 s. hierzu oben, S. 17 ff. 505 s. oben, S. 18. 506 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 419. 501

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

111

Die gleiche Parteizugehörigkeit bringt politische Homogenität in diesem Sinne besonders signifikant zum Ausdruck. Abgeordneten gleicher Parteizugehörigkeit die Fraktionsbildung ohne weiteres zu ermöglichen, ist daher verfassungskonform. Auf Bedenken stößt es allerdings, ausschließlich die übereinstimmende Parteimitgliedschaft als Nachweis der für die Fraktionsbildung erforderlichen politischen Homogenität zuzulassen 507. Die damit einhergehende Beschränkung des Status der Gleichheit, den die (auch von der Partei) unabhängigen Abgeordneten in ihrem parlamentarischen Wirken innehaben, ist unter dem maßgeblichen Aspekt der Wahrung der Arbeitsfähigkeit des Parlaments nicht zu rechtfertigen 508. Die berechtigterweise zu fordernde politische Homogenität kann auch ungeachtet des Parteibuchs bestehen. Die Funktionsfähigkeit des Bundestages wird folglich nicht gewahrt, sondern vielmehr sogar – mehr oder weniger stark, je nach Anzahl der von einer Mitwirkung in Fraktionen ausgeschlossenen Mandatsträger – beeinträchtigt, wenn Abgeordneten gleicher politischer Grundüberzeugungen die Teilnahme an der parlamentarischen Arbeit in einer Fraktion verweigert wird 509. Verfassungsrechtlich unproblematisch sind allerdings solche Fraktionsbildungsregelungen, die nicht ausschließlich an die Parteizugehörigkeit anknüpfen, sondern zugleich Ausnahmen zulassen, die auch der parlamentarischen Beschlussfassung unterliegen dürfen. Da es in diesen Fällen an der Indizwirkung der gleichen Parteimitgliedschaft für das Vorliegen der politischen Homogenität fehlt, bedarf es anderer, gleich aussagekräftiger Kriterien oder der Feststellung im Einzelfall 510. Die Geschäftsordnung des Bundestages sieht solche Öffnungsklauseln ausdrücklich vor. Darüber hinaus wird die Regelung des § 10 Abs. 1 S. 1 GeschOBT auch in der Praxis des Bundestages nicht streng befolgt. Ohne die geschäftsordnungsrechtlichen Ausnahmen zu bemühen, werden insbesondere über die Liste einer Partei gewählte, aber nicht parteiangehörige Abgeordnete als Mitglieder der Fraktion akzeptiert und auch bei der Feststellung der Fraktionsstärke mitgezählt 511. Mit dieser Verfahrensweise gelangt der Bundestag kraft eines von seiner Geschäftsordnungsautonomie umfassten Abweichens von den 507

Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 419 f. Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 93; Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 34; Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 420. 509 Sven Hölscheidt, in: MIP 2006, 27 (32). 510 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 423. 511 So mit Belegen Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 187 f.; s. auch das Beispiel von Sven Hölscheidt, in: MIP 2006, 27 (31): die Fraktionsmitgliedschaft der über die Liste der Linkspartei.PDS in den Bundestag gewählten sieben parteilosen Abgeordneten wurde ohne weiteres akzeptiert. Allerdings führte die Mitgliedschaft der über die Liste der Linkspartei.PDS gewählten Abgeordneten der WASG nach der angekündigten Listenkonkurrenz in zwei bevorstehenden Landtagswahlkämpfen zu Diskussionen. Zum einen erreichten aber allein die der Linkspartei.PDS angehörenden Abgeordneten schon die Fraktionsmindeststärke, zum anderen beendete die Fusion beider Parteien die Diskussion. 508

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

geschäftsordnungsrechtlichen Voraussetzungen zu einem verfassungskonformen Ergebnis 512. Eine geschäftsordnungsrechtliche Öffnungsklausel stellt § 10 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GeschOBT dar, demzufolge sich auch Abgeordnete unterschiedlicher Parteizugehörigkeit zu einer Fraktion zusammenschließen können, sofern die Parteien auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen. Die Aufnahme dieser Sonderregelung in den Geschäftsordnungstext erfolgte mit (individuellem) Blick auf einen Zusammenschluss von der CDU und der CSU angehörenden Abgeordneten, der ohne vorherige Zustimmung des Bundestages möglich sein sollte 513. Die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GeschOBT ist als Ausnahme von der in Alt. 1 vorausgesetzten übereinstimmenden Parteimitgliedschaft nicht ganz unproblematisch. Im Rahmen ihres Regelungsbereiches setzt sie zwar gleichfalls die unter dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit des Parlaments zu fordernde politische Homogenität des mit weitreichenden parlamentarischen Mitwirkungsbefugnissen ausgestatteten Zusammenschlusses von Abgeordneten voraus. Eine der gleichen Parteimitgliedschaft entsprechende und eine Einzelfallbeurteilung entbehrlich machende Indizwirkung für die politische Homogenität kommt dem Kriterium einer fehlenden Wettbewerbssituation aber nicht zu. Allein der fehlenden regionalen Konkurrenz kann nicht die Übereinstimmung in politischen Grundanschauungen entnommen werden, weshalb § 10 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GeschOBT auch ausdrücklich verlangt, dass die Parteien auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele regional nicht miteinander konkurrieren 514. Das Erfüllen der Fraktionsbildungsvoraussetzung der politischen Homogenität ist aber anders als bei der Fraktionsmindeststärke nicht durch Anwendung einer Rechenformel feststellbar. Es bedarf tatsachenbezogener Wertungen und ist deshalb weniger leicht messbar. Dass nach § 10 Abs. 1 S. 1 GeschOBT vorgesehene Verfahren der Konstituierung lässt aber keinen Raum für solche Wertungen durch andere als die potentiellen Mitglieder der Fraktion selbst. 512 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 420; s. auch Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (264), der von einer verfassungskonformen Auslegung der GeschOBT spricht. 513 Zur Entstehung der sog. CDU / CSU-Klausel s. z. B. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 381 f., und Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (264 f.). 514 Nach dem Regelungsgegenstand der Norm kann grundsätzlich nur der Wettbewerb von Parteien im gleichen Land anlässlich einer Bundestagswahl ein Hindernis für die – allein maßgebliche – politische Homogenität der in den Bundestag gewählten Abgeordneten sein, s. Sven Hölscheidt, in: MIP 2006, 27 (32). Eine Konkurrenzsituation bei Landtagswahlen kann nur dann geschäftsordnungsrechtliche Relevanz zeitigen, wenn die landesbezogenen politischen Differenzen auf die politische Homogenität der Bundestagsfraktion „durchschlagen“, etwa in Gestalt eines offenkundig dauerhaften und grundlegenden politischen innerfraktionellen Zerwürfnisses, so Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (266).

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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Nach dem Wortlaut der Norm, demzufolge nur von § 10 Abs. 1 S. 1 GeschOBT abweichende Zusammenschlüsse der Zustimmung des Bundestags bedürfen, entstehen Fraktionen nach S. 1 mit ihrer Konstituierung, das heißt durch eine gleichgerichtete und von allen beteiligten Abgeordneten gemeinsam getroffene Entscheidung zur Fraktionsbildung. Dies ist so lange unbedenklich, wie die Abgeordneten ihrem Gewissen verpflichtet in verantwortungsbewusster Weise aus ihrem Selbstverständnis heraus ihre politische Homogenität als gegeben erachten. Problematisch wird eine nur der freiwilligen Selbstkontrolle unterworfene Fraktionsbildung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GeschOBT aber angesichts möglicher Missbrauchsfälle, wenn also politische Gegner beschließen, sich zu einer Fraktion zusammenzuschließen, allein um in den Genuss der den Fraktionen gewährten Vorteile zu kommen, namentlich um an der Fraktionsfinanzierung teilzuhaben. Dies ist auch kein Problem rein akademischer Natur, wie ein letztlich gerichtlich verhinderter Versuch zur Gründung einer „technischen Fraktion“ – im Sinne des Fehlens politischer Homogenität – auf kommunaler Ebene 515 und auch die Auflösung der „Technischen Fraktion der unabhängigen Abgeordneten (TDI) – gemischte Fraktion“ durch das Europäische Parlament 516 zeigen. Die politische Homogenität ist dennoch für eine Fraktionsbildung auch nach § 10 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GeschOBT Entstehungsvoraussetzung. Ob eine – politisch homogene – Fraktion entstanden ist oder nicht, ist aber letztlich eine 515 Ein in den Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises gewähltes Kreistagsmitglied der PDS beabsichtigte mit Abgeordneten der NPD und des gleichfalls rechtsextremistischen „Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland“ eine „technische Fraktion“ zu bilden, um auf diese Weise von den Zuwendungen für Fraktionen profitieren zu können. Nach scharfen Reaktionen der Bundes- und Landes-PDS kam der Abgeordnete einem Ausschlussantrag durch seinen Austritt zuvor. Er hielt aber an der Absicht fest, mit den genannten, diametral entgegengesetzte politische Ansichten vertretenden Kreistagsmitgliedern eine technische Fraktion zu gründen. Dass dem Bündnis kein Fraktionsstatus zukommt, wurde letztlich gerichtlich bestätigt, s. OVG NRW, in: NWVBl 2005, 213. Die gegen den Beschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, s. BVerfG, Beschluss vom 16. 3. 2005 – 2 BvR 315/05, online veröffentlicht unter http://www.bverfg .de/entscheidungen/rk20050316_2bvr031505.html, 13. 11. 2009. 516 Derlei Fraktionen fanden sich bis ins Jahr 2001 im Europäischen Parlament, obwohl das Fraktionsbildungsrecht stets an die „politische Zugehörigkeit“ geknüpft war; zur Entwicklung der Fraktionsbildungen im Europäischen Parlament s. Gabriele Rutschke, Mitwirkung, S. 11 ff. Im Jahr 2001 wurde eine bis dahin im Europaparlament existente sog. „technische Fraktion“ unter Berufung auf Art. 29 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Europaparlaments, wonach die Mitglieder des Parlamentes ihrer politischen Zugehörigkeit entsprechende Fraktionen bilden können, durch Parlamentsbeschluss aufgelöst. Das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften erklärte die Auflösung für rechtmäßig: Urteil vom 02. Oktober 2001 – Az. T-222/99, T-327/99 und T-329/99, unter http://curia.europa.eu/jcms/jcms/Jo2_14954/ online veröffentlicht in der Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz. Rechtsmittel gegen das Urteil blieben erfolglos. Einen komprimierten Überblick über Funktionen und Rechtsstellung der Fraktionen im Europäischen Parlament gibt Volker Neßler, in: EuR 1997, 311 ff.

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Wertungsfrage, für deren Beantwortung im vorgesehenen Verfahren der Fraktionskonstituierung keine eindeutigen Zuständigkeiten und inhaltliche Vorgaben festgelegt wurden. Dies birgt erhebliche Rechtsunsicherheiten im Hinblick auf die Entstehung beziehungsweise – im Falle des nachträglichen Wegfalls 517 – den Fortbestand oder Untergang der Fraktion, die angesichts der Bedeutung des Fraktionsstatus für die Ausübung des freien Mandats der Abgeordneten einerseits und die Funktionsfähigkeit des Bundestages andererseits nicht hinzunehmen sind 518. Ausgehend von dem im freien Mandat des Abgeordneten wurzelnden Fraktionsbildungsrecht, dessen Einschränkung verfassungsrechtlicher Rechtfertigung bedarf, erscheint es sachgerecht, die Entscheidung über das Entstehen der Fraktionen zunächst in die Hände der zur Beurteilung ihrer politischen Gleichgerichtetheit zuvörderst berufenen fraktionsbildungswilligen Abgeordneten zu legen. Dem Bundestag, dessen Funktionsfähigkeit durch das Erfordernis der politischen Homogenität geschützt wird, ist aber in verfassungskonformer Anwendung der Norm unter Berücksichtigung seiner Geschäftsordnungsautonomie zur Verteidigung seiner Funktionsfähigkeit eine Korrekturmöglichkeit zuzugestehen. Wenngleich bei Nichtvorliegen der erforderlichen politischen Homogenität die Fraktionsbildungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, rechtlich also eine Fraktion nicht wirksam gebildet werden kann, ist sie dennoch faktisch – als von dem tatsächlichen, wenn auch rechtlich fehlerhaften Willen der Mandatsträger getragen – vorhanden. Man könnte von der Fraktion also als einer faktischen oder fehlerhaften Fraktion sprechen, deren Existenz bereits Rechtswirkungen erzeugt, weil sie trotz ihrer „Fehlerhaftigkeit“ infolge der auf Fraktionsbildung gerichteten Mandatsausübung ihrer Mitglieder quasi bereits „in Vollzug gesetzt“ ist 519. Können also die Rechtsfolgen fehlender politischer Homogenität kraft des erzeugten Rechtsscheins nicht schon von Gesetzes wegen eintreten, folgt daraus, dass der Bundestag das Nichtbestehen politischer Homogenität durch Beschluss 517

s. dazu unten, S. 116 ff. So für das nachträgliche Entfallen der politischen Homogenität im Falle einer erst nach Fraktionsbildung im Bundestag eintretenden Wettbewerbssituation Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (267 f.). 519 Im Rechtsleben ist es keine Seltenheit, von einem Rechtsschein ausgehende Rechtswirkungen durch Anerkennung einer faktischen Rechtsposition zu begegnen. Sie findet sich beispielsweise bei der in Vollzug gesetzten „fehlerhaften“ bzw. „faktischen“ Gesellschaft oder bei in Vollzug gesetzten „fehlerhaften“ bzw. „faktischen“ Arbeitsverhältnissen. Auch im öffentlichen Recht finden Rechtsscheinsgesichtspunkte Berücksichtigung, so z. B. bei der polizei- und ordnungsrechtlichen Anscheinsgefahr oder bei jeglicher Art Vertrauensschutz. Auch nichtige Gesetze können, in engen Grenzen, einen Rechtsschein erzeugen, vgl. hierzu BVerfGE 53, 115 (128): „Der Pflicht des Bürgers, gültige Gesetze zu beachten, entspricht die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens auf die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, die ‚mit dem Rechtsschein der Verfassungsmäßigkeit‘ (BVerfGE 20, 230 [235 f.]) versehen sind“; grundsätzlich zur Rechtsscheinwirkung ungültiger Normen s. Frank Riechelmann, Rechtssicherheit, S. 115 ff. 518

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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feststellen kann und – will er das Bestehen einer politisch nicht homogenen Fraktion verhindern – muss. Der Bundestag legt in der Geschäftsordnung die Voraussetzungen für die Fraktionsbildung fest und kann auch Ausnahmen davon zulassen. Deshalb fällt es in seine Kompetenz, über das Nichtbestehen oder den Wegfall der Voraussetzungen zu beschließen 520. In seiner Beschlussfassung hat der Bundestag dabei selbstverständlich die auch für die geschäftsordnungsrechtliche Regelung von Fraktionsbildungsvoraussetzungen gesetzten verfassungsrechtlichen Schranken 521, insbesondere die sich aus den Status der Freiheit und der Gleichheit der Abgeordneten ergebenden Grenzen zu beachten. In Betracht kommt, die für die grundsätzlich zu erteilende und nur in Ausnahmefällen verweigerbare Zustimmung zur Fraktionsbildung nach § 10 Abs. 1 S. 2 GeschOBT entwickelten Grundsätze auch auf die Beschlussfassung in der Frage des Entfallens des Fraktionsstatuts aufgrund fehlender politischer Homogenität zu übertragen 522. Die von einer Zustimmung des Bundestages abhängige Fraktionsbildung im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 2 GeschOBT ist die zweite Ausnahme von der grundsätzlich durch gleiche Parteizugehörigkeit nachzuweisenden politischen Homogenität. Sie betrifft die Fraktionsbildung von Abgeordneten, die sich abweichend von § 10 Abs. 1 S. 1 GeschOBT zusammenschließen. Da das Unterschreiten der Fraktionsmindeststärke abschließend in der Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 4 GeschOBT geregelt ist, bezieht sich die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 1 S. 2 GeschOBT ausschließlich auf ein Abweichen von dem Erfordernis gleicher Parteizugehörigkeit oder nicht miteinander konkurrierender Parteizugehörigkeiten. Es bleibt daher dabei, dass auch die der Zustimmung nach § 10 Abs. 1 S. 2 GeschOBT bedürfenden Zusammenschlüsse die Fraktionsmindeststärke erreichen müssen 523. Wird das erforderliche Quorum nicht erreicht, fallen Zustimmungserfordernis nach § 10 Abs. 1 S. 2 GeschOBT und das Erfordernis der Anerkennung als Gruppe nach § 10 Abs. 4 GeschOBT zusammen. Der Zustimmung nach § 10 Abs. 1 S. 2 GeschOBT kommt dann für die Fraktionsbildung konstitutive Wirkung zu 524.

520 Vgl. Sven Hölscheidt, in: MIP 2006, 27 (31 f.); ebenso Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (268). 521 s. oben, S. 107 f. 522 Zu den engen Grenzen, innerhalb derer eine Zustimmung versagt werden kann, s. Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (265). 523 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 380; a. A. wohl Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (263, 265). 524 BVerfGE 84, 304 (318); Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 45 Rn. 11.

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

c) Fortgesetztes Erfüllen der Fraktionsbildungsvoraussetzungen Die Fraktionsmitgliedschaft des Abgeordneten hängt nicht nur in der Entstehung, sondern auch in ihrem Fortbestand von der Existenz der Fraktionen ab. Entfällt die Rechtsstellung als Fraktion, verliert in der Folge auch der Abgeordnete die Rechtsstellung als Fraktionsmitglied 525. Gründe für das Entfallen der Rechtsstellung als Fraktion sind in § 54 Abs. 1 AbgG einfachgesetzlich festgelegt. Danach haben die Fraktionen zum einen an der organisatorischen Diskontinuität des Parlaments teil (§ 54 Abs. 1 Nr. 3 AbgG). Für die Fraktionsmitgliedschaft ist dieser Beendigungsgrund nur von untergeordneter Bedeutung, da mit Ablauf der Wahlperiode auch das zur Fraktionsmitgliedschaft berechtigende Mandat endet 526. Zum anderen sind Fraktionen in ihrem Bestand von dem Willen der Fraktionsmitglieder zur Fortsetzung der gemeinsamen politischen Arbeit abhängig. Als actus contrarius zur Fraktionsbildung steht den Abgeordneten in Ausübung ihres freien Mandats das jederzeitige Recht zur Selbstauflösung zu 527. Die ausdrückliche Benennung der Selbstauflösung als Beendigungsgrund in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AbgG spiegelt diese verfassungsrechtliche Ausgangslage wider. Weiter führt nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AbgG das Erlöschen des Fraktionsstatus zur Beendigung der Rechtsstellung als Fraktion. Der Fraktionsstatus erlischt im Sinne der Norm, wenn die Voraussetzungen der Fraktionsbildung nach § 10 Abs. 1 GeschOBT entfallen 528. Dies ist bei einem Unterschreiten der Fraktionsmindeststärke im Laufe der Legislaturperiode ohne weiteres anzunehmen 529. Allerdings kann auch nur in diesem einen Fall die Rechtsstellung bereits kraft Gesetzes entfallen. 525

Die Fraktionsmitgliedschaft endet daneben auch durch Mandatsverlust, Tod des Abgeordneten, Austritt aus der Fraktion und Ausschluss aus der Fraktion (dazu im Folgenden, C.). Darüber hinaus verliert der Abgeordnete sein Mandat (und damit selbstverständlich auch die Rechtsstellung als Fraktionsmitglied), wenn die Partei, der er angehört, nach Art. 21 Abs. 2 GG verboten wird (§ 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BWahlG). 526 Angesichts der Selbstverständlichkeit dieses Beendigungsgrundes kommt § 54 Abs. 1 Nr. 3 AbgG eigenständige Bedeutung nur im Zusammenhang mit § 54 Abs. 2 und 7 AbgG zu, der unter bestimmten Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 3 beendete Fraktionen von der im Übrigen vorgesehenen Liquidation freistellt. s. hierzu Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 162 f. 527 Armin Tschermak von Seysenegg, Fraktion, S. 172; Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 192; Norbert Achterberg, Rechtsstellung, S. 282; Manfred Geiger, Rechtsstellung, S. 131; Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 470. 528 Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 54 Rn. 3. 529 Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 54 Rn. 3 und § 45 Rn. 14; Jörn Ipsen, in: NVwZ 2006, 176 (177); Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (267); Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 161; hierzu und zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der ein Absinken unter die Mindeststärke bewirkenden Quorumserhöhung in der laufenden Legislaturperiode s. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 468 f.

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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Wenn auch einer Wettbewerbssituation politischer Parteien anlässlich von Bundestags-, Landtags- oder Europawahlen das (nachträgliche) Erlöschen der Rechtsstellung einer nach § 10 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GeschOBT gebildeten Fraktion von Abgeordneten unterschiedlicher Parteizugehörigkeit ipso iure entnommen wird 530, verkennt dies Zweierlei: Erstens sind für die fraktionsbildungswilligen Abgeordneten unterschiedlicher Parteizugehörigkeit nur solche Wettbewerbssituationen von Bedeutung, die geeignet sind, die politische Homogenität eben dieser Bundestagsabgeordneten zu beeinträchtigen 531. Auch die Erweiterung des Fraktionsbildungsrechts der Abgeordneten gleicher Parteizugehörigkeit auf Abgeordnete solcher Parteien, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander in Wettbewerb stehen, ist als Einschränkung des freien Mandats rechtfertigungsbedürftig. Die Beschränkung darf daher nur so weit gehen, wie sie zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich ist, mithin so weit, wie das Entstehen politisch inhomogener, zur Erfüllung der Fraktionsfunktionen nicht fähiger Fraktionen verhindert werden soll. Während die gleiche Parteimitgliedschaft grundsätzlich politische Homogenität der Abgeordneten des Bundestages indiziert, bedarf es bei Abgeordneten unterschiedlicher Parteizugehörigkeit eines anderen Belegs ihrer politischen Homogenität. Allein das Fehlen der Konkurrenz um Wählerstimmen bei Wahlen ist allerdings nicht zum positiven Nachweis der politischen Homogenität geeignet, kann es doch auch ganz andere Ursachen als die Gleichgerichtetheit der politischen Ziele haben. Das Fehlen einer Wettbewerbssituation erfüllt jedoch eine Funktion als Negativkriterium: Sind die Bundestagsabgeordneten während des vorangegangenen Bundestagswahlkampfes – und damit in unmittelbarer Konkurrenz – als politische Gegner angetreten, ist dies ein gewichtiges Argument gegen die politische Homogenität der nunmehr gewählten Abgeordneten 532. Im Fall einer Konkurrenz während des Bundestagswahlkampfes liegen aber schon die Fraktionsbildungsvoraussetzungen nicht vor, so dass sich eine Fraktion nur nach § 10 Abs. 1 S. 2 GeschOBT gründen kann. Diese Fraktionsbildung bedarf wiederum der Zustimmung des Bundestages, die dieser unter der Voraussetzung politischer Homogenität der gewählten Abgeordneten erteilt. Ein nachträgliches Entfallen der Fraktionsbildungsvoraussetzung einer fehlenden Wettbewerbssituation im Bundestagswahlkampf kommt zwangsläufig während der laufenden Legislaturperiode nicht in Betracht. Weiter betrifft 530 So Jörn Ipsen, in: NVwZ 2006, 176 (178); a. A. Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (267); ähnlich Sven Hölscheidt, in: MIP 2006, 27 (32); anders auch Jürgen Wolters, Fraktions-Status, S. 161 f., der allerdings das Erlöschen des Fraktionsstatus ausdrücklich nur auf die Fälle des Absinkens der Mitgliederzahl unter die Fraktionsmindeststärke beschränkt. 531 Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (266); ebenso Sven Hölscheidt, in: MIP 2006, 27 (32). 532 s. Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (266); in diesem Sinne auch bereits Sven Hölscheidt, in: MIP 2006, 27 (32).

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

eine (Listen-)Konkurrenz von Parteien bei Landtags- oder Europawahlen die politische Homogenität der unterschiedlichen Parteien angehörenden Abgeordneten im Bundestag nur in dem Fall, dass sich die europa- oder landespolitischen Differenzen auch in der Bundestagsfraktion abbilden und ein Ausmaß erreichen, das die politische Homogenität der Fraktionsmitglieder nachhaltig zu erschüttern vermag 533. In den Fraktionen darf um die politischen Grundüberzeugungen, die Auslegung und gegebenenfalls auch Änderung der politischen Richtung gestritten werden 534, weshalb weder kurzfristige und / oder auf einzelne Sachthemen bezogene Differenzen, mögen diese auch noch so gravierend sein, die politische Homogenität der Fraktionsmitglieder entfallen lassen, noch „jeder sich außerparlamentarisch manifestierenden Veränderung der politischen ‚Großwetterlage‘ unmittelbar [...] Relevanz beizumessen [ist]“ 535. Dies macht Zweitens deutlich, dass allein die Konkurrenz der Parteien bei Landtags- oder Europawahlen nicht bereits ipso iure zum Entfallen der Rechtsstellung als Fraktion führen kann. Anders als bei Unterschreiten der Fraktionsmindeststärke, bei dem ein Entfallen der Rechtsstellung kraft Gesetzes ohne weiteres möglich ist, erweist sich dieser Ansatz nicht nur bei einer nachträglich entstandenen Wettbewerbssituation in einem Land, sondern generell bei einem Entfallen politischer Homogenität als untauglich 536. Haben Abgeordnete mit geschäftsordnungsrechtlicher Anerkennung des Bundestages (§ 10 Abs. 1 S. 1 GeschOBT) 537 oder dessen ausdrücklicher Zustimmung (§ 10 Abs. 1 S. 2 GeschOBT) zur gemeinsamen politischen Arbeit eine Fraktion gebildet, streitet 533 Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (266); a. A. Jörn Ipsen, in: NVwZ 2006, 176 (178), der jedoch das Erfordernis politischer Homogenität gänzlich unberücksichtigt lässt. Isoliert wird das Kriterium des Wettbewerbs in einem Land zum Gegenstand der Ausführungen gemacht, ohne auf das zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Mandats dienende Interesse an der Funktionsfähigkeit des Bundestages einzugehen. Danach soll der Fraktionsstatus durch die Konkurrenz bei Landtags- und Europawahlen gleichzeitig mit der Zulassung konkurrierender Listen durch das zuständige Wahlorgan unmittelbar erlöschen. Dies wird mit dem als „argumentum ad absurdum“ bezeichneten Umstand begründet, dass anderenfalls theoretisch eine Kandidatur der CDU bei bayerischen Landtagswahlen zulässig sei, ohne dass die gemeinsame Fraktionsbildung von Abgeordneten der CDU und CSU in Frage gestellt sei. Dies ist aber kein untragbares Ergebnis, da es zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Bundestages eben nur auf die politische Homogenität der Bundestagsabgeordneten ankommt und die Gleichgerichtetheit der politischen Ziele nicht in Zweifel zieht. Die abgeleitete Konsequenz ist daher nicht wirklich absurd, sondern nur nach Ansicht von Ipsen falsch. 534 So für die innerparteiliche Meinungs- und Willensbildung Martin Morlok, in: NJW 1991, 1162 (1163); die Offenheit des innerfraktionellen Willensbildungsprozesses betonend auch Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (641); zur innerfraktionellen Verpflichtung auf gemeinsame Grundanschauungen s. schon oben, S. 39 ff. 535 Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (266). 536 So mit Blick auf das Kriterium des fehlenden Wettbewerbs bereits Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (268); in diesem Sinne auch bereits Sven Hölscheidt, in: MIP 2006, 27 (32).

I. Voraussetzungen der Mitgliedschaft

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die danach zunächst als gegeben erachtete politische Homogenität grundsätzlich für den Fortbestand der Fraktion. Während das Unterschreiten der Fraktionsmindeststärke durch schlichtes Anwenden einer Rechenformel feststellbar ist, bedarf es zur Feststellung des Wegfalls der politischen Homogenität tatsachenbezogener Wertungen. Für die erforderliche Abwägung der gegen eine politische Homogenität sprechenden Tatsachen und des Interesses des Bundestages an der Aufrechterhaltung seiner Funktionsfähigkeit mit dem durch die anfängliche politische Homogenität untermauerten Bestandsinteresse der betroffenen Fraktion enthält die Geschäftsordnung des Bundestages jedoch keine verfahrenstechnischen Vorkehrungen. Es fehlt an einem ausdrücklich geregelten, formalisierten Feststellungsverfahren 538. Danach steht weder der Statusverlust als solcher, noch der – für die Ausübung der den Fraktionen umfänglich eingeräumten parlamentarischen Mitwirkungsbefugnisse bedeutsame – genaue Zeitpunkt des Entfallens der Rechtsstellung fest. Die damit verbundenen erheblichen Rechtsunsicherheiten sind angesichts der Bedeutung des Fraktionsstatus für die Ausübung des freien Mandats der Abgeordneten einerseits und die Funktionsfähigkeit des Bundestages andererseits nicht hinzunehmen 539. Deshalb obliegt es dem zur Regelung seiner eigenen Angelegenheiten berufenen Bundestag, den Zustand der Rechtssicherheit durch eigenes Tätigwerden wieder herzustellen. Der Bundestag legt in der Geschäftsordnung die Voraussetzungen für die Fraktionsbildung fest und kann auch Ausnahmen davon zulassen. Deshalb fällt es in seine Kompetenz, über den Wegfall der Voraussetzungen zu beschließen 540. Daraus folgt, dass der Bundestag das Erlöschen des Fraktionsstatus im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AbgG durch Beschluss feststellen kann und – will er die in § 54 Abs. 1 AbgG vorgesehene Rechtsfolge des Entfallens der Rechtsstellung auslösen – muss. Kann – wie dargelegt – das Erlöschen des Fraktionsstatus bei fehlender politischer Homogenität nicht schon von Gesetzes wegen eintreten, bedarf es notwendig einer Rechtshandlung in Gestalt eines Bundestagsbeschlusses, die das Erlöschen des Fraktionsstatus bewirkt. Das Erlöschen von Rechtspositionen ist nicht gleichbedeutend mit einer ohne jedwede Rechtshandlung automatisch eintretenden Rechtsfolge, sondern kann durchaus von der Vornahme einer Rechtshandlung abhängen 541. Das Tatbestandsmerkmal des Erlöschens in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AbgG ist insofern ein 537 Zur politisch inhomogenen „faktischen“ oder „fehlerhaften“ Fraktion s. oben, S. 112 ff. 538 Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (266 f.). 539 So Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (267 f.). 540 Sven Hölscheidt, in: MIP 2006, 27 (31 f.); ebenso Niklas Görlitz, in: DÖV 2009, 261 (268). 541 Zivilrechtliche Dauerschuldverhältnisse erlöschen beispielsweise durch Kündigung oder Anfechtung, also durch Ausübung von Gestaltungsrechten. Auch das im 4. Abschnitt des 2. Buches des BGB geregelte Erlöschen der Schuldverhältnisse (§§ 362 –397) macht

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

auslegungsbedürftiger Rechtsbegriff und erfasst sowohl das Erlöschen ipso iure im Falle des Unterschreitens der Mindeststärke, als auch den Fall des Erlöschens durch Bundestagsbeschluss. Die Grenzen der Beschlussfassung ergeben sich aus den auch für die Statuierung von Fraktionsbildungsvoraussetzungen geltenden verfassungsrechtlichen Schranken 542, deren Beachtung von den von der Beschlussfassung betroffenen Abgeordneten im Organstreitverfahren geltend gemacht werden kann.

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft Die nähere Ausgestaltung des durch Mitwirkung an der Fraktionsgründung oder durch späteren Beitritt begründeten Mitgliedschaftsverhältnisses obliegt den Fraktionen. Das Recht zur Ausgestaltung des Mitgliedschaftsverhältnisses ist Bestandteil des Selbstorganisationsrechts der Fraktionen, das wiederum aus dem den Fraktionen über ihre Mitglieder vermittelten Status der Unabhängigkeit – der Fraktionsautonomie – folgt 543. In der Ausübung ihres Selbstorganisationsrechts sind die Fraktionen allerdings nicht gänzlich frei. Durch Ausgestaltung des Mitgliedschaftsverhältnisses nehmen die Fraktionen bestimmenden Einfluss auf die Art und Weise der Mandatsausübung der in ihnen zusammengeschlossenen Abgeordneten. Deshalb und als Organteile des Parlaments unterliegen sie dabei (verfassungs-)rechtlichen Bindungen, denen sie bei der konkreten Ausgestaltung des Mitgliedschaftsverhältnisses Rechnung zu tragen haben. 1. Innerfraktionelle Geltung des freien Mandats Die Abgeordneten verlieren ihren verfassungsrechtlich garantierten Status der Freiheit, der Gleichheit und der Öffentlichkeit nicht, wenn sie sich zu einer Fraktion zusammenschließen. Er entfaltet vielmehr auch innerhalb des Zusammenschlusses seine Wirkung 544. Die Zugehörigkeit zu und die Tätigkeit in den Fraktionen beruhen auf dem freien Mandat 545, das den Abgeordneten normativ durchaus im Falle der Aufrechnung oder des Erlasses das Erlöschen von der Vornahme einer Rechtshandlung abhängig. 542 s. oben, S. 107 f. 543 Zur Herleitung der Fraktionsautonomie s. bereits oben, S. 51. 544 BVerfGE 112, 118 (135); Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 196; Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 85; Hans-Heinrich Trute, in: von Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 76; Norbert Achterberg / Martin Schulte, in: v. Mangoldt u. a., Art. 38 Rn. 46; Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 46 ff.; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 157 ff.; Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 430; Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 170 f.; Hans-Hermann Kasten, in: ZParl. 1985, 475 (479); anders nach früher vertretener Ansicht, s. etwa Horst Säcker, in: ZParl. 1972, 347 (350); Christoph Müller, Mandat, S. 12.

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

121

freistellt gegenüber staatlichen, durch Parteien vermittelten oder gesellschaftlichen Bindungen 546. Dabei ist es nicht nur funktional erklärbar, sondern verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der rechtlich unabhängige Abgeordnete in einem Geflecht von Bezügen steht, die sein Amtsverständnis und seine Rolle prägen. Die Rückbindung des Abgeordneten an die Fraktion und „seine“ Partei, ebenso wie an die Wähler, an Interessengruppen und generell an die Öffentlichkeit, ist in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes erlaubt und gewollt 547. Dennoch scheitert eine rechtliche Verbindlichkeit dieser Einflussnahmen notwendig am freien Mandat 548. Gleichwohl erteilte „Aufträge und Weisungen“ im Sinne des Versuchs einer rechtsverbindlichen Verpflichtung des Abgeordneten zu einem bestimmten Verhalten sind nichtig (§ 134 BGB) 549. Auch eine rechtliche Bindung der Abgeordneten bezweckende Parteitags- oder Fraktionsbeschlüsse sind unwirksam 550. Soweit diese Beschlüsse allerdings nicht den Charakter handlungsleitender Verbindlichkeit tragen, sondern lediglich dazu dienen, den politischen (Mehrheits-) Willen von Partei oder Fraktion gegenüber der Öffentlichkeit zu manifestieren, kollidieren sie nicht mit der Garantie des freien Mandats und sind daher rechtswirksam, ohne allerdings eine rechtliche Bindung der Mandatsträger bewirken zu können 551. Entzieht sich der Abgeordnete dem Versuch einer Inpflichtnahme, 545

Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 85; s. auch oben, S. 48 ff. Hans-Heinrich Trute, in: von Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 76; Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (258 ff.); Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 164. 547 s. ausführlich Hans-Heinrich Trute, in: von Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 74 ff.; Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 158 ff.; Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (259 f.); s. auch bereits oben, S. 39 ff. und S. 102 ff. 548 Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 163 f. 549 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 146; Hans-Peter Schneider, in: Denninger u. a., AK-GG, Art. 38 Rn. 39; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 194; Hans-Heinrich Trute, in: v. Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 87; Gerald Roth, in: Umbach / Clemens, Art. 38 Rn. 108; Bodo Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 38 Rn. 27; ähnl. Siegfried Magiera, in: Sachs, Art. 38 Rn. 47. 550 Bodo Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 38 Rn. 27; Hans-Heinrich Trute, in: v. Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 87, 89; Hans-Peter Schneider, in: Denninger u. a., AK-GG, Art. 38 Rn. 39. 551 So Bodo Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 38 Rn. 27; zustimmend Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 194; den Bedeutungsgehalt einer lediglich „politischen Aufforderung“ zuschreibend Hans-Peter Schneider, in: Denninger u. a., AK-GG, Art. 38 Rn. 39; vgl. auch BVerfGE 44, 308 (318); s. auch BVerwGE 90, 104 (106), wenngleich aus der zutreffenden Einordnung von Fraktionsbeschlüssen als „rechtlich unverbindliche Empfehlungen“, denen stets noch die abschließende Entscheidung des Rats nachfolge, der unzutreffende Schluss gezogen wird, dass an das innerfraktionelle Entscheidungsverfahren geringere demokratische Legitimationsanforderungen zu stellen sind, s. dazu bereits die Ausführungen in Fn. 461 und im Folgenden, S. 123 ff. 546

122

B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

auch durch Partei oder Fraktion, unterliegt er keiner rechtlich durchsetzbaren Begründungspflicht 552. Entschließt sich der Abgeordnete, sich von seinen faktischen Bindungen nicht leiten zu lassen, wird dieses Verhalten aber am ehesten dann akzeptiert, wenn er seinen Standpunkt und die Gründe, die ihn zu seiner Entscheidung veranlasst haben, verdeutlicht 553. Das freie Mandat ist gegenüber jeglicher Art Fremdbestimmung abwehrfähig, unabhängig davon, ob es sich um konkrete, einzelfallbezogene Anweisungen oder abstrakt generelle Beschränkungen der Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten handelt. Deshalb wird die innerfraktionelle Geltung des freien Mandats auch nicht durch die Übernahme einer Funktion in der Fraktion in der Weise eingeschränkt, dass dem Fraktionsmitglied für die Dauer der Funktionswahrnehmung lediglich die Wahl zwischen einer unbedingten Loyalität gegenüber der Fraktion, insbesondere der Fraktionsführung, oder einer Aufgabe der Funktion verbliebe 554. Das freie Mandat des Abgeordneten ist für den gesamten Bereich der parlamentarischen Tätigkeit geschützt, und weil gerade in den Fraktionen ein wesentlicher Teil der parlamentarischen Arbeit geleistet wird, gilt es damit auch im Verhältnis des Abgeordneten zu seiner Fraktion 555. Der Gewährleistungsbereich des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG erstreckt sich daher auch auf die Tätigkeit des Abgeordneten innerhalb der Fraktionen und ihrer Gremien 556. 2. Selbstorganisationsrecht und -pflicht der Fraktionen Die Fraktionsautonomie gewährleistet unter anderem das Recht der Fraktionen, ihre inneren Angelegenheiten in eigener und ungeteilter Zuständigkeit zu regeln. Aus der von der Fraktionsautonomie umfassten Geschäftsordnungsautonomie folgt die Kompetenz der Fraktionen, ihre inneren Angelegenheiten

552

Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 194; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 146; Hans-Heinrich Trute, in: v. Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 87; Gerald Roth, in: Umbach / Clemens, Art. 38 Rn. 108; Siegfried Magiera, in: Sachs, Art. 38 Rn. 47. 553 Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 169. 554 So aber Hans Troßmann, in: JöR 28 (1979), 1 (96); wie hier Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 159. 555 s. Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 159; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 196; Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 47; Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 170 f.; s. auch BVerfGE 112, 118 (135).; zu den Fraktionsfunktionen s. bereits oben, S. 23 ff. 556 s. die Nachweise in Fn. 544; ausführlich zur Geltung für die innerfraktionelle Gremienarbeit Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 170 f.

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

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in selbständiger und unabhängiger Ausübung dieses Selbstorganisationsrechts durch eine Geschäftsordnung näher auszugestalten. Alle im Bundestag vertretenen Fraktionen haben von diesem Recht Gebrauch gemacht und ihre fraktionsinternen Angelegenheiten, insbesondere Organisation und Verfahren, schriftlich fixiert. Ob auch eine verfassungsrechtliche Pflicht der Fraktionen zu geschäftsordnungsmäßiger Selbstorganisation besteht, ist umstritten 557. Nach Einführung des § 48 Abs. 2 AbgG ist eine solche Pflicht jetzt zumindest einfachgesetzlich statuiert. Dem Regelungs- und Geltungsbereich des Fraktionsbinnenrechts sind durch die Verfassung allerdings Grenzen gesetzt. a) Beachtung demokratischer Grundsätze Die Fraktionen sind einfachgesetzlich durch § 48 Abs. 1 AbgG dazu verpflichtet, ihre Organisation und Arbeitsweise auf den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie aufzubauen und an diesen auszurichten. Die Regelung greift damit die sich für die Fraktionen bereits aus der Verfassung ergebende Verpflichtung auf eine innerfraktionelle demokratische Ordnung auf und ist im Lichte dieser verfassungsrechtlichen Grundlegung auszulegen. Die Grundlagen der Selbstorganisation ergeben sich aus der Rechtsstellung der Fraktionen 558. Angesichts ihrer zentralen Rolle im parlamentarischen Geschehen, die den Fraktionen als Organteilen des Parlaments 559 insbesondere auch zur Steuerung und Erleichterung der parlamentarischen Arbeit zugewiesen ist 560, verlangt das allgemeine Demokratieprinzip, dass die Fraktionen ebenfalls demokratisch organisiert sind 561. Obgleich der Formulierung in § 48 Abs. 1 AbgG, wonach Organisation und Arbeitsweise der Fraktionen auf den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie aufzubauen und an diesen auszurichten sind, mitunter eine Verwandtschaft zur Formulierung in Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG, demzufolge die innere Ordnung der politischen Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen muss, zugeschrieben wird 562, ist Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG nicht einschlägig 563 und kann deshalb 557 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 263, sieht diese Pflicht in den verfassungsrechtlichen Funktionszuweisungen begründet; ähnlich Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 135 f.; Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 184 f., sieht im Parlamentsrecht lediglich Rahmenbedingungen, die den Entschluss, eine Geschäftsordnung zu errichten, dem freien Willen der Fraktionsmitglieder überlassen. 558 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 263. 559 s. hierzu oben, S. 64 ff., insbesondere S. 89 ff. 560 Zu den Fraktionsfunktionen s. bereits oben, S. 23 ff. 561 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 187; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 252; Klaus Abmeier, Befugnisse, S. 197; Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 48 Rn. 3; Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 256.

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

nicht zur Konkretisierung der Anforderungen an die innerfraktionelle Demokratie herangezogen werden. Dass die innere Ordnung der politischen Parteien demokratischen Grundsätzen „entsprechen“ muss, wird allgemein verstanden als Gebot der innerparteilichen Realisierung demokratischer Mindestgehalte, die ein Abweichen von den für den staatlichen Bereich geltenden demokratischen Organisationsstrukturen und Verfahrensbestimmungen erlauben und bisweilen erfordern 564. Für die Organisation der und das Verfahren in den staatlichen Willensbildungs- und Entscheidungsgremien, zu denen als Organteile des Parlaments auch die Fraktionen zählen, kann jedoch nur eine unverfälschte Verpflichtung auf die parlamentarische Demokratie den Legitimationstransfer vom Volk hin zu den parlamentarischen Entscheidungen gewährleisten 565. Zudem werden das freie Mandat und die Gleichheit der Abgeordneten durch die in Fraktionen organisierte parlamentarische Arbeit mit geprägt, ohne jedoch den Grundsatz der Gleichheit und Freiheit des Mandats zu verdrängen 566. Dem Status der Fraktionsmitglieder als Trägern eines freien und gleichen Mandats kann allein eine demokratisch organisierte und arbeitende Fraktion gerecht werden 567. Organisation und Arbeitsweise der Fraktionen sind daher zwingend auf den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie wie sie auch für ihren parlamentarischen Wirkungsbereich gelten – der durch die Formulierung des § 48 Abs. 1 AbgG in Bezug genommen wird – aufzubauen und an diesen auszurichten. Aus der Verpflichtung auf die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie folgt daher, „dass es eine Fraktionsvollversammlung geben muss, der neben der Beschlussfassung über die Geschäftsordnung die ‚wesentlichen‘ Entscheidungen, insbesondere die politischen Richtungsvorgaben, vorzubehalten sind“ 568. 562 Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 1145 (1147); Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 177. 563 Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 187; anders Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 65, derzufolge die verfassungsrechtliche Anerkennung der Fraktionen aus Art. 21 GG folgt, weshalb Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG entsprechend anzuwenden sei; zur verfassungsrechtlichen Verortung der Fraktionen in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG s. bereits oben, S. 48 ff. 564 s. statt vieler Martin Morlok, in: Dreier, Art. 21 Rn. 123 ff. 565 Vgl. Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (31); a. A. BVerwGE 90, 104 (108 f.), s. zu dieser Entscheidung bereits die Ausführungen in Fn. 461; s. zur faktischen Dimension der Legitimation, um derentwillen die innerfraktionelle Demokratie auch zu schützen ist, Martin Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), 37 (70 ff., insbes. 71). 566 Vgl. nur BVerfGE 112, 118 (135); zur innerfraktionellen Geltung des freien Mandats s. bereits oben, S. 120 ff. 567 Vgl. Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (31). 568 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 263; s. auch Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 48 Rn. 4 m.w. N.

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

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Neben der Grundaussage, dass die wesentlichen Entscheidungen von der Versammlung der Fraktionsmitglieder zu treffen sind, gibt es weitere Merkmale, die eine demokratische Organisation und Arbeitsweise charakterisieren: So sind die innerfraktionellen Positionen durch Wahlen zu besetzen, wobei die gewählten Funktionsträger abhängig vom politischen Vertrauen der Fraktionsmitglieder sind. Demokratische Beteiligung an der Fraktionsarbeit setzt weiter die gleichen Mitwirkungsmöglichkeiten aller Fraktionsmitglieder und die Unmittelbarkeit ihrer Mitwirkung voraus. Die Anerkennung des Mehrheitsprinzips als Grundlage der Entscheidungsfindung ist fester Bestandteil einer demokratischen Verfahrensordnung 569. Um der bei Abstimmungen und Wahlen unterlegenen Minderheit die Akzeptanz einer Entscheidung zu ermöglichen, steht das Grundprinzip des Minderheitenschutzes als Ausgleich gegen das Mehrheitsprinzip 570. Deshalb muss demokratisches Entscheiden auf einen Prozess des Austausches und Abwägens rationaler Argumente zurückzuführen sein, in dem Meinungen und Standpunkte frei, gleichberechtigt und gleichgewichtig Ausdruck finden können. Chancengleichheit ist aber nicht nur für das Einspeisen von Informationen in den Entscheidungsprozess zu gewährleisten, sondern auch für die Informationsverarbeitung und -selektion 571. Ein innerfraktionelles demokratisches Mitentscheiden setzt daher weiter rechtzeitige und verlässliche Information voraus. Bereits der dem Entscheiden vorgelagerte Meinungs- und Willensbildungsprozess erfordert freien Zugang zu allen für die Entscheidung maßgeblichen Informationen. b) Geltungsreichweite des Fraktionsbinnenrechts Bei den Fraktionsgeschäftsordnungen handelt es sich um öffentlich-rechtliche, genauer um parlamentsrechtliche Normen, die – ebenso wie die Fraktionen (§ 54 Abs. 1 Nr. 3 AbgG) – der Diskontinuität unterliegen, allerdings im Falle der Rechtsnachfolge (§ 54 Abs. 7 AbgG) von der neuen Fraktion regelmäßig durch Beschluss übernommen werden 572. Die Fraktionsgeschäftsordnung kann Geltung nur innerhalb der Fraktion entfalten 573. Für die Fraktionsmitglieder sind sie allerdings verbindliches Binnen569

s. dazu noch unten, S. 136 f. s. zum innerfraktionell konkretisierten Minderheitenschutz noch unten, S. 141 ff. 571 Vgl. Martin Morlok, in: Gosewinkel u. a., Politische Kultur, S. 267 (270). 572 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 264; Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 265; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 138, 140; Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 74; nach a. A. wird in Abhängigkeit von der rechtlichen Charakterisierung der Fraktionen auch die Rechtsnatur der Fraktionsgeschäftsordnungen abweichend bestimmt, s. Kurt Schönberger, Rechtsstellung, S. 52, 57, der Fraktionsbildung wie -geschäftsordnung dem Privatrecht zuordnet; s. auch Wolfgang Zeh, in: HdBStR III, § 52 Rn. 9, demzufolge die Fraktionsgeschäftsordnungen an der Offenheit der Rechtsnatur der Fraktionen teilhaben. 570

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

recht 574, das jedoch den Erfordernissen der demokratischen inneren Willensbildung 575 und des auch im Verhältnis des Abgeordneten zu seiner Fraktion geschützten freien Mandats Rechnung tragen muss 576. Zwar sind den Fraktionen durch die Geschäftsordnungsautonomie Regelungsspielräume eröffnet, jedoch muss das innerhalb der verfassungsrechtlich eröffneten Regelungsspielräume geschaffene Binnenrecht mit der Verfassung in Einklang stehen 577. Darüber hinaus ist Verbindlichkeit nicht zu verwechseln mit „Erzwingbarkeit“ 578. Das freie Mandat des Abgeordneten stellt ihn für den Bereich seiner parlamentarischen Tätigkeit von jedweder rechtlich verbindlichen Einflussnahme auf die Art und Weise der Mandatsausübung frei 579. Gleichwohl trifft ihn innerfraktionell eine über fraktionsinterne Disziplinierungsmechanismen durchsetzbare Pflicht zur Beachtung des Binnenrechts 580. Der Fraktionsversammlung unbenommen bleibt es, im Einzelfall von der Geschäftsordnung durch Beschluss abzuweichen 581, sofern dem nicht im Einzelfall Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegenstehen 582. Sofern die Fraktionsgeschäftsordnungen keine ausdrückliche Regelung enthalten 583, können die Be573 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 265; Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 71; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 138; Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (31). 574 Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 76; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 137; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 264; Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 55. 575 Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 66; vgl. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 263; zum innerfraktionellen Demokratiegebot s. oben, S. 123 ff. 576 Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 137; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 163. 577 Ähnlich Jürgen Jekewitz, in: Schneider / Zeh, § 37 Rn. 66, demzufolge die zentrale Stellung der Fraktionsvollversammlung in den Geschäftsordnungen der Angst vor einer wegen „des Ranggefälles in der Hierarchie der Rechtsnormen“ drohenden Verfassungswidrigkeit geschuldet ist. Zu den Rangproblemen parlamentarischer Geschäftsordnungen gegenüber Verfassung und Gesetz s. Volker Haug, Bindungsprobleme, S. 51 ff. 578 Vgl. Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 76 Fn. 45; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 164. 579 s. bereits oben, S. 120 f. 580 Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 76 Fn. 45, S. 130 ff.; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 165. Zu denken ist nicht nur an den (drohenden) Fraktionsausschluss (dazu im Folgenden, S. 163 ff.) oder Ausschussrückruf (dazu Hans-Hermann Kasten, Ausschußorganisation, passim), sondern auch an sitzungsleitende Ordnungsmaßnahmen und weitere faktische Druckmittel, s. dazu noch unten, S. 129 ff. 581 Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 71 ff., insb. 72; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 136 f.; Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 264; Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 265. 582 s. für den Fall der Regelung von Ausschlussgründen unten, S. 186 f. 583 Dies ist in den Geschäftsordnungen der Bundestagsfraktionen regelmäßig der Fall. Eine Ausnahme ist § 17 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Fraktion „Die Linke.“, beschlossen am 1. Oktober 2005, zuletzt geändert am 6. September 2007, wonach für den Beschluss über ein Abweichen im Einzelfall eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich ist.

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

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schlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst werden, wobei selbst eine konkludente Beschlussfassung durch stillschweigendes Einvernehmen möglich ist 584. Verstöße gegen die Fraktionsgeschäftsordnung sind rechtswidrig, führen aber nicht zur Nichtigkeit der betroffenen Rechtsakte 585. De facto reglementieren die Geschäftsordnungen die Arbeit in den Fraktionen nur äußerst zurückhaltend, wohl um sich fraktionsintern größtmöglichen Handlungsspielraum zu erhalten 586. Aufgrund der durchaus geringen Regelungsdichte des geschriebenen Fraktionsbinnenrechts erfüllt es in erster Linie die Funktion eines organisatorischen Gerüsts, das der Flankierung durch die ungeschriebenen Regeln der fraktionsinternen Prozedere bedarf 587. 3. Innerfraktionelle Rechte und Pflichten des Abgeordneten Der Zusammenschluss zu Fraktionen bringt für den einzelnen Abgeordneten Vor- und Nachteile mit sich 588. Auf der einen Seite verbessert die Fraktionsmitgliedschaft die Rechtsstellung des Abgeordneten, indem die Fraktionen insbesondere eine Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedern organisieren, gemeinsame Initiativen vorbereiten und aufeinander abstimmen sowie eine umfassende Information der Fraktionsmitglieder unterstützen. Der einzelne Abgeordnete erlangt so einen nachhaltigen Einfluss auf das parlamentarische Geschehen und vermag seine Rechte aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG effektiv auszuüben 589. Auf der anderen Seite bringt die Fraktionsmitgliedschaft aber auch Beschränkungen der absoluten Freiheit der Abgeordneten mit sich. Die durch den Zusammenschluss mit anderen Abgeordneten eröffneten Möglichkeiten der Zusammenarbeit setzen Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft in dem dynamischen Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens voraus, sollen die Fraktion und die Abgeordneten in der Fraktion die ihnen zukommenden Funktionen effektiv erfüllen. Grundvoraussetzung der Teilhabe an den Vorteilen 584

Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 264. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 264; Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 265; a. A. Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 138 f., demzufolge geschäftsordnungswidrige Beschlüsse grundsätzlich nichtig sind. 586 So Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 77, die aufgrund eigener Recherchen zu dieser Einschätzung gelangt (s. dort Fn. 51). 587 Näher Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 77 f. 588 Ausführlich Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 434 ff.; s. auch Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 163 f. 589 Zu der Funktion der Fraktionen als Arbeitsgemeinschaften s. oben, S. 23 ff. 585

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

des fraktionellen Zusammenwirkens ist daher der Wille der Fraktionsmitglieder zur Annäherung und zu gegenseitiger Auseinandersetzung, zum Finden von Gemeinsamkeiten und Feststellen von Unterschieden und letztlich zur Herstellung gemeinsam verantworteter Entscheidungen. Die Effektivität der Funktionserfüllung der Fraktionen ist deshalb maßgeblich abhängig von der Integrationsfähigkeit und dem Integrationswillen ihrer Mitglieder, wobei eine konstruktive und Gewinn bringende Zusammenarbeit notwendig getragen sein muss von gegenseitiger Rücksichtnahme. Die Zusammenarbeit in Fraktionen ist deshalb sowohl von innerfraktionell gewährten Rechten, als auch von innerfraktionell auferlegten Pflichten gekennzeichnet. a) Grundsätzliche Anerkennung von mitgliedschaftlichen Bindungen Die grundsätzliche Anerkennung von mitgliedschaftlichen Bindungen des Abgeordneten folgt aus der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft. Es ist die freie Entscheidung eines jeden Abgeordneten, ob er sein Mandat in kooperativem Zusammenwirken mit anderen oder in völliger Ungebundenheit (allerdings auch in damit einhergehender weitgehender Wirkungslosigkeit 590) ausüben will. Entscheidet sich der Abgeordnete für eine Fraktionsmitgliedschaft, sichert er sich nicht nur die sich daraus ergebenden Vorteile, sondern er unterwirft sich zugleich freiwillig zugunsten der gemeinschaftlichen Zweckverfolgung den daraus resultierenden Pflichten gegenüber den gleichberechtigten, aber auch gleichermaßen pflichtengebundenen anderen Fraktionsmitgliedern und gegenüber der Fraktion 591. Mit seinem Beitritt erkennt der Abgeordnete die sich für ihn aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ergebenden Pflichten in der Weise als verbindlich an, dass eine Verletzung dieser Pflichten geeignet ist, Konsequenzen hinsichtlich seines Mitgliedschaftsverhältnisses auszulösen 592. Überwiegen aus Sicht des Abgeordneten die sich aus der Pflichtenbindung ergebenden Nachteile, steht es ihm frei, sich den Bindungen durch seinen Austritt aus der Fraktion wieder zu entziehen 593.

590 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 434; zur Stellung des fraktionslosen Abgeordneten s. auch unten, S. 157 ff. 591 Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 180 f.; Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 434; s. auch Julian Krüper, in: ZJS 2009, 477 (478). 592 Vgl. Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 164 f. 593 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 434

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

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aa) Geschlossenheit der Fraktionen So wie der einzelne Abgeordnete zur effektiven Mandatsausübung der Unterstützung durch die Fraktion bedarf 594, so sind die Fraktionen auf eine kollegiale Mandatsausübung und die Loyalität ihrer Mitglieder angewiesen, um parlamentarisch Einfluss ausüben zu können 595. Der politische Erfolg der Fraktionen hängt maßgeblich davon ab, dass sie in der Lage sind einerseits fraktionsintern mehrheitsfähige Positionen herauszubilden und andererseits den Mehrheitswillen der Fraktion im Parlament und vor der Öffentlichkeit glaubwürdig und wirkungsvoll zu vertreten. Letzteres begründet das Bedürfnis nach einem geschlossenen Abstimmungsverhalten der Fraktion. Ein parlamentarisch vor der Öffentlichkeit demonstrierter Zusammenhalt der Fraktionsmitglieder dokumentiert politische Stärke. Demgegenüber werden Zerstrittenheit, vor der Öffentlichkeit ausgetragene Richtungsdebatten und abweichendes Stimmverhalten regelmäßig als politische Schwäche gedeutet 596. Die danach anzustrebende Geschlossenheit setzt jedoch keinen ständigen hundertprozentigen Gleichklang voraus. Gelegentliches Abweichlertum betont die Differenzierungsfähigkeit der Fraktionsmitglieder und vermag so ebenfalls politische Glaubwürdigkeit zu erzeugen 597. Bei knappen Mehrheitsverhältnissen ist das Bedürfnis nach Einheitlichkeit des Verhaltens von Fraktionen allerdings besonders groß. Insbesondere die Regierungsfraktionen bedürfen zur Erhaltung ihrer politischen Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit der erforderlichen Abstimmungsmehrheiten, um sich mit ihren Vorhaben im Parlament auch durchzusetzen. Aus Sicht der Opposition ist das umso schwieriger, je deutlicher sie alle ihre Stimmen gegen die Regierung und die sie tragende Parlamentsmehrheit in die Waagschale wirft. Das Bedürfnis nach Geschlossenheit trifft demnach alle Fraktionen 598. In der praktischen Umsetzung stößt dieses Postulat der Geschlossenheit angesichts des freien Mandats der Abgeordneten immer wieder auf Kritik. Die Diskussion rankt sich um die begriffliche Entgegensetzung des (jedenfalls unzulässigen) „Fraktionszwangs“ und der (hinnehmbaren oder mitunter ebenfalls unzulässigen) „Fraktionsdisziplin“ 599. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung führt eine unterschiedliche Interpretation und ideengeschichtliche Aufarbei594 Vgl. nur BVerfGE 112, 118 (135); zur Funktion der Fraktionen als Arbeitsgemeinschaften s. oben, S. 23 ff.; zu den verminderten Mitwirkungschancen Fraktionsloser s. unten, S. 157 ff. 595 Josef Isensee, in: FS Oberreuter, 254 (263 ff.); Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 438. 596 Vgl. Jürgen Dittberner, in: ZParl. 2003, 550 (555). 597 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 437; Horst Sendler, in: NJW 1985, 1425 (1428). 598 Jürgen Dittberner, in: ZParl. 2003, 550 (555 f.).

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

tung der Partei- und Fraktionsgebundenheit des Abgeordneten dazu, dass auch den Begriffen Fraktionsdisziplin und Fraktionszwang jeweils unterschiedliche Inhalte zugeschrieben werden 600. Deshalb soll im Folgenden die begriffliche Diskussion nicht fortgesetzt werden. Es ist vielmehr unabhängig von begrifflichen Präjudizien zu fragen, unter welchen Voraussetzungen die durch das freie Mandat gezogenen Grenzen der Einflussnahme auf den Abgeordneten überschritten sind. Für die danach zur Unterscheidung erforderliche Grenzziehung zwischen zulässiger und unzulässiger Einflussnahme auf den Abgeordneten ist die verfassungsrechtlich vorausgesetzte demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung in den Fraktionen von wesentlicher Bedeutung, denn „Geschlossenheit ist das äußerlich sichtbare Ergebnis der Tatsache, dass Abgeordnete nicht erst im Parlament darüber entscheiden, wie sie abstimmen, sondern schon vorher: im Rahmen ihrer jeweiligen Fraktion“ 601.

Das in der parlamentarischen Abstimmung sich besonders deutlich verwirklichende Prinzip der Konkurrenz von Interessen und Meinungen gilt auch innerfraktionell und findet Ausdruck in der Funktion der Fraktionen als Tendenzund Wettbewerbsgemeinschaften 602. Eine diesen Funktionen gerecht werdende demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung setzt voraus, dass der Abgeordnete seine individuellen Überzeugungen, seine Vorstellungen und Auffassungen je nach sozialer, regionaler und politischer Herkunft innerhalb des Meinungsbildungsprozesses der Fraktion einbringen kann, zugleich aber auch das gleiche Recht der Fraktionskollegen akzeptiert, die an dem Zustandekommen der Mehrheit in gleicher Weise teilhaben wie er. Es ist insofern nicht zu beanstanden, wenn sich nach erfolgtem Meinungsaustausch und nach der Abstimmung zur Ermittlung der Mehrheit die Fraktionsmitglieder dem Mehrheitsvotum fügen 603. Insbesondere die Kollegialität der Zusammenarbeit ist dabei eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der mehrheitlich getroffenen Entscheidung und damit die Beachtung des Postulats der Geschlossenheit. Nicht alle Abgeordneten können sich in jede Verästelung der oft sehr speziellen und detailreichen Sachverhalte einarbeiten. Folge der danach erforderlichen Arbeitsteilung 599 s. hierzu Ulli F.H. Rühl, in: Der Staat 39 (2000), 23 (40 ff.) und Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 61 f. 600 So Sebastian Galka / Eberhard Schuett-Wetschky, in: ZPol 17 (2007), 1095 (1099); ausführlich auch Ulli F.H. Rühl, in: Der Staat 39 (2000), 23 (40 ff.); s. auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 438. 601 Sebastian Galka / Eberhard Schuett-Wetschky, in: ZPol 17 (2007), 1095 (1097). 602 s. dazu bereits oben, S. 39 ff. 603 Vgl. Jürgen Dittberner, in: ZParl. 2003, 550 (553); s. auch Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 203; Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (258).

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

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in den Fraktionen ist, dass die Fraktionsmitglieder in gegenseitigem Vertrauen miteinander kooperieren müssen 604. Der in der Geschlossenheit zum Ausdruck kommende Zusammenhalt der Fraktionsmitglieder ist dabei eine wesentliche vertrauensbildende Größe. Geschlossenheit bestätigt das Vertrauen der Fraktionskollegen in die Arbeit und den Rat der jeweiligen Fraktionsexperten und ist äußerlich sichtbares Zeichen einer respektvollen, kollegialen Zusammenarbeit. Indem der einzelne Abgeordnete einerseits dem Engagement und dem Sachverstand seiner Fraktionskollegen Respekt zollt, andererseits denselben Respekt auch erwarten darf, wird der Grundstein für eine dauerhaft verlässliche, engagierte und motivierte Kooperation gelegt. Unter diesen Voraussetzungen stellt sich die an den einzelnen Abgeordneten seitens der Fraktion(smehrheit) gerichtete Erwartung der Geschlossenheit nicht als mit dem freien Mandat unvereinbar dar. „Die Mandatsfreiheit als Amtsträger-‚Freiheit‘ ist nicht Selbstzweck, sondern funktional bezogen auf die Lebendigkeit und Offenheit des staatlichen Willensbildungsprozesses in Fraktion und Parlament. Deshalb sind Fraktionssolidarität und Fraktionsloyalität (‚Fraktionsdisziplin‘) einem sachangemessenen Verständnis der Mandatsfreiheit inhärent [...]“ 605

Die von den Fraktionsmitgliedern gewahrte Disziplin bei der Umsetzung der fraktionsintern erarbeiteten Fraktionspositionen ist zu verstehen als freiwillige Unterordnung unter die Mehrheitsentscheidungen der Fraktion, wobei das freie Mandat als Korrektiv dennoch die Unabhängigkeit des Abgeordneten im Konfliktfall garantiert. Das Fraktionsmitglied wird der berechtigten Erwartung, dass die in einem demokratischen Willensbildungsprozess mehrheitlich zustande gekommenen Entscheidungen grundsätzlich von allen Fraktionsmitgliedern solidarisch mitgetragen werden, in eigenem Interesse regelmäßig entsprechen. Denn politische Wirksamkeit kann er nur entfalten, wenn er innerhalb der Fraktion eine Mehrheit für seine Auffassung gewinnt. Dafür muss er in der Fraktion einerseits zu streiten bereit, andererseits aber auch zu Kompromissen fähig sein, weil er nur so seine künftigen Durchsetzungschancen bewahren kann 606. Gleichwohl garantiert ihm das freie Mandat, sein parlamentarisches Stimmverhalten nicht an dem Mehrheitswillen der Fraktion, sondern an seiner eigenen, möglicherweise abweichenden Überzeugung auszurichten. Ob der Abgeordnete vom Postulat der Geschlossenheit abweicht, obliegt seiner eigenen, freien Entscheidung, die er un604 Zur Bedeutung des Vertrauens für die „gewissenhafte“ Mandatsausübung s. Erk Volkmar Heyen, in: Der Staat 25 (1986), 35 (35 ff., insbes. 38 f.); s. auch Hans-Hermann Kasten, Ausschußorganisation, S. 154 f. 605 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 204. 606 Vgl. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 214; Hans-Hermann Kasten, Ausschußorganisation, S. 156.

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

ter Abwägung der daraus resultierenden Vor- und Nachteile und in Beurteilung der Kompromissfähigkeit seiner eigenen Ansichten zu treffen hat 607. Die Fraktion kann keinen Abgeordneten zu einem bestimmten Verhalten zwingen, davor schützt das freie Mandat. Es stellt ihn aber nicht von politischer Verantwortung für seine Entscheidungen frei. Freiheit der Mandatsausübung heißt nicht Konsequenzlosigkeit des politischen Handelns. Zu verantworten hat der Abgeordnete seine Entscheidungen zwar jedenfalls vor sich selbst, aber mit Blick auf seine künftigen Mitwirkungs- und Durchsetzungschancen eben auch gegenüber Wähler, Partei und Fraktion 608. Den Wählern eröffnen jedoch erst die nächsten Wahlen die Möglichkeit, die Art und Weise der Mandatsausübung positiv wie auch negativ zu bewerten 609. Die Partei kann den Abgeordneten bei der erneuten Kandidatenaufstellung nicht mehr oder nur auf einem hinteren Listenplatz berücksichtigen, ihn gar, sofern die parteiengesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, aus der Partei ausschließen. Sanktionen, die tatsächliche Auswirkungen auf die parlamentarischen Mitwirkungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten in der laufenden Legislaturperiode haben, vermag allerdings nur die Fraktion gegenüber dem Abgeordneten zu verhängen. Das freie Mandat des Abgeordneten entfaltet seine Schutzwirkung zwar auch im Verhältnis zu seiner Fraktion, mit der Folge dass der Abgeordnete weder sein Mandat verlieren, noch rechtlich verbindlich zu einer bestimmten Mandatsausübung verpflichtet werden kann. Erweist sich aus Sicht der Fraktion(smehrheit) die Zusammenarbeit jedoch als problematisch, ist sie grundsätzlich nicht gehindert, auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen die den Zusammenschluss tragende wechselseitige Kooperationsbereitschaft für die Zukunft anders zu beurteilen. Die Anerkennung der sich aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ergebenden Bindungen ist Grundlage der Kooperation aller Fraktionsmitglieder. Die Verständigung über die wechselseitigen grundlegenden Erwartungen gehört zu den wichtigsten Instrumenten zur Herstellung und Aufrechterhaltung einer verlässlichen, vertrauensvollen Zusammenarbeit. Den durch die Fraktionsmitgliedschaft erzeugten Bindungen unterwirft der Abgeordnete sich freiwillig, kann oder will er sie nicht mehr akzeptieren, steht es ihm frei, sich diesen Bindungen jederzeit durch seinen Austritt aus der Fraktion zu entziehen. Eine Missachtung der 607

Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 203; Horst Sendler, in: NJW 1985, 1425 (1427 f.). 608 Vgl. Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 158 ff. 609 Als Beispiel für eine positive Reaktion mag der Fall des Bundestagsabgeordneten Ströbele gelten, der abweichend von der Fraktionslinie gegen sämtliche Auslandseinsätze der deutschen Bundeswehr stimmte, für die nächste Bundestagswahl (2002) deshalb bei der innerparteilichen Kandidatenaufstellung keinen der als sicher geltenden Listenplätze erhielt, aber von seiner Basis als Wahlkreiskandidat aufgestellt wurde und dort als erster Kandidat der Grünen direkt in den Bundestag gewählt wurde. s. hierzu auch Jürgen Dittberner, in: ZParl. 2003, 550 (557).

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

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Bindungen in einem bestehenden Mitgliedschaftsverhältnis aber untergräbt das Fundament der Kooperation und ist – je nach Ausmaß der Beeinträchtigung der wechselseitigen Loyalität – geeignet, sie instabil werden zu lassen, denn „die Vorteile organisierten Zusammenwirkens stellen sich nur dann ein, wenn die Kooperationsverpflichtungen auch erfüllt werden“ 610. Die Erfüllung dieser Kooperationsverpflichtungen anzumahnen, auch eindringlich und mit Druck, dient der Erhaltung der Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Fraktionsmitglieder und damit der Funktionsfähigkeit der Fraktion, die letztlich im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments liegt 611. Der Abgeordnete ist stets frei in seiner Entscheidung, ob er sich von derlei faktischen Bindungen leiten lassen will 612. Letztlich bleibt die Entscheidung, sich dem ausgeübten Druck zu beugen oder zu widersetzen, unentrinnbar ihm selbst überlassen 613. Im Konfliktfall hat er seine Freiheit auch gegen Druck, Drohungen und Überzeugungsversuche zu verteidigen. Dazu bedarf es freilich des nötigen Rückgrates. Wer dem als Volksvertreter nicht gewachsen ist, sich also weder durchzusetzen vermag, noch bereit ist, die Konsequenzen seiner divergierenden Überzeugung zu tragen, entspricht nicht dem idealtypischen Bild eines Abgeordneten, welches das Grundgesetz voraussetzt 614. Dennoch muss die Fraktion als demokratisch organisierter Zusammenschluss grundsätzlich auch innerfraktionelle Opposition zulassen, selbst wenn diese sich außerhalb der Fraktion – also bei Anträgen, Reden und Abstimmungen im Parlament oder in öffentlichen Stellungnahmen – ausdrückt 615. Es ist eine Frage des guten Arguments und der Standhaftigkeit, ob sich die Abweichler von heute in Zukunft behaupten können 616. Werden die Meinungsunterschiede allerdings nicht mehr nur innerfraktionell ausgetragen, entspricht es einer berechtigten Erwartung wechselseitiger Loyalität, dass etwa ein beabsichtigtes abweichendes Stimmverhalten im Parlament zuvor rechtzeitig angekündigt wird, um der Fraktionsführung die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Vorhabens und die Kalkulation der Mehrheitsverhältnisse zu ermöglichen 617. Bei öffentlichen Stellungnahmen und Reden gebietet es ein fairer, kollegialer Umgang, dass der 610

Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 188. Vgl. Hans-Hermann Kasten, Ausschußorganisation, S. 156 f.; Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 164. 612 Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 164; Horst Sendler, in: NJW 1985, 1425 (1426 f.). 613 Vgl. Horst Martens, in: DVBl. 1965, 865 (867); Horst Sendler, in: NJW 1985, 1425 (1430). 614 Konrad Hesse, Grundzüge, Rn. 600. 615 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 252. 616 Vgl. auch Horst Sendler, in: NJW 1985, 1425 (1428). 617 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 437. 611

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

mehrheitlich vertretene Standpunkt der Fraktion respektiert und das eigene Abweichen in einem sachlichen Stil vorgetragen und begründet wird. Lässt der einzelne Abgeordnete die durch wechselseitige Anerkennung zur Grundlage der Kooperation gemachten Verfahrensweisen außer Acht, kann die Fraktion die künftige Beachtung nicht nur mit mahnender Stimme, sondern auch tatsächlich innerfraktionell einfordern, indem sie die Loyalitätserwartungen mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Druckmittel durchzusetzen versucht 618. Dauerhaft Kooperationsunwillige können beispielsweise in eine politische Außenseiterrolle verwiesen oder aus Funktionen abgewählt beziehungsweise bei der Vergabe von Fraktionspositionen nicht in Betracht gezogen werden. Unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen kann sie den Abgeordneten auch aus Ausschüssen abberufen und in letzter Konsequenz sogar aus der Fraktion ausschließen 619. Sofern einige Stimmen in der Literatur lediglich eine nachträgliche Sanktionierung nicht regelkonformen Verhaltens einzelner Abgeordneter billigen, die vorherige mahnende Erinnerung an mögliche Konsequenzen aber nicht zulassen 620, ist dem nicht zuzustimmen. Die Androhung berechtigter – und nur solcher – Sanktionen erfüllt nicht nur eine Warn-, sondern auch eine Hinweisfunktion, die dem einzelnen Abgeordneten die Bedeutung seiner mitgliedschaftlichen Bindungen für den konkreten Fall deutlich vor Augen führt. Sie ermöglicht es ihm, bei der im Rahmen seiner Entscheidungsfindung stets erforderlichen Abwägung der Vorund Nachteile die politische Bedeutung der konkret zu treffenden Entscheidung und die eventuellen Folgen der Befolgung oder Nichtbefolgung seiner mitgliedschaftlichen Pflichten zutreffend einzuschätzen. Der offenen Kommunikation ist der Vorzug zu geben gegenüber einer fortwährend gleich einem Damokles618

Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 163. s. Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 91, 92, 96; Hans-Heinrich Trute, in: von Münch / Kunig, Art. 38 Rn. 102; Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 188; Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 93; Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 163 f.; Horst Sendler, in: NJW 1985, 1425 (1429); Michael Becker, in: ZParl. 1984, 24 (25); Manfred Zuleeg, in: JuS 1978, 240 (244); a. A. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 215 ff., der „im Zusammenhang mit einem konkreten Verhalten des Abgeordneten im parlamentarischen Entscheidungsprozess“ die Möglichkeit zum Ausschussrückruf gegen den Willen des entsandten Abgeordneten und zum Ausschluss verneint; kritisch zur Begrenzung des Ausschussrückrufs Joachim Weiler, in: DÖV 1973, 231 ff. 620 So Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 115 f.; Hans-Hermann Kasten, in: ZParl. 1985, 475 (483); ähnlich Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 215 f. und 252, der zwar sowohl die Androhung als auch den späteren Vollzug von Sanktionen generell für unzulässig hält, die Fraktionen aber nur bis zu einem gewissen Grade verpflichtet sieht, „abweichende Meinungen und deren öffentliche Äußerung – bis hin zu gelegentlich abweichendem Stimmverhalten – ihrer Mitglieder zu tolerieren“ und deshalb den Ausschluss (und nur in dessen Folge den Ausschussrückruf) gleichwohl für zulässig erachtet, sofern „die Meinungsverschiedenheiten ins Grundsätzliche reichen“. 619

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

135

Schwert über dem Abgeordneten schwebenden unausgesprochenen Drohung, die der Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten aufgrund der damit verbundenen, durch die Unsicherheit geschürten permanenten Erwartungsangst weitaus abträglicher sein kann. Denn ein inflationärer Gebrauch der ausgesprochenen Drohung würde sie ihrer Wirksamkeit berauben. Folgen derlei Drohungen keine Taten, werden sie nicht ernst genommen, wollte eine Fraktion ständig alle Mitglieder mit abweichender Meinung politisch isolieren, aus den Ausschüssen zurückrufen oder gar aus ihren Reihen ausschließen, wäre sie recht bald dem Untergang geweiht. Die Fraktionsführung wird deshalb nur sparsam von der Androhung von Sanktionen Gebrauch machen, zumal sie sich in der praktischen Umsetzung der Unterstützung mindestens der Mehrheit der Fraktionsmitglieder gewiss sein muss. Die Fraktionen gestalten die jedem Mandatsträger zustehenden parlamentarischen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte auf der Grundlage wechselseitiger Loyalität in einer bestimmten Weise aus. Koordination und Organisation, insbesondere aber Kooperation in den Fraktionen schaffen erst die Bedingungen dafür, dass über die Fraktionen vermittelte Beteiligungsrechte wahrgenommen werden können 621. Durch die freiwillige Zugehörigkeit zur Fraktion gewinnt der Abgeordnete damit eigene Handlungs- und Entscheidungskompetenz, wobei die wesentliche Aufgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG darin zu sehen ist, „dem Abgeordneten eigene, flexible Handlungs- und Entscheidungsspielräume zu verschaffen, und zwar nicht gegen, sondern wegen seiner Gruppenorientierung, denn diese soll und kann er nicht an der Tür zum Bundestag ablegen“ 622. Die freiwilligen Bindungen des Abgeordneten an Partei und Fraktion, aber auch an andere Gruppen wie Vereine und Verbände, dienen der ständigen Aktualisierung der parlamentarischen Repräsentation, weshalb auch die Verhaltensanforderungen der Gruppen an den Abgeordneten zum Wesen demokratischer Repräsentation gehören. Von diesen faktischen Bindungen stellt Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG den Abgeordneten nicht frei. Das freie Mandat beinhaltet die Freiheit der Entscheidung des Abgeordneten, ob und inwieweit er diesen Anforderungen folgen soll, es mutet ihm aber auch zu, die Konsequenzen dieser Entscheidung zu tragen 623. Die durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gezogene Grenze zulässiger Einflussnahme auf den Abgeordneten ist allerdings – abgesehen von Fällen strafbarer Einwirkungen auf den Abgeordneten – erst dann überschritten, wenn zur Herbeiführung eines bestimmten Abgeordnetenverhaltens der Versuch einer rechtsverbindlichen Verpflichtung unternommen wird. Die Schutzwirkung des freien Mandats besteht dann in der Abwehr dieser rechtlichen Einwirkungsversuche, indem diesen die rechtliche Verbindlichkeit und damit Durchsetzbarkeit vorenthalten bleibt. 621 622 623

Vgl. Ulli F.H. Rühl, in: Der Staat 39 (2000), 23 (47 f.) Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 165. Christian Wefelmeier, Repräsentation, S. 164.

136

B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

bb) Geltung des Mehrheitsprinzips Das Mehrheitsprinzip gilt als demokratische Entscheidungsregel auch innerhalb der Fraktionen. Ebenso wie der Wille des Volkes nicht an sich bereits vorhanden ist, sondern Realität erst durch Anwendung von Organisations- und Verfahrensregeln wird, mit deren Hilfe die unterschiedlichen Auffassungen und divergierenden Interessen im Staatswillensbildungsprozess Berücksichtigung finden 624, gilt dies auch für den Willen der Fraktionen 625. Die politischen Einigungsprozesse der organisatorisch zusammengeschlossenen Abgeordneten müssen in ihrer technischen Dimension in einen Organisationsrahmen überführt werden, der die Freiheit des Einzelnen gewährleistet und zur Freiheit der anderen Gemeinschaftsmitglieder ins Verhältnis setzt 626. Die das Freiheitsprinzip voll verwirklichende Einstimmigkeit als Form der Entscheidungsfindung ist aber praktisch selten zu erzielen, stößt die Einigung doch sowohl inhaltlich als auch zeitlich angesichts des vorausgesetzten komplizierten und mühsamen Ringens und Aushandelns gemeinsamer Positionen unter den Beteiligten schnell an ihre Grenzen. Die Mehrheitsregel vermag diese Verständigungsprozesse unter Entscheidungsdruck vernünftig zu operationalisieren. Während im Falle der Einstimmigkeit die „integrierende Kraft der Lösung darauf beruht, dass alle Beteiligten ihr zugestimmt haben und selbst für sie verantwortlich sind, enthält die Mehrheitsentscheidung einen Entscheidungsmodus, der diese Wirkungen zu einem wesentlichen Teil hervorbringt“ 627. Basierend auf der gleichberechtigten politischen Teilhabe aller Gemeinschaftsmitglieder geht der Entscheidungsfindung eine intensive und inklusive Auseinandersetzung in der Sache voraus, die der Herstellung größtmöglicher, mindestens mehrheitlicher Übereinstimmung dient 628. Diese „partiell einheitsbildende Wirkung“ vermag das Mehrheitsprinzip allerdings nur im Hinblick auf die Mehrheit zu legitimieren 629. Gegenüber der überstimmten Minderheit bedarf es zusätzlicher sachlich rechtfertigender Gründe. Ausnahmslos legitimierende Kraft kann nur eine von der Minderheit respektierte Mehrheitsentscheidung entfalten. Zum einen bedarf es daher einer grundsätzlichen Anerkennung der Verbindlichkeit der Mehrheitsentscheidungen. Zum anderen ist ein verfahrensrechtlicher politischer Minderheitenschutz ein zentrales Gebot der Mehrheitsdemokratie, durch den die Möglichkeit 624 625 626 627 628 629

s. bereits oben, S. 24 f. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 431 f. Vgl. Julian Krüper, in: ZJS 2009, 477 (478). Konrad Hesse, Grundzüge, Rn. 142. Julian Krüper, in: ZJS 2009, 477 (479 f.). Konrad Hesse, Grundzüge, Rn. 143.

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

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unterschiedlicher und sich verändernder Mehrheitsverhältnisse zu gewährleisten ist 630. Die integrierende Wirkung des Mehrheitsprinzips als Instrument der Kompromissfindung beruht zusammengefasst darauf, dass in einem offenen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, in den regelmäßig auch die geistige Arbeit und Kritik der oppositionellen Minderheit eingeht 631, um Mehrheiten geworben und nach Ausgleich gesucht werden muss. Darüber hinaus wird die Entscheidung für die Minderheit dadurch akzeptabel, dass sie aufgrund ihres entgegenstehenden Willens immer das Recht hat, auf Änderungen hinzuarbeiten, das heißt zur Mehrheit oder einem Teil der Mehrheit zu werden. Unter der Geltung des Mehrheitsprinzips sind deshalb zugleich auch die wesentlichen Bedingungen dieser legitimierenden Kraft der Mehrheitsregel zu verwirklichen. Dies ist Grundvoraussetzung, wenn auch angesichts des freien Mandats nicht uneingeschränkt Garant der innerfraktionellen Akzeptanz der Mehrheitsbeschlüsse der Fraktion 632. b) Innerfraktionell konkretisierte Mitgliedschaftspflichten Die grundsätzlich anzuerkennenden mitgliedschaftlichen Loyalitäts- und Kooperationspflichten des Abgeordneten gegenüber seiner Fraktion werden in den jeweiligen Fraktionsgeschäftsordnungen der Bundestagsfraktionen in Teilen näher ausgestaltet und konkretisiert. Alle Bundestagsfraktionen statuieren ausdrücklich eine für die Funktionserfüllung der Fraktionen unabdingbare Mitwirkungspflicht ihrer Mitglieder, die sich insbesondere auf eine Teilnahme an den Sitzungen der Fraktion und ihrer Gremien sowie des Bundestages und dessen Gremien bezieht 633. § 1 Abs. 5 FDPGeschO und § 18 Abs. 2 lit. a) CDU / CSU-ArbO sichern die Erfüllung der An630

485).

631

Vgl. Konrad Hesse, Grundzüge, Rn. 143; Julian Krüper, in: ZJS 2009, 477 (479,

s. BVerfGE 5, 85 (199). Zur innerfraktionellen Geltung des freien Mandats s. oben, S. 120 ff.; zum freien Mandat als Korrektiv der freiwilligen Unterwerfung unter die Mehrheitsentscheidung s. oben, S. 129 ff. 633 So § 2 Abs. 1 Geschäftsordnung der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag in der Fassung vom 3. Juni 1997 (SPD-GeschO); ebenso § 2 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Fraktion „Die Linke.“ vom 1. Oktober 2005, zuletzt geändert am 6. September 2007 (GeschO „Die Linke.“); § 3 Abs. 3 lit. a) und lit. c) der Geschäftsordnung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 27. September 2005, geändert am 5. September 2007 (GeschO Bündnis 90/Die Grünen); § 18 Abs. 1 der Arbeitsordnung der CDU / CSU-Bundestagsfraktion vom 28. November 2005 (CDU / CSU-ArbO); § 1 Abs. 4 der Geschäftsordnung der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag in der Fassung vom 26. Oktober 2009 (FDP-GeschO). 632

138

B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

wesenheitspflicht bei Fraktionssitzungen zusätzlich, indem die Eintragung in Anwesenheitslisten vorgesehen ist. Die Bedeutung der Teilnahme aller Mitglieder an Abstimmungen im Bundestag unterstreicht § 17 Abs. 3 CDU / CSU-ArbO, der vorsieht, dass „in der auf eine namentliche Abstimmung folgenden Fraktionssitzung [...] die Namen der Mitglieder unter Angabe der Entschuldigungsgründe mitgeteilt [werden], die an der Abstimmung nicht teilgenommen haben“, wobei diese Mitteilung auch den Landes- beziehungsweise Kreisverbänden der jeweiligen Partei zur Kenntnis gegeben werden. Darüber hinaus enthält § 18 Abs. 2 lit. d) CDU / CSU-ArbO für diejenigen Fraktionsmitglieder eine ausdrückliche Anwesenheitspflicht bei der Beratung von Vorlagen im Bundestag, auf deren Initiative die Vorlagen zurückgehen. Dass nach dem Selbstverständnis der Bundestagsfraktionen die Teilnahme an der Fraktionsarbeit die Regel, die Nichtteilnahme die Ausnahme sein sollte, belegen auch die vielfältigen Abwesenheitsmitteilungen, die nach den Fraktionsgeschäftsordnungen sowohl für krankheits- als auch urlaubsbedingte Abwesenheitszeiten vorgesehen sind 634. § 2 Abs. 1 und Abs. 5 SPD-GeschO und § 3 Abs. 3 lit. d) GeschO Bündnis 90/Die Grünen statuieren für die Abwesenheit von Plenarsitzungen sogar ein Zustimmungserfordernis. Gleiches gilt für das vorzeitige Verlassen einer Plenarsitzung nach § 3 Abs. 3 lit. e) GeschO Bündnis 90/Die Grünen und nach § 18 Abs. 3 CDU / CSU-ArbO, der in diesen Fällen zusätzlich die Eintragung in eine sogenannte „Liste beurlaubter Mitglieder“ vorsieht. § 2 Abs. 6 S. 2 GeschO „Die Linke.“ erklärt außerdem dienstliche Auslandsreisen für zustimmungsbedürftig. § 3 Abs. 3 lit. h) GeschO Bündnis 90/Die Grünen erwartet von den Fraktionsmitgliedern, dass sie dienstliche Auslandsreisen mit der parlamentarischen Geschäftsführung abstimmen. Dass jeder Abgeordnete bei Abwesenheit seine Erreichbarkeit sicherzustellen hat, regeln ausdrücklich § 2 Abs. 4 und Abs. 6 SPD-GeschO, § 3 Abs. 3 lit. g) GeschO Bündnis 90/Die Grünen und lediglich für die Abwesenheit bei Fraktionssitzungen § 18 Abs. 2 lit. b) CDU / CSU-ArbO.

634

S. § 2 Abs. 1 und 5 SPD-GeschO (Urlaub und Abwesenheit von Plenarsitzungen); § 2 Abs. 2 und 5 SPD-GeschO (Krankmeldung); § 2 Abs. 4 GeschO „Die Linke.“ (Abwesenheit bei einzelnen Sitzungen); § 2 Abs. 6 S. 1 GeschO „Die Linke.“ (Urlaub); § 3 Abs. 3 lit. d) GeschO Bündnis 90/Die Grünen (Abwesenheit bei Plenarsitzungen); § 3 Abs. 3 lit. b) GeschO Bündnis 90/Die Grünen (Abwesenheit bei Fraktionssitzungen); § 3 Abs. 3 lit. d) GeschO Bündnis 90/Die Grünen (Krankmeldung für Plenarsitzungen); § 3 Abs. 3 lit. f) GeschO Bündnis 90/Die Grünen (Krankmeldung für BT-Ausschusssitzungen); § 3 Abs. 3 lit. i) GeschO Bündnis 90/Die Grünen (Urlaub); § 8 Abs. 6 CDU / CSU-ArbO (Abwesenheit bei Arbeitsgruppen- und Ausschusssitzungen); § 18 Abs. 2 lit. b) CDU / CSU-ArbO (Abwesenheit bei Fraktionssitzungen); § 18 Abs. 2 lit. c) CDU / CSU-ArbO (Abwesenheit bei Plenarsitzungen); erfreulich komprimiert die sämtliche Abwesenheitsgründe umfassende Regelung in § 1 Abs. 5 FDP-GeschO.

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

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Die Beteiligung an der Fraktionsarbeit wird von allen Bundestagsfraktionen durch weitere Mitteilungs-, Anzeige-, Unterrichtungs- oder Verständigungspflichten, weitaus seltener auch durch Zustimmungsvorbehalte reglementiert. So sehen alle Geschäftsordnungen der Bundestagsfraktionen eine, die grundsätzliche Bedeutung des Postulats der Geschlossenheit verdeutlichende, Pflicht zur Unterrichtung über die Absicht einer von der Fraktionsmehrheit abweichenden Stimmabgabe vor 635. § 17 Abs. 1 CDU / CSU-ArbO und § 1 Abs. 7 FDP-GeschO begrenzen die Unterrichtungspflicht auf ein Abweichen in „wichtigen Fragen“. In diesem Sinn ist auch § 2 Abs. 7 GeschO „Die Linke.“ zu verstehen, der allerdings im Weiteren das freie Mandat des Abgeordneten dadurch wieder einschränkt, dass „das Vertreten einer von der Fraktionsmehrheit abweichenden Position“ eine vorherige innerfraktionelle Debatte dazu voraussetzt. Problematisch wird diese Einschränkung angesichts der Regelung in § 6 Abs. 7 GeschO „Die Linke.“, wonach die Fraktionsmehrheit auf Vorschlag des Vorstandes in einem so genannten vereinfachten Verfahren die Zustimmung zu parlamentarischen Vorlagen ohne Debatte beschließen kann. Die nicht an der Erstellung der parlamentarischen Vorlage in den jeweiligen Arbeitskreisen beteiligten Abgeordneten haben unter Umständen also keine Gelegenheit, ihre Position zu diskutieren. In diesen Fällen kann ein abweichendes Stimmverhalten ohne vorherige innerfraktionelle Debatte nicht als pflichtwidrig gewertet werden. Auch § 13 Abs. 5 GeschO „Die Linke.“ dient sehr nachdrücklich der Verwirklichung des Postulats der Geschlossenheit, da hiernach Redebeiträge im Plenum ausschließlich die Mehrheitsmeinung wiedergeben dürfen und über die Zuteilung von Redezeiten für abweichende Meinungen die Fraktionsversammlung mit Mehrheit entscheidet. Innerfraktionelle Mindermeinungen fließen in die Außendarstellung der Fraktion gem. § 2 Abs. 7 GeschO „Die Linke.“ in der Weise ein, dass eine Veröffentlichung in den Fraktionspublikationen zwingend erfolgt, sofern diese von mindestens 20 % der Mitglieder gestützt wird. Bei geringerer Unterstützung entscheidet der Vorstand über die Veröffentlichung. Ausdrückliche Erwähnung findet das Postulat der Geschlossenheit aber nur in dem in der SPD-GeschO als Anlage enthaltenen „Beschluss zum Selbstverständnis“, dessen Ziel jedoch ein durchaus minderheitenschützendes geschlossenes Auftreten der Fraktion ist. Danach wird ein geschlossenes Vertreten der nach gründlicher Diskussion durch Abstimmung getroffenen Entscheidungen erwartet, jedoch sind bei der Vertretung und Begründung der Entscheidung im Plenum und in der Öffentlichkeit auch die für die Meinungs- und Willensbildung der Fraktion bedeutenden Meinungen und sachlichen Bedenken der Minderheit aufzunehmen. Ausdruck der wechselseitigen Rücksichtnahme ist die an die Minderheit gerich635

So die Anlage „Beschluss zum Selbstverständnis“ der SPD-GeschO; ebenso § 2 Abs. 7 GeschO „Die Linke.“; § 3 Abs. 3 lit. k) GeschO Bündnis 90/Die Grünen; § 17 Abs. 1 CDU / CSU-ArbO; § 1 Abs. 7 FDP-GeschO.

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

tete Erwartung, dass diese in der Öffentlichkeit die Argumente der Mehrheit unter Wahrung der eigenen Meinung sachlich und fair darstellt. An diese Pflichten sollen wohl auch die für beabsichtigte Redebeiträge und Erklärungen im Plenum vorgesehenen Unterrichtungspflichten erinnern. Soweit die Fraktionsgeschäftsordnungen, außer für die oben genannten Fälle der Abwesenheit, wenige weitere Zustimmungsvorbehalte statuieren, zielen diese durchweg auf die Verwirklichung des Postulats der Geschlossenheit. Ausschließlich außerfraktionelle parlamentarische Aktivitäten einzelner Fraktionsmitglieder, und hier nur diejenigen, die von der jeweiligen Fraktion als bedeutend eingestuft werden, werden von der Billigung durch die Fraktionsmehrheit abhängig gemacht. Weitaus ausgiebiger wird allerdings von dem Instrument der Unterrichtungspflicht Gebrauch gemacht. Sowohl § 16 Abs. 4 GeschO Bündnis 90/Die Grünen als auch § 20 Abs. 3 CDU / CSU-ArbO verlangen zwar zunächst nur die Anzeige einer Beteiligung an fraktionsübergreifenden Initiativen, verpflichtet die Fraktionsmitglieder allerdings dazu, vor Einbringung der Initiative in den Bundestag das Votum der Fraktion abzuwarten. Die Fraktionsmitglieder der SPD-Fraktion bedürfen nach § 6 Abs. 3 SPD-GeschO für Initiativen, die nicht von der Fraktion in den Bundestag eingebracht werden sollen, zunächst der Zustimmung des Vorstands und im Falle der Ablehnung der Zustimmung durch die Fraktionsversammlung. Dies gilt nach § 7 SPD-GeschO auch für die Mitunterzeichnung „fremder“ Gesetzesentwürfe und in Erweiterung der Zustimmungspflicht auch für die Mitunterzeichnung sonstiger fraktionsübergreifender Anträge einschließlich kleiner und großer Anfragen. Dafür ermöglicht § 6 Abs. 2 SPD-GeschO einzelnen Fraktionsmitgliedern die Einbringung von kleinen Anfragen durch die Fraktion mit Zustimmung der zuständigen Arbeitsgruppe, in Eilfällen mit Zustimmung des Sprechers der Arbeitsgruppe und erweitert so die parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten einzelner Abgeordneter. Auch § 13 Abs. 3 GeschO „Die Linke.“ macht die Einbringung kleiner Anfragen nur von der Zustimmung des zuständigen Arbeitskreises abhängig, wobei diese durch die Zustimmung des Vorstandes und diese durch die Zustimmung der Fraktionsversammlung ersetzt werden kann, sieht allerdings im Übrigen für die Einbringung sämtlicher Vorlagen i. S. d. § 75 Abs. 1 und Abs. 2 GeschOBT die Zustimmung sowohl des zuständigen Arbeitskreises, als auch des Vorstands und der Fraktionsversammlung vor, wobei letztlich die Zustimmung der Fraktionsversammlung die Zustimmung aller anderen Beteiligten ersetzen kann. Anders als die SPD-GeschO und die GeschO „Die Linke.“ sieht § 3 Abs. 3 lit. j) GeschO Bündnis 90/Die Grünen lediglich eine rechtzeitige und umfassende Unterrichtung über die Beteiligung an Anträgen aus der Mitte des Bundestages vor, legt aber für fraktionsübergreifende parlamentarische Aktivitäten außer in Fällen der Beteiligung an Initiativen keine Zustimmungspflicht fest. Nur § 1 Abs. 8 FDP-GeschO stellt die Fraktionsmitglieder noch weitergehend von Bin-

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

141

dungen frei. Danach ist generell die (auch fraktionsübergreifende) Einbringung von Vorlagen (s. § 75 GeschOBT) einzelner Mitglieder in den Bundestag lediglich an eine gegenüber dem Vorstand bestehende Unterrichtungspflicht geknüpft. Die Zustimmungs- und größtenteils Unterrichtungspflichten im Zusammenhang mit einer Kooperation von Fraktionsmitgliedern mit anderen als fraktionszugehörigen Abgeordneten sind Ausdruck der Einbindung des Abgeordneten in seine Fraktion und aktualisieren anlassbezogen die damit einhergehenden Loyalitätserwartungen. Diese prozedural anlassbezogene Erinnerung an die innerfraktionellen Loyalitätspflichten wird darüber hinaus nur in wenigen weiteren Einzelfällen für erforderlich gehalten. So regeln alle Fraktionsgeschäftsordnungen, dass Fragen an die Bundesregierung im Sinne der Anlage 4 GeschOBT über die parlamentarische Geschäftsführung einzureichen sind 636. Darüber hinaus verpflichtet § 4 SPD-GeschO die Fraktionsmitglieder zur Verständigung über beabsichtigte Kurzinterventionen im Sinne des § 27 Abs. 2 GeschOBT mit dem zuständigen Sprecher oder anwesenden Mitglied der parlamentarischen Geschäftsführung. Nach § 14 Abs. 2 GeschO „Die Linke.“ sind Pressemitteilungen einzelner Mitglieder auf eigenem Kopfbogen der Pressestelle zur Kenntnis zu geben und nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 FDP-GeschO ist die Nutzung der Pressedienste der Fraktion nur im Benehmen mit dem zuständigen Arbeitskreisvorsitzenden, Obmann oder Sprecher möglich. Nach § 1 Abs. 9 FDP-GeschO sind die Fraktionsmitglieder zur Zahlung eines allgemeinen Fraktionsbeitrags verpflichtet, nach § 11 CDU / CSU-ArbO wird ein Fraktionsbeitrag für Hilfe in Notfällen und für besondere Zwecke erhoben. Ein Sonderfall ist § 26 SPD-GeschO, der auch innerfraktionell zur Zahlung der parteimitgliedschaftlich begründeten Mandatsträgerbeiträge verpflichtet. Die tabellarische Auflistung am Ende von Kapitel B. II. (s. S. 147) fasst die im Vorangegangenen dargestellten Pflichten zum besseren Verständnis in einem vergleichenden Überblick noch einmal zusammen. c) Innerfraktionell konkretisierte Mitgliedschaftsrechte Sämtliche Fraktionsgeschäftsordnungen konkretisieren die Rechtsstellung der Fraktionsmitglieder im Verhältnis zur Fraktion durch Zuerkennung zahlreicher mitgliedschaftlicher Rechte. Aus der Verpflichtung auf eine demokratische Organisation und Arbeitsweise folgt, dass die Fraktionen bei der innerfraktionellen 636 So § 6 Abs. 4 SPD-GeschO, § 20 Abs. 4 CDU / CSU-ArbO, § 16 Abs. 3 GeschO Bündnis 90/Die Grünen und § 13 Abs. 2 GeschO „Die Linke.“; § 1 Abs. 8 FDP-GeschO verlangt, dass die Anfragen der parlamentarischen Geschäftsführung zur Kenntnis gegeben werden.

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte der Fraktionsmitglieder insbesondere dem Status der Freiheit und Gleichheit aller Fraktionsmitglieder sowie dem Minderheitenschutz Rechnung zu tragen haben 637. Die Fraktionsgeschäftsordnungen kommen den daraus resultierenden Anforderungen in durchaus unterschiedlicher Weise nach, sowohl in organisations- und verfahrensrechtlichen Detailfragen, als auch in der Frage der Regelungsdichte. Die eine demokratische Ordnung kennzeichnende Grundaussage, dass die wesentlichen Entscheidungen über die von der Fraktion umzusetzende Politik von der Versammlung der Fraktionsmitglieder zu treffen sind, findet sich in allen Geschäftsordnungen der Bundestagsfraktionen 638. Eine Besonderheit ist § 8 Abs. 4 GeschO Bündnis 90/Die Grünen, der ausdrücklich das Letztentscheidungsrecht der Fraktionsversammlung in allen auch der Beschlussfassung des Vorstandes unterliegenden Fragen regelt 639. Zu den politisch relevanten Entscheidungen zählen nicht nur die Sach-, sondern auch die Personalentscheidungen. Nach allen Fraktionsgeschäftsordnungen erfolgt die Besetzung innerfraktioneller Positionen und die Entsendung von Fraktionsmitgliedern in andere Gremien durch Wahl in der Fraktionsversammlung 640, wobei die gewählten Funktionsträger regelmäßig abhängig vom politischen Vertrauen der Fraktionsmitglieder sind. Dies drückt sich insbesondere für die Wahl des Vorstandes durch eine Vergabe des Amtes auf Zeit aus 641. Außer in der SPDGeschO sind in den Fraktionsgeschäftsordnungen ausdrücklich auch Abwahlmöglichkeiten statuiert. § 14 CDU / CSU-ArbO beschränkt sich darauf, eine Abberufung von Vorstandsmitgliedern und Obleuten näher zu regeln 642. § 14 Abs. 8 GeschO Bündnis 90/Die Grünen lässt neben der Abberufung von Vorstandsmitgliedern ausdrücklich auch den Rückruf von Ausschussmitgliedern durch die 637

s. bereits oben, S. 123 ff. s. § 4 Abs. 1 CDU / CSU-ArbO, § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 FDP-GeschO, § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 GeschO „Die Linke.“, § 4 Abs. 1 und § 5 GeschO Bündnis 90/Die Grünen, § 6 Abs. 1 SPD-GeschO und „Beschluss zum Selbstverständnis“. 639 Das Beschlussprotokoll aller Vorstandssitzungen wird binnen drei Werktagen allen Fraktionsmitgliedern zur Kenntnis gegeben, sofern ein Viertel der Mitglieder innerhalb von vier Tagen Widerspruch einlegt, ist eine Entscheidung der Fraktionsversammlung herbeizuführen. 640 s. § 4 Abs. 2 CDU / CSU-ArbO, § 4 Abs. 3 FDP-GeschO, § 5 lit. b), d), e), f), h) GeschO Bündnis 90/Die Grünen, § 6 Abs. 2 (Vorstand, Revisoren) und § 6 Abs. 3 (Übrige Positionen) GeschO „Die Linke.“, § 5 (Besetzung von Ausschüssen, Gremien, Delegationen u.ä.) und § 14 (Vorstand) SPD-GeschO, wobei durch § 15 Abs. 1 SPD-GeschO jedem einzelnen Mitglied ausdrücklich auch das Vorschlagsrecht eingeräumt wird. 641 Mit Ausnahme der CDU / CSU-ArbO, die allerdings eine Abwahlmöglichkeit ausdrücklich vorsieht, legen die Fraktionsgeschäftsordnungen eine befristete Bestellung der Vorstandsmitglieder fest, s. § 14 SPD-GeschO (24 Monate), § 5 Abs. 2 FDP-GeschO (längstens zwei Jahre; Ausnahme: Mitglieder kraft Amtes), § 7 Abs. 4 GeschO „Die Linke.“ (erst ein Jahr, dann zwei Jahre, dann Rest Wahlperiode), § 14 Abs. 3 GeschO Bündnis 90/Die Grünen (Wahl des geschäftsführenden Vorstandes für 2 Jahre). 638

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

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Fraktionsversammlung zu 643. § 13 Abs. 1 und Abs. 2 FDP-GeschO ebenso wie § 6 Abs. 4 und Abs. 5 GeschO „Die Linke.“ treffen Regelungen für die Abwahl von Vorstandsmitgliedern 644 und die Abberufung aus sachlichem Grund sämtlicher von der Fraktion in Gremien des Bundestages und über den Bundestag in andere Gremien entsandten Mitgliedern, sofern diese nicht durch den Bundestag gewählt wurden 645. Eine der Fraktionsversammlung vorbehaltene personelle Entscheidung ist auch die über den Ausschluss von einzelnen Mitgliedern. In der SPD-GeschO findet der Ausschluss von Mitgliedern keine Erwähnung. Während § 15 CDU / CSU-ArbO lediglich Form- und Verfahrensfragen näher regelt 646, machen die Geschäftsordnungen von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und „Die Linke.“ zusätzlich das Vorliegen eines Ausschlussgrundes zur Voraussetzung des Ausschlusses 647. Darüber hinaus sehen § 16 FDP-GeschO und § 3 GeschO „Die Linke.“ die Möglichkeit vor, dass von dem ausgeschlossenen Mitglied, dem Fraktionsvorstand oder einem Viertel der Mitglieder innerhalb von 48 Stunden nach erfolgtem Ausschluss ein Antrag auf Verbleib gestellt werden kann, dessen Ablehnung der Mehrheit der Mitglieder der Fraktionsversammlung bedarf. 642

Abberufung erfolgt in geheimer Abstimmung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder, mindestens aber der Hälfte der Mitglieder, wobei zwischen dem Antrag auf Abberufung und der Abstimmung eine Karenzzeit von drei Tagen einzuhalten ist. 643 Ein Quorum für die Antragstellung ist nicht festgelegt, so dass wohl jedes Mitglied einen entsprechenden Antrag stellen kann, die Abberufung selbst bedarf der Mehrheit der Mitglieder. 644 Die Abwahl erfolgt nach beiden Geschäftsordnungen durch Mehrheit der Mitglieder, wobei zwischen Antragstellung und Abwahl eine Karenzzeit von 48 Stunden einzuhalten ist. Das Quorum für die Antragstellung ist durch § 13 Abs. 1 FDP-GeschO auf ein Viertel der Mitglieder, durch § 6 Abs. 4 GeschO „Die Linke.“ auf ein Drittel der Mitglieder festgelegt. 645 Quoren und Karenzzeit entsprechen denen der Abwahl von Vorstandsmitgliedern (s. Fn. 644), zusätzlich ist die Anhörung des betroffenen Mitglieds vorgesehen. 646 Die Fraktionsversammlung entscheidet nach allen Mitgliedern bekannt zu gebendem schriftlichen Antrag in geheimer Abstimmung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitglieder, wobei die Abstimmung über den Ausschluss frühestens drei Tage nach Bekanntgabe des Ausschlussantrags erfolgen darf. 647 § 5 lit. k) GeschO Bündnis 90/Die Grünen verlangt als Ausschlussgrund den „Verstoß gegen die von der Fraktion beschlossene Politik in erheblichem und schwerwiegendem Umfang“, über den Ausschluss entscheidet die Versammlung auf schriftlichen Antrag, der von jedem Mitglied gestellt werden kann, mit einer Drei-Viertel-Mehrheit der Mitglieder; sowohl § 16 FDP-GeschO als auch § 3 GeschO „Die Linke.“ lassen den Ausschluss aus wichtigem Grund zu, über den Ausschluss entscheidet die Versammlung nach allen Mitgliedern bekannt zu gebendem Antrag und nach Anhörung des betroffenen Mitglieds mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitglieder, wobei die Abstimmung über den Ausschluss frühestens 48 Stunden nach Bekanntgabe des Ausschlussantrags erfolgen darf. Das Quorum für die Antragstellung beträgt nach der FDP-GeschO ein Viertel und nach der GeschO „Die Linke.“ ein Drittel der Mitglieder.

144

B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Insbesondere dem Recht auf Beteiligung an den wesentlichen Sachentscheidungen der Fraktion verhelfen zahlreiche geschäftsordnungsmäßig zuerkannte innerfraktionelle Mitwirkungsrechte zu seiner Wirksamkeit. Dazu zählt beispielsweise das in allen Geschäftsordnungen der Bundestagsfraktionen geregelte Recht auf Einberufung einer außerordentlichen Fraktionssitzung, das nach § 13 Abs. 2 SPD-GeschO und nach § 3 Abs. 1 FDP-GeschO den Antrag eines Viertels der Mitglieder, nach § 5 Abs. 1 GeschO „Die Linke.“ eines Drittels der Mitglieder, nach § 4 Abs. 3 GeschO Bündnis 90/Die Grünen eines Viertels der Mitglieder oder eines Arbeitskreises und nach § 3 Abs. 1 CDU / CSU-ArbO eines Drittels der Mitglieder oder eines Arbeitskreises voraussetzt. Die Beteiligung von mindestens der Hälfte der Mitglieder an der Beschlussfassung in der Fraktionsversammlung kann nach § 9 SPD-GeschO, § 5 Abs. 6 GeschO „Die Linke.“ und § 4 Abs. 6 GeschO Bündnis 90/Die Grünen durch einen Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit durch jedes einzelne Mitglied sichergestellt werden. Nach § 8 Abs. 1 FDP-GeschO ist die Beschlussfähigkeit an Tagen mit Präsenzpflicht fingiert, im Übrigen ist die Beschlussfähigkeit auf Antrag eines einzelnen Mitglieds ebenfalls ausdrücklich festzustellen. Lediglich die CDU / CSU-ArbO trifft keine Regelung zum Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit, § 12 Abs. 6 CDU / CSU-ArbO geht generell von der Beschlussfähigkeit der Versammlung an Tagen mit Präsenzpflicht und im Übrigen bei Einhaltung der 3-tägigen Ladungsfrist aus. Sowohl § 3 Abs. 3 CDU / CSU-ArbO als auch § 4 Abs. 2 GeschO Bündnis 90/Die Grünen haben die Möglichkeit zur Änderung beziehungsweise Erweiterung der Tagesordnung mit einfacher Mehrheit ausdrücklich geregelt. Nach § 8 Abs. 1 SPD-GeschO kann von 5 % der Mitglieder ein Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt werden. § 5 Abs. 4 GeschO „Die Linke.“ schreibt das aus der Mitgliedschaft folgende Rederecht in Sitzungen ausdrücklich fest und überantwortet eine Regelung der Redezeitbegrenzung der Beschlussfassung durch die Fraktionsversammlung. Auch das für ein innerfraktionelles demokratisches Mitentscheiden unabdingbare Recht auf Zugang zu Informationen hat in den Geschäftsordnungen Niederschlag gefunden. In grundsätzlicher Ausgestaltung findet es in § 3 Abs. 2 GeschO Bündnis 90/Die Grünen Berücksichtigung, der das Recht auf umfassende Information durch Arbeitskreiskoordinatoren und wissenschaftliche Koordinatoren sowie die Unterstützung der Fraktionsmitglieder durch Pressestelle und Justitiariat festlegt. Darüber hinaus gewährleistet § 4 Abs. 1 GeschO Bündnis 90/Die Grünen durch Zuleitung der Beschlussvorlagen bereits zwei Tage vor Sitzungsbeginn, dass sich die Fraktionsmitglieder über die zur Entscheidung anstehenden Sachfragen inhaltlich noch weitergehend informieren können. Nach § 5 Abs. 2 GeschO „Die Linke.“ werden Tagesordnung und Beschlussvorlagen immerhin noch einen Tag vor Sitzungsbeginn zugeleitet. Nach den übrigen Geschäftsordnungen ist eine Vorlage bei Sitzungsbeginn ausreichend. Die Möglichkeit zur rechtzeitigen und umfassenden Information wird den Fraktionsmitgliedern im Übrigen auch auf andere Weise gegeben. So können nach § 6 Abs. 1 GeschO Bündnis 90/Die Grü-

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft

145

nen alle Fraktionsmitglieder mit beratender Stimme an allen Sitzungen aller Arbeitsgruppen mitwirken, wobei nach § 6 Abs. 4 GeschO Bündnis 90/Die Grünen sichergestellt ist, dass die Tagesordnungen der Arbeitskreise allen Fraktionsmitgliedern zur Kenntnis gelangen. In gleicher Weise ist dieses Informations- und Mitwirkungsrecht in § 8 Abs. 1 und Abs. 5 CDU / CSU-ArbO geregelt. Auch nach § 24 SPD-GeschO sind alle Fraktionsmitglieder zur Teilnahme an allen Sitzungen aller Querschnitts- und Arbeitsgruppen berechtigt. Lediglich § 7 Abs. 5 FDPGeschO überlässt es der Entscheidung der jeweiligen Arbeitskreise und -gruppen, über die Teilnahmeberechtigung an Sitzungen selbst zu entscheiden. Eine Besonderheit stellt § 10 Abs. 3 CDU / CSU-ArbO dar, demzufolge jedem Mitglied auf Wunsch Einblick in die einzelnen Positionen des Haushalts zu geben ist. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 FDP-GeschO ist jedes Mitglied zur Nutzung der Pressedienste im Benehmen mit dem zuständigen Arbeitskreisvorsitzenden, Obmann oder Sprecher berechtigt. Ausdruck einer minderheitenschützenden und die offene Diskussion in der Fraktionsversammlung fördernden Information der Fraktionsmitglieder ist § 12 Abs. 1 SPD-GeschO, demzufolge der Bericht über Beratungen im Fraktionsvorstand auch abweichende Auffassungen darstellen muss. Soweit die Fraktionsgeschäftsordnungen besondere innerfraktionelle Pflichten an die dem einzelnen Abgeordneten unmittelbar eingeräumten Rechte auf Teilhabe am parlamentarischen Willensbildungsprozess knüpfen 648, beinhaltet dies zwar eine Beschränkung der Abgeordnetenrechte, die jedoch zugleich die innerfraktionellen Rechte des Mitglieds konkretisiert. Im zugelassenen Umfang stellt sich daher die Regelung der „außerfraktionellen“ Wahrnehmung von Rechten durch den Abgeordneten auch als Ausgestaltung von Mitgliedschaftsrechten dar. Wenn die nicht über die Fraktion vermittelte Mandatsausübung in Gestalt der Kooperation mit anderen Fraktionen beziehungsweise mit nicht fraktionsangehörigen Abgeordneten, die Wahrnehmung von jedem einzelnen Abgeordneten im parlamentarischen Geschäftsgang eingeräumten Befugnissen oder die persönliche Öffentlichkeitsarbeit vereinzelt an Zustimmungsvorbehalte und überwiegend an Unterrichtungs- und Verständigungspflichten geknüpft wird, so wird damit die innerfraktionelle Rechtsstellung des Fraktionsmitgliedes um das jeweilige Recht auf „fraktionsunabhängige“ Mandatsausübung erweitert. Dies betrifft etwa das auch innerfraktionell gewährte Recht, Fragen im Sinne der Anlage 4 GeschOBT an die Bundesregierung zu richten 649, das Recht auf Beteiligung an fraktionsübergreifenden Initiativen 650 und sonstigen Anträgen 651, das Recht zur Kurzin648

s. dazu bereits oben, S. 137 ff. Wenn auch nur über die parlamentarische Geschäftsführung der Fraktion: s. § 6 Abs. 4 SPD-GeschO, § 20 Abs. 4 CDU / CSU-ArbO, § 1 Abs. 8 FDP-GeschO, § 13 Abs. 2 GeschO „Die Linke.“, § 16 Abs. 3 GeschO Bündnis 90/Die Grünen. 650 Geknüpft an einen Zustimmungsvorbehalt: § 7 SPD-GeschO, § 20 Abs. 3 CDU / CSU-ArbO, § 16 Abs. 4 GeschO Bündnis 90/Die Grünen, § 13 Abs. 3 GeschO „Die Linke.“; geknüpft an Mitteilungspflichten: § 1 Abs. 8 FDP-GeschO. 649

146

B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

tervention im Sinne des § 27 Abs. 2 GeschOBT 652 und das Recht auf Öffentlichkeitsarbeit des einzelnen Mitglieds 653. Das innerfraktionell gewährte Recht zur Einbringung von kleinen Anfragen einzelner Abgeordneter durch die Fraktion mit Zustimmung der Arbeitsgruppe beziehungsweise des Arbeitskreises ist gleichzeitig auch eine Erweiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Abgeordneten im parlamentarischen Geschäftsgang 654, da entsprechende Vorlagen nach §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 1 GeschOBT grundsätzlich nur von einer Fraktion oder von fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages eingereicht werden können. Spezifisch minderheitenschützenden Charakter hat das nach allen Fraktionsgeschäftsordnungen grundsätzlich zulässige Abweichen von der Fraktionsmehrheit bei der Stimmabgabe im Bundestag 655. Darüber hinausgehende, die öffentliche Darstellung von Minderheitenpositionen betreffende Regelungen enthalten lediglich die Geschäftsordnungen der SPD-Fraktion und der Fraktion „Die Linke.“. Die eigene, von der Fraktionsmehrheit abweichende Meinung auch in der Öffentlichkeit zu vertreten, ist als Recht des einzelnen Fraktionsmitglieds grundsätzlich anzuerkennen. Die SPD-GeschO verpflichtet in dem angefügten „Beschluss zum Selbstverständnis“ Mehrheit wie Minderheit lediglich zu einem sachlichen und fairen Umgang in der öffentlichen Auseinandersetzung. Nach § 2 Abs. 7 GeschO „Die Linke.“ hat auch die innerfraktionelle Minderheit ein Recht auf Veröffentlichung ihrer Mindermeinung in den Fraktionspublikationen, sofern diese von 20 % der Mitglieder gestützt wird, bei geringerer Unterstützung entscheidet der Vorstand. Über die Zuteilung von Redezeiten für abweichende Meinungen im Bundestag entscheidet nach § 13 Abs. 5 GeschO „Die Linke.“ die Fraktionsversammlung mit Mehrheit. Einen vergleichenden Überblick über die Mitgliedschaftsrechte gibt Tabelle 2 (S. 151). 651 Geknüpft an einen Zustimmungsvorbehalt: § 7 SPD-GeschO; geknüpft an Mitteilungspflichten: § 3 Abs. 3 lit. j) GeschO Bündnis 90/Die Grünen. 652 In Abhängigkeit von der vorherigen Verständigung mit dem zuständigen Sprecher oder anwesenden Mitglied der parlamentarischen Geschäftsführung, s. § 4 SPD-GeschO. 653 § 14 Abs. 2 GeschO „Die Linke.“ verpflichtet einzelne Mitglieder, Pressemitteilungen auf eigenem Kopfbogen der Pressestelle zur Kenntnis zugeben; nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 FDP-GeschO erfolgt die Nutzung der Pressedienste der Fraktion im Benehmen mit dem zuständigen Arbeitskreisvorsitzenden, Obmann oder Sprecher. 654 So nach § 6 Abs. 2 SPD-GeschO und nach § 13 Abs. 3 GeschO „Die Linke.“. 655 Die abweichende Stimmabgabe ist generell an Unterrichtungspflichten geknüpft. Weitestgehende Freistellung erfolgt durch den als Soll-Vorschrift ausgestalteten § 1 Abs. 7 FDP-GeschO, der zudem auf ein Abweichen in „wichtigen Fragen“ beschränkt ist. § 17 Abs. 1 CDU / CSU-ArbO sieht eine generelle Pflicht zur Unterrichtung bei einem Abweichen in „wichtigen Fragen“ vor. Eine uneingeschränkte Unterrichtungspflicht statuiert § 3 Abs. 3 lit. k) GeschO Bündnis 90/Die Grünen. Die SPD-GeschO erkennt in dem „Beschluss zum Selbstverständnis“ grundsätzlich die Legitimität eines Abweichens in „Gewissensfragen“ an. § 2 Abs. 7 GeschO „Die Linke.“ setzt nicht nur rechtzeitige Unterrichtung, sondern auch vorherige innerfraktionelle Diskussion voraus.

Anerkennung Mehrheitsentscheidungen

„Beschluss zum Selbstverständnis“ (geschlossenes Vertreten der nach gründlicher Diskussion durch Abstimmung getroffenen Entscheidungen; rechtzeitige Mitteilung über im Plenum beabsichtigte Redebeiträge und Erklärungen sowie beabsichtigte abweichende Stimmabgabe spätestens in der der Abstimmung vorausgehenden Fraktionssitzung)

SPD-GeschO i. d. F. vom 03. 06. 1997 § 2 Abs. 7 (rechtzeitige Unterrichtung über beabsichtigte abweichende Stimmabgabe; vorherige innerfraktionelle Diskussion); § 13 Abs. 5 (Redebeiträge im Plenum grundsätzlich nur Mehrheitsmeinung)

GeschO „Die Linke.“ i. d. F. vom 06. 09. 2007 § 3 Abs. 3 lit. k) (Unterrichtung über beabsichtigte abweichende Stimmabgabe bis zum Vortag der Abstimmung, 16.00 Uhr)

GeschO Bündnis 90/Die Grünen i. d. F. vom 05. 09. 2007 § 17 Abs. 1 (Mitteilung über beabsichtigte abweichende Stimmabgabe in wichtigen Fragen bis zum Vortag der Abstimmung, 17.00 Uhr)

CDU / CSUArbO i. d. F. vom 28. 11. 2005

(verkürzte Darstellung, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

Tabelle 1 Auflistung innerfraktionell konkretisierter Abgeordnetenpflichten

Fortsetzung nächste Seite

§ 1 Abs. 7 (Unterrichtung über beabsichtigte abweichende Stimmabgabe in wichtigen Fragen; Soll-Vorschrift)

FDP-GeschO i. d. F. vom 26. 10. 2009

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft 147

§ 2 Abs. 3

§ 2 Abs. 1

§ 2 Abs. 4 und 6

Pflicht zur Teilnahme an Plenar- und Ausschusssitzungen

Ständige Erreichbarkeit

§ 3 Abs. 3 lit. g)

§ 3 Abs. 3 lit. c)

§ 3 Abs. 3 lit. a)

GeschO „Die Linke.“ GeschO Bündnis 90/ Die Grünen

§ 2 Abs. 3

SPD-GeschO

Pflicht zur Teilnahme § 2 Abs. 1 an Fraktionssitzungen

Fortsetzung Tabelle 1

FDP-GeschO

§ 18 Abs. 2 lit. b)

§ 18 Abs. 1; § 1 Abs. 4 § 17 Abs. 3 (Abwesenheit bei namentlicher Abstimmung: Benennung in der folgenden Fraktionssitzung unter Angabe der Entschuldigungsgründe, Weiterleitung an Partei); § 18 Abs. 2 lit. d) (Anwesenheitspflicht bei Beratung der vom Mitglied eingebrachten Initiativen)

§ 18 Abs. 1; § 1 Abs. 4; § 18 Abs. 2 lit. a) (Anwe- § 1 Abs. 5 (Anwesensenheitslisten); heitslisten) § 18 Abs. 2 lit. d) (Anwesenheits- und Mitwirkungspflicht bei Beratung der vom Mitglied eingebrachten Initiativen)

CDU / CSU-ArbO

148 B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Zustimmungsvorbehalte

§ 2 Abs. 1 und 5 (Urlaub und Abwesenheit von Plenarsitzungen); § 6 Abs. 2 (Einbringung von kleinen Anfragen einzelner Abgeordneter durch die Fraktion mit Zustimmung Arbeitsgruppe, in Eilfällen Sprecher der Arbeitsgruppe); § 6 Abs. 3 (Einbringung von anderen Initiativen in BT mit Zustimmung Vorstand, bei Ablehnung Fraktionsversammlung); § 7 (Mitunterzeichnung von fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfen und sonstigen Anträgen wie § 6 Abs. 3)

SPD-GeschO § 2 Abs. 6 S. 2 (Dienstliche Auslandsreisen) § 13 Abs. 3 (Einbringung von Vorlagen i. S. d. § 75 Abs. 1 und 2 GeschOBT in jedem Fall mit Zustimmung Fraktionsversammlung); Einbringung von kleinen Anfragen i. S. d. § 75 Abs. 3 GeschOBT mit Zustimmung des zuständigen Arbeitskreises; Zustimmung Vorstand kann Zustimmung Arbeitskreis ersetzen; Zustimmung Fraktionsversammlung kann Zustimmung Vorstand ersetzen)

GeschO „Die Linke.“ § 3 Abs. 3 lit. d) (nicht krankheitsbedingte Abwesenheit bei Plenarsitzungen); § 3 Abs. 3 lit. e) (Vorzeitiges Verlassen von Plenarsitzungen); § 16 Abs. 4 (Anzeige Beteiligung an fraktionsübergreifenden Initiativen, vor Einbringung Votum der Fraktion abwarten)

GeschO Bündnis 90/ Die Grünen

FDP-GeschO

Fortsetzung nächste Seite

§ 18 Abs. 3 (Zustimmung bei vorzeitigem Verlassen von Plenarsitzungen und Eintragung in Liste beurlaubter Mitglieder); § 20 Abs. 3 (Anzeige Beteiligung an fraktionsübergreifenden Initiativen, vor Einbringung Votum der Fraktion abwarten)

CDU / CSU-ArbO

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft 149

§ 2 Abs. 2 und 5 (Mitteilung bei krankheitsbedingter Abwesenheit) § 4 (Verständigung über beabsichtigte Kurzintervention i. S. d. § 27 Abs. 2 GeschOBT mit dem zuständigen Sprecher oder anwesenden Mitglied der parlamentarischen Geschäftsführung); § 6 Abs. 4 (Fragen für Fragestunde i.s.d. Anlage 4 GeschOBT über parlamentarische Geschäftsführung)

§ 26 (Sonderbeitrag an Partei)

Beitragspflichten

SPD-GeschO

Mitteilungs-, Anzeige-, Unterrichtungs- und Verständigungspflichten (mit Ausnahme der unter „Anerkennung Mehrheitsentscheidungen“ genannten)

Fortsetzung Tabelle 1

§ 2 Abs. 4 (Mitteilung bei Abwesenheit von einzelnen Sitzungen); § 2 Abs. 6 S. 1 (Mitteilung Urlaub); § 13 Abs. 2 (Einbringung von Anfragen i.s.d. Anlage 4 GeschOBT nach Gegenzeichnung über parlamentarische Geschäftsführung); § 14 Abs. 2 (Pressemitteilungen einzelner Mitglieder auf eigenem Kopfbogen der Pressestelle zur Kenntnis)

GeschO „Die Linke.“ § 3 Abs. 3 lit. b), d) und f) (rechtzeitige Mitteilung bei Abwesenheit von Fraktions- sowie bei krankheitsbedingter Abwesenheit von Plenar- und Ausschusssitzungen); § 3 Abs. 3 lit. h) (Abstimmung dienstlicher Auslandsreisen mit parlamentarischer Geschäftsführung); § 3 Abs. 3 lit. i) (rechtzeitige Unterrichtung Urlaubsgesuch); § 3 Abs. 3 lit. j) (rechtzeitige und umfassende Unterrichtung über Beteiligung an Anträgen aus der Mitte des Bundestages); § 16 Abs. 4 (Anzeige Beteiligung an fraktionsübergreifenden Initiativen, vor Einbringung Votum der Fraktion abwarten); § 16 Abs. 3 (Einbringung von Anfragen i.s.d. Anlage 4 GeschOBT über parlamentarische Geschäftsführung)

GeschO Bündnis 90/Die Grünen § 1 Abs. 5 (rechtzeitige Mitteilung bei Abwesenheit); § 1 Abs. 8 (SollVorschrift: Unterrichtung Vorstand vor Einbringung von Vorlagen einzelner Mitglieder, Anfrage gem. Anlage 4 GeschOBT der parlamentarischen Geschäftsführung zur Kenntnis); § 14 Abs. 2 Nr. 5 (Nutzung der Pressedienste im Benehmen mit zuständigem Arbeitskreisvorsitzenden, Obmann oder Sprecher)

FDP-GeschO

§ 11 (Fraktionsbeitrag Notfälle, § 1 Abs. 9 (allg. bes. Zwecke) Fraktionsbeitrag)

§ 8 Abs. 6 (rechtzeitige Mitteilung bei Abwesenheit von Arbeitsgruppen- und Ausschusssitzungen); § 18 Abs. 2 lit. b) und c) (rechtzeitige Entschuldigung bei Abwesenheit von Fraktions- und Plenarsitzungen); § 20 Abs. 3 (Anzeige Beteiligung an fraktionsübergreifenden Initiativen, vor Einbringung Votum der Fraktion abwarten); § 20 Abs. 4 (Einbringung von Anfragen i.s.d. Anlage 4 GeschOBT über parlamentarische Geschäftsführung)

CDU / CSU-ArbO

150 B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Wesentliche Entscheidungen in Fraktionsversammlung

„Beschluss zum Selbstverständnis“ (Fraktion vertritt sozialdemokratische Politik, indem sie nach gründlicher Diskussion in Arbeitsgruppen, Querschnittsgruppen, im Fraktionsvorstand und in der Gesamtfraktion ihre Entscheidungen durch Abstimmung trifft) § 6 Abs. 1 SPD-GeschO (Fraktion beschließt über die Einbringung von Gesetzentwürfen und sonstigen Anträgen sowie von Großen Anfragen und von Kleinen Anfragen)

§ 5 Abs. 1 (Beratung aller wesentlichen politischen Vorgänge in der Fraktionsversammlung); § 6 Abs. 1 (Fraktion entscheidet über ihre Politik)

SPD-GeschO i. d. F. vom GeschO „Die 03. 06. 1997 Linke.“ i. d. F. vom 06. 09. 2007 § 4 Abs. 1 (Fraktionsversammlung entscheidet über parlamentarische und politische Arbeit, über den Fraktionshaushalt und den Stellenplan, detaillierte Aufgaben in § 5) § 8 Abs. 4 (Zuleitung Beschlussprotokoll aller Vorstandssitzungen binnen 3 Werktagen an alle Fraktionsmitglieder; bei Widerspruch innerhalb von 4 Tagen von einem Viertel der Mitglieder Entscheidung durch Versammlung)

§ 4 Abs. 1 (Fraktionsversammlung beschließt über Politik)

GeschO Bündnis 90/ CDU / CSUDie Grünen i. d. F. vom ArbO i. d. F. vom 05. 09. 2007 28. 11. 2005

(verkürzte Darstellung, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

Tabelle 2 Auflistung innerfraktionell konkretisierter Abgeordnetenrechte

Fortsetzung nächste Seite

§ 3 Abs. 1 (Beratung aller wesentlichen politischen Vorgänge in der Fraktionsversammlung); § 4 Abs. 1 (Fraktion entscheidet über ihre Politik)

FDP-GeschO i. d. F. vom 26. 10. 2009 II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft 151

Wahlen / Abwahlen

§ 5 (Besetzung von Ausschüssen, Gremien, Delegationen u.ä. durch Wahl der Versammlung; Vorschlagsrecht: jedes Mitglied) § 14 SPD-GeschO (Wahl des Vorstandes durch Versammlung auf Zeit: 24 Monate) § 15 Abs. 1 (Vorschlagsrecht Wahl Vorstand: jedes Mitglied)

SPD-GeschO

Fortsetzung Tabelle 2

§ 6 Abs. 2 (Wahl des Vorstandes und der Revisoren durch Versammlung) § 7 Abs. 4 (Wahl des Vorstandes auf Zeit: erst 1 Jahr, dann zwei Jahre, dann Rest Wahlperiode); § 6 Abs. 3 (Versammlung bestimmt die Besetzung der übrigen Positionen und wählt nur in dem Fall, dass es mehrere Kandidaten gibt) § 6 Abs. 4 (Abberufung Vorstandsmitglied durch Fraktionsversammlung; Quorum für Antrag: ein Drittel der Mitglieder; Quorum für Abwahl: Mehrheit der Mitglieder; Karenz: 48 Stunden) § 6 Abs. 5 (Abberufung aus sachlichem Grund von BT-Präsidiums-, Ältestenrat-, BT-Ausschuss- und BT-Gremien-Mitgliedern sowie über den BT in andere Gremien entsandten Mitgliedern, sofern nicht vom BT gewählt; Quoren und Karenz wie § 6 Abs. 4, zusätzlich Anhörung betroffenes Mitglied)

GeschO „Die Linke.“ § 5 lit. b), d), e), f), h) (Besetzung von Positionen durch Wahl der Versammlung) § 14 Abs. 3 (Wahl des geschäftsführenden Vorstandes auf Zeit: 2 Jahre) § 14 Abs. 8 (Abberufung Vorstands- oder Ausschussmitglieder durch Fraktionsversammlung; Quorum für Antrag: nicht festgelegt, daher wohl jedes Mitglied; Quorum für Abwahl: Mehrheit der Mitglieder)

§ 4 Abs. 2 (Besetzung von Positionen durch Wahl der Versammlung) § 14 (Abberufung Vorstandsmitglieder und Obleute in geheimer Abstimmung; Quorum für Antrag: nicht festgelegt, daher wohl jedes Mitglied; Quorum für Abberufung: zwei Drittel der anwesenden Mitglieder, mindestens Hälfte der Mitglieder; Karenz: 3 Tage)

GeschO Bündnis CDU / CSU90/Die Grünen ArbO § 4 Abs. 3 (Besetzung von Positionen durch Wahl der Versammlung) § 5 Abs. 2 (Wahl des Vorstandes auf Zeit: längstens zwei Jahre; Ausnahme: Mitglieder kraft Amtes) § 13 Abs. 1 (Abberufung Vorstandsmitglied; Quorum für Antrag: Viertel der Mitglieder; Quorum für Abwahl: Mehrheit der Mitglieder; Karenz: 48 Stunden) § 13 Abs. 2 (Abberufung aus sachlichem Grund von BT-Gremien- und Ausschussmitgliedern sowie über den BT in andere Gremien entsandten Mitgliedern, sofern nicht vom BT gewählt; Quoren und Karenz wie § 13 Abs. 1, zusätzlich Anhörung betroffenes Mitglied)

FDP-GeschO

152 B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Ausschluss von Mitgliedern (zum genauen Wortlaut der Regelungen s. unten, S. 209 ff.)

§ 3 (Ausschluss aus wichtigem Grund, Versammlung entscheidet nach allen Mitgliedern bekannt zu gebenden Antrag und nach Anhörung des betroffenen Mitglieds; Quorum für Antrag: Drittel der Mitglieder; Quorum für Ausschluss: zwei Drittel der Mitglieder; Karenz: frühestens 48 Stunden nach Bekanntgabe; Antrag auf Verbleib nach Ausschluss innerhalb von 48 Stunden möglich, mögliche Antragsteller: ausgeschlossenes Mitglied, Fraktionsvorstand oder Viertel der Mitglieder; Quorum für Ablehnung: Mehrheit der Mitglieder)

SPD-GeschO GeschO „Die Linke.“ § 5 lit. k) (Ausschlussgrund: Verstoß gegen die von der Fraktion beschlossene Politik in erheblichem und schwerwiegendem Umfang; Versammlung entscheidet auf schriftlichen Antrag; Quorum für Antrag: einzelnes Mitglied; Quorum für Ausschluss: drei Viertel der Mitglieder)

GeschO Bündnis 90/Die Grünen § 15 (Versammlung entscheidet nach allen Mitgliedern bekannt zu gebenden schriftlichen Antrag in geheimer Abstimmung; Quorum: zwei Drittel der Mitglieder; Karenz: 3 Tage zwischen Bekanntgabe und Abstimmung)

CDU / CSU-ArbO

Fortsetzung nächste Seite

§ 16 (Ausschluss aus wichtigem Grund, Versammlung entscheidet nach allen Mitgliedern bekannt zu gebenden Antrag und nach Anhörung des betroffenen Mitglieds; Quorum für Antrag: Viertel der Mitglieder; Quorum für Ausschluss: zwei Drittel der Mitglieder; Karenz: frühestens 48 Stunden nach Bekanntgabe; Antrag auf Verbleib nach Ausschluss innerhalb von 48 Stunden möglich, mögliche Antragsteller: ausgeschlossenes Mitglied, Fraktionsvorstand oder Viertel der Mitglieder; Quorum für Ablehnung: Mehrheit der Mitglieder)

FDP-GeschO

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft 153

Innerfraktionelle Mitwirkungsrechte

§ 8 Abs. 1 (Antrag auf namentliche Abstimmung; Quorum: 5 %) § 9 (Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit; Quorum: einzelnes Mitglied) § 13 Abs. 2 (Einberufung außerordentliche Fraktionssitzung; Quorum: Viertel der Mitglieder) § 24 (alle Fraktionsmitglieder sind bei allen Sitzungen aller Querschnittsund Arbeitsgruppen teilnahmeberechtigt)

SPD-GeschO

Fortsetzung Tabelle 2

§ 5 Abs. 1 (Einberufung außerordentliche Fraktionssitzung; Quorum: Drittel der Mitglieder) § 5 Abs. 2 (Zuleitung Tagesordnung und Beschlussvorlagen einen Tag vor Sitzungsbeginn) § 5 Abs. 4 (Rederecht in Sitzungen, Redezeitbegrenzung durch Beschluss der Fraktionsversammlung) § 5 Abs. 6 (Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit; Quorum: einzelnes Mitglied)

GeschO „Die Linke.“ § 3 Abs. 2 (Recht auf umfassende Information durch Arbeitskreiskoordinatoren und wiss. Koordinatoren; Unterstützung durch Pressestelle und Justitiariat) § 4 Abs. 1 (Zuleitung Beschlussvorlagen zwei Tage vor Sitzungsbeginn) § 4 Abs. 2 (Änderung Tagesordnung; Quorum: Mehrheit) § 4 Abs. 3 (Einberufung außerordentliche Fraktionssitzung; Quorum: Viertel der Mitglieder oder Antrag Arbeitskreis) § 4 Abs. 6 (Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit; Quorum: einzelnes Mitglied) § 6 Abs. 1 (alle Fraktionsmitglieder können mit beratender Stimme bei allen Sitzungen aller Arbeitskreise mitwirken) § 6 Abs. 4 (Tagesordnungen der Arbeitskreise zur Kenntnis aller Fraktionsmitglieder) § 8 Abs. 4 (Zuleitung Beschlussprotokoll aller Vorstandssitzungen binnen 3 Werktagen an alle Fraktionsmitglieder; bei Widerspruch innerhalb von 4 Tagen von einem Viertel der Mitglieder Entscheidung durch Versammlung)

GeschO Bündnis 90/Die Grünen § 3 Abs. 1 (Einberufung außerordentliche Fraktionssitzung; Quorum: Drittel der Mitglieder oder Antrag Arbeitskreis) § 3 Abs. 3 (Erweiterung Tagesordnung; Quorum Mehrheit) § 8 Abs. 1 (Jedes Mitglied kann an allen Arbeitsgruppen mit beratender Stimme mitwirken) § 8 Abs. 5 (Tagesordnungen der Arbeitsgruppen werden allen Mitgliedern mitgeteilt) § 10 Abs. 3 (Jedem Mitglied ist auf Wunsch Einblick in die einzelnen Positionen des Haushalts zu geben) § 12 Abs. 6 (Beschlussfähigkeit fingiert an Tagen mit Präsenzpflicht und bei Einhaltung der 3-tägigen Ladungsfrist)

CDU / CSU-ArbO § 3 Abs. 1 (Einberufung außerordentliche Fraktionssitzung; Quorum: Viertel der Mitglieder) § 7 Abs. 5 (Über die Teilnahmeberechtigung an Sitzungen der Arbeitskreise und -gruppen entscheiden diese selbst) § 8 Abs. 1 (Beschlussfähigkeit fingiert an Tagen mit Präsenzpflicht, im Übrigen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend; Quorum für Antrag auf Feststellung: einzelnes Mitglied); § 14 Abs. 2 Nr. 5 (Nutzung der Pressedienste im Benehmen mit zust. Arbeitskreisvorsitzenden, Obmann oder Sprecher)

FDP-GeschO

154 B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Wahrnehmung unmittelbarer parlamentarischer Abgeordnetenrechte

§ 4 (Verständigung über beabsichtigte Kurzintervention i. S. d. § 27 Abs. 2 GeschOBT mit dem zuständigen Sprecher oder anwesenden Mitglied der parlamentarischen Geschäftsführung) § 6 Abs. 2 (Einbringung von kleinen Anfragen einzelner Abgeordneter durch die Fraktion mit Zustimmung Arbeitsgruppe, in Eilfällen Sprecher der Arbeitsgruppe) § 6 Abs. 3 (Einbringung von anderen Initiativen in BT mit Zustimmung Vorstand, bei Ablehnung Fraktionsversammlung) § 6 Abs. 4 (Fragen für Fragestunde i.s.d. Anlage 4 GeschOBT über parlamentarische Geschäftsführung) § 7 (Mitunterzeichnung von fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfen und sonstigen Anträgen wie § 6 Abs. 3)

SPD-GeschO § 13 Abs. 3 (Einbringung von Vorlagen i. S. d. § 75 Abs. 1 und 2 GeschOBT in jedem Fall mit Zustimmung Fraktionsversammlung; Einbringung von kleinen Anfragen i. S. d. § 75 Abs. 3 GeschOBT mit Zustimmung des zuständigen Arbeitskreises; Zustimmung Vorstand kann Zustimmung Arbeitskreis ersetzen; Zustimmung Fraktionsversammlung kann Zustimmung Vorstand ersetzen) § 13 Abs. 2 (Einbringung von Anfragen i.s.d. Anlage 4 GeschOBT nach Gegenzeichnung über parlamentarische Geschäftsführung) § 14 Abs. 2 (Pressemitteilungen einzelner Mitglieder auf eigenem Kopfbogen der Pressestelle zur Kenntnis)

GeschO „Die Linke.“ § 3 Abs. 3 lit. j) (rechtzeitige und umfassende Unterrichtung über Beteiligung an Anträgen aus der Mitte des Bundestages); § 16 Abs. 4 (Anzeige Beteiligung an fraktionsübergreifenden Initiativen, vor Einbringung Votum der Fraktion abwarten); § 16 Abs. 3 (Einbringung von Anfragen i.s.d. Anlage 4 GeschOBT über parlamentarische Geschäftsführung)

GeschO Bündnis 90/Die Grünen § 20 Abs. 3 (Anzeige Beteiligung an fraktionsübergreifenden Initiativen, vor Einbringung Votum der Fraktion abwarten) § 20 Abs. 4 (Einbringung von Anfragen i.s.d. Anlage 4 GeschOBT über parlamentarische Geschäftsführung)

CDU / CSUArbO

Fortsetzung nächste Seite

§ 1 Abs. 8 (SollVorschrift: Unterrichtung Vorstand vor Einbringung von Vorlagen einzelner Mitglieder, Anfrage gem. Anlage 4 GeschOBT der parlamentarischen Geschäftsführung zur Kenntnis) § 14 Abs. 2 Nr. 5 (Nutzung der Pressedienste im Benehmen mit zust. Arbeitskreisvorsitzenden, Obmann oder Sprecher)

FDP-GeschO

II. Ausgestaltung der Mitgliedschaft 155

SPD-GeschO

Abweichen von Frak- „Beschluss zum Selbstvertionsmehrheit ständnis“ (sachliche, faire Darstellung im Plenum und in der Öffentlichkeit der wesentlichen Meinungen und Bedenken der Minderheit durch die Mehrheit und der Mehrheitsentscheidung durch die Minderheit unter Wahrung der eigenen Meinung; rechtzeitige Mitteilung über im Plenum beabsichtigte Redebeiträge und Erklärungen sowie beabsichtigte abweichende Stimmabgabe spätestens in der der Abstimmung vorausgehenden Fraktionssitzung) § 12 Abs. 1 (Bericht über Vorstandsberatungen muss abweichende Auffassungen darstellen)

Fortsetzung Tabelle 2

§ 2 Abs. 7 (rechtzeitige Unterrichtung über beabsichtigtes abweichendes Stimmverhalten; Minderheitenvotum kenntlich machen; vorherige innerfraktionelle Diskussion, die allerdings nach § 6 Abs. 7 durch Zustimmungsbeschluss ohne Debatte im sog. vereinfachten Verfahren im Falle der Zustimmung zu parlamentarischen Vorlagen mit einfacher Mehrheit verhindert werden kann; Veröffentlichung Mindermeinung in Fraktionspublikationen, sofern von 20% der Mitglieder gestützt, ansonsten entscheidet Vorstand); § 13 Abs. 5 (über Zuteilung von Redezeiten für abweichende Meinung entscheidet Versammlung mit Mehrheit)

GeschO „Die Linke.“

§ 3 Abs. 3 lit. k) (Unterrichtung über beabsichtigte abweichende Stimmabgabe bis zum Vortag der Abstimmung 16.00 Uhr)

§ 17 Abs. 1 (Mitteilung über beabsichtigte abweichende Stimmabgabe in wichtigen Fragen bis zum Vortag der Abstimmung, 17.00 Uhr)

GeschO Bünd- CDU / CSUnis 90/Die Grü- ArbO nen § 1 Abs. 7 (Unterrichtung über beabsichtigte abweichende Stimmabgabe in wichtigen Fragen; SollVorschrift)

FDP-GeschO

156 B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

III. Folgen fehlender Mitgliedschaft – Der fraktionslose Abgeordnete

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III. Folgen fehlender Mitgliedschaft – Der fraktionslose Abgeordnete Das Parlament ist die Versammlung der Abgeordneten, ohne sie kann es keine parlamentarische Tätigkeit geben. Allerdings mindert die Bedeutung der Fraktionen als politisches Gliederungsprinzip des Bundestages das Gewicht des einzelnen Abgeordneten entscheidend. Das parlamentarische Leben ist auf die Fraktionen abgestellt, in denen sich zu einem Großteil die parlamentarische Meinungs- und Willensbildung vollzieht 656. Die Schlüsselstellung der Fraktionen im Bundestag zeigt sich vor allem daran, dass die Wahrnehmung zahlreicher parlamentarischer Befugnisse nach der Geschäftsordnung des Bundestages Fraktionsstärke voraussetzt 657. Die durch Einräumung zusätzlicher Handlungsoptionen und Ausstattung der Fraktionen mit Finanz- und Sachmitteln verbesserten parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten der in Fraktionen zusammengeschlossenen Abgeordneten bedingen gleichermaßen eine Schlechterstellung der fraktionslosen Abgeordneten, denen die mit einem fraktionellen Zusammenwirken verbundenen Vorteile eben vorenthalten bleiben. Die zentrale Stellung der Fraktionen lässt einzelne, keiner Fraktion angehörende Abgeordnete zwangsläufig nur eine „parlamentarische Randexistenz“ führen, aber auch fraktionslose Abgeordnete sind keine Abgeordneten „minderen Rechts“ 658. Bei der Ausgestaltung der den einzelnen Abgeordneten aus ihrem verfassungsrechtlichen Status zufließenden Rechte durch die Geschäftsordnung hat der Bundestag zwar einen weiten Gestaltungsspielraum. Dabei hat er allerdings, unter Wahrung des Status der Gleichheit der Abgeordneten, eine Beteiligung aller Abgeordneten an der Repräsentation des Volkes durch das Parlament in der Gesamtheit seiner Mitglieder sicherzustellen 659. Die formal gleiche Beteiligung aller Abgeordneten an der parlamentarischen Arbeit ist sowohl wesentliches Element des Rechtsstatus des Abgeordneten als auch Grundlage der Repräsentationsfunktion des Bundestages 660. Jedoch vermag die Notwendigkeit zur arbeitsteiligen Organisation der parlamentarischen Aufgabenerfüllung sowie die Herstellung und Aufrechterhaltung der Arbeits- und Entscheidungsfähigkeit des Kollektivorgans Parlament eine Schmälerung der Handlungsspielräume einzelner Abgeordneten zugunsten eines in und durch Fraktionen organisierten gemeinschaftlichen Vorgehens einer größeren Anzahl Abgeordneter grundsätzlich zu rechtfertigen 661. Die Mitglied656

Zu den Fraktionsfunktionen s. bereits oben, S. 17 ff. s. bereits oben, S. 21 f. 658 Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 221. 659 So das BVerfG in der grundlegenden, den Status des fraktionslosen Abgeordneten betreffenden „Wüppesahl“-Entscheidung, E 80, 188 (LS 2c, 3a-c); kritisch zu dem der Urteilsbegründung zugrunde liegenden Repräsentationsverständnis Christian Bernzen / Detlef Gottschalck, in: ZParl. 1990, 393 ff. 660 Hans-Heinrich Trute, in: Jura 1990, 184 (188). 657

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

schaftsrechte der Abgeordneten müssen einander zugeordnet und aufeinander abgestimmt werden, um dem Parlament eine sachgerechte Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen. Dabei darf die Mitwirkung des einzelnen Abgeordneten an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Bundestages zwar im einzelnen ausgestaltet und insofern auch eingeschränkt, ihm jedoch grundsätzlich nicht entzogen werden 662. Das jedem einzelnen Abgeordneten zustehende Recht auf Teilnahme an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Bundestages ist bei der personellen und geschäftsgangbezogenen Organisation der Parlamentsarbeit durch die Geschäftsordnung deshalb hinreichend zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zählen zu den wesentlichen Befugnissen des Abgeordneten vor allem das Rede- und das Stimmrecht, die Beteiligung an der Ausübung des Frage- und Informationsrechts des Parlaments, das Recht, sich an den vom Parlament vorzunehmenden Wahlen zu beteiligen und parlamentarische Initiativen zu ergreifen, und schließlich das Recht, sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion zusammenzuschließen 663. Hinsichtlich der dem einzelnen Abgeordneten unter diesen Prämissen konkret erwachsenden Möglichkeiten zur Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung und Entscheidungsfindung ist vor allem die vom Bundesverfassungsgericht für erforderlich aber auch ausreichend erachtete beratende Mitwirkung der fraktionslosen Abgeordneten in zumindest einem parlamentarischen Ausschuss mit Rede- und Antragsrecht bis heute nicht unumstritten. Das Bundesverfassungsgericht sah das Schwergewicht der Mitwirkung des einzelnen Abgeordneten an der Ausschussarbeit auf der Einbringung von Argumenten, auf der Befruchtung der Sachdiskussion durch Rede und Gegenrede, wobei das Antragsrecht Folge und notwendiger Bestandteil des Rederechts sei, hielt es verfassungsrechtlich aber nicht für geboten, dem nichtfraktionsangehörigen Abgeordneten im Ausschuss ein – notwendigerweise überproportional wirkendes – Stimmrecht zu geben 664. Schon innerhalb des entscheidenden Senats konnten sich zwei Bundesverfassungsrichter dieser Ansicht – mit unterschiedlichem Ergebnis – nicht anschließen. Einem Sondervotum zufolge führt die Gliederung des Bundestages in Fraktionen dazu, dass die Ausschussmitgliedschaft eines Abgeordneten nur unter Vermittlung einer Fraktion verwirklicht werden kann 665. Das andere, in der Literatur vielfach Zustimmung erntende Sondervotum trat dem Entzug des Stimmrechts eines Abgeordneten im Ausschuss durch die Geschäftsordnung 661 662 663 664 665

Vgl. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (637). So BVerfGE 80, 188 (219). BVerfGE 80, 188 (218). BVerfGE 80, 188 (224). Abweichende Meinung des Richters Kruis, BVerfGE 80, 188 (241 ff.).

III. Folgen fehlender Mitgliedschaft – Der fraktionslose Abgeordnete

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entgegen und sah es als von Verfassungs wegen geboten an, einer grundsätzlich zwar möglichen, aber nicht zwangsläufig entstehenden Beeinträchtigung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit der Ausschusszusammensetzung durch eine Aufstockung der Sitze der Mehrheitsfraktionen um einen Sitz oder eine Vermehrung der Ausschusssitze zu begegnen 666. Die parlamentarische Praxis orientiert sich – wenig verwunderlich – an den von der Senatsmehrheit aufgestellten richtungsweisenden Grundsätzen und verweist den fraktionslosen Abgeordneten im Wesentlichen auf die ihm durch die Geschäftsordnung des Bundestages zur Verfügung gestellten Möglichkeiten zur aktiven Teilhabe an der Entscheidungsfindung des Bundestages im Plenum. Der fraktionslose Abgeordnete vermag in einem Ausschuss nur an den Beratungen, nicht aber an dem durch Abstimmung festzustellenden Beratungsergebnis mitzuwirken, das dem Bundestag als Beschlussempfehlung des Ausschusses zur Beratung und Abstimmung vorgelegt wird. Soweit es darum geht, Entscheidungsalternativen aus dem Prozess der Entscheidungsfindung auszuscheiden und gegebenenfalls unterschiedliche Auffassungen zu einem Kompromiss zusammenzuführen, ist der Fraktionslose auf die Ausübung seines Stimmrechts im Bundestagsplenum beschränkt. Die derzeitige Rechtslage entspricht damit der von der Senatsmehrheit geforderten und für ausreichend erachteten Beteiligung Fraktionsloser an der Ausschussarbeit mit Rede- und Antrags-, aber ohne Stimmrecht (vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 S. 2 GeschOBT). Zusätzlich darf jeder Abgeordnete auch als Zuhörer an allen Sitzungen der Ausschüsse teilnehmen, denen er nicht angehört, es sei denn der Bundestag beschließt ausdrücklich, das Zutrittsrecht für einzelne Ausschüsse auf die Mitglieder zu beschränken (§ 69 Abs. 2 GeschOBT). Dies entspricht dem grundsätzlichen Anspruch der Mitglieder des Bundestages, sich die notwendigen Informationen zur sachverständigen Beurteilung der im Bundestag behandelten Themen zu verschaffen, die dem fraktionsangehörigen Abgeordneten üblicherweise von seiner Fraktion vermittelt werden, der fraktionslose Abgeordnete sich jedoch weitgehend eigenständig erarbeiten muss. Einen Ausgleich für die Vernetzungsvorteile der arbeitsteilig agierenden fraktionsangehörigen Abgeordneten soll die im zumutbaren Rahmen gewährleistete Zuarbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages für den fraktionslosen Abgeordneten schaffen 667. 666

Abweichende Meinung des Richters Mahrenholz, BVerfGE 80, 188 (235 ff.); zustimmend Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (638); s. auch bereits Martin Morlok, in: JZ 1989, 1035 (1041); ebenso Helmuth Schulze-Fielitz, in: DÖV 1989, 829 (833); Hans-Heinrich Trute, in: Jura 1990, 184 (190 f.); Thilo Brandner, in: JA 1990, 151 (154 f.); grundlegend zu den Statusrechten fraktionsloser Abgeordneter Jörg Kürschner, Statusrechte, passim, insbesondere zur stimmberechtigten Ausschussmitgliedschaft S. 139 ff. 667 Vgl. BVerfGE 80, 188 (232): unter Hinweis auf Rat und Hilfestellung des Wissenschaftlichen Dienstes sind fraktionslosen Abgeordneten zusätzliche Zuschüsse zur Finanzierung der parlamentarischen Arbeit versagt worden, s. dazu noch im Folgenden.

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

Frage- und Informationsrechte des einzelnen, fraktionslosen Abgeordneten erschöpfen sich in der Möglichkeit, kurze Einzelfragen zur mündlichen oder schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung zu richten (§ 105 GeschOBT, Anlage 4 zur GeschOBT), im Rahmen der in der Sitzungszeit wöchentlich stattfindenden Befragung der Bundesregierung Fragen von aktuellem Interesse, vorrangig zur vorangegangenen Kabinettsitzung, zu stellen (§ 106 Abs. 2 GeschOBT, Anlage 7 zur GeschOBT) und Einsicht in alle Akten zu nehmen, die sich in der Verwahrung des Bundestages oder eines Ausschusses befinden (§ 16 Abs. 1 GeschOBT). Im Übrigen ist der Fraktionslose zur Wahrnehmung weiterer Frageund Informationsrechte auf die Unterstützung einer der Fraktionsmindeststärke entsprechenden Anzahl weiterer Abgeordneter angewiesen 668. Gleiches gilt hinsichtlich der meisten Initiativrechte. Der einzelne Abgeordnete ist lediglich zu Gesetzesänderungsanträgen in zweiter Lesung (§ 82 Abs. 1 GeschOBT) sowie Tagesordnungsanträgen (§ 20 GeschOBT) befugt. Das Anwesenheitsrecht jedes einzelnen Abgeordneten bei allen Plenarsitzungen setzt sich im Rede- und Stimmrecht fort. Während das Stimmrecht keinerlei Beschränkungen unterworfen werden darf 669, steht das Rederecht unter dem Vorbehalt der Verteilung des knappen Gutes Zeit. Bei der den Erfordernissen eines geordneten Geschäftsgangs Rechnung tragenden Redezeitverteilung hat der fraktionslose Abgeordnete allerdings einen Anspruch auf eine angemessene, insbesondere auf die Schwierigkeit des Verhandlungsgegenstandes und die Gesamtdauer der Aussprache Bedacht nehmende Redezeit 670. Fraktionslose Abgeordnete haben weder ein Recht zur Mitwirkung im Ältestenrat noch in Enquete-Kommissionen, da nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beide Gremien die politische Willensbildung des Bundestages inhaltlich nicht vorformen 671. Materiell erhalten alle Abgeordneten, fraktionsangehörige wie fraktionslose, neben einer „angemessenen, ihre Unabhängigkeit sichernden Entschädigung“ (Art. 48 Abs. 3 S. 1 GG, § 11 AbgG) eine sogenannte Amtsausstattung (§ 12 AbgG). Unmittelbar verfassungsrechtlich geregelt ist das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel (Art. 48 Abs. 3 S. 2 GG). Einfachgesetzlich 668

Eine komprimierte Darstellung der parlamentarischen Informationsrechte und -pflichten findet sich bei Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 102 ff. 669 Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 101; auch kann – anders als beispielsweise im Rahmen der kommunalrechtlichen Befangenheitsregelungen – eine Selbstbetroffenheit bei parlamentarischen Abstimmungen nicht zum Entzug des Stimmrechts führen, dazu Thilo Streit, Entscheidung, passim. 670 BVerfGE 80, 188 (LS 5, 228 f.); zu der sich aus dem Erfordernis eines geordneten Geschäftsgangs ergebenden Redezeitbeschränkung s. bereits BVerfGE 10, 4 (12 ff.). 671 BVerfGE 80, 188 (226 ff., 230); zur Kritik auch an diesem Aspekt der Entscheidung s. Martin Morlok, in: JZ 1989, 1035 (1042 und 1043).

III. Folgen fehlender Mitgliedschaft – Der fraktionslose Abgeordnete

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ist dieses Recht in § 16 AbgG nach Privatisierung der Deutschen Bundesbahn in der Weise näher konkretisiert worden, dass der Bundestag jedem Abgeordneten für dessen mandatsbezogene Tätigkeit die kostenfreie Nutzung der Verkehrsmittel der Deutschen Bahn AG ermöglicht 672. Darüber hinaus werden im Einzelnen nachgewiesene Dienstreisekosten der Abgeordneten nach Maßgabe der §§ 16, 17 AbgG erstattet. Im Übrigen sind die Sach- und Geldleistungen, die jeder Abgeordnete zur Abgeltung der durch das Mandat veranlassten Aufwendungen erhält, in § 12 AbgG umfassend, allerdings nicht abschließend näher beschrieben. Ergänzende Regelungen finden sich beispielsweise im Haushaltsgesetz und mit § 12 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 AbgG („sonstige Leistungen des Bundestages“) ist eine Auffangnorm geschaffen worden, die eine flexible Anpassung der erstattungsfähigen Aufwendungen an den sich auch durch eine voranschreitende technische Entwicklung verändernden Bedarf ermöglicht 673. Im Wesentlichen erhält jeder Abgeordnete nach § 12 Abs. 2 AbgG eine sogenannte monatliche Kostenpauschale zur Abgeltung der durch Unterhaltung eines Wahlkreisbüros entstehenden Kosten, der Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages (beispielsweise für eine Zweitwohnung oder Umzugskosten), mandatsbedingt veranlasste Inlandsreisen, die keine Dienstreisen im Sinne der §§ 16, 17 AbgG sind, sowie andere, beispielsweise durch Repräsentationsaufgaben veranlasste, mandatsbedingte Kosten. Die Kostenpauschale beträgt derzeit maximal 3.969 € 674 pro Monat und wird nach § 12 Abs. 2 S. 2 AbgG jedes Jahr zum 1. Januar entsprechend der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungsausgaben privater Haushalte im vorvergangenen Jahr angepasst. Zusätzliche Leistungen, die nicht unter Verwendung der Kostenpauschale vom Abgeordneten selbst zu finanzieren sind, werden gemäß § 12 Abs. 4 durch den Bundestag bereitgestellt. Hierzu zählen ein eingerichtetes Dienstbüro am Sitz des Bundestages, die gemeinsamen Informations- und Kommunikationssysteme des Bundestages und die Dienstfahrzeuge des Bundestages für Fahrten innerhalb eines festgelegten Umkreises in und um Berlin 675. Sofern einem Abgeordneten ein Dienstwagen des Bundes zur ausschließlichen Verfügung steht, geht dies zu Lasten der Kostenpauschale gemäß § 12 Abs. 2 AbgG, die dann um 25 % gekürzt wird (§ 12 Abs. 6 AbgG). Zudem stehen bis zu 14.712 € 676 für die Gehälter der Angestellten eines jeden Abgeordneten zur Verfügung, die 672 In der Praxis werden den Abgeordneten von der Bundestagsverwaltung erworbene Jahresnetzkarten der Deutschen Bahn AG kostenlos zur Verfügung gestellt, s. Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 16 Rn. 4. 673 s. Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 12 Rn. 5. 674 Die Angaben zur Höhe der Kostenpauschale werden auf den Internetseiten des Bundestages veröffentlicht, http://www.bundestag.de/service/glossar/K/kost_pausch.html, 17. 01. 2010. 675 Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 12 Rn. 64. 676 Die Angaben zur Höhe der vom Bundestag zur Verfügung gestellten Höchstaufwendungen für Mitarbeiter werden auf den Internetseiten des Bundestages veröffentlicht, http ://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/mdb_diaeten/1334d.html, 17. 01. 2010.

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B. Die Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion

von der Bundestagsverwaltung direkt an die Mitarbeiter gezahlt werden (§ 12 Abs. 3 AbgG). Erstattungsfähig sind Aufwendungen für wissenschaftliche Mitarbeiter, Sekretariats- und / oder Bürohilfskräfte sowohl im Abgeordneten- als auch im Wahlkreisbüro des Abgeordneten. An welchem Ort und bei welchen Aufgaben der Abgeordnete Unterstützung bei der Erfüllung der ihm obliegenden Mandatsaufgaben bedarf, ist seiner eigenen Beurteilung überlassen 677. In materieller Hinsicht erweisen sich die Vorteile der Fraktionszugehörigkeit insbesondere an den Möglichkeiten der Mitarbeiterfinanzierung. Während dem fraktionsangehörigen Abgeordnete sowohl in organisatorischen Belangen als auch bei sachlich-inhaltlichen Fragen nicht nur die Unterstützung seiner eigenen Mitarbeiter, sondern auch die der Fraktion, der Fraktionsmitarbeiter und der Fraktionskollegen gewiss ist, stehen dem fraktionslosen Abgeordnete nur die wenigen selbst ausgewählten Mitarbeiter für eine vergleichbar vertrauensvolle Zusammenarbeit zur Verfügung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind diese Vorteile der Fraktionszugehörigkeit jedoch nicht durch zusätzliche finanzielle Zuwendungen, sondern allein dadurch auszugleichen, dass dem fraktionslosen Abgeordneten durch den Wissenschaftlichen Dienst der Bundestagsverwaltung, „soweit in zumutbarem Rahmen begehrt, juristischer Rat oder Hilfestellung bei der Formulierung von Anträgen und Initiativen nicht versagt werden [darf], auch wenn solche Leistungen in aller Regel von fraktionsangehörigen Abgeordneten nicht nachgefragt werden. [...] Allerdings kann es – im Blick auf die politische Neutralität seiner Verwaltung – nicht Sache des Bundestages sein, dem fraktionslosen Abgeordneten – über die Lieferung und Aufbereitung von Material hinaus – eine gewissermaßen gebrauchsfertige Ausarbeitung für die politische Auseinandersetzung zu fertigen“ 678. In einer Gesamtbetrachtung bleibt demnach zu konstatieren, dass die Möglichkeiten des fraktionslosen Abgeordneten, seine politischen Vorstellungen in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen, sowohl mit Blick auf die verfügbaren Arbeitskapazitäten als auch auf seine konkreten Mitwirkungsbefugnisse, nur sehr begrenzt sind. Geringere Durchsetzungschancen Einzelner sind einer auf Mehrheitsentscheidungen basierenden Demokratie allerdings systemimmanent 679. Politischer Erfolg stellt sich eben nur im Zusammenspiel mit einer ausreichenden Anzahl anderer ein. Ist die Rechtsstellung des fraktionslosen Abgeordneten in ihrer derzeitigen, konkreten Gestalt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deshalb auch als verfassungsgemäß zu betrachten, so bleibt der Fraktionslose dennoch politisch schwach. Fraktionslosigkeit erweist sich damit als klarer Nachteil. 677 678 679

Vgl. Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 12 Rn. 43. BVerfGE 80, 188 (232); kritisch dazu Udo Müller, in: NJW 1990, 2046 (2047). Vgl. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (638).

C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion Der Ausschluss eines Abgeordneten aus der Fraktion verändert dessen Rechtsstellung in entscheidender Weise. Die Entlassung in die Fraktionslosigkeit schmälert die politischen und parlamentarischen Handlungsmöglichkeiten eines gewählten Mitglieds des Bundestages – wie aufgezeigt – nicht unerheblich. Dabei entspricht es nicht dem Willen des betroffenen Abgeordneten selbst, die Fraktion zu verlassen. Die in gegenseitigem Einvernehmen seitens der Abgeordneten in Ausübung ihres freien Mandats getroffene Entscheidung zur Kooperation wird durch die Ausschlussentscheidung der Fraktion einseitig aufgehoben. Unter welchen Voraussetzungen sich der Wille des vom Ausschluss bedrohten Abgeordneten dem Willen der Fraktion beugen muss, wird im Folgenden dargelegt.

I. Rechtsgrundlage des Ausschlusses Eine wesentliche Grundlage der effektiven Funktionserfüllung der Fraktionen als Arbeits-, Tendenz- und Wettbewerbsgemeinschaften 680 ist die Kooperationsbereitschaft und – als deren notwendiges Korrelat – die Kooperationsfähigkeit ihrer Mitglieder 681. Mangelt es an dem einen oder anderen, ist die Fraktion, um den Zusammenhalt und Bestand der Organisation zu bewahren 682, darauf angewiesen, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit zu ergreifen. Wird die generelle Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Gemeinschaft durch einzelne Mitglieder in Frage gestellt, besteht ein grundsätzliches Bedürfnis nach einer rechtlichen Möglichkeit, solche Mitglieder aus der Fraktion zu entfernen.

680

Im Einzelnen hierzu s. oben, S. 17 ff. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 250. 682 Zur politischen Homogenität und zur Mindeststärke der Fraktionen s. oben, S. 107 ff. 681

164

C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

1. Fehlen ausdrücklicher Regelungen in Verfassung und Gesetz Eine explizite Rechtsgrundlage für den Fraktionsausschluss findet sich weder im Grundgesetz, noch im Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) 683, noch sonst im einfachen Recht. Eine Anwendbarkeit der für zivilrechtliche Vereine geltenden Grundsätze, die überdies einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage gleichfalls entbehren 684, scheitert an der grundsätzlichen Unterschiedlichkeit der Interessenlagen. Abgeordnete und Fraktion stehen sich in Verfassungsrechtsverhältnissen gegenüber. Bei Fraktionsgründung und in der Folge in ihrem fraktionellen Zusammenwirken handeln sie nicht als Privatrechtssubjekte, sondern in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe als Träger verfassungsrechtlicher Abgeordnetenrechte 685. Demgegenüber sind die Rechtsgrundsätze für einen Ausschluss aus einem zivilrechtlichen Verein in einer umfangreichen zivilrechtlichen Judikatur entwickelt worden, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Privatautonomie die Ausschlussregelungen der weitestgehenden Gestaltungsfreiheit der Vertragspartner überlässt 686. Einer Übertragbarkeit auf das Rechtsverhältnis im staatsorganschaftlichen Bereich verwurzelter Rechtsträger steht deren unmittelbare Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung und insbesondere an das Gefüge ausdrücklicher und impliziter Organisations-, Funktions- und Kompetenznormen in der Verfassung entgegen, welche die Rechtsstellung der am Ausschlussverfahren Beteiligten determiniert. Im Falle von Fraktionsausschlüssen geht es um fraktionsinterne Probleme, das heißt um Streitfragen innerhalb von Organteilen des Bundestages 687. Das Spannungsverhältnis besteht zwischen einzelnen Abgeordneten und Gruppen von Abgeordneten. Die Konfliktebene liegt damit innerhalb des Parlaments, so dass nicht Konfliktlösungsnormen und -kategorien in Anwendung gebracht werden können, die für das Verhältnis Privater untereinander niedergelegt sind. Wegen der grundsätzlichen Unterschiedlichkeit der durch den Ausschluss betroffenen Rechtsverhältnisse kommt auch eine direkte oder analoge Anwendung 683

Dies gilt auch für die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen in den Abgeordneten- bzw. Fraktionsgesetzen. Lediglich § 1 Abs. 4 FraktG BW, § 6 Abs. 2 Nr. 2 FraktG Berlin und § 2 Abs. 2 Nr. 5 FraktG Bbg knüpfen an die als existent vorausgesetzte rechtliche Möglichkeit die Pflicht, in den Fraktionssatzungen Bestimmungen über den Ausschluss zu treffen. 684 Lediglich der Austritt aus einem Verein ist in § 39 BGB explizit geregelt. 685 Zum öffentlichen-rechtlichen Charakter der Fraktionen und des Mitgliedschaftsverhältnisses s. bereits oben, S. 79 ff. und S. 95 ff. 686 Zum Vereinsausschluss s. Markus Gehrlein, in: ZIP 1994, 852 ff., und Dieter Reuter, in: NJW 1987, 2401 ff. 687 Zur organisationsrechtlichen Stellung der Fraktionen als Organteile des Bundestages in Gestalt juristischer Personen des Parlamentsrechts s. oben, S. 89 ff.

I. Rechtsgrundlage des Ausschlusses

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der parteiengesetzlichen Ausschlussregelungen (§ 10 Abs. 4 und Abs. 5 PartG) nicht in Betracht 688. Einer direkten Anwendbarkeit steht die rechtliche Trennung der in die Staatsorganisation eingefügten Fraktionen von den im gesellschaftlichen Bereich wurzelnden politischen Parteien entgegen 689. Aus der rechtlichen Trennung und der Zuordnung der Organisationen zu unterschiedlichen Teilgebieten der Rechtsordnung, nämlich dem öffentlichen Recht einerseits und dem Zivilrecht andererseits, folgt notwendig, dass die wesentlich an der zivilrechtlichen Vereinsautonomie politischer Parteien ausgerichtete Vorschrift des § 10 Abs. 4 und Abs. 5 PartG auch nicht analog angewendet werden kann 690. Wenngleich eine Anwendbarkeit der für den zivilrechtlichen Vereinsausschluss und den Parteiausschluss entwickelten rechtlichen Maßstäbe demnach nicht in Betracht kommt, schließt dies nicht zugleich grundsätzlich aus, die der umfangreichen Judikatur zum Vereinsausschluss oder der Regelung des Parteiausschlusses zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken auch bei der Entwicklung der Maßstäbe für einen Fraktionsausschluss fruchtbar zu machen 691. Dabei ist allerdings den aus der grundsätzlichen Unterschiedlichkeit der Rechtsstellung folgenden Besonderheiten Rechnung zu tragen, die sich insbesondere in den mit dem Ausschluss berechtigterweise verfolgten Zwecken widerspiegeln 692. Dass der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion damit nicht ausdrücklich verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich normiert ist, stellt die grundsätzliche Berechtigung der Fraktionen, sich von Mitgliedern auch gegen deren Willen zu 688 Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (631); Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (847); Manfred Zuleeg, in: JuS 1978, 240 (243); Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 93; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 188, 220. 689 Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (847). Zur rechtlichen Trennung von Fraktion und Partei s. oben, S. 52 ff. 690 So Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 93; Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (847); Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (631). 691 s. etwa Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (643), der eine Differenzierung der zum Fraktionsausschluss berechtigenden Gründe nach dem Vorbild von § 10 Abs. 4 PartG oder auch die Verursachung eines „schweren Schadens“ als selbständigen Ausschlussgrund oder die Anlehnung an die zivilrechtliche Formel von einem „wichtigen Grund“ in Betracht zieht; ähnlich Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (847, 849 ff.). Zum Erfordernis eines materiellen Ausschlussgrundes s. unten, S. 178 ff.; insbesondere zum „wichtigen Grund“ s. unten, S. 188 ff. 692 Der dem Interesse an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit dienende Fraktionsausschluss (s. dazu noch im Folgenden) unterscheidet sich vom Parteiausschluss, dem auch Strafcharakter beizumessen ist, s. Elmar Lengers, Rechtsprobleme, S. 20 ff.; Peter Strunk, Parteiausschlussverfahren, S. 18; Johannes Risse, Parteiausschluß, S. 114; grundlegend zum rechtsdogmatischen Verständnis des Parteiausschlusses s. Sebastian Roßner, Demokratie, passim. Anders als bei dem auch Strafzwecken dienenden Parteiausschluss spielen Verschuldensfragen beim Fraktionsausschluss keine Rolle, so auch Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (632); ebenso Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (642); Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 225.

166

C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

trennen, nicht in Frage. Aufgrund der Zuordnung der Beteiligten wie auch des zu beendenden Rechtsverhältnisses zum öffentlichen Recht, genauer dem Parlamentsrecht, greift der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt nicht, so dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung im Sinne einer Ermächtigungsgrundlage auch nicht bedarf 693. Vielmehr sind die Voraussetzungen und Grenzen eines Fraktionsausschlusses im Folgenden mithilfe verfassungsrechtlicher Wertungen zu ermitteln. 2. Ausschlusskompetenz aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Die Rechtsgrundlage für den Ausschluss aus einer Bundestagsfraktion kann nur Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG entnommen werden, der die Kooperationskompetenz der Abgeordneten begründet 694. Das freie Mandat der Abgeordneten gewährleistet sowohl die Möglichkeit der Fraktionsbildung, des Beitritts und spiegelbildlich der Aufnahme neuer Mitglieder, zugleich berechtigt es aber auch zur Verweigerung der Teilnahme an der Fraktionsgründung oder des späteren Beitritts, zu jederzeitigem Austritt und zur Auflösung der Fraktion 695. Dabei entfaltet das freie Mandat auch für den Zusammenschluss seine Wirkung und verleiht diesem die Möglichkeit zur Gestaltung der Zusammenarbeit nach eigenen Vorstellungen 696. Zum Gewährleistungsbereich des freien Mandats zählt damit sowohl das Ob als auch das Wie der Kooperation. Im Falle des Fraktionsausschlusses kollidiert das auf Verbleib in der Fraktion gerichtete Interesse des vom Ausschluss betroffenen Abgeordneten mit dem Interesse seiner Fraktionskollegen, die Zusammenarbeit nicht fortzusetzen. Zwar lässt der Fraktionsausschluss den Bestand des parlamentarischen Mandats unberührt 697, die dem ausgeschlossenen Abgeordneten durch die ihm ursprünglich eingeräumte Fraktionsmitgliedschaft vermittelten parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten werden ihm jedoch entzogen. Der Fraktionsausschluss ist damit eine für die Fraktion, das ausgeschlossene Mitglied und das Parlament verbindliche Entscheidung im Innenverhältnis über die Beendigung eines verfassungsrechtlichen Mitgliedschaftsverhältnisses 698, deren Voraussetzungen aus den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu entwickeln sind.

693

s. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 251. Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (847). 695 Zur Freiwilligkeit des Zusammenschlusses s. oben, S. 49 ff. Zur Freiwilligkeit der Aufnahme s. oben, S. 102 ff. 696 Zur doppelten Wirkrichtung des freien Mandats s. oben, S. 50 f. 697 s. dazu die Nachweise in Fn. 212. 698 Zum Charakter des Mitgliedschaftsverhältnisses s. oben, S. 95. 694

I. Rechtsgrundlage des Ausschlusses

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a) Assoziationsfreiheit der Abgeordneten Die durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistete Kooperationskompetenz eröffnet korrelierende Handlungsspielräume der Abgeordneten, innerhalb deren die Konzeption der Abgeordnetenrolle jedem einzelnen Abgeordneten selbst überantwortet ist. Das freie Mandat sichert so durch die rechtliche Maßgeblichkeit des Selbstverständnisses eine Freiheitsposition 699, die für die Begründung und Aufhebung eines Fraktionsmitgliedschaftsverhältnisses sowie dessen konkrete inhaltliche Ausgestaltung und die Wahl der Kooperationspartner in umfassenden Sinne mit dem Begriff Assoziationsfreiheit umschrieben werden kann 700. Diese Freiheit ist freilich nicht grenzenlos gewährt. In der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes sind diese Rechte allen Abgeordneten zur gleichberechtigten Mitwirkung an der Aufgabenerfüllung des Bundestages in der Gesamtheit seiner Mitglieder zugewiesen. Dies bedingt zugleich auch die Beschränkung der Rechte des Einzelnen: Die Funktionsfähigkeit des Bundestages erfordert eine geordnete Wahrnehmung dieser Rechte, „die nur als Mitgliedschaftsrechte bestehen und verwirklicht werden können und daher einander zugeordnet und aufeinander abgestimmt werden müssen“ 701. Zum einen erfolgt diese Abstimmung und Zuordnung durch eine den Erfordernissen der Funktionsfähigkeit des Bundestages Rechnung tragende politische Gliederung des Bundestages in Fraktionen, die es rechtfertigt, die Fraktionsbildung und daran anknüpfend bestimmte Handlungsbefugnisse lediglich einer politisch homogenen Mindestzahl von Abgeordneten vorzubehalten 702. Zum anderen folgt daraus, dass die Abgeordneten bei der Wahrnehmung ihrer wechselbezüglichen Kompetenzen auf die Rechte der gleichberechtigten anderen Abgeordneten Rücksicht zu nehmen haben, da anderenfalls ein geordnetes Zusammenwirken nicht gewährleistet ist 703. Die als Schranke der Mandatsfreiheit anerkannte Funktionsfähigkeit des Bundestages entfaltet auch für den Fraktionsausschluss Wirkung 704, und zwar in zweifacher Hinsicht: Sie setzt sowohl der Ausschlusskompetenz der Fraktion 705 als auch dem Bestandsschutz der Mitgliedschaft des ausgeschlossenen Abgeordneten 706 Grenzen.

699 700 701 702 703 704 705 706

Martin Morlok, Selbstverständnis, S. 56 f. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (639). s. BVerfGE 80, 188 (219). Zur Mindeststärke und politischen Homogenität der Fraktion s. oben, S. 108 ff. Vgl. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (640). Vgl. Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (630). Dazu im Folgenden, aa). Dazu im Folgenden, bb).

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

aa) „Personalhoheit“ der Fraktionen Weil die Fraktionen an dem ihren Mitgliedern zur Sicherung ihrer Rolle bei der Erfüllung der Funktionen des Bundestages gewährleisteten Abgeordnetenstatus partizipieren 707, folgt das Recht der Fraktionen zur grundsätzlich freien Entscheidung über die personelle Zusammensetzung aus der Assoziationsfreiheit ihrer Mitglieder. Die so verstandene „Personalhoheit“ umfasst als Ausprägung der Fraktionsautonomie 708 auch das Recht, nach eigener Entscheidung Mitglieder aufzunehmen und wieder auszuschließen. Die Wahrnehmung der Kompetenz zum Fraktionsausschluss ist als „gebündelte“ Ausübung der von der Assoziationsfreiheit umfassten freien Wahl der Kooperationspartner durch die in einer Fraktion zusammengeschlossenen Abgeordneten zu verstehen 709. Wie das freie Mandat den Abgeordneten soll die Fraktionsautonomie die Fraktion in den Stand versetzen, die ihr als Teilorgan des Bundestages obliegenden Funktionen innerhalb der von der Verfassung vorgegebenen Rahmenbedingungen nach eigenen Vorstellungen effektiv zu erfüllen. So sind die Fraktionen als Tendenzgemeinschaften 710 nicht nur dazu befugt, sondern dazu berufen, fraktionsspezifische politische Ziele durch einen freien gruppeninternen Mehrheitswillen festzulegen und zu verfolgen. Die Autonomie bei der Ausformung und Umsetzung spezifischer Wertvorstellungen in der politischen Arbeit ist den Fraktionen aber nicht funktionsentbunden und zwecklos garantiert, sondern auf die Verwirklichung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Aufgabe zur Mitwirkung an der Aufgabenerfüllung des Bundestages gerichtet. Der fraktionelle Freiraum kann verfassungskonform und sachentsprechend nur ausgefüllt werden, wenn die Fraktion zugleich die Möglichkeit erhält, sich so zu organisieren, wie sie es zur Stabilisierung ihrer Existenz und zur Erreichung ihrer politischen Zielvorstellungen für richtig befindet 711. Danach ist das zur Funktionserfüllung Notwendige nicht in Einzelheiten durch die Verfassung festgelegt, sondern bedarf der Ausgestaltung durch die jeweilige politische Gruppe selbst. Die grundgesetzliche Demokratie ist das Richtmaß dieser Gestaltungschance, die bestimmte Zwecke und Mittel ihrer Verwirklichung ausschließt 712, den Fraktionen aber grundsätzlich die Befugnis zur Absicherung 707

Zur doppelten Wirkrichtung des freien Mandats s. oben, S. 50 f. Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (631); ähnlich Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 222; s. auch Hans-Hermann Kasten, in: ZParl. 1985, 475 (482). Zur Fraktionsautonomie s. bereits oben, S. 50 f. und S. 122. 709 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (639). 710 Dazu oben, S. 39 ff. 711 Vgl. zur Sicherung der internen und externen Autonomie der Gewerkschaften Franz Jürgen Säcker / Friedbert Rancke, in: Arbeit und Recht 1981, 1 (8). 708

I. Rechtsgrundlage des Ausschlusses

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ihrer Handlungs- und Funktionsfähigkeit an die Hand gibt. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist es eine Sache freier politischer Entscheidung, aus welchen Gründen und mit welcher Zielsetzung von den vorhandenen Wirkungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht werden soll 713. Die aus dem freien Mandat der Mitglieder folgende Befugnis der Fraktion, in die personelle Zusammensetzung der Fraktion durch Ausschluss einzelner Abgeordneter korrigierend einzugreifen, erfährt damit ihre Rechtfertigung und zugleich ihre Begrenzung durch das verfassungsrechtlich legitimierte Interesse, sich gegen Beeinträchtigungen der Funktionserfüllung zu wehren. bb) Bestandsschutz der Mitgliedschaft Die eine freie Wahl der Kooperationspartner umfassende Assoziationsfreiheit ist durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG für alle Abgeordneten gleichermaßen garantiert. Die freie Wahl des Einen vermag deshalb die freie Wahl des Anderen nicht vorwegzunehmen. Es zählt nicht zum geschützten Bereich der freien Mandatsausübung des Einzelnen, dass auch die Wahl der anderen auf ihn fällt. Wenngleich demnach kein Anspruch auf Aufnahme in eine Fraktion existiert 714, so genießt die einmal erworbene Fraktionsmitgliedschaft dennoch Bestandsschutz. Anders als der Abgeordnete, der nie Mitglied der Fraktion war, erwirbt der fraktionsangehörige Abgeordnete durch das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis schutzwürdige und über das für Fraktionen geltende Demokratiegebot 715 geschützte rechtliche Positionen. Das die innere Ordnung der Fraktion determinierende verfassungsrechtliche Gebot der innerfraktionellen Demokratie garantiert einen Bereich demokratischer Freiheiten in Gestalt von Mitentscheidungs-, Informations-, Teilnahme- und Antragsrechten, der allen Fraktionsmitgliedern gleichermaßen zukommt und auch Raum für innerfraktionelle Opposition lassen muss. Der Schutz der „Äußerungsfähigkeit“ der Fraktionsmitglieder erfolgt in einer den Status der Freiheit und Gleichheit der Fraktionsmitglieder gerecht werdenden, demokratisch organisierten und arbeitenden Fraktion über die grundsätzliche Absicherung des Mitgliedschaftsstatus, der Basis aller demokratischen Partizipation ist 716. Allerdings wird der Abgeordnete durch das Mitgliedschaftsverhältnis nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet 717. Für den Bestand und den Zusammenhalt 712

Zu den Grenzen der Assoziationsfreiheit s. oben, S. 167. Vgl. Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (266); s. auch Manfred Zuleeg, in: JuS 1978, 240 (243). 714 Dazu oben, S. 102 ff. 715 Zur Verpflichtung auf innerfraktionelle Demokratie s. oben, S. 123 ff. 716 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (641). 717 Zu den Rechten und Pflichten des Fraktionsmitgliedes s. oben, S. 127 ff. 713

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

der Fraktion wesentlich sind die wechselseitigen Loyalitätspflichten, die jedes einzelne Mitglied wie die Gesamtheit der Fraktionsmitglieder zur Rücksicht auf die Interessen des anderen verpflichtet 718. „Die in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dem Abgeordneten gewährleistete Weisungs- und Gewissensfreiheit weist daher diesem nicht den Weg in einen beziehungslosen Individualismus. Sie schafft vielmehr die Grundlage, daß sich ein Abgeordneter in freier Entscheidung mit anderen Abgeordneten gleicher politischer Richtung zu einer Fraktion zusammenschließt oder einer Fraktion seiner politischen Richtung beitritt. Dann muß er sich freilich an den Voraussetzungen einer ersprießlichen Zusammenarbeit in einer Fraktion orientieren; sein Verhalten muß für die anderen Mitglieder der Fraktion erträglich sein und damit für die Fraktion selbst tragbar bleiben.“ 719

Sind Bestand und Zusammenhalt der Fraktion durch das Verhalten einzelner Mitglieder gefährdet, setzt das verfassungsrechtlich legitimierte Interesse der Fraktion, sich gegen Beeinträchtigungen der Funktionserfüllung zu wehren, dem Bestandsschutz der Mitgliedschaft Grenzen. b) Ausgleich der Interessenkollision Bei der Entscheidung über einen Fraktionsausschluss stehen sich verschiedene verfassungsrechtliche Positionen gegenüber: Auf der einen Seite steht die über die Mitglieder vermittelte, auch die personelle Zusammensetzung umfassende Selbstbestimmungsmacht der Fraktion, auf der anderen Seite die in ihrem Bestand geschützten, an die Mitgliedschaft gekoppelten Mitwirkungsrechte des einzelnen Abgeordneten. Diese sich aus dem Verfassungsrechtsverhältnis von Abgeordnetem und Fraktion ergebenden widerstreitenden Rechtspositionen müssen in einen Ausgleich gebracht werden. Im Bereich der Kollision von Grundrechtsnormen leistet diesen Ausgleich das Prinzip der praktischen Konkordanz, über das verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter einander so zugeordnet werden, dass jedes von ihnen im Rahmen der vorzunehmenden Grenzziehung durch Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu optimaler Wirksamkeit gelangt 720. Gegen eine Übertragbarkeit dieser klassisch im Rahmen der Grundrechtslehre für Einwirkungen des Staates in den Rechtskreis des Einzelnen geltenden Schranke allgemein auf Fragen der Kompetenzabgrenzung im innerstaatlichen Bereich führt das Bundesverfassungsgericht gerade seine „individuelle Rechtsund Freiheitssphäre verteidigende Funktion“ und das „damit verbundene Den718 719

(242). 720

Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (642). Insofern treffend die abweichende Meinung des Richters Kruis, BVerfGE 80, 118 Vgl. statt aller Konrad Hesse, Grundzüge, Rn. 72, 317 f.

I. Rechtsgrundlage des Ausschlusses

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ken in den Kategorien von Freiraum und Eingriff“ ins Feld 721. Dennoch erkennt das Bundesverfassungsgericht in Einzelfallentscheidungen die Notwendigkeit einer am Verhältnismäßigkeitsmaßstab orientierten Interessenabwägung auch in staatorganisatorischen Rechtsverhältnissen an. So folgerte es etwa im sogenannten Maastricht-Urteil aus dem im damaligen Art. 3b S. 3 EGV geregelten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Beschränkung der Regelungsintensität von Gemeinschaftsmaßnahmen, um so die nationale Identität der Mitgliedstaaten und damit die Aufgaben und Befugnisse ihrer Parlamente gegen ein Übermaß europäischer Regelungen zu schützen 722. Allerdings stellte das Bundesverfassungsgericht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als ausdrücklich gemeinschaftsrechtlich ausgestaltete Kompetenzausübungsschranke heraus 723, so dass aus den Entscheidungsgründen keine Abkehr von dem vorherigen rigiden Ausschluss einer Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im innerstaatlichen Staatsorganisationsrecht, für den es an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung fehlt, entnehmen lässt 724. Allerdings sah das Bundesverfassungsgericht in einem späteren Urteil zur Vereinbarkeit des schleswig-holsteinischen Naturschutzgesetzes mit der Landesverfassung, wenngleich ohne nähere Begründung, den Gesetzgeber verpflichtet, bei Eingriffen in die Planungshoheit der Gemeinden den allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und eine Güterabwägung vorzunehmen 725. Gerade Abwägungsgebote spielen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Staatsorganisationsrecht immer wieder eine Rolle und finden insbesondere bei der Entscheidung von parlamentarischen Auseinandersetzungen Niederschlag. So steht etwa die Bestimmung der Mitgliederzahl von Untersuchungsausschüssen unter dem Gebot der „Abwägung zwischen den Bedürfnissen der Arbeitsfähigkeit eines Untersuchungsausschusses, der seinen Untersuchungsauftrag bis zum Ablauf der Wahlperiode erfüllen muß, und einer möglichst repräsentativen Zusammensetzung des Ausschusses“ 726. Einem weiteren Urteil zufolge finden Maßnahmen wie die Redezeitbegrenzung ihre Grenzen „am Wesen und an der grundsätzlichen Aufgabe des Parlaments, Forum für Rede und Gegenrede zu sein. Daher sind Fälle denkbar, in denen die Benutzung eines an sich legitimen Mittels, wie es die Redezeitfestsetzung ist, mißbräuchlich und verfassungswidrig wird“ 727. Vorausgesetzt ist danach, dass die Bindung des Abgeordneten an 721

So BVerfGE 81, 310 (338), unter Hinweis auf BVerfGE 79, 311 (341). BVerfGE 89, 155 (212). 723 BVerfGE 89, 155 (193). 724 So auch Andreas Heusch, Grundsatz, S. 54. 725 BVerfGE 103, 332 (366). Vgl. auch BVerfGE 50, 50 (51), und 86, 90 (109), zu Eingriffen in die gemeindliche Gebietshoheit; 59, 216 (231) zum gemeindlichen Namensrecht. 726 BVerfGE 96, 264 (281). 727 BVerfGE 10, 4 (13). 722

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

seine Fraktion „nicht über das hinaus[geht], was zur Sicherung des Ablaufs der Parlamentsarbeit geboten ist“. In diesem Sinne ist die „quotale Aufteilung der Redezeit [...] geeignet, die sachliche Arbeit des Parlaments zu fördern“ und stellt sicher, „daß Abgeordnete aller Richtungen sprechen und daß nicht durch Zufälligkeiten des Ablaufs der Debatte die eine oder die andere Fraktion nur unverhältnismäßig kurz zu Wort kommt“ 728. Unter Bezugnahme auf dieses Redezeit-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof herausgestellt, dass es zur Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Redezeitbeschränkung einer Abwägung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Parlaments mit der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Rederechts bedarf 729. Im Wüppesahl-Urteil stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Regelungsmacht des Bundestages bei der Ausgestaltung des parlamentarischen Verfahrens Grenzen und Bindungen unterliegt, die nach dem jeweiligen Gegenstand zu bestimmen sind 730. Wenn das Bundesverfassungsgericht die Grenze der parlamentarischen Autonomie für Beschränkungen des Abgeordnetenstatus auch nicht explizit benennt, so wird in der Sache jedenfalls das jeweilige Ergebnis der Prüfung durch eine Abwägung der Funktionsfähigkeit des Bundestages mit den verfassungsrechtlich geschützten Mitwirkungsrechten des Abgeordneten gewonnen. Eine der Verhältnismäßigkeitsprüfung inhaltlich gleichkommende komplexe Abwägung betroffener Rechtsgüter nimmt das Gericht insbesondere bei der Bestimmung der Mitwirkungsrechte des fraktionslosen Abgeordneten in den parlamentarischen Ausschüssen vor 731. Sie findet sich aber auch im Übrigen, so bei der Feststellung, dass eine (bislang nicht gewährleistete) frühzeitige Festsetzung der Redezeit nicht nur dem Interesse des fraktionslosen Abgeordneten an einer sachgerechten Vorbereitung dient, sondern auch im Interesse des Bundestages selbst liegt, da sie geeignet ist, die Belastung der Sitzungen mit Geschäftsordnungsdebatten zu verhindern 732. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht kann als Beleg dafür dienen, dass auch im Bereich staatsorganisationsrechtlicher Kompetenzabgrenzungen die einem autonomen Freiheitsbereich zuzuordnenden Rechtspositionen nicht gänzlich zur Disposition des Gesetzgebers (etwa bei Eingriffen in gemeindliche Selbstverwaltungsrechte) beziehungsweise des Geschäftsordnungsgebers (so bei parlamentarischen Beschränkungen des Abgeordnetenstatus) stehen. Vielmehr kann die Lösung der Kollision verfassungsrechtlich geschützter Kompetenzbereiche auch in der gegenseitigen verhältnismäßigen Zuordnung bestehen, nach der die beiden Kompetenzbereichen zu ziehenden Grenzen nicht weiter gehen dürfen, als es zur Herstellung der Konkordanz notwendig ist. An728 729 730 731 732

BVerfGE 10, 4 (14). BayVerfGH, in: NVwZ-RR 1998, 409 (410). BVerfGE 80, 188 (220). BVerfGE 80, 188 (221 ff.). BVerfGE 80, 188 (228).

I. Rechtsgrundlage des Ausschlusses

173

ders ist dies in Fällen, in denen die Verfassung bereits zur Lösung etwaiger Kompetenzkonflikte den Vorrang der einen und die Verdrängung der anderen Kompetenz vorsieht, so etwa im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeiten (Artt. 70 ff. GG) 733. Gerade für die Abgrenzung innerparlamentarischer Kompetenzen enthalten die Verfassungsnormen, anhand derer die Kompetenzabgrenzung vorzunehmen ist, aber keine konkreten Direktiven für die „richtige“ Ausgestaltung des Kompetenzgefüges und erlauben auch keine sichere Aussage über die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen. Erst die Abwägung von Argumenten, die der Verfassung nur durch Wertungen entnommen werden können, erlaubt Rückschlüsse auf ein Spektrum verfassungsrechtlich zulässiger und verfassungsrechtlich problematischer Ausgestaltungen der gegenläufigen Rechtspositionen. Danach ist auch im Staatsorganisationsrecht eine Abwägung der betroffenen Belange miteinander in Widerstreit stehender, verfassungsrechtlich geschützter Rechtskreise mitunter unerlässlich. Freilich ist damit noch nicht gesagt, an welchen Kriterien sich eine solche Abwägung methodisch zu orientieren hat. Es ist folgerichtig und sachgerecht, diese Frage vom zu lösenden Problem her zu beantworten: Die Fraktion ist kraft ihrer über die Mitglieder vermittelten Assoziationsfreiheit befugt, einzelne Mitglieder auszuschließen. Zugleich sind die an das entstandene verfassungsrechtliche Mitgliedschaftsverhältnis gekoppelten Mitwirkungsrechte des einzelnen Abgeordneten über das Demokratiegebot gerade gegenüber der Fraktion in ihrem Bestand geschützt. Der Fraktionsausschluss ist damit eine für die Fraktion, das ausgeschlossene Mitglied und das Parlament verbindliche, durch Fraktionsbeschluss getroffene Entscheidung im Innenverhältnis über die Beendigung eines verfassungsrechtlichen Mitgliedschaftsverhältnisses, die rechtserhebliche Folgen gerade für den verfassungsrechtlich geschützten Rechtskreis des ausgeschossenen Abgeordneten zeitigt. „Besteht die wesentliche Funktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im grundrechtlichen Bereich darin, entsprechend dem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip den stets nur begrenzt statthaften und rechtfertigungsbedürftigen Eingriffen des Staates in die Freiheit des Einzelnen Schranken zu setzen, steht im Staatsorganisationsrecht der Schutz staatsinterner Bereiche in Rede. Irrelevant ist indes insoweit, dass die im Grundgesetz verankerten Grundrechte als vorstaatliche Rechte vom Verfassunggeber anerkannt worden sind, während im Grundgesetz normierte staatsorganisationsrechtliche Bereiche erst durch den Verfassunggeber kreiert worden sind. Denn in beiden Fällen geht es darum, einen auf derselben, nämlich der Verfassungsebene normierten Bereich vor einer unbegrenzten Schmälerung durch einen staatlichen Akt niederen rechtlichen Ranges zu schützen, indem dieser an bestimmte Rechtfertigungserfordernisse gebunden wird.“ 734 733

Obgleich auch im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeiten die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen Wertungs- und Abwägungsspielräume eröffnet. Art. 72 Abs. 2 GG macht sogar verfassungsunmittelbar für bestimmte Rechtsmaterien ein Tätigwerden des Bundes davon abhängig, dass es erforderlich ist, näher hierzu BVerfGE 106, 62 (135 ff.).

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

Der vom Bundesverfassungsgericht konstatierte, einer Übertragbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf staatsorganisationsrechtliche Kompetenzabgrenzungen entgegenstehende Widerspruch zu dessen Funktion, eine „individuelle Rechts- und Freiheitssphäre“ zu verteidigen, besteht damit im Falle des Ausschlusses aus einer Fraktion gerade nicht. Vielmehr findet das „damit verbundene Denken in den Kategorien von „Freiraum und Eingriff“ 735 hier im staatsorganisationsrechtlichen Bereich seine Entsprechung. Unabhängig vom Streitstand im Übrigen 736 kann der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz daher jedenfalls bei Eingriffen in verfassungsrechtlich geschützte Rechte einzelner Abgeordneter grundsätzlich zur Anwendung gelangen 737. Dementsprechend geht auch die Rechtsprechung vielfach von einer Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Fraktionsausschlüssen aus, freilich ohne die grundsätzliche Anwendbarkeit zu hinterfragen 738. Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche Stimmen, die – regelmäßig ohne nähere Begründung – von der Verhältnismäßigkeit eines Fraktionsausschlusses als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ausgehen 739. Aber auch soweit Fraktionsaus734

Andreas Heusch, Grundsatz, S. 70. So BVerfGE 81, 310 (338), unter Hinweis auf BVerfGE 79, 311 (341). 736 Für eine ausführliche Darstellung der zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Staatsorganisationsrecht vertretenen, auf abweichende normtheoretische Begründungen zurückzuführenden Auffassungen s. Andreas Heusch, Grundsatz, S. 47 ff., der selbst den Vorrang der Verfassung (in erster Linie verstanden als Bindungswirkung für insbes. die Gesetzgebung) als Geltungsgrund heranzieht; für eine Anwendbarkeit auf strukturell in der Verfassung angelegte Regel-Ausnahme-Verhältnisse s. Andreas von Arnauld, in: JZ 2000, 276 ff.; mit der Einschränkung, dass eine Rechts- bzw. Kompetenzsphäre in der Art eines Freiheitsbereiches zugewiesen wird Bernd Grzeszick, in: Maunz / Dürig, Art. 20 VII Rn. 108 f. m.w. N. 737 Zur Anwendbarkeit bei Beschränkungen der Abgeordnetenrechte durch die GeschOBT oder auf die GeschOBT gestützte Einzelmaßnahmen s. Andreas Heusch, Grundsatz, S. 226 ff., insbes. S. 229 ff.; i. E. auch bereits Helmuth Schulze-Fielitz, in: DÖV 1989, 829 (833); a. A. Mathias Kühnreich, Selbstorganisationsrecht, S. 165 ff., demzufolge der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine „taugliche“ Schranke des Selbstorganisationsrechts ist. 738 Für den Ausschluss aus Parlamentsfraktionen s. BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (445); BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 (163); für den Ausschluss aus kommunalen Vertretungskörperschaften s. OVG Berlin, in: NVwZ 1998, 197 (198 f.); OVG Lüneburg, NVwZ 1994, 506 (507); VG Osnabrück, Beschluss vom 17. 10. 2008 – 1 B 27/ 08, BeckRS 2008, 40322 (LS 4); VG Braunschweig, Urteil vom 12. 09. 2007 – 1 A 37/07, BeckRS 2007, 27589 (LS 2); VG Gießen, in: NVwZ-RR 2004, 204 (206); VG Potsdam, in: LKV 2004, 478 (480); VGH Kassel, in: NVwZ 1999, 1369 (1370 f.). 739 s. Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 202 ff., 228 ff., der eine Anwendbarkeit aus der Bindung der Fraktionen an das Rechtsstaatsprinzip herleitet; ohne Begründung auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 479 f.; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 173; Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 164; Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (851); Michael Borchmann, in: VR 2002, 11 (13); Markus Kotzur, in: JuS 2001, 54 (58); wohl auch Jan Ziekow, in: NWVBl. 1998, 297 (303); vgl. auch Christofer Lenz, in: NVwZ 735

I. Rechtsgrundlage des Ausschlusses

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schlüsse nicht ausdrücklich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit gemessen werden, wird die unausweichliche Begrenzung des einen Rechtskreises zugunsten des anderen durch Abwägung entschieden 740, sie kann auch nicht anders entschieden werden. Einer Abwägung bedürfte es nur dann nicht, wenn das Grundgesetz abschließend bestimmte, unter welchen Voraussetzungen die Fraktion zum Mittel des Fraktionsausschlusses greifen dürfte. Die Zuordnung der zum Ausschluss berechtigenden Assoziationsfreiheit der Abgeordneten zur bestandsgeschützten Mitgliedschaft beinhaltet aber einen Argumentationsrahmen, der in methodischer Hinsicht Ausdruck einer systematischen Auslegung der Verfassung ist, die sich im „Einklang mit den Grundentscheidungen der Verfassung und frei von einseitiger Beschränkung auf Teilaspekte“ halten muss 741. Die Heranziehung und Bewertung der die sachliche Zuordnung der jeweiligen Rechtsbereiche tragenden Gesichtspunkte ist Abwägung, die der Herstellung und Darstellung auf rational kontrollierbare Weise bedarf. Dieser Anforderung wird der – grundsätzlich anwendbare – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in besonderem Maße gerecht. Aufgrund seiner Anerkennung als „übergreifende Leitregel allen staatlichen Handelns“ mit Verfassungsrang 742 liegt eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor allem im Inter2005, 364 (366, 369), demzufolge die Verhältnismäßigkeitsprüfung allerdings in der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines „wichtigen Grundes“ aufgeht; für die an einem „strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab“ zu messenden sitzungsleitenden parlamentarischen Disziplinarmaßnahmen s. Martin Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 156; ebenso Klaus Abmeier, Befugnisse, S. 240; zur Ausschussmitgliedschaft Fraktionsloser s. Helmuth Schulze-Fielitz, in: DÖV 1989, 829 (833), demzufolge die „Grenzziehung für das eine Recht zugunsten des anderen Rechts verhältnismäßig, also erforderlich sein“ muss. 740 „Schlicht“ als Abwägungserfordernis formuliert etwa bei Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 135; Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 201 f.; Klaus Abmeier, Befugnisse, S. 200; Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (641); Hans-Hermann Kasten, in: ZParl. 1985, 475 (482); von einem gegenseitigen Ausgleich kollidierenden Verfassungsrechts sprechen Claus Binder / Frank Hoffmann, in: Jura 2006, 387 (393); der Sache nach eine Abwägung vornehmend (rechtfertigende Gründe) Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (629, 631 f.); Sven Hölscheidt, in: ZParl. 1994, 353 (367 f.); Albrecht Weber / Harald Eschmann, in: JuS 1990, 659 (661); Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 92; vor allem die Rechtsprechung zu Ausschlüssen aus kommunalen Vertretungskörperschaften rekurriert auf das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ und greift auf die im Zivilrecht entwickelten Rechtsgrundsätze für die Beendigung von „auf das persönliche Zusammenwirken mehrerer Beteiligter angelegten Dauerrechtsverhältnissen“ zurück, s. nur OVG Münster, in: NJW 1989, 1105 (1106); OVG Saarlouis, in: NVwZ-RR 1996, 462 (463); VG Darmstadt, in: NVwZ-RR 1990, 104 (105); VGH Kassel, in: NVwZ 1990, 391 (392); VGH Kassel, in: NVwZ 1999, 1369 (1370); nicht nur den Rechtsgedanken übertragend, sondern das Zivilrecht unmittelbar anwendend VGH München, in: NJW 1988, 2754 (2754 ff.); VGH München, in: NVwZ 1989, 494 (494 ff.); dazu kritisch und zutreffend a. A. Karl-Heinz Rothe, in: BayVBl. 1989, 359 ff. 741 Vgl. Konrad Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 71. 742 s. nur BVerfGE 23, 127 (133).

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

esse der Vorhersehbarkeit und Beständigkeit staatlicher Entscheidungen. Seine Geltung im öffentlichen Recht für den Ausgleich von Individualrechtsgütern mit den von öffentlich-rechtlichen Normen geschützten Allgemeingütern oder Interessen privater Dritter ist zwar gesetzlich nicht allgemeingültig geregelt. Soweit er keine spezialgesetzliche Normierung erfahren hat (wie etwa in § 2 PolG NW, § 15 OBG NW, § 58 VwVG NW, § 17 Abs. 2 BImSchG, § 62 StGB) gilt er aber als judikativ-gewohnheitsrechtlich verfestigte Auslegungsregel, die auf der Grundlage anerkannter Prüfungsmaßstäbe dem Rechtsanwender den Weg einer zu treffenden Entscheidung aufzeigt und den Betroffenen in die Lage versetzt, das Entscheidungsergebnis rational nachzuvollziehen. „Dank weitestreichender Operationalisierung und systematischer Aufarbeitung“ bietet sich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz daher als „leistungsfähige Abwägungsregel“ an 743. Hinzu kommt, dass auch die in Beachtung des verfassungsrechtlichen Abwägungsgebotes zur Anwendung gebrachten Alternativkonzepte, wie etwa die Beschränkung auf „wichtige Gründe“, auf die Herstellung einer Zweck-MittelRelation zielen, die eine Beschränkung des einen Rechts im Interesse des schutzwürdigen anderen zu rechtfertigen vermag. Dies kann nicht ohne Feststellungen zur Geeignetheit und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung des damit verfolgten Zweckes auskommen, so dass auch diese Wege der Abwägung der Sache nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung weitgehend ähneln. In Anbetracht dessen erscheint es folgerichtig, die tatsächlich zur Anwendung kommende Methode auch zu benennen. Letztlich ist der Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen im Falle eines Fraktionsausschlusses deshalb in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes herzustellen. Danach ist der Ausschluss „geeignet“, wenn er das angestrebte Ziel erreichen kann. Der Ausschluss ist „erforderlich“, wenn es keine anderen milderen Maßnahmen gibt, die ebenso wie der Ausschluss geeignet sind, das angestrebte Ziel zu erreichen. Der Ausschluss ist „angemessen“, wenn die Bedeutung des zur Geltung zu bringenden Rechtsgutes unter Berücksichtigung der Intensität des Eingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Rechtsgut steht, welches zurücktreten muss. 3. Fraktionsbinnenrecht In einigen Fraktionsgeschäftsordnungen finden sich Regelungen zum Fraktionsausschluss 744. Diese sind jedoch nicht konstitutiv für die Ausschlussmöglichkeit. Die (auch personelle) Selbstbestimmungsmacht der Fraktionen ist vorgege743

Vgl. Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 116 (119). Zu den vorhandenen Regelungen in den Geschäftsordnungen der Bundestags- und Landtagsfraktionen s. unten, S. 209 ff. 744

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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ben und geprägt durch die Verfassung, insbesondere durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und den Funktionszusammenhang, innerhalb dessen den Fraktionen Handlungsmöglichkeiten zuerkannt sind. Die Ausschlusskompetenz der Fraktion ist als „gebündelte“ Ausübung der von der Assoziationsfreiheit umfassten freien Wahl der Kooperationspartner durch die in einer Fraktion zusammengeschlossenen Abgeordneten zu verstehen 745 und damit als unmittelbar verfassungsrechtliche Kompetenz, die zwar näherer gesetzlicher oder fraktionsgeschäftsordnungsrechtlicher Ausgestaltung zugänglich ist 746, dieser jedoch nicht bedarf 747. Soweit die Fraktionsgeschäftsordnungen im Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen Regelungen getroffen haben, erlangen sie als fraktionseigene Wertungen allerdings auch Verbindlichkeit, und zwar gegebenenfalls sowohl für das Ausschlussverfahren als auch die Gründe, die zum Ausschluss berechtigen 748.

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses Der Ausschluss eines Abgeordneten aus einer Bundestagsfraktion steht nicht im Belieben der Fraktion. Der Verfassung sind vielmehr sowohl hinsichtlich der zum Ausschluss berechtigenden Gründe als auch des zu beachtenden Ausschlussverfahrens Mindestvorgaben zu entnehmen, die im Folgenden dargelegt werden.

745

s. oben, S. 168 f. So statuieren § 1 Abs. 4 FraktG BW, § 6 Abs. 2 Nr. 2 FraktG Berlin und § 2 Abs. 2 Nr. 5 FraktG Bbg die Pflicht der Fraktionen, in den Fraktionsgeschäftsordnungen Bestimmungen zum Fraktionsausschluss zu treffen. 747 Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 138; ebenso Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 251; Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (365); Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 475; a. A. Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 175 f., der eine Regelung nach dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ für erforderlich erachtet; dem Rechtsstaatsprinzip eine Verpflichtung auf die „detaillierte binnenrechtliche Regelung des Ausschlussverfahrens und der Ausschlussgründe“ entnehmend Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 233 ff.; ähnlich auch Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (643 ff.), der die Aufnahme materieller Ausschlussgründe in den Fraktionsgeschäftsordnungen für rechtspolitisch wünschenswert hält, aber eine schriftliche Fixierung zumindest des bei einem Fraktionsausschluss zu beachtenden Verfahrens aus rechtsstaatlichen Gründen für geboten erachtet. 748 Insbesondere zur freiwilligen Beschränkung auf konkrete Ausschlussgründe s. unten, S. 186 ff. Zu den Anforderungen an das Ausschlussverfahren s. unten, S. 190 ff. 746

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

1. Ausschlussgrund Der grundgesetzliche Gewährleistungsbereich der Fraktionsbildung und -arbeit erstreckt sich auf die den Fraktionen in der parlamentarischen Demokratie zukommenden Funktionen und ist damit zugleich auf die Sicherung der Funktionserfüllung begrenzt. Den Fraktionen ist als Organteilen des Bundestages zur Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Funktionen ein Bereich autonomer Gestaltung der parlamentarischen Arbeit eingeräumt, der sowohl den politischen Inhalt als auch den organisatorischen Ablauf umfasst und zugleich die Ausformung und Umsetzung ihrer spezifischen Vorstellungen von einer effektiven Funktionserfüllung ermöglicht. Gerade die Funktionsgebundenheit der den Fraktionen zuerkannten Handlungsmöglichkeiten kennzeichnet damit aber auch die Grenze möglicher Ausschlussgründe. a) Definitionsmacht der Fraktionen Die Fraktion ist grundsätzlich berechtigt, sich gegen Störungen der Funktionsfähigkeit zu verteidigen. Sofern diese von einzelnen Mitgliedern ausgehen, auch durch Ausschluss eben dieser. In diesem Sinne ist der Ausschluss eine Selbstverteidigungsmaßnahme zur Aufrechterhaltung einer effektiven politischen Tätigkeit der Fraktion 749. Allerdings obliegt die Bestimmung dessen, was der Aufrechterhaltung einer effektiven politischen Tätigkeit und damit der Funktionsfähigkeit dient, wesentlich den Fraktionsmitgliedern selbst 750. Wenn auch den Funktionen als Arbeits-, Tendenz- und Wettbewerbsgemeinschaften 751, die den Fraktionen in der parlamentarischen Demokratie zugewiesen sind, eine gewisse inhaltliche Begrenzung für die Bestimmung der zum Fraktionsausschluss berechtigenden Funktionsstörungen entnommen werden kann, so ist doch die determinierende Kraft dieser Funktionszuschreibung nicht sehr groß. Inhaltlich sind die Funktionen ebenso wie die Art und Weise ihrer Erfüllung der konkreten Ausgestaltung in hohem Maße fähig und bedürftig. Diese Ausgestaltung obliegt im Wesentlichen den Fraktionen, deren Vorstellungen von einem effektiven Funktionieren weiter Raum für freie Gestaltung verbleibt. Sowohl die Entscheidung darüber, was als Gegenstand der gemeinsamen politischen Grundüberzeugungen zu gelten hat, als auch in welcher Weise die politischen 749 So formuliert von den Verfahrensbevollmächtigten der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin in dem Organstreitverfahren betreffend den Ausschluss des Abgeordneten Wolfgang Mleczkowski (VerfGH Berlin, Urteil vom 19. 09. 2005 – Az. 53/05, mit verkürztem Sachverhalt abgedruckt in NVwZ-RR 2006, 441 ff.), zitiert nach dem Abdruck der Entscheidung im Volltext unter http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/lverfgh /presse/archiv/20051122.26061.html, 20. 02. 2010. 750 Vgl. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (644). 751 s. dazu im Einzelnen oben, S. 17 ff.

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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Vorstellungen und Ziele „am Besten“ erarbeitet, in der parlamentarischen Willensbildung und Entscheidungsfindung umgesetzt und vor der Öffentlichkeit dargestellt werden können, kommt den Fraktionen zu. Dabei ist die Festlegung der politischen Ausrichtung und der organisatorischen Funktionsbedingungen Aufgabe des innerfraktionellen politischen Prozesses, der dem Demokratiegebot entsprechend die Auseinandersetzung der beteiligten Interessen und Meinungen ermöglichen muss und in mehrheitlich getroffene Fraktionsentscheidungen mündet. Jedoch benennen die Funktionen die Dimensionen, in denen die verfassungsrechtlich geschützten und damit im Wege des Fraktionsausschlusses verteidigungsfähigen Fraktionsinteressen liegen 752. Dabei sind diese Dimensionen nicht trennscharf voneinander abzugrenzen, sie sind vielmehr von Überschneidungen und Wechselwirkungen geprägt. Insbesondere die Funktion als Tendenzgemeinschaft entfaltet wesentliche Ausstrahlungswirkungen. Mit dieser Funktion ist die Bestimmung der inhaltlichen politischen Ausrichtung, des „Identitätskerns“ einer Fraktion angesprochen. Dieser Identitätskern ist maßgeblicher Faktor der Kommunikation nach innen und außen, wodurch sowohl die Funktion als Arbeitsgemeinschaften als auch als Wettbewerbsgemeinschaften mitgeprägt werden. Nach innen setzt ein effektives Funktionieren als Tendenzgemeinschaft die Herausbildung und Aufrechterhaltung eines „Wir-Bewusstseins“ voraus, das Integration und Kooperation bewirkt, mit anderen Worten: fraktionsintern geht es um den Zusammenhalt der Mitglieder. In der Kommunikation nach außen bildet ein identifizierbares und widerspruchsfreies Erscheinungsbild die Basis dafür, dass die Fraktion als glaubwürdig und Vertrauen erweckend wahrgenommen wird, mit anderen Worten: fraktionsextern geht es um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Die Funktion als Tendenzgemeinschaft setzt danach in beiden Wirkrichtungen ein Mindestmaß politischer Homogenität 753 voraus und erlaubt es den Fraktionen, ihr inneres Geschehen auf ihre programmatisch-ideologische Linie auszurichten, also ihre „Tendenzreinheit“ zu pflegen und zu verteidigen 754. Davon umfasst ist die Möglichkeit, sich in personeller Hinsicht „gegnerfrei“ zu organisieren oder – defensiv formuliert – sich von den Mitgliedern zu trennen, die ihre politischen Grundüberzeugungen nicht mehr teilen. Dabei kann der Verlust der Parteizugehörigkeit, die üblicherweise besonders signifikanter Ausdruck politischer Homogenität ist, durchaus auch den Ausschluss aus der Fraktion nach sich ziehen. Dies bedarf jedoch aufgrund der rechtlichen 752 753 754

(630).

Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (641). Zur politischen Homogenität s. bereits oben, S. 110 ff. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (635); Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

Trennung von Partei und Fraktion 755 und des gegenüber den politischen Parteien eigenständigen Tendenzcharakters der Fraktionen 756 zwingend der Feststellung durch die Fraktion selbst 757. Nur diese kann entscheiden, ob eine weitere Kooperation auf der Basis gemeinsamer politischer Grundüberzeugungen für die Zukunft ausgeschlossen ist. Politische Homogenität setzt nicht zwingend gleiche Parteizugehörigkeit voraus, die Fraktionen sind nicht gehindert, auch Personen ohne oder anderer Parteizugehörigkeit in die Fraktionsarbeit einzubinden 758. Eine „Delegation“ der staatsorganisationsrechtlichen Befugnis zum Fraktionsausschluss durch die Fraktionsgeschäftsordnung auf die zivilrechtlich organisierten und unabweislich auf die Vorformung der politischen Willensbildung im gesellschaftlichen Bereich beschränkten politischen Parteien, die zudem ihre eigenen spezifischen Interessen verfolgen, kommt nicht in Betracht. Ausgeschlossen ist deshalb, dass die Fraktionsgeschäftsordnungen an den Verlust der Parteizugehörigkeit automatisch die Rechtsfolge des Verlustes auch der Fraktionsmitgliedschaft knüpfen 759. 755

Dazu schon oben, S. 52 ff. s. oben, S. 39 ff. 757 So auch Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 133 ff.; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 228; Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 252 ff.; Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (632); Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (850); Michael Borchmann, in: VR 2002, 11 (11). 758 Dies wird besonders deutlich an der durch § 10 Abs. 3 GeschOBT eingeräumten Möglichkeit, Gäste aufzunehmen, sowie an der Möglichkeit zur Fraktionsbildung unabhängig von der Parteizugehörigkeit nach § 10 Abs. 1 S. 2 GeschOBT. 759 So ausdrücklich Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 135; Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 178 f.; Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 202; a. A. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 479; für den Ausschluss aus einer Ratsfraktion Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 163; für einen „modifizierten Automatismus“ votierend, demzufolge eine Einzelfallentscheidung der Fraktion nur im Falle eines Antrags auf Verbleib in der Fraktion erforderlich ist, Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (369); diesem zuletzt genannten Gedanken tragen § 16 Abs. 1 FDP-GeschO, § 3 Abs. 1 GeschO „Die Linke.“ und § 6 Abs. 2 GeschO SPD-Fraktion NW Rechnung; ähnlich misst § 1 Satzung FDP-Fraktion NI dem Verlust der Parteimitgliedschaft eine Indizwirkung im Sinne eines Ausschlussgrundes bei, macht den Ausschluss aber dennoch von einer eigenen, in das Ermessen gestellten Entscheidung abhängig; deutlich zu weitgehend demgegenüber in der Abhängigkeit des Fraktionsausschlusses von der Partei § 17 Satzung CDU-Fraktion NI, auch § 1 GeschO SPD-Fraktion BY, der sogar aus dem parteiintern angeordneten Ruhen der parteimitgliedschaftlichen Rechte unmittelbar auch ein Ruhen der Mitgliedschaft in der Fraktion entnimmt. Aber auch die verbreitet anzutreffende „schlichte“ Automatik des Verlustes der Fraktionsmitgliedschaft (s. § 16 Abs. 1 FDP-GeschO, § 3 Abs. 1 GeschO „Die Linke.“, § 2 GeschO SPD-Fraktion BW, § 12 Satzung FPD-Fraktion BY, § 1 Satzung SPD-Fraktion BE, § 8 Satzung FPD-Fraktion BE, § 6 GeschO SPD-Fraktion BB, § 7 Satzung CDU-Fraktion HB, wohl auch SPD-GeschO HB, § 5 GeschO Fraktion Die Linke. HB, § 5 GeschO Fraktion Die Linke HH, § 1 GeschO SPD-Fraktion NI, § 6 GeschO Fraktion Die Linke NI, § 1 GeschO FPD-Fraktion NW) ist verfassungsrechtlich inakzeptabel, zum Wortlaut der jeweiligen Regelungen s. unten S. 209 ff. 756

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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Die Funktion der Fraktionen als Arbeitsgemeinschaften ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch die Koordination des Handelns ihrer Mitglieder, und zwar wiederum sowohl nach innen als auch nach außen. In beiden Wirkrichtungen setzt ein effektives Funktionieren voraus, dass die Zusammenarbeit der Mitglieder durch Kopperationsfähigkeit, -bereitschaft und gegenseitiges Vertrauen getragen ist. „Dies schließt auch persönliche Zuverlässigkeit und hinlängliche Umgänglichkeit ein und hat natürlich einen Schwerpunkt in der politischen Verlässlichkeit.“ 760

Zum einen bedarf es danach der Beachtung der formalisierten Organisationsund Verfahrensregeln sowie der allgemeingültigen Regeln kompetenter Kommunikation, die ein Mindestmaß an Achtung, Respekt und Höflichkeit einfordern. Zum anderen bedingen sowohl die fraktionsinternen Arbeitsabläufe als auch eine nach außen wirkungsvolle Fraktionspolitik die Übereinstimmung in politischen Grundüberzeugungen, wodurch wiederum der Bezug zu den Funktionen als Tendenz- und Wettbewerbsgemeinschaften hergestellt ist. Die innerfraktionelle Konsensfindung generell und eine erfolgversprechende arbeitsteilige 761 Zusammenarbeit im Besonderen ist darauf angewiesen, dass die politischen Anschauungen in wesentlichen Grundfragen von den Fraktionsmitgliedern geteilt werden. Dies erlaubt es einerseits, sich auf die von anderen Fraktionsmitgliedern auf deren spezifischen Politikfeldern erarbeiteten Standpunkte zu verlassen, andererseits bietet es Gewähr für ein weitgehend geschlossenes Vertreten 762 der gemeinsamen Standpunkte in der parlamentarischen Arbeit und vor der Öffentlichkeit. Die Funktion als Wettbewerbsgemeinschaften bringt zum Ausdruck, dass die Fraktion ihrer Zielsetzung nach auf Konkurrenz ausgerichtet ist, dies in erster Linie nach außen gegenüber dem politischen Gegner, aber auch nach innen in der Auseinandersetzung um die konkret zu verfolgende Politik. Als auf Außenwirkung zielende, im Wettbewerb mit politischen Konkurrenten stehende Organisation ist die Fraktion auf ein glaubwürdiges und Vertrauen erweckendes Erscheinungsbild angewiesen. Dazu bedarf es eines Mindestmaßes an innerorganisatorischer Loyalität, das etwa Zurückhaltung bei der öffentlichen Äußerung von Kritik an den inhaltlichen Positionen der Fraktion oder anderer Fraktionsmitglieder gebietet, ein möglichst geschlossenes Abstimmungsverhalten sowie rechtzeitige Ankündigung beabsichtigten Abweichens voraussetzt und eigenmächtige Zusammenarbeit mit politischen Konkurrenten verwehrt. Hier erweist sich wiederum jeweils der Zusammenhang mit den Funktionen als Tendenzund Arbeitsgemeinschaften. In der Außendarstellung gilt es im Interesse der 760

Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (641). Zur Notwendigkeit und den Voraussetzungen arbeitsteiligen Vorgehens s. oben, S. 37 ff. 762 Zur Geschlossenheit der Fraktionen s. schon oben, S. 129 ff. 761

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

Konkurrenzfähigkeit ein Bild der politischen Zerrissenheit zu vermeiden und im Interesse der politischen Handlungsfähigkeit in der parlamentarischen Arbeit weitgehende Geschlossenheit zu demonstrieren. Im Innenverhältnis geht es darum, die Mitgliedschaftsmotivation der anderen Fraktionsmitglieder zu schonen. Darüber hinaus ist das Interesse der Fraktionen an einem glaubwürdigen und Vertrauen erweckenden Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit auch gegen Beeinträchtigungen solcher Art geschützt, die ihre Ursache nicht „nur“ in der parlamentarischen Zusammenarbeit und der Auseinandersetzung um politische Positionen haben. Hier ist an Imageprobleme aufgrund öffentlichkeitswirksamer Straffälligkeit von Fraktionsmitgliedern 763 zu denken, auch an Verstöße gegen Offenlegungspflichten oder an die Entgegennahme von Vorteilen, um die sich in der Öffentlichkeit beispielsweise andauernde, einen Korruptionsverdacht nährende Diskussionen ranken, aber auch an sonstiges, der politischen Glaubwürdigkeit abträgliches Verhalten 764. Die Funktionsfähigkeit der Fraktionen ist in all ihren Dimensionen grundsätzlich verteidigungsfähig 765, wenngleich sich der Ausschluss im Einzelfall auch als verhältnismäßig erweisen muss 766. Demgegenüber steht eine Beschränkung der Ausschlussmöglichkeit der Fraktionen etwa auf Fälle des vorherigen Parteiausschlusses 767 ebenso wenig im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Wertungen wie die generelle Verweigerung einer Ausschlussmöglichkeit in Fällen, in denen sich die Funktionsstörung im Zusammenhang mit einem konkreten Verhalten des Abgeordneten im parlamentarischen Entscheidungsprozess ergibt 768. Auch Verschuldensfragen spielen grundsätzlich keine Rolle 769. Die Fraktionen 763 Als Beispiel mag hier der Ausschluss des Abgeordneten Wolfgang Mleczkowski aus der FDP-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin dienen, s. oben, S. 14 f. 764 So kann etwa nicht in Abrede gestellt werden, dass der Parteienfinanzierungsskandal im Zusammenhang mit der undurchsichtigen Finanzierung eines von Jürgen W. Möllemann an alle Haushalte Nordrhein-Westfalens verteilten israelkritischen Wahlkampf-Flugblattes – nicht zuletzt aufgrund der bundesweiten intensiven Medienberichterstattung – auch Auswirkungen auf das Image der FDP-Bundestagsfraktion hatte, s. dazu auch oben, S. 13 f. 765 s. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (641 f.); in diese Richtung auch Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (632), der auf die Handlungsfähigkeit der Fraktion abstellt; ähnlich auch Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 225; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 172 f.; Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 180, 182 f.; Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (368); ausweislich der aufgeführten Beispiele der Sache nach wohl auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 478. 766 Zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes s. oben, S. 170 ff. 767 So aber Hans Meyer, in: FS Mahrenholz, S. 319 (337); wie hier Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 479; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 167 ff.; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 227 f. 768 So aber, mit der Begründung es handele sich um unzulässigen Fraktionszwang, Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 216; ebenso Hans-Hermann Kasten, in: ZParl. 1985, 475 (482 f.); explizit für die Wahrnehmung des parlamentarischen Stimm-

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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sind im dargelegten umfassenden Sinne berechtigt, sich gegen Funktionsstörungen zu wehren. Ob der Ausschluss zur Beseitigung der Beeinträchtigung gerechtfertigt ist, ist am Maßstab der Verhältnismäßigkeit durch die Fraktion zu beurteilen. aa) Prognoseentscheidung Der Fraktionsausschluss ist eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung einer zukünftigen effektiven politischen Tätigkeit der Fraktion und bedarf deshalb einer Zukunftsprognose anhand vergangener Tatsachen 770. „Charakteristisch für prognostische Entscheidungen ist die Erforderlichkeit eines Wahrscheinlichkeitsurteils, das auf der Grundlage der als Prognosebasis dienenden bekannten Tatsachen und Erfahrungssätze auf die wahrscheinliche zukünftige Entwicklung schließen muss.“ 771

Aufgrund der Relevanz von Wahrscheinlichkeitsmaßstäben sind Prognoseentscheidungen notwendig mit Unsicherheiten verbunden. In Hinblick auf diese Unsicherheiten und angesichts der Abhängigkeit der Entscheidung von höchstpersönlichen Wahrnehmungen und abwägenden Lagebeurteilungen, die sich außerhalb eines rechtlich exakt erfassbaren Bereiches bewegen, muss der Fraktion bei der Beurteilung, wann eine Störung der effektiven Funktionserfüllung tatbestandlich vorliegt, ein Beurteilungsspielraum eröffnet sein 772. Wann etwa Abweichungen von der „Fraktionslinie“, Missachtungen der Verfahrens- oder auch allgemeingültigen Umgangsregeln oder Imageprobleme der Fraktion bereits als Funktionsstörungen wahrgenommen werden, unterliegt als stark wertungsgebundene Einschätzung der Definitionsmacht der Fraktion, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist 773. oder Rederechts auch Albrecht Weber / Harald Eschmann, in: JuS 1990, 659 (661). Dazu und zur Geschlossenheit der Fraktionen bereits oben, S. 129 ff. 769 So auch Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (632); ebenso Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (642); Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (368); Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 225; anders diejenigen, die Ausschlussgründe in Anlehnung § 10 Abs. 4 PartG herleiten, so etwa Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 136. 770 Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (850); zum Fraktionsausschluss im Kommunalrecht auch Jan Ziekow, in: NWVBl. 1998, 297 (305 f.). 771 s. Eckhard Pache, Abwägung, S. 142 m.w. N. 772 Vgl. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (644 f.); Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 116 (119); Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (368); Claus Binder / Frank Hoffmann, in: Jura 2006, 387 (393); Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 231; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 174 f.; Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 251; Ulrike Bick, Ratsfraktion, S. 165; s. auch BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 (162); dem folgend BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (444 f.); a. A. Michael Borchmann, in: VR 2002, 11 (14); Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (852).

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

„Bei der Beurteilung eines Fraktionsausschlusses ist es nicht Sache des Gerichts, schlechthin seine Beurteilung an die Stelle derjenigen politischen und sonstigen, an innerparteilichen Maßstäben ausgerichteten, Wertungen zu setzen, nach denen die Fraktion lebt und ihre im Staatswesen verfolgten Ziele erkämpfen will [...]“ 774.

Dies gilt im Ergebnis nicht nur für die Beurteilung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausschlusskompetenz, sondern auch für die Rechtsfolgenseite 775. Selbst wenn nach Einschätzung der Fraktion eine Funktionsstörung eingetreten ist, ist sie nicht gezwungen, diese Störung, zumal durch bestimmte Maßnahmen, zu beseitigen 776. Auf der Rechtsfolgenseite kommt der Fraktion ein Ermessensspielraum zu, der sowohl das „Ob“, als auch des „Wie“ der Störungsbeseitigung umfasst. Die Fraktion kann einen „Störenfried“ in den eigenen Reihen auch dulden 777 oder auf andere Weise als durch Ausschluss eines Mitgliedes versuchen, der Funktionsstörung entgegenzuwirken. Entschließt sich eine Fraktion dazu, ein Mitglied auszuschließen, muss der Ausschluss verhältnismäßig sein. Ob der Ausschluss letztlich aber geeignet, erforderlich und angemessen ist, um die eingetretene Funktionsstörung für die Zukunft zu beheben, ist ihrerseits eine stark wertende Entscheidung mit Prognosecharakter. Vergleichbar ist der Ermessenspielraum mit dem tatbestandlichen Beurteilungsspielraum insofern, als dass beide der Fraktion eine Letztentscheidungs773

Vgl. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (644). BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 (162); dito BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (445). 775 Die differenzierende Betrachtung von Tatbestand und Rechtsfolge wird in Literatur und Rechtsprechung bislang nicht nachvollzogen. Der überwiegend als Prüfungsmaßstab herangezogene, dem Zivilrecht entlehnte „wichtige Grund“ (s. dazu noch unten, S. 188 ff.) setzt in der Rechtsanwendung eine einheitliche Beurteilung von Tatbestand und Rechtsfolge voraus, wodurch die bestehenden (im Falle der Koppelung von gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarem Beurteilungs- und Ermessensspielraum allerdings nur marginalen) Unterschiede in der Frage der gerichtlichen Kontrollunterworfenheit vernachlässigt werden. Deutlich wird dies bei Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (369 f.), der den „wichtigen Grund“ zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nimmt und dem auf der Rechtsfolgenseite eingeräumten Ermessen eine demgegenüber weiter gehende Prüfungsrelevanz abspricht, weil bei der Prüfung eines „wichtigen Grundes“ alle für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte bereits zu berücksichtigen sind, folglich von einem „Ermessensschwund“ (s. Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 49) auszugehen ist. In der Frage der nachgängigen gerichtlichen Kontrolle wird auf die für Beurteilungsspielräume entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen und ohne weitere Begründung nur ein Teilaspekt der Überprüfung auf Ermessensfehler berücksichtigt. Das auf der Rechtsfolgenseite eröffnete Ermessen findet im Urteil des BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 ff., keinerlei Erwähnung, während der BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (444 f.), der Sache nach eine doppelte Verhältnismäßigkeitsprüfung vornimmt. 776 Vgl. Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (369). 777 s. Hans Hugo Klein, in: ZParl. 2004, 627 (632); zustimmend Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (369). 774

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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kompetenz gewähren, die gerichtlich nur noch auf „äußere Grenzen“ der Beurteilung oder des Ermessens hin überprüfbar ist. Für die wertungs- und prognoseabhängige Beurteilung des Vorliegens einer Funktionsstörung ist die gerichtliche Überprüfung daher auf eine Evidenz- und Willkürkontrolle beschränkt 778, wobei eine von sachfremden und willkürlichen Erwägungen freie Entscheidung der Fraktion grundsätzlich voraussetzt, dass die Fraktionsmitglieder die zutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Grunde gelegt haben und von einem möglichst vollständig aufgeklärten Sachverhalt ausgehen konnten 779. Auch die gerichtliche Überprüfungskompetenz hinsichtlich des auf der Rechtsfolgenseite eingeräumten Ermessens ist im Wesentlichen auf eine Evidenz- und Willkürkontrolle beschränkt, die sich darauf erstreckt, ob die Fraktion bei der Ermessenausübung die wesentlichen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte grob verkannt oder sich von sachfremden, willkürlichen Motiven hat leiten lassen 780. Der gerichtlichen Kontrolle unterliegen hier – wenngleich nur sehr beschränkt – auch inhaltliche Fragen der Abwägung 781. Ob unter mehreren Handlungsalternativen die beste, zweckmäßigste oder vernünftigste Vorgehensweise gewählt wurde, ist der gerichtlichen Überprüfung dagegen entzogen. Demgegenüber unterliegt die Beachtung der formellen Voraussetzungen eines Fraktionsausschlusses 782 uneingeschränkt gerichtlicher Kontrolle 783. 778 BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 (162); ebenso BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (445). 779 BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (445); MVVerfG, in: LKV 2003, 516 (519); s. auch Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (645); Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (370). Der Entscheidung würden etwa zwar tatsächlich zutreffende aber rechtlich unzutreffende Verhältnisse zugrunde gelegt, wenn ein ausschließlich der Partei entstandener Schaden, also ein Fremdschaden, als Ausschlussgrund – der offensichtlich nicht vom Zweck der Ausschlusskompetenz gedeckt ist – herangezogen wird, so aber grundsätzlich für möglich erachtet von § 1 Abs. 4 GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH, dessen Regelungsgehalt auch im Übrigen bedenklich ist, s. dazu Fn. 787 und Fn. 846, zum genauen Wortlaut s. unten, S. 209 ff. 780 Vgl. auch BVerfGE 108, 251 (273 ff.), für die im Ermessen des Bundestagspräsidenten stehende Genehmigung einer Durchsuchung oder Beschlagnahme in den Räumen des Bundestages nach Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG. Wenngleich das Genehmigungserfordernis nicht mit der Ausschlussentscheidung der Fraktion vergleichbar ist, kann der vom Bundesverfassungsgericht dargelegte Umfang der gerichtlich überprüfbaren Ermessensbindung auf das Ausschlussermessen der Fraktion übertragen werden. 781 Eine solche gerichtliche Überprüfungskompetenz ist nach Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (645), nur dann gegeben, wenn die Fraktion geschäftsordnungsrechtlich Ausschlussgründe statuiert hat. Aus welchem Grund den der Verfassung selbst zu entnehmenden inhaltlichen Ausschlussvoraussetzungen (dort S. 641 ff.) nicht auch Maßstäbe für die Interessenabwägung und damit für die nachgängige gerichtliche Willkürkontrolle zu entnehmen sind, bleibt offen. 782 Zum Ausschlussverfahren s. unten, S. 190 ff.

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

bb) Freiwillige Beschränkung auf konkrete Ausschlussgründe Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Regelung von Ausschlussgründen in den Fraktionsgeschäftsordnungen trifft die Fraktionen nicht 784. Angesicht der aufgezeigten Vielgestaltigkeit möglicher Kollisionsfälle bleibt es den Fraktionen aber unbenommen, sich in ihren Geschäftsordnungen auf konkrete Ausschlussgründe zu beschränken und auf diese Weise den Schutz einzelner Mitglieder vor einem unfreiwilligen Verlust der Fraktionszugehörigkeit gegenüber der verfassungsrechtlichen Ausgangslage zu erweitern 785. So sieht etwa § 5 lit. k) GeschO Bündnis 90/Die Grünen 786 vor, dass ein Mitglied ausgeschlossen werden kann, wenn es gegen die von der Fraktion beschlossene Politik in erheblichem und schwerwiegendem Umfang verstoßen hat. Nach der gewählten Formulierung ist hier ein als abschließend zu bewertender Ausschlusstatbestand geschaffen worden. Damit begibt sich die Fraktion der Möglichkeit zum Ausschluss von Mitgliedern in den Fällen, in denen sich die Funktionsstörung nicht auf Divergenzen in politischen Anschauungen zurückführen lassen. Als mögliche Ausschlussgründe scheiden damit wesentliche, sich aus den Funktionen als Arbeits- und Wettbewerbsgemeinschaften ergebende Interessen der Fraktion aus, etwa das an einer von gegenseitigem Respekt und Vertrauen getragenen Arbeitsatmosphäre oder an einem durch Skandale ungetrübten Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit. Sofern die Innenrechtssätze der Fraktionen sich durch eine abschließende Benennung konkreter, verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässiger 787 Ausschlussgründe inhaltlich beschränken 788, sind diese fraktionseigenen Wertungen zu be783

BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 (162); BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (445); MVVerfG, in: LKV 2003, 516 (519 f.); Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (645). 784 s. schon oben, S. 176 f. 785 Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (368); Jan Ziekow, in: NWVBl. 1998, 297 (303). 786 GeschO Bündnis 90/Die Grünen i. d. F. vom 05. 09. 2007; so auch § 5 Abs. 11 GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BY und § 4 Abs. 1 Spiegelstrich 6 GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen NW, zum genauen Wortlaut der Regelungen s. unten, S. 209 ff. 787 In diesem Sinne etwa verfehlt § 1 Abs. 4 GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH, der als mit dem (vorläufigen) Ausschluss zu verfolgenden Zweck einen schweren öffentlichen Schaden der Partei (und damit aus Sicht der Fraktion einen Fremdschaden) als zum Ausschluss berechtigenden Grund aufführt, zum genauen Wortlaut s. unten, S. 209 ff.; auch im Übrigen ist die Regelung zu beanstanden, etwa hinsichtlich der Mitwirkung des Landesparteivorstandes an der Ausschlussentscheidung, grundsätzlich dazu unten, S. 200 ff. 788 Selektive Wirkung hinsichtlich der zum Ausschluss berechtigenden Gründe entfaltet etwa auch die Regelung in der GeschO der CSU-Fraktion BY, derzufolge durch

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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achten. Wenngleich die Fraktionsgeschäftsordnungen Geltung nur innerhalb der Fraktion entfalten 789, sind sie als innerfraktionell verbindliches Binnenrecht im Innenrechtsstreit Gegenstand wie Maßstab gerichtlicher Kontrolle 790. Einen Ausschluss in diesem Fall auf geschäftsordnungsrechtlich nicht vorgesehene, wenngleich verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässige Ausschlussgründe zu stützen, steht das durch die Geschäftsordnung geschaffene Vertrauen der Mitglieder, sich auf den Bestand erworbener Rechte verlassen und belastende Maßnahmen voraussehen zu können, entgegen. Weil der Mitgliedschaftsstatus als Basis aller demokratischen Partizipation in seinem Bestand geschützt ist 791, greifen hier im Sinne eines „rechtsstaatlichen Flankenschutzes demokratischer Verfasstheit“ 792 Vertrauensschutz- und Rechtssicherheitsgesichtspunkte 793: Auf andere, als in der Geschäftsordnung abschließend genannte Gründe kann danach ein Ausschluss nur für die Zukunft und nur nach Änderung der Geschäftsordnungsregelung gestützt werden. Aus den genannten rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist es der Fraktion hier auch verwehrt, durch schlichten Fraktionsbeschluss von der Geschäftsordnung abzuweichen 794. Anders ist dies zu beurteilen, wenn die in der Geschäftsordnung genannten Ausschlussgründe im Sinne beispielhafter Aufzählung zu verstehen sind oder als Generalklauseln im Sinne eines zu fordernden „wichtigen Grundes“ oder „schweren Schadens“ formuliert sind. Erstere erlauben als offene Tatbestände den ergänzenden Rückgriff auf die nach der Verfassung zulässigen Ausschlussden Verstoß gegen die Interessen dem Ansehen der Fraktion in der Öffentlichkeit ein schwerer Schaden zugefügt worden sein muss; ähnlich auch § 3 Abs. 1 GeschO Fraktion Die Linke. BE, die daneben aber auch dann eine Ausschlussmöglichkeit vorsieht, wenn ein Mitglied „vorsätzlich und fortgesetzt“ die Regelungen der GeschO missachtet; zum genauen Wortlaut der Regelungen s. unten, S. 209 ff. 789 Zur Bindungswirkung der Fraktionsgeschäftsordnungen s. schon oben, S. 125 f. 790 So auch Jan Ziekow, in: NWVBl. 1998, 297 (303); vgl. auch BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 (162), das ausschließlich die als verfassungskonform erachteten Geschäftsordnungsregelungen zum Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle macht. 791 Zum Bestandsschutz der Mitgliedschaft s. oben, S. 169 f. 792 Die Notwendigkeit eines solchen „Flankenschutzes“ betont Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (641). 793 Dies mag für den zivilrechtlichen Vereinsausschluss grundsätzlich anders zu beurteilen sein, wie sich insbesondere an der Möglichkeit zum Ausschluss aus „wichtigem Grund“ unabhängig von etwaigen satzungsrechtlichen Regelungen zeigt. Hier fehlt es jedoch regelmäßig auch an einer Bindung an demokratische Grundsätze. Anders ist dies bei politischen Parteien, weshalb dieser zivilrechtliche Grundsatz hier auch keine Geltung hat. Die politischen Parteien können bei der satzungsrechtlichen Bestimmung von Ausschlussgründen hinter dem rechtlich Zulässigen zurückbleiben und strengere Voraussetzungen für einen Ausschluss festlegen, sie können die rechtlich zulässigen Ausschlussgründe aber nicht um weitere „wichtige Gründe“ erweitern. Enthalten die Parteisatzungen Regelungen, sind diese auch unmittelbar anzuwenden und sperren einen Rückgriff auf § 10 Abs. 4 PartG, s. Wilhelm Henke, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 21 Rn. 276. 794 Zum grundsätzlich möglichen Abweichen im Einzelfall s. oben, S. 125 f.

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

gründe, letztere verweisen ohnehin nur auf die verfassungsrechtliche Ausgangslage. cc) „Wichtiger Grund“ Sofern an den Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes in materieller Hinsicht Anforderungen gestellt werden 795, wird in Rechtsprechung und Literatur seit geraumer Zeit 796 nahezu einhellig 797 ein „wichtiger Grund“ verlangt 798. Diese Konstruktion des „wichtigen Grundes“ als materielle Voraussetzung eines Fraktionsausschlusses hat ihren Ursprung in dem im Zivilrecht verwurzelten allgemeinen Rechtsgedanken, dass auch bei fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage 799 und in Ermangelung entsprechender Parteiabreden dennoch eine „außerordentliche“ Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses möglich sein muss, wenn eine Fortsetzung der Rechtsbeziehung für einen Vertragsteil unzumutbar geworden ist 800. 795

Anders etwa Josef Isensee, in: FS Oberreuter, S. 254 (266). Die Formulierung des „wichtigen Grundes“ als Ausschlussvoraussetzung hat im Anschluss an Joachim Erdmann, in: DÖV 1988, 907 ff., in der Rechtsprechung, dort zunächst zum Fraktionsausschluss auf Kommunalebene, und in der Literatur verbreitet Aufnahme gefunden. 797 Mitunter werden auch die dem Parteiausschluss zugrunde liegenden Rechtsgedanken fruchtbar gemacht, s. etwa Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 136; vgl. auch VGH Kassel, in: NVwZ 1990, 391 (392). Sofern die Fraktionsgeschäftsordnung Ausschlussgründe festlegt, sind diese Gegenstand gerichtlicher Kontrolle, s. BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 (162). 798 Für die Rechtsprechung s. nur MVVerfG, in: LKV 2003, 516 (519 f.); BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (444 f.); OVG Münster, in: NJW 1989, 1105 (1106); OVG Saarlouis, in: NVwZ-RR 1996, 462 (463); VGH Kassel, in: NVwZ 1999, 1369 (1370); für die Literatur s. statt vieler Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 252; Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 92; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 224 ff. 799 Die Kündigung aus wichtigem Grund war zunächst nur bei einzelnen Dauerschuldverhältnissen (etwa dem Miet-, Pacht- und Dienstvertrag, dem Handelsvertretervertrag oder der Gesellschaft) gesetzlich geregelt. Die Rechtsprechung entwickelte in Analogie zu §§ 626, 554a (jetzt 543), 723 BGB und unter Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) generell für alle Formen von Dauerschuldverhältnissen das Rechtsinstitut der „Kündigung aus wichtigem Grund“, die aber erst im Zuge der Schuldrechtsreform mit Geltung ab dem Jahr 2002 einer gesetzlichen Regelung, dem jetzigen § 314 BGB, zugeführt wurde (s. Gerhard Hohloch, in: Harm Peter Westermann (Hrsg.), Erman, BGB Handkommentar in 2 Bänden, 12. Aufl., Köln 2008, § 314 Rn. 2, 15). 800 Insbesondere die Rechtsprechung zu Fraktionsausschlüssen macht diese Herleitung der Ausschlussvoraussetzung ganz überwiegend namhaft, vgl. nur BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (443); VGH Kassel, in: NVwZ 1999, 1369 (1370); OVG Saarlouis, in: NVwZ-RR 1996, 462 (463); VG Darmstadt, in: NVwZ-RR 1990, 104 (105); VGH Kassel, in: NVwZ 1990, 391 (392); OVG Münster, in: NJW 1989, 1105 (1106). Demgegenüber stellt sich in der Literatur nach anfänglicher Diskussion (s. etwa Joachim Erdmann, in: DÖV 1988, 907 (910 ff.); Josef Aulehner, in: JA 1989, 478 (484); Bilfried 796

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

189

Wenngleich es einer solchen Anleihe im Zivilrecht nicht bedurft hätte, da für die Abgrenzung und gegenseitige Zuordnung von Kompetenzen im Staatsorganisationsrecht ebenso wie im Kommunalrecht die (verfassungs-)rechtlichen Funktionszuweisungen hinreichend Interpretationshilfen bereitstellen, hat der „wichtige Grund“ in Rechtsprechung und Literatur unter Rückgriff auf eben diese (verfassungs-)rechtlichen Vorgaben durchaus eigenständige, den Besonderheiten des Fraktionsausschlusses Rechnung tragende Konturen erhalten 801. Diese Konturen zeichnen im Wesentlichen die dargelegten, sich aus der Verfassung ergebenden Grenzen eines Fraktionsausschlusses nach 802. Ein anschauliches Beispiel gibt das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin: „Der für einen Ausschluss aus einer Parlamentsfraktion erforderliche wichtige Grund ist zum einen dann gegeben, wenn das für eine sinnvolle Meinungsbildung und Arbeit der Fraktion erforderliche Mindestmaß an prinzipieller Übereinstimmung fehlt. Ein wichtiger Grund liegt ferner dann vor, wenn das Mitglied der Fraktion ihre Gremienarbeit nicht nur erschwert, sondern sie ineffektiv gemacht oder den Aufwand, sie effektiv zu halten, unzumutbar erhöht hat bzw. dies nach gesicherter Prognose angenommen werden muss. Weiter besteht ein wichtiger Grund dann, wenn das Mitglied das Vertrauensverhältnis in sonstiger Art so nachhaltig gestört hat, dass den übrigen Fraktionsmitgliedern die weitere Zusammenarbeit nicht zugemutet werden kann. Schließlich kann ein wichtiger Grund auch dann vorliegen, wenn ein Abgeordneter durch sein Verhalten das Ansehen der Fraktion in der Öffentlichkeit nachhaltig schädigt.“ 803

Das gewonnene Auslegungsergebnis verweist aufgrund seiner wertungsoffenen Formulierung insgesamt lediglich auf die sich aus der Verfassung ergebenden Grenzen eines Fraktionsausschlusses. Demgegenüber vermag der Begriff des „wichtigen Grundes“ die Grenzen eines Fraktionsausschlusses aber nicht präziser zu beschreiben, als die Verfassung selbst. Ein „Mehrwert“ an inhaltlicher Klarheit oder Bestimmtheit hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen kommt dem Begriff des „wichtigen Grundes“ daher nicht zu. Soweit der Begriff des „wichtigen Grundes“ daher in Rechtsprechung und Literatur mitunter im Sinne einer sich unmittelbar aus der Verfassung ergebenden Grenze eines Fraktionsausschlusses verwendet wird, gibt es hierfür keine tragfähigen Gründe. Anders ist dies zu beurteilen, soweit es nicht um den „wichtigen Grund“ als verfassungsunmittelbare Grenze des Fraktionsausschlusses geht, sondern um Hagelstein, Rechtsstellung, S. 82 f.) die Frage nach einem Geltungsgrund der Voraussetzung eines „wichtigen Grundes“ in weiten Teilen nicht mehr, s. etwa Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 171 ff.; Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (368 f.); Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 224 ff. 801 Wenngleich kritisch zur Herleitung so auch Jan Ziekow, in: NWVBl. 1998, 297 (305). 802 In diesem Sinne auch Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (368). 803 BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (LS 4).

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs in den Fraktionsgeschäftsordnungen. Zwar kommt dem „wichtigen Grund“ hier keine selektive Wirkung hinsichtlich der von der Fraktion statuierten Ausschlusstatbestände zu, was aus Sicht der Fraktion auch durchaus als Vorteil zu werten sein kann, die auf eine „Gewichtung“ der Gründe zielende Formulierung vermag aber immerhin das der Fraktion obliegende verfassungsrechtliche Abwägungsgebot in das Bewusstsein der Fraktionsmitglieder zu rücken. b) Prozedurale Gewährleistung der Interessenabwägung Angesichts der erheblichen verfassungsrechtlichen Freiräume der Fraktionen bei der Bestimmung der zum Ausschluss berechtigenden Gründe und der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungskompetenz gewinnt das Ausschlussverfahren für die Verwirklichung und Sicherung des in seinem Bestand geschützten Mitgliedschaftsstatus an Bedeutung. Im Sinne eines „Flankenschutzes“ demokratischer Verfasstheit sind dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit deshalb prozedurale Gewährleistungen zu entnehmen, die die Möglichkeit willkürlicher Entscheidungen reduzieren 804. Für die Sachgerechtigkeit komplexer Entscheidungen, insbesondere die Abwägung, spielt die Informationserhebung eine wesentliche Rolle. Dabei geht es sowohl darum, alle relevanten Belange zu erfassen, als auch darum, genügend Informationen für eine zutreffende Gewichtung zu gewinnen. Dies ist ohne eine Einbeziehung des Betroffenen in das Verfahren praktisch nicht zu realisieren. Weiter ist durch den Verfahrensgang eine sachangemessene Informationsverarbeitung, auch in zeitlicher Hinsicht, zu ermöglichen. Darüber hinaus ist der Bedeutung des Entscheidungsgegenstandes durch die Ausgestaltung des Verfahrens Rechnung zu tragen, so etwa bei der Festlegung der Entscheidungskompetenzen und der zur Entscheidungsfindung erforderlichen Mehrheit. 2. Ausschlussverfahren Die Ausgestaltung des Ausschlussverfahrens muss rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügen und insbesondere dem für Fraktionen uneingeschränkt geltenden Demokratiegebot 805 Rechnung tragen.

804 805

Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (641, 643). s. dazu bereits oben, S. 123 ff.

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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a) Zuständigkeiten Der Fraktionsausschluss beendet einseitig ein Fraktionsmitgliedschaftsverhältnis im Interesse der Funktionsfähigkeit der Fraktion und dokumentiert, dass seitens einer Mehrheit der Fraktionsmitglieder die Bereitschaft zur Kooperation mit dem ausgeschlossenen Mitglied entfallen ist. Der Entscheidungsgegenstand erfordert damit eine höchstpersönliche Beurteilung durch die Fraktionsmitglieder selbst. aa) Entscheidung der Fraktionsversammlung Eine Grundaussage der Verpflichtung auf eine demokratische Organisation und Arbeitsweise ist, dass die wesentlichen Entscheidungen von der Versammlung der Fraktionsmitglieder zu treffen sind 806. Da es sich bei dem Fraktionsausschluss um eine die personelle Zusammensetzung der Fraktion betreffende Angelegenheit handelt, die der höchstpersönlichen Beurteilung durch die Fraktionsmitglieder selbst obliegt, liegt diese Entscheidung ihrer Bedeutung entsprechend in den Händen der Fraktionsversammlung 807. Ein Fraktionsausschluss kann deshalb nicht vom Vorstand beschlossen werden 808. Auch ein anderes fraktionsinternes Gremium, wie etwa ein eigens eingerichteter Ehrenrat oder ein Fraktionsschiedsgericht 809, genügt nicht den demokratischen Anforderungen, da es den Anspruch der Fraktionsmitglieder auf gleichberechtigte Teilhabe an den wesentlichen Fraktionsentscheidungen, zumal solcher, die ihrer höchstpersönlichen Einschätzung unterliegen, nicht ausreichend berücksichtigt 810. Zudem ist eine eigene Entscheidung der Fraktion gefordert, es kommt daher nicht in Betracht, den Fraktionsausschluss als automatische, nicht der Einzelfallbeurteilung unterliegende Rechtsfolge des Verlustes der Parteimitgliedschaft geschäftsordnungsrechtlich vorzusehen 811.

806

s. oben, S. 125. So auch Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 252; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 189; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 169; Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (366); Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (848); Manfred Zuleeg, in: JuS 1978, 240 (244); Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 477 m.w. N. 808 s. die Nachweise in Fn. 807. 809 In Betracht zieht dies Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (643). 810 Ähnlich auch Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (848); s. auch Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 190; MVVerfG, in: LKV 2003, 516 (519). 811 s. dazu bereits oben, S. 179 f. 807

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

bb) Initiativrecht Ein Ausschlussverfahren kann ausschließlich aus den Reihen der Fraktion angestoßen werden. Schon die Einleitung eines Ausschlussverfahrens vermag das Vertrauen in die Zusammenarbeit mit dem betroffenen Abgeordneten zu erschüttern und dessen Ruf zu beschädigen. Das Initiativrecht ist deshalb zwingend denjenigen vorbehalten, deren Kooperationsbereitschaft betroffen ist und die allein dazu berufen sind, das Ausmaß und die Gewichtigkeit der Beeinträchtigung dieser Kooperationsbereitschaft zu beurteilen. Daher kommt es nicht in Betracht, das Initiativrecht auch Nichtmitgliedern oder fraktionsexternen Organisationen, wie etwa den politischen Parteien oder den nach allen Geschäftsordnungen der Bundestagsfraktionen vorgesehenen Mitwirkungsberechtigten ohne Abgeordnetenmandat 812, zuzugestehen 813. Ob das Initiativrecht fraktionsintern jedem einzelnen Mitglied eingeräumt wird oder aber von einem Unterstützungsquorum abhängig gemacht wird, bleibt der geschäftsordnungsrechtlichen Festlegung durch die Fraktionsversammlung vorbehalten 814. Ein Antragsquorum ist zwar „dazu geeignet, die – für die Betroffenen belastenden – Ausschlussverfahren auf die wirklich ernsthaften Fälle zu beschränken“ 815, jedoch verhindert eben diese „belastende Wirkung“ bereits, dass der Fraktionsausschlussantrag zu einem Mittel der politischen oder auch persönlichen Auseinandersetzung der Fraktionsmitglieder abflacht, die sich anderenfalls der ständigen Gefahr eines Ausschlussverfahrens aussetzten. Das Initiativrecht kann daneben auch fraktionsinternen Gremien, wie dem Vorstand oder Arbeitskreisen, eingeräumt werden 816. Die Einleitung eines Ausschlussverfahrens ausschließlich der Initiative des Vorstandes zu überlassen 817 ist zwar kritisch zu sehen, aber wohl nicht verfassungswidrig. In einer pragmatischen Sichtweise ermöglicht dies eine „Vorprüfung“ der politischen Zweckmäßigkeit eines stets in der Öffentlichkeit für große Aufmerksamkeit sorgenden 812

s. dazu oben, S. 97 ff. So mit Blick auf ein Initiativrecht politischer Parteien auch Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 189; Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (848). 814 Nicht zu beanstanden ist es, wie § 5 lit. k) GeschO Bündnis 90/Die Grünen, ausdrücklich jedem einzelnen Mitglied das Initiativrecht einzuräumen oder, wie § 3 GeschO „Die Linke.“, ein Quorum von einem Drittel der Mitglieder oder, wie § 16 FDP-GeschO, ein Quorum von einem Viertel der Mitglieder vorzusehen, zum Wortlaut der Regelung s. unten, S. 209 ff. 815 Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (366); s. auch Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 223. 816 So auch Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (848). 817 So sehen es etwa § 8 Abs. 3 Satzung FDP-Fraktion BE, § 7 Abs. 3 Satzung CDU-Fraktion HB und § 2 Abs. 2 GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen HE vor, zum Wortlaut der Regelung s. unten, S. 209 ff. 813

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

193

Ausschlussverfahrens. Ausschlaggebend aber dürfte sein, dass es Ausdruck der Fraktionsautonomie ist, die politische und binnenrechtliche Verantwortlichkeit für die durch den Ausschlussantrag bewirkte, regelmäßig öffentlichkeitswirksame Konfliktaustragung in der Fraktionsversammlung einem nach Vorstellung der Fraktion zur Entscheidung darüber befähigten Gremium zuzuweisen. Als Korrektiv eines allzu „diktatorischen Machtzuwachses“ beim Vorstand 818 wirkt hier, dass der Ausschluss selbst der Beschlussfassung durch die Fraktionsversammlung obliegt und der Vorstand vom Vertrauen der Fraktionsmitglieder abhängig ist. b) Vorbereitung der Ausschlussentscheidung Das der Beschlussfassung über den Ausschluss vorangehende Verfahren genügt nur dann demokratischen und rechtsstaatlichen Mindestanforderungen, wenn es – unter Berücksichtigung einer gleichberechtigten Teilhabe aller Fraktionsmitglieder – eine Entscheidung auf der Grundlage einer möglichst vollständigen Tatsachenbasis ermöglicht und zeitlich die Voraussetzungen einer sachgerechten Informationsverarbeitung schafft. aa) Rechtzeitige Information Eine rechtsstaatlichen und demokratischen Anforderungen genügende Vorbereitung der Beschlussfassung setzt voraus, dass Betroffener wie Fraktionsversammlung von einem Ausschlussantrag und den diesen tragenden wesentlichen Gründen rechtzeitig – das heißt, mit der Möglichkeit, sich mit den erhobenen Vorwürfen inhaltlich verantwortlich auseinanderzusetzen – in Kenntnis gesetzt werden 819. Verantwortetes demokratisches Entscheiden setzt Informiertheit voraus. Die zu gewährleistende Information aller an der Entscheidung Beteiligten erschöpft sich unter dem Gesichtspunkt einer funktionierenden demokratischen Arbeitsweise dabei nicht in der Ermöglichung einer bloßen Kenntnisnahme von mehr oder weniger beweiskräftigen Fakten, Ansichten und Einschätzungen, sondern beinhaltet auch eine qualitative Komponente: Es ist zu gewährleisten, dass politische und / oder personelle Entscheidungen nicht aus dem Bauch heraus getroffen werden müssen, sondern mit dem Kopf gefällt werden können. Demokratisches Entscheiden bedingt in diesem Sinne einen „Übereilungsschutz“ sowohl des vom Ausschlussantrag betroffenen Abgeordneten, dem Verteidigungsmöglichkeiten einzuräumen sind und der deshalb Gelegenheit erhalten muss, sich mit 818

Diese Gefahr steht nach Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen, S. 202, einer Ausschlusskompetenz des Vorstandes – richtigerweise – entgegen. 819 Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (366); s. auch MVVerfG, in: LKV 2003, 516 (518 f.).

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

den gegen ihn erhobenen Vorwürfen auseinanderzusetzen 820, als auch der nicht an dem Ausschlussantrag beteiligten anderen Fraktionsmitglieder, die davor zu bewahren sind, sich mit für sie unter Umständen überraschenden Vorwürfen übereilt auseinandersetzen zu müssen. Zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben für in jedem Fall einzuhaltende konkrete Ladungsfristen oder Bedenkzeiten folgen daraus jedoch nicht. Diese sind eine Frage des Einzelfalls. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen an eine rechtzeitige, die sachangemessene Verarbeitung der Informationen ermöglichende Mitteilung des Ausschlussantrags und der Antragsbegründung nach den der Beschlussfassung vorausgehenden weiteren Verfahrensschritten, insbesondere auch danach, ob über den Ausschlussantrag in zeitlich getrennten Sitzungen beraten und abgestimmt wird oder nicht 821. In jedem Fall bedarf es aber einer vorherigen Ankündigung eines entsprechenden Tagesordnungspunktes für die folgende Fraktionssitzung 822. Soll während dieser Sitzung bereits über den Ausschlussantrag beraten und abgestimmt werden, setzt ein verantwortliches Mitwirken an der Entscheidungsfindung voraus, dass bereits mit der Bekanntgabe der Tagesordnung auch die wesentlichen Gründe des Ausschlussantrages schriftlich mitgeteilt werden 823. Regelmäßig wird es hier nicht ausreichen, dass Tagesordnung und Ausschlussantragsbegründung erst zu Beginn der Sitzung allen Fraktionsmitgliedern zur Kenntnis gelangen. In die Bewertung der Rechtzeitigkeit der Mitteilung wird allerdings einfließen können, wie intensiv und ausführlich die Konflikte innerhalb der Fraktion bereits vorher Gegenstand der innerfraktionellen Diskussion waren 824. 820

Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 170; s. auch Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (643). 821 Die Verfahrensausgestaltung im Detail ist der Fraktionsautonomie überlassen, so auch Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (366). Sowohl § 3 GeschO „Die Linke.“, als auch § 16 FDP-GeschO und § 15 CDU / CSU-ArbO sehen getrennte Sitzungen vor. § 5 lit. k) GeschO Bündnis 90/Die Grünen ermöglicht demgegenüber Beratung und Beschlussfassung in einer Sitzung. 822 Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (643); Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 192; Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (366). 823 Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (366). 824 So ermöglicht etwa § 5 lit. k) GeschO Bündnis 90/Die Grünen die Beratung und Beschlussfassung in einer Sitzung, wobei zwar ein schriftlicher Antrag zumindest eines Mitglieds vorliegen muss, es gem. § 4 Abs. 2 aber ausreicht, dass die Tagesordnung zu Beginn der Sitzung vorliegt. Zur Kenntniserlangung des schriftlichen Antrages durch die Fraktionsmitglieder schweigt die Geschäftsordnung. Je nach Fallgestaltung kann es daher in grundsätzlich möglicher verfassungskonformer Anwendung der GeschO zwingend sein, einen größeren zeitlichen Abstand zwischen Mitteilung des Antrages nebst tragender Gründe und dessen Beratung sowie Abstimmung vorzusehen, anzuempfehlen ist dies allemal.

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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Sofern nicht bereits in der unmittelbar folgenden Fraktionssitzung über den Ausschlussantrag beraten und abgestimmt werden soll, sondern zunächst lediglich eine Information der Fraktionsmitglieder über den Ausschlussantrag und dessen Gründe vorgesehen ist, muss eine Mitteilung der Ausschlussantragsbegründung nicht bereits mit der Bekanntgabe der Tagesordnung erfolgen. Hier ist es ausreichend, wenn nach Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes die Gründe mitgeteilt werden. Dabei bedarf es zur Rationalisierung und Stabilisierung eines rechtsstaatlichen und demokratischen Mindestanforderungen genügenden Verfahrens einer schriftlichen Fixierung der Ausschlussantragsbegründung, um unnötigen Missverständnissen über deren Inhalt entgegenzuwirken und dem Betroffenen eine effektive Verteidigung 825 sowie den abwesenden Fraktionsmitgliedern eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Ausschlussantrag zur Vorbereitung auf die demnächst folgende Beratung zu ermöglichen. In welcher Weise diesem Erfordernis bei der Ausgestaltung des Verfahrens Rechnung getragen wird, bleibt der Entscheidung der Fraktion überlassen. Es kann sowohl ein allen Fraktionsmitgliedern bekannt zu gebender schriftlicher Antrag verlangt werden 826 als auch die Ausschlussantragsbegründung in einer allen Fraktionsmitgliedern zuzuleitenden Sitzungsniederschrift schriftlich fixiert werden. Diese Dokumentationspflicht trifft die Fraktion auch, sofern im Laufe der Beratungen neue, die Ausschlussantragsbegründung erweiternde Vorwürfe erhoben werden und die Ausschlussentscheidung auch oder ausschließlich auf dieses Vorbringen gestützt werden soll. Je nach Komplexität der neu erhobenen tatsächlichen Vorwürfe oder deren Bewertung kann es erforderlich sein, erneut eine angemessene Frist zur sachangemessenen Verarbeitung der Informationen einzuräumen, die abhängig vom Einzelfall durch kurzzeitige Sitzungsunterbrechung oder auch Vertagung zu gewähren sein kann. Dabei ist nur dann von „neuen“ Vorwürfen auszugehen, sofern es sich nicht lediglich um zu korrigierende Detailfragen im Zusammenhang mit dem bereits in der vorliegenden Antragsbegründung geschilderten Lebenssachverhalt handelt. Sehen Fraktionsgeschäftsordnungen für das Ausschlussverfahren beispielsweise vor, dass über den allen Fraktionsmitgliedern bekannt zu gebenden Ausschlussantrag erst nach Ablauf einer Karenzzeit von zwei Tagen und nach Anhörung des Betroffenen beraten und abgestimmt werden darf 827, ist dies unter rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, sofern die Bekanntgabe des Ausschlussantrages auch die schriftliche Mitteilung aller Ausschlussgründe umfasst und der Betroffene Gelegenheit erhalten hat, sich zu allen erhobenen Vorwürfen zu äußern. Ist nach dem geschäftsordnungsrechtlich vorgesehenen Verfahrensgang eine Karenzzeit von drei Tagen zwischen 825 826

vor.

827

Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 170. So sehen es § 5 lit. k) GeschO Bündnis 90/Die Grünen und § 15 CDU / CSU-ArbO So etwa § 16 FDP-GeschO und § 3 GeschO „Die Linke.“.

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

dem allen Fraktionsmitgliedern schriftlich bekannt zu gebenden Antrag und der Abstimmung vorgesehen 828, stößt dies nicht auf Bedenken, sofern dem Betroffenen vor der Entscheidung, spätestens im Rahmen der abschließenden Beratung, rechtliches Gehör und vor der Anhörung ausreichend Gelegenheit zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Antragsgründen eingeräumt wird 829. Die Fraktionen sind auch nicht gehindert großzügigere Karenzzeiten vorzusehen, wenngleich sie hierzu verfassungsrechtlich nicht verpflichtet sind 830. Eine „Frist zur Abkühlung der gegebenenfalls erhitzten Gemüter vor einer Ausschlussentscheidung“ wäre möglicherweise einer größeren Objektivität des Ausschlussverfahrens zuträglich, wobei für Eilfälle eine Möglichkeit zur vorläufigen Suspendierung vorgesehen werden kann 831. bb) Umfassende Information Eine demokratischen und rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht werdende Beratung des Ausschlussantrages setzt die Möglichkeit einer ausführlichen Diskussion in der Fraktionsversammlung voraus, in der jedem Fraktionsmitglied Gelegenheit zur Aussprache und individuellen Standpunkterklärung zu geben ist 832. Weil in die Beurteilung, ob zum Ausschluss berechtigende Gründe vorliegen, nicht nur die eigenen individuellen Wahrnehmungen und Wertungen einfließen können und müssen, sondern auch die der Fraktionskollegen, ist die Ausspra828

So etwa § 15 CDU / CSU-ArbO. Zu weitgehend ist der Vorschlag von Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (848), sich bei der Bemessung einer angemessenen Frist zur Stellungnahme an der grundsätzlich auch bei Anhörungen nach § 28 VwVfG geltenden Monatsfrist zu orientieren, wobei im Einzelfall Abweichungen nach oben und nach unten möglich seien. Eine derart großzügige Stellungnahmefrist ist jedenfalls verfassungsrechtlich nicht geboten und auch rechtspolitisch allenfalls vertretbar, sofern für Eilfälle die Möglichkeit vorläufiger Suspendierung vorgesehen ist. 830 Eine auffallend großzügig bemessene Karenzzeit sieht etwa § 5 GeschO Fraktion Die Linke. BB vor, demzufolge zwischen Einleitung des Verfahrens und Entscheidung mindestens drei Wochen liegen müssen. Nach § 3 GeschO Fraktion Die Linke. BE bedarf es der Ankündigung des entsprechenden Tagesordnungspunktes mindestens eine Woche vor Beratung und der Zustellung des Antrages nebst Begründung an den Betroffenen spätestens eine Woche vor Abstimmung. Auch § 1 Abs. 4 GeschO FDP-Fraktion NW sichert ausreichende Überlegens- und Abkühlungszeiten, indem zwischen Antrag, Anhörung und Abstimmung jeweils mindestens sieben Tage liegen müssen. Für den Wortlaut der Regelungen s. unten, S. 209 ff. 831 s. Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (643). Ausdrücklich ist die vorläufige Suspendierung eher selten geregelt, s. aber z. B. § 7 Abs. 3 Satzung CDU-Fraktion HB oder § 8 Abs. 3 Satzung CDU-Fraktion HH, für den Wortlaut der Regelungen s. unten, S. 209 ff. 832 Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 192; Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 116 (118). 829

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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che in der Fraktionsversammlung ein wesentlicher Bestandteil der umfassenden Information über den Entscheidungsgegenstand. Dieser gegenseitige Austausch muss durch die Verfahrensgestaltung ausreichend gewährleistet werden, insbesondere darf die innerfraktionelle Diskussion nicht durch zu kurz bemessene Beratungszeit unterbunden werden. (1) Mitwirkung des Betroffenen Die Einbeziehung des Betroffenen in das Verfahren ist ein Gebot rechtsstaatlicher und demokratischer Verfahrensweise. Die Erhebung der zu demokratischem Entscheiden befähigenden Informationen setzt voraus, dass auch dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben wird, die für ihn relevanten Fakten und Belange in den Entscheidungsprozess einzuspeisen. Daraus folgt, dass der Betroffene von der Teilnahme an den über ihn beratenden und entscheidenden Fraktionsversammlungen nicht ausgeschlossen werden darf 833. Nimmt der Betroffene die Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, nicht wahr, kann dies allerdings im Regelfall den Fortgang des Ausschlussverfahrens dauerhaft nicht hindern 834. Verzichtet etwa der Betroffene ausdrücklich darauf, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen, und bleibt der Fraktionssitzung fern, so ist seine Anwesenheit bei Beratung und Beschlussfassung auch nicht erforderlich, mit anderen Worten: bei Verzicht auf Gehör ist eine Beratung und Beschlussfassung in Abwesenheit des Betroffenen ohne weiteres möglich, sofern er ordnungsgemäß geladen war. Allerdings dient die Möglichkeit der Äußerung dazu, dem Betroffenen eine selbstbestimmte und situationsspezifische Reaktion auf den beabsichtigten Ausschluss zu ermöglichen, um damit gegebenenfalls auch die maßgebliche Tatsachengrundlage für die Entscheidung noch zu verändern. Das setzt voraus, dass diese Möglichkeit von dem Betroffenen nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich wahrgenommen werden kann. Daran fehlt es etwa, wenn erst zu Beginn der Fraktionssitzung der Ausschlussantrag nebst Gründen den anwesenden Fraktionsmitgliedern bekannt gegeben wird, der Betroffene selbst aber nicht anwesend ist. Die Abwesenheit des Betroffenen, dem in diesem Fall tatsächlich nicht 833

Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (367); Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 191. Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 191; Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (367); a. A. hinsichtlich des Ausschlusses von Jürgen W. Möllemann aus der FDP-Bundestagsfraktion in dessen Abwesenheit Erwin Quambusch, in: VR 2003, 303 (304); i. E. wohl auch BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 (162), wenn es ohne nähere Begründung feststellt, dass die Anwesenheit des betroffenen Fraktionsmitgliedes zu den uneingeschränkt der Überprüfung zugänglichen formellen Voraussetzungen eines Fraktionsausschlusses zählt. 834

198

C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

die Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden ist, hindert dann die Beratung und Beschlussfassung jedenfalls während dieser Fraktionssitzung. Gleiches gilt, wenn dem Betroffenen zwar hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn in der Ausschlussantragsbegründung erhobenen Vorwürfen gegeben wurde, sich bei einer Beratung des Ausschlussantrags in Abwesenheit des Betroffenen aber entscheidungserheblich die Tatsachengrundlage verändert, indem beispielsweise die ursprünglich erhobenen Vorwürfe entkräftet werden konnten, der Ausschluss nunmehr aber aus anderen Gründen erfolgen soll. Der Betroffene muss sich zu allen gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern können. In einem solchen Fall ist daher erneut Gelegenheit zur Äußerung einzuräumen, bevor abschließend beraten und abgestimmt werden kann. Letztlich sind auch Fallkonstellationen denkbar, in denen neuer Tatsachenvortrag selbst in Anwesenheit des Betroffenen eine Neuterminierung der Fraktionsversammlung erfordern kann, um die Fraktionsversammlung wie auch den Betroffenen davor zu bewahren, sich mit für sie unter Umständen überraschenden Vorwürfen übereilt auseinandersetzen zu müssen. Sofern die den Betroffenen tatsächlich an der Wahrnehmung der Möglichkeit zur Äußerung hindernden Gründe ausschließlich dem Einflussbereich des Betroffenen entstammen, ist eine differenzierende Betrachtung erforderlich. Ein rechtsstaatlich geordnetes Verfahren setzt auch voraus, dass eine Verfahrensbeendigung in absehbarer Zeit sichergestellt werden kann 835. Daraus folgt eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen 836, deren Missachtung gegebenenfalls auch Auswirkungen auf das Recht des Betroffenen, sich zu äußern, haben kann. Wegen der besonderen Bedeutung des Rechts auf Gehör als Voraussetzung für ein faires rechtsstaatliches Verfahren ist allerdings zu gewährleisten, dass dieses Recht des Betroffenen nicht unverhältnismäßig verkürzt wird. Vermögen die Gründe, die den Betroffenen an der Wahrnehmung der seitens der Fraktion eingeräumten Möglichkeit zur Äußerung tatsächlich hindern, die Nichtbeachtung der Mitwirkungspflicht im konkreten Fall ausreichend zu 835 Ausdrücklich schlägt sich dies in § 5 Abs. 3 GeschO Fraktion Die Linke. SN nieder, der festlegt, dass die Entscheidung in der Regel jedoch spätestens nach vier Wochen getroffen sein sollte, für den genauen Wortlaut der Regelung s. unten, S. 209 ff. 836 Von einer „Mitwirkungsobliegenheit“ spricht Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (367). Im Nachgang zu dem sich über mehr als zwei Monate hinziehenden Ausschlussverfahren gegen Jürgen W. Möllemann, der sich einer Teilnahme an einer Fraktionssitzung permanent entzog, hat die FDP-Bundestagsfraktion die Geschäftsordnung in § 16 ausdrücklich um eine solche Mitwirkungsobliegenheit ergänzt. Diese Regelung findet sich auch in § 3 Abs. 2 GeschO „Die Linke.“. Die auch bei der Anhörung im Rahmen des Ausschlussverfahrens bestehende Pflicht zur Mitwirkung des Betroffenen ist letztlich aber nur eine besondere Ausprägung der nach allen Geschäftsordnungen der Bundestagsfraktionen vorgesehenen (s. oben S. 137 ff., insbes. S. 148) Pflicht zur Mitwirkung an den Beratungen der Fraktion, die sich zudem unmittelbar aus dem verfassungsrechtlichen Mitgliedschaftsverhältnis ergibt.

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

199

entschuldigen, muss die Fraktion dies im Verfahrensablauf berücksichtigen. In jedem Fall bedarf es dann einer Neuterminierung der Fraktionssitzung. Ob dem Betroffenen indes erneut Gelegenheit zur persönlichen Äußerung in Anwesenheit oder aber lediglich zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb angemessener Frist einzuräumen ist, ist wiederum eine Frage des Einzelfalls. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gelegenheit zur Äußerung dem Betroffenen auch eine situationsspezifische Reaktion auf die erhobenen Vorwürfe ermöglichen soll. Diesem Zweck vermag eine persönliche Äußerung in Anwesenheit eher gerecht zu werden. In Fällen nur kurzfristiger Verhinderung wird regelmäßig dem berechtigten Interesse an einer persönlichen Äußerung in der Fraktionsversammlung Rechnung zu tragen sein. Auch hier gilt aber, dass diesem Interesse nicht uneingeschränkt Vorrang gegenüber dem Interesse der Fraktion an der Verfahrenserledigung in absehbarer Zeit gebührt. Finden sich auf Seiten des Betroffenen immer wieder neue Gründe, die ein Erscheinen kurzfristig verhindern, wird auch hier ein Verweis auf die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme nicht zu beanstanden sein 837. In Fällen langfristiger Verhinderung aufgrund schwerer Krankheit ist in die Abwägung einzustellen, ob es dem Betroffenen möglich und zumutbar ist, sich schriftlich zu äußern. Ist dies nicht der Fall, tritt das Interesse der Fraktion an einer zügigen Verfahrenserledigung zurück. Sofern etwa in Fällen einer öffentlichkeitswirksamen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfunktion der Fraktion sich eine besondere Eilbedürftigkeit begründen lässt, kann diesem Interesse durch eine vorläufige Suspendierung Rechnung getragen werden. Verfassungsrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden ist, wenn eine Ausschlussentscheidung in Abwesenheit des Abgeordneten getroffen wird, sofern die Abwesenheit nicht hinreichend entschuldigt ist 838. In einem rechtsstaatlich fairen Verfahren sollte allerdings auch den Fällen Rechnung getragen werden, in denen der Betroffene unverschuldet sein Ausbleiben nicht rechtzeitig entschuldigen konnte, zu denken ist an unvorhersehbare Ereignisse, die ein beabsichtigtes rechtzeitiges Erscheinen sowie eine rechtzeitige Mitteilung der Verhinderung vor Sitzungsbeginn unmöglich gemacht haben. Hierbei wird es sich um seltene Ausnahmefälle handeln, die es aber angeraten erscheinen lassen, generell zumindest bei erstmaliger unentschuldigter Abwesenheit des Betroffenen und jedenfalls bei angekündigtem Erscheinen von der sofortigen Beratung und Beschlussfassung abzusehen. Vermag der Betroffene sein Ausbleiben dann im Nachhinein nicht hinreichend zu entschuldigen, ist es gerechtfertigt, in der neu anberaumten Fraktionssitzung im Falle erneuter unentschuldigter Abwesenheit dennoch über den Ausschluss zu beraten und abzustimmen. 837 838

Vgl. BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (444). s. dazu ausführlich BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (443 f.).

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

Sofern das Ausschlussverfahren geschäftsordnungsrechtlich geregelt ist, genügen den vorstehend dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben auch bereits solche Regelungen, die ausdrücklich lediglich normieren, dass dem Betroffenen vor der Beschlussfassung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, da sie einer den sich aus dem Verfassungsrecht ergebenden Anforderungen genügenden Auslegung zugänglich sind 839. Aber auch die deutlich detailliertere Regelung in § 16 Abs. 2 FDP-GeschO und § 3 Abs. 2 GeschO „Die Linke.“ 840 erfüllt die verfassungsrechtlichen Anforderungen. Danach ist dem Betroffenen vor einer Entscheidung von der Fraktion Gehör zu gewähren, wenn der Betroffene darauf nicht ausdrücklich oder konkludent verzichtet. Von einem konkludenten Verzicht wird man allerdings nicht bereits bei einem erstmaligen unentschuldigten Ausbleiben ausgehen können, sofern nicht weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich die fehlende Absicht des Betroffenen zur Mitwirkung ergibt. Auch die Regelungen zur Form der Anhörung sind verfassungskonformer Anwendung zugänglich. Danach wird das Gehör regelmäßig durch die Möglichkeit der persönlichen Teilnahme an der Fraktionssitzung gewährt und bei Verhinderung des Betroffenen durch die Möglichkeit zur schriftlichen Erklärung, die den Mitgliedern der Fraktion zu eröffnen ist, oder durch einen Interessenvertreter. Dadurch, dass die persönliche Teilnahme die Regel und die schriftliche Erklärung beziehungsweise die Abwesenheitsvertretung die Ausnahme ist, wird ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der eine ausreichende Berücksichtigung des Interesses des Betroffenen an einer persönlichen Äußerung in Abwägung mit dem Interesse der Fraktion an einer zügigen Verfahrensgestaltung erlaubt. Letztlich trägt die vorgesehene „Wiedereinsetzungsklausel“ (Antrag auf Verbleib) dem Rechnung, dass möglicherweise im Verfahren nicht zur Sprache gekommene Umstände im Nachhinein einen Verbleib zu rechtfertigen vermögen oder dass nach „Abkühlung der Gemüter“ das Abwägungsergebnis anders ausfallen könnte. (2) Mitwirkung von Nichtmitgliedern Die stimmberechtigte Mitwirkung an fraktionsinternen Wahlen und Abstimmungen ist ausschließlich den Mitgliedern der Fraktion vorbehalten 841. Darüber hinaus ist für den Bereich der personellen Angelegenheiten der Fraktion auch eine lediglich beratende Mitwirkung von Nichtmitgliedern in der Fraktionsversammlung ausgeschlossen. Eine Mitwirkung von Nichtmitgliedern an der Beratung über den Ausschlussantrag wird der Bedeutung des Ausschlussverfahrens 839

BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (443). Für den Wortlaut der Regelung im Ganzen s. die tabellarische Aufstellung unten, S. 209 ff. 841 s. dazu bereits oben, S. 101. 840

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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und den sich aus dem Entscheidungsgegenstand ergebenden Anforderungen an ein demokratisches Entscheiden nicht gerecht. Dass Fraktionsmitglieder zur Teilnahme an den Beratungen der Fraktion berechtigt sind, ergibt sich zwangsläufig aus ihrem Mitgliedschaftsstatus. Sie sind als die alleinigen Urheber der Fraktion kraft ihres Abgeordnetenstatus zuvörderst und aufgrund der unmittelbaren Teilhabe an der Staatswillensbildung zunächst auch alleinig dazu berufen, in allen Angelegenheiten der Fraktion zu entscheiden. Demgegenüber ist die Erweiterung des Kreises der Mitwirkungsberechtigten auf andere als die gewählten Abgeordneten rechtfertigungsbedürftig 842. Für die beratende Teilnahme von Nichtmitgliedern an der Erörterung sachpolitischer Themen innerhalb der Fraktion ist rechtfertigender Grund die Verklammerungs-(Scharnier-)Funktion, die die Fraktionen vermöge ihrer Rechtsstellung im politischen Kräftefeld zwischen Parteien, Parlament, zwischen gesellschaftlicher Willensbildung und staatlichem Entscheidungsprozess, zu erfüllen haben 843. Dieser Grund vermag die beratende Mitwirkung von Nichtmitgliedern an den personellen Entscheidungen der Fraktion jedoch nicht zu rechtfertigen. Die Frage der personellen Zusammensetzung der Fraktion wie auch die der Besetzung fraktionsinterner Ämter ist eine ureigene Angelegenheit der Fraktion selbst, die gegen jede Art der Einflussnahme von außen zu verteidigen ist 844. Ein unter rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten anzuerkennendes Interesse Außenstehender an einer Mitwirkung bei der Herstellung des Willens der Fraktion in Personalfragen gibt es nicht. Deshalb ist der innerfraktionelle Willensbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess von solchen Einflüssen freizuhalten. Soweit es aus Gründen der Tatsachenerhebung lediglich um die informatorische Anhörung von Nichtmitgliedern zu den in ihr Wissen gestellten Tatsachen geht, steht dem nichts entgegen. Dies dient einer sachgerechten Informationserhebung. Die Teilnahme an der Sitzung ist allerdings zeitlich und inhaltlich auf die Anhörung zu dem festgestellten Informationsbedarf zu beschränken 845. Eine beratende Mitwirkung von Nichtmitgliedern an der Fraktionssitzung ist ausgeschlossen 846.

842

Anders Klaus Lange, in: JuS 1994, 296 (298), der ausgehend von einer grundsätzlich als erlaubt unterstellten Mitwirkung von Nichtmitgliedern argumentiert. 843 s. dazu bereits oben, S. 100 f. 844 In diesem Sinne auch Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (366); vgl. auch VGH Kassel, in: NVwZ 1992, 506 (506); wohl auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 477; a. A. Klaus Lange, in: JuS 1994, 296 (298); OVG Münster, NVwZ 1993, 399 (399 f.). 845 So auch VGH Kassel, in: NVwZ 1992, 506 (506); a. A. Klaus Lange, in: JuS 1994, 296 (298).

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

c) Ausschlussentscheidung Eine demokratischen und rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Ausschlussentscheidung ist mehrheitlich, basierend auf der gleichberechtigten Teilhabe aller Fraktionsmitglieder und auf der Grundlage einer übereinstimmend festgestellten Tatsachengrundlage herzustellen. aa) Stimmrecht des Betroffenen Wenn vereinzelt die Frage aufgeworfen wird, ob angesichts des bestehenden „Interessenwiderstreits“ der Betroffene an der über seinen Ausschluss stattfindenden Abstimmung mit eigenem Stimmrecht teilnehmen darf, wird dies ausnahmslos – zu Recht – bejaht 847. Ein durch Abstimmung auszutragender „Interessenwiderstreit“ besteht grundsätzlich bei jeglicher Abstimmung, sei es in politischen Sachfragen oder eben bei personellen Entscheidungen. Grund der angemeldeten Zweifel an einer Stimmberechtigung des Betroffenen bei der Ausschlussentscheidung kann also nicht die Gegenläufigkeit der vertretenen Standpunkte sein. Die Frage nach einem dem Stimmrecht möglicherweise entgegenstehenden „Interessenwiderstreit“ zielt demnach vielmehr auf die mögliche Geltung etwaiger Befangenheitsgrundsätze, nach denen das eigene Interesse des Betroffenen am Entscheidungsgegenstand es verbietet, ihn als „Richter in eigener Sache“ an der Entscheidung mitwirken zu lassen. Unter diesem Gesichtspunkt wären allerdings alle Mitglieder der Fraktion von einer Mitwirkung an der Ausschlussentscheidung auszuschließen, da Gegenstand der Entscheidungsfindung das Ausmaß der durch eine Störung der Funktionserfüllung der Fraktion eingetretenen Beeinträchtigung der Kooperationsbereitschaft jedes einzelnen Mitglieds ist. Ein solcher Grundsatz der personell-individuellen Unparteilichkeitssicherung kann im Fraktionsausschlussverfahren daher der Natur der Sache nach schon nicht gelten. 846 Verfassungsrechtlich bedenklich ist deshalb die Regelung in § 1 Abs. 3 GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH, derzufolge bei Beratung und Abstimmung auch dem Landesparteivorstand ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen ist. Zudem wird in § 1 Abs. 4 auch ein schwerer öffentlicher Schaden der Partei (und damit aus Sicht der Fraktion ein Fremdschaden) als den Fraktionsvorstand zum sofortigen vorläufigen Ausschluss berechtigender Grund aufgeführt. Die Funktionsgebundenheit der Ausschlusskompetenz steht der Berücksichtigung eines solchen „Fremdschadens“ entgegen, s. dazu bereits oben, S. 178 ff. Die Regelung ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten insgesamt daher als eher missglückt zu betrachten. Auch die in A.II.1 GeschO GAL-Fraktion HH vorgesehene Entscheidung „nach Rücksprache mit dem Landesvorstand“ weist diesem deutlich zu weit gehende Mitwirkungsbefugnisse zu. Zum Wortlaut der Regelungen s. unten, S. 209 ff. 847 s. Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (849); Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 195 f.

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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Die über das Demokratiegebot gesicherte gleichberechtigte Teilhabe aller Fraktionsmitglieder an den Entscheidungen der Fraktion erlaubt deshalb nicht nur die Teilnahme des Betroffenen an der Abstimmung. Das Demokratiegebot verbietet es auch, den Betroffenen von der Teilnahme an der Abstimmung, sei es durch Fraktionsbeschluss oder Geschäftsordnungsregelung, auszuschließen 848. bb) Abstimmungsmodus Es obliegt der autonomen Entscheidung der Fraktion, ob die Abstimmung offen oder geheim durchgeführt wird 849. Die zumeist als Nachteil der offenen Abstimmung angeführte fehlende Anonymität beziehungsweise die Nachvollziehbarkeit des Abstimmungsverhaltens kann sich ebenso als Vorteil erweisen: Die offene Abstimmung vermag auch das Gebot einer eigenverantworteten Entscheidung in den Vordergrund zu rücken, indem sie jedem Fraktionsmitglied zugleich die Courage abnötigt, zu seiner Entscheidung zu stehen. Die für oder gegen eine offene oder geheime Abstimmung sprechenden Gründe sind von der Fraktion nach eigenem Ermessen gegeneinander abzuwägen. Verfassungsrechtlich ist weder eine offene noch eine geheime Abstimmung zwingend. cc) Abstimmungsquorum Eine verfassungsrechtliche Untergrenze des Abstimmungsquorums für den Ausschluss aus der Fraktion ist die Mehrheit der Mitglieder der Fraktion, nicht lediglich der bei der Abstimmung anwesenden Mitglieder 850. Der Ausschluss trifft eine verbindliche Entscheidung über die weitere Kooperation aller verblei848

Verfassungswidrig sind daher die entsprechenden Regelungen in Ziff. 1.2 GeschO Fraktion Grüne BW, in A.II.1 GeschO GAL-Fraktion HH und § 6 Abs. 3 GeschO SPD-Fraktion NW, zum Wortlaut der Regelungen s. unten, S. 209 ff. 849 So auch Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 477; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 193; wohl auch Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (848), und Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (367), die beide allerdings für eine geheime Abstimmung zum Schutz vor Gruppenzwang votieren, Schmidt zugunsten der Fraktionsmitglieder, Lenz zugunsten des Betroffenen; scheinbar a. A. Jan Ziekow, in: NWVBl. 1998, 297 (304), und Edzard Schmidt-Jortzig / Frank Hansen, in: NVwZ 1994, 116 (118), die beide eine offene Abstimmung verlangen, aber ohne nähere Begründung lediglich verweisen auf die vom VG Darmstadt, in: NVwZ-RR 1990, 104 (104), angemeldeten Bedenken gegen eine geheime Abstimmung in der Fraktion, für die als Organteil der Gemeindevertretung dasselbe Abstimmungsverfahren zu verlangen sei, das für das Vertretungsorgan verbindlich ist, „insbesondere wenn keine entgegengesetzten Bestimmungen einer Fraktionsgeschäftsordnung vorhanden sind und wenn einzelne Fraktionsmitglieder einer geheimen Abstimmung widersprechen“. Auch hier wird demnach eine abweichende Regelung durch die Fraktion für zulässig erachtet. 850 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 477; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 170 f.; Wolfgang Demmler, Abgeordnete, S. 256; Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen,

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

benden Mitglieder der Fraktion mit dem Mitglied, dessen Ausschluss beantragt ist. Es wird damit auch eine Entscheidung über die Kooperationsbereitschaft der bei der Abstimmung abwesenden Mitglieder getroffen. Ob sich tatsächlich eine Mehrheit der Fraktionsmitglieder gegen eine weitere Kooperation ausspricht, lässt sich anhand einer zufällig anwesenden Mehrheit der Fraktionsmitglieder nicht sicher feststellen. Die sich aus der Abwesenheit von Fraktionsmitgliedern bei der Abstimmung über den Ausschluss ergebende Unsicherheit darüber, wie diese gegebenenfalls abgestimmt hätten, kann angesichts der Bedeutung des Fraktionsausschlusses für die parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten des vom Ausschluss betroffenen Mitglieds nicht zu dessen Lasten gehen 851. Es bleibt der Fraktionsautonomie überlassen, geschäftsordnungsrechtlich ein höheres Abstimmungsquorum festzulegen. Keine Bedenken bestehen etwa, wenn für den Ausschluss eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder verlangt wird 852. Ein solches Quorum vermag die Indizwirkung der materiellen Berechtigung des Ausschlusses zu erhöhen und gewährleistet den Bestandsschutz der Mitgliedschaft nachhaltiger 853. Dies mag rechtspolitisch wünschenswert sein 854, verfassungsrechtlich geboten ist eine qualifizierte Mehrheit in Höhe von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder jedoch nicht und lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Ausschluss eine Entscheidung mit vergleichbarer Tragweite wie eine Verfassungsänderung (Art. 79 Abs. 2 GG) oder eine Anklage des Bundespräsidenten (Art. 61 Abs. 1 S. 3 GG) ist, für die nach der Verfassung eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist 855. Hier ist schon keine Vergleichbarkeit der Entscheidungsgegenstände gegeben, darüber hinaus sind auch Zweifel an einer vergleichbaren „Bedeutsamkeit“ anzumelden. Wenngleich derlei Vergleiche notwendig „hinken“, so wäre wohl ein Blick auf Art. 67 Abs. 1 S. 1 GG der näher liegende, demzufolge der Bundestag dem Bundeskanzler das Misstrauen dadurch aussprechen kann, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.

S. 202; Manfred Geiger, Rechtsstellung, S. 129; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 197; Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (367); Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (644). 851 Ähnlich Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 197; Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (848). 852 Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 477. 853 Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (367); Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (644). 854 So Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 197; s. auch Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (644). 855 So aber Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (849).

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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Die geschäftsordnungsrechtliche Normierung einer Einstimmigkeit 856 von Ausschlussentscheidungen verkürzt demgegenüber unverhältnismäßig die Assoziationsfreiheit der Mehrheit der Mitglieder der Fraktion zugunsten des Bestandsschutzes der Mitgliedschaft eines einzelnen Abgeordneten, sofern es sich nicht um sehr kleine Fraktionen handelt 857. Angesichts der Assoziationsfreiheit der Mehrheit der Mitglieder dürfte die von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in § 5 lit. k) der Geschäftsordnung vorgesehene Drei-Viertel-Mehrheit wohl die verfassungsrechtliche Obergrenze sein. dd) Dokumentationspflicht und Bekanntgabe Die Fraktion trifft eine Dokumentationspflicht bezogen auf die der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen 858, und zwar vor der abschließenden Abstimmung. Der Zweck dieser Dokumentationspflicht besteht zunächst darin, der Fraktionsversammlung die Bedeutung der Ausschlussentscheidung zu verdeutlichen und sie zu veranlassen, nur die als feststehend zu betrachtenden Tatsachen zum Gegenstand ihrer Bewertung zu machen. Angesichts der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit der Entscheidung spiegelt sich in dieser Dokumentationspflicht eine wesentliche prozedurale Gewährleistung der Verwirklichung und Sicherung des in seinem Bestand geschützten Mitgliedschaftsstatus. Dieser Dokumentationspflicht kann bereits durch Bezugnahme auf den in einer schriftlichen Ausschlussantragsbegründung enthaltenen Tatsachenvortrag entsprochen werden, sofern sich demgegenüber keine wesentlichen Änderungen ergeben haben. Sind im Verlauf der Beratung neue tatsächliche Vorwürfe erhoben worden, kann ergänzend auch auf diese schriftlich fixierten Ausschlussantragsergänzungen Bezug genommen werden. Hat sich in einer der maßgeblichen Antragsbegründungen enthaltener Tatsachenvortrag jedoch als unzutreffend 856 Verstanden in einem untechnischen Sinne als Einstimmigkeit der Mitglieder der Fraktion mit Ausnahme desjenigen, dessen Ausschluss beantragt ist. Wollte man das Erreichen des Quorums auch von einer Zustimmung des betroffenen Mitglieds abhängig machen, wäre ein Ausschluss tatsächlich unmöglich: Fehlt es an der Zustimmung des betroffenen Mitglieds, kommt eine Ausschlussentscheidung nicht zustande, die Zustimmung zum Ausschlussantrag hingegen wäre ein Austritt. 857 Vgl. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 477 f.; s. auch Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (367 f.), der ab einer Fraktionsgröße von mehr als fünf Mitgliedern Einstimmigkeit als unzulässiges Quorum erachtet. Bedenklich daher die Einstimmigkeitsregelung in Ziff. 1.2 GeschO Fraktion Grüne BW, die mit zur Zeit 17 Mitgliedern wohl nicht als „kleine“ Fraktion zu bezeichnen sein dürfte, ebenso wie die ebenfalls Einstimmigkeit voraussetzende GAL-Fraktion HH, die derzeit 12 Mitglieder zählt, zum Wortlaut der Regelung s. unten, S. 209 ff. 858 Deutlich zurückhaltender Martin Morlok, in: ZParl. 2004, 633 (643): es „sollte“ für eine ordentliche Feststellung der tatsächlichen Grundlage des Vorwurfs „Sorge getragen“ werden.

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

erwiesen, sind derlei Änderungen vor der abschließenden Abstimmung zu dokumentieren. Dies kann in einer Sitzungsniederschrift festgehalten werden oder auch in einer gesonderten Erklärung. Entscheidend ist, dass die anwesenden stimmberechtigten Mitglieder von der Feststellung der Tatsachengrundlage vor Abstimmung Kenntnis erhalten. Die Bekanntgabe belastender Entscheidungen an den Betroffenen ist ein – auch bei einem Fraktionsausschluss zu beachtender – rechtsstaatlicher Grundsatz. Die Bekanntgabe des Ausschlusses erfolgt bei Anwesenheit des betroffenen Abgeordneten durch Feststellung des Abstimmungsergebnisses. Erfolgte der Ausschluss in Abwesenheit des Abgeordneten, ist ihm der Beschluss gesondert mitzuteilen. Zudem ist in jedem Fall der ausgeschlossene Abgeordnete schriftlich über die der Ausschlussentscheidung zugrunde gelegten Tatsachen zu informieren 859: sofern sich diese unverändert aus der Ausschlussantragsbegründung und / oder deren nachträglicher Ergänzung ergibt, unter Bezugnahme auf die maßgebliche(n) Begründung(en). Die Bedeutung dieser Dokumentationspflicht besteht für das in Abwesenheit ausgeschlossene Mitglied zum einen darin, ihm Gelegenheit zu geben, die Berechtigung des Ausschlusses anhand der der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen nachvollziehen zu können. Zum anderen dient die schriftliche Mitteilung der Tatsachengrundlage sowohl dem anwesend als auch dem abwesend Ausgeschlossenen dazu, ihm eine zuverlässige Beurteilung der Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Überprüfung und eine effektive Verteidigung zu ermöglichen. 3. Rechtsschutz Nach überwiegend vertretener Ansicht kann sich der betroffene Abgeordnete gegen seinen Ausschluss in einem Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Wehr setzen 860. Soweit dies für den Ausschluss von Abgeordneten aus einer Bundestagsfraktion in Abrede gestellt wird, stützt sich diese 859 Lediglich hinsichtlich des in Abwesenheit Ausgeschlossenen auch Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (849); tatsächlich haben die Bundestagsfraktionen von FDP und CDU / CSU bei den Ausschlüssen von Jürgen W. Möllemann und Martin Hohmann den Ausschluss unter Angabe der Ausschlussgründe schriftlich bekannt gegeben, so Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (368). 860 s. Hans Hugo Klein, in: Maunz / Dürig, Art. 38 Rn. 249 und 252; Peter Badura, in: Dolzer u. a., BK-GG, Art. 38 Rn. 96; Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 251 ff.; Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 480 und 658 ff.; Sylvia Kürschner, Binnenrecht, S. 162; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 173 ff.; Bilfried Hagelstein, Rechtsstellung, S. 192 f.; Claus Binder / Frank Hoffmann, in: Jura 2006, 387 (387 ff.); Thorsten Ingo Schmidt, in: DÖV 2003, 846 (851 f.); Christofer Lenz, in: NVwZ 2005, 364 (370); vgl. auch Hans-Hermann Kasten, in: Jura 1985, 231 (232); zur Zulässigkeit landesverfassungsrechtlicher Organstreitverfahren s. BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 ff.; BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 ff.; MVVerfG, in: LKV 2003, 516 ff.; StGH Bremen, in: DÖV 1970, 639 ff.; a. A. Jörn Ipsen, in: NVwZ 2005, 361 (363 f.).

II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen des Ausschlusses

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Ansicht im Kern darauf, dass der Abgeordnete nicht geltend machen kann, wie aber durch § 64 Abs. 1 BVerfGG vorausgesetzt, durch eine Maßnahme der Fraktion in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein, und zwar aus folgendem Grund: „Die Mitgliedschaft in einer Fraktion kann aber schon deshalb nicht zum verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten i.S. des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gehören, weil sie nicht jedem Abgeordneten offen steht. [...] Allenfalls ließe sich dem Abgeordneten ein ‚potentielles‘ Recht zur Fraktionsbildung zuordnen, dass nur aktuell wird, wenn weitere Prämissen vorliegen. In diesem Recht kann ein ausgeschlossener Abgeordneter indes nicht verletzt sein, weil ihm der Beitritt zu einer anderen oder die Gründung einer neuen Fraktion bei Erfüllung der Kautelen der Geschäftsordnung offen steht.“ 861

Richtig ist, dass der Abgeordnete durch den Ausschluss nicht in seinen vom Abgeordnetenstatus umfassten Rechten auf Beitritt zu einer anderen oder auf Gründung einer neuen Fraktion beeinträchtigt ist. Falsch ist der Rückschluss, dass aufgrund eines fehlenden Aufnahmeanspruchs die erworbene Mitgliedschaft nicht zu den verfassungsrechtlich geschützten Rechten des Abgeordneten zählen kann. Die Mitgliedschaft in einer Fraktion ist ein grundgesetzlich geschütztes Recht des Abgeordneten. Zwar beruht die Bildung von Fraktionen auf der in Ausübung des freien Mandats getroffenen Entscheidung, die einem Anspruch auf Aufnahme in eine Fraktion entgegensteht 862. Jedoch ist die in Ausübung des freien Mandats erworbene Mitgliedschaft und damit der Verbleib in der Fraktion über das grundgesetzliche Demokratiegebot in ihrem Bestand geschützt 863, mit der Folge, dass sich die verfassungsrechtlich verbürgte Ausübung des Abgeordnetenmandats auch auf die über die Fraktionsmitgliedschaft vermittelten parlamentarischen Mitwirkungsbefugnisse des Abgeordneten – im Rahmen der vom Grundgesetz gezogenen Grenzen – erstreckt 864. In dem danach bei Fraktionsausschlüssen zulässigen Organstreitverfahren sind das Ausschlussverfahren und die der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen uneingeschränkt gerichtlicher Überprüfung zugänglich. Im Übrigen ist das Bundesverfassungsgericht auf eine Evidenz- und Willkürkontrolle beschränkt 865. 861

Jörn Ipsen, in: NVwZ 2005, 361 (364). Zum Aufnahmeanspruch s. oben, S. 102 ff. 863 s. oben, S. 169 f. 864 s. auch Hanno Pfeil, Abgeordnete, S. 256: „Mit dem Beitritt zur Fraktion erweitert sich der Schutzbereich des Mandats auf alle parlamentarischen Mitwirkungsrechte des Abgeordneten, die ihm aufgrund der Fraktionsmitgliedschaft vermittelt werden.“ Vgl. zum Recht auf Verbleib auch BerlVerfGH, in: NVwZ-RR 2006, 441 (442); BbgVerfG, in: NVwZ-RR 2004, 161 (161). 865 s. dazu bereits oben, S. 183 ff. 862

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

Sofern der Ausschluss ausschließlich aufgrund einer nicht hinreichenden Beachtung verfahrensrechtlicher Anforderungen für rechtswidrig erklärt wird, ist die Fraktion nicht gehindert, das Mitglied – unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Anforderungen – in einem erneuten Ausschlussverfahren aus der Fraktion auszuschließen. Ein „Verbrauch“ der zum Ausschluss berechtigenden Gründe tritt (nur) dann nicht ein. Auch bei einem lediglich fehlerhaften Verfahren kann der Ausschluss regelmäßig jedoch keinen Bestand haben. Das Verfahren dient der prozeduralen Gewährleistung des der Fraktion obliegenden Abwägungsgebotes. Kann der Verfahrensfehler auch Auswirkungen auf das Abwägungsergebnis gehabt haben, so ist das Gericht gehindert, diesen Fehler für unerheblich zu erklären.

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag Im Folgenden werden die sich mit dem Ausschluss eines Abgeordneten aus der Fraktion befassenden Fraktionsgeschäftsordnungsregelungen der Bundestags- und Landtagsfraktionen, soweit sie öffentlich zugänglich oder von den Fraktionen mitgeteilt worden sind, zunächst dargestellt und sodann einer vergleichenden Betrachtung hinsichtlich eventuell festzustellender Gemeinsamkeiten oder auch herausragender Unterschiede untersucht. Abschließend wird ausgehend von den in dieser Arbeit aufgezeigten verfassungsrechtlichen Anforderungen sowie den als rechtspolitisch wünschenswert zu erachtenden Regelungsgehalten eine Fraktionsausschlussregelung entworfen. 1. Bestandsaufnahme Lediglich wenige Fraktionsgeschäftsordnungen sind veröffentlicht. Die CDU / CSU-Bundestagsfraktion veröffentlicht ihre „Arbeitsordnung“ 866 ebenso wie die FDP-Bundestagsfraktion ihre „Geschäftsordnung“ 867 auf den Internetseiten der Fraktion. Die Fraktionsgeschäftsordnungen der Fraktionen des Abgeordnetenhauses von Berlin sind veröffentlicht im Amtsblatt für Berlin 868 und die Fraktionsgeschäftsordnungen der Fraktionen der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 866 Unter http://www.cducsu.de/Titel__organisation/TabID__19/SubTabID__62/Texte .aspx online als pdf-Datei abrufbar, 02. 03. 2010. 867 Als pdf-Datei abrufbar unter http://www.fdp-fraktion.de/Fraktionsaufbau/370b129 /index.html, 02. 03. 2010. 868 57. Jahrgang, Nr. 21, ausgegeben zu Berlin am 18. Mai 2007, A 1262 A, S. 1289 ff.

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

209

sind nach § 1 Abs. 4 FraktG Hamburg beim Präsidenten der Bürgerschaft zu hinterlegen und werden von diesem als Bürgerschaftsdrucksache veröffentlicht 869. Die Fraktionsgeschäftsordnungen der Fraktionen des Landtages Nordrhein-Westfalen sind veröffentlicht im Handbuch des Landtages Nordrhein-Westfalen 870. Wenngleich eine Publikation der Fraktionsgeschäftsordnungen verfassungsrechtlich nicht zwingend ist, so ist sie immerhin zumutbar und aus rechtspolitischen Erwägungen heraus auch geboten 871. Aus welchen Gründen ein „Geheimhaltungsinteresse“ an der Geschäftsordnung von unmittelbar an der Staatswillensbildung beteiligten Organteilen des Parlaments bestehen könnte, ist nicht ersichtlich 872. a) Fraktionsausschlussregelungen der Bundestagsund Landtagsfraktionen Im August / September 2009 sind die Fraktionen des Bundestages und der Landtage 873, deren Geschäftsordnungen nicht publiziert sind, mit der Bitte angeschrieben worden, die Erstellung dieser Arbeit zu unterstützen, entweder durch Übersendung ihrer Fraktionsgeschäftsordnung oder mit der Auskunft darüber, ob und wenn ja welche Regelungen die Geschäftsordnung zum Ausschluss von Mitgliedern trifft. Die nachstehende Übersicht gibt das Ergebnis der Recherche wieder.

869

Drs. 19/478 vom 03. 06. 2008. Handbuch des Landtages Nordrhein-Westfalen, 14.Wahlperiode, Band 3, hrsgg. von der Präsidentin des Landtages Nordrhein-Westfalen, Rheinbreitbach 2006. 871 s. Sven Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 264; Armin Tschermak von Seysenegg, Fraktion, S. 235; Berthold Stevens, Rechtsstellung, S. 136; die Gebotenheit lediglich in Hinblick auf die Außenvertretung betonend Martin Morlok, in: NJW 1995, 29 (31), der deshalb auch für eine Hinterlegung beim Parlamentspräsidenten verbunden mit einem Einsichtsrecht bei berechtigtem Interesse votiert. 872 Bedauerlicherweise haben dennoch die SPD-Fraktion des Landtages Mecklenburg-Vorpommern und die SPD-Fraktion des Landtages Rheinland-Pfalz eine Auskunft über den Inhalt ihrer Geschäftsordnung unter Hinweis auf deren „internen“ Charakter abgelehnt. Ähnliche Erwägungen mögen die eine oder andere Fraktion geleitet haben, die auf die Anfrage nicht reagiert hat. 873 Zu diesem Zeitpunkt existierten insgesamt 74 Fraktionen auf Bundes- und Landesebene. 870

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion Rechercheergebnis

Bundestag (BT) CDU-Fraktion BT

Arbeitsordnung der CDU / CSU-Bundestagsfraktion vom 28. November 2005 (CDU / CSU-ArbO) § 15 – Ausschluss Die Fraktionsversammlung kann in geheimer Abstimmung den Ausschluss von Mitgliedern aus der Fraktion beschließen. Der Antrag auf Fraktionsausschluss muss allen Fraktionsmitgliedern schriftlich bekanntgegeben werden. Zwischen der Bekanntgabe und der Abstimmung müssen drei Tage liegen. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Fraktion.

SPD-Fraktion BT

Geschäftsordnung der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag in der Fassung vom 3. Juni 1997 (SPD-GeschO) enthält keine Regelung

FDP-Fraktion BT

Geschäftsordnung der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag in der Fassung vom 26. 10. 2009 (FDP-GeschO) § 16 – Beendigung von Mitgliedschaft und Sonderstatus (1) Die Mitgliedschaft endet 1. durch Austrittserklärung, 2. durch Ausschluß, 3. durch Austritt aus der Freien Demokratischen Partei, 4. durch Ausschluß aus der Freien Demokratischen Partei. Die Mitgliedschaft endet in den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 und 4 nur dann, wenn das Mitglied binnen 48 Stunden nach seinem Austritt oder Ausschluß aus der Freien Demokratischen Partei beim Fraktionsvorsitzenden keinen Antrag auf Verbleib in der Fraktion stellt. Stellt das Mitglied diesen Antrag, endet die Mitgliedschaft in der Fraktion nur, wenn der Antrag auf Verbleib von der Mehrheit der Mitglieder der Fraktion abgelehnt wird. Abs. 2 Sätze 4 bis 8 gelten entsprechend. Den Antrag auf Verbleib kann auch der Fraktionsvorstand oder ein Viertel der Mitglieder der Fraktion stellen. (2) Der Ausschluß eines Mitglieds ist nur aus wichtigem Grund zulässig. Der Ausschluß bedarf der Mehrheit der Stimmen von zwei Dritteln der Mitglieder der Fraktion. Der Antrag muß mindestens von einem Viertel der Mitglieder der Fraktion unterstützt werden. Der Antrag auf Ausschluß muß den Mitgliedern der Fraktion bekannt gegeben werden. Über den Antrag darf frühestens 48 Stunden nach der Bekanntgabe beraten und abgestimmt werden. Dem Mitglied, dessen Ausschluß beantragt ist, obliegt es, an der Beratung über den Antrag in der Fraktion mitzuwirken. Ihm ist vor einer Entscheidung von der Fraktion Gehör zu gewähren, wenn der Betroffene darauf nicht ausdrücklich oder konkludent verzichtet. Das Gehör wird regelmäßig durch die Möglichkeit der persönlichen Teilnahme an der Fraktionssitzung gewährt, bei Verhinderung des Betroffenen durch die Möglichkeit zur schriftlichen Erklärung, die den Mitgliedern der Fraktion zu eröffnen ist, oder

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

211

durch einen Interessenvertreter im Sinne von § 1 Abs. 6 Sätze 1 und 4. § 1 – Mitgliedschaft (6) [Satz 1:] Kann ein Mitglied an einer Sitzung der Fraktion nicht teilnehmen, in der über das Verhalten dieses Mitglieds und daraus zu ziehende Konsequenzen, insbesondere nach §§ 13 oder 16, beraten oder beschlossen werden soll (betroffenes Mitglied), so bestellt es im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheit ein anderes Mitglied, das dazu bereit ist, zum Vertreter seiner Interessen. [... Satz 4:] Nimmt ein betroffenes Mitglied an einer Sitzung der Fraktion im Sinne von Satz 1 nicht teil, ohne einen Interessenvertreter bestellt zu haben, kann der Justitiar ein Mitglied der Fraktion zum Vertreter der Interessen des an der Teilnahme gehinderten Mitglieds bestellen. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BT

Geschäftsordnung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 27. September 2005, geändert am 5. September 2007 (GeschO Bündnis 90/Die Grünen) § 5 – Aufgaben der Fraktionsversammlung (1) k) Sie [die Fraktionsversammlung] kann auf schriftlichen Antrag durch mindestens ein Fraktionsmitglied ein Mitglied aus der Fraktion mit einer Mehrheit von drei Viertel der Mitglieder der Fraktion ausschließen, wenn dieses gegen die von der Fraktion beschlossene Politik in erheblichem und schwerwiegendem Umfang verstoßen hat.

Fraktion Die Linke. BT

Geschäftsordnung der Fraktion „Die Linke.“ vom 1. Oktober 2005, zuletzt geändert am 6. September 2007 (GeschO „Die Linke.“) § 3 – Beendigung der Mitgliedschaft und des Gaststatus (1) Die Mitgliedschaft endet durch 1. Austrittserklärung, 2. durch Ausschluss, 3. durch Austritt aus der Partei DIE LINKE, 4. durch Ausschluss aus der Partei DIE LINKE. Die Mitgliedschaft endet in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 nur dann, wenn das Mitglied binnen 48 Stunden nach seinem Austritt oder Ausschluss aus der Linkspartei.PDS bei den Fraktionsvorsitzenden keinen Antrag auf Verbleib in der Fraktion stellt. Stellt das Mitglied diesen Antrag, endet die Mitgliedschaft in der Fraktion nur, wenn der Antrag auf Verbleib von der Mehrheit der Mitglieder der Fraktion abgelehnt wird. Die dafür notwendigen Verfahrensregelungen des Abs. 2 gelten entsprechend. Den Antrag auf Verbleib kann auch der Fraktionsvorstand oder ein Viertel der Mitglieder der Fraktion mit Zustimmung der / des Betroffenen stellen. (2) Der Ausschluss eines Mitglieds ist nur aus wichtigem Grund zulässig. Der Ausschluss bedarf der Mehrheit der Stimmen von zwei Dritteln der Mitglieder der Fraktion. Der Antrag muss mindestens von einem Drittel der Mitglieder der Fraktion unterstützt werden. Der Antrag auf Ausschluss muss den Mitgliedern der Fraktion schriftlich

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion bekannt gegeben werden. Über den Antrag darf frühestens 48 Stunden nach der Bekanntgabe beraten und abgestimmt werden. Dem Mitglied, dessen Ausschluss beantragt ist, obliegt es, an der Beratung über den Antrag in der Fraktion mitzuwirken. Ihm ist vor einer Entscheidung von der Fraktion Gehör zu gewähren, wenn die / der Betroffene darauf nicht ausdrücklich oder konkludent verzichtet. Das Gehör wird regelmäßig durch die Möglichkeit der persönlichen Teilnahme an der Fraktionssitzung gewährt, bei entschuldigter Verhinderung des Betroffenen durch die Möglichkeit zur schriftlichen Erklärung, die den Mitgliedern der Fraktion zu eröffnen ist, oder durch einen Interessenvertreter im Sinne von § 2 Abs. 5. § 2 – Rechte und Pflichten der Mitglieder (5) Kann ein Mitglied an einer Sitzung der Fraktion entschuldigt nicht teilnehmen, in der über das Verhalten dieses Mitglieds und daraus zu ziehende Konsequenzen wie die Abberufung von einer Wahlfunktion oder den Ausschluss aus der Fraktion beraten oder beschlossen werden soll, wird die Angelegenheit vertagt. Kann dieses Mitglied auch entschuldigt an einer Zweitansetzung nicht teilnehmen, bestellt es im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheit ein anderes Mitglied, das dazu bereit ist, zur / zum Vertreter / in seiner Interessen. Die Bestellung und das Einverständnis des Bestellten sind der / den Fraktionsvorsitzenden bis eine Stunde vor Sitzungsbeginn schriftlich mitzuteilen. Die Möglichkeit des betroffenen Mitglieds, das an der Teilnahme der Sitzung verhindert ist, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, bleibt hiervon unberührt.

Baden-Württemberg (BW) CDU-Fraktion BW

keine Antwort erhalten

SPD-Fraktion BW

Geschäftsordnung der Fraktion der SPD im Landtag Baden-Württemberg, Stand Januar 2008 § 2 – Beendigung der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft endet 1. durch Austrittserklärung, 2. durch Ausschluss, 3. durch Austritt aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschland, 4. durch Ausschluss aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschland. (2) Der Ausschluss eines Mitglieds ist nur aus wichtigem Grund zulässig. Der Ausschluss bedarf der Mehrheit der Stimmen von zwei Dritteln der Mitglieder der Fraktion. Der Antrag muss mindestens von einem Viertel der Mitglieder der Fraktion unterstützt werden. Dem Betroffenen muss vorher in der Fraktion Gehör gewährt werden. Der Antrag auf Ausschluss muss den Mitgliedern der Fraktion bekanntgegeben werden. Zwischen der Bekanntgabe und der Abstimmung müssen mindestens achtundvierzig Stunden liegen.

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

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FDP / DVP-Fraktion keine Antwort erhalten BW Fraktion Grüne BW

Geschäftsordnung der Fraktion GRÜNE im Landtag Baden-Württemberg, Stand Mai 2006 1.2 Mitgliedschaft [...] Über Neuaufnahmen von Mitgliedern und Gästen in die Fraktion entscheidet die Fraktion mit Zwei-Drittel-Mehrheit, über Ausschlüsse entscheidet die Fraktion einstimmig, jeweils im Benehmen mit dem Landesvorstand. Das betroffene Fraktionsmitglied ist bei Beschlüssen über Ausschlussanträge nicht stimmberechtigt, jedoch vorher zu hören. Die Mitgliedschaft endet durch Austritt, Ausschluss oder Tod.

Bayern (BY) CSU-Fraktion BY

Mitgeteilter Auszug (Stand 27. 08. 2009): „Über den Ausschluss aus der Fraktion entscheidet die Fraktionsversammlung auf Antrag des Fraktionsvorstandes oder eines Viertels aller Mitglieder. Der Beschluss ist mit einer Mehrheit von zwei Dritteln aller Mitglieder zu fassen. Der Betroffene ist vor der Beschlussfassung zu hören. Ausgeschlossen werden kann nur, wer in grober Weise gegen die Interessen der Fraktion verstößt und dadurch ihrem Ansehen in der Öffentlichkeit schweren Schaden zufügt.“

SPD-Fraktion BY

Mitgeteilter Auszug (Stand September 2009): § 1 – Mitglieder Der SPD-Fraktion gehören alle Abgeordneten des Bayerischen Landtags an, die Mitglieder der SPD sind. Erlischt die Mitgliedschaft in der SPD, so erlischt automatisch auch die Zugehörigkeit zur Fraktion. Ist gegen eine Abgeordnete / einen Abgeordneten das Ruhen aller oder einzelner Rechte aus der Mitgliedschaft nach der Schiedsordnung der Partei angeordnet worden, so ruht auch die Mitgliedschaft in der Fraktion, soweit die Fraktion nichts anderes bestimmt.

FDP-Fraktion BY

Satzung der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag, Stand September 2009 § 12 – Beitritt, Austritt und Ausschluss von Abgeordneten (2) Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Tod, Erlöschen des Mandats, Austritt oder Ausschluss, durch Austritt oder Ausschluss aus der Freien Demokratischen Partei. (4) Über den Ausschluss aus der Fraktion entscheidet die Fraktion auf Antrag des Fraktionsvorstandes oder eines Viertels der Mitglieder. Der Beschluss ist mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder zu fassen. Der Antrag auf Ausschluss muss den Mitgliedern der Fraktion bekannt gegeben werden. Über den Antrag darf frühestens 48 Stunden nach der Bekanntgabe beraten und abgestimmt werden. Dem Mitglied, dessen Ausschluss beantragt ist,

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion obliegt es, an der Beratung über den Antrag in der Fraktion mitzuwirken. Ihm ist vor einer Entscheidung von der Fraktion Gehör zu gewähren. Das Gehör wird regelmäßig durch die Möglichkeit der persönlichen Teilnahme an der Fraktionssitzung gewährt, bei Verhinderung des Betroffenen durch die Möglichkeit zur schriftlichen Erklärung, die den Mitgliedern der Fraktion zu eröffnen ist.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BY

Geschäftsordnung der Fraktion Die Grünen im Bayerischen Landtag, Stand 26. 11. 2008 § 1 – Mitgliedschaft (2) Die Mitgliedschaft endet durch Austritt, Ausschluss oder Tod. § 5 – Aufgaben der Fraktionsversammlung (11) Sie [die Fraktionsversammlung] kann auf schriftlichen Antrag von mindestens einem Viertel der Fraktionsmitglieder ein Mitglied aus der Fraktion ausschließen, wenn dieses gegen die von der Fraktion beschlossene Politik in erheblichem und schwerwiegendem Umfang verstoßen hat.

Fraktion Freie Wäh- Zum Zeitpunkt der Anfrage existierte noch keine Fraktionsgeler BY schäftsordnung. Berlin (BE) CDU-Fraktion BE

Satzung für die CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin, 16. Wahlperiode, vom 19. September 2006 § 14 – Ausschluss Die Fraktionsversammlung kann in geheimer Abstimmung den Ausschluss von Mitgliedern aus der Fraktion beschließen. Der Antrag auf Fraktionsausschluss muss allen Fraktionsmitgliedern schriftlich bekannt gegeben werden. Zwischen der Bekanntgabe und der Abstimmung müssen drei Tage liegen. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Fraktion.

SPD-Fraktion BE

Satzung der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin, 16. Wahlperiode, vom 7. November 2006 § 1 – Name, Sitz, Mitglieder (4) Bei Beendigung der Mitgliedschaft in der SPD endet auch die Mitgliedschaft in der Fraktion. Über einen Ausschluss aus der Fraktion beschließt die Fraktionsversammlung.

FDP-Fraktion BE

Satzung der FPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, 16. Wahlperiode, vom 26. Oktober 2006 § 8 – Beendigung der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Tod, Erlöschen des Mandats, Austritt oder Ausschluss sowie durch Verlust der Parteimitgliedschaft. (3) Über den Ausschluss aus der Fraktion entscheidet die Fraktionsversammlung auf Antrag des Fraktionsvorstandes. Der Ausschluss bedarf eines wichtigen Grundes. Der Beschluss ist mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der ordentlichen Mitglieder zu

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

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fassen. Dem Betroffenen ist vor der Beschlussfassung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder können vorläufige Maßnahmen beschlossen werden, insbesondere die vorläufige Abberufung aus den Ausschüssen oder anderen Ämtern. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BE

Satzung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhauses von Berlin, 16. Wahlperiode, in Kraft getreten am 26. Oktober 2006 § 4 – Ausschluss von Abgeordneten (1) Der Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes ist nur aus wichtigen Gründen auf Antrag des Fraktionsvorstandes oder mindestens eines Drittels der Fraktionsmitglieder zulässig. (2) Der Antrag auf Ausschluss und die Abstimmung darüber müssen auf der Tagesordnung der Fraktionsversammlung schriftlich angekündigt sein. Dem betroffenen Fraktionsmitglied ist ausführlich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zwischen der Beratung des Antrages in der Fraktionsversammlung und der Abstimmung über den Antrag müssen mindestens 48 Stunden liegen. (3) Der Beschluss über den Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes bedarf der 2/3-Mehrheit der Mitglieder der Fraktion.

Fraktion Die Linke. BE

Geschäftsordnung der Linksfraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin, 16. Wahlperiode, vom 10. Oktober 2006 § 3 – Ausschluss von Abgeordneten und Hospitant / innen (1) Missachtet ein Mitglied oder ein / e Hospitant / in der Fraktion vorsätzlich und fortgesetzt die in dieser Geschäftsordnung festgelegten Regelungen oder fügt dem Ansehen und der politischen Wirksamkeit der Fraktion durch sein / ihr Verhalten schweren Schaden zu, kann er / sie aus der Fraktion ausgeschlossen werden. (2) Über den Ausschluss beschließt die Fraktionsversammlung auf begründeten Antrag. Der Antrag auf Ausschluss und die Abstimmung darüber müssen in der Tagesordnung der Fraktionsversammlung, mindestens jedoch 1 Woche vor Beginn der entsprechenden Fraktionsversammlung, angekündigt sein. Dem vom Antrag betroffenen Fraktionsmitglied sind Antrag und Begründung schriftlich spätestens 1 Woche vor der beschließenden Versammlung zuzustellen. Ihm ist die Gelegenheit zur ausführlichen Stellungnahme in der Fraktionsversammlung zu sichern. (3) Der Beschluss über den Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes oder eines Hospitanten bzw. einer Hospitantin bedarf einer 2/3-Mehrheit der Mitglieder der Fraktion.

Brandenburg (BB) CDU-Fraktion BB

keine Antwort erhalten

SPD-Fraktion BB

Geschäftsordnung der SPD-Landtagsfraktion Brandenburg vom 19. Oktober 2004 § 6 – Beendigung der Mitgliedschaft

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion (1) Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Tod, Erlöschen des Mandats, Beendigung der Mitgliedschaft in der SPD sowie durch Austritt aus der Fraktion. Schriftliche Auskunft: „In der Anlage finden Sie die Geschäftsordnung der SPD-Landtagsfraktion Brandenburg. Sie gilt für die 4. Wahlperiode, die im Oktober auslaufen wird. Regelungen zum Fraktionsausschluss gibt es darin nicht.“

Fraktion Die Linke. BB

Geschäftsordnung der Fraktion Die Linke im Landtag Brandenburg vom 21. Februar 2006 in der Fassung vom September 2007 § 5 – Aufnahme in die Fraktion, Austritt und Ausschluss eines Mitglieds aus der Fraktion (3) Ein Mitglied kann aus der Fraktion ausgeschlossen werden, wenn es gegen die in dieser Geschäftsordnung festgelegten Pflichten verstoßen oder der Fraktion schweren Schaden zugefügt hat. Die Einleitung eines Ausschlussverfahrens bedarf eines Antrages, der von mindestens einem Mitglied der Fraktion unterschrieben wurde. Das Mitglied der Fraktion, gegen das ein Ausschlussverfahren eingeleitet wurde, ist vor der Abstimmung anzuhören und hat das Recht, an der Sitzung der Fraktionsversammlung, in der über den Ausschluss beraten und entschieden wird, teilzunehmen. Der Ausschluss aus der Fraktion setzt die Zustimmung von zwei Drittel der Mitglieder der Fraktion voraus. Zwischen der Einleitung des Ausschlussverfahrens und der Entscheidung der Fraktion über den Ausschluss müssen mindestens 3 Wochen liegen.

DVU-Fraktion BB

keine Antwort erhalten

Bremen (HB) CDU-Fraktion HB

Mitgeteilter Auszug: Satzung der CDU-Bürgerschaftsfraktion in der Fassung vom 18. Mai 2009 für die 17. Legislaturperiode § 7 – Beendigung der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Tod, Erlöschen des Mandats, Austritt oder Ausschluß sowie durch den Verlust der Parteimitgliedschaft. (3) Über den Ausschluß aus der Fraktion entscheidet die Fraktionsversammlung auf Antrag des Fraktionsvorstandes. Der Ausschluß bedarf eines wichtigen Grundes. Der Beschluß ist mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der ordentlichen Mitglieder zu fassen. Dem Betroffenen ist vor der Beschlussfassung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder können vorläufige Maßnahmen beschlossen werden, insbesondere die vorläufige Abberufung aus den Ausschüssen oder anderen Ämtern.

SPD-Fraktion HB

Schriftliche Auskunft (Stand 01. September 2009): „Die SPD-Bürgerschaftsfraktion des Landes Bremen kennt keine Ausschlussbestimmungen in ihrer Geschäftsordnung. Die Mitglied-

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

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schaft eines Abgeordneten in der SPD-Fraktion wird über die Mitgliedschaft in der SPD (Partei) bestimmt.“ FDP-Fraktion HB

Nach Anfrage Bitte um telefonische Kontaktaufnahme seitens der Fraktion. Telefonisches Gespräch kam nicht zustande.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen HB

Nach Anfrage Bitte um telefonische Kontaktaufnahme seitens der Fraktion. Telefonisches Gespräch kam nicht zustande.

Fraktion Die Linke. HB

Geschäftsordnung der Bürgerschaftsfraktion Die Linke, Stand September 2009 § 5 – Beendigung der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Tod, Erlöschen des Mandats, Beendigung der Mitgliedschaft in der Partei DIE LINKE. oder durch Ausschluss.

Hamburg (HH) CDU-Fraktion HH

Satzung der Fraktion der CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft in der Fassung vom 10. März 2008 § 8 – Beendigung der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Erlöschen des Mandats, Austritt oder Ausschluss. (3) Über den Ausschluss aus der Fraktion entscheidet die Fraktionsversammlung auf Antrag des Fraktionsvorstandes oder eines Viertels der Mitglieder. Der Ausschluss bedarf eines wichtigen Grundes. Der Beschluss ist mit einer Mehrheit von drei Viertel der ordentlichen Mitglieder zu fassen. Dem Betroffenen ist vor der Beschlussfassung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit einer Mehrheit von zwei Drittel der anwesenden Mitglieder können vorläufige Maßnahmen beschlossen werden, insbesondere die vorläufige Abberufung aus den Ausschüssen oder anderen Ämtern. Diese Beschlüsse kommen nur zustande, wenn die Beschlussfassung auf der Einladung als einzelner Punkt der Tagesordnung steht.

SPD-Fraktion HH

Geschäftsordnung der Fraktion der sozialdemokratischen Partei Deutschlands in der Hamburgischen Bürgerschaft, Stand 7. März 2008, enthält keine Regelung

GAL-Fraktion HH

Geschäftsordnung der GAL-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Stand Juni 2008 A.II.1. – Ausschluss aus der Fraktion Über Ausschlüsse entscheidet die Fraktion einstimmig, nach Rücksprache mit dem Landesvorstand. Das betroffene Fraktionsmitglied ist bei Beschlüssen über Ausschlussanträge nicht stimmberechtigt, aber vorher zu hören.

Fraktion Die Linke. HH

Geschäftsordnung Die Linke Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Stand 10. März 2008 § 5 – Beendigung der Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Tod, Erlöschen des

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion Mandats, Beendigung der Mitgliedschaft in der Partei DIE LINKE. oder durch Ausschluss.

Hessen (HE) CDU-Fraktion HE

Schriftliche Auskunft (Stand 15. September 2009): Fraktionsgeschäftsordnung enthält keine Regelung

SPD-Fraktion HE

keine Antwort erhalten

FDP-Fraktion HE

keine Antwort erhalten

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen HE

Geschäftsordnung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag vom 27. Januar 2009 § 2 – Mitgliedschaft (2) Die Aufnahme oder der Ausschluss von Personen in die Fraktion ist auf Vorschlag des Vorstands mit einer Mehrheit von 2/3 der Mitglieder der Fraktion zulässig.

Fraktion Die Linke. HE

keine Antwort erhalten

Mecklenburg-Vorpommern (MV) CDU-Fraktion MV

Mitgeteilter Auszug (Stand 01. September 2009): § 9 – Beendigung der Mitgliedschaft (3) Über den Ausschluss aus der Fraktion entscheidet die Fraktionsversammlung auf Antrag des Fraktionsvorstandes oder eines Viertels der Mitglieder. Der Beschluss ist mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder zu fassen. Der Betroffene ist vor der Beschlussfassung in der Fraktionsversammlung zu hören.

SPD-Fraktion MV

Schriftliche Mitteilung vom 15. September 2009: „Unsere Fraktionssatzung ist intern und soll das bleiben.“

Fraktion Die Linke. MV

keine Antwort erhalten

NPD-Fraktion MV

keine Antwort erhalten

Niedersachsen (NI) CDU-Fraktion NI

Satzung der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Stand 19. 02. 2008 § 3 – Fraktionsversammlung (1) [...] Der Fraktionsversammlung obliegt es insbesondere, f) über die Aufnahme von Gästen sowie über den Ausschluss von Mitgliedern und Gästen zu beschließen. § 14 – Beschlussfassung und Beschlussfähigkeit Soweit die Satzung nicht anderes vorschreibt, werden Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst. § 17 – Ordnungsverfahren

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

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(1) Macht sich ein Mitglied eines Verhaltens schuldig, aufgrund dessen seine weitere Zugehörigkeit zur Fraktion unzumutbar erscheint, ist die Fraktion verpflichtet, gegen dieses Mitglied ein Parteiausschlussverfahren zu beantragen. (2) Bis zur Durchführung dieses Verfahrens kann die Fraktionsversammlung auch vorläufige Maßnahmen mit der Mehrheit von drei Viertel ihrer Mitglieder beschließen, insbesondere die Zurückziehung dieses Mitgliedes aus Ämtern und Ausschüssen des Landtages und der Fraktion sowie den vorläufigen Ausschluss aus der Fraktion. Zur Vorbereitung solcher Maßnahmen muss die Fraktionsversammlung einen aus drei Mitgliedern bestehenden Schlichtungsausschuss einsetzen. SPD-Fraktion NI

Geschäftsordnung für die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag für die XVI. Wahlperiode vom 19. Februar 2008 § 1 – Fraktion (Begriff, Zusammensetzung) (4) Die Mitgliedschaft endet durch Tod, Erlöschen des Mandats, Beendigung der Mitgliedschaft in der SPD.

FDP-Fraktion NI

Satzung der FPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag (16. Wahlperiode) vom 25. März 2008 § 1 – Rechtsstellung, Mitgliedschaft, Name, Sitz [...] Mitglieder der Fraktion, die nicht Mitglied der Freien Demokratischen Partei sind oder diese Mitgliedschaft verloren haben oder die Interessen der Fraktion schwer geschädigt haben, können durch Beschluss aus der Fraktion mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden. Stimmberechtigt sind die Mitglieder der Fraktion, die Hospitanten haben beratende Stimme.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen NI

Schriftliche Auskunft (Stand 25. September 2009): Fraktionsgeschäftsordnung enthält keine Regelung

Fraktion Die Linke. NI

Geschäftsordnung der Landtagsfraktion Die Linke Fraktion im Niedersächsischen Landtag in der Fassung vom 29. Februar 2008 § 6 – Beendigung der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Tod, Erlöschen des Mandats, Beendigung der Mitgliedschaft in der Partei DIE LINKE. oder durch Ausschluss.

Nordrhein-Westfalen CDU-Fraktion NW

Geschäftsordnung der CDU-Landtagsfraktion der 14. Wahlperiode, in Kraft getreten am 7. Juni 2005 § 15a – Ausschluss Die Fraktionsversammlung kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in geheimer Abstimmung den Ausschluss von Mitgliedern aus der Fraktion beschließen. Der Antrag auf Fraktionsausschluss kann von dem Fraktionsvorstand oder einem Viertel aller Fraktionsmitglieder gestellt werden und muss allen Fraktionsmitgliedern schriftlich bekannt gegeben werden. Zwischen der Bekanntgabe

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion und der Abstimmung müssen drei Tage liegen. An der Aussprache und Beratung über den Ausschluss dürfen nur Fraktionsmitglieder teilnehmen. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Fraktion. Der Beschluss ist mit Verkündung des Ergebnisses in der Fraktionssitzung wirksam; er wird unverzüglich dem betroffenen Mitglied schriftlich bekannt gegeben.

SPD-Fraktion NW

Geschäftsordnung der SPD-Landtagsfraktion für die 14. Wahlperiode, beschlossen am 7. Juni 2005 § 6 – Beendigung der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Tod, Erlöschen des Mandats, durch Austritt aus der Fraktion und durch Ausschluss aus der Fraktion gemäß Absatz 3. (2) Der Austritt aus der Fraktion bedarf der schriftlichen Erklärung an die Fraktionsvorsitzende bzw. den Fraktionsvorsitzenden. Ein Austritt aus der SPD oder ein Ausschluss aus der SPD gilt aus Austritt aus der SPD-Fraktion, wenn das Fraktionsmitglied nicht innerhalb von 14 Tagen schriftlich mitteilt, dass es der Fraktion weiter angehören will. (3) Mitglieder der Fraktion können von der Fraktionsversammlung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder ausgeschlossen werden, wenn sie vorsätzlich gravierend gegen die in dieser Geschäftsordnung festgelegten Pflichten verstoßen oder der Fraktion schweren Schaden zugefügt haben. Der Antrag auf Ausschluss muss den Fraktionsmitgliedern mindestens eine Woche vorher schriftlich bekannt gegeben werden. Der oder dem Betroffenen ist vor der Beschlussfassung Gelegenheit zur Stellungnahme vor der Fraktionsversammlung zu geben. Die Entscheidung erfolgt in geheimer Abstimmung ohne Beteiligung der oder des Betroffenen.

FDP-Fraktion NW

Geschäftsordnung der FDP-Landtagsfraktion NRW in der Fassung vom 3. Dezember 2002 § 1 – Mitgliedschaft (3) Die Mitgliedschaft endet 1. durch Austrittserklärung 2. durch Ausschluss, 3. durch Austritt aus der Freien Demokratischen Partei, 4. durch Ausschluss aus der Freien Demokratischen Partei. (4) Über den Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes entscheidet die Fraktionsversammlung. Der Ausschluss ist nur aus wichtigem Grund zulässig. Der Antrag auf Ausschluss muss mindestens von einem Viertel der Fraktionsmitglieder unterstützt werden. Die Fraktionsversammlung kann die Einleitung mit Mehrheit ablehnen. Über den Antrag auf Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes entscheidet die Fraktionsversammlung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Fraktionsmitglieder in geheimer Abstimmung. Die Beschlussfassung ist nur zulässig, wenn Antrag, Anhörung und Abstimmung auf den jeweiligen Tagesordnungen stehen. Zwischen dem Antrag und dem Termin zur Anhörung sowie zwischen

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

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dem Termin zur Anhörung und der Abstimmung müssen jeweils mindestens sieben Tage liegen. Fraktion Bündnis Geschäftsordnung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Land90/Die Grünen NW tag NRW, 14. Wahlperiode, beschlossen am 24. Mai 2005 § 1 – Die Fraktion (2) Die Mitgliedschaft endet durch Austritt, Ausschluss oder Tod. § 4 – Aufgaben der Fraktionsversammlung (1) 6. Spiegelstrich: Sie kann auf schriftlichen Antrag von einem Drittel der Fraktionsmitglieder ein Mitglied aus der Fraktion mit einer Mehrheit von drei Viertel der Mitglieder der Fraktion ausschließen, wenn dieses gegen die von der Fraktion beschlossene Politik in erheblichem und schwerwiegendem Umfang verstoßen hat. Rheinland-Pfalz (RP) CDU-Fraktion RP

Mitgeteilter Auszug (Stand 17. September 2007) § 7 – Beendigung der Mitgliedschaft (3) Über den Ausschluss aus der Fraktion entscheidet die Fraktionsversammlung auf Antrag des Fraktionsvorstandes oder eines Viertels aller Mitglieder. Der Beschluss bedarf zu seiner Wirksamkeit einer Mehrheit von zwei Dritteln aller Mitglieder der Fraktion. Der Betroffene ist vor der Beschlussfassung zu hören.

SPD-Fraktion RP

Schriftliche Mitteilung vom 28. August 2009: „Die Geschäftsordnung ist nur für den fraktionsinternen Gebrauch bestimmt.“

FDP-Fraktion RP

keine Antwort erhalten

Saarland (SL) CDU-Fraktion SL

keine Antwort erhalten

SPD-Fraktion SL

keine Antwort erhalten

FDP-Fraktion SL

keine Antwort erhalten

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SL

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Sachsen (SN) CDU-Fraktion SN

Schriftliche Auskunft (Stand September 2009): „Die Fraktionsversammlung kann in geheimer Abstimmung den Ausschluss von Mitgliedern beschließen. Der Antrag ist allen Mitgliedern schriftlich bekannt zu geben. Zwischen Bekanntgabe und Abstimmung müssen 3 Tage liegen. Es ist eine Mehrheit von zwei Dritteln erforderlich.“

SPD-Fraktion SN

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222

C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SN

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Fraktion Die Linke. SN

Geschäftsordnung der Fraktion Die Linke im 5. Sächsischen Landtag in der Fassung vom 9. September 2009 § 5 – Beendigung der Mitgliedschaft (1) Die Mitgliedschaft in der Fraktion endet durch Tod, Erlöschen des Mandats sowie durch den Austritt oder den Ausschluss aus der Fraktion. (3) Ein Abgeordneter kann auf Auftrag eines Viertels der Fraktionsmitglieder oder auf Antrag des Vorstandes aus wichtigem Grund von der Fraktionsversammlung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder, die jedoch die Mehrheit der Mitglieder der Fraktion ausmachen muss, in geheimer Abstimmung aus der Fraktion ausgeschlossen werden. Ein Antrag auf Fraktionsausschluss ist allen Fraktionsmitgliedern schriftlich bekanntzugeben. Die Entscheidung der Fraktionsversammlung über den Ausschluss darf frühestens eine Woche nach Bekanntgabe des entsprechenden Antrags erfolgen; sie soll in der Regel jedoch spätestens nach vier Wochen getroffen sein. Ein Mitglied der Fraktion, gegen das ein Ausschlussverfahren beantragt ist, hat das Recht, durch die Fraktion gehört zu werden und an der Sitzung der Fraktionsversammlung, in der über den Ausschluss beraten und beschlossen werden soll, teilzunehmen.

NPD-Fraktion SN

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Sachsen-Anhalt (ST) CDU-Fraktion ST

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SPD-Fraktion ST

Geschäftsordnung der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands für die 5. Wahlperiode im Landtag von SachsenAnhalt in der Fassung vom 2. Mai 2006 enthält keine Regelung

FDP-Fraktion ST

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Fraktion Die Linke. ST

Satzung der Fraktion der Linkspartei.PDS im Landtag von SachsenAnhalt in der 5. Wahlperiode in der Fassung vom 11. April 2006 § 5 – Aufnahme in die Fraktion, Austritt und Ausschluss eines Mitglieds aus der Fraktion (3) Ein Mitglied kann aus der Fraktion nur ausgeschlossen werden, wenn es gegen die in dieser Satzung festgelegten Pflichten verstoßen oder der Fraktion schweren Schaden zugefügt hat. Die Einleitung eines Ausschlussverfahrens bedarf eines begründeten Antrages, der von mindestens einem Drittel der Mitglieder der Fraktion unterzeichnet wurde. Das Fraktionsmitglied, gegen das ein Ausschlussverfahren eingeleitet wurde, ist vor der Abstimmung anzuhören und hat das Recht, an der Fraktionssitzung, in der über den Ausschluss beraten und entschieden wird, teilzunehmen. Der Ausschluss aus der Fraktion setzt die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder der Fraktion voraus.

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

223

Schleswig-Holstein (SH) CDU-Fraktion SH

Mitgeteilter Auszug (Stand September 2009): § 13 – Abberufung 1. Die Fraktionsversammlung kann von ihr gewählte Mitglieder wieder abberufen. Der Antrag auf Abberufung muss von mindestens einem Drittel der Mitglieder schriftlich gestellt werden. 2. Der Antrag auf Abberufung ist allen Fraktionsmitgliedern schriftlich bekannt zu geben. Zwischen Bekanntgabe und Abstimmung muss eine Woche liegen. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der Fraktionsmitglieder.

SPD-Fraktion SH

Schriftliche Auskunft (Stand 16. September 2009): Fraktionsgeschäftsordnung enthält keine Regelung

FDP-Fraktion SH

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH

Geschäftsordnung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 28. Mai 1996 in der Fassung vom 18. Mai 2005 § 1 – Name und Mitgliedschaft der Fraktion (3) Der Ausschluss eines Mitgliedes der Fraktion bedarf des Beschlusses von mindestens 2/3 der Mitglieder der Fraktion. Der Antrag ist schriftlich einzureichen; zwischen Einreichung des Antrags und seiner ersten Beratung in der Fraktionsversammlung sowie dieser und der Entscheidung über den Antrag müssen jeweils mindestens sieben Tage liegen. In beiden Sitzungen ist dem betroffenen Mitglied sowie dem Landesvorstand des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. (4) Der Fraktionsvorstand kann durch Zustimmung aller seiner Mitglieder in dringenden Fällen in denen ein Mitglied der Fraktion dieser oder der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schweren öffentlichen Schaden zufügt, dieses mit sofortiger Wirkung vorläufig aus der Fraktion ausschließen. In diesem Fall ist unmittelbar das Verfahren nach Absatz 3 einzuleiten, um eine Bestätigung der Entscheidung durch die Fraktionsversammlung herbeizuführen.

SSW

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Thüringen (TH) CDU-Fraktion TH

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SPD-Fraktion TH

Geschäftsordnung der Fraktion der SPD im Thüringer Landtag für die 4. Wahlperiode, in Kraft getreten am 5. Juli 2004, enthält keine Regelung

Fraktion Die Linke. TH

Schriftliche Auskunft (Stand 17. September 2009): Fraktionsgeschäftsordnung enthält keine Regelung (ist aber geplant)

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

b) Vergleichende Auswertung Nach dem Rechercheergebnis stehen für eine Auswertung Geschäftsordnungsregelungen beziehungsweise Auskünfte darüber von 49 Fraktionen zur Verfügung. Lediglich zwei Fraktionen verweigerten ausdrücklich eine Information über den Geschäftsordnungsinhalt, jedoch reagierten 21 Fraktionen nicht auf die Anfrage und in zwei Fällen kam es nicht zu dem seitens der Fraktion erbetenen Gespräch zur näheren Erläuterung der beabsichtigten Verwendung der Informationen. Eine Auswertung des fraktionsgeschäftsordnungsrechtlichen Umgangs mit Fraktionsausschlüssen kann damit auf Informationen von fast zwei Dritteln der Fraktionen auf Bundes- und Landesebene zurückgreifen. Dies erlaubt in gewissem Umfang Aussagen darüber, was von den Parlamentsfraktionen als „Standard“ eines demokratischen Entscheidens über den Ausschluss eines Mitglieds begriffen wird, aber auch darüber, in welchen Bereichen sich als verfassungswidrig zu bewertende Praktiken zu einem „undemokratischen Standard“ entwickelt haben. Sofern die Fraktionsgeschäftsordnungen Ausschlussregelungen enthalten 874, und dies ist überwiegend der Fall 875, lässt sich eine leichte Tendenz dahingehend feststellen, zugleich mit der Regelung des Ausschlussverfahrens auch eine Formulierung hinsichtlich der zum Ausschluss berechtigenden Gründe aufzunehmen. Tatsächlich ausschließlich Verfahrensfragen regeln lediglich 11 Fraktionsgeschäftsordnungen 876. Im Übrigen beschränken sich die Fraktionsgeschäftsordnungen nicht darauf, wenngleich dies den Fraktionen nicht immer bewusst sein mag. Mitunter findet sich – ohne weitergehend Fragen des Fraktionsausschlusses zu behandeln – lediglich die Formulierung, dass die Fraktionsmitgliedschaft „erlischt“ oder „endet“, sofern ein Mitglied aus der Partei ausgetreten oder ausgeschlossen worden ist. Diese Automatik delegiert in verfassungswidriger Weise die Entscheidungs874 Dies ist lediglich nicht der Fall in der SPD-GeschO, GeschO SPD-Fraktion HH, GeschO SPD-Fraktion ST, GeschO SPD-Fraktion TH und nach eigenen Angaben in der GeschO CDU-Fraktion HE, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen NI, GeschO SPD-Fraktion SH. 875 Obgleich lediglich in drei Bundesländern eine Pflicht zur Regelung des Ausschlusses einfachgesetzlich statuiert ist (s. § 1 Abs. 4 FraktG BW, § 6 Abs. 2 Nr. 2 FraktG Berlin und § 2 Abs. 2 Nr. 5 FraktG Bbg). 876 So die CDU-GeschO, GeschO Fraktion Grüne BW, GeschO CSU-Fraktion BY, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BY, Satzung CDU-Fraktion BE, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen HE, GeschO GAL-Fraktion HH, GeschO CDU-Fraktion MV, GeschO CDU-Fraktion RP, GeschO CDU-Fraktion SN, GeschO Fraktion Die Linke SN. Überraschend war die schriftlich erteilte Auskunft der CDU-Fraktion SH, die auf die reine Verfahrensregelung zur Abberufung gewählter Mitglieder hinwies.

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

225

kompetenz der Fraktionsversammlung auf ein fraktionsexternes Gremium, das Parteischiedsgericht 877. Inhaltlich spiegelt sich in derlei Regelungen allerdings die durchaus nachvollziehbare und in den meisten Fällen wohl auch zutreffende Vorstellung, dass mit dem Verlust der Parteizugehörigkeit regelmäßig auch die Übereinstimmung in politischen Grundüberzeugungen nicht mehr besteht. Ist diese Übereinstimmung tatsächlich entfallen, wäre dies ein zum Ausschluss berechtigender Grund, über den die Fraktionsversammlung allerdings im Einzelfall zu befinden hat. Dennoch haben die Fraktionen zumindest für den Fall des Parteiausschlusses Grund und Verfahren eines Fraktionsausschlusses – wenn auch verfassungswidrig – durch Verweis auf das von den politischen Parteien durchgeführte Parteiausschlussverfahren geregelt 878. Das fehlende Bewusstsein, dass es sich dabei auch um einen Fraktionsausschluss handelt, zeigt sich daran, dass daneben einige Fraktionsgeschäftsordnungen die Möglichkeit des Ausschlusses zusätzlich erwähnen 879, mitunter auch verfahrensrechtliche Anforderungen statuieren 880 oder sogar zusätzlich Fraktionsausschlussgründe regeln 881. Verfassungsrechtlich unbedenklich wird die Vermutung des Wegfalls der Übereinstimmung in politischen Grundüberzeugungen dagegen in der Satzung der FDP-Fraktion NI und der Geschäftsordnung der SPD-Fraktion NW zum Regelungsgegenstand gemacht, indem erstere dem Verlust der Parteizugehörigkeit lediglich eine Indizwirkung beimisst und letztere jedenfalls nach einem Antrag auf Verbleib innerhalb einer angemessenen Frist von 14 Tagen eine Entscheidung der Fraktionsversammlung über den Fraktionsausschluss vorsieht. Auch die kürzere Frist in der FDP-GeschO und der GeschO „Die Linke.“ von 48 Stunden ist akzeptabel. Soweit der Fraktionsausschluss von anderen Gründen als dem Verlust der Parteizugehörigkeit abhängig gemacht wird, ist eine Präferenz für den „wichtigen Grund“ als Ausschlussvoraussetzung festzustellen 882, der vollumfänglich auf die verfassungsrechtlich zum Ausschluss berechtigenden Gründe verweist 883. Nur wenige Fraktionsgeschäftsordnungen „wagen“ sich an die Formulierung anderer generalklauselartiger Formulierungen heran, die in Varianten einen „schweren Schaden“ voraussetzen 884. Gegenüber der verfassungsrechtlichen Ausgangslage selektiv wirkende Ausschlussgründe finden sich demgegenüber eher selten in 877

s. zur fehlenden Delegationsbefugnis oben, S. 179 f., s. auch S. 191. So die GeschO SPD-Fraktion BB, GeschO SPD-Fraktion BY, GeschO SPD-Fraktion HB, Satzung CDU-Fraktion NI, GeschO SPD-Fraktion NI. 879 So die GeschO Fraktion Die Linke HB, GeschO Fraktion Die Linke HH, GeschO Fraktion Die Linke NI. 880 So die Satzung FDP-Fraktion BY und Satzung SPD-Fraktion BE. 881 So die FDP-GeschO, GeschO „Die Linke.“, GeschO FDP-Fraktion BE, Satzung CDU-Fraktion HB, GeschO FDP-Fraktion NW. 882 So in der FDP-GeschO, GeschO „Die Linke.“, GeschO FDP-Fraktion BE, Satzung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BE, Satzung CDU-Fraktion HB, Satzung CDU-Fraktion HH, GeschO CDU-Fraktion NW, GeschO FDP-Fraktion NW. 883 s. oben, S. 188 ff. 878

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

den Fraktionsgeschäftsordnungen. Dann aber wird die Ausschlussmöglichkeit auf die Fälle politisch-inhaltlicher Differenzen beschränkt 885 oder durch Vorsatzund / oder Kausalitätsregelungen verschuldensabhängig gemacht 886. Abgesehen von den Fällen des (verfassungswidrigen) automatischen Verlustes der Fraktionsmitgliedschaft bei Austritt oder Ausschluss aus der Partei, legen die Fraktionsgeschäftsordnungen, die den Ausschluss regeln, die Entscheidung über den Ausschluss zu Recht in die Hände der Fraktionsversammlung 887. Nicht alle Geschäftsordnungen regeln ausdrücklich das Initiativrecht für einen Ausschlussantrag. Bei Fehlen einer Regelung ist nach Maßgabe der gleichberechtigten Teilhabe aller Fraktionsmitglieder jedes einzelne Fraktionsmitglied antragsberechtigt 888. Nur wenige Geschäftsordnungen behalten das Initiativrecht ausschließlich dem Vorstand vor 889, zumeist wird das Initiativrecht (daneben oder ausschließlich) einem Viertel der Mitglieder der Fraktion 890, seltener auch (daneben oder ausschließlich) einem Drittel der Mitglieder der Fraktion 891 zugestanden. Eine erwähnenswerte Sonderregelung findet sich in der GeschO FDPFraktion NW, wonach ein Ausschluss von einem Viertel der Mitglieder beantragt und von zwei Dritteln der Mitglieder beschlossen werden kann, in einem Zwischenschritt allerdings die Einleitung des Verfahrens bereits von der Mehrheit abgelehnt werden kann. Auf diese Weise soll wohl die mit einem Ausschlussverfahren einhergehende belastende Wirkung sowohl für das Fraktionsklima als auch den Betroffenen auf die Fälle beschränkt werden, denen ernstzunehmende 884 So in der GeschO Fraktion Die Linke BB, Satzung FDP-Fraktion NI, GeschO SPD-Fraktion NW, Satzung Fraktion Die Linke ST. Einen „schweren Schaden“ als Ausschlussgrund verlangt die GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH lediglich für einen „vorläufigen Ausschluss“, nicht für den „endgültigen“, lässt dafür aber – verfassungswidrig – auch einen „Fremdschaden“, nämlich der politischen Partei, genügen. 885 So GeschO Bündnis 90/Die Grünen, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BY, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen NW. 886 So GeschO CSU-Fraktion BY, GeschO Fraktion Die Linke BE. 887 Bedenklich insoweit allerdings der Rücksprache-Vorbehalt in der GeschO GAL-Fraktion HH, der eine deutlich zu weitgehende Mitsprachebefugnis der politischen Partei festlegt. 888 Ausdrücklich ist jedes einzelne Mitglied antragsberechtigt laut GeschO Bündnis 90/Die Grünen und GeschO Fraktion Die Linke BB. 889 So aber die Satzung FDP-Fraktion BE, Satzung CDU-Fraktion HB und GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen HE. 890 Vorstand oder ein Viertel der Mitglieder sind antragsberechtigt nach GeschO CSU-Fraktion BY, Satzung FDP-Fraktion BY, Satzung CDU-Fraktion HH, GeschO CDU-Fraktion MV, GeschO CDU-Fraktion RP, GeschO Fraktion Die Linke SN. Ausschließlich eines Viertels der Mitglieder bedarf es nach GeschO SPD-Fraktion BW und GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BY. 891 Vorstand oder ein Drittel der Mitglieder sind antragsberechtigt nach Satzung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BE und GeschO CDU-Fraktion NW, ausschließlich ein Drittel der Mitglieder ist antragsberechtigt nach GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen NW und Satzung Fraktion Die Linke ST.

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

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Erfolgschancen beizumessen sind. Dem Grunde nach handelt es sich also um einen „Erheblichkeitstest“ hinsichtlich der mit der Ausschlussantragsbegründung vorgetragenen Beeinträchtigung der Fraktion. In der Praxis hat sich, mit wenigen – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden – Ausnahmen, die eine Mehrheit der Mitglieder der Fraktion genügen lassen 892, als demokratischer Mindeststandard das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit für die Ausschlussentscheidung herausgebildet 893. Wenige gehen darüber hinaus und setzen eine von drei Vierteln der Mitglieder getroffene Entscheidung voraus 894 oder gar eine – verfassungsrechtlich bedenkliche 895 – Einstimmigkeit 896. Dass dem Betroffenen vor der Ausschlussentscheidung Gehör zu gewähren ist, ist ein verfassungsrechtliches Gebot, das durch die Geschäftsordnung auch nicht abdingbar ist 897. Dementsprechend enthält auch keine Fraktionsgeschäftsordnung dem Betroffenen das Recht auf Gehör ausdrücklich vor, in den meisten Regelungen wird es allerdings ausdrücklich gewährt 898. Häufig finden sich auch ausdrückliche Ladungsfristen und Karenzzeiten, die der Fraktionsversammlung wie auch dem Betroffenen ausreichend Vorbereitungs- und Prüfungszeit einräumen 899. Sind entsprechende Regelungen nicht getroffen, ist bei der Gestaltung 892 GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BY, Satzung SPD-Fraktion BE. Eine erwähnenswerte Variante hält GeschO Fraktion Die Linke SN bereit: es bedarf einer Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder, die insgesamt aber mindestens die Mehrheit der Mitglieder der Fraktion ausmachen muss. 893 So CDU-GeschO, FDP-GeschO, GeschO „Die Linke.“, GeschO SPD-Fraktion BW, GeschO CSU-Fraktion BY, Satzung FDP-Fraktion BY, Satzung CDU-Fraktion BE, Satzung FDP-Fraktion BE, Satzung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BE, GeschO Fraktion Die Linke BE, GeschO Fraktion Die Linke BB, Satzung CDU-Fraktion HB, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen HE, GeschO CDU-Fraktion MV, GeschO FDP-Fraktion NI, GeschO CDU-Fraktion NW, GeschO SPD-Fraktion NW, GeschO FDP-Fraktion NW, GeschO CDU-Fraktion RP, GeschO CDU-Fraktion SN, Satzung Fraktion Die Linke ST, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH. 894 So GeschO Bündnis 90/Die Grünen, Satzung CDU-Fraktion HH, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen NW 895 Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken s. oben, S. 205. 896 So GeschO Fraktion Grüne BW und GeschO GAL-Fraktion HH, wobei beide Regelung auch wegen der Rückkopplung an die politische Partei (Benehmen / Rücksprache) und der Stimmrechtsbeschränkung mit dem Verfassungsrecht in Widerstreit geraten. 897 Zum Recht auf Gehör s. oben, S. 197 ff. 898 So in FDP-GeschO, GeschO „Die Linke.“, GeschO SPD-Fraktion BW, GeschO Fraktion Grüne BW, GeschO CSU-Fraktion BY, Satzung FDP-Fraktion BY, Satzung FDP-Fraktion BE, Satzung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen BE, GeschO Fraktion Die Linke BE, GeschO Fraktion Die Linke BB, Satzung CDU-Fraktion HB, Satzung CDU-Fraktion HH, GeschO GAL-Fraktion HH, GeschO CDU-Fraktion MV, GeschO SPD-Fraktion NW, GeschO FPD-Fraktion NW, GeschO CDU-Fraktion RP, GeschO Fraktion Die Linke SN, Satzung Fraktion Die Linke ST, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH.

228

C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

des Verfahrensablaufs darauf zu achten, dass ausreichend Zeit zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Vorwürfen eingeräumt wird. Auch bei der Festlegung von Ladungsfristen und Karenzzeiten ist darauf zu achten, dass eine flexible, situationsangepasste Handhabung möglich ist, um den Erfordernissen des Einzelfalls Rechnung tragen zu können. Dem werden die Fraktionsgeschäftsordnungen regelmäßig dadurch gerecht, dass lediglich einzuhaltende Mindestzeiten vorgegeben sind 900. Eine auffallend großzügig bemessene Karenzzeit sieht etwa GeschO Fraktion Die Linke BB vor, derzufolge zwischen Einleitung des Verfahrens und Entscheidung mindestens drei Wochen liegen müssen. Auch die GeschO FDP-Fraktion NW sichert überdurchschnittlich große Vorbereitungszeiten, indem zwischen Antrag, Anhörung und Abstimmung jeweils mindestens sieben Tage liegen müssen. Derlei großzügige Fristen dienen sicherlich auch der „Beruhigung der Gemüter“ und verhindern übereilte und unter Umständen unverhältnismäßige Entscheidungen. Die – auch lediglich beratende – Mitwirkung von Nichtmitgliedern an der Ausschlussentscheidung ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen 901. Sofern eine Teilnahme von Nichtmitgliedern nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist 902, ist dies im Verfahrensablauf zu berücksichtigen. Sofern einige Geschäftsordnungen Mitwirkungsbefugnisse von Nichtmitgliedern ausdrücklich festschreiben, ist dies verfassungswidrig 903. Gleiches gilt, soweit dem Betroffenen bei der Abstimmung über den Ausschluss das Stimmrecht aberkannt wird 904. Einige Geschäftsordnungen sehen die nach hier vertretener Auffassung erforderliche schriftliche Fixierung der Ausschlussantragsbegründung ausdrücklich vor 905, keine jedoch die schriftliche Fixierung der für die Entscheidung letzt899

Zur verfassungsrechtlichen Gebotenheit der rechtzeitigen Information s. oben, S. 193 ff. 900 So FDP-GeschO, GeschO „Die Linke.“, GeschO SPD-Fraktion BW, Satzung FDP-Fraktion BY, Satzung CDU-Fraktion BE, Satzung Bündnis 90/Die Grünen BE, GeschO Fraktion Die Linke BE, GeschO Fraktion Die Linke BB, GeschO SPD-Fraktion NW, GeschO FDP-Fraktion NW, GeschO CDU-Fraktion SN, GeschO Fraktion Die Linke SN, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH. 901 s. dazu bereits oben, S. 200 f. 902 So in der GeschO CDU-Fraktion NW. 903 So die Satzung FDP-Fraktion NI, die ausdrücklich Hospitanten beratende Stimme einräumt, auch GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH, die dem Landesparteivorstand ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, und GeschO GAL-Fraktion HH, die erst „nach Rücksprache mit dem Landesvorstand“ entscheidet, sowie GeschO GAL-Fraktion HH, die ein Benehmen mit dem Landesvorstand herstellt. 904 So in GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, GeschO GAL-Fraktion HH, GeschO SPD-Fraktion NW. 905 So CDU-GeschO, GeschO Bündnis 90/Die Grünen, GeschO „Die Linke.“, Satzung CDU-Fraktion BE, Satzung Bündnis 90/Die Grünen BE, GeschO Fraktion Die Linke BE, GeschO Fraktion Die Linke BB, GeschO CDU-Fraktion NW, GeschO SPD-Fraktion NW,

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

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lich maßgeblichen Tatsachengrundlage vor der Abstimmung. Allerdings ist nach den Geschäftsordnungen auch keine schriftliche Begründung der Entscheidung vorgesehen, dennoch entsprach dies der geübten Praxis in den Ausschlussfällen Jürgen W. Möllemann und Martin Hohmann 906. 2. Rechtspolitischer Regelungsvorschlag Wenngleich die Fraktionen keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Regelung der Ausschlussgründe und / oder des Ausschlussverfahrens in der Geschäftsordnung trifft, ist eine solche Regelung im Sinne der Rechtsklarheit und –bestimmtheit wünschenswert. Der nachstehende Regelungsvorschlag greift nicht lediglich die dargelegten verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen auf, sondern geht teilweise darüber hinaus, und führt auch solche Fragen einer Regelung zu, die der freien Entscheidung der Fraktion überlassen sind. Der Aufbau der Regelung orientiert sich am Verfahrensgang. Regelungsvorschlag: – Ausschluss aus der Fraktion – (1) Der Ausschluss eines Mitglieds ist nur aus wichtigem Grund zulässig. (2) Das Ausschlussverfahren wird aufgrund eines schriftlichen Antrags von mindestens einem Viertel der Mitglieder der Fraktion eingeleitet. Dem Antrag ist eine Antragsbegründung beizufügen. Den Mitgliedern der Fraktion sind der Antrag auf Ausschluss und die Antragsbegründung schriftlich bekannt zu geben. Dies gilt auch für nachträgliche Ergänzungen der Antragsbegründung, sofern diese auf neue Tatsachen gestützt werden. Über den Antrag darf frühestens 3 Tage nach der Bekanntgabe beraten und abgestimmt werden. Ausschließlich stimmberechtigte Mitglieder der Fraktion sind zur Teilnahme an den Beratungen und der Abstimmung über den Ausschlussantrag berechtigt. (3) Dem Mitglied, dessen Ausschluss beantragt ist, obliegt es, an der Beratung über den Antrag in der Fraktion mitzuwirken. Ihm ist vor der Entscheidung von der Fraktion Gehör zu gewähren. (4) Der Ausschluss bedarf der Mehrheit der Stimmen von zwei Dritteln der Mitglieder der Fraktion. Das Mitglied, über dessen Ausschluss abgestimmt werden soll, ist zur Teilnahme an der Abstimmung berechtigt. Die Abstimmung erfolgt geheim. Vor Eröffnung der Abstimmung ist der dem Ausschluss zugrunde liegende tatsächliche Sachverhalt förmlich durch Erklärung zu Protokoll festzustellen, sofern sich der Sachverhalt unverändert aus der Ausschlussantragsbegründung ergibt, durch Bezugnahme auf diese. GeschO CDU-Fraktion SN, GeschO Fraktion Die Linke SN, Satzung Fraktion Die Linke ST, GeschO Fraktion Bündnis 90/Die Grünen SH. 906 s. den Nachweis in Fn. 859.

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C. Der Ausschluss aus der Bundestagsfraktion

(5) Der Ausschluss ist dem ausgeschlossenen Mitglied bekannt zu geben. Ist vor der Abstimmung über den Ausschluss eine von der Ausschlussantragsbegründung abweichende Tatsachengrundlage festgestellt worden, ist dem ausgeschlossenen Mitglied die geänderte Tatsachengrundlage schriftlich mitzuteilen.

Im Einzelnen liegen dem Regelungsvorschlag folgende Erwägungen zugrunde: Die Formulierung der Ausschlussvoraussetzung eines „wichtigen Grundes“ trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um einen vor allem in der Rechtsprechung gebräuchlichen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der unter Rückgriff auf die sich aus der Verfassung ergebenden Vorgaben mit Inhalt zu füllen ist, zugleich aber das der Fraktion obliegende Abwägungsgebot bewusst macht. Die Einleitung des Ausschlussverfahrens von einem erhöhten Quorum abhängig zu machen, und nicht jedem einzelnen Fraktionsmitglied zuzugestehen, folgt der Überlegung, dass die breitere Unterstützung in der Fraktion zumindest ein Indiz für eine nicht mehr nur als unerheblich einzustufende persönliche Differenz ist und eine Befassung der Fraktionsversammlung mit der Thematik bereits zur Klärung der Situation sinnvoll ist, selbst wenn dies nicht zu einem Ausschluss führt. Die schriftliche Fixierung und Bekanntgabe der Ausschlussantragsgründe und deren Ergänzungen ist als Voraussetzung eines demokratischen Entscheidens geboten. Eine schriftliche Ausschlussantragsbegründung wird nicht nur dieser Anforderung gerecht, sondern sichert darüber hinaus ein nicht überstürztes und insgesamt überlegtes Vorgehen der Fraktionsmitglieder. Die vorgesehene Mindestkarenzzeit gibt grundsätzlich hinreichend Gelegenheit, sich mit dem Ausschlussantrag sachangemessen zu Befassen, erlaubt aber auch längere Fristen und gewährleistet eine nicht mehr unter dem unmittelbaren Eindruck etwaiger Vorfälle stehende, unter Umständen überstürzte Entscheidung in der ersten Aufgeregtheit. Die Teilnahme von Nichtmitgliedern an der Beratung und Beschlussfassung über einen Ausschluss ist verfassungsrechtlich unzulässig. Aufgrund teilweise abweichender Praxis bietet sich eine Klarstellung an. Die sich bereits aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ergebende Mitwirkungsobliegenheit des Betroffenen an der Beratung des Ausschlusses wird durch die ausdrückliche Aufnahme in den Regelungstext aktualisiert. Die das Recht auf Gehör betreffende Regelung ist einer den sich aus dem Verfassungsrecht ergebenden Anforderungen genügenden Auslegung zugänglich und erlaubt eine flexible, den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung tragende Anwendung.

III. Bestandsaufnahme und rechtspolitischer Regelungsvorschlag

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Das vorgesehene Abstimmungsquorum überschreitet das verfassungsrechtliche Minimum, entspricht mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Fraktion allerdings der weitgehend geübten Praxis. Das Demokratiegebot verbietet es, das Mitglied, über dessen Ausschluss abgestimmt werden soll, von der Teilnahme an der Abstimmung auszuschließen. Angesichts der nicht selten abweichenden Praxis bietet sich eine Klarstellung an. Die vorgesehene Geheimheit der Abstimmung ist der persönlichen Einschätzung der Verfasserin geschuldet, dass ein nicht nachvollziehbares Abstimmen dem freien und von Rivalitäten sowie Gruppenzwängen unbeeinflussteren Entscheiden des Einzelnen zuträglicher ist. Die Verständigung über die Tatsachengrundlage vor Eröffnung der Abstimmung gewährleistet eine der tatsächlichen Bedeutung des vorgeworfenen Verhaltens gerecht werdende Abwägung der relevanten Belange. Die Bekanntgabe des Ausschlusses hat vor allem Bedeutung bei einer Ausschlussentscheidung in Abwesenheit des Betroffenen und erinnert an die bestehende Pflicht zur förmlichen Mitteilung des Ergebnisses der Abstimmung. Die Pflicht zur schriftlichen Bekanntgabe der Tatsachengrundlage der Entscheidung dient dem berechtigten Interesse des Betroffenen, die Berechtigung der Ausschlussentscheidung überprüfen zu können und gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen.

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Sachverzeichnis Abgeordnete – Assoziationsfreiheit siehe Mandatsfreiheit – Entschädigung 160 – 162 – fraktionslose 157 – 162, 172 – Mandatsverlust 54, 116, 132, 166 – Parteigebundenheit 40 – 41, 103 – 106, 120 – 122, 130, 132, 135, 179 – 180 – Selbstverständnis 41 – 42, 133, 167 Abgeordnetengesetz – Fraktionsfunktionen 20 – 21, 47, 68 – Gesetzgebungskompetenz für Fraktionsregelungen 69 – 73 – Rechtsstellung der Fraktionen 68, 73 – 77, 116 Abgeordnetenstatus 50 – 51, 81, 93, 102, 111, 115, 120, 124, 142, 157, 169, 172, 206 – 207 Bundestag – Ausschüsse 59 – 60, 100, 158 – 159 – Funktionen 24 – 37, 59 – Repräsentation des Volkes 25 – 27, 35 – 36, 59, 101, 157 – Willensbildung 25 – 26, 61, 97, 100, 101, 124, 157 – 160, 162 Demokratie – als Wettbewerbsordnung 27, 44 – 45 – innerfraktionelle 46, 68, 78, 93, 123 – 125, 126, 141 – 145, 169, 179, 187, 190, 191, 193, 196, 197, 201, 203, 205, 224 – innerparteiliche 123 – 124

Fraktion – Arbeitsteilung 38, 127, 130 –131, 181 – Auflösung 93, 116, 166 – Aufnahme in die 85, 102 –107, 166, 169 – Austritt aus der 96, 103, 116, 166, 205 – Ausübung öffentlicher Gewalt 77 – faktische 114 – Geschlossenheit 26, 126, 129 –135, 139 – 140, 181 – Konstituierung siehe Fraktionsbildung – Parteibezug 17 –18, 39 –44, 52 –57, 80, 100 –101, 103 –106, 110 –115, 117 – 119, 165, 179 –180, 182, 192, 201, 224 – 225 – politisches Gliederungsprinzip des Bundestages 18, 23 –24, 61, 89, 110, 157, 167 – Rechtsfähigkeit 74, 80, 93 – Rechtsnatur siehe Rechtsnatur der Fraktionen – technische 113 – verfassungsrechtliche Verortung siehe Fraktionsstatus Fraktionsausschluss – Automatismus 179 –180, 191, 224 – 225, 226 – Befangenheit 202 – Beratung 196 –201, 227 –228, 230 – Beurteilungsspielraum 183 –185 – Dokumentationspflicht 195, 205 –206, 228 – 229, 230, 231 – Einzelfälle 13 –15 – Ermessen 183 –185

Sachverzeichnis – Folgen 157 – 162 – geheime Abstimmung 203, 231 – Gründe 143, 178 – 190, 224 – 226 – Initiativrecht 192 – 193, 226, 230 – Karenzzeiten 194 – 196, 227 – 228, 230 – Ladung 194 – 196, 197, 227 – Mehrheitsbeschluss 203 – 205, 227, 231 – Mitwirkungspflicht des Betroffenen 198 – 199, 230 – offene Abstimmung 203 – Parteienrechtsgeltung 164 – 165, 188 – rechtliches Gehör 197 – 200, 227, 230 – Rechtsnatur 166, 173 – Rechtsschutz 184 – 185, 187, 206 – 208, 231 – Stimmrecht 200, 202 – 203, 228, 230, 231 – Verfahren 143, 190 – 206, 224 – Verhältnismäßigkeit 184

170 – 176, 182,

– Verschuldensabhängigkeit 183, 226 – vorläufiger 196, 199, 226 – wichtiger Grund 184, 187, 188 – 190, 225, 230 – Zivilrechtsgeltung 85, 164 – 165, 175, 188 – Zuständigkeit 143, 179 – 180, 191, 193, 201, 224 – 225, 226 Fraktionsautonomie 51, 70, 75 – 76, 120, 122 – 123, 168 – 169, 170, 173, 178, 193, 194, 195, 203, 204 Fraktionsbildung – Automatismus 49, 102 – 103 – fortgesetztes Erfüllen der Fraktionsbildungsvoraussetzungen siehe Fraktionsstatus, Verlust des – Freiwilligkeit 49 – 50, 54 – 55, 63, 81, 83, 92 – 93, 102 – konkludente 50

247

– Mandatsausübung als Voraussetzung der 49 –50, 54, 81, 84, 96, 102, 166 – Mandatsträgerschaft als Voraussetzung der 50, 97 –101 – Mindeststärke als Voraussetzung der siehe Mindeststärke der Fraktionen – politische Homogenität als Voraussetzung der siehe Politische Homogenität der Fraktionen – Zustimmung des Bundestages 67, 110, 115, 119 Fraktionsdisziplin 129 Fraktionsfunktionen 17 –47 – Arbeitsgemeinschaften der Abgeordneten 37 –39, 47, 127 –128, 130 –135, 181, 186 – Arbeitsgemeinschaften des Bundestages 24 – 37, 47, 87, 92, 100 –101, 133, 168, 181, 186 – einfachgesetzlicher Rahmen siehe Abgeordnetengesetz – geschäftsordnungsrechtlicher Rahmen siehe Geschäftsordnung des Bundestages – Repräsentation politischer Richtungen 24, 28, 43, 59 –60, 100 – Tendenzgemeinschaften 39 –44, 47, 100, 130, 168, 179 –180 – Wettbewerbsgemeinschaften 44 –46, 47, 100, 130, 181, 186 Fraktionsgeschäftsordnungen – Ausschlussregelungen 143, 176 –177, 186 – 188, 190, 192, 194 –196, 200, 203, 205, 209 –229 – Bindungswirkung 125 –127, 186 –187 – Pflichten der Mitglieder 137 –141 – Publikation 208 –209 – Rechte der Mitglieder 141 –146 – Rechtsnatur 78, 125 – Verstöße 127, 139, 183 Fraktionsgesetz siehe Abgeordnetengesetz

248

Sachverzeichnis

Fraktionsmitgliedschaft – Anspruch auf 102 – 107, 169 – Bestandsschutz 205, 207

169 – 170, 173, 187,

– Erwerb der 102 – 107 – Gaststatus 97 – 101, 110, 180 – Mehrfachmitgliedschaft 96 – Rechtsnatur 95 Fraktionsstatus – Herleitung vom Abgeordnetenstatus 48 – 51 – Herleitung vom Parlament 58 – 60 – Herleitung vom Parteienstatus 52 – 57, 80 – Herleitung von der parlamentarischen Geschäftsordnungsautonomie 61 – 63, 83 – Verlust des 50, 83, 114 – 115, 116 – 120 Fraktionszwang 129, 182 Gäste der Fraktion 97 – 101, 110, 180 Geschäftsordnung des Bundestages – Fraktionsfunktionen 21 – 22, 47 – Rechte der Fraktionen 21 – 22, 28, 33, 34, 36 – 37, 66 – 67 – Rechtscharakter 61 – 63, 83 – 84 Geschäftsordnungsautonomie – der Fraktionen 68, 78, 78, 120, 122, 126, 180, 192, 194, 195, 203, 204 – des Bundestages 61 – 63, 66, 69 – 72, 107, 109, 111, 114, 157, 172 Mandatsfreiheit – Assoziationsfreiheit 49 – 50, 54, 63, 68, 81, 83, 92, 96, 102, 114, 117, 166, 167, 169 – innerfraktionelle 51, 78, 93, 120 – 122, 126, 131, 133 Mehrheitsprinzip 25, 93, 125, 127, 129, 130, 136 – 137, 162, 203 – 205

Minderheitenschutz 25, 34 –35, 69, 70, 88, 108, 125, 130, 133, 136 –137, 139, 142, 146 Mindeststärke der Fraktionen 63, 67, 93, 108 – 110, 116, 118, 167 Oppositionsfraktionen – Funktion im Gesetzgebungsverfahren 30 – 31 – Kontrollfunktion 32 –33, 37 – Teilhabe an der Kreationsfunktion des Bundestages 34 –35 – Teilhabe an der Öffentlichkeitsfunktion des Bundestages 37 Organstreitverfahren 88, 120, 206 –208 Partei – Anspruch auf Fraktionsbildung 52 –55 – Ausschluss aus der 54, 132, 164 –165, 179 – 180, 182, 187, 191, 224 –225, 226 – Fraktionsbezug 17 –18, 39 –44, 52 –57, 80, 100 –101, 103 –106, 110 –115, 117 – 119, 165, 179 –180, 182, 192, 201, 224 – 225 – innerparteiliche Demokratie 123 –124 – Vorformung des Staatswillens 53, 58, 103, 180 Politische Homogenität der Fraktionen 39, 67, 93, 110 –115, 117 –119, 167, 179 – 181 Rechtsnatur der Fraktionen – doppelte 74, 85 –86 – Gesellschaft des bürgerlichen Rechts 79 – juristische Person des Parlamentsrechts 92 – 94 – Körperschaft des öffentlichen Rechts 83 – 85 – Organ 74, 86 –89 – Organteil 89 –92

Sachverzeichnis

249

– Rechtsform sui generis 90 – 91

Volkssouveränität 25, 52, 97, 103 –104

– Rechtsstellung nach Abgeordnetengesetz 73 – 77

Volkswille 25, 104, 136

– Verein des bürgerlichen Rechts 79 – 82, 92 – Verein des öffentlichen Rechts 85 – 86 Selbstorganisationspflicht 78, 123 Stimmrecht 228, 231

100 – 101, 200, 202 – 203,

Willensbildung – des Bundestages 25 –26, 61, 97, 100, 101, 124, 157 –160, 162 – innerfraktionelle 37 –38, 39 –44, 46, 97 – 101, 130 –131, 136 –137