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German Pages 444 Year 2002
MICHAEL KLOEPFER (Hrsg.)
Umweltföderalismus
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Or. Michael Kloepfer, Berlin
Band 120
U InweltföderalisInus Föderalismus in Deutschland: Motor oder Bremse für den Umweltschutz?
Wissenschaftliche Tagung des Forschungszentrums Umweltrecht der Humboldt-Universität zu Berlin
Herausgegeben von
Michael Kloepfer
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Umweltföderalismus : Föderalismus in Deutschland: Motor oder Bremse für den Umweltschutz? ; wissenschaftliche Tagung des Forschungszentrums Umweltrecht der Humboldt-Universität zu Berlin / Hrsg.: Michael Kloepfer.Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 120) ISBN 3-428-10869-8
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Gennany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-10869-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069
Vorwort Der Zustand des Föderalismus in Deutschland gerät zunehmend in die Diskussion. Beklagt wird eine Erosion der bundesstaatlichen Ordnung zugunsten eines wachsenden Zentralismus. Zahlreiche Politiker, Wissenschaftler und Praktiker sprechen sich vermehrt für eine Neujustierung der feingliedrigen Mechanismen zwischen Bund und Ländern aus. Als Stellschrauben bieten sich sowohl das grundgesetzliche System der Gesetzgebungskompetenzen als auch der sich ins Inflationäre entwickelnde Bereich exekutiver Verschränkungen zwischen den verschiedenen Ebene des Bundesstaates an. Als Kern dieses Diskurses hat sich die Debatte um den sogenannten Wettbewerbsföderalismus einerseits und einen kooperativen Föderalismus andererseits herauskristallisiert, die durch Fragen der Implementation europäischen Rechts ergänzt und verschärft wird. Hinter diesem eher abstrakt anmutenden Diskussionen verbergen sich eine Fülle praktischer Probleme. Das Forschungszentrum Umweltrecht der Humboldt-Universität zu Berlin hat unter maßgeblicher Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ein Projekt initiiert, das die Spannungsfelder des Föderalismus anhand des Referenzgebietes Umweltrecht untersucht. Gleichzeitig werden damit auch Spannungsfelder des bundesstaatlichen Umweltschutzes aufgedeckt, die in der praktischen Anwendung durch Betriebe, rechtliche Beratung und Verwaltung zunehmend Vollzugsprobleme des deutschen Umweltrechts aufwerfen. Im Rahmen dieses Projektes veranstaltete das Forschungszentrum Umweltrecht am 24. und 25. April 2001 in Berlin eine wissenschaftliche Tagung unter dem Titel: "Umweltföderalismus - Föderalismus in Deutschland: Motor oder Bremse für den Umweltschutz?". Zahlreiche Vertreter aus Wissenschaft und Praxis analysierten und diskutierten den Zustand und die Perspektiven des Umweltschutzrechts unter den Bedingungen des Bundesstaates mitsamt seinen europarechtlichen Bezügen. Aufgrund des abfallwirtschaftlichen Bezuges des Gesamtprojektes wurden vor allem diejenigen Teilgebiete des Umweltrechts näher beleuchtet, die für die kleinen und mittleren Unternehmen der Abfallwirtschaft von besonderem Belang sind. Hier handelt es sich vor allem - neben dem Kreislaufwirtschafts-/ Abfallgesetz des Bundes und entsprechender Landesabfallgesetze - um Rechtsvorschriften aus den Bereichen Bodenschutz, Gewässerschutz und Immissionsschutz sowie deren Vollzug.
Vorwort
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Dieser Tagungsband dokumentiert die Vorträge der zahlreichen Referenten aus den Bereichen Wirtschaft, Staat und Wissenschaft und spiegelt den gegenwärtigen Diskussionsstand zum Zustand und den Perspektiven des Umweltföderalismus wider. Zum Gelingen des Tagungsbandes trug maßgeblich mein wissenschaftlicher Mitarbeiter, Herr Rechtsanwalt Stefan Assenmacher, bei, der die Tagung zusammen mit meinen wissenschaftlichen Mitarbeitern Frau Anne-Kathrin Fenner und Herrn Guido Wustlich konzeptionell vorbereitet und organisatorisch durchgeführt hat. Besonderer Dank gebührt auch der Deutschen Bundesstiftung Umwelt für die großzügige Förderung der Tagung. Berlin, im Dezember 200 I
Michael Kloepfer
Inhaltsverzeichnis Begrüßung Miclulel Kloepfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
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losef Feldmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
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A. Grundfragen des Föderalismus Steffen Flath Zustand und Perspektive des deutschen Föderalismus aus Sicht der Praxis ..
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Hanmut Bauer Zustand und Perspektive des deutschen Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
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Horst Risse Föderalismus im europäischen und ausländischen Recht aus Sicht der Praxis
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luliane Kokott und Bemhard Raberger Föderalismus im europäischen und ausländischen Recht aus Sicht der Wissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
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B. Grundfragen von Umweltschutz und Föderalismus Franz-loseph Peine Probleme der Umweltschutzgesetzgebung im Bundesstaat. . . . . . . . . . . . . . . .. 109 Wolfgang Bergfelder Probleme des Umweltrechtsvollzugs im Bundesstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 127 Stefan Paetow Probleme der umweltrechtlichen Rechtsprechung im Bundesstaat .......... 133 Ludwig Krämer Europäische Umweltpolitik und deutscher Föderalismus aus Sicht der Praxis ............................................................... 143 Astrid Epiney Europäisches Umweltrecht und deutscher Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 167
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Inhaltsverzeichnis
c. Einzelfragen von Umweltschutz und Föderalismus 1. Abfallwirtschaft und Föderalismus
Hellmut Königshaus Abfallwirtschaft und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . .. 193 Frank Petersen Abfallwirtschaft und Föderalismus aus Sicht der Verwaltung ............... 201 Walter Frenz Abfallwirtschaft und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft. . . . . . . . . . . . . 227
2. Immissionsschutz und Föderalismus Claus-Peter Martens Immissionsschutz und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft. . . . . . . . . . . . . . 257 Klaus Hansmann Immissionsschutz und Föderalismus aus Sicht der Verwaltung ............. 275 Helmuth Schulze-Fielitz Immissionsschutz und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft. . . . . . . . . . . . 287
3. Bodenschutz und Föderalismus Birgit Spießhofer Bodenschutz und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Bemhard Remde Bodenschutz und Föderalismus aus Sicht der Verwaltung .................. 349 Edmund Brandt Bodenschutz und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . 357
4. Gewässerschutz und Föderalismus Frank Andreas SehendeI Gewässerschutz und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft ................ 373 Konrad Berendes Gewässerschutz und Föderalismus aus Sicht der Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . 389 Rüdiger Breuer Gewässerschutz und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . 403
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
Begrüßung
Begrüßung Von Michael Kloepfer Die Vorzüge des Föderalismus sind unübersehbar. Wenn es einen verfassungspolitischen Exportartikel der Bundesrepublik Deutschland neben der Rechtsstellung des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz gegeben hat, dann war dies das föderalistische Modell, auch wenn es vielleicht nicht ganz so freiwillig in allen Einzelheiten in das Grundgesetz eingeführt wurde, wie es heute in der Nachschau erscheint. Die verfassungsrechtliche Verankerung des Föderalismus war eine politische Strukturentscheidung, die Schule gemacht hat. Dem widerspricht auch nicht, dass es sich im Nachkriegsdeutschland - von Bayern, Sachsen, Hamburg und anderen Beispielen abgesehen - bei den Ländern, insbesondere bei den "Bindestrich-Staaten" nicht unbedingt um historisch gewachsene Gebilde gehandelt hat, sondern um solche, die künstlich zusammengesetzt wurden. Die Entscheidung, eine bundesstaatliehe Struktur vorzuschreiben, obwohl die Substrate und die Voraussetzungen in vielen Bereichen nicht oder noch nicht gegeben waren, hat sich als richtig erwiesen. Diese Herausforderung, dass bundesstaatliehe Modell mit Leben zu erfüllen, obwohl die Voraussetzungen zu einem Teil gefehlt haben, ist eine der großen historischen Leistungen der Nachkriegsentwicklung des Verfassungsrechts in Deutschland. Dabei geht es nicht nur und vielleicht auch nicht mehr vorrangig um die Abbildung von regionalen Verschiedenheiten nach der Devise: Jedem Stamm sein eigenes Land, sondern es geht auch darum, im Sinne eines Funktionsaustausches eines der großen Grundprobleme der Parteiendemokratie auszugleichen: nämlich den Verlust von Gewaltenteilung in einem von Parteien geprägten Staat. Man kommt nicht umhin festzustellen, dass es, gleich wer gerade die politische Mehrheit im Bund innehat, einen Machtverbund zwischen der Regierung und den mehrheitlichen Regierungsfraktionen gibt. An dieser entscheidenden Stelle wird die Zweiteilung zwischen Legislative und Exekutive stark relativiert. Die Opposition, per se in der Minderheit, kann diese zentrale Aufgabe der Aufteilung nach der Gewaltenteilung nicht wahrnehmen. Sie hat typischerweise nicht die Mehrheit, eigene Gesetzesentwürfe durchzubringen. In diese Lücke ist historisch der Föderalismus in Deutschland gestoßen. Ein von der Opposition beherrschter Bundesrat kann der
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Michael Kloepfer
Bundesregierung ernsthafte Schwierigkeiten bereiten. Trotz allen Jammerns um den Parteien-Bundesstaat hat dieser eine neue Fonn der Gewaltenverschränkung, der Gewaltenteilung und somit der Kontrolle an seiner Stelle geformt. Im Ergebnis war dies auch erfolgreich, selbst wenn wir an vielen Stellen Gründe zur Kritik haben. Föderalismus ist eine intelligente Herrschaftsform und eine Herrschaftsfonn der Intelligenten. Der Föderalismus kann vieles ennöglichen, nämlich politische Heimstatt zu bieten in einem großen Gebilde, das diese geistige Behausung oft nicht mehr bereitstellen kann, politischen Konsens zu finden über Parteigrenzen hinweg, Vielfalt zu entfalten, Wettbewerb zu fördern, Neuerungen perfekt zu erproben, Opposition zu integrieren. Wie trotz föderalistischer Vielfalt effiziente Entscheidungsstrukturen entund bestehen können, wie groß die Länder sein müssen und wie eine funktionierende Kompetenzverteilung aussehen kann, ist eine spannende Frage, welche die Ökonomen zum Teil unter dem Begriff der ökonomischen Föderalismustheorie untersuchen. Das richtige Maß zu finden, ist auch in diesem Themenfeld eine ganz wichtige Sache. Föderalismus kann eine sehr effiziente Herrschaftsfonn sein, die weder umständlich sein noch Ressourcen vergeuden muss. Eine Voraussetzung dafür ist, dass ein vernünftiger Ausgleich gefunden wird zwischen den Befugnissen der Zentrale und denen der Länder und natürlich in der europäischen Zusammenbindung auch eine vernünftige Verteilung zwischen Brüssel und den Mitgliedsstaaten. Föderalismus ist auch ein Innovations- und Entdeckungssystem. Diese Funktion ist nicht zu verachten, da wir mit der Zentrale 17 politische Zentren haben, die sich Gedanken machen können über politische Entscheidungen. Bei allen Schwierigkeiten, die noch zu beleuchten sind, besteht auch immer die Möglichkeit, dass Innovationen in den einzelnen Ländern geschaffen werden. Dies ennöglicht und animiert zugleich eine gewisse Konkurrenz der Länder untereinander. Als Umweltrechtier kann man eine Geschichte des Umweltrechts in Deutschland nur schreiben, indem man die historische Bedeutung der Länder hervorhebt. Das erste Immissionsschutzgesetz war nicht das des Bundes, sondern stammte aus Nordrhein-Westfalen. In vielen anderen Bereichen kann man ebenfalls diese Pionier- und Entdeckungsfunktion der Länder sehr gut nachvollziehen. Nach einer entsprechenden Ausprobier- und Konkurrenzphase ist dann regelmäßig eine Zentralentscheidung möglich gewesen. Den Vorteilen stehen allerdings auch unverkennbare Nachteile des Föderalismus gegenüber. Sie werden deutlich bei Schwierigkeiten, die im Umweltrecht, aber auch anderswo auftreten. Bundesweite Probleme mit Bun-
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deszuständigkeiten ist eben einfacher als mit Landeskompetenzen. Als derzeit gängiges Beispiel von Nachteilen des Föderalismus wird immer noch die Mitwirkung Deutschlands in den europäischen Gremien bei der Willensbildung genannt. Die Willensbildung in Europa ist nach einem schönen Zitat immer ein "ethnologisches Problem", wenn die Deutschen auftreten. Das heißt, die Frage, wie sich die Länder in Brüssel über Art. 23 GG gerieren, ob sie einen einheitlichen Willen bilden oder ob sie die deutsche Position per se schwächen, ist etwas, was man in Ruhe und mit der Bereitschaft zur Korrektur diskutieren muss. Neben der Willensbildung in Europa ist auch die Umsetzung europäischen Rechts ein weiteres Hauptproblern. Die Umsetzung - z. B. der Wasserrahmenrichtlinie - lässt angesichts der Kompetenzlage in Deutschland sicherlich manches grundsätzliche Problem aufkommen. Hier gibt es unter Umständen auch Korrekturbedarf am Föderalismus. Natürlich sind föderalistische Strukturen kompliziert und es gibt in Deutschland auch eine Form der Überkompliziertheit. Es gibt auch Dinge, die den kleinen und mittleren Unternehmen als schlechterdings kaum noch leistbar erscheinen. Aber gleichwohl muss man sagen, dass gute Strukturen häufig gerade nicht die ganz einfachen sind. Auch Demokratie ist kompliziert und trotzdem ist sie unersetzlich. Häufig wird kritisiert, dass die Länder vielleicht zu viele Zuständigkeiten hätten. Für diese Kritik gibt es auch Ansatzpunkte, beispielsweise wenn es wirklich zutreffen sollte, was die derzeitige Bundesregierung nun erklärt: Dass nämlich dem Umweltgesetzbuch die Landeskompetenzen entgegenstehen würden. Wenn dem wirklich so wäre, könnte man sich fragen, ob hier eine Korrektur erforderlich wäre. Nur wurde diese Auffassung der Bundesregierung von ihr früher selbst nicht vertreten und von den früheren Bundesregierungen ebenfalls nicht. Es erstaunt schon, dass die Bundesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung den Erlass des Umweltgesetzbuches vereinbart hat, und nun keine Kompetenz für die eigenen Vorhaben bestehen soll. Und noch erstaunlicher ist, dass die Länder keine Kompetenzprcbleme sahen und der Bund sich zum Sachwalter angeblicher Länderzuständigkeiten macht. Soweit ersichtlich, hat die derzeitige Auffassung der Bundesregierung, was die Kompetenzlage betrifft, im Schrifttum keine wesentliche Gefolgschaft gefunden. Nachdem die IVU-Richtlinie nun umgesetzt worden ist, wäre zu prüfen, ob nicht jetzt verfassungsrechtlich zertifizierte Teile für eine Kodifikation vorliegen. Sollte die Bundesregierung mit ihrer Behauptung der entgegenstehenden Länderkompetenzen Recht haben, muss man sich natürlich Gedanken darüber machen, ob hier nicht eine Fehlgewichtung an Kompetenzen gegeben ist. Gleichwohl ist grundsätzlich davor zu warnen, die Länderzuständigkei-
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ten als zu groß anzusehen, denn die Verfassungsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland ist die Entwicklung von ständigen Kompetenzverlusten für die Länder. Verglichen mit den USA liegt in Deutschland fast nur noch ein Abglanz von Föderalismus vor, wenn man sich vorstellt, was die einzelnen Staaten in den USA für Zuständigkeiten haben. In Deutschland wird man darüber streiten müssen, wie ein vernünftiger Ausgleich bei den Kompetenzen zu erreichen ist. Der entscheidende Einwand gegen den Föderalismus ist bekannt, er ist etwas "platt", aber trotzdem nicht unzutreffend: Umweltprobleme machen an den Grenzen nicht halt. Die Probleme sind größer als die Kompetenzräume und deswegen, so meinen manche, müsste man in Deutschland mit dem kleinräumigen Föderalismus jedenfalls hier aufräumen. Auch an diesem Punkt ist zur Behutsamkeit zu raten. Denn wenn man sich manche Mitgliedsstaaten der Union anschaut, sieht man, dass diese Kompetenzräume kleiner sind als die der großen Flächenstaaten der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch kommt keiner auf die Idee, etwa den Belgiern die Kompetenz für bestimmte Entscheidungen abzusprechen. Es geht eigentlich mehr darum, sich zu überlegen, wie bei kleinräumigen Kompetenzordnungen großräumige Umweltprobleme gelöst werden können. Das setzt natürlich Koordination und Kooperation voraus. Diese Kooperation innerhalb der Bundesrepublik Deutschland hat ein immanentes Problem, denn sie ist dazu geeignet, die Vorherrschaft der Exekutive weiter zu stärken. Es ist eine exekuti ve Problemlösung und die Parlamente stehen da immer hintenan. Wenn man den Föderalismus als Herrschaftsform der Intelligenten ansieht, muss man auch durchaus einräumen, dass Föderalismus nicht immer populär ist. Es gibt in Deutschland so etwas wie einen Hang zur dumpfen Einheitlichkeit, verdeutlicht an realen oder vorgestellten Problemen und dergleichen mehr. Beispielhaft sei hier nur das Stichwort des Schulwechsels über Ländergrenzen hinweg erwähnt. Umgekehrt sollte man die Unpopularität auch nicht überschätzen. Man sollte sich noch einmal vor Augen führen, dass es seit 1990 kaum eine Entscheidung der Verfassung gibt, die so auf Konsens in den neuen Bundesländern gestoßen ist wie die föderalistische Entsch~idung. Es ist geradezu erstaunlich, wie die Bundesländer angenommen werden. Man wünschte sich, dass Europa nur ein Mindestmaß von ähnlicher Identitätserstellung entwickeln würde wie diese föderalistische Entscheidung in Deutschland in den neuen Ländern. Wie sich aus dem Programm der Tagung sehr deutlich ergibt, sollen über eine rein wissenschaftliche Tagung hinaus Wirtschaft, Staat und Wissenschaft zu einem Dialog zusammengeführt werden. Umweltrechtswissenschaft wird nicht um ihrer selbst willen betrieben, sondern um Einfluss nehmen zu können, um die Dinge zu verbessern, das heißt auch, um erkennen
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zu können, was geht und eventuell nicht geht. Dies bedeutet aber auf der Seite der Wirtschaft und des Staates, dass man die Erkenntnisse der Umweltrechtswissenschaft ebenfalls berücksichtigen sollte. Es geht auch deswegen um einen die Praxis einbeziehenden Dialog, weil die Tagung auf einem Forschungsprojekt gründet, das dankenswerterweise von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert wird. Dabei geht es primär um die Frage, inwieweit die föderalistischen Strukturen für kleine und mittelständische Unternehmen praktisch handhabbar gemacht werden können, wo vermeidbare Schwierigkeiten, wenn schon nicht aus dem Weg geräumt, so doch wenigstens erträglicher gemacht werden können. Dieses Projekt ist auf einem guten Weg. Es ist eines der großen Drittmittelprojekte an unserer Fakultät. Bereits vor drei Jahren hat es dazu in der Vorlaufphase schon eine Pioniertagung gegeben. 1 Ohne die Ergebnisse des Projektes vorwegzunehmen, zeichnet sich ab, dass z. B. auf dem Referenzgebiet des Abfallrechts die Unterschiede in den Gesetzestexten der Länder doch sehr viel geringer sind, als zuweilen vermutet bzw. behauptet wird. Trotz der vergleichsweise großen strukturellen Ähnlichkeiten in vielen Bereichen sind aber die Unterschiede im Vollzug wiederum recht groß. Die Beschreibung dieser Tagung als einen Teil des großen Forschungsprojektes der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ist mit einem herzlichen Dank an diese Bundesstiftung verbunden, die dieses Projekt und diese Tagung ermöglicht hat.
1 Siehe den dazu bei Duncker & Humblot erschienenen Tagungsband: Kloepfer (Hg.), Abfallrecht und Föderalismus, 1999 (Schriften zum Umweltrecht Bd. 94).
Grußwort Von Josef Feldmann Sehr geehrter Herr Prof. Kloepfer, sehr geehrter Herr Staatsminister Aath, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie recht herzlich im Namen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und freue mich, dass Sie der Einladung zu dieser wichtigen wissenschaftlichen Tagung zum Umweltföderalismus gefolgt sind, denn trotz einer Fülle an umweltrechtlicher Fachliteratur fehlt es bisher an übergreifenden Untersuchungen in zentralen Bereichen des Landesumweltrechts insbesondere auch vor dem Hintergrund der Informationsbedürfnisse der betrieblichen Praxis. Die Erstellung eines entsprechenden Ratgebers für Unternehmen ist Gegenstand des Projektes "Umweltschutz und Föderalismus", in dessen Rahmen die heutige Tagung stattfindet. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert dieses Projekt über eine Laufzeit von zwei Jahren mit gut 400.000 DM. Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir, dass ich Ihnen kurz darstelle, wie sich das Vorhaben in die gesamte Förderarbeit der Stiftung einfügt. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt wurde auf Beschluss des Bundestages 1990 als Stiftung des privaten Rechts gegründet. Als privatrechtliche Stiftung unterliegt sie damit, wie jede andere Stiftung des privaten Rechts, der Stiftungsaufsicht als Rechtsaufsicht! Das Stiftungskapital stammt aus dem Verkauf der ehemals bundeseigenen Salzgitter AG. Seit Gründung der Stiftung konnten über 4.000 Modellprojekte zum Umweltschutz bewilligt und rund 1,65 Milliarden DM zur Verfügung gestellt werden. Ziel der Fördertätigkeit ist vor allem, durch die Förderung umweltund gesundheitsfreundlicher Verfahren und Produkte zu konkreten Umweltentlastungen beizutragen. Die Hauptzielgruppe der Förderung sind kleine und mittlere Unternehmen. Wir fördern jedoch auch Hochschulen und Forschungseinrichtungen und andere im Umweltschutz tätige Institutionen, insbesondere bei Kooperationsvorhaben mit Unternehmen. Im Vordergrund stehen dabei Vorhaben zum vorbeugenden, produkt- und produktionsintegrierten Umweltschutz. Neben der Umwelttechnik und der Umweltforschung kommt auch der Umweltbildung und Umweltkommunikation und zum Teil dem Denkmalschutz eine wichtige Bedeutung zu. Hier fördern wir Vorhaben zur Wissensvermittlung und zum Wissensaustausch. Aufgrund einer 2 Klocpfer
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Josef Feldmann
kürzlich vom Kuratorium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt beschlossenen Satzungsänderung können zukünftig auch Naturschutzprojekte, wenn sie der Bewahrung und Wiederherstellung des nationalen Naturerbes dienen, gefördert werden. Aus der in aller Kürze bezeichneten Zielsetzung ergibt sich, dass wissenschaftliche Untersuchungen zum Umweltrecht eher selten gefördert werden. So wurden im Rahmen des Förderthemas "Wissensaustausch" (Umweltbildung) die Osnabrücker Umweltgespräche zum deutschen und europäischen Umweltrecht mit initiiert, die Ende dieser Woche erneut stattfinden werden, diesmal zum Thema "Klimaschutz durch Emissionshandel". Außerdem wurde im Bereich der Umweltinformationsvermittlung unter dem Förderthema "Entwicklung und Einsatz von Materialien" ein Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert. Eine etwas intensivere Förderung umweltrechtlicher Themen erfolgt im Bereich unseres Stipendienprogramms. Hier haben wir ca. 20 Stipendien vergeben. Die Untersuchungen im Rahmen des Forschungsvorhabens "Umweltschutz und Föderalismus" bauen auf ein kleineres, ebenfalls von der Stiftung gefördertes Projekt auf. Im Rahmen einer Vor- und Erprobungsphase ging Prof. Kloepfer mittels einer Umfrageaktion und in einem Symposium mit Teilnehmern insbesondere aus der betrieblichen Praxis der Entsorgungswirtschaft und der Industrie abfallrechtlichen Umsetzungsproblemen nach. Die Auswertung ergab, dass die unterschiedlichen landesrechtlichen Normen und der uneinheitliche Vollzug und die Auslegung des Abfallrechts der privaten Entsorgungswirtschaft Schwierigkeiten bereiten und dass auch das Boden-, Gewässer- und Immissionsschutzrecht für die Abfallwirtschaft eine zunehmende Bedeutung hat. Die Vorphase des Projektes hat ein großes praktisches Bedürfnis für die Erörterung und Klärung föderalistischer Fragen des Umweltrechts erkennen lassen. Schon überstaatliche, europäische Verordnungen und Richtlinien wirken immer stärker auf die deutsche Gesetzgebung und Verwaltung ein. Innerstaatlich bewirkt unsere föderale Struktur eine komplexe Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen. Teilweise liegt, etwa im Bereich des Immissionsschutzrechtes, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes vor, die den Ländern nur Randfragen zur Regelung überlässt; teilweise bleibt den Ländern auch im Bereich der konkurrierenden Kompetenzen ein größerer Normierungsspielraum, wie die Landesabfallgesetze und entsprechende Verordnungen zeigen; schließlich besitzt der Bund etwa im Bereich des Wasserhaushaltes eine bloße Rahmenkompetenz, die zu einer gewichtigeren eigenständigen Zuständigkeit der Länder führt. Die Kompetenzen sind also nicht nur je nach dem Teilgebiet des Umweltrechts unterschiedlich verteilt, die Länder füllen ihren Kompetenzbereich
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auch in unterschiedlicher Weise aus; zu diesem oft beklagten "Gesetzeswirrwarr" kommen unterschiedliche Verwaltungsvorschriften, ein uneinheitlicher Gesetzesvollzug und die jeweilige gerichtliche Spruchpraxis in den Ländern. Diese Situation führt zu Rechts- und Investitionsunsicherheit für die betriebliche Praxis und wirkt sich negativ auf die Akzeptanz und Befolgung der umweltrelevanten Vorgaben aus. Durch die Untersuchung aller 16 Landesgesetzgebungen, ihrer Verzahnung mit dem Bundes- und Europarecht, der jeweiligen gerichtlichen Urteilspraxis und der behördlichen Vollzugspraxis soll daher ein Überblick über die vielfältigen rechtlichen Anforderungen im Bereich der Abfallwirtschaft erzielt werden. Für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat dabei besondere Bedeutung, dass ein im Projekt erarbeiteter Fragenkatalog gerade auch kleinen und mittleren Unternehmen vorgelegt wird. Auch im Bereich der Abfallwirtschaft gibt es nämlich viele mittelständische Unternehmen, die aus wirtschaftlichen Gründen über keine hausinterne eigene Rechtsberatung verfügen. Für sie soll das Landesumweltrecht und sein Vollzug durch einen praktischen Ratgeber übersichtlicher und besser handhabbar werden. Der Vergleich der unterschiedlichen, auf Landesebene bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen soll nicht zu Wanderbewegungen z.B. im Sinne eines Umweltdumpings führen, sondern Vorreiterrollen deutlich machen, die die Befolgung umweltrelevanter Vorschriften für Unternehmen erleichtern und einen Beitrag zur Systematisierung des Umweltrechts leisten, gerade zu einer Zeit, in der die Erstellung eines UGBs erneut verschoben wurde. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihre Tagung besticht durch eine klare Gliederung in einen grundlegenden und praxisbezogenen Teil und durch die umfassende Beleuchtung der Aspekte des Abfall-, Immissionsschutz-, Boden- und Gewässerschutzrechts aus Sicht der Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung. Ich hoffe, dass das Ziel, staats- und rechtswissenschaftliche Überlegungen in konkrete, praxisorientierte Handlungsempfehlungen einfließen zu lassen, gelingt; das beeindruckende Tagungsprogramm und die Kompetenz und Erfahrung des Tagungsleiters sind dafür eine gute Gewähr. Ich wünsche der Tagung und dem weiteren Verlauf des Projektes "Umweltschutz und Föderalismus" viel Erfolg.
A. Grundfragen des Föderalismus
Zustand und Perspektive des deutschen Föderalismus aus Sicht der Praxis Von Steffen Flath Ich freue mich, dass Sie einen Politiker gebeten haben, über die Praxis des deutschen Föderalismus zu sprechen - normalerweise wirft man uns ja Praxisferne vor - aber bei diesem Thema ist das vielleicht anders. Lassen Sie mich zunächst kurz über den derzeitigen Stand des Föderalismus sprechen. Danach wird es um die Perspektiven gehen.
I. Zustand des Föderalismus 1. Ebene: Wie ist das Verhältnis der Bürger zum fOderalen Staat? "Verdrossen sind die Ahnungslosen" - unter diesem Titel beschrieb Prof. Werner Patzelt vor einigen Wochen in der "ZEIT" (22.02.2001) die Ergebnisse einer Studie. Fazit: Viele Deutsche verachten Politik und Politiker weil sie ihr Regierungssystem nicht verstehen. Erschreckend dabei - und im Rahmen dieser Tagung von besonderer Relevanz: 59 % der Deutschen wissen nicht, was Föderalismus ist, vom Rest machen 14% falsche Angaben. Über den Bundesrat können 40% nichts oder nur Unrichtiges äußern. Föderale politische Systeme eröffnen ihren Bürgern auf mehreren politischen Ebenen die Möglichkeit, am politischen Willensbildungsprozess teilzunehmen. Was nützt diese Tatsache, wenn ein Großteil der Bürger aber nicht weiß, wo er aktiv anpacken kann? Theorie und Praxis klaffen offensichtlich auseinander. Die heutige Praxis des Föderalismus zeigt sich den Bürgern als ein undurchschaubares Geflecht an Zuständigkeiten, Vereinbarungen und Absprachen, Grundregeln und deren Ausnahmen. Es wundert nicht, dass eine klare Zuordnung von Verantwortung auf die Ebenen EU, Bund, Länder, Gemeinden schwierig scheint. Das Potenzial eigenverantwortlich handelnder Bürger als - wenn Sie wollen - tragende Ebene des föderalen Systems, wird auf diese Art und Weise verspielt.
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Steffen Flath
2. Ebene: Das Verhältnis Bund - Länder
Die Verlagerung des politischen Gewichts zum Bund ist schon seit einiger Zeit offensichtlich und zeigt sich besonders deutlich in der Gesetzgebung: Nach und nach hat der Bund sein Gesetzgebungsrecht ausgebaut der Vollzug der Gesetze lag und liegt dabei weitgehend bei den Ländern. Die Abgabe von Kompetenzen war mit einer Ausweitung der Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen im Bundesrat verbunden. Der ursprüngliche Anteil von 40% an zustimmungspflichtigen Gesetzesvorlagen in der ersten Legislaturperiode ist inzwischen auf mehr als 60% gestiegen. Auch wenn der Trend zum Zentralismus auf dem Gebiet der Gesetzgebung anscheinend gestoppt ist, hat eine Umkehr dieser Entwicklung und damit eine Stärkung des Föderalismus bis heute nicht stattgefunden. Auf diese schwierige Gemengelage möchte ich anhand zweier Beispiele hinweisen: Das Umweltgesetzbuch (UGB) scheiterte bekanntlich an kompetenzrechtlichen Bedenken - aber kurioserweise nicht an solchen der Länder, sondern des Bundesinnenministeriums und des Bundesjustizministeriums. Die beiden Bundesministerien hatten geltend gemacht, der Bund habe - speziell im Wasserrecht - keine ausreichende Gesetzgebungskompetenz für ein Erstes Buch zum UGB. Dies war anscheinend ein besonders subtiler Versuch des Bundes, den Ländern - unter Hinweis auf die Notwendigkeit des UGB - weitere Gesetzgebungskompetenzen abzuringen. Ein zweites Beispiel steht mit dem ersten in einem inhaltlichen Zusammenhang. Bei der Umsetzung der UVP/IVU-Richtlinie hat Herr Bundesminister Trittin die Länder angesichts der drohenden Zwangsgeldzahlung wegen mangelhafter Umsetzung der UVP-Richtlinie auf die Eilbedürftigkeit des Vorgangs hingewiesen. Das wäre natürlich legitim und nicht ungewöhnlich. Herr Trittin hat diese Aussage aber mit einem Hinweis auf die aus seiner Sicht bestehende Zahlungspflicht der Länder verbunden und die Länder dezent aufgefordert, deshalb auf allzu viele Änderungsanträge im Bundesrat oder gar eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zu verzichten. Dies ist ein Angriff auf einen zentralen Pfeiler des Föderalismus: auf die Mitwirkungsrechte des Bundesrates an der Bundesgesetzgebung. Parallel zu der Kompetenzverschiebung im Bereich der Gesetzgebung müssen wir seit der Verfassungsänderung 1969 eine immer intensivere Kompetenzverflechtung von Bund und Ländern im Bereich der Finanzen feststellen. Klare Finanzierungszuständigkeiten wichen einem System von Zuweisungen und mischfinanzierten Aufgaben. Die Auswirkungen dieser Änderungen erleben wir heute in der Praxis - z. B. im Rahmen der zahlrei-
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chen und komplexen Abstimmungsrunden zu den Gemeinschaftsaufgaben. Auch in der aktuellen Debatte zum Länderfinanzausgleich zeigt sich, welche Schwierigkeiten sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in unser föderalistisches System eingeschlichen haben. 3. Ebene: Das Verhältnis EU - Bund (Mitgliedstaat) Länder (Regionen) Auf der europäischen Ebene wird es besonders unübersichtlich - auch für den praktizierenden Politiker: Einerseits wirkt sich das Handeln der EU in der Praxis bereits jetzt umfassend auf die Zuständigkeiten der Länder aus. Andererseits kommen im Zuge der Osterweiterung auf den Föderalismus neue Herausforderungen zu. Die Übertragung bisher nationaler Kompetenzen auf die Europäische Union geht dabei auch zu Lasten von Zuständigkeiten der deutschen Länder. Der Umweltausschuss des Bundesrates beschäftigt sich schon heute nach unserer Einschätzung im Durchschnitt zu über 30% mit Vorlagen, die direkt einer europäischen Feder entstammen (ohne diejenigen Vorlagen, die aus der Umsetzung von europäischem in nationales Recht stammen). Etwa 80% der wichtigen Entscheidungen in der Agrar- und Umweltpolitik fallen heute in Brüssel. Bei praktisch jeder Mark, die wir in Sachsen durch mein Haus an Förderung ausreichen, bedarf es der Zustimmung durch die Kommission - sei es durch Notifizierung von Landesprogrammen oder im Rahmen der unmittelbaren Genehmigung von Programmen bei mitfinanzierten Maßnahmen. Den Eindruck, die europäische Ebene sei zu einer Art Fachaufsicht geworden, kann ich auch aus sächsischer Sicht bestätigen. a) Beispiel FFH-Richtlinie
An dieser Stelle möchte ich nur ein Beispiel aus der Praxis meines Hauses nennen: die FFH-Richtlinie. Der Ansatz, ein ländeTÜbergreifendes Netzwerk "Natura 2000" im Rahmen einer europäischen Richtlinie zu schaffen, erschien mir Ende 1999 als ein sinnvolles Instrument. Die Beantwortung der Frage allerdings, wie sie im Detail umgesetzt wird und in welcher Form BTÜsseler Experten ihre Kontrolle vornehmen, führte zu unterschiedlichen Ergebnissen, regem Briefverkehr und zahlreichen Beratungen. Im Ergebnis hat der Bürger das Gefühl, einer überbordenden Bürokratie gegenüber zu stehen, die jahrelang vergessen hat, nach seiner Meinung zu fragen - damit wurde viel Porzellan unnötig zerschlagen.
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Steffen Flath
b) Beispiel MKS
Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit zeigt, dass wir nicht nur über die EU klagen sollten, sondern uns auch an die "eigene Nase fassen" müssen: Da hat die Bundesverbraucherschutzministerin Künast in Brüssel einen Antrag Nordrhein-Westfalens zur vorbeugenden Impfung gegen MKS eingereicht und gleichzeitig in Brüssel durchblicken lassen, dass sie sich eine Ablehnung des Antrags wünscht. Formal ist das korrekt, weil der Bund dazu verpflichtet ist, alle Anträge der Länder an die EU weiterzuleiten. In der Praxis bedeutete das aber: Die EU sollte das richten, wozu die beiden Parteigenossinnen Künast und Höhn und ihre Apparate offensichtlich nicht in der Lage waren. Ein beschämendes Beispiel für die mangelnde Europatauglichkeit des deutschen Föderalismus, das sich nicht wiederholen sollte. Zusammenfassend drückt ein Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Herzog den Zustand des deutschen Föderalismus in meinen Augen treffend aus. In seiner Rede am 18. Mai 1998 sagte er in der Frankfurter Paulskirche: "Was fehlt, ist eine neue Verständigung darüber, was wirklich bundesweit geregelt sein muss und was der freien Entscheidung der Länder, ihrer Phantasie und ihrem Ermessensspielraum gehören soll."
11. Perspektiven des Föderalismus Lassen Sie mich deshalb abschließend - mit ein wenig Phantasie - über die Perspektiven des Föderalismus nachdenken: Wir sollten nicht nur über die Schwächen des Föderalismus sprechen auch wenn wir Deutschen gegenüber unseren europäischen Nachbarn anscheinend gerne über unsere Schwächen klagen - sondern auch über die besonderen Stärken und Chancen, die in einer Weiterentwicklung des Föderalismus liegen. Denn: Die Zeit für Veränderungen scheint reif zu sein. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich, dem Auslaufen des Solidarpakts und der im Dezember letzten Jahres in Nizza eingeläuteten neuen Reforrnrunde stehen konkrete Termine für notwendige Lösungen an.
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1. Für das Verhältnis der EU zum Bund und den Ländern bedeutet dies: Die Osterweiterung rückt als entscheidende Prüfung immer näher. Schon im Vorfeld lassen sich zahlreiche positive Beispiele nennen. Im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit - sowohl innerhalb als auch außerhalb von Euroregionen - kann Sachsen zusammen mit seinen Nachbarregionen in Polen und Tschechien enorme Fortschritte im Bereich des Umweltschutzes verzeichnen. Schon jetzt existiert hier ein Netzwerk von Kooperationen, auf dem eine europäische politische Integration im wahrsten Sinne des Wortes praktisch aufbauen kann. Schon jetzt funktioniert in kleinem Rahmen ein Europa der Regionen mit den Beitrittskandidaten. An diesen Stellen muss konsequent weitergearbeitet werden - Schritt für Schritt in eine gemeinsame Zukunft. Darüber hinaus ist die föderale Struktur Deutschlands für den Einigungsprozess der EU eine wichtige Voraussetzung. Die machtverteilende Wirkung des Bundesstaats hat vor allem unseren Nachbarn die Akzeptanz der deutschen Wiedervereinigung erleichtert. Wir wissen, dass die Erhaltung der Eigenständigkeit der Länder nicht nur im deutschen Interesse liegt, sondern auch im Interesse unserer Nachbarn - nicht weil uns der Föderalismus schwächt, sondern weil er ein wirksames Mittel gegen den Zentralismus ist. Ein erster wichtiger Schritt zur Abwendung der Gefahr einer stärkeren Zentralisierung auf europäischer Ebene ist mit der vertraglichen Verankerung des Subsidiaritätsprinzips getan. Auch andere Mitgliedstaaten setzen mittlerweile auf eine stärkere "Regionalisierung". Wir müssen allerdings darauf achten, dass dieses Grundprinzip keine leere Worthülse bleibt, sondern kontinuierlich mit Leben gefüllt wird. Dazu gehört die Festlegung einer eindeutigen Zuständigkeitszuordnung die bisher von den Ländern nicht durchgesetzt werden konnte - und die verfahrensmäßige Stärkung des Ausschusses der Regionen. Der Prozess nach Nizza und die Regierungskonferenz im Jahre 2004 müssen dafür praktikable Lösungen bringen.
2. Wie sind die Perspektiven im Verhältnis Bund/Länder? Das Stichwort Subsidiarität ist in meinen Augen auch relevant für das zukünftige Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Der Verwischung der Zuständigkeiten und Verantwortung durch die Gemeinschaftsaufgaben, die Mischfinanzierung und die Ausweitung der Bundesgesetzgebung im konkurrierenden Bereich, muss dringend Einhalt geboten werden.
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Steffen Flath
Um diese Unübersichtlichkeit schnellstmöglich zu beseitigen müssen wir den Mut haben, den oft zitierten Wettbewerb nicht nur zuzulassen, sondern ihn auch zu fördern. Wir müssen uns unserer Verantwortung als Bundesländer wieder stärker bewusst werden. Ich möchte allerdings ausdrücklich betonen, dass ein "Mehr" an Eigenstaatlichkeit und Wettbewerb eine länderübergreifende Kooperation nicht ausschließt. Kooperativer Föderalismus und Wettbewerbsföderalismus sind kein Widerspruch, sondern ergänzen sich gegenseitig. Kurt Biedenkopf hat in seiner Antrittsansprache als Präsident des Bundesrates 1999 gesagt: "Wo er die Einheit des Ganzen nicht gefährdet, sollte uns der Wettbewerb willkommen sein." In der Praxis drückt sich die Wettbewerbsidee bereits heute z. B. in den Standortvor- bzw. -nachteilen aus, die aus der Dauer von Genehmigungsverfahren entstehen. Mit Genehmigungszeiten zwischen vier Wochen und drei Monaten haben wir wichtige Investoren für Sachsen gewinnen können. Und schließlich:
3. Wie kann sich das Verhältnis des Bürgers zum Staat verändern? Wir müssen die Bürger wieder mehr einbeziehen in den politischen Alltag, ihnen eigene Handlungsspielräume eröffnen. Wie wir an der Studie von Prof. Patzelt sehen können, ist dazu sicherlich in erster Linie eine bessere politische Bildung notwendig - sind also die Schulen gefragt. Gleichzeitig sollten wir uns alle bemühen, unser politisches System von undurchschaubarem Flechtwerk zu befreien - bei jeder sich bietenden Gelegenheit und so oft wie möglich.
111. Fazit Unabhängig von der sogenannten "Ewigkeitsgarantie" des Art. 79 GG dass also die bundesstaatliche Ordnung auch durch eine Verfassungsänderung nicht verändert werden darf - sehe ich für das Leitbild Föderalismus in Deutschland aber auch in der Europäischen Union eine gute Zukunft. Außer Frage steht dabei, dass die derzeitige Praxis des deutschen Föderalismus überarbeitet werden muss. Ich gehe allerdings davon aus, dass es sich um einen Strukturwandel in mehr oder weniger kleinen Teilschritten handeln wird und weniger um eine große, alle Probleme gleichzeitig lösende Strukturreform. Dabei müssen klare Kompetenzverteilung und konkurrierende Problemlösungen, Bürgernähe und Transparenz die Leitbegriffe einer Reform des Föderalismus in Deutschland sein.
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Aufgabe der Wissenschaft wird es sein, die Reform des Föderalismus mit kritischen Fragen und praktischen Vorschlägen voranzutreiben. Das von Ihnen, Herr Prof. Kloepfer, derzeit durchgeführte Projekt "Umweltschutz und Föderalismus" wird sicher einen wichtigen Beitrag dazu leisten. In diesem Sinne wünsche ich der Tagung und dem Forschungsprojekt gute Ergebnisse - im täglichen Geschäft sind wir auf praktikable, effektive und bürgemahe Lösungen angewiesen.
Zustand und Perspektive des deutschen Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft Von Hartrnut Bauer
I. Deutscher Föderalismus unter aktuellem Rechtfertigungs- und Reformdruck Der deutsche Föderalismus l steht seit geraumer Zeit (wieder einmal) unter erhöhtem Rechtfertigungs- und Reformdruck. Das Schlagwort von einer "Sinnkrise,,2 macht die Runde, und weitergehend ist sogar von einer strukturbedingten Krise des deutschen Bundesstaates 3 die Rede. Das suggeriert nach rund fünfzig Jahren Grundgesetz düstere Zukunftsaussichten, die freilich in einem auffallenden Kontrast zu anderweitigen, deutlich optimisti1 Zur KlarsteIlung: "Föderalismus" wird in diesem Beitrag vornehmlich als Begriff zur verfassungsrechtlichen Erfassung der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes verwendet; zu weitergehenden Bedeutungsgehalten des Föderalismus-Begriffs vgl. etwa Otto Kimminich, Der Bundesstaat, in: HStR I, 1987, § 26 Rn. 3 f.; Karl-Peter Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 11, 2000, Art. 20 Rn. 24 f.; jew. m. w. N. Zu den hier nicht zentral aufgegriffenen europäischen und rechtsvergleichenden Aspekten des Föderalismus siehe die Beiträge von Horst Risse und Juliane Kokott, in diesem Band. 2 Hans- Wolfgang Amdt, Erneuerter Föderalismus - Thesen zu einer veränderten Balance zwischen Bund und Ländern, in: Ursula Männle (Hrsg.), Föderalismus zwischen Konsens und Konkurrenz, 1998, S. 31 ff. (S. 31, 36); Christian Calliess, Die Justiziabilität des Art. 72 Abs. 2 GG vor dem Hintergrund von kooperativem und kompetitivem Föderalismus, in: Josef Aulehner u. a. (Hrsg.), Föderalismus - Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit?, 1997, S. 293 ff. (S. 296): "Sinnkrise des Föderalismus". 3 Uwe Volkmann, Bundesstaat in der Krise?, DÖV 1998, S. 613 ff. (S. 623); vgl. auch Reinhard C. Meier-Walser/Gerhard Hirscher (Hrsg.), Krise und Reform des Föderalismus, 1999; Albert Janssen, Wege aus der Krise des deutschen Bundesstaates - Anmerkungen zu einem notwendigen Vorschlag zur Reform des Grundgesetzes, ZG, Sonderheft "Stärkung des Föderalismus", 2000, S. 41 ff. (S. 42 f.); kritisch Uwe BerUt, Verfassungsrechtliche Perspektiven des Föderalismus, in: Hans Herbert v. Arnim u. a. (Hrsg.), Föderalismus - Hält er noch, was er verspricht?, 2000, S. 63 ff.; Helmuth Schulze-Fielitz, Stärkung des Bundesstaats durch Herabzonung von Gesetzgebungskompetenzen?, in: Hans-Günter Henneke (Hrsg.), Verantwortungsteilung zwischen Kommunen, Ländern, Bund und Europäischer Union, i. E. (2001), Typoskript, S. 5 ff., 9 ff.
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Hartmut Bauer
scheren Einschätzungen4 stehen 5 ; danach "hat sich der Föderalismus Deutschland zweifellos bewährt,,6.
In
Gleichwohl geben die kritischen Stimmen Anlass, sich der Funktionsfähigkeit heutiger bundesstaatlicher Ordnung zu vergewissern. Denn sie gehen einher mit inzwischen auf breiter Front anzutreffenden Forderungen7 nach einer grundlegenden Föderalismusreforrn: "Konkurrenz-" bzw. "Wettbewerbsföderalismus" ist derzeit eine Art "Kampfbegriff' für praxis- und disziplinenübergreifende Reforrnbestrebungen, die nicht selten in den noch anspruchsvolleren Modernisierungskontext einer Staatsreforrn eingestellt sind und die "Funktions- und Reforrnfähigkeit der bundesstaatlichen Ordnung insgesamt" auf den Prüfstand stellen wollen 8 . Ziel dieser Vorstöße ist keineswegs die - durch Art. 79 Abs. 3 GG ohnehin versperrte 9 - vollständige Beseitigung der bundesstaatlichen Ordnung. Vielmehr soll die "Grundsatzdebatte,,10 dazu beitragen, den deutschen Föderalismus auf das Modell eines "kompetitiven Bundesstaates" auszurichten, das ihn - richtig genutzt - auch für die Zukunft zu einem "potenziellen Erfolgsmodell" macht, sofern er es "versteht, seine Stärken zu nutzen"ll. 4 Z. B. Josef Jsensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: HStR IV, 1990, § 98; Hans-Jochen Vogel, Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Benda/MaihoferlVogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 22 Rn. 20 ff., 141 ff.; Armin Dittmann, Föderalismus in Gesamtdeutschland, in: HStR IX, 1997, § 205 Rn. 38 f.; Hartmut Bauer, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 9 und 18 m. w. N. 5 Das konzediert auch Volkmann, DÖV 1998, S. 613 ff. (S. 623). 6 So Vogel (0. Fn. 4), Rn. 20. 7 V gl. vorerst zur Staatspraxis nur "Modernisierung des Föderalismus - Stärkung der Eigenverantwortung der Länder", Gemeinsame Positionen der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen zur Notwendigkeit einer leistungs- und wettbewerbsorientierten Reform des Föderalismus, Bonn Juli 1999, und zur Wissenschaft nur Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 943 ff. m.w.N. 8 Schuppert (0. Fn. 7), S. 943 ff. 9 Die inhaltliche Reichweite der Ewigkeitsgarantie im einzelnen ist freilich umstritten, lässt bei der gebotenen zurückhaltenden Interpretation aber beträchtlichen Spielraum für Änderungen der bundesstaatlichen Ordnung; vgl. dazu etwa Horst Dreier, in: ders. (0. Fn. 4), Art. 79 III Rn. 16 ff., 39. 10 Föderaler Wettbewerb: Deutschlands Stärke - Bayerns Chance, Regierungserklärung des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber im Bayerischen Landtag am 4. Februar 1998, abgedruckt bei Männle (0. Fn. 2), S. 169 ff. (S. 169). 11 Bertelsmann-Kommission "Verfassungspolitik & Regierungsfähigkeit", Entflechtung 2005, Zehn Vorschläge zur Optimierung der Regierungsfähigkeit im deutschen Föderalismus, vorgelegt durch Hans-Wolfgang Amdt, Klaus v. Dohnanyi, Hans-Peter Schneider, Rita Süßmuth, Wemer Weidenfeld, unter Mitarbeit von Dirk Rumbert, Holger Sievert, Thorsten Wenzel, 2000, S. 9.
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Derart pointiert vorgetragene Thesen können sich gesteigerter Aufmerksamkeit sicher sein. Sie mahnen aber auch zu Vorsicht und setzen vor allem Klarheit über die Funktionen und Entwicklungstendenzen des grundgesetzlichen Föderalismus voraus (11.), bevor man sich auf das Alternativmodell des kompetitiven Föderalismus (III.) einlässt.
11. Funktionen und Entwicklungstendenzen der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes 1. Zur Legitimation und zu den Funktionen des deutschen Föderalismus Zur Legitimation und zu den Funktionen bundesstaatlicher Ordnung sind in der Vergangenheit zahlreiche Gesichtspunkte zusammengetragen worden, von denen hier nur einige in Erinnerung zu rufen sind l2 . Aus traditioneller Sicht stellt der Föderalismus bekanntlich eine Organisationsform bereit, die historisch gewachsene regionale Eigenart, in Sonderheit landsmannschaftliehe, kulturelle, sprachliche und geographische Identität, wahrt, räumliche und wirtschaftliche Lebenszusammenhänge achtet und diese Vielfalt zugleich in staatlicher Einheit zusammenführt. Neben diese konventionelle Begründung ist seit langem die Rechtfertigung mit gewaltenteilerischen Überlegungen getreten, die darauf abstellen, dass die verfassungsrechtliche Verteilung staatlicher Aufgaben und Befugnisse auf Bund und Länder eine begrenzende Ausdifferenzierung staatlich-politischer Macht mit freiheitsschützenden Effekten bewirkt. Beide Begründungsansätze verweisen u. a. auf dezentrale Organisation, die größere Sachnähe der politischen Entscheidungen garantiert, Flexibilitätspotentiale erschließt, die Erprobung von Alternativen anregt, Experimentierfreudigkeit weckt, Innovationsbereitschaft fördert und insgesamt zu einem Wettbewerb um die besseren Problemlösun12 Die Auflistung im Text erfolgt ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Vgl. zum Folgenden - teilweise auch kritisch - etwa Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 657 ff.; Konrad Hesse, Bundesstaat, in: Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl. 1987, Sp. 318 ff.; Gunter Kisker, Ideologische und theoretische Grundlagen der bundes staatlichen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland - Zur Rechtfertigung des Föderalismus, in: Ingo v. Münch (Red.), Probleme des Föderalismus, 1985, S. 23 ff.; Isensee (0. Fn. 4), § 98 Rn. 299 ff.; Vogel (0. Fn. 4), § 22 Rn. 12 ff.; Michael Bothe, Föderalismus - ein Konzept im geschichtlichen Wandel, in: Tilman Evers (Hrsg.), Chancen des Föderalismus in Deutschland und Europa, 1994, S. 19 ff.; Stefan Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, 1998, S. 393 ff.; Peter Badura, Zur Rechtfertigung des föderalistischen Prinzips und zum Subsidiaritätsprinzip, in: Gesellschaft für Rechtspolitik Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1999/11, 2000, S. 53 ff.; Berlit (0. Fn. 3), S. 67 ff.; knapp: Michael Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 2. Aufl. 1999, Art. 20 Rn. 55 ff. 3 K10epfcr
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gen auffordert. Als weitere Funktionen bundesstaatlicher Ordnung werden neben anderen genannt die gesteigerte Konfliktverarbeitungskapazität des politisch-administrativen Systems durch Entlastung der zentralen Steuerungseinrichtungen, die aus einer Mehrzahl politischer Entscheidungszentren folgende geringere Krisenempfindlichkeit, höhere Transparenz und Verständlichkeit staatlicher Entscheidungen, verbesserte Kontrolle staatlichen Handelns und die erleichterte Möglichkeit für die Bürger zur bewussten und aktiven Anteilnahme und Mitwirkung an staatlichen Angelegenheiten. Demgemäß hat ein föderativer Staatsautbau auch positive Verstärkungswirkungen für die Sicherung von individueller Freiheit, von Rechtsstaatlichkeit und von Demokratie l3 . Gewiss: Nicht alle diese Aspekte sind für die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes unangefochten. Auch stehen in einer Gesamtbilanz den allgemeinen Vorzügen föderativer Gestaltung allerlei (potentielle) Schwachstellen wie etwa die Gefährdung staatlicher Handlungsfähigkeit, die Schwerfälligkeit politischer Willensbildung, Verantwortungsverzeichnungen, soziale Unausgeglichenheit sowie zusätzliche Kosten gegenüber. Endlich ist nicht zu übersehen, dass eine Realanalyse der deutschen Verhältnisse manche der genannten Funktionen prekär erscheinen lässt l4 • Doch behalten die erwähnten Erklärungsansätze allesamt ihre relative Berechtigung, auch wenn sie über die Jahrzehnte hinweg wechselnde Wirkungskraft entfaltet haben 15. 13 s. dazu insb. Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rn. 223 ff. 14 Vgl. zum Ganzen die o. in Fn. 12 nachgewiesene Literatur und unten II.2.d m.w.N. 15 Vgl. Peter Häberle, Aktuelle Probleme des deutschen Föderalismus, Die Verwaltung 24 (1991), S. 169 ff. (S. 183); unter Hinweis auf variierende Zielvorstellungen und die jeweils konkreten Rahmenbedingungen mit Recht relativierend auch Bothe (0. Fn. 12), S. 24 ff. Deshalb können auch Versuche, Vorzüge, Legitimation und Funktionen bundesstaatlicher Ordnung auf einen oder einige wenige Aspekte zu reduzieren (vgl. dazu etwa Kisker [0. Fn. 12], der als Grundziele bundesstaatlicher Ordnung "Sicherung von Freiheit" und "Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Systems" benennt), letztlich nicht überzeugen. Typologisierend Isensee (0. Fn. 4), § 98 Rn. 299 ff., der die vielfältigen Legitimationstheorien nach den leitenden Gesichtspunkten der Dezentralisationseffekte, der Funktionstüchtigkeit bzw. Systemstabilisierung, der verfassungsstaatlichen Konkordanz, des einheitsbildenden Verfahrens und der regionalen Vielfalt Deutschlands in fünf Gruppen einteilt und am Ende darauf hinweist, dass sich die einzelnen Legitimationstypen nicht gegenseitig widerlegen oder neutralisieren, sondern jeweils eine eigene Perspektive einbringen, "die jeweils einen Aspekt des Bundesstaates zur Geltung bringt" (Rn. 312); teilweise abweichende Typologie bei Peter Häberle, Die Entwicklung des Föderalismus in Deutschland - insbesondere in der Phase der Wiedervereinigung, in: Jutta Kramer (Hrsg.), Föderalismus zwischen Integration und Sezession, 1993, S. 201 ff. (S. 214 0.
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Charakteristisch dafür ist die Deutung des Föderalismus als Organisationsform zur Erhaltung historischer Vielfalt und regionaler Eigenart im Rahmen eines größeren staatlichen Verbandes. Wegen der - anders als bei Bayern und den heiden Hansestädten - mehr oder weniger fehlenden geschichtlichen Tradition der nach 1945 neu gebildeten Länder, der Flüchtlingsbewegungen der Nachkriegszeit und der hohen Bevölkerungsmobilität in ganz Deutschland erschien diese Begründung bald brüchig und wurde mitunter sogar "als folkloristisch abqualifiziert,,16. Zwischenzeitlich erlebt der Rekurs auf regionale Vielfalt allerdings eine für manchen unerwartete "Renaissance,,17. Nicht ohne Grund. Abgesehen davon, dass die westdeutschen Länder in über 50-jähriger Geschichte zumindest ansatzweise eigenständiges Landesbewusstsein ausgebildet haben 18, knüpfte nämlich im Zuge der Wiedervereinigung die Bildung der neuen Länder wesentlich an den früheren Bestand an, obwohl unter reinen Effizienz- und Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten vieles für eine andere Gliederung in technokratisch geschaffene Kunstprodukte des Reißbretts gesprochen hätte 19. Traditionsbewusst pochen deshalb heute die Verfassungen nicht nur des Freistaates Bayern 20 , sondern etwa auch des Freistaates Sachsen auf in langer Geschichte Vgl. Bothe (0. Fn. 12), S. 25. Christian Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder im demokratischen und sozialen Bundesstaat des Grundgesetzes, noch unveröffentlichte Habilitationsschrift (2001), Typoskript, S. 8; kritisch Volkmann, DÖV 1998, S. 613 ff. (S. 619). 18 Isensee (0. Fn. 4), § 98 Rn. 305 ff. unter ergänzendem Hinweis auf Art. 29 Abs. I Satz 2 GG; ders., Einheit in Ungleichheit: der Bundesstaat, in: Kurt Bohr (Hrsg.), Föderalismus, 1992, S. 139 ff.; Stefan Oeter, Erprobung der konstitutionellen politischen Ökonomie an Einzelfragen - Föderalismus, in: Christoph Engel/Martin Morlok (Hrsg.), Öffentliches Recht als ein Gegenstand ökonomischer Forschung, 1998, S. 119 ff. (S. 128 ff.); Philip Kunig, in: v. Münch/Kunig, GGK 11, 3. Aufl. 1995, Art. 29 Rn. 4; vgl. auch Fritz Ossenbühl, Föderalismus und Regionalismus in Europa, Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: ders. (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, 1990, S. 117 ff. (S. 162), und Perer Badura, Die "Kunst der föderalen Form" - Der Bundesstaat in Europa und die europäische Föderation, in: ders./Rupert Sc holz (Hrsg.), Festschrift für Peter Lerche, 1993, S. 369 ff. (S. 371 f.). Als Ausdruck erstarkten Landesbewusstseins können nicht zuletzt auch monographische Reflexionen gewertet werden; vgl. dazu etwa Hartrnut Klatt (Hrsg.), Baden-Württemberg und der Bund, 1989; Hans Boldt (Hrsg.), NordrheinWestfalen und der Bund, 1989. 19 Dazu Michael Kilian, Wiedererstehen und Aufbau der Länder in der vormaligen DDR, in: HStR VIII, 1995, § 186 Rn. 17 ff., 67 ff. m.w.N. Vgl. auch Peter Häberle, Kulturhoheit im Bundesstaat - Entwicklungen und Perspektiven, AöR 124 (1999), S. 549 ff. (S. 556 f.) mit umfassender Ausrichtung auf ein "kulturwissenschaftliches Bundesstaatsverständnis". 20 Verfassung des Freistaates Bayern vom 2.12.1946, in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1998 (BayGVBI. S. 292), Vorspruch: "eingedenk seiner mehr als tausendjährigen Geschichte". 16
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herangewachsene Individualität21 und dokumentieren damit die Überlebensfähigkeit älterer Legitimationsschichten bundesstaatlicher Ordnung. Diese Schichten gehören zu den unentbehrlichen Grundlagen des deutschen Föderalismus 22 , sollten umgekehrt freilich auch nicht einseitig verabsolutiert werden. Der unsichere Stellenwert historischer Legitimation aus regionaler Vielfalt zeigt exemplarisch, dass die deutsche Verfassungsrechtslehre gut beraten war, sich nicht einseitig auf eine allgemeine Bundesstaats- oder Föderalismustheorie einzulassen 23 , zum al solche Theorien stets Gefahr laufen, Einfallstore für normativ nicht hinreichend abgesicherte interpretationsleitende Maximen zu öffnen 24 . Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes widerstrebt der Einzwängung in das Prokrustesbett einer Funktionszuweisung 25 . Sie verwirklicht sich in einem facettenreichen "Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander" von Bund und Ländem 26 , ist in den grundgesetzlichen Grenzen erheblichen Veränderungen zugänglich27 und bestätigt 21 Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27.5.1992 (SächsGVBI. S. 243), Präambel: "Anknüpfend an die Geschichte der Mark Meißen, des sächsischen Staates und des niederschlesischen Gebietes, gestützt auf Traditionen der sächsischen Verfassungsgeschichte ... ". 22 Dies räumt auch Hesse (0. Fn. 13), Rn. 222, ein. 23 Das entspricht den Intentionen der Schöpfer des Grundgesetzes, die sich an keiner bestimmten Bundesstaatskonzeption orientierten; dazu etwa Ossenbühl (0. Fn. 18), S. 124, 160, der ergänzend zutreffend darauf hinweist, dass auch die Rechtsprechung des BVerfG eine solche Konzeption letztlich nicht nachgeliefert hat. Der im Schrifttum anzutreffende facettenreiche Befund an Föderalismus- und Bundesstaatstheorien (vgl. dazu etwa die Übersicht bei Max Frenkel, Föderalismus und Bundesstaat, Bd. I, 1984, S. 76 ff., 140 ff.) hat nicht zur Verständigung auf eine allgemein akzeptierte Theorie geführt; dazu näher Hartmut Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 220 ff., 224 ff. m.w.N. 24 Bauer (0. Fn. 23), S. 228; Oeter (0. Fn. 12), S. 572 f. Anders verhielte es sich mit einer speziell auf das Grundgesetz ausgerichteten Bundesstaatsrechtslehre, die jedoch bislang aussteht; vgl. neuerdings aber Edin arcevic, Das Bundesstaatsprinzip, 2000, insb. S. 230 ff. unter Hinweis auf das Doppelstaatlichkeitsgebot, das Mitwirkungsgebot, das Homogenitätsgebot, das Einheitsgebot, das Rangverhältnisgebot sowie das Zusammenwirkungsgebot und zugleich mit einem ernüchterndem Gesamtergebnis. 25 Vgl. dazu frühzeitig Ulrich Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, S. 641 ff. (S. 641): Der Bundesstaat kann "immer nur am konkreten Einzelfall wirklich erfasst" werden; sein "Bild muss viel eher von einer historisch-pragmatischen Betrachtung als von einer Theorie her aufgebaut werden". 26 Klaus Stern, Die föderative Ordnung im Spannungsfeld der Gegenwart, in: Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, 1975, S. 15 ff. (S. 22); ders. (0. Fn. 12), S. 659. 27 Fritz Ossenbühl, Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, DVBI. 1989, S. 1230 ff. (S. 1230); Berlit (0. Fn. 3), S. 66,98 ff.; aus der weiter zurückliegenden
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damit für den Bundesstaat den Charakter der Verfassung als Rahmenordnung 28 . Das schließt bis hin zu Verfassungsänderungen weitläufige Gestaltungsalternativen ein und verleiht dem deutschen Föderalismus eine eigengeartete Dynamik29 und Entwicklungsoffenheit3o . 2. Entwicklungstendenzen des deutschen Föderalismus Im holzschnittartigen Rückblick werden die einzelnen Entwicklungsphasen oftmals durch deskriptive Tendenzbegriffe31 erfasst, die unterschiedliche Leitvorstellungen abbilden 32 • Im einzelnen: a) Separativer Föderalismus
In der Frühphase der Bundesrepublik Deutschland orientierte sich die bundesstaatliche Ordnung an dem Leitbild eines "separativen Föderalismus·m . Konzeptionell sind im separativen Föderalismus zum einen sämtliche staatlichen Aufgaben zwischen Bund und Ländern streng geteilt (SepaLiteratur vgl. z.B. Scheuner, DÖV 1962, S. 641 ff.; ders., Wandlungen im Föderalismus der Bundesrepublik, DÖV 1966, S. 513 ff.; ders., Kooperation und Konflikt, Das Verhältnis von Bund und Ländern im Wandel, DÖV 1972, S. 585 ff. 28 Vgl. allgemein zum Verständnis der Verfassung als Rahmenordnung ErnstWolfgang Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation - Bestandsaufnahme und Kritik, NJW 1976, S. 2089 ff. (S. 2091, 2099); speziell zur Finanzverfassung Joachim Wieland, Die verfassungsrechtliche Rahmenordnung des Finanzausgleichs, Jura 1988, S. 410 ff. (S. 418). 29 Ossenbühl, DVBI. 1989, S. 1230 ff. (S. 1233): "dynamisches Organisationsmodell, das sich in ständiger Bewegung befindet und eine erhebliche Toleranzbreite für Entwicklungen eröffnet"; vgl. allgemein auch Arthur Benz, Föderalismus als dynamisches System, 1985. 30 Vgl. zur Notwendigkeit, "das relative Gewicht von Zentralstaat und Gliedstaaten jeweils neu auszutarieren", auch Schuppert (0. Fn. 7), S. 944. 31 Bauer (0. Fn. 4), Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 18; vgl. auch Ansgar Hense, Bundeskulturpolitik als verfassungs- und verwaltungsrechtliches Problem, DVBI. 2000, S. 376 ff. (S. 383) mit zutreffendem Hinweis darauf, dass solche Tendenzbegriffe für sich genommen nicht geeignet sind, die grundgesetzliche Ordnung des Bundesstaates in ihrem Gefüge vollkommen zu erfassen; Anna Leisner, Europa als Wettbewerbsgemeinschaft von Staaten - Kompetitiver Föderalismus und europäische Integration, in: Paul Kirchhof u. a. (Hrsg.), Festschrift für Klaus Vogel, 2000, S. 593 ff. (S. 602): kooperativer Föderalismus als suggestiver "Beschreibungsbegriff'. 32 Vgl. zum Folgenden - in Terminologie, Periodisierung und Sache allerdings teilweise voneinander abweichend - Ossenbühl, DVBI. 1989, S. 1230 ff. (S. 1233); Hans-Peter Schneider, Die bundesstaatliche Ordnung im vereinigten Deutschland, NJW 1991, S. 2448 ff.; Häberle (0. Fn. 15), S. 208 ff. 33 Vgl. zu dieser Kennzeichnung etwa Werner Thieme, Vierzig Jahre Bundesstaat, DÖV 1989, S. 499 ff. (S. 508), nach dessen Einschätzung der separative Föderalismus die 50er und 60er Jahre "beherrscht hat".
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ration nach dem Grundgedanken eines "Trennsystems"). Zum anderen erfolgt die Aufgabenteilung betont länderfreundlich (föderal), d.h. die Selbstständigkeit der Länder hervorhebend; normativ - wenn auch durch die Verfassungswirklichkeit rechtstatsächlich längst überholt - kommt dies noch heute in dem Regel-Ausnahme-Verhältnis der Zuständigkeitsverteilung (Art. 30, 70, 83 GG) zum Ausdruck, wonach Länderzuständigkeit Grundsatz, Bundeszuständigkeit hingegen Ausnahme ist. Dem entspricht - drittens - ein finanzverfassungsrechtliches Trennsystem, das in das Grundgesetz mit einer ursprünglich strengen Abscheidung von Aufgaben, Ausgabenverantwortung und Steuereinnahmen des Bundes und der Länder Eingang fand 34 . Völlig "reinrassig" und verschränkungsfrei durchgehalten war das separative Grundmuster freilich von Anbeginn nicht; die Institution des Bundesrates ist dafür ein Beleg 35 . b) Unitarischer Bundesstaat
Die historisch wohlbegründete 36 klare föderale Trennung der Verantwortungsbereiche wurde bereits Anfang der 50er Jahre unterlaufen 37 und seither - teils mit, teils ohne Verfassungsänderung - zunehmend relativiert. Die Konzentration staatlicher Aufgaben beim Bund, die - frühzeitig durch die zurückhaltende Spruchpraxis zur Bedürfnisklausel (Art. 72 Abs. 2 GG a. F.)38 unterstützte - intensive Inanspruchnahme von Gesetzgebungsbefugnissen durch den Bund, der Ausbau der Bundesverwaltung und wachsender Einfluss des Bundes auf die Landesverwaltung, die rechtsvereinheitlichend wirkende Rechtsprechung, aber auch Selbstkoordinierung von Bund und Ländern auf vertraglichen 39 und informellen Wegen signalisieren schon für die 50er Jahre eine Abkehr vom Modell des separativen Föderalismus, die 34 Dazu (und zu Ausnahmen) knapp Wemer Heun, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 2000, Vorb. z. Art. l04a-115 Rn. 6 f. m.w.N.; näher Hasso Hofnumn, Die Entwicklung des Grundgesetzes nach 1949, in: HStR I, 1987, § 7 Rn. 62 ff.; eingehend Klaus Vogel/Christian Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorb. zu Art. l04a-115 (Zweitbearb. 1997/1998) Rn. 199 ff. m. w.N.; allgemein zu den Wechselbeziehungen zwischen "Föderalismustypen und Typen der Finanzverfassung" Gunnar Folke Schuppert, Maßstäbe für einen künftigen Finanzausgleich, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, S. 26 ff. (S. 30 ff.); ders. (0. Fn. 7), S. 945. 35 Ossenbühl (0. Fn. (8), S. 152. 36 Vgl. Hofmann (0. Fn. 34), § 7 Rn. 62 unter Hinweis auf den nationalsozialistischen Missbrauch zentraler Finanzwirtschaft, die Erinnerung an die schwache Finanzausstattung der Länder nach der Weimarer Reichsverfassung und Interventionen der Besatzungsmächte gegen den Aufbau einer starken Zentralgewalt. 37 Hofmann (0. Fn. 34), § 7 Rn. 63. 38 Die entscheidende Weichenstellung zur (prinzipiell) fehlenden Justitiabilität der Bedürfnisklausel erfolgte bereits 1953 (BVerfGE 2, 213 [224]).
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alsbald mit dem "unitarischen Bundesstaat" ebenso einflussreich wie einprägsam auf den Begriff gebracht wurde 40 ; finanzwirtschaftliches Komplement waren Mischfinanzierungen und Fondswirtschaft, die grundgesetzlich anfangs so nicht vorgesehen war und das ursprüngliche Modell an der finanzverfassungsrechtlichen Flanke attackierte41 . Die Modifikationen und Verformungen der ursprünglich föderalen Struktur konnten sich teils auf punktuelle Grundgesetzänderungen, teils auf interpretatorische Fortentwicklung der Verfassung stützen, bewegten sich teilweise aber auch zumindest am Rande des verfassungsrechtlich Zulässigen. Doch ist all dies nur ein Grund für den Trend zum unitarischen Bundesstaat. Unitarisierend wirkten vielmehr auch Veränderungen der sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen, namentlich die Erwartungshaltung der Bevölkerung, das vorwärtsdrängende Sozialstaatsprinzip und grundrechtliche Postulate mit ihren egalitärunitarisierenden Tendenzen42 sowie die unaufhaltsame Forderung nach Herstellung einer "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse", die selbst dort vereinheitlichend wirkte, "wo sie der Zentralisierung entgegenwirken sollte,,43. Eine gewisse Kompensation für die Einbußen an Ländereigenverantwortlichkeit brachte allerdings der u. a. durch die extensive Auslegung der Zustimmungsbedürftigkeit44 bewirkte Bedeutungszuwachs des Bundesrates, über den die Länder bei der Bundesgesetzgebung mitwirken. Am Ende erweist sich der unitarische Bundesstaat daher als Produkt eines Zusammenwirkens vieler Faktoren, in das neben Verfassungsrechtsänderungen insbesondere auch ein Wandel der Verfassungswirklichkeit und Entscheidungen der politischen Akteure auf Bundes- und Landesebene eingehen. c) Kooperativer Föderalismus
War die Entwicklung hin zum unitarischen Bundesstaat noch ein eher schleichender Umgestaltungsprozess, so wurde die Abkehr vom föderativen 39 Dazu insb. Hans Schneider, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen deutschen Bundesländern, DÖV 1957, S. 644 ff.; ders., Verträge zwischen Gliedstaaten im Bundesstaat, VVDStRL 19 (1961), S. I ff. 40 Konrad Hesse, Der unitarische Bundesstaat, 1962. 41 Vgl. Hofmann (0. Fn. 34), § 7 Rn. 64; VogellWaldhoff (0. Fn. 34), Vorb. zu Art. l04a-1l5 Rn. 203 ff., 207 ff. 42 Vgl. Emst-Wolfgang Böckenförde, Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie, in: Jürgen Jekewitz u. a. (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Schäfer, 1980, S. 182 ff. 43 Ossenbühl (0. Fn. 18), S. 151 ff. (Zitat: S. 152). 44 Auch dafür finden sich wichtige Weichen stellungen bereits in den 50er Jahren; vgl. BVerfGE 8, 274 (294 f.). Der Anteil der als Zustimmungsgesetz verkündeten Gesetze hat sich von 41,8% in der I. Legislaturperiode des Bundestages auf 59,5% in der 13. Legislaturperiode erhöht; Bundesrat (Hrsg.), Handbuch des Bundesrates für das Geschäftsjahr 200012001,2000, S. 290.
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Grundmuster der Anfangszeit im kooperativen Föderalismus zum Programm. Mitte der 60er Jahre galt die überkommene Form des Föderalismus vielen als überaltert - tendenziell ungeeignet für "eine zeitgemäße und zweckmäßige Erfüllung der staatlichen Aufgaben", "störendes Element der politisch-wirtschaftlichen Ordnung,,45. Für die Erneuerung des Bundesstaates aus dem (seinerzeitigen) "Geist der Gegenwart,,46 bot man die "Staatsidee des kooperativen Föderalismus" an, der als "aktives Staatsprinzip" einen "Ausgleich zwischen einer klaren Aufgabenabgrenzung ... und der bundesstaatlichen Kräftekonzentration" bewirken sollte: "Der Föderalismus unserer Zeit kann ... nUr ein kooperativer Föderalismus sein,,47. Die damalige Forderung nach einem beweglichen "System der Zusammenordnung und Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern und unter den Ländern,,48 verwirklichte sich - sofern nicht ohnehin längst etabliert - in vielfaltigen Formen des Zusammenwirkens49, die die Verfassungswirklichkeit bis heute prägen50 ; die Zahl der Bund-Länder-Kommissionen ist zwischenzeitlich auf über 300 angestiegen, und die Zahl der länderübergreifenden Gremien und Arbeitsgruppen soll sich auf über 900 belaufen51 . Der Trend zu Kooperation und Koordination ging auch am Grundgesetz nicht 45 Vgl. Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 1966, Tz. 75; das sog. Troeger-Gutachten war für viele der letzte äußere Anstoß für ein Umdenken. 46 Vgl. Adolf Hüttl, Kooperativer Föderalismus und Gemeinschaftsaufgaben, DVBI. 1967, S. 433 ff. (S. 435 f.). 47 Kommission für die Finanzreform (0. Fn. 45), Tz. 76 f. 48 Kommission für die Finanzreform (0. Fn. 45), Tz. 76; vgl. zum kooperativen Föderalismus auch Konrad Hesse, Aspekte des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik, in: Theo Riuerspach u. a. (Hrsg.), Festschrift für Gebhard Müller, 1970, S. 141 ff.; Gunter Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1971; Wolfgang Luthardt, Abschied vom deutschen Konsensmodell?, Aus Politik und Zeitgeschichte 13/1999, S. 12 ff.; Oeter (0. Fn. 12), S. 259 ff. m.w.N. 49 Vgl. Stern (0. Fn. 12), S. 754 f., der einerseits auf bereits praktizierte Kooperation und andererseits auf die mit dem kooperativen Föderalismus einhergehende Intensivierung und Vermehrung des Zusammenwirkens hinweist. 50 Vgl. Helmuth Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, 1984, S. 57 ff.; Hartmut KlaU, Interföderale Beziehungen im kooperativen Bundesstaat, VerwArch. 78 (1987), S. 186 ff.; Jost Pietzcker, Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, in: Christian Starck (Hrsg.), Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, 1988, S. 17 ff.; Walter Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: HStR IV, 1990, § 105; Christoph Vedder, Intraföderale Staatsverträge, 1996; Oeter (0. Fn. 12), S. 474 ff. 51 Johannes Rau, "Bewährt oder erstarrt? Unser föderatives System auf dem Prüfstand", in: Bundesrat (Hrsg.), 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent - Zur Struktur des deutschen Föderalismus, 1999, S. 17 ff. (S. 20) unter Hinweis auf eine in Baden-Württemberg erarbeitete Übersicht, aus der hervorgeht, dass Mitarbeiter aus baden-württembergischen Ministerien in insgesamt 928 länderübergreifenden Gremien und Arbeitsgruppen sitzen.
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spurlos vorbei, wie etwa die 1969 neu in das Grundgesetz52 aufgenommenen Gemeinschaftsaufgaben für Hochschulbau, Bildungsplanung und Forschungsförderung, Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (Art. 91a, 91b GG) zeigen53 . Vor allem aber schlug sich der kooperative Föderalismus im Abschnitt über das Finanzwesen nieder, nämlich in der fortgesetzten Preisgabe und Ergänzung des ursprünglichen Trennsystems durch ein (partielles) Verbundsystem; die ertragreichen Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuern wurden zu Gemeinschaftsteuern, die zwischen Bund und Ländern teils nach verfassungsrechtlich fixierten, teils nach einem variablen, durch Verhandlungen zu bestimmenden Schlüssel aufgeteilt werden 54 . Zusammen mit der Einschränkung der selbständigen und unabhängigen Haushaltswirtschaft der Länder bewirkte dies einen weiteren Zentralisierungsschub 55 . d) Reföderalisierter Bundesstaat?
Maximen und Praxis des kooperativen Föderalismus waren nie unumstritten 56 . Die Vorbehalte wuchsen mit der verstärkten Wahrnehmung problematischer Begleiterscheinungen der "Politikverflechtung im föderativen Staat"57. Als negative Folgen glaubte man u. a. mangelnde Effizienz, Dominanz der Fachbürokratien, Einschränkung des politischen Gestaltungsspielraums, Verständigungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner sowie Transparenz- und Kontrolldefizite ausmachen zu können 58 ; verfassungsrechtlich und -politisch negativ zu Buche schlägt aber vor allem die Ent52 Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzrefonngesetz) vom 12.5.1969, BGB!. I S. 359. 53 Zu den "Gemeinschafts aufgaben im Bundesstaat" siehe etwa die Berichte von Jochen Abr. Frowein und Ingo v. Münch auf der Salzburger Staatsrechtslehrertagung (VVDStRL 31 [1973], S. 13 ff., 51 ff.). 54 Vg!. Heun (0. Fn. 34), Vorb. zu Art. l04a-115, Rn. 8 ff.; VogellWaldhojf (0. Fn. 34), Vorb. zu Art. 104a-115 Rn. 212 ff., 216 ff.; Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, S. 26 ff. (S. 30). 55 Vg!. Hofmann (0. Fn. 34), § 7 Rn. 69. 56 Frühzeitig auf problematische Begleiterscheinungen aufmerksam machten u. a. Walter Leisner, Schwächung der Landesparlamente durch grundgesetzlichen Föderalismus, DÖV 1968, S. 389 ff.; Christian Heinze, "Kooperativer Föderalismus" und die Umbildung der Verfassung, in: Roman Schnur (Hrsg.), Festschrift für Ernst Forsthoff, 1972, S. 119 ff.; Gunter Kisker, Kooperation zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, DÖV 1977, S. 689 ff.; Böckenförde (0. Fn.42). 57 Joachim Jens Hesse (Hrsg.), Politikverflechtung im föderativen Staat, 1978; Fritz W. Scharpf/Bemd ReissertlFritz Schnabel, Politikverflechtung, 1976; dies. (Hrsg.), Politikverflechtung 11, 1977; Achim Ulrich Posse, Föderative Politikverflechtung in der Umweltpolitik, 1986; Fritz W. Scharpf, Optionen des Föderalismus in Deutschland und Europa, 1994, insb. S. 11 ff.
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machtung der (Bundes- und Landes-)Parlamente, weil kooperativer Föderalismus primär Exekutivföderalismus ist59 - die Parlamente verkommen zu "staatsnotariellen Ratifikationsämtem,,6o. Parallel zu dieser Grundsatzkritik führten sich verschärfende Schwierigkeiten etwa bei der Sicherung des Wirtschaftswachstums, der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und der Förderung des technologischen Fortschritts zu einer verstärkten Konfrontation und Konfliktbereitschaft der Akteure im Bundesstaat61 , die bisweilen den Konkordanzföderalismus konterkarierten. Dies und anderes föderatives Unbehagen lösten in den 80er Jahren Vorstöße zu einer Reföderalisierung des Bundesstaates aus, die schon damals den "Konkurrenzföderalismus als zukunftsorientiertes Gestaltungsprinzip,,62 auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Trotz mancherlei Erfolge63 konnte die "Gegenstrategie" vorerst allerdings keine grundlegenden Terraingewinne verzeichnen; der Reformvorstoß mündete in den 80er Jahren eher in "Beschneidungen eines überwucherten kooperativen Föderalismus" als in die konsequente Umsetzung eines klaren Reformkonzepts 64 , obgleich eine gewisse Zunahme der Konfliktbereitschaft bis hin zu Auseinandersetzungen vor dem Bundesverfassungsgericht ein 58 Hartrnut Klatt, Parlamentarisches System und bundesstaatliche Ordnung, Aus Politik und Zeitgeschichte B 31/1982, S. 3 ff. (S. 8 ff.); ders., Refonn und Perspektiven des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland, Aus Politik und Zeitgeschichte B 28/1986, S. 3 ff. (S. 8 f.). 59 Klatt, Aus Politik und Zeitgeschichte B 31/1982, S. 3 ff. (S. 10 ff.). 60 So Ossenbühl (0. Fn. 18), S. 155 zu den Landesparlamenten unter Hinweis auf Helmut Lenz. 61 Dazu Hans-Peter Schneider, Kooperation, Konkurrenz oder Konfrontation? Entwicklungslinien des Föderalismus in der Bundesrepublik, in: Arno Klönne u. a., Lebendige Verfassung - das Grundgesetz in Perspektive, 1981, S. 91 ff. (S. 113 ff.); ders., NJW 1991, S. 2448 ff. (S. 2450); weitsichtig Scheuner, DÖV 1972, S. 585 ff. (S. 591). 62 Klatt, Aus Politik und Zeitgeschichte B 31/1982, S. 3 ff. (S. 21 ff.). 63 Vgl. Klatt, Aus Politik und Zeitgeschichte B 3111 982, S. 3 ff. (S. 23 f.), der u. a. darauf hinweist, dass sich finanzstarke wie finanzschwache Länder der Angebotsdiktatur des Bundes teilweise widersetzt und einzelne Bund-Länder-Programme abgelehnt haben, im Zwischenländer-Bereich Anzeichen für eine nachlassende Selbstkoordinierung zu beobachten seien und die Ministerpräsidenten für eine Bereinigung des vertikalen Verflechtungssystems plädiert hätten. 64 Ossenbühl (0. Fn. 18), S. 158. Anders als in den 50er, 60er und 70er Jahren, in denen durchgängig Verfassungsänderungen zu beobachten sind, die (auch) Elemente der bundesstaatlichen Ordnung zum Gegenstand hatten, findet sich in den 80er Jahren bezeichnenderweise keine einzige Grundgesetzänderung mit bundesstaatlichem Regelungsgehalt. Nach Einschätzung von Klatt, Aus Politik und Zeitgeschichte B 31/1982, S. 3 ff. (S. 22), setzte die seinerzeitig.e Gegenstrategie des Konkurrenzföderalismus freilich auch nicht notwendig eine Anderung des Verfassungsrechts voraus, weil ihr verfassungspolitisches Konzept auf eine restriktive Wahrnehmung der Rechte und Instrumente im bestehenden (!) Kooperationssystem ziele.
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rauer gewordenes föderatives Klima signalisiert - "Staatshaftungsgesetz,,65, "Finanzausgleich,,66, "Fernsehrichtlinie,,67 und "atomrechtliche Weisungen,,68 belegen dies stichwortartig. Am Ende fand sich die These, der unitarische Konkordanzföderalismus habe sich in einen Konkurrenzföderalismus zurückverwandelt69 , jedenfalls nur vereinzelt. Statt dessen dominierte nach 40 Jahren Grundgesetz die Einschätzung, der "Elan der Reföderalisierung" sei "offenbar zum Stillstand gekommen,,70, der kooperative Föderalismus habe sich "trotz einiger Mängel als funktionstüchtig erwiesen,,71. Wie auch immer: Der reföderalisierte Bundesstaat blieb zunächst weitgehend unrealisiert! e) Erschütterter Bundesstaat Jedenfalls wurden die Reföderalisierungsimpulse überlagert durch das Großereignis der Wiedervereinigung. Denn das Konzept eines Konkurrenzföderalismus hätte den neuen Ländern in allen Politikfeldern "mangels Wettbewerbsfähigkeit Steine statt Brot"n gegeben und musste schon allein deshalb vorerst zurückgestellt werden. Doch ist der deutsche Föderalismus in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts nicht nur durch die säkularen Herausforderungen der deutschen Einheit geprägt. Weitere "Erschütterungen,,73 brachten die spätestens mit der Einheitlichen Europäischen Akte ins allgemeine Bewusstsein getretenen Gefährdungslagen des fortschreitenden Prozesses europäischer Integration. Zusammen mit erneuten Reföderalisierungsbeben haben Wiedervereinigung und Europäisierung das Erscheinungsbild der bundes staatlichen Ordnung nachhaltig verändert, auch wenn sich die Entwicklung unter keinen einheitlichen Leitbegriff rubrizieren lässt74 . BVerfGE 61, 149 (173 ff.). BVerfGE 72, 330 (382 ff.). 67 BVerfGE 80, 74 (79 ff.); die abschließende Entscheidung in Sachen "EG-Fernsehrichtlinie" (BVerfGE 92, 203 [230 ff.]) geht auf Vorgänge in den 80er Jahren zurück. 68 BVerfGE 81, 310 (330 ff.); 84, 25 (31 ff.). 69 Schneider, NJW 1991, S. 2448 ff. (S. 2450). 70 Ossenbühl (0. Fn. 18), S. 158. 71 Thieme, DÖV 1989, S. 499 ff. (S. 508). 72 Schuppen, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, S. 26 ff. (S. 31). 73 Vgl. Scharpf (0. Fn. 57), S. 51, der von einer "doppelten Erschütterung" des bisherigen bundesstaatlichen Gleichgewichts durch die deutsche Vereinigung und die Vollendung des Binnenmarkts spricht; ferner Hense, DVBI. 2000, S. 376 ff. (S. 380). Zu den Rückwirkungen der fortschreitenden europäischen Integration auf Zuständigkeiten und Aufgaben der Länder siehe aus jüngerer Zeit etwa Dietmar O. Reich, Zum Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der deutschen Bundesländer, EuGRZ 200 I, S. I ff. 65 66
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aa) Solidarischer Föderalismus Die beitrittsbedingten Änderungen des Grundgesetzes 75 namentlich in der Präambel und bezüglich der Zusammensetzung des Bundesrates lassen die sehr ambivalenten Auswirkungen der Wiedervereinigung für die Fortentwicklung des deutschen Föderalismus allenfalls ansatzweise erkennen. Einerseits: Die gegebenen Umstände verlangten in den neuen Ländern Aufbauhilfen nicht nur finanzieller, sondern auch personeller, sachlicher und logistischer Art. Zur Bewältigung der Herausforderungen lag es nahe, verstärkt auf Formen des kooperativen Föderalismus zurückzugreifen und gegebenenfalls auch neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln76 - der kooperative Föderalismus erlebte eine neue Blüte, die ganz im Zeichen sog. "bündischer Solidarität,,77 stand und bereits erkennbar gewordene Reformanstöße "auf Zeit"78 in den Hintergrund treten ließ. Andererseits ist die Wiedervereinigung hervorzuheben wegen der im Einigungsvertrag enthaltenen Empfehlung, die bundesstaatliche Ordnung entsprechend dem sog. "Eckpunkte-Papier" der Ministerpräsidenten von 1990 zu überprüfen 79 . Dieses Papier intendierte aber nicht weniger als eine Strukturreform im Sinne eines "entschieden föderativ geprägten Bundesstaates". Mit an der Spitze der Wunschliste stand eine Revision der Finanzverfassung 8o . Dazu ist es 74 Bezeichnenderweise hat sich für die Entwicklungsphase der 90er Jahre bislang kein allgemein anerkannter Sammelbegriff herauskristallisiert. So spricht etwa Häberle mit Blick auf die Entwicklung im Gefolge der Wiedervereinigung vom "fiduziarischen" und "gespaltenen Föderalismus" ([0. Fn. 15], S. 210), während Schneider die mit der Wiedervereinigung entstandene Lage unter dem Stichwort "Föderatives Ungleichgewicht" zusammenfasst (NJW 1991, S. 2448 ff. [So 2450]). Die Frage nach einem ",europäischen Föderalismus', der die 90er Jahre prägen könnte", ist frühzeitig u. a. bei Thieme aufgeworfen worden (DÖV 1989, S. 499 ff. [So 508]); vgl. auch Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Europäischer Föderalismus, 2000. 75 Art. 4 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands Einigungsvertrag - vom 31.8.1990 (BGBI. II S. 889) mit Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990 (BGBI. 11 S. 885). 76 Dazu näher Dittmann (0. Fn. 4), § 205 Rn. 34 ff. 77 Vgl. zum "bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft", zur "bundesstaatlichen Solidargemeinschaft" und zum sog. "bündischen Prinzip" des Einstehens bzw. Eintretens füreinander in finanzverfassungsrechtlichem Kontext bereits BVerfGE 72, 330 (386 f., 397 f.); ferner nach der Wiedervereinigung BVerfGE 86, 148 (214, 255, 261, 264); 101, 158 (221 f., 233); verallgemeinert etwa bei Ouo Depenheuer, Das soziale Staatsziel und die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West, in: HStR IX, 1997, § 204 Rn. 58 f., 60 ff., 109 ff. 78 Häberle, Die Verwaltung 24 (1991), S. 169 ff. (S. 177). 79 Art. 5 Einigungsvertrag (0. Fn. 75); der dort angesprochene Gemeinsame Beschluss der Ministerpräsidenten "Eckpunkte der Länder für die bundesstaatliche Ordnung im vereinten Deutschland" ist abgedruckt als Anlage zur rheinland-pfälzischen LT-Drucks. 11/4466.
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nach den Solidarpaktverhandlungen nicht mehr gekommen; das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms 81 unterlief - auf Anregung und mit Unterstützung der Länder - die Verfassungsreform, trägt der fortbestehenden Sondersituation der neuen Länder in der überkommenen Finanzausgleichssystematik Rechnung und zeigt gleichsam im finanzverfassungsrechtlichen Spiegelbild fortwährende strukturelle föderative Ungleichgewichte, die auf absehbare Zeit einem ungehemmten Wettbewerb entgegenstehen und einen solidarischen Föderalismus einfordern. bb) Reformierter Föderalismus Anders als im finanzverfassungsrechtlichen Regelungsbereich, in dem die föderativen Verteilungskämpfe zwischen Bund und Ländern mittlerweile für erneute Reformforderungen sorgen 82 , blieb Art. 5 Einigungsvertrag in anderen Segmenten der bundesstaatlichen Ordnung nicht wirkungslos, mögen die diesbezüglichen Grundgesetzänderungen auch hinter den Erwartungen des Eckpunktepapiers zurückbleiben. Hervorzuheben ist die im Oktober 199483 erfolgte Verfassungsreform84, mit der u. a. im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Voraussetzungen für die Bundesgesetzgebung ver80 Zur damaligen Diskussion über die "Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands" siehe etwa die Berichte von Peter Selmer und Ferdinand Kirchhof auf der Bayreuther Staatsrechtslehrertagung (VVDStRL 52 [1993], S. 10 ff., 71 ff.); ferner Joachim Wieland, Einen und Teilen, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, DVB!. 1992, S. 1181 ff.; zur Vertagung der Verfassungsreform und zu der schlussendlich realisierten einfachgesetzlichen Lösung Näheres bei Peter Badura, Die Finanzverfassung im wiedervereinigten Deutschland, in: Jörn Ipsen u.a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, 1995, S. 3 ff., und Hartmut Bauer, Die finanzverfassungsrechtliche Integration der neuen Länder, in: HStR IX, 1997, § 206 Rn. 47 ff., 50 ff. 81 Gesetz über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG) vom 23.6.1993 (BGB!. I S.944). 82 Vg!. dazu etwa Ferdinand Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Ausgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen?, Verhandlungen des 61. Deutschen Juristentages, Bd. I, 1996, Gutachten D; Vogel/Waldhoff (0. Fn. 34), Vorb. zu Art. l04a115 Rn. 263 ff.; Hans-Peter Schneider, Nehmen ist seliger als Geben. Oder: Wieviel "Föderalismus" verträgt der Bundesstaat?, NJW 1998, S. 3757 ff.; Heun (0. Fn. 34), Rn. 9 m. w. N. 83 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 3, 20a, 28, 29, 72, 74, 75, 76, 77,80,93,97, 118a und 125a) vom 27.10.1994, BGB!. I S. 3146. 84 Dazu Hans Huga Klein, Kontinuität des Grundgesetzes und seine Änderung im Zuge der Wiedervereinigung, in: HStR VIII, 1995, § 198 Rn. 73 ff.; Kirsten Schma-
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schärft, die Regelungsgegenstände - freilich nicht nur zugunsten der Länder - verändert und eine Rückholklausel eingeführt, sowie im Bereich der Rahmengesetzgebung detailliertere Direktiven für Rahmenvorschriften aufgenommen wurden. Zusammen mit weiteren Grundgesetztextänderungen handelt es sich dabei um föderative Akzentverschiebungen in Richtung auf den von den Ländern angestrebten reformierten Föderalismus, obschon nachhaltig wirksame Justitiabilitäts-Härtetests des Gesamtregelungswerks noch ausstehen. Letzteres betrifft insbesondere eines der "Herzstücke"85 der seinerzeitigen Verfassungsreform, nämlich die Ablösung der alten Bedürfnisklausel durch die neue Erforderlichkeitsklausel in Art. 72 Abs. 2 GG, die mitunter als ein Ansatzpunkt für die Realisierung des kompetitiven Bundesstaates gefeiert wird 86 . Die praktischen Konsequenzen der Reform bleiben abzuwarten. Völlig wirkungslos werden sie nicht bleiben; immerhin hat schon jetzt der 1994 neu in die Verfassung eingefügte Art. 75 Abs. 2 GG in der Verfassungspraxis dazu beigetragen, dem Bund das Gesetzgebungsrecht für ein Umweltgesetzbuch abzusprechen 87 . cc) Europäisierter Föderalismus Seine innere Reformfähigkeit hat der deutsche Föderalismus auch bei der Anpassung der bundesstaatlichen Ordnung an die spezifischen Anforderungen der Europäischen Integration bewiesen. Im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Vertrages über die Europäische Union ist er namentlich durch den neu eingefügten Art. 23 GG äußerlich endgültig erkennbar zum europäisierten Föderalismus mutiert. In der Sache europäisiert war er schon lange zuvor; doch hat die Grundgesetzänderung die Bewahrung der bundesstaatlichen Ordnung jenseits von elastisch-notdürftigen Behelfslösungen aus Briefwechseln zwischen Bundeskanzler und Vorsitzendem der Ministerpräsidentenkonferenz auf der Grundlage des zwischen Bund und Ländern bestehenden Treueverhältnisses, des Zustimmungsgesetzes zur einheitlichen europäischen Akte und der Bundestreue innerstaatlich auf ein solides verfassungsrechtliches Fundament gestellt und dort namentlich das Subsidiarilenbach, Föderalismus und Unitarismus in der Bundesrepublik Deutschland, 1998; vgl. auch Berlit (0. Fn. 3), S. 73 ff. 85 Stefan Deter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (0. Fn. I), Art. 72 Rn. 87 m. w. N.,
der mit einiger Berechtigung die Leistungsfähigkeit der Neuregelung bezweifelt (Rn. 87 ff., 91 ff., 112 ff.); vgl. auch Christoph Neumayer, Der Weg zur neuen Erforderlichkeitsklausel für die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes (Art. 72 Abs. 2 GG), 1999, S. ISS ff. 86 Calliess (0. Fn. 2), S. 305 ff., 308 ff. 87 Vgl. Christof Gramm, Zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein Umweltgesetzbuch - Zugleich ein Beitrag zur Auslegung von Art. 75 Abs. 2 GG, DÖV 1999, S. 540 ff.
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tätsprinzip abgesichert88 . Auffallend ist freilich, dass die Verfassungsänderung nicht in ein Länderbeteiligungsverfahren, sondern in ein normativ institutionalisiertes Verfahren zur Beteilung des Bundesrates mündete und die für eine effektive Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates eingerichtete Europakammer (Art. 52 Abs. 3a GG) nur selten bemüht wird 89 . f) Zusammenfassende Würdigung
Bei einer zusammenfassenden Betrachtung der zurückliegenden Entwicklung stechen namentlich vier Aspekte besonders hervor: Erstens: Der bundesdeutsche Föderalismus hat sich über die Jahrzehnte hinweg wiederholt beträchtlich verändert. Seine hohe Anpassungsfähigkeit versetzte ihn in die Lage, ein jeweils als zeitgemäß empfundenes Bundesstaatsverständnis auszubilden und für aktuelle Problemlagen neue Lösungen zu generieren. Strukturell unterscheiden sich die dabei verfolgten Leitbilder grundlegend; sie reichen vom separativen über den unitarischen und den kooperativen bis hin zum reföderalisierten Bundesstaat, ohne freilich jemals in Reinform verwirklicht zu sein. Für die Rechtsentwicklung der jüngeren Vergangenheit ist kein homogenes Leitbild erkennbar. Vielmehr finden sich Anzeichen für einen solidarischen und reformierten Bundesstaat ebenso wie für einen europäisierten Föderalismus; sie sind Reaktion auf vornehmlich bereichsspezifische politische Herausforderungen der Zeit und deuten darauf hin, dass der deutsche Föderalismus offenbar partiell nach einer neuen Orientierung sucht, dass sich in der bundesstaatlichen Ordnung ein konzeptioneller Kurswechsel abzeichnet. Zweitens: Obschon "das Grundgesetz den Bau- und Funktionsplan des Bundesstaates relativ genau vorgibt"90, sind für die einzelnen Entwicklungsschübe nicht allein ausdrückliche Verfassungstextrevisionen verantwortlich. Ausschlaggebend für die skizzierten Veränderungen waren vielmehr oftmals auch die Verfassungspraxis und das einfach-rechtliche Regelungswerk einschließlich der Leitmotive, die sie verfolgen91 . Die Föderalismusentwick88 Zu den Einzelheiten der "Vorläuferregelungen" Bauer (0. Fn. 23), S. 198 ff. m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 92, 203 (230 ff.). 89 Vgl. Bundesrat (0. Fn. 44), S. 294; zu Problemen in der Rechtspraxis siehe Wolfgang Fischer/Claus Dieter Koggel. Die Europakammer des Bundesrates, DVBI. 2000, S. 1742 ff. 90 Isensee (0. Fn. 4), § 98 Rn. 6, der in Rn. 5 darauf hinweist, dass die "unmittelbar oder mittelbar bundesstaatsrelevanten Bestimmungen ... gut die Hälfte des Verfassungstextes" ausmachten. 91 Vgl. zur Bedeutung der bundesstaatlichen Praxis für die Verfassungsinterpretation etwa lsensee (0. Fn. 4), § 98 Rn. Il ff.; Hans-Jürgen Papier, 50 Jahre Bundesstaatlichkeit nach dem Grundgesetz - Entwicklungslinien und Zukunftsperspektiven,
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lung ist dadurch an den demokratischen Prozess zurückgebunden, in dem regelmäßig über die konkrete Ausgestaltung der bundesstaatlichen Ordnung entschieden wird. Drittens: Veränderungen der bundesstaatlichen Ordnung im Allgemeinen korrespondieren regelmäßig mit Änderungen der Finanzverfassung im Besonderen 92 . Dies ist vor allem deshalb zu betonen, weil den Verfassungsänderungen der 90er Jahre keine Änderung der Finanzverfassung gegenübersteht; das indiziert einen gewissen Nachholbedarf. Viertens: Als übergreifende Grundströmungen der zurückliegenden Entwicklungsphasen wurden wiederholt zunehmende Unitarisierung und Verflechtung festgestellt, die zu einer "Diffusion von Verantwortlichkeit" mit entsprechenden Gefahren für das bundesstaatliche und das demokratische Prinzip führten 93 . Dem ist zuzugeben, dass gegenüber der ursprünglichen Konzeption des Grundgesetzes mit Unitarisierung und Verflechtung prägende Faktoren der zwischenzeitlichen Rechtsentwicklung herausgestellt sind. Doch ist die Bundesrepublik Deutschland deshalb nicht - wie gelegentlich behauptet - zu einem "Pseudo-Föderalismus", einem "versteckten Zentralismus,,94 oder gar zu einem "verkappten Einheitsstaat,,95 verkommen. Abgesehen von gegenläufigen Strömungen 96 dürfte bei einer Realanalyse über die Jahre hinweg weit mehr bundesstaatliche Vielfalt und Innovationskraft auszumachen sein als gemeinhin wahrgenommen wird. Trotz aller Homogenitätsanforderungen finden sich Unterschiede bereits im Landesverfassungsrecht97 ; jüngstes Beispiel ist die Aufnahme einer Unionsbürgerklausel in die Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz, von der für in: Bundesrat (0. Fn. 51), S. 341 ff. (S. 342); und zur Bedeutung von Vorverständnissen Deter (0. Fn. 12), S. 572 f., sowie oben bei Fn. 26 ff. 92 Vgl. Schuppert, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993, S. 26 ff. (S. 30); Klaus-Dirk Henke/Gunnar Folke Schuppert, Rechtliche und finanzwissenschaftliche Probleme der Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern, 1993, insb. S. 30 ff. 93 Dazu aus jüngerer Zeit insb. Deter (0. Fn. 12); ferner Christo! Gramm, Gewaltenverschiebungen im Bundesstaat, AÖR 124 (1999), S. 212 ff. (S. 215 f.); Ursula Münch, Entwicklung und Perspektiven des deutschen Föderalismus, Aus Politik und Zeitgeschichte B 13/1999, S. 3 ff. (S. 4 ff.); sowie unlängst Georg-Bemdt Dschatz, Kooperativer Zentralismus, in: Detle! Merten (Hrsg.), Der Bundesrat in Deutschland und Österreich, 2001, S. 135 ff. 94 Vgl. zu diesen Kennzeichnungen nur das Streitgespräch zwischen Edmund Stoiber und Carl Christian v. Weizsäcker vom Februar 1998, in: Männ1e (0. Fn. 2), S. 149 ff. 95 Heidrun Abromeit, Der verkappte Einheitsstaat, 1992. 96 Dazu oben II.2.d) und e) bb). 97 Vgl. Wolfgang Gra! Vitzthum, Die Bedeutung gliedstaatlichen Verfassungsrechts in der Gegenwart, VVDStRL 46 (1988), S. 7 ff.; Christian Starck, Die Verfassungen der neuen Länder, in: HStR IX, 1997, § 208. Vgl. zur Aufwertung von
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andere Länder und den Bund Signale ausgehen könnten98 . Noch sichtbarer wird die föderative Vielfalt bei der gebotenen Verknüpfung der Vogelperspektive verfassungsrechtlicher und -politischer Föderalismusdiskussionen mit der Froschperspektive des Verwaltungsrechts99 . Eingehendere UntersuLandesverfassungsrecht und Landesverfassungsgerichtsbarkeit auch BVerfGE 96, 345. 98 Art. 1 Nr. 4 des Vierunddreißigsten Landesgesetzes zur Änderung der Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 8.3.2000 (GVBI. S. 65); dazu Siegfried Jutzi, Verfassungsreform in Rheinland-Pfalz, NJW 2000, S. 1295 ff. (S. 1296); Näheres bei Jörg Lücke, Zur Europarechtskonformität der Deutschen-Grundrechte, EuR 200 I, S. 112 ff., und Hartmut Bauer, Zur Aufnahme einer Unionsbürgerklausel in das Grundgesetz, in: Max-Emanuel GeislDieter Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Hartrnut Maurer, 2001, S. 13 ff. m.w.N. 99 Schon im Allgemeinen Verwaltungsrecht ist etwa das Rechtsetzungsprojekt "VerwaItungsverfahrensgesetz" kein Musterbeispiel für schlichte Simultangesetzgebung von Bund und Ländern (zu den Besonderheiten der schleswig-holsteinischen Entwicklung, die nicht das einzige Beispiel für fehlende Simultangesetzgebung liefern, siehe etwa Walter Klappstein, Das Landesverwaltungs~.esetz Schieswig-Holstein und das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, NordOR 2000, S. 143 ff.); nichts anderes gilt für das Verwaltungsvollstreckungsrecht (vgl. nur Michael App, Die Struktur der Verwaltungsvollstreckungsgesetze, DÖV 1991, S. 415 ff.) und das Staatshaftungsrecht (dazu z. B. Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 1999, S. 770 ff.). Das Besondere Verwaltungsrecht bestätigt diesen Befund. So kannte und kennt die Landesgesetzgebung - ungeachtet diverser Musterentwürfe im Kommunalrecht traditionelle Gestaltungsvarianten ebenso wie im Polizei- und Ordnungsrecht (vgl. nur etwa Eberhard Schmidt-Aßmann, Kommunalrecht, in: ders. [Hrsg.], Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, S. I ff. [So 30 ff., 42 ff.]; Karl Heinrich Friauj, Polizei- und Ordnungsrecht, ebenda, S. 105 ff. [So 115, 118 f.D, schlägt dort aber auch bei moderneren Problemstellungen wie der "Aktivierung der Zivilgesellschaft" für die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit völlig unterschiedliche Wege ein (vgl. Hartmut Bauer, Public Private Partnerships als Erscheinungsformen der kooperativen Verwaltung - Zugleich ein Beitrag zu Police Private Partnership, in: Rolf Stober [Hrsg.], Public-Private-Partnerships und Sicherheitspartnerschaften, 2000, S. 21 ff. [So 38 ff.] m.w.N.). Im Wasserrecht gingen gesetzgeberische Privatisierungsimpulse in Richtung "Public Private Partnership" schon vor rund 20 Jahren vornehmlich von Niedersachsen aus, bevor sie nach der Wende im Osten vielfach aufgegriffen wurden, um dann auch im Westen Karriere zu machen (Näheres bei Hartmut Bauer, Privatisierungsimpulse und Privatisierungspraxis in der Abwasserentsorgung, VerwArch. 90 [1999]. S. 561 ff. m.w.N.), und zwar mit Vorbildwirkung für andere Segmente des Umweltrechts. Im Baurecht hat die Deregulierungs- und Beschleunigungswelle zwar alle Länder erreicht; sie haben darauf im binnenmarktbedingten Standortwettbewerb (dazu Hartmut Bauer/Marcus Pleyer, Europäisierung des Baurechts, in: Hartrnut Bauer u.a. [Hrsg.], 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, 2000, S. 603 ff. [So 611 f.] m.w.N.) aber zeitlich versetzt und mit einer sehr facettenreichen Gesetzgebung reagiert (vgl. dazu etwa die sorgfältige Studie von Jan-Christoph Krüger, Anzeige-, Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren im Bauordnungsrecht, Diss. Leipzig 1999) - usw. Es wäre von eigenem Reiz, die bundesstaatliche Vielfalt im Verwaltungsrecht eingehender aufzubereiten und in die (verfassungsrechtIiche) Föderalismusdebatte einzubringen. 4 Kloepfcr
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chungen der Ländergesetzgebung gelangen daher zu einem differenzierteren Ergebnis, in dem u. a. auch die Vorbildfunktion landesrechtlicher Regelungen für späteres Bundesrecht, inhaltlich voneinander abweichende Landesgesetze und "Innovationsfreude" der Landesgesetzgeber ihren festen Platz haben 100. Hinzu kommt bundesstaatliche Vielfalt beim Gesetzesvollzug durch die Landesverwaltungen lOl , wie sie seit langem etwa aus den Bereichen des Steuer- und Umweitrechts lO2 vertraut sind. Man kann mit guten Gründen darüber streiten, ob dieser Befund föderative Defizite aufweist oder nicht - in einen Einheitsstaat "umgekippt" ist die bundes staatliche Ordnung des Grundgesetzes deshalb jedoch noch lange nicht.
111. Kompetitiver Föderalismus als Leitbild der Zukunft? 1. Zur Programmatik des kompetitiven Föderalismus
Der eher facettenreiche Gesamtbefund hindert freilich viele nicht, die bundesstaatliche Ordnung als "Scheinföderalismus" abzustempeln und eine "Erneuerung des Föderalismus" im Sinne eines "echten und gestärkten Wettbewerbsföderalismus" anzumahnen 103. Die Aufgeschlossenheit für das - keineswegs neue lO4 - Gestaltungsprinzip ist verbreitet 105. Mitunter gleicht 100 Dazu Uwe Wettach, Ländergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland, 1994, u.a. an den Beispielen der Länderausführungsbestimmungen zu § 18a WHG, der Verfassungsschutzgesetze, der Polizei gesetze und der Sonn- und Feiertagsgesetze. Vgl. auch Oeter (0. Fn. 18), S. 130: "Die Gleichzeitigkeit der LER- und der Kruzifixdebatte sollte ... Anlass zur Besinnung sein, ob es mit der kulturellen Einheitlichkeit der Bundesrepublik wirklich schon so weit her ist wie in akademischen Publikationen vielfach behauptet". 101 Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen bundesstaatlicher Vielfalt in diesem Bereich zuletzt Heitsch (0. Fn. 17), S. 141 ff. m.w.N. 102 Vgl. zum Steuerrecht etwa Armin Dittmann, Gleichheitssatz und Gesetzesvollzug im Bundesstaat, in: Hartmut Maurer (Hrsg.), Festschrift für Günter Dürig, 1990, S. 221 ff. (S. 227 ff.); Holger Vogel, Ungleichheiten beim Vollzug von Steuergesetzen im Bundesstaat, 2000; zum Umweltrecht frühzeitig Helmut Müller, Landeskompetenzen im Umweltrecht, BayVBI. 1988, S. 289 ff. (S. 293). 103 Friedrich Naumann Stiftung, Wider die Erstarrung in unserem Staat - Für eine Erneuerung des Föderalismus, Vorschläge einer Experten-Kommission unter dem Vorsitz von Otto Graf Lambsdorff, paper 1998. 104 Darauf machten insb. Henke/Schuppert (0. Fn. 92), S. 35 ff. m. w. N., ebenso frühzeitig wie zutreffend aufmerksam. Aus der Literatur der 80er Jahre vgl. vor allem Klatt, Aus Politik und Zeitgeschichte B 31/1982, S. 3 ff. (S. 21): "Konkurrenzföderalismus als zukunftsorientiertes Gestaltungsprinzip"; ferner Schneider (0. Fn. 61); Rolf Stober, Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Bundesstaatsprinzips, BayVBI. 1989, S. 97 ff. 105 Vgl. neben der in Fn. 107 ff. nachgewiesenen Literatur z. B. Edzard SchmidtJortzig, Herausforderungen für den Föderalismus in Deutschland, DÖV 1998,
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die Begeisterung dem Enthusiasmus im Umfeld der verfassungsrechtlichen Institutionalisierung des kooperativen Bundesstaates lO6 : "Eine überzeugende Legitimationsgrundlage des Föderalismus" ist "nur noch in der innovationsfördernden Funktion eines politischen Wettbewerbs der Länder untereinander, aber auch gegenüber dem Bund zu sehen. Diese Funktion hat nichts mit der in den letzten Jahren schier unaufhaltsamen Entwicklung zum unitarischen Föderalismus zu tun, - setzt vielmehr genau auf das Gegenteil. Sie lässt sich mit den Stichworten ,Konkurrenzföderalismus' oder auch ,kompetitiver Föderalismus' beschreiben. Ein Konkurrenzföderalismus setzt auf Wettbewerb, auf Experimente sowie auf Bürgernähe" 107. 108. Der Ansatz dieses Anliegens findet in der politischen Arena breite Unterstützung - von Landtagspräsidenten 109 über Ministerpräsidenten 11 0 (auch der neuen Länder lll ) und Vertreter der Wirtschaft 112 bis hin zu Repräsentanten unterS. 746 ff.; Hans-Wolfgang Arndt, Aktuelle Probleme, Entwicklungstendenzen und Perspektiven des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland, in: Meier-Walser/Hirscher (0. Fn. 3), S. 27 ff.; Hartmut Klatt, Plädoyer für einen Wettbewerbsföderalismus, ebenda, S. 64 ff.; Hans-Günter Henneke, Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung - wann, wenn nicht jetzt?, Der Landkreis 2001, S. 167 ff. (S. 173 ff.); Gerhard Stratthaus, Grundsatzreferat, in: Bitburger Gespräche (0. Fn. 12), S. 5 ff. (S. 12 ff.); Dieter Fricke, Zum kooperativen Föderalismus, ebenda, S. 91 ff. (S. 103 ff.); zmückhaltend Arthur Benz, Der deutsche Föderalismus, in: Thomas Ellwein/Everhard Holtmann (Hrsg.), 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland, PVS Sonderheft 30/1999, S. 135 ff. (S. 150); Häberle, AöR 124 (1999), S. 549 ff. (S. 554 ff.); Paul Kirchhof, Bundesstaatlichkeit als Element des Verfassungsstaates, in: Merten (0. Fn. 93), S. 59 ff. (S. 63); Wilfried Berg, Bayern im Europa der Regionen, BayVBl. 2001, S. 257 ff. (S. 259 f.); kritisch Berlit (0. Fn. 3), S. 76 ff.; Schulze-Fielitz (0. Fn. 3); vgl. zur Reformdebatte auch Rainer-Olaf Schulze, Föderalismusreform in Deutschland: Widersprüche - Ansätze - Hoffnungen, ZfP 46 (1999), S. 173 ff.; Hans-Peter Schneider, Kooperation, Konkurrenz oder Konfrontation?, in: Bitburger Gespräche (0. Fn. 12), S. 23 ff. 106 Oben II.2.c). 107 Arndt (0. Fn. 2), S. 31 f.; im Original teilweise hervorgehoben. 108 Das führt zwangsläufig zu Unterschiedlichkeiten, die bereits als verfassungsrechtliches Gebot im Gespräch sind. Siehe dazu die Begründung des letzten badenwürttembergischen Normenkontrollantrages in Sachen "Finanzausgleich" (vgl. BVerfGE 101, 158) unter Hinweis auf die Eigenstaatlichkeit der Länder; der Text der Begründung ist auszugsweise abgedruckt bei Schuppert (0. Fn. 7), S. 947. Kritisch zu diesem Begründungsansatz der Normenkontrollanträge Hans Peter Bull, Finanzausgleich im "Wettbewerbsstaat", DÖV 1999, S. 269 ff. (S. 272 ff.). 109 Vgl. das am 23.5.2000 beschlossene Diskussionspapier (ZG, Sonderheft "Stärkung des Föderalismus", 2000, S. 4 ff.). 110 Vgl. Gemeinsame Positionen der Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen (0. Fn. 7); Stoiber (0. Fn. 10). 111 Reinhard Höppner, Reformen wagen, Zusammenhalt bewahren. Für einen solidarischen Wettbewerbsföderalismus, in: Bundesrat (0. Fn. 51), S. 9 ff. (insb. S. 15). 112 Zum Vorstoß des BDI-Präsidenten Olaf Henkel siehe etwa Klatt (0. Fn. 105), S. 64; Joachim Jens Hesse, Die bundesstaatliche Ordnung zwischen Vereinigung 4'
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schiedlicher parteipolitischer Couleur I \3; Empfehlungen diverser Studien und Kommissionen unterstützen diesen Trend 114. Zur näheren Konkretisierung des "Wettbewerbs im Bundesstaat" sind allerdings noch sehr heterogene Vorstellungen anzutreffen. Bisweilen klingen gedankliche Parallelen zur marktwirtschaftlichen Konkurrenz von Privatunternehmen an, in denen den Ländern die Rolle von "Unternehmen" im "Konzern Bund" zugewiesen ist l15 - (potentielle) Konkursfahigkeit tendenziell eingeschlossen 1 16. Das weckt naheliegende Vorbehalte gegen eine "Ökonomisierung" des Bundesstaatsrechts 117, zumal ein überzeugendes Gesamtkonzept für das Angebot öffentlicher Güter durch die gemeinwohlgebundenen 118 Rechtssubjekte "Bund" und "Länder" unter Wettbewerbsbedingungen noch aussteht 1 19. Bei genauerer Betrachtung dürfte es bei dem Projekt "Entthronung des Verbundföderalismus und Inthronisierung des und Europäisierung, in: Männle (0. Fn. 2), S. 41 ff. (S. 41); Ursula Männle, Die Zukunft des kooperativen Föderalismus in Deutschland, ebenda, S. 79 ff. (S. 79). 113 Siehe dazu nur die Zusammenstellung bei Klatt (0. Fn. 105), S. 64 f.; vgl. auch Rau (0. Fn. 51), S. 24. 114 Z. B. Adrian Ottnad/Edith Linnartz, Föderaler Wettbewerb statt Verteilungsstreit, 1997; Jahresgutachten 1997/98 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drucks. 13/9090, S. 185 ff. (insb. S. 194 ff.); Reformkommission Soziale Marktwirtschaft, Reform der Finanzverfassung, Juli 1998; OECD Wirtschaftsberichte 1997-1998 Deutschland, 1998, S. 80 ff.; Bertelsmann-Kommission (0. Fn. Il). m Barbara Stamm/Gerhard Merkl, Kompetitiver Föderalismus, Ordnungsprinzipien - historische und politische Grundlagen - politische Konsequenzen, ZRP 1998, S. 467 ff. (S. 469): "Nach dem Vorbild moderner Großkonzerne in der Wirtschaft müssen auch im öffentlichen Bereich Leistungen und Kosten der einzelnen Unternehmen (= Länder) im Konzern (= Bund) transparent sein". 116 Vgl. Stamm/Merkl, ZRP 1998, S. 467 ff. (S. 475): ,,Zu der Eigenverantwortung der Bevölkerung eines Landes zählt auch die Formierung leistungsstarker Länder. Wenn Bevölkerungen an ihrer Eigenstaatlichkeit festhalten, obwohl dies mit Beeinträchtigungen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung verbunden ist, müssen sie auch die Folgen tragen". 117 Zur ökonomischen Theorie des Föderalismus, von der wichtige Impulse für die aktuelle Reformdiskussion ausgehen, vgl. Stober, BayVBI. 1989, S. 97 ff.; Stefan Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 197 ff.; Thomas Lenk, Kooperativer Föderalismus - Wettbewerbsorientierter Föderalismus, in: Bitburger Gespräche (0. Fn. 12), S. 31 ff. (S. 42 ff. m.w.N.); vgl. auch Oeter (0. Fn. 18), S. 119 ff. jeweils m.w.N.; vgl. ferner allgemein zum fundamentalen Wandel hin zur Ökonomisierung des Staats- und Rechtsverständnisses Maximilian Wallerath, Der ökonomisierte Staat, JZ 2001, S. 209 ff.; Andreas Voßkuhle, "Schlüsselbegriffe" der Verwaltungsrechtsreform, Verw Arch. 92 (200 I), S. 184 ff. (S. 209 ff.). 118 Diesen Aspekt betont Bull, DÖV 1999, S. 269 ff. (S. 275). 119 Wolfgang Renzsch, Finanzausgleich und die Zukunft des Föderalismus, Loccumer Protokolle 60/98, S. 24 ff. (S. 34). Unklar bleibt auch, was Objekt der Begierde im Konkurrenzverhältnis ist: "Marktanteile", "Kunden", "Einwohner", "bes-
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Wettbewerbsföderalismus,,12o indes darum gehen, die Länder durch mehr Eigenständigkeit und mehr Eigenverantwortung zu stärken, zugleich Leistungsanreize zu schaffen und größtmögliche Effizienz zu erreichen. Das sind (überkommene I21 ) bundesstaatliche Maximen, die aus den bisherigen Diskussionen über Reföderalisierung und Bundesstaatsreform 122 vertraut sind. Demgemäß sprechen politische Vorkämpfer des kompetitiven Föderalismus auch von einer "Revitalisierung des Wettbewerbsföderalismus,,123 und stellen ihre Forderungen in eine Reihe mit solchen aus den 80er Jahren l24 . Gleichwohl wäre es verfehlt, die derzeitige Grundsatzdebatte lediglich als erneutes Auflodern konventioneller Föderalismuskritik "abzuhaken". Dagegen spricht schon die weitläufige Zusammensetzung der "Föderalismuserneuerer,,125. Auch soll der Wettbewerb nicht als eine von mehreren Föderalismusfunktionen wieder stärker belebt werden. Vielmehr verbinden engagierte Verfechter des kompetitiven Föderalismus damit die Vorstellung, die bundesstaatliche Ordnung solle "vorrangig"126 durch Konkurrenz geprägt sein, Wettbewerb also die führende Rolle im deutschen Bundesstaatsverständnis übernehmen. Im Kern handelt es sich deshalb um eine Leitbilddiskussion, die auf einen Paradigmenwechsel "im bundesdeutschen Föderalismus im Allgemeinen und in den bundesstaatlichen Finanzbeziehungen im Besonderen zielt. Es geht um den ... Versuch, die ... unitarisch und konkordanzdemokratisch ausgerichtete ... Föderalismusvariante in Richtung einer konkurrenzföderalen zu verändern" 127: Wettbewerb soll künftig "zentrales Leitmotiv,,128 und Gestaltungsprinzip des Föderalismus sein, und zwar bis hin zu Konsequenzen für die Auslegung und Handhabung konkreter Verfassungsrechtsnormen 129. sere Problemlösungen", "Unternehmensansiedlungen", "Steuereinnahmen" oder Ähnliches? 120 Schuppert (0. Fn. 7), S. 947. 121 Dazu oben 11.1. 122 Vgl. oben II.2.d) und e) bb). 123 Stamm/Merkl, ZRP 1998, S. 467 ff. (S. 467). 124 Siehe dazu etwa den Hinweis von Stoiber (0. Fn. 10), S. 169 f., auf eine kritische Äußerung zum kooperativen Föderalismus von Franz .Tose! Strauß aus dem Jahr 1985. 125 Dazu oben bei Fn. 109 ff. 126 Calliess (0. Fn. 2), S. 297; zurückhaltender aber z.B. Männle (0. Fn. 112), S. 88: Entwicklung "ein Stück in Richtung Wettbewerbsföderalismus" . 127 Renzsch (0. Fn. 119), S. 24. 128 Bull, DÖV 1999, S. 269 ff. (S. 275); ähnlich Berlit (0. Fn. 3), S. 81: "Perspektivenwechsel hin zu einer Ökonomisierung von Gesellschaft, Staatsorganisation und Politik unter Abkehr von einem solidarischen föderativen Verfassungsverständnis"; Schulze-Fielitz (0. Fn. 3), S. 14: "Wesensveränderung des deutschen bundesstaatlichen Modells".
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Die Ausrichtung auf den "Wettbewerb" weckt verbreitet positive Assoziationen, weil "kaum extra begründet werden" muss, dass "Wettbewerb ... als effizient gilt und leistungsfördernd ist" 130. Solche Konnotationen und die Suggestivkraft des Begriffs vermitteln dem Wettbewerbsföderalismus vordergründig beträchtliche Dynamik, ökonomische Plausibilität und hohe Attraktivität. Ohne nähere programmatische Ausformung sind sie freilich nicht geeignet, den angestrebten Paradigmenwechsel abzusichern. Zu dieser Programmatik führt die "Reformkommission Soziale Marktwirtschaft" aus: Im Föderalismus ist "ein politischer Wettbewerb als Entdeckungsverfahren bzw. Lernverfahren angelegt: Im Unterschied zum Einheitsstaat können in föderalen Systemen alternative Lösungen nebeneinander zur Anwendung kommen. Solche politischen und sozialen Experimente sind notwendig und nützlich, weil sich optimale Arrangements nicht einfach ausrechnen lassen, sondern ausprobiert sein wollen"; die Fragen nach optimalen Lösungen, nach Förderung effizienter Verwaltung, nach bestmöglicher Entsprechung der Wünsche der Bürger usw. "lassen sich nur durch Versuch und Ergebnisbewertung beantworten,"3l. Ähnliche Überlegungen finden sich in den Vorschlägen zur "Entflechtung 2005" der Bertelsmann-Kommission: "Generell widerspricht der hohe Verflechtungsgrad der Entscheidungsebenen einem Grundgedanken des Föderalismus, nämlich dem Prinzip eigenverantwortlichen Handeins von Bund und Ländern, durch welches die Möglichkeit zum Test unterschiedlicher politischer Lösungsansätze im Bundesstaat erst eröffnet wird. Der Föderalismus kann in diesem Sinne - richtig genutzt - ein lernfähiges und selbstlernendes System zugleich sein. Er ist auch für die Zukunft ein potenzielles Erfolgsmodell, sofern er es versteht, seine Stärken zu nutzen. Diese liegen in konsequenter Subsidiarität, klarer Strukturierung politischer Handlungsebenen sowie dem Mut zu Wettbewerb und Vielfalt von Lösungswegen"132. Stichwortartig erfasste Vorzüge wie "Lernfahigkeif', "Innovation", "Aexibilität", "Subsidiarität", "Effizienz" usw. können sich breiter Zustimmung ebenso sicher sein wie die von der BertelsmannKommission benannten Reform-Maßstäbe l33 ; auf den ersten Blick wirkt 129 So dient etwa Calliess das "postulierte Konzept eines kompetitiven Föderalismus" als "Grundlage und Rechtfertigung einer verstärkten lustitiabilität des Art. 72 Abs. 2 GG" ([0. Fn. 2], S. 312). Hier übernimmt der Wettbewerbsföderalismus die Funktion einer interpretationsleitenden Maxime; zur Problematik solcher einseitigen Ausrichtungen auf eine allgemeine Bundesstaatstheorie siehe bereits oben bei Fn. 24. Vgl. neuerdings auch Ansgar Hense, Das Bundesaltenpflegegesetz 2000 - Genese, ausbildungs- und schulrechtliche Aspekte, Bundeskompetenzproblematik, BayVBI. 2001, S. 353 ff. (S. 360), der den kompetitiven Föderalismus als Argument gegen die Forderung nach einer bundeseinheitlichen Lösung nutzt. 130 Renzsch (0. Fn. 119), S. 34. l3l O. Fn. 114, S. 3. m Bertelsmann-Kommission (0. Fn. 11), S. 9.
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das Programm des Wettbewerbsföderalismus daher wie ein "Königsweg,,134 für die Föderalismusreform. Indes sollte dies nicht zur einseitigen Verteufelung des Gegenmodells verleiten. Denn auch der kooperative Föderalismus "lebt" von wechselseitigem Lernen im gemeinsamen Erfahrungsaustausch, von einem Wettbewerb der Ideen, von der beständigen Suche nach den besten Problemlösungen 135, von konstruktiver Kritik, von flexibler Alternativengenerierung und von etwa in gemeinsamem brain-storming freigesetzter Kreativität. Konsultation und Information im Gespräch, Abstimmung und Zusammenarbeit, gegebenenfalls auch gleichgerichtetes Verhalten bei der tatsächlich (oder vermeintlich) besten Lösung sind daher nicht von vornherein negativ zu bewerten. Eine verfassungsrechtliche "Pflicht zum Dissens" gibt es für Bund und Länder ebensowenig wie eine Verpflichtung zur praktischen Erprobung von Alternativen, bei denen zu befürchten oder gar zu erwarten ist, dass sie zu schlechteren Ergebnissen führen. Hinzu kommen prinzipielle Einwände gegen ein verabsolutiertes Wettbewerbsdenken im Bundesstaat, weil der deutsche Föderalismus funktional den Konkurrenzgedanken zwar aufnimmt, aber nicht monofunktional auf Wettbewerb fokussiert ist l36 . Eine "Art föderaler Darwinismus,,137 ist dadurch ausgeschlossen. Das sehen auch viele Verfechter des kompetitiven Bundesstaates und beschränken deshalb ihr Leitbild oftmals auf den "sozialen,,138 oder "solidarischen Wettbewerbsföderalismus" 139. Solche abschwächenden adjektivischen Begriffszusätze sind erkennbar auf die neuen Länder gemünzt und mögen dort akzeptanz- und konsensfördernd wirken 140; sie verwässern aber die ohnehin unscharfe Programmatik und tragen mit der Verbindung von "Wettbewerb und Solidarität,,141 in das Reformkon133 Bertelsmann-Kommission (0. Fn. 11), S. 17 f: "Klare Zuordnung von Verantwortung, Durchschaubarkeit der politischen Strukturen, Verbesserung der Beteiligungsmöglichkeiten, Stärkung der Entscheidungsfahigkeit sowie Wahrung der Gemeinschaftlichkeit" . 134 Vgl. Schuppert (0. Fn. 7), S. 947. 135 Rau (0. Fn. 51), S. 20 f 136 Oben 11.1. 137 Schuppert (0. Fn. 7), S. 946. 138 Henneke, Der Landkreis 2001, S. 167 ff. (S. 176) unter Hinweis auf ein Hintergrundpapier ,,Aktivierender Föderalismus als Teil einer nachhaltigen Finanzpolitik" aus den Reihen der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. 139 So z.B. Berte1smann-Kommission (0. Fn. 11), S. 10 (mit Anleihen bei dem Konzept der "sozialen Marktwirtschaft"), 20, 37 ff; Stoiber (0. Fn. 10), S. 170; Höppner (0. Fn. Ill), S. 16. 140 Vgl. etwa Höppner (0. Fn. 111), S. 15 f 141 Höppner (0. Fn. 111), S. 15, unter Hinweis darauf, dass Solidarität selbst gegenüber denjenigen geboten sei, deren Experiment misslungen ist, weil auch aus
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zept eine außerordentlich spannungsgeladene Formel hinein, die mancherlei andeutet und vieles zulässt. Ohne die bislang ausstehende Leitbildpräzisierung bleibt daher vorerst nur die Einsicht, dass die Kritik zur Stärkung der Länder eine Strukturreform des deutschen Föderalismus einfordert und für die Justierung des Verhältnisses von Einheitlichkeit und Vielfalt im Bundesstaatsrecht eine Überprüfung verlangt. Für diese Überprüfung kann der Topos "Konkurrenzföderalismus" jenseits seiner paradigmenändernden Leitbildfunktion allerdings gute Dienste leisten, weil er mit heuristischer Bedeutung l42 unter dem spezifischen Blickwinkel des föderalen Wettbewerbs eine Durchmusterung der bundesstaatlichen Ordnung anregt, gegebenenfalls Defizite aufzeigen und Lösungsvorschläge für deren Behebung unterbreiten kann. 2. Kompetitiver Föderalismus als Verfassungsreformprojekt Mittlerweile liegen mehrere derartige Vorschläge vor. Sie zeigen, dass die Verwirklichung von mehr "Wettbewerbsföderalismus" ein rechtlich ausgesprochen voraussetzungsvolles Vorhaben 143 ist, und konzentrieren sich im Wesentlichen auf eine Verfassungsreform 144. Als Stellschrauben für eine Totalrevision der Bundesstaatsverfassung sind dort u. a. angeführt: Neugliederung des Bundesgebiets bzw. der Länder, Stärkung der Länder durch Reduzierung der Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes und beschränkende bzw. verschärfte Voraussetzungen für die Bundesgesetzgebung, Eröffnung der Möglichkeit real konkurrierender Gesetzgebung von Bund und Ländern, Neuordnung der Regelungsmaterien von konkurrierender und Rahmengesetzgebung, Ablösung der bisherigen Rahmengesetzgebung durch eine Grundsatzgesetzgebung, Ausweitung funktionaler interregionaler Zusammenarbeit, Veränderung der Zustimmungspflicht des Bundesrates und Steigerung der Entscheidungsfähigkeit des Bundesrates durch Einführung der relativen statt der bisher absoluten sog. Abstimmungsmehrheit, Abbau von Mischfinanzierungen, Stärkung der steuergesetzlichen Gestaltungsmöglichmisslungenen Experimenten alle lernten. Von Eigenverantwortlichkeit, von der angestrebten Konnexität zwischen Entscheidung und Entscheidungsverantwortung dürfte dann freilich nicht mehr viel übrig bleiben. 142 Vgl. Sommennann (0. Fn. I), Art. 20 Rn. 55: wohl "heuristischer Wert". 143 Schuppert (0. Fn. 7), S. 946 f. 144 Vgl. dazu und zum Folgenden z. B. Diskussionspapier der Landtagspräsidenten (ZG, Sonderheft "Stärkung des Föderalismus", 2000, S. 4 ff. [So 8 ff., 21 ff., 35 ff.]); Gemeinsame Positionen der Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen (0. Fn. 7), S. II ff., 14 ff., 24 ff., 33 ff., 39 ff.; Reformkommission Soziale Marktwirtschaft (0. Fn. 114), S. 15 ff.; Bertelsmann-Kommission (0. Fn. 11), insb. S. 21 ff.; Klatt (0. Fn. 105), S. 71 ff.; Henneke, Der Landkreis 2001, S. 167 ff. (S. 173 ff.); Ottnad/Linnanz (0. Fn. 114).
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keiten der Länder und Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Vieles davon ist bereits aus früheren Reformdiskussionen bekannt und konnte sich bislang nicht durchsetzen l45 . Insoweit sind die Realisierungschancen der angestrebten "institutionellen Totalreform,,146 auch unter den heutigen Rahmenbedingungen eher skeptisch zu beurteilen 147, zumal die praktischen Auswirkungen der Verfassungsreform von 1994 148 noch nicht abschließend ausgelotet sind. Gleiches gilt nicht notwendig für die Finanzverfassung, in der ohnehin die entscheidende Antriebskraft für die aktuelle Föderalismuskritik zu vermuten ist l49 ; jedenfalls hat sie sich zu einem Hauptschaupiatz l50 der bun145 Das betrifft insb. das Dauerthema "Neugliederung", aber auch Detailvorschläge wie die Einführung einer konkurrierenden Gesetzgebung mit Widerspruchsrecht des Bundes (Bertelsmann-Kommission [0. Fn. 11], insb. S. 24 f.), die als Vorschlag bereits in einem Sondervotum zum Schlussbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform vom 9. 12. 1976 enthalten war (BT-Drucks. 7/5924, S. 137 f.); zu weiteren Beispielen für die "Aufwärmung" bereits früher unterbreiteter Vorschläge im Zusammenhang mit der Herabzonung von Gesetzgebungsbefugnissen siehe Schulze-Fielitz (0. Fn. 3), S. 19 f. 146 Klatt (0. Fn. 105), S. 76. 147 Demgegenüber liegt nach Einschätzung von Klatt ([0. Fn. 105], S. 76 ff.) die Vision "nicht allzu fern, dass hinsichtlich des Gebäudes des derzeitigen kooperativen Föderalismus ,kein Stein auf dem anderen bleiben wird'''; freilich konstatiert auch Klatt derzeit "sowohl auf Bundesseite als auch auf Seiten der Länder nur wenige entsprechende Reformenergien und -kräfte" und vermutet deshalb eher einen ,,strukturwandel in vielen kleinen Teilschritten". 148 Oben II.2.e) bb). 149 Es dürfte kein Zufall sein, dass der schon seit Jahrzehnten virulente Konkurrenzföderalismus in der politischen Arena erst im Umfeld der im November 1999 verbeschiedenen (BVerfGE 101, 158) Normenkontrollanträge in Sachen "Finanzverfassung" zu einem beherrschenden Thema gemacht wurde. Bezeichnenderweise firmieren auch die Vorschläge der Bertelsmann-Kommission zur Optimierung der Regierungsfähigkeit unter dem "symbolischen Titel ,Entflechtung 2005'" ([0. Fn. 11], S. 11) und verweisen damit auf ein Datum, zu dem der Solidarpakt auslaufen und zeitliche Vorgaben des BVerfG (BVerfGE 101, 158 [238]) praktisch werden. Außerdem ist die grundlegende Überprüfung der Finanzverfassung ein nach wie vor unerfüllter Auftrag von Eckpunkte-Papier und Einigungsvertrag (dazu oben II.2.e) aa». Hinzu kommt, dass der Föderalismusreform von 1994 bislang keine Änderung der Finanzverfassung korrespondiert, was einen gewissen Nachholreformbedarf nahelegt (vgl. oben bei Fn. 92). 150 Vgl. Schuppert (0. Fn. 7), S. 945. Vgl. zur Diskussion etwa Ute Wachendorfer-Schmidt, Föderalismus und Finanzverfassung, in: Männle (0. Fn. 2), S. 57 ff.; Gisela Färber, Finanzverfassung, in: Bundesrat (0. Fn. 51), S. 89 ff.; dies., Finanzverfassung, Besteuerungsrechte und Finanzausgleich, in: v. Arnim (0. Fn. 3), S. 125 ff.; Uwe Leonardy, Deutscher Föderalismus jenseits 2000: Reformiert oder deformiert?, ZParl 30 (1999), S. 135 ff. (S. 147 ff.); Annette Fugmann-Heesing, Finanzen - Wirtschaft - Föderalismus, in: Bitburger Gespräche (0. Fn. 12), S. III ff.; Arbeitsgruppe 2: Finanzverfassung, ebenda, S. 189 ff. (zusammenfassender Bericht von Gunnar Folke Schuppert, a. a. 0., S. 325 ff.).
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desstaatlichen Richtungskämpfe entwickelt. Diskussionsbedürftig ist in diesem Politikfeld der Abbau der Gemeinschaftsaufgaben und der Mischfinanzierung, die vor allem im Hochschulbau als unbefriedigende Beeinträchtigung der Ländereigenverantwortung empfunden wird 151. Daneben ist eine größere Steuerautonomie der Länder durch Übertragung der Gesetzgebungsbefugnisse etwa für Grund- und Grunderwerbsteuer sowie die Einführung von Länderhebesätzen (Tarifgestaltungs- bzw. Zuschlagsrechte) bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer vorgeschlagen 152. Dringend überpTÜfungsbedürftig ist außerdem der Länderfinanzausgleich 153, dessen Umgestaltung freilich nicht nur an die Grenzen der bundesstaatlichen Solidaritätspflicht 154 stößt; die ersten Reaktionen der Länder und des Bundesrates 155 auf das vom Bundesverfassungsgericht 156 geforderte, seit vergangenen Februar im Entwurf vorliegende 157 Maßstäbegesetz zeigen nämlich beträchtliche Schwierigkeiten politischer Durchsetzbarkeit schon für einfaches Gesetzesrecht, die für eine substantielle Verfassungsänderung mit ihren erhöhten Mehrheitsanforderungen wenig Hoffnung machen. 3. Unterverfassungsrechtliche Optionen für Wettbewerbsröderalismus
Bleibt demnach die Verstärkung kompetitiver Komponenten im Verfassungsrecht politisch ungewiss, so bedeutet dies nicht, dass eine von den Akteuren des Bundesstaatsrechts gewollte Intensivierung des föderativen 151 Z. B. Gemeinsame Positionen der Ministerpräsidenten der Länder BadenWürttemberg, Bayern und Hessen (0. Fn. 7), S. 33 ff. 152 Gemeinsame Positionen der Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen (0. Fn. 7), S. 26 ff. 153 Dazu insb. Gemeinsame Positionen der Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen (0. Fn. 7), S. 39 ff. 154 o. Fn. 77. 155 Dazu FAZ vom 28. 4. 2001, S. I f., mit der bezeichnenden Überschrift "Keine Einigung über Länderfinanzausgleich in Sicht". 156 BVerfGE 101, 158 (214 ff.); dazu etwa Joachim Wieland, Das Konzept eines Maßstäbegesetzes zum Finanzausgleich, DVBI. 2000, S. 1310 ff.; Bado Pieroth, Die Missachtung gesetzter Maßstäbe durch das Maßstäbegesetz, NJW 2000, S. 1086 f.; Jaachim Becker, Forderung nach einem Maßstäbegesetz - Neue Maßstäbe in der Gleichheitsdogmatik?, NJW 2000, S. 3742 ff.; Christian Waldhaff, Reformperspektiven der bundesstaatlichen Finanzverfassung im gestuften Verfahren, ZG 2000, S. 193 ff.; Gemat Sydow, Mehrstufige Gesetzgebung als Verfassungspostulat?, SächsVBI. 2001, S. I ff. 157 Entwurf eines Gesetzes über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen (Maßstäbegesetz - MaßstG) vom ... (BMF, Az. V A 4/V A 2, Entwurf vom 21. 2. 200 I, http://www.bundesfinanzministerium.de/masst.pdf).
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Wettbewerbs völlig chancenlos wäre. Denn dafür bieten sich auch unterhalb der Ebene des Grundgesetzes Ansatzpunkte an 158 . Ein Beispiel ist das erwähnte Maßstäbegesetz, dessen stärkere Ausrichtung auf einen Konkurrenzföderalismus jedoch solidargemeinschaftliche Hilfs- und Unterstützungspflichten wahren muss. Jenseits des finanzwirtschaftlichen Kontextes kommt außerdem eine Zurücknahme der bundesgesetzlichen Regelungsdichte in Betracht, die den Ländern mehr Entscheidungsfreiheit bei der Bestimmung der Leistungstiefe staatlicher Aufgabenwahrnehmung und den für die Durchführung von (konkurrierenden) Experimenten notwendigen Spielraum belässt oder eröffnet. In diese Richtung weisende Beispiele finden sich im 2. Zuständigkeitslockerungsgesetz 159 zur Erleichterung der Verwaltungsreform in den Ländern, aber auch in anderen Bundesgesetzen 160; weitere Beispiele sind im Umfeld von Art. 125a Abs. 2 GG anzutreffen 161. Die Verwendung gesetzlicher Öffnungs- und Experimentierklauseln schafft Optionen für mehr Eigenverantwortlichkeit der Länder, mehr Dezentralität und mehr bürgernahe regionale Differenzierung; sie ist in weitem Umfang ohne Verfassungsänderung möglich und bedarf keiner Vorarbeit durch die Fixierung eines allgemeinen, einseitig-überzeichnenden Leitbildes "Konkurrenzföderalismus", obschon auch sie mittel- oder langfristig auf das Bundesstaatsverständnis zurückwirken kann. Die stärkere Akzentuierung föderativer Konkurrenz setzt freilich neben einem federal self-restraint des Bundesgesetzgebers und einer gewissen Kreativität der Länder (auch im Bundesrat) voraus, dass die Politik föderativen Wettbewerb wirklich will 162 - und die "schmissige Formel,,163 vom "Wettbewerbsföderalismus" nicht lediglich als Begleitmusik oder für Vorhutgefechte finanzverfassungsrechtlicher Verteilungskämpfe einsetzt. In der zurückliegenden Verfassungspraxis waren die Schwerpunkte jedenfalls anders gesetzt, und zwar auch deshalb, weil man sich davon "den höchsten Wirkungsgrad des öffentlichen Mitteleinsatzes"l64 versprochen hat. Siehe dazu auch die Überlegungen von Schulze-Fielitz (0. Fn. 3), S. 30. Zweites Gesetz zur Erleichterung der Verwaltungsreform in den Ländern (2. Zuständigkeitslockerungsgesetz) vom 3. 5. 2000, BGB!. I S. 632. 160 Z.B. § 18a Abs. 2a WHG. 161 Vg!. dazu den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Umsetzung des Artikels 125a Abs. 2 des Grundgesetzes (BT-Drucks. 14/2442) und den weitergehenderen froheren Gesetzesantrag der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Artikels 125a Abs. 2 des Grundgesetzes (BR-Drucks. 77/98). 162 Vg!. zum Vorstehenden Renzsch (0. Fn. 119), S. 45 f.; Arthur Benz. Dezentralisierung und Demokratie - Anmerkungen zur Aufgabenverteilung im Bundesstaat, in: Männle (0. Fn. 2), S. 21 ff. (S. 26 ff.); Berlit (0. Fn. 3), S. 85 f.; Schuppert (0. Fn. 7), S. 950; Schulze-Fielitz (0. Fn. 3), S. 30. 163 Badura (0. Fn. 12), S. 59. 164 Kommission für die Finanzreform (0. Fn. 45), Tz. 77. ISS
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In der Vergangenheit anders gestaltet waren die Verhaltensweisen der
Politik im Übrigen auch ohne bundesgesetzlichen Zwang zu Einheitlichkeit
und Kooperation. Dazu liegen mit der Perspektive eines Umschwenkens auf den Konkurrenzföderalismus schon seit rund zwanzig Jahren konkrete Abhilfevorschläge vor - so etwa der Verzicht auf die intensive Vereinbarungspraxis der Exekutiven durch Einschränkung der "vergemeinschafteten" Politikbereiche und die Reduzierung der Koordinationsgremien 165 . Wer eine Neujustierung des Verhältnisses von Einheit und Vielfalt mit einer deutlicheren Akzentuierung der Wettbewerbskomponente im deutschen Föderalismus anstrebt, kann dies in den angesprochenen Politiksegmenten schon jetzt praktizieren.
IV. Ausblick Die bundesstaatliehe Ordnung des Grundgesetzes hat sich bewährt 166. Ihr Erfolgsrezept ist eine hohe Anpassungsfähigkeit, die sie in die Lage versetzt, Elemente unterschiedlicher Leitbilder der Föderalismustheorie sowie politisch imprägnierter Bundesstaatsverständnisse aufzunehmen und zu verarbeiten. Deshalb kann der deutsche Föderalismus die mit dem "Wettbewerbsföderalismus" angestoßene Leitbilddiskussion gelassen angehen, sich 165 Klau, Aus Politik und Zeitgeschichte B 31/1982, S. 3 ff. (S. 23); vgl. auch ders. (0. Fn. 105), S. 74 ff. 166 Eine "Außenevaluation" dürfte dies bestätigen: Es ist "kein Zufall, dass in immer mehr Ländern - nicht nur der Europäischen Union - die föderale Idee immer mehr an Zustimmung und zum Teil auch an Bedeutung gewinnt" (Rau [0. Fn. 51], S. 33). Obgleich jeder Bundesstaat ein Unikat ist, hat die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes - neben der anderer föderativ organisierter Staaten - dazu einen Beitrag geleistet. Als Beispiel wird u. a. der kooperative Föderalismus genannt (KlaU [0. Fn. 105], S. 64: "Exportartikel kooperativer Föderalismus" - freilich mit der zumindest prekären Kennzeichnung der Bundesrepublik Deutschland als "Ursprungsland"). Noch wichtiger dürften einzelne Institute des Bundesstaatsrechts sein; Musterbeispiel ist die vornehmlich auf Rudolf Smend "zurückgehende, vom BVerfG sanktionierte ... ,Bundestreue', die heute (nicht nur) europaweit Karriere macht" (Häberle, AöR 124 [1999], S. 549 ff. [So 555; Klammerzusatz hinzugefügt] m. w. N. bis hin zum belgischen Verfassungsrecht) und zumindest diskussionsanregend wirkt - vgl. etwa zu Italien Jens Woelk, Konfliktregelung und Kooperation im italienischen und deutschen Verfassungsrecht, "Leale collaborazione" und Bundestreue im Vergleich, 1999; zu Spanien Javier Laso Perez, La lealtat federal en el sistema consitutional aleman, Cuadernos de Derecho PUblico 2000, S. 47 ff.; rechtsvergleichend zu Österreich, Belgien und der Schweiz sowie zum Gemeinschaftsrecht Jens Woelk, Die Verpflichtung zu Treue bzw. Loyalität als inhärentes Prinzip dezentralisierter Systeme?, ZÖR 52 (1997), S. 527 ff. Dass sich Rezeptionen dabei nicht in einfachen Kausalketten abbilden lassen, versteht sich: Geistige Einwirkung ist nicht messbar! Vgl. ergänzend auch Arbeitsgruppe 4: Der deutsche Föderalismus: ein Modell?, in: Bundesrat (0. Fn. 51), S. 253 ff. (zusammenfassender Bericht von Joachim Jens Hesse, a. a. 0., S. 336 ff.).
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von ihr inspirieren lassen und - nach sorgfältiger Prüfung des Refonnbedarts (auch im Detail)J67 - einzelne Refonnvorschläge umsetzen. Letzteres betrifft namentlich die Finanzverfassung einschließlich des ausführenden Gesetzesrechts, deren Refonnbedürftigkeit einerseits unabweisbar erscheint, andererseits aber nicht der geeignete Ansatzpunkt ist, um in toto eine Refonn der konventionellen bundesstaatlichen Ordnung zu detenninieren J68, weil der Bundesstaat mehr und anderes "als nur eine Folie für allokationstheoretische Modellbildung"J69 ist 170. Seine hohe Anpassungsfähigkeit macht den deutschen Föderalismus auch zu einem Hoffnungsträger für "Europa". Das nationale Verfassungsrecht hat mit den Refonnen von 1992 auf die spezifischen Herausforderungen der Europäischen Integration reagiert und den Bundesstaat im Text des Grundgesetzes europäisiert J71 • Für die Ausbildung gemeineuropäischen Verfassungsrechts J72 gehen im "Wettbewerb der Verfassungsrechtsordnungen" vom deutschen Föderalismus bereichernde Impulse aus J73 . Auch das Gemeinschaftsrecht ist von der deutschen Bundesstaatsentwicklung - bis hin zur Gedankenwelt des kompetitiven Föderalismus J74 - längst "infiziert" 175, 167 Mit Recht macht Schulze-Fielitz (0. Fn. 3), S. 9 ff., 25, darauf aufmerksam, dass der Abstraktionsgrad der aktuellen Debatte über allgemeine Ziele und Aufgaben des Föderalismus keine zuverlässigen Aussagen über konkreten Reformbedarf zulässt und einzelne im Zuge der Reformdiskussion unterbreitete Vorschläge durchaus erwägenswert sind, aber jeweils einer sorgfältigen politischen, die rechtstatsächlichen Auswirkungen einbeziehenden Würdigung bedürfen. Undifferenziert-pauschales Krisengerede ist dafür wenig hilfreich. 168 Dies gilt unabhängig davon, ob man die Finanzverfassung als (akzessorische) "Folgeverfassung" der vorgelagerten föderalen Aufgabenzuordnung (Kirchhof, VVDStRL 52 [1993], S. 71 ff. [So 80]; Korioth [0. Fn. 117], S. 97 ff. und passim) begreift oder davon ausgeht, dass bundesstaatliche Finanzverfassung und bundesstaatliche Ordnung (untrennbare) "teilidentische Elemente des durch das Grundgesetz aufgerichteten föderalistischen Systems" sind, die sich gegenseitig beeinflussen und bedingen (Vogel/Waldhoff (0. Fn. 34), Vorb. zu Art. l04a-115 Rn. 71). Obschon föderative Staats- und Finanzverfassung miteinander kompatibel sein müssen, zwingt Reformbedarf in dem einem Verfassungssegment nicht notwendig zu Reformen in dem anderen Verfassungssegment, ganz abgesehen davon, dass selbst bei einem Verständnis der Finanzverfassung als "Folgeverfassung" die Finanzverfassung der bundesstaatlichen Verfassung im Übrigen zu folgen hätte und nicht umgekehrt. Nicht ausgeschlossen ist dadurch freilich die Entschärfung finanzverfassungsrechtlicher Reformbedürfnisse durch Reformen der bundesstaatlichen Ordnung an anderer Stelle und insb. durch Veränderungen der Aufgabenzuordnung. 169 Schulze-Fielitz (0. Fn. 3), S. 4 m. w. N. 170 Oben II.l. 171 Oben II.2.e) cc). 172 Vgl. dazu Peter Häberle, Gemeineuropäisches Verfassungsrecht, EuGRZ 1991, S. 261 ff.; ferner Hartmut Bauer, Europäisierung des Verfassungsrechts, JBI 2000, S. 750 ff. (S. 752 f.) m. w.N. 173 Vgl. o. Fn. 166.
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bleibt aber eine offene Flanke des bundesdeutschen Föderalismus; auf deren effektive Abdeckung wird nicht nur rechtlich durch die Instrumentalisierung insbesondere des Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 EG), sondern auch gemeinschaftsrechtspolitisch bei der fortschreitenden Verdichtung des europäischen Verfassungsrechts im Post-Nizza-Prozess etwa durch die Forderungen nach einer Stärkung des Ausschusses der Regionen und einer klaren Zuständigkeitszuordnung zu achten sein 176.
Vgl. Leisner (0. Fn. 31), S. 593 ff. Musterbeispiel ist wiederum die Bundestreue, deren Heranziehung zumindest zu heuristischen Zwecken für die inhaltliche Konkretisierung der Gemeinschaftsbzw. Unionstreue nicht zu übersehen ist; dazu Bauer, JBI 2000, S. 750 ff. (S. 754) m. w. N. Wichtige Impulse gingen vom deutschen Föderalismus außerdem für die Einrichtung des Ausschusses der Regionen (Art. 263 ff. EG) aus; vgl. Ursula Männle, Bayern in Deutschland und Europa, in: dies. (0. Fn. 2), S. 11 ff. (S. 20). 176 Vgl. zur Diskussion etwa Manfred Dammeyer, Föderalismus und die Rolle der Regionen in Europa, in: Bundesrat (0. Fn. 51), S. 133 ff.; Reich, EuGRZ 2001, S. 1 ff. (S. 14 ff.); Näheres bei Horst Risse, Föderalismus im europäischen und ausländischen Recht aus Sicht der Praxis, in diesem Band. 174 175
Föderalismus im europäischen und ausländischen Recht aus Sicht der Praxis Von Horst Risse*
J. Einleitung Die Internationalisierung und vor allem die Europäisierung des Rechts machen vor der föderalen Staats struktur Deutschlands nicht Halt. Das wirft die Frage auf, wie die Instanzen des deutschen Bundesstaats mit internationalen und europäischen Rechtsetzungsvorhaben umgehen. Die nachfolgenden Bemerkungen zielen auf die Zusammenfassung einiger Beobachtungen aus der Praxis, nicht auf eine systematische Betrachtung. Da die Länder über den Bundesrat an der Bundesgesetzgebung und an der nationalen Willensbildung in Angelegenheiten der Europäischen Union (EU) mitwirken (Artikel 50 GG), vollzieht sich die föderale Befassung der Länder mit europäischem und ausländischem Recht im Wesentlichen in diesem Verfassungsorgan. Daneben behandeln auch die Fachministerkonferenzen derartige Fragen; sie gehen dabei jedoch tendenziell weit weniger ins Detail und überlassen dem Bundesrat auch die Behandlung, sobald ein förmliches Gesetzgebungsverfahren oder die Beratung einer EU-Vorlage dort anstehen. Für die Zwecke dieser Betrachtung kann deshalb die Arbeit der Fachministerkonferenzen unberücksichtigt bleiben. Von geringem praktischen Gewicht ist auch die Befassung mit völkerrechtlichen Verträgen. Hier schlägt nach wie vor im Wesentlichen die Stunde der Bundesexekutive: Sie verhandelt bis zur Fertigstellung des endgültigen Textes bei bi- und multilateralen Abkommen, und es ist dann Sache des Gesetzgebers, zu dem so gewonnenen Ergebnis ja oder nein zu sagen. In der Regel sagt er ja, und dies zumeist ohne vertiefte Diskussionen. Unter föderalen Gesichtspunkten spielen hier im Einzelfall das Lindauer Abkommen vom 14. November 1957 1 und seine Ständige Vertragskommis-
* Der Verfasser ist als Ausschusssekretär und Arbeitsbereichsleiter im Sekretariat des Bundesrates tätig. Die nachfolgenden Ausführungen geben ausschließlich seine persönlichen Auffassungen wieder. 1 Abgedruckt in: Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 11, 1998, Art. 32 Rn. 48.
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sion der Länder eine Rolle; auch auf diese soll hier im Einzelnen nicht eingegangen werden. Der Schwerpunkt der föderalen Befassung mit ausländischem und europäischem Recht liegt eindeutig beim Europarecht. Dieses begegnet dem Bundesrat im wesentlichen in drei Kategorien: der Befassung mit dem europäischen Primärrecht, der Mitwirkung bei der Setzung des Sekundärrechts und der nationalen Rechtsetzung zur Umsetzung von EU-Recht.
11. Europäisches Primärrecht Der Bundesrat hat den Verträgen zum europäischen Primärrecht von Anfang an große Aufmerksamkeit geschenkt. Schon Anfang der 50er Jahre, im Zuge der Ratifizierung des Montanunion-Vertrages (EGKS), hatte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Arnold hellsichtig vor der Gefahr gewarnt, dass die Länder im Zuge des europäischen Integrationsprozesses zu bloßen Verwaltungsprovinzen herabsinken könnten. 2 Bereits 1957 bildete der Bundesrat zur Begleitung der Verhandlungen über die Römischen Verträge einen Sonderausschuss "Gemeinsamer Markt und Freihandelszone,,3, der als Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union des Bundesrates bis heute fortbesteht. Damit kann der Bundesrat für sich wohl in Anspruch nehmen, die europäische Rechtsetzung früher und intensiver als jede andere nationale gesetzgebende Körperschaft verfolgt zu haben. Ausdruck des Interesses der Länder war zunächst die Einfügung des Artikels 2 in das Ratifikationsgesetz zu den Römischen Verträgen, der die Unterrichtung von Bundestag und Bundesrat über die wesentlichen Rechtsetzungsvorhaben der Gemeinschaften vorschrieb. 4 Aus dieser Bestimmung leitete der Bundesrat von Anfang an das Recht ab, sich auch inhaltlich zu den Vorlagen zu äußern. Etwa seit 1961 gehören Vorlagen aus dem Bereich der Gemeinschaften - damals vornehmlich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) - mit zunehmender Häufigkeit zur Routinearbeit im Bundesrat. Mit der Dynamisierung, die die Gemeinschaftsarbeit nach einer langen Phase des eher lustlosen Dahinplätscherns durch das Binnenmarktpro2 Stenografischer Bericht der 61. Sitzung des Bundesrates am 27. Juni 1951 (Plenarprotokoll 61) TOP 13, S. 439 (D) - 454. 3 Beschluss des Bundesrates vom 20. Dezember 1957, Stenografischer Bericht der 186. Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 1957 (P1enarprotokoll 186), S. 855 (B). 4 Gesetz zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 27. Juli 1957 (BGBI. 11, 1957, S. 753 f.).
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gramm5 von Kommissionspräsident Jacques Delors erfuhr, ergab sich auch für den Bundesrat eine andere Qualität. Auf primärrechtlicher Ebene schlug sich Delors' Programm in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA)6 nieder. Diese bedurfte der Zustimmung des Bundesrates, und hier setzten die Länder erstmals die ihnen über die Position im Bundesrat zukommende Macht ein, ein wesentliches Zugeständnis der Bundesregierung zu erlangen. In dieser Phase ging es um die Statuierung wesentlich weitergehender Informationspflichten der Bundesregierung und die Schaffung der Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen die Position inhaltlich zu bestimmen, die die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel vertreten sollte. Das Ratifikationsgesetz zur EEA 7 enthielt dementsprechend bereits eine derartige Bestimmung; es sah darüber hinaus vor, dass Länderbeamte als Teil der deutschen Verhandlungsdelegation auch persönlich bei den Verhandlungen zugegen sein konnten. 8 Diese Bestimmungen wurden in einem zum Teil beinahe dramatisch ablaufenden Gesetzgebungsverfahren der Bundesregierung gegen massive Widerstände, besonders des Auswärtigen Amtes, abgetrotzt. 9 Letzteres sah das Ende der deutschen Handlungsfähigkeit in Brüssel gekommen. Das auf der Basis des Gesetzes zur EEA ablaufende Beteiligungsverfahren einschließlich der Mitwirkung von Ländervertretem in Brüsseler Gremien funktionierte nach den üblichen Anfangsschwierigkeiten gut. Natürlich gab es hier und da Reibereien, Gerangel um den Platz am Mikrofon oder den Sitz in der ersten oder zweiten Reihe usw. Aber diese Erscheinungen taugen eigentlich nur als Anekdoten mit Heiterkeitswert. Die meisten Vertreter der Bundesministerien, die in Brüssel in Rats- und Kommissionsarbeitsgruppen verhandeln, erkannten schnell, dass es auch erhebliche Vorteile hat, mit einer Stellungnahme des Bundesrates im Gepäck und einem Länderkollegen an der Seite zu erscheinen. Schließlich spiegeln sich in den Arbeitsweisen der Ministerialbürokratien des Bundes und der Länder auch 5 Bericht zur Wirtschaft und Währungsunion in der EG (sog. "Delors-Bericht", abgedruckt in Europa-Archiv 1989, Teil 11, D 283 ff.; dazu Kloten, Norbert, Europa-Archiv 1989, Teil I, S. 251 ff.), vorgelegt vom Ausschuss zur Prüfung der Wirtschafts- und Währungsunion am 17. April 1989, der 1988 vom Europäischen Rat unter Vorsitz des EG-Kommissionspräsidenten Jacques Delors eingesetzt worden war. 6 ABI. EG Nr. L 169 vom 29.6.1987. 7 Gesetz zur "Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986" vom 19.12.1986 (BGBI. 11, 1986, S. 1102). 8 Artikel 2 Abs. 5 des Gesetzes zur EEA (siehe Fn. 7). 9 Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren: Oschatz, Georg-Bemdt/Risse, Horst, Europäische Integration und deutscher Föderalismus, Europa-Archiv 43 (1988), S. 9-16. 5 Klocpfer
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die unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkte der beiden staatlichen Ebenen wider: Während der Bund das Recht setzt und im Wesentlichen als Gesetzgeber konzeptionelle Ansätze verfolgt, denken die Länderexekutiven vollzugsorientiert. Schließlich obliegt die Ausführung des Bundesrechts in aller Regel den Stellen der Länder. Das Mitwirkungsverfahren über den Bundesrat eröffnet daher die Chance, die bei den Ländern gesammelte Vollzugserfahrung relativ frühzeitig in den Beratungsprozess einfließen zu lassen. lo Das Ratifikationsverfahren des Vertrags von Maastricht ll brachte dann erneut die Gelegenheit, über den Hebel der Zustimmungsbedürftigkeit des Vertragsgesetzes Verbesserungen am Mitwirkungsverfahren zu erreichen. Zum einen ging es dabei um eine Verfeinerung der im Jahre 1986 getroffenen Verabredungen; insbesondere sollte deutlicher gemacht werden, in welchen Fällen die Stellungnahme des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen ist. Dem Bund gelang es dabei, eine Regelung für den Konfliktfall durchzusetzen, die ihm eine sehr starke Position einräumt. 12 Dabei spielte wohl auch eine Rolle, dass die Länder eine Regelung für die damals ausufernd erscheinende Nutzung des Artikels 235 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), jetzt Artikel 308 EGV, wünschten. 13 Außerdem wurde die personelle Beteiligung der Länder auf die internen Weisungssitzungen der Bundesregierung ausgedehnt. 14 Schwerpunkt der Länderinteressen im Zuge des Maastricht-Ratifizierungsverfahrens war aber die verfassungsrechtliche Absicherung des im Jahre 1986 Erreichten. In der Literatur waren Stimmen laut geworden, die die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Verfahrens als unzureichend rügten. 15 Aus Ländersicht war dementsprechend die Ausgestaltung des Artikels 23 GG einer der wichtigsten Punkte der damaligen Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat und anschließend des Sonderausschusses "Maastricht" des Bundestages. 10 Siehe OschatzlRisse, Die Bundesregierung an der Kette der Länder? - Zur Europapolitischen Mitwirkung des Bundesrates, DÖV 1995, 11, S. 437-445. 11 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBI. I, S.2086). 12 § 5 Abs. 2 EUZBLG. 13 § 5 Abs. 3 EUZBLG. 14 § 6 EUZBLG. 15 Merten, Detle/. Die Beteiligung der Bundesländer an der Setzung europäischen Gemeinschaftsrechts, in: Kloepfer, Michael, Die Bedeutung der Europäischen Gemeinschaften für das deutsche Recht und die deutsche Gerichtsbarkeit, Berlin 1989, S. 31, 47 ff.; Schütz, Hans-Joachim, Die EG-Kammer - Delegationsbefugnis und Geschäftsordnungsautonomie des Bundesrates, NJW 1989, S. 2160, 2161 ff. m. w. N.; vgl. auch OschatzlRisse, Bundesrat und Europäische Gemeinschaften Neue Verfahrensregeln der Bundesrats-Geschäftsordnung für EG-Vorlagen, DÖV 1989, S. 509, 513 ff.
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Das Produkt, der berühmt-berüchtigte Europaartikel, ist sprachlich so monströs geraten 16, dass schon seine äußere Form zeigt, wie sehr er das Ergebnis eines schwer errungenen Kompromisses ist. In den praktischen Abläufen hat sich aber - von den erwähnten Details einmal abgesehen auf der Grundlage des neuen Artikel 23 GG und des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) zu seiner Ausfüllung gegenüber dem alten Verfahren nach dem Gesetz zur EEA nicht sehr viel geändert. Man kann wohl sagen, dass das Ringen der Länder um eine angemessene Beteiligung an der nationalen Willensbildung in EU-Angelegenheiten mit der Begleitgesetzgebung zu Maastricht zunächst einmal ein Ende gefunden hat. Erstmals tauchte aber im Zusammenhang mit Maastricht auch ein zweiter Gesichtspunkt auf, der kein deutsches Internum mehr blieb. Gemeint ist die Forderung der Länder nach einer vertragsrechtlichen Verankerung des Subsidiaritätsprinzips. Der Artikel 3b des Maastrichter Vertrages (jetzt Artikel 5 EGV) geht maßgeblich auf Forderungen der Länder zurück, die sich gegen eine zunächst verhältnismäßig verständnislose europäische Öffentlichkeit durchsetzen mussten. 17 Dies ist mit Hilfe der - anfli.nglich zögernden Bundesregierung am Ende gelungen und hat zu einer Bestimmung geführt, die jedenfalls von ihrer Zielsetzung her die subsidiäre Bedeutung der europäischen Organe anerkennt. Dies ist nicht der Ort, die praktische Brauchbarkeit des Subsidiaritätsprinzips und die Feinheiten der Ausgestaltung des Artikel 5 EGV im Einzelnen zu erörtern. Man kann aber festhalten, dass die deutschen Länder - wenn auch sicherlich nicht alleine, aber doch in vorderster Front - ein inzwischen anerkanntes Strukturprinzip in das Gemeinschaftsrecht eingefügt haben. 18 Vor dem Vertrag von Nizza und im Zuge dessen, was jetzt mit der Bezeichnung "Post-Nizza-Prozess" bezeichnet wird, wurde und wird von den Ländern die Einfügung eines weiteren neuen Strukturprinzips betrieben: Die Schaffung einer europäischen Kompetenzordnung. 19 Mit diesem Stich16 Vgl. z.B. Isensee, VVDStRL 53 (1994), S. 131; siehe auch Starck, ebd., S. 127; Häberle, ebd., S. 147. 17 Oschatz, Georg-Bemdt, Die Mitwirkung der Länder an der europäischen Rechtsetzung als Mittel zur Wahrung des Subsidiaritätsprinzips, in: Merten, Detlef (Hrsg.), Die Subsidiarität Europas, Berlin 1993, S. 41, 43 ff.; 18 Siehe z. B. den "Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 1999 (Subsidiaritätsbericht)" der Bundesregierung, BR-Drucksache 508/00, S. 4 f. 19 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum "Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag von Nizza vom 26.2.2001" vom 11. Mai 2001, BR-Drucksache 200/01 (Beschluss); element, Wolfgang, Europa gestalten - nicht verwalten, Die Kompetenzordnung der Europäischen Union nach Nizza, als Rede gehalten am 12. Februar 2001 an der Humboldt-Universität Berlin.
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wort lässt sich das aktuelle Ziel der Länder im Zusammenhang mit dem europäischen Primärrecht beschreiben. Der Zweck liegt auf der Hand: Es geht - ähnlich wie beim Subsidiaritätsprinzip - darum, dem nach wie vor als zu ausgreifend empfundenen Gestaltungswillen der Kommission rechtlich greifbare Grenzen zu setzen. Es ist klar, dass die Einfügung einer Kompetenzordnung jedenfalls vom gedanklichen Ansatz her in dieser Richtung mehr zu tun vermag, als die Einfügung des Subsidiaritätsprinzips, dass die Probe seiner Justitiabilität immer noch nicht bestanden hat. Andererseits hielt sich das Subsidiaritätsprinzip vom gedanklichen Ansatz her in den seit 1957 hergebrachten Strukturen des Vertrages. Die Einfügung einer Kompetenzordnung wäre demgegenüber ein wirkliches Novum, und wird dementsprechend sehr viel schwerer durchzusetzen sein. Dennoch wird das Ringen um die Einführung einer Kompetenzordnung jedenfalls bis auf weiteres das bedeutendste Stichwort bei der Beschäftigung der Länder mit dem europäischen Vertragsrecht bleiben.
III. Europäisches Sekundärrecht Natürlich ist die Behandlung von Verträgen zum europäischen Primärrecht die seltene Ausnahme im Bundesratsgeschäft. Der Alltag wird bestimmt durch die Ver- und Bearbeitung des im BfÜsseler Beratungsverfahren befindlichen Sekundärrechts. Das Verfahren, nach dem dies vor sich geht, ist Gegenstand einer so großen Zahl von Dissertationen gewesen 20, dass man sich kaum noch traut, dazu etwas zu sagen. Jedenfalls ist es so, dass die Bundesregierung dem Bundesrat (und auch dem Bundestag) offenbar so gut wie alle Papiere zukommen lässt, die sie selbst aus BfÜssel erreichen. An inhaltlichen Vorschlägen der Kommission und Änderungs- und Ergänzungsanregungen, die im Laufe der Beratungsverfahren hierzu gemacht werden, an Memoranden und Stellungnahmen usw. waren dies im Jahre 2000 insgesamt 3.813 Zuleitungen. Diese werden im Büro des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union des Bundesrates erfasst und einander zugeordnet. Es wird darüber hinaus nach einem inzwischen eingespielten Verfahren eine Vorentscheidung darüber getroffen, welche dieser Vorlagen zur Grundlage eines Beratungsverfahrens im Bundesrat gemacht werden und dementsprechend als Bundesratsdrucksachen umgedruckt werden. Die Länder und die Ausschüsse haben die Möglichkeit, entsprechende Ergänzungswünsche zu äußern; die Abwicklung des Verfahrens im Bundesratssekretariat funktioniert jedoch so gut, dass von dieser Möglichkeit nur in seltenen Fällen Gebrauch gemacht werden muss. 20 Vgl. statt aller: Lang, Ruth, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Artikel 23 Abs. 2 bis 7 GG, Berlin 1997.
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Wie alle anderen Bundesratsvorlagen auch werden die zur Beratung ausgewählten EU-Papiere den zuständigen Fachausschüssen zur Beratung zugewiesen. Einzige Besonderheit ist, dass der Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union grundsätzlich federführend ist. Er nimmt eine vor allem koordinierende Funktion wahr; die Substanz der inhaltlichen Auseinandersetzung wird von den einzelnen Fachausschüssen beigesteuert. Auf diese Art und Weise werden jedes Jahr etwa 150 Beratungsverfahren in EU-Sachen gestartet, darunter fasst alle Verordnungs- und Richtlinienvorschläge, die meisten Weiß- und Grünbücher sowie viele Memoranden und Programme der Kommission. Bezogen auf die Arbeit der beiden vom Verfasser betreuten Ausschüsse bedeutet dies beispielsweise für das Jahr 2000, dass von den 229 Vorlagen, die der Wirtschafts- und der Verkehrsausschuss des Bundesrates insgesamt in diesem Zeitraum beraten haben, 93 EU-Vorlagen waren. In den anderen Ausschüssen und im Plenum des Bundesrates ist es nicht anders: Über ein Drittel des Bundesratsgeschäfts besteht aus der Behandlung von EU-Vorlagen. In den Ausschüssen kommt es bei den wirklich interessanten Vorlagen zu einem detaillierten Meinungsaustausch zwischen den Vertretern der Länder und den Vertretern der Bundesregierung. Die Anwesenheit Letzterer bei der Beratung von EU-Punkten wird von den Ausschüssen generell für sehr wichtig gehalten. Verlangt werden immer wieder Erläuterungen zum aktuellen Beratungsstand, zu den Erfolgsaussichten einzelner von den Ländern gestellter Anträge und zum Zeithorizont der Verfahren. Natürlich nehmen die Fachausschüsse aus ihrer jeweiligen fachlichen Sicht zu den Vorlagen Stellung. Es wird niemanden verwundern, dass der Wirtschaftsausschuss zur UVPIIVU-Richtlinie andere Aussagen empfiehlt als der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. 21 In solch kontroversen Fällen wird der koordinierende Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union deshalb häufig mit einander widersprechenden Empfehlungen konfrontiert. Er kann derartige Widersprüche nicht selbst ausräumen, da er Empfehlungen anderer Ausschüsse nicht kassieren kann. Das Ergebnis seiner Koordinierungsbemühungen wird daher meistens dadurch deutlich, dass er bestimmten Empfehlungen anderer Ausschüsse beitritt. Erst im Bundesratsplenum fällt dann die endgültige Entscheidung über den Inhalt der Stellungnahme. Der Bundesrat bemüht sich natürlich darum, mit seinen Stellungnahmen rechtzeitig zu kommen. Da er sowohl durch die eigenen Bundesratsbeauf21 Vgl. die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates zum Entwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz, BR-Drucksache 674/l/00.
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tragten als auch aus dem Dialog mit den Vertretern der Bundesregierung in der Regel recht gut weiß, wann in Brüssel mit dem Abschluss des Verfahrens zu rechnen ist oder eine entscheidende Weichenstellung ansteht, gelingt dies zumeist auch. Dass seine Stellungnahme maßgeblich zu berücksichtigen ist, ist verhältnismäßig selten. Schon die restriktive Fassung von § 5 Abs. 2 EUZBLG sorgt dafür. Natürlich wird über die Notwendigkeit einer maßgeblichen Berücksichtigung zwischen Bundesrat und Bundesregierung im Einzelfall gelegentlich gestritten. Es ist aber bis jetzt nur in einem Fall, bei dem Richtlinienvorschlag zur Plan_UVp22 , zu einem echten Konfliktfall gekommen. Dies war zugleich auch einer der ganz wenigen Fälle, in denen die nach der Verfassungsreform verfahrenstechnisch verunglückte Europakammer des Bundesrates zum Einsatz kam. Der Bundesrat lehnte den Richtlinienvorschlag wegen zu tiefer Eingriffe in die Planungsmöglichkeit von Ländern und Kommunen und zu umständlicher Verfahrens vorschriften ab. Die Bundesregierung, namentlich das Bundesumweltministerium, wollte ihm in der schließlich erreichten Form zustimmen. Über die Frage der Maßgeblichkeit der Bundesratsstellungnahme herrschte in diesem Fall kein Streit; niemand bezweifelte, dass der Schwerpunkt des Richtlinienvorschlags auf eine Regelung des Verwaltungsverfahrens der Länder hinauslief. Am Ende gelang es der Bundesratsmehrheit nicht, die für die Bindung der Bundesregierung im Konfliktfall erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Beschluss zur Beharrung auf seiner Position zusammenzubringen?3 Gerade in EU-Sachen zeigt sich natürlich auch, dass die Verwaltungskraft der Länder unterschiedlich ausgeprägt ist. Die großen Länder, vor allem Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und allen voran Bayern, tragen nach meiner Wahrnehmung überdurchschnittlich durch das Stellen von Anträgen in EU-Angelegenheiten zur Willensbildung des Bundesrates bei. EU-Angelegenheiten sind in der Regel nicht das Tummelfeld für partei politische Auseinandersetzungen. Was eher wahrnehmbar ist, sind fachpolitische Differenzen, wie sie am deutlichsten zwischen Wirtschaftsund Umweltausschuss werden. Es kommt immer wieder vor, dass in beiden Ausschüssen mit jeweils großen Mehrheiten das diametrale Gegenteil beschlossen wird. 24 22 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, KOM (96) 511 endg.; Ratsdok. 7003/97; vgl. BR-Drucksachen 277/97 und 693/99. 23 Vgl. den Beschluss der Europakammer in BR-Drucksache 693/99 (Beschluss), der gemäß § 45b Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates (GOBR) als Beschluss des Bundesrates gilt. 24 Vgl. beispielhaft die konkurrierenden Empfehlungen des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Wirtschaftsausschusses in den Zif-
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Es ist naturgemäß außerordentlich schwer, eine allgemeine Aussage zum Inhalt der zahlreichen Stellungnahmen zu machen, die der Bundesrat in EU-Angelegenheiten beschließt. Dennoch lassen sich einige Stereotype herausfiltern, die bei der föderalen Befassung mit dem sekundären EU-Recht immer wieder auftauchen. Da ist zunächst die Anforderung des Subsidiaritätsprinzips 25 und das Verlangen zur Beachtung der Kompetenzgrenzen 26 . Es erstaunt nicht, dass diese beiden Themen immer wieder auftauchen, da sie ja auch bei der Befassung mit dem Primärrecht wesentliche Schwerpunkte bilden. Zur Kompetenzproblematik gehört zum Beispiel auch die in letzter Zeit immer häufiger auftretende Verwahrung gegen das von der Kommission in letzter Zeit offenbar verstärkt eingesetzte Verfahren der "offenen Koordinierung,,27, in dem in einem Bereich, in dem die Union eigentlich nicht oder nur rudimentär zuständig ist, eine freiwillige Koordinierung angeboten wird. Auf den Unwillen der Länder stößt weiterhin, dass die Kommission in letzter Zeit immer häufiger bestrebt ist, sich eigene Vollzugskompetenzen 2s anzueignen oder zu deren Umsetzung besondere Exekutivagenturen29 zu fern 6 und 7, 8 und 9, 12 und 14,40 und 41 sowie 42 und 44 der BR-Drucksache 674/1/00 (siehe Fn. 21). 25 Vgl. die Stellungnahmen des Bundesrates zum ,,(Geänderten) Vorschlag für eine Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme", BR-Drucksache 693/99 (Beschluss), zum "Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, KOM(99) 517 endg.; Ratsdok. 13274/99", BR-Drucksache 708/99 (Beschluss), sowie zur Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: "eEurope - Eine Informationsgesellschaft für alle", Mitteilung über eine Initiative der Kommission für den Europäischen Sondergipfel von Lissabon am 23./24. März 2000, KOM(99) 687 endg.; Ratsdok. 14205/99", BR-Drucksache 28/00 (Beschluss), in denen der Bundesrat die EU-Kommission wegen Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip gerügt hat. 26 Z. B. hat der Bundesrat den "Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nachhaltigen Stadtentwicklung, KOM(99) 557 endg.; Ratsdok. 13558/99", den "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen, KOM(2000) 402 endg.; Ratsdok. 10004/00" und den "Vorschlag für eine Entscheidung des Rates für ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft für den Katastrophenschutz, KOM(98) 768 endg.; Ratsdok. 14391/98" abgelehnt - vgl. die BR-Drucksachen 722/99 (Beschluss), 437/00 (Beschluss) und 11/99 (Beschluss) -, da die Gemeinschaft nach seiner Auffassung nicht über eine entsprechende Kompetenz verfügt. 27 Vgl. BR-Drucksache 86/01 (Beschluss) zu der Vorlage "Deutsches Positionspapier für den Europäischen Rat in Stockholm am 23./24. März 2001: Für ein innovatives Europa - Wachstumspotenzial und sozialen Zusammenhalt stärken" und BR-Drucksache 352/01 (Beschluss) zu der Vorlage "Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung".
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schaffen. Hier sehen die Länder ihre Verwaltungshoheit gefährdet. Wesentlichen Raum nimmt schließlich der Kampf gegenüber zu komplizierten Anforderungen an Verwaltungsverfahren 3o , gegen überzogene Statistikforderungen 31 und zu weit reichende Dokumentationspflichten 32 ein. 28 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum "Weißbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Lebensmittelsicherheit, KOM(99) 719 endg.; Ratsdok. 5761/00", BR- Drucksache 111/00 (Beschluss), in der der Bundesrat u.a. darauf verweist, dass die "amtliche Kontrolle auf jeder Ebene der Lebensmittelkette (... ) allein den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter Wahrung der Subsidiarität (obliegt)", und zum "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen, KOM(2000) 402 endg.; Ratsdok. 10004/00", BR-Drucksache 437/00 (Beschluss), in der der Bundesrat betont, dass die "Anfechtungsmöglichkeit neben dem Rechtsweg (... ) ein neues Verwaltungsverfahren erforderlich machen (würde), das organisatorische, personelle und finanzielle Auswirkungen hätte und ein weiterer Eingriff in die Verwaltungshoheit der Länder wäre". 29 Vgl. die EU-Vorlage "Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Externalisierung der Verwaltung der Gemeinschaftsprogramme und Vorlage einer Rahmenverordnung für eine neuartige Exekutivagentur, Vorschlag einer Verordnung des Rates mit dem Statut der Exekutivagenturen, die mit bestimmten Aufgaben bei der Verwaltung der Gemeinschaftsprogramme beauftragt werden", KOM (2000) 788 endg.; Ratsdok. 5314/01" in BR-Drucksache 75/01 sowie die zugehörige Stellungnahme des Bundesrates in BR-Drucksache 75/01 (Beschluss); vgl. auch BR-Drucksache 111/00 (Beschluss), Fn. 28. 30 So z. B. die Stellungnahme des Bundesrates zum "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, KOM(2000) 468 endg.; Ratsdok. 10862/00", BR-Drucksache 528/00 (Beschluss), in der dieser die Ansicht vertritt, dass ,,(dies ... ) von den Mitgliedstaaten selbst effektiver geregelt werden (kann) und ( ... ) daher nicht in einer Richtlinie verbindlich mit Rechts- und Finanzierungspflichten zu Lasten der Mitgliedstaaten zu regeln (ist ... ). Dies gilt insbesondere für die Maßnahmen wie sie der Richtlinienvorschlag vorsieht (Lärmkarten, Aktionspläne, akustische Planung)". 31 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge, KOM(2000) 275 endg.; Ratsdok. 10345/00", BR-Drucksache 488/00 (Beschluss); "Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Statistik des Eisenbahnverkehrs, KOM(2000) 798 endg.; Ratsdok. 6559/01 ", BR-Drucksache 230/01 (Beschluss); "Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 58/97 über die strukturelle Unternehmensstatistik, KOM(2001) 38 endg.; Ratsdok. 5729/01", BR-Drucksache 142/01 (Beschluss); und zum "Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Schaffung einer gemeinsamen Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS), KOM(2001) 83 endg.; Ratsdok. 6419/01", BR-Drucksache 183/01 (Beschluss). 32 Vgl. die Stellungnahmen des Bundesrates zum "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, KOM(2000) 468 endg.; Ratsdok. 10862/00", BR-Drucksache 528/00 (Beschluss), und zum "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla-
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Alles in allem sind die Stellungnahmen des Bundesrates eher dadurch geprägt, dass sie sich um eine Zurückführung des Tätigwerdens der Kommission bemühen. Sowohl die Regelungsdichte als auch die Regelungstiefe sollen reduziert werden. Nur in seltenen Fällen fordert der Bundesrat die Kommission zu neuem Tätigwerden auf. Insgesamt muss man die föderale Befassung mit dem europäischen Sekundärrecht deshalb vor allem als einen Abwehrkampf betrachten.
IV. Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht Wenn nach der föderalen Befassung mit europäischem Recht gefragt wird, dann muss auch die Frage aufgeworfen werden, bis zu welchem Grad das nationale Recht, an dessen Setzung der Bundesrat ja mitzuwirken hat, durch das EU-Recht vorbestimmt ist. Von den 229 Vorlagen, die die Ausschüsse für Wirtschaft und für Verkehr im vergangenen Jahr beraten haben, hatten 29 keinen anderen Zweck, als EU-Recht umzusetzen. Darunter sind einige extrem umfangreiche Vorhaben, die auch sehr große praktische Bedeutung haben, wie zum Beispiel das Gesetz zur Umsetzung der UVP/IVURichtlinie. 33 Insgesamt ist der Umsetzungsspielraum in der Regel gering. Es würde gewiss zu weit gehen, von einer bloßen Ratifikationsfunktion des nationalen Gesetzgebers bei der Umsetzungsgesetzgebung zu sprechen. Aber entscheiden kann er nur über die in der Regel relativ wenigen Punkte, die die Richtlinie offengelassen hat. Allerdings sitzt die europäische Rechtsetzung auch mit am Tisch, wenn rein nationales Recht gesetzt wird. Ein instruktives Beispiel hierfür ist die IT-Altgeräteverordnung der Bundesregierung?4 In ihrer Ursprungsfassung hatte die Bundesregierung - es war noch die unter Bundeskanzler Dr. Kohl - die Verordnung nach dem Verfahren zur Notifizierung von Nonnen und technischen Vorschriften 35 der Europäischen Kommission vorgelegt. Diese hatte keine Bedenken erhoben. Im Bundesrat geriet die Verordnung dann zwischen die Fronten von Umweltausschuss (der ihre Ausdehnung aus dem ments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge, KOM(2000) 275 endg.; Ratsdok. \0345/ 00", BR-Drucksache 488/00 (Beschluss). 33 Vgl. BR-Drucksachen 674/00 und 286/01. 34 Verordnung über die Entsorgung von Geräten der Informations-, Büro- und Kommunikationstechnik (lT-Altgeräte-Verordnung - ITV) - BR-Drucksache 638/98. 35 Vgl. Artikel 8 Abs. I der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABI. EG Nr. L 109, S. 8), zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/10/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1996 (ABI. EG Nr. L 100, S. 30).
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Elektronikbereich in den Bereich der sogenannten weißen und braunen Ware - Haushalts- und Unterhaltungselektronikgeräte - erreichen wollte) und Wirtschaftsausschuss (der sich gegen diese Ausdehnung wandte). Die Bundesregierung hätte eine im Sinne des Umweltausschusses veränderte Verordnung auch erneut notifizieren müssen. Inzwischen gibt es den Entwurf der Elektronik-Altgeräterichtlinie der Kommission,36 der nun in Kürze alle nationalen Regelungsbemühungen zur Makulatur machen wird. Ein anderes Beispiel sind die Bemühungen des Freistaats Sachsen, die missbräuchliche markenrechtliche Unterschutzstellung von Kulturgut (z. B. Namenszug "Johann Sebastian Bach") durch eine Änderung des Markengesetzes37 zu unterbinden. 38 Die Bundesregierung erklärte ihr Einverständnis mit dem verfolgten Ziel und wies sodann auf die Handlungsunfahigkeit des nationalen Gesetzgebers hin: Die Markenrechtsrichtlinie 39 bestimme die Eintragungshindernisse abschließend, Ergänzungen des nationalen Gesetzgebers seien nicht vorgesehen. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Spielraum des nationalen Gesetzgebers zur eigenständigen Regelung von Sachverhalten in den letzten Jahren immer deutlicher zurückgegangen ist. Das EU-Recht hat eine Regelungsdichte erreicht, in der die aus seinem Vorrang erwachsende Wirkungsmacht - selbst gegenüber dem Grundgesetz 40 - nicht mehr die Ausnahme darstellt, sondern dabei ist, zur Regel zu werden.
36 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Elektro- und Elektronikaltgeräte Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in elektrischen und elektronischen Geräten, KOM(2000) 347 endg.; Ratsdok. 10802/00 - BR-Drucksache 523/00. 37 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Marken gesetz - MarkenG) vom 25. Oktober 1994 (BGBI. I S. 3082), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 17. Dezember 1999 (BGBI. I S. 2448). 38 Entschließung des Bundesrates zur Änderung des Markengesetzes (Ausschluss des Markenschutzes an Namen bedeutender Personen und Kulturgüter), Antrag des Freistaates Sachsen - BR-Drucksache 169/01. 39 Erste Richtlinie 89/l04/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (EWG-Markenrechtsrichtlinie) - vgl. den ,,Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/l04/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrechtsreformgesetz)" in BR-Drucksache 795/93. 40 Vgl. die Zulassung von Frauen zum Dienst an der Waffe entgegen Art. 12a Abs. 4 Satz 2 GG -alt- auf Grund der Richtlinie 761207/EWG des Rates vom 9.2.1976 (ABI. EG L 39, S. 40) sowie das Urteil des EuGH vom 11.1.2000 - Az. C-285/89.
Föderalismus im europäischen und ausländischen Recht aus Sicht der Wissenschaft Von Juliane Kokott und Bemhard Raberger
J. Einleitung Ziel dieses Beitrages ist es, die Grundlagen des Föderalismus im europäischen und ausländischen Recht anhand von fünf Bundesstaaten darzustellen. Dies geschieht auf der Basis eines Vergleiches der staatsrechtlichen Organisationsstrukturen in Belgien, Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie den USA. Nach einer abstrakten Auseinandersetzung mit den Begriffen Föderalismus und Bundesstaat soll dazu ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Grundlagen von föderalen Staaten beitragen, die von Lehre und Praxis heute allgemein als solche anerkannt werden. Dazu werden die USA und die Schweiz als erste Vorreiter des modernen Föderalismus näher betrachtet. Für die drei - jüngeren - Bundesstaaten aus der Reihe der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - Belgien, Deutschland und Österreich - werden dann in zwei weiteren Abschnitten, neben einer vergleichenden Analyse der Grundzüge ihres bundesstaatlichen Aufbaus, die grundlegenden Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf die Position der Gliedstaaten im Staatsgefüge beschrieben. Anschließend wird das Konzept eines supranationalen oder Europäischen Föderalismus in statu nascendi anhand der Grundlagen des Gemeinschaftsrechts kritisch hinterfragt. Im Hinblick auf das Tagungsthema werden schließlich in einem kurzen Exkurs die konkrete Kompetenzverteilung zur Umweltgesetzgebung in Belgien, Deutschland und Österreich vergleichend beschrieben und gemeinschaftsrechtlich bedingte Spannungsbereiche aus Sicht der Länder in den Bereichen Abfall, Luft, Boden und Wasser skizziert. Neben der Beschreibung der generellen Grundlagen des Föderalismus soll dies dazu beitragen, die Frage des Tagungsthemas nach der Auswirkung des Föderalismus in Deutschland als Motor oder aber als Bremse für den Umweltschutz beantworten zu können.
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11. Föderalismus und Bundesstaat 1. FöderalismusbegritT der Politikwissenschaft Die Politikwissenschaft versteht den Föderalismus als "politische Organisationsform, in der die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben so zwischen regionalen Gliedstaaten und Gesamtstaat aufgeteilt ist, dass jede staatliche Ebene in einer Reihe von Aufgabenbereichen endgültige Entscheidungen treffen kann"l. Grundvoraussetzung föderaler Organisationsformen ist also, dass neben der zentralen Gewalt des Gesamtstaates auch "eine horizontal und/oder vertikal gegliederte (politisch staatliche oder auch gesellschaftliche) Ordnung" besteht, "in der die Mitglieder des Bundes über eigene Rechte, Kompetenzen und Legitimität verfügen,,2. Während insbesondere der jüngeren Diskussion zum Thema eines "Europäischen Föderalismus" ein weit gehaltenes institutionell-funktionales Begriffsverständnis zugrunde liegt, stellt die überwiegende Mehrheit der rechtswissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema Föderalismus hingegen auf ein verfassungsrechtliches Verständnis des Föderalismusbegriffes ab, welches seine Grundlage in der konkret ausgestalteten Erscheinungsform des Bundesstaates findet. Jedenfalls sind aber auch bei Anwendung des weiter gehaltenen Föderalismusbegriffes solche Organisationsstrukturen nicht umfasst, in denen Kompetenzen auf Gliedstaaten nur übertragen werden. Föderale Strukturen bestehen nur dort, wo die Gliedstaaten auch originäre Kompetenzen haben, die nicht vom Gesamtstaat abgeleitet sind. 2. Bundesstaatlicher FöderalismusbegritT der Rechtswissenschaft Unter einem föderalen Staat oder Bundesstaat versteht die Rechtswissenschaft Staaten, in denen mehrere Gliedstaaten zu einem Gesamtstaat vereinigt sind. Im Bundesstaat verkörpern sowohl der Gesamtstaat (Bund, Eidgenossenschaft, Union etc.) als auch die einzelnen Gliedstaaten (Länder, Kantone, Provinzen etc.) Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt als konstituierende Elemente eines Staates 3 . Dies manifestiert sich in einer ver1 Vgl. "Föderalismus", Eintrag in: Nohlen, Dieter, Rainer-Olaf Schulze, Susanne Schüttemeyer (Hrsg.), Lexikon der Politik, Band 7 Politische Begriffe, München: Beck 1998. 2 Vgl. Pipers Wörterbuch der Politik Bd. 1/1 S. 239, zitiert in Kimmei, Adolf, Christiane Kimmel (Hrsg.),Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, München: Beck TextelDTV 2000. 3 Vgl. Kimminich, Otto, Der Bundesstaat, in: Isensee, Josef, Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland - Band 1 Grundlagen von Staat und Verfassung, 2. unveränderte Auflage, Heide\berg: C. F. Müller Verlag 1995.
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fassungsrechtlich gesicherten Aufteilung der Staatsgewalt zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten, die beiden Ebenen bestimmte Kompetenzen und Funktionen in den Bereichen Exekutive und Legislative zuerkennt und auferlegt4 . Zusammenfassend können aus der modemen Staatsrechtslehre vier konstituierende Grundlagen eines Bundesstaates abgeleitet werden, die diesen vom zentral organisierten Einheitsstaat unterscheiden5 . Dies sind: I. die Gliederung des Staates in territoriale Einheiten, 2. die verfassungsrechtlich besonders abgesicherte Aufteilung von Exekutive und Legislative auf gesamtstaatlicher und gliedstaatlicher Ebene, wobei letztere über ein besonderes Maß an Autonomie verfügt, 3. die Beteiligung der Gliedstaaten an der Willensbildung des Gesamtstaates, 4. die Existenz von Konfliktlösungsregeln, die auf dem Prinzip des Aushandeins aufbauen und die insbesondere auch eine Verfassungsgerichtsbarkeit zur verbindlichen Regelung von Kompetenzkonflikten vorsehen. Die Qualifizierung eines bestimmten Staates als Bundesstaat beruht auf der Erfüllung dieser vier Kriterien im Einzelfall. Dieser Anforderungskatalog macht auch deutlich, warum reine Dezentralisierungsprozesse im Rahmen eines Zentral staates alleine noch nicht eine Umwandlung zum Bundesstaat bedeuten können. So erfüllen etwa die Veränderungen zur Stärkung der Position der Regionen in Spanien, Frankreich und Italien nicht das Kriterium der verfassungsrechtlich abgesicherten Aufgabenteilung und Autonomie oder die Vorgabe der Beteiligung dieser Regionen am Prozess der Willensbildung im Gesamtstaat. Auch die Entwicklung im Vereinigten Königreich ist in diesem Licht zu sehen. Das Schottische Parlament und die Walisische Versammlung wurden auf der Basis einfachgesetzlicher Regelungen des britischen Parlaments eingerichtet und bleiben dem ungeschriebenen Verfassungsprinzip der Souveränität des Parlaments (Houses of Parliament) unterworfen. Dies bedeutet, 4 Rudolf, Waller, ,,Federal States", Eintrag in: Bernhardt, Rudolf (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law. Amsterdam/New York: North-Holland 1992. 5 Vgl. dazu grundlegend etwa: Weber, Karl, Kriterien des Bundesstaates: eine systematische, historische und rechtsvergleichende Untersuchung der Bundesstaatlichkeit der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und Österreichs, Wien: Wilhelm Braumüller 1980, oder die Begriffsbestimmung: "Bundesstaat", Eintrag in Nohlen, Dieter, Rainer-Olaf Schulze, Susanne Schüttemeyer (Hrsg.), Lexikon der Politik, Band 7 Politische Begriffe, München: Beck 1998.
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dass die Einrichtung dieser Institutionen nicht verfassungsrechtlich abgesichert ist und grundsätzlich durch einfachgesetzliche Akte jederzeit revidierbar bleibt. Damit ist klar, dass im Rahmen der Devolution die neuen Kompetenzen der Regionen vom Zentralstaat eben nur abgeleitet sind. Zusätzlich spricht auch die Tatsache, dass diese Reformen asymmetrisch erfolgten, da den einzelnen Regionen keineswegs vergleichbare Kompetenzen zugestanden wurden, gegen bundesstaatliche Grundprinzipien6 . Im Unterschied zu diesen Beispielen für einen verstärkten Regionalismus kann man die aufgrund der oben genannten Kriterien notwendigen Schritte vom Zentral staat hin zum Bundesstaat andererseits im Fall Belgiens erkennen. Vier Staatsreformen seit 1970 ebneten dort den Weg für die Errichtung einer föderalen Staatsstruktur. Schließlich wurde den Gliedstaaten - Gemeinschaften und Regionen - im Rahmen der neuen Verfassung von 1994 eine eigenständige Verwaltung und gesetzgebende Gewalt in entsprechend abgesicherter Weise eingeräumt, und auch die Beteiligung der Gemeinschaften und Regionen an der Willensbildung des Gesamtstaates ist durch die Entsendung von Vertretern in den Senat in der neuen Verfassung vorgesehen. Schon ein erster Blick auf die fünf in diesem Beitrag näher untersuchten Bundesstaaten macht deutlich, dass die konkrete Ausgestaltung der Aufgabenverteilung und der Kräfteverhältnisse im Verhältnis Gesamtstaat - Gliedstaaten in der staatsrechtlichen Praxis moderner Bundesstaaten erheblich variiert. Während die Verflechtung von Gesamtstaat und Gliedstaaten in Deutschland (Bund - Länder) und Österreich (Bund - Länder) ein verhältnismäßig hohes Ausmaß erreicht, sind die Schweiz (Eidgenossenschaft - Kantone) und die USA (Vereinigte Staaten - Bundesstaaten) dahingegen eher dualistisch organisiert, da deren Gliedstaatenebene vom Bundesstaat selbst stärker getrennt ist. Die Entwicklung Belgiens (Föderal staat - Gemeinschaften! Regionen), wo sich seit den späten 1960er Jahren eine klar nachvollziehbare Entwicklung vom Zentral staat hin zum heutigen Bundesstaat mit zunehmenden Kompetenzen der Gemeinschaften und Regionen feststellen lässt, muss wohl als Fall sui generis angesehen werden, da diese Entwicklung auch mit der Verfassung von 1994 noch nicht unbedingt abgeschlossen zu sein scheint7 . 6 Vgl. Jefjerey, Charlie, Rosanne Palmer, Das Vereinigte Königreich - Devolution und Verfassungsreform, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung (Tübingen), Jahrbuch des Föderalismus 2000: Föderalismus, Subsidiarität und Regionen in Europa, Baden-Baden: Nomos 2000. 7 Die Geschichte der belgischen Transformation vom Zentralstaat zum Bundesstaat beschreibt: Leroy, Michel, De la Belgique unitaire a l'etat federal, Brüssel: Bruylant 1996.
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Im Gegensatz zu den etablierten Strukturen in der Schweiz, den USA sowie auch in Deutschland und Österreich ist nämlich die historische Wurzel der Verfassungsentwicklung in Belgien nicht primär ein gesellschaftlicher Grundkonsens zum BundesstaatS, sondern sind dies eher Spannungen im Zentralstaat zwischen den zwei großen Sprachgruppen. Daher ist wohl zu erwarten, dass mit der Etablierung der Verwaltung auf Ebene der Gemeinschaften und Regionen auch in Zukunft separatistische Forderungen die Kompetenzverteilung im Bundesstaat tendenziell eher in Richtung einer Stärkung der Gemeinschaften und Regionen bewegen werden. Diese Vermutung wird durch die staatsrechtliche Praxis unterstrichen. So erfolgte nach Inkrafttreten der neuen Verfassung eine Zusammenfassung der Verwaltungen der flämischen Gemeinschaft und der Region Flandern, während in den französischsprachigen Teilen Belgiens die separate Struktur für Gemeinschaft und Region beibehalten wurde.
III. Die Entwicklung des bundesstaatlichen Föderalismus 1. Erste Vorläufer: USA und Schweiz
Der modeme Föderalismus entwickelte sich als Lösungsansatz zur Frage, wie eigenständige politische Einheiten gemeinsame Ziele verfolgen und erreichen können, welche ihnen bei alleinigem Vorgehen voraussichtlich verschlossen bleiben würden, ohne jedoch ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Hauptziel der ersten föderalen Strukturen der Neuzeit war die gemeinsame Wahrung der Sicherheit der jeweiligen konstituierenden Einheiten. Während Staatenbünde im antiken Griechenland und im mittelalterlichen Italien meist von Kurzlebigkeit gezeichnet waren, bildeten die Vereinigung der drei Kantone Schwyz, Uri und Unterwaiden im frühen 14. Jahrhundert als Vorbote der modemen Eidgenossenschaft sowie die Vereinigung von sieben niederländischen Provinzen durch die Union von Utrecht 1579 die historischen Vorbilder für die modemen bundesstaatlichen Strukturen in Nordamerika und Europa. Heute sind neben Australien, Indien, Kanada, Rußland, der Schweiz und den USA auch drei EU-Mitgliedstaaten Bundesstaaten: Belgien, Deutschland und Österreich. Die Idee des modemen Bundesstaates entstand Hand in Hand mit dem Zeitalter der Aufklärung und der Forderung nach einer horizontalen Gewal8 Grundtendenzen der föderativen Konsenssysteme in Deutschland und Österreich beschreiben die Beiträge von Schäffer, Heinz, Der österreichische Föderalismus Rechtskonzept und politische Realität, und Häberle, Peter, Die Entwicklung des Föderalismus in Deutschland - insbesondere die Phase der Vereinigung, in: Kramer, Jutta (Hrsg.), Föderalismus zwischen Integration und Sezession - Chancen und Risiken bundesstaatlicher Ordnung, Baden-Baden: Nomos 1993.
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tenteilung in Exekutive, Legislative und Gerichtsbarkeit. Neben diese horizontale Gewaltenteilung sollte durch Schaffung von Staatenbünden auch eine vertikale Aufteilung der Staatsgewalt zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten treten. Eine konkrete Ausgestaltung findet diese heute vorherrschende Erscheinungsform des Föderalismus erstmals in der Amerikanischen Verfassung von 1787, die die dreizehn nordamerikanischen Staaten zu einem Bundesstaat vereinte. Schon 1781 hatten die nunmehr unabhängigen ehemaligen Kolonien im Rahmen der Articles of Confederation einen Staatenbund gegründet, welcher naturgemäß allerdings keine gemeinsame Exekutivgewalt vorsah. Da die Ausführung der Gesetze der Konföderation somit einzig der Exekutivgewalt der Staaten oblag, und dies Handelskonflikte zwischen den einzelnen Staaten natürlich nicht endgültig lösen konnte, entstanden binnen kürzester Zeit Forderungen nach einer "more perfect union". Da die dreizehn nordamerikanischen Staaten aber andererseits nicht gewillt waren, die neu gewonnene Unabhängigkeit durch einen Schritt hin zum Zentral staat nach damaligem europäischen Muster zu gefährden, war ein neues Konzept nötig - die föderale Staatsordnung. Der Konvent von Philadelphia lieferte dieses Konzept, indem er die Souveränität der dreizehn Staaten reduzierte und genau umschriebene Aufgaben, die bisher durch die Zentralinstanz der Konföderation mangels Exekutivgewalt nicht erfüllt werden konnten, der Erfüllung durch einen Gesamtstaat zuordnete, zu dem sich die dreizehn - nunmehr - Bundesstaaten zusammenschlossen. Seither besteht in den USA ein jeweils vollständiger Aufbau staatlicher Organe im Bereich der Exekutive, Legislative und Gerichtsbarkeit auf gesamtstaatlicher wie auch auf bundesstaatlicher Ebene. Im Rahmen des neuen Staatengebildes hatte der Gesamtstaat allerdings nur in jenen Bereichen Kompetenzen, die ihm in der neuen Verfassung entweder ausdrücklich zugewiesen wurden oder der Regelung durch die Bundesstaaten entzogen wurden. Dieses Grundprinzip der "limited and enumerated powers" wurde 1791 auch im 1O. Amendment zur Verfassung kodifiziert, welches festhält, dass "The powers not delegated to the United States by the Constitution, nor prohibited by it to the states, are reserved to the states respectively, or to the people.,,9. Gleichzeitig wird die Integrität der Kompetenzbereiche des Gesamtstaates durch die supremacy clause des Art VI der US Verfassung geschützt, die vorsieht, dass die Verfassung selbst und alle darauf beruhenden Bundesgesetze "the supreme Law of the Land" sein sollen. 9 Vgl. den detaillierten Überblick zur Entwicklung in den USA in: Kenntner, Markus, JustitiabIer Föderalismus - Zur Konzeption föderaler Kompetenzzuweisungen als subjektive Rechtspositionen, Berlin: Duncker & Humblot 2000.
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Aus europäischer Betrachtungsweise erinnert die Forderung der Präambel der Verfassung von 1787 nach einer "more perfect union,,10 natürlich auffallend an das gemeinsame Bekenntnis der EU-Mitgliedstaaten zur "ever closer union" - also eines immer engeren Zusammenschlusses - der europäischen Völker, welches schon 1957 in Rom durch die Gründungsmitglieder der Europäischen Gemeinschaften in der Präambel des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) abgegeben wurde. Trotzdem ist eindeutig festzustellen, dass die Ausgestaltung dieser Zielbestimmung - zuerst im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften und später auch im Rahmen der Europäischen Union, die den Integrationsprozess auf eine neue Stufe stellen sollte 11 - keineswegs so weit geht, wie dies im Rahmen der amerikanischen Verfassung von 1787 der Fall ist. Unbeschadet der weitgehenden Regelungsdichte auf Ebene des Europarechtes ist die Stellung der souveränen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die ja weiterhin die Herren der Verträge bleiben 12 , daher wohl eher mit jener der dreizehn Bundesstaaten im Rahmen der von ihnen 1781 angenommenen Articles of Confederation zu vergleichen. Der zweite Bundesstaat moderner Prägung und der erste auf dem europäischen Kontinent ist die Schweiz. Nachdem sich die Schweiz zuvor vom losen Staatenbund der Alten Eidgenossenschaft und nach dem einheitsstaatlichen Intermezzo der Helvetischen Republik kontinuierlich zum engeren Staatenbund entwickelt hatte, erfolgte nach der Auflösung des Sonderbundes mit der "neuen" Bundesverfassung von 1848 die Etablierung eines Schweizer Bundesstaates 13. Die Schweizer Verfassung von 1848 folgte in weiten Teilen dem Vorbild der Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787. Die Bundesebene wurde in die Bereiche Exekutive (Bundesrat) und Legislative (Parlament) organisiert; zusätzlich wurde das Bundesgericht ins 10 Vgl. die Präambel der Verfassung der Vereinigten Staaten vom 17. September 1787: " We the people of the Uni ted States, in order to form a more peifect union, establish justice, insure domestic tranquility, provide for the common defense, promote the general welfare, and secure the blessings of liberty to ourselves and our posterity, do ordain and establish this Constitution for the United States of America. ". 11 Vgl. die Präambel des Vertrages über die Europäische Union: "ENTSCHLOSSEN, den mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften eingeleiteten Prozess der europäischen Integration auf eine neue Stufe zu heben ... ". 12 Vgl. das Maastricht Urteil des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 89, S. 155, 190. Den Begriff prägte Everling, Ulrich, Sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft noch Herren der Verträge? - Zum Verhältnis von Europäischem Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht, in: Bernhardt, Rudolf, u. a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte - Festschrift für Herrnann Mosler, Berlin: Springer 1983. 13 Vgl. zur Entwicklung in der Schweiz: Häfelin, Ulrich, Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage, Zürich: Schulthess 1998.
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Leben gerufen. Im Gegensatz zur Organisation des bis dahin bestehenden Staatenbundes sah die Verfassung insbesondere auch die Einrichtung eines Zweikammersystems nach amerikanischem Vorbild vor. Das Parlament bestand nunmehr aus dem Nationalrat und dem Ständerat. Wie zuvor die dreizehn konstituierenden Bundesstaaten in den USA verstanden die Kantone diese neu eingerichtete Gewaltentrennung als Garantie für einen gesicherten Status ihrer selbst im neuen Bundesstaat und übertrugen daher in der neuen Verfassung gleichzeitig einen Teil ihrer bisher souveränen Aufgaben an den Bund. Aufgaben des Bundes waren "Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes gegen Außen, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innem, Schutz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beförderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt.,,14. Wie in der Schweiz waren auswärtige Angelegenheiten und eine gemeinsame Sicherheitspolitik zuvor auch die zentralen Kompetenztatbestände des Gesamtstaates in den USA gewesen. Zusätzlich erfolgte mit der Verfassung von 1787 aber auch die Schaffung einer Kompetenz der gesamtstaatlichen Ebene für die Einrichtung einer gemeinsamen Steuer- und Handelspolitik. Dies geschah durch die sogenannte commerce clause des Artikel 1 Abschnitt 8 der Verfassung, die dem Kongress zugestand "to regulate commerce with foreign nations, and among the several states, and with the Indian tribes". Diese Bestimmung stellt bis heute eine entscheidende Grundlage des US-amerikanischen Föderalismus dar. Ein Ausbau der Kompetenzen der Bundesebene war auch in der Schweiz
1874 im Rahmen der Totalrevision der Verfassung VOn 1848 zu verzeich-
nen. So wurden Teilbereiche des materiellen Privatrechts, des Konkursrechts und Regelungen im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, der Zahlungsmittel und des Arbeiterschutzes dem Bund überantwortet. Auch die Stellung des Bundesgerichtes wurde im Rahmen der Totalrevision von 1874 gestärkt, das seit damals zur Entscheidung VOn Kompetenzkonflikten zwischen den Kantonen und zwischen Kantonen und dem Bund zuständig ist. In den USA wurden Kompetenzkonflikte zwischen der Bundesebene und den Bundesstaaten schon früh durch Entscheidungen des US Supreme Court, des obersten Rechtsprechungsorgans der Vereinigten Staaten behandelt. Dies betraf insbesondere die Ausgestaltung der commerce clause als entscheidender Bestimmung der Kompetenzverteilung. Nachdem schon sehr früh entschieden worden war, dass die Reichweite der Kompetenzbestimmung zur Regelung von "commerce among the several states" nicht auf den Austausch VOn Waren beschränkt werden konnte, wurde die commerce clause vom Supreme Court in der Mehrzahl der Fälle des 19. Jahrhunderts 14
Art. 2 der Schweizer Bundesverfassung vom 12. September 1848.
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bloß als negativ formulierte Grenzregelung für den Geltungsbereich einzelner durch die Bundesstaaten erlassener Gesetze interpretiert I 5. Die Bundesgesetzgebung tendierte daraufhin - basierend auf dieser Entwicklung - dazu, immer mehr Politikbereiche unter Berufung auf die commerce clause zu regeln. Dieser ausufernden Kompetenzanmaßung durch den Kongress gebot der Supreme Court jedoch im frühen 20. Jahrhundert Einhalt, unter Berufung auf die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen der Kompetenz des Kongresses, den Handel zwischen den Bundesstaaten zu regulieren und der Kompetenz der Bundesstaaten selbst, Vorschriften betreffend die Produktion der gehandelten Waren zu erlassen. Diese Argumentationslinie des Supreme Court brachte konsequenterweise zunächst auch einige der Vorhaben des New Deal zur Rechtsvereinheitlichung auf Bundesebene zu Fall, die als Reaktion auf die Wirtschaftskrise der späten 1920er Jahre erlassen wurden. Langfristig setzten sich die Bestrebungen zu einer Ausweitung der bundesgesetzlichen Ausgestaltung von Wirtschafts- und Sozialpolitik allerdings durch, nachdem der Supreme Court sich in einer grundlegenden Rechtssache l6 - möglicherweise auf Druck des Präsidenten - dazu durchrang, den zuvor angelegten Maßstab der Trennung der Kompetenzen zu Handel (Gesamtstaat) und Produktion (Bundesstaaten) wieder aufzugeben 17. Der Supreme Court befand daraufhin lange Zeit kein weiteres Bundesgesetz mehr wegen Verstoßes gegen die commerce clause als verfassungswidrig. Diese Entwicklung wurde von den Verfechtern einer stark ausgeprägten föderalistischen Struktur auch im Hinblick auf den Wortlaut der commerce clause heftig kritisiert I 8. Schließlich deutete sich 1995 abermals ein Richtungswechsel der Judikatur des Supreme Court zur commerce clause an l9 . Für die Praxis der Kompetenzverteilung zwischen Kongress und Legislative der Bundesstaaten ist somit ein Trend hin zur ursprüngliche Sichtweise erkennbar. Es reicht nicht schon der Nachweis eines wie immer gearteten Einflusses einer bundesstaatlichen Regelung auf den Handel zwischen den Bundesstaaten aus, um eine bundesgesetzliehe Regelung zu legitimieren, sondern es muss vielmehr der Nachweis einer substantiellen Auswirkung erbracht sein. 15 Vgl. Kenntner, Markus, Justitiabier Föderalismus - Zur Konzeption föderaler Kompetenzzuweisungen als subjektive Rechtspositionen, Berlin: Duncker & Humblot 2000. 16 NLRB v. Jones & Laughlin Steel, 301 U.S. I (1937). 17 Zur Auswirkung von Depression und New Deal auf die Weiterentwicklung der US-Verfassung durch den Supreme Court vgl.: Brugger, Winfried, Einführung in das öffentliche Recht der USA, München: Beck 2001, S. 39-58. 18 Vgl. Annaheim, Jörg, Die Gliedstaaten im amerikanischen Bundesstaat - Institutionen und Prozesse gliedstaatlicher Interessenwahrung in den Vereinigten Staaten von Amerika, Berlin: Duncker & Humblot 1992. 19 United States v. Lopez, 514 U.S. 549 (1995). 6*
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2. Arten der Weiterentwicklung der Kompetenzverteilung Zusammenfassend kann für die Entwicklung der föderalen Struktur der USA festgehalten werden, dass der Verfassungsgerichtsbarkeit des Supreme Court zur Regelung von Kompetenzkonflikten für deren Ausgestaltung eine maßgebende Rolle zukommt. Änderungen im Gefüge des Verhältnisses zwischen Bundesstaaten und Gesamtstaat in den USA werden durch eine Änderung der Rechtsprechung des Supreme Court zu den entsprechenden Bestimmungen der Verfassung vollzogen, während die Verfassung selbst, anders als etwa in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, gegen Änderungen beinahe ausnahmslos immun blieb. Während auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Verfassungsgerichtsbarkeit zur Bereinigung von Kompetenzkonflikten zwischen Bund und Ländern/Kantonen berufen ist, war und ist in diesen Staaten eine Änderung der verfassungsrechtlichen Grundlagen der Kompetenzverteilung in Detailfragen politisch offenbar einfacher zu bewerkstelligen, als dies im Rahmen der US-Verfassung der Fall ist. Während die US Verfassung seit 1787 bis heute erst durch 27 Amendments geändert wurde, wovon die ersten zehn bereits im Jahr 1791 erfolgten, wurde dahingegen z. B. die Schweizer Bundesverfassung seit 1874 bis zum Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung im Jahr 2000 rund 150mal novelliert. Materiell bringt die Schweizer Bundesverfassung vom 18. April 1999 (nBV) für die föderale Struktur der Schweiz nur geringe Änderungen mit sich. Das föderalistische Element bleibt ein tragender Grundwert der neuen Verfassung und im Bereich der Kompetenzverteilung wird am System der Einzelermächtigung des Bundes durch den Verfassungsgesetzgeber festgehalten. Den souveränen Kantonen bleibt also wie bisher im Art. 3 nBV die Ausübung aller Rechte vorbehalten, welche nicht dem Bund übertragen sind. Die konkrete Ausgestaltung der Kompetenzverteilung selbst wird nunmehr in Art. 42-49 nBV geregelt. Materielle Änderungen im Bereich des Föderalismus sind der neue Art. 53 nBV betreffend Regelungen zu Änderungen im Bestand der Kantone sowie zu Gebietsveränderungen zwischen den Kantonen sowie Art. 56 nBV, der die bisherige Genehmigungspflicht durch den Bund für Verträge der Kantone mit dem Ausland zugunsten einer Einspruchsregelung abschaffeo. Das Beispiel der Schweizer Verfassungsentwicklung illustriert den grundlegenden Unterschied zwischen zwei Modellen der dynamischen Weiterentwicklung der Kompetenzverteilung in Bundesstaaten. Während gesellschaftlich anerkannte Änderungen in der materiellen Kompetenzverteilung in dem 20 Vgl. dazu Auer. Andreas. Giorgio Malinverni. Michael Hottelier: Droit constitutionnel suisse - Volume I - L'Etat, Bem: Staempfli Editions 2000.
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durch die USA verkörperten System aufgrund höchstgerichtlicher Rechtsprechung geschehen, ist im Rahmen der europäischen Staatsrechtspraxis auch in Deutschland und Österreich die Änderung oder Anpassung der entsprechenden verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmung durch den Verfassungsgesetzgeber mit entsprechend qualifizierter Mehrheit die Norm. Im Sonderfall Belgiens, das den Schritt zum Bundesstaat eben erst vollzogen hat, ist noch nicht eindeutig absehbar, ob allfällige Änderungen in der Kompetenzverteilung eher durch Änderungen der verfassungsrechtlich gewährleisteten Kompetenzen von Föderalstaat und Gemeinschaften/Regionen zu erwarten sind, oder aber durch Vorgaben der Verfassungsgerichtsbarkeit des belgisehen Schiedshofes. Die Geschwindigkeit der Verfassungsreformen seit 1970 deutet diesbezüglich aber wohl eher auf eine Entwicklung nach dem Muster der anderen Europäischen Bundesstaaten hin. Parallel zur Frage der Weiterentwicklung der Kompetenzverteilung im Bundesstaat ergibt sich natürlich auch für das Europarecht die Systemfrage, ob bzw. wie weit die Weiterentwicklung der Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten durch die legislative Gewalt oder aber durch die Gerichtsbarkeit geschehen soll. So war in der Praxis des Europarechtes bisher wohl unbestritten die Tendenz des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) zu verzeichnen, eine Ausweitung oder zumindest doch eine sehr weit gehende Auslegung der bestehenden Kompetenzen der Gemeinschaft im Verhältnis zu den Kompetenzen der Mitgliedstaaten zu sanktionieren. So bestätigte der EuGH etwa im Fall Erasmus den Rückgriff auf die Kompetenzerweiterungsklausel des Art. 308 EG (Art. 235 EGValt) mit dem Hinweis, dass der Rat, da er nicht befugt war seinen Beschluss alleine auf Grund der konkreten Kompetenzbestimmungen für Kulturangelegenheiten zu erlassen, "nicht umhin (kam), sich auch auf Art 235 EWG-Vertrag zu stützen,,21. Diese Haltung des EuGH führte dazu, dass die Gemeinschaft ihren Regelungsbereich zu Lasten des Kompetenzbereiches der Mitgliedstaaten zunehmend ausbauen konnte, da sie sich im Rahmen der Rechtsprechung - vergleichbar dem Kongress im Rahmen der commerce clause - in zunehmendem Ausmaß auf Art 235 EGValt als generell anwendbaren Kompetenztatbestand verlassen konnte. Im Ergebnis kommt dem EuGH somit zumindest im Bereich der materiellen Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten eine dem US Supreme Court sehr ähnliche Rolle zu - im Gegensatz zur nationalen Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland und 21 Vgl. Rs 242/87 Kommission/Rat (Erasmus), RN 37, Sig. 1989, 1425; s. dazu Schramm, Alfred, US-Föderalistische Anregungen zur Weiterentwicklung des EGSubsidiaritätsprinzips, ZtRV 2000, 8.
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Österreich. Dies erklärt sich wohl auch aus der mit der Verfassungsresistenz der USA vergleichbaren Schwierigkeit einer Änderung des Primärrechtes der Europäischen Union, die der Zustimmung aller Mitgliedstaaten bedarf.
IV. Bundesstaaten als Mitgliedstaaten der Europäischen Union In diesem Abschnitt werden die Grundzüge des bundesstaatlichen Aufbaus in Belgien, Deutschland und Österreich untersucht und den oben identifizierten Mindestkriterien eines Bundesstaates moderner Prägung gegenübergestellt. Dies bildet die Basis für den Vergleich der Auswirkungen der Mitgliedschaft in der Europäischen Union für den nationalen föderalen Aufbau im nächsten Abschnitt. Die Darstellung der Grundzüge folgt den vier identifizierten Mindestkriterien für Bundesstaaten: Gliederung in territoriale Einheiten, verfassungsrechtlich abgesicherte Kompetenzaufteilung mit besonderer Autonomie der Gliedstaaten, Beteiligung der Gliedstaaten an der Willensbildung des Gesamtstaates, Existenz von Konfliktlösungsregelungen inklusive Verfassungsgerichtsbarkeit für Kompetenzstreitigkeiten zwischen Gesamtstaat und Gliedstaat(en).
1. Gliederung in territoriale Einheiten Die Gliederung aller drei Staaten in territoriale Einheiten ist eindeutig erfüllt. Die Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 i.d.g.F. (GG) hält fest, dass die Deutschen in den aufgezählten - nunmehr sechzehn - Bundesländern in "freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands" vollendet haben. In gleicher Weise bestimmt Art. 2 (2) des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes 1929 i. d. g. F. (B-VG), dass der Bundesstaat Österreich "aus den selbständigen Ländern: (es folgt die Aufzählung der neun Bundesländer) ... " gebildet wird. Schließlich garantiert auch Belgien die Gliederung des Staates in territoriale Einheiten. Nachdem vier Staatsreformen seit 1970 den Weg für die Einrichtung einer föderalen Staats struktur ebneten, bildet Titel I der neuen belgisehen Verfassung vom 17. Februar 1994 i. d. g. F. (BelV) nunmehr die rechtliche Grundlage für das "föderale Belgien, seine Zusammensetzung und sein Staatsgebiet"22. Art. 1 BelV hält fest, dass Belgien ein Föderalstaat ist, der sich aus Gemeinschaften und Regionen zusammensetzt. Ge22 Die deutschsprachige Version der belgischen Verfassung vom 17.2.1994, i.d.F. v. 7.5.1999 ist abgedruckt in: Kimmei, Adolf, Christiane Kimmel (Hrsg.), Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, München: Beck TextelDTV 2000.
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mäß Art. 2 und 3 BelV sind die drei belgischen Gemeinschaften die deutschsprachige Gemeinschaft, die flämische Gemeinschaft und die französische Gemeinschaft und die drei Regionen die Wallonische Region, die Flämische Region sowie die Brüsseler Region. Es ist zu bemerken, dass sowohl Gemeinschaften als auch Regionen territorial definiert sind23 und grundsätzlich nebeneinander bestehen. Gleichzeitig muss aber darauf hingewiesen werden, dass sich im belgischen Föderalismus durch die Verschmelzung von Parlament und Regierung der flämischen Gemeinschaft und der Flämischen Region in der staatsrechtlichen Praxis eine Asymmetrie im Vergleich zu den restlichen Gemeinschaften und Regionen ergeben hat 24 • 2. Aufteilung von Exekutive und Legislative
Das zweite Kriterium jedes Bundesstaates ist die verfassungsmäßig besonders abgesicherte Aufteilung von Exekutive und Legislative auf sowohl die gesamtstaatliche als auch die gliedstaatliche Ebene, wobei letztere über ein besonderes Maß an Autonomie verfügen muss. In Deutschland erfolgt diese grundsätzliche Kompetenzabgrenzung und -verteilung durch Art. 30 GG, wonach den Ländern staatliche Befugnisse und Aufgaben soweit zukommen, als das Grundgesetz selbst keine andere Regelung trifft oder zulässt (wie dies etwa im Art. 32 GG - Auswärtige Beziehungen oder Art. 37 GG - Bundeszwang geschieht) und durch den detaillierten Kompetenzkatalog der Abschnitte VII bis VIII a sowie X und Xa des GG. Art. 79 (3) GG besorgt die besondere Absicherung, indem er nicht nur eine Änderung der Gliederung des Bundes in Länder sondern auch eine Änderung der Bundesstaatsklausel des Art. 20 (1) GG für unzulässig erklärt. Das österreichische B-VG normiert die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in vergleichbarer Weise in den Art. 10 bis 16 B-VG. Soweit eine Angelegenheit in diesen Bereichen nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung dem Bund übertragen ist, verbleibt sie nach Art. 15 (1) im selbständigen Wirkungsbereich der Länder. Die Kompetenz-Kompetenz, also die Ermächtigung zur Abänderung der Aufgabenverteilung liegt wie in Deutschland beim Bundesverfassungsgesetzgeber, dem allerdings auch in Österreich Schranken auferlegt sind25 . Während anders als in Deutschland verfassungsgesetzlich eine Abkehr vom bundesstaatlichen Prin23 Die territoriale Abgrenzung der Gemeinschaften und Regionen ist nicht deckungsgleich. 24 Vgl. dazu Deschouwer. Kris. Belgien - Ein Föderalstaat auf der Suche nach Stabilität, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung (Tübingen), Jahrbuch des Föderalismus 2000: Föderalismus, Subsidiarität und Regionen in Europa, Baden-Baden: Nomos 2000.
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zip zwar nicht ausgeschlossen ist, bedürfte dieser Vorgang als Totaländerung gemäß Art. 44 (3) B-VG der Bundesverfassung nämlich nicht nur der qualifizierten Zustimmung des Bundesrates, sondern auch einer Volksabstimmung. Für Belgien werden die Kompetenzverteilung zwischen der Föderalbehörde, den Gemeinschaften und den Regionen im Titel III der BelV festgelegt. Wie für die Bundesebene in Deutschland und Österreich ergeben sich laut Art. 35 BelV Kompetenzen der Föderalbehörde ausschließlich aus der Verfassung selbst, bzw. aus aufgrund der Verfassung erlassener Gesetze. Für sämtliche weiteren Angelegenheiten sind die Gemeinschaften oder Regionen zuständig. Die materielle Aufteilung der Kompetenzen zwischen der Föderalbehörde einerseits und den Gemeinschaften und Regionen andererseits entspricht derzeit in ihren Grundzügen jener in Deutschland oder auch in Österreich. So sind Kernkompetenzen des Bundes etwa auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Rechtswesen, Finanzwesen, sowie Teilbereiche der sozialen Sicherheit, Volksgesundheit und innere Angelegenheiten. Jene Aufgaben, die in den anderen beiden Staaten typischerweise von den (Bundes-) Ländern wahrgenommen werden, fallen auch in Belgien nicht in die Zuständigkeit der Föderalbehörde. Diese Kompetenzen sind aber - der dreiteiligen Struktur des belgischen Bundesstaates folgend - gemäß Art. 127140 BelV noch zwischen den Gemeinschaften und den Regionen aufgeteilt. Diese Aufteilung folgt dem Grundprinzip, dass eher personenbezogene Aufgaben wie Kultur und Unterricht den Gemeinschaften zufallen, während die Regionen sämtliche nicht der Föderalbehörde übertragenen Kernbereiche der Volkswirtschaft regeln, wie etwa Verkehr, Energieversorgung, Umweltschutz, Raumordnung, Wohnungs wesen und Beschäftigungspolitik. Die Absicherung der autonomen Stellung der Gemeinschaften und Regionen erfolgt in Belgien durch die Absicherung der Gewaltenteilung in Art. 33 BelV und das Erfordernis besonders qualifizierter Mehrheiten beider Kammern für Revisionen der Verfassung. Im Verhältnis zu Österreich und besonders zu Deutschland ist der Schutz der autonomen Stellung der Gliedstaaten im belgischen Verfassungsrecht vergleichsweise allerdings eher schwach ausgeprägt.
3. Beteiligung an der Willensbildung des Gesamtstaates Das dritte Kriterium der Beteiligung der Gliedstaaten an der Willensbildung des Gesamtstaates wird in Deutschland durch die Einspruchsmöglichkeit des durch die Länder beschickten Bundesrates gegen Bundesgesetze er25 Vgl. Walter, Robert, Heinz Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 9. Auflage, Wien: Manz 2000.
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füllt, die diesem gemäß Art. 77 GG grundsätzlich in jenen Kompetenzbereichen des Bundes zusteht, für welche eine Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist. Zusammenfassend ist das Zustandekommen von Bundesgesetzen nach Art. 78 GG davon abhängig, dass einerseits der Bundesrat dem Vorhaben des Bundestages zustimmt, bzw. keinen Antrag auf Bildung eines gemeinsamen Ausschusses stellt, einen ihm zustehenden Einspruch nicht einlegt oder zurücknimmt, oder dass andererseits der Bundestag einen solchen Einspruch überstimmt26 . Auch in Österreich sind Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates dem ausschließlich mit Ländervertretern besetzten Bundesrat als zweiter Kammer zu übermitteln. Gemäß Art. 42 B-VG kann dieser beschließen, keinen Einspruch zu erheben, einen Einspruch unterlassen, oder einen begründeten Einspruch erheben. Im Falle eines begründeten Einspruches kann der Nationalrat das Gesetzesvorhaben nur aufgrund eines sogenannten Beharrungsbeschlusses gemäß Art. 42 (4) B-VG erlassen 27 . In Belgien ist die Beteiligung der Gliedstaaten an der Bundesgesetzgebung schwächer ausgestaltet. Dort bleibt die direkte Mitwirkung der Vertreter von Gliedstaaten an der Gesetzgebung auf Bundesebene auf die Entsendung von 21 von insgesamt 71 Mitgliedern des Senats durch die drei Gemeinschaftsräte beschränkt. Obwohl auch die restlichen 50 Senatoren indirekt aufgrund regional bestimmter Kriterien gewählt werden, ist die direkte Vertretung der Gemeinschaften und insbesondere auch der Regionen im Senat somit weit schwächer ausgeprägt als dies im Bundesrat in Deutschland und Österreich der Fall ist. Die Stellung des Senates im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf föderaler Ebene ist allerdings auch stärker ausgeprägt als jene der beiden Bundesräte. So kommt ihm nach Art. 75 BelV ein Initiativrecht zu und er kann Gesetzesanträge der belgisehen Abgeordnetenkammer gemäß Art. 78 BelV auch selbst abändern, was in Österreich nicht vorgesehen ist und in Deutschland nur dem gemeinsamen Ausschuss zusteht. 4. Kontliktlösung & Verfassungsgerichtsbarkeit Die vierte Voraussetzung für die Qualifizierung als Bundesstaat ist die Existenz von Konfliktlösungsregelungen, die auf dem Prinzip des Aushandelns beruhen, verbunden mit der Einrichtung einer Verfassungsgerichtsbarkeit zur verbindlichen Regelung von Kompetenzkonflikten. 26 Gemäß Art. 77 (4) GG hat die Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates durch den Bundestag mit Zwei-Drittel Mehrheit zu erfolgen, wenn der Einspruch zuvor im Bundesrat mit Zwei-Drittel Mehrheit beschlossen wurde. 27 Gemäß Art. 42 (4) B-VG erfordert ein Beharrungsbeschluss die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates.
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Auch dieses Kriterium wird von allen drei untersuchten Staaten erfüllt. Während die soeben beschriebenen Mitwirkungsrechte schon im Vorfeld ein politisches Aushandeln verschiedener Meinungen über die Kompetenzverteilung garantieren, ist auch das Kriterium der Verfassungsgerichtsbarkeit bei Kompetenzstreitigkeiten in Deutschland, Österreich und Belgien erfüllt. Während nämlich in Deutschland gemäß Art. 93 (1) Nr. 2 GG die Bundesregierung, jede Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten anrufen können, ist auch der österreichische Verfassungsgerichtshof zur Feststellung der Grenzen zwischen Bundes- und Landeskompetenzen berufen, sofern die Bundesregierung oder eine Landesregierung ein Verfahren nach Art. 138 (2) B-VG einleitet. In Belgien schließlich ist der Schiedshof mit dieser Aufgabe betraut, da er laut Art. 142 BelV über Konflikte zwischen Gesetzen auf Föderalebene, Dekreten (Gemeinschaften) und Regelungen der Regionen zu befinden hat.
IV. Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf die Stellung der Gliedstaaten im Bundesstaat Auswirkungen der Mitgliedschaft in der Europäischen Union auf die föderale Struktur Belgiens, Deutschlands und Österreichs ergeben sich vornehmlich durch die Art des Zustandekommens des Gemeinschaftsrechtes und durch dessen Einfluss auf die materielle Kompetenzverteilung im Bundesstaat. Einleitend soll dazu festgestellt sein, dass die prinzipiell logische Hypothese, die Umsetzung von Europarecht in Bundesstaaten müsse durch die zusätzliche Konfliktebene Bund/Gliedstaaten grundsätzlich schwieriger erfolgen als dies in zentralistischen Staaten der Fall ist, nach einem Blick auf die Umsetzungsberichte der Kommission zum Gemeinschaftsrecht zweifelhaft scheint. Während sich nämlich Deutschland (406 untersuchte Fälle der Nichtumsetzung) hinter dem "Spitzenreiter" Frankreich (506 Fälle) auf einer Stufe mit Spanien (421) und Italien (404) befindet, liegen Belgien (222) und Österreich (210) durchaus im EU-Durchschnitt28 •
28 So die letzten verfügbaren Angaben der Kommission per 2. Oktober 2000, http://europa.eu.intlcomm/secretariat...generallsgb/droit...com/index_en.htm, zuletzt abgerufen am 2. April 200 I. Auch der siebzehnte Umsetzungsbericht untennauert diese Feststellung: Kommission der EG, Seventeenth Annual Report on Monitoring the Application of Community Law (1999), COM(2000) final.
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1. Der Trend zum Kompetenzverlust der Gliedstaaten Im Primärrecht der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft ist vorgesehen, dass nur die Mitgliedstaaten an Regierungskonferenzen oder dem Erweiterungsprozess teilhaben können. Obwohl die Fonn der innerstaatlichen Organisationsstruktur als Zentralstaat oder als Bundesstaat den Mitgliedstaaten natürlich unbeschadet dieser Regelung freisteht, hat insbesondere die deutsche Praxis gezeigt, dass im Bundesstaat eine Übertragung von Kompetenzen an die Gemeinschaft bedeutet, dass die Gliedstaaten trotz der weiterhin abgesicherten verfassungsrechtlichen nationalen Kompetenzverteilung im Zuge des Umsetzungsprozesses tendenziell - zumindest im Bereich der Gesetzgebung - Kompetenzen verlieren. Dort wo Kompetenzen an die Gemeinschaftsebene delegiert wurden, die zuvor im Rahmen der nationalen bundesstaatlichen Organisationsstruktur zumindest zum Teil auch den Ländern vorbehalten waren, entstand ein Zielkonflikt zwischen dem Trend hin zur Föderalisierung Europas und der Absicherung der Bundesstaatlichkeit. Besonders die deutschen Bundesländer beklagen seit der Errichtung der Europäischen Gemeinschaften einen Trend zur schrittweise Aushöhlung ihrer im Grundgesetz nonnierten Kompetenzen im Bereich der Exekutive und Legislative29 durch die Regelung entsprechender Materien im Europarecheo. Grundlage dieser Tendenz ist der im Gemeinschaftsrecht notwendige Vorrang gemeinschaftsrechtlicher Nonnen vor nationalen Bestimmungen, also auch vor der Kompetenzverteilung im Bundesstaat31 • In der Praxis verzeichneten die Deutschen Bundesländer parallel zur Entwicklung einer stärkeren europäischen Integration über die Einheitliche Europäischen Akte, den Vertrag von Maastricht und den Vertrag von Amsterdam ein Abnehmen ihres materiellen Kompetenzbereiches 32 • Andererseits ist die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht auf Bundesebene offenbar oft mit geringerem Anfangsaufwand verbunden. Dies illustriert das Beispiel Belgiens: so hat der EuGH Belgien auf Antrag der Kommission 29 Vgl. zur Struktur der Auswirkungen in Deutschland: Hackei, Volker, Subnationale Strukturen im supranationalen Europa, in: Graf Vitzthum, Wolfgang (Hrsg.), Europäischer Föderalismus - Supranationaler, subnationaler und multi ethnischer Föderalismus in Europa, Berlin: Duncker & Humblot 2000. 30 Diese Entwicklung wird seitens des Bundes auch nicht bestritten. Vgl. etwa Schmidt-Jortzig, Edzard, Herausforderungen für den Föderalismus in Deutschland, DöV 1998, 746. 31 Diesbezüglich sind jedoch die Schranken des Art. 79 (3) GG und des Art. 44 (3) B-VG zu beachten. 32 Vgl. Reich, Dietmar, Zum Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der Deutschen Bundesländer, EuGRZ 2001, I.
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verurteilt, als (im Gegensatz zu den Regionen Wallonien und Flandern) die dritte Region Brüssel keine entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie zur Abwasserbehandlung erlassen hatte. Die innerstaatliche Kompetenz zur Umsetzung der Richtlinie lag nach der belgischen Bundesstaatsreform bei den Regionen, die aber - insbesondere die Region Brüssel - mit finanziellen Engpässen konfrontiert waren. Belgien hatte als Verteidigungsargument force majeure vorgebracht. Die mangelhafte Umsetzung beruhe auf Schwierigkeiten, die sich in der betroffenen Region aus dem Prozess der gerade erst vollzogenen institutionellen Reform vom Zentral staat hin zum Bundesstaat ergäben. Diesen Prozess wiederum habe Belgien in den letzten 30 Jahren durchführen müssen, "um die staatliche Einheit und die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaats zu wahren". Die Nichtumsetzung der Richtlinie durch die Region Brüssel sei daher als Anlaufschwierigkeit zu qualifizieren, die außerhalb des Einflussbereiches des Belgischen Königreiches als Gesamtstaat läge. Diese Argumentationslinie wurde vom EuGH richtig erweise klar abgelehnt. Die Bundesstaatsreform und die einhergehenden Schwierigkeiten seien rein innerstaatliche Angelegenheiten, "da sie sich aus der politischen und administrativen Organisation Belgiens ergeben, und beruhen daher nicht auf höherer Gewalt. ,,33. 2. Ausgleichsforderungen der Länder Die Bedenken der Deutschen Länder und anderer Regionen innerhalb der Europäischen Union wirkten sich seit Maastricht auch in konkreten Forderungen anlässlich von Regierungskonferenzen aus. Besonders die Deutschen Länder versuchten der Aushöhlung ihrer Kompetenzen sowohl durch die Forderung nach verstärkter Absicherung ihrer innerstaatlichen Beteiligung am europäischen Gesetzgebungsprozess als auch durch ein verstärktes Auftreten im Rat, gegenüber der Kommission und im seit Maastricht bestehenden Ausschuss der Regionen entgegenzuwirken. Der bedeutendste Versuch einer besseren Absicherung der Interessen der Deutschen Länder geschah 1992 anlässlich der Ratifizierung des Vertrages von Maastricht. Seit dessen Inkrafttreten sieht das Gemeinschaftsrecht - nach der Annahme einer entsprechenden Forderung Belgiens und Deutschlands 34 - die Möglichkeit vor, dass Mitgliedstaaten sich im Rat auch durch Mitglieder anderer als der na33 Vgl. Rs 236/99 Kommission/Belgien, Urteil vom 6. Juli 2000, RN 21 f, (in Slg. noch nicht verfügbar). 34 Vgl. Kerremans, Bart, Regieren im Mehrebenensystem und BundesstaatIichkeit - Zur Mitwirkung der subnationalen Ebene Belgiens im Rat der EU und an der Regierungskonferenz 1996/97, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung (Tübingen), Jahrbuch des Föderalismus 2000: Föderalismus, Subsidiarität und Regionen in Europa, Baden-Baden: Nomos 2000.
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tionalen Regierungen vertreten lassen können, solange diese dazu ermächtigt sind, den Mitgliedstaat in seiner Gesamtheit zu vertreten (Art. 203 EG). In Deutschland beschloss man anlässlich der Ratifizierung des Vertrages von Maastricht die Einführung des Art. 23 GG, der eine Absicherung der Länderinteressen in Europafragen durch eine "Struktursicherungsklausel" nach dem Muster des Art. 79 (3) GG zum Ziel hat35 , was besonders durch eine verstärkte Beteiligung des Bundesrates an der Wahrnehmung von Angelegenheiten der Europäischen Union erreicht werden soll. Soweit ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind, soll der Bund seither nach Art. 23 (6) GG sogar die Wahrnehmung der Rechte des Gesamtstaates auf der Gemeinschaftsebene auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter übertragen. Dessen Ausübungsfreiheit ist allerdings beschränkt, da sie "unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung" zu erfolgen hat und "dabei ... die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren" ist. Die nähere Ausgestaltung der Beteiligung der Länder und der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern erfolgte im Zusammenarbeitsgesetz (ZEUBLG)36. In der Praxis beschränkt § 2 ZEUBLG den Anwendungsbereich der Zusammenarbeit allerdings deutlich, indem er die Feststellung materieller Länderinteressen durch die Bundesregierung voraussetzt 37 . Auch die österreichische Bundesverfassung regelte im Zuge des Beitrittes zur Europäischen Union die Ausgestaltung der Beteiligung der Länder an "alle(n) Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder berühren oder sonst für sie von Interesse sein könnten" im neuen Art 23d B-VG. Während Art. 23d (5) B-VG die Länder verpflichtet, jene "Maßnahmen zu treffen, die in ihrem selbständigen Wirkungsbereich zur Durchführung von Rechtsakten im Rahmen der europäischen Integration erforderlich werden,,38, räumen Art. 23d (1) und (2) B-VG den Ländern die Möglichkeit einer für den Bund grundsätzlich verbindlichen Stellungnahme in solchen Angelegenheiten ein 39 . Auch hier 3S Vgl. zur Entwicklung des Spannungsverhältnisses der deutschen Länder zur Europäischen Gemeinschaft: Walkenhorst, Heiko, Die Föderalisierung der Europäischen Union - Möglichkeiten und Grenzen im Spannungsfeld der drei politischen Gestaltungsebenen EG/EU, Nationalstaaten, Regionen, Oldenburg: BIS-Verlag 1997. 36 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12.3.1993 (BGBI. I S.313). 37 Vgl. Heimlich, Jörg, Die Ländermitwirkung bei EG-Entscheidungen, BayVBI. 2000,231. 38 Vgl. Budischowsky, Jens, Die Umsetzung von EU-Normen in den Ländern, ÖJZ 1998, 881. 39 Die stärkere Position der österreichischen Länderparlamente gegenüber ihren deutschen Pendants beschreibt Scholz, Rupert, Bundesstaaten in der Europäischen
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darf der Bund aber davon aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen, die den Ländern unverzüglich mitzuteilen sind. Wie in Deutschland erlaubt Art 23d (3) B-VG die Übertragung der Mitwirkung an der Willens bildung im Rat an einen von den Ländern namhaft gemachten Vertreter durch die Bundesregierung. Die detaillierte Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Art. 23d (1) bis (3) B-VG obliegt einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Art. I5a B-VG40 . Auch hier hat jedoch primär der Bund zu entscheiden, ob die geplanten "Vorhaben im Rahmen der europäischen Integration ... den selbständigen Wirkungsbereich der Länder berühren oder sonst für sie von Interesse sein könnten,,41. In Belgien schließlich, das erst seit 1995 über eine bundesstaatliche Organisationsstruktur verfügt, legt man derzeit mehr Augenmerk auf die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht durch den neuen Bundesstaat als auf etwaige Auswirkungen von Regelungen auf Gemeinschaftsebene auf die Kompetenzen der (belgischen) Gemeinschaften und Regionen. Auch in Belgien musste die neue Aufgabenverteilung zwischen Föderalstaat, Gemeinschaften und Regionen aber für den Bereich der Wahrnehmung von Angelegenheiten der Europäischen Union eine konkrete Ausgestaltung finden, um die Absicherung der innerstaatlichen Kompetenzverteilung zu garantieren. Anders als das Grundgesetz oder die österreichische Bundesverfassung beinhaltet die neue belgische Verfassung von 1994 allerdings keine ausdrückliche Sonderbestimmung zur Regelung dieser Materie. In der Praxis findet, ähnlich wie in Österreich, die Koordination in Europafragen im Rahmen eines gemeinsamen Gremiums der nationalen Regierung und der Regierungen der Gemeinschaften und der Regionen statt - dem sogenannten P.II-Ausschuss. Die Position der Gemeinschaften und Regionen in diesem Gremium ist jedoch weitaus stärker als jene der Bundesländer in Deutschland und Österreich nach dem GG bzw. dem B-VG. Sofern dort nämlich endgültig keine einstimmige Beschlussfassung zur Vertretung Belgiens gefasst werden kann, wird ein pro-forma Vertreter entsandt, der sich während der Diskussionen im Rat nicht zu Wort melden darf und sich als Vertreter Belgiens seiner Stimme zu enthalten hat42 . Union - Deutschland und Österreich im Vergleich, in: Haller, Herbert u. a. (Hrsg.), Staat und Recht - Festschrift für Günther Winkler, Wien/New York: Springer 1997. 40 In der Praxis folgt diese Ausgestaltung noch heute der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. ISa B-VG über die Mitwirkungsrechte der Länder und Gemeinden in Angelegenheiten der europäischen Integration, Österr. BGBI. Nr. 775/1992, weIche schon vor dem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum abgeschlossen worden war. 41 Art. I der Vereinbarung, Österr. BGBI. Nr. 775/1992. 42 Dieses System beschreibt Kerremans, Bart, Regieren im Mehrebenensystem und Bundesstaatlichkeit - Zur Mitwirkung der subnationalen Ebene Belgiens im Rat
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3. Die materielle Ausgestaltung der formellen Absicherung in Deutschland und Österreich bleibt schwach
Obgleich die Beteiligung der deutschen und österreichischen Bundesländer sowie der Gemeinschaften und Regionen im Ausschuss der Regionen (AdR) nicht unerwähnt bleiben soll, ist diesbezüglich festzustellen, dass die Auswirkung dieses rein partizipatorischen Instrumentes auf die innerstaatliche Stellung der Gliedstaaten im jeweiligen Bundesstaat gemäß dessen Rechtsnatur sehr begrenzt bleibt. Dem AdR kommen als reinem Konsultativorgan im Prozess der Gemeinschaftsrechtsetzung nämlich nur sehr schwach ausgeprägte Mitspracherechte zu. Zusätzlich erscheint auch in Zukunft eine Stärkung des AdR in einer Europäischen Union mit nur drei Bundesstaaten gegen eine Mehrheit der zwölf anderen Mitgliedstaaten, deren Regionen - wenn überhaupt - innerstaatlich nur vom Zentral staat abgeleitete Aufgaben wahrnehmen, eher unwahrscheinlich 43 • Zusammenfassend verwundert es im Hinblick auf die einschränkende Ausgestaltung der Beteiligungs- und Zustimmungsregelungen des Art. 23 GG im ZEUBLG nicht, dass in Deutschland materiell trotz der formell vollzogenen Absicherung der Länderbeteiligung eine weitere Zurückdrängung der Länderkompetenzen zu konstatieren ist44 • Eine vergleichbare Entwicklung ist auch in Österreich zu beobachten, wo Ländervertreter seit dem EUBeitritt 1995 unbeschadet der Schranke des Art 23d B-VG (deren Ausgestaltung in der Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art. ISa B-VG ebenso den Bund bevorzugt) eine Zurückdrängung bzw. Einengung zwar nicht in ihrer Vollzugs-, wohl aber in ihrer Gesetzgebungszuständigkeit feststellen 45 . Diese Entwicklung verlief seit dem Vertrag von Maastricht - trotz der Einordnung des Subsidiaritätsprinzips in das Grundsatzkapitel des EG parallel zu einer eindeutig feststellbaren Stärkung der Gemeinschaftsebene und zur dynamischen Auslegung der Gemeinschaftskompetenzen gegenüber der EU und an der Regierungskonferenz 1996/97, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung (Tübingen), Jahrbuch des Föderalismus 2000: Föderalismus, Subsidiarität und Regionen in Europa, Baden-Baden: Nomos 2000. 43 Vgl. Weber, Albrecht, Die Bedeutung der Regionen für die Verfassungsstruktur der Europäischen Union, in Ipsen, Jöm u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel Wiedervereinigung Deutschlands, Deutschland in der Europäischen Union, Verfassungsstaat und Föderalismus, Köln/Berlin/Bonn/München: earl Heymanns Verlag 1995. 44 Einen Überblick über die betroffenen Regelungsbereiche der Länder bietet: Reich, Dietmar, Zum Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der Deutschen Bundesländer, EuGRZ 2001, l. 45 Vgl. Weiss, Jürgen, Vortrag des Vizepräsidenten des österreichischen Bundesrates anlässlich der Bildungswoche 1999 der Schweizer Kantonsregierungen 1999 in Gerzensee, Österreichische Parlamentskorrespondenz/OR/12.0 I I999/Nr. 4.
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jenen der Mitgliedstaaten. Im Zuge dieser Entwicklung machte sich das Gemeinschaftsrecht auf fast allen Gebieten staatlichen Handeins bemerkbar und um die Wahrnehmung der verbleibenden Kompetenzen zeichnet sich sowohl in Deutschland als auch in Österreich ein Verdrängungswettbewerb ab, der trotz der formaler Garantien materiell zu Lasten der Länder geht46 . In Belgien dahingegen scheint - basierend auf dem in der Verfassung festgehaltenen gesellschaftlichen Grundkonsens einer besonders starken Autonomie der Gemeinschaften und Regionen - die materielle Kontrolle der Auswirkung der zunehmenden Regelungsdichte des Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzverteilung im Bundesstaat besser abgesichert. Dies wird durch die vollkommen gleichwertige Stellung der sechs sub-staatlichen Regierungen und der Föderalregierung im Rahmen des verpflichtenden Konsultationsmechanismus in Europafragen abgesichert. Anders als in Deutschland und Österreich, wo in vergleichbaren Fragen dem Bund die Kompetenz zukommt, festzustellen, ob Länderinteressen betroffen sind, kommt der belgischen Föderalregierung somit keine solche materielle Vorrangstellung in Europafragen zu.
v. Zur Frage nach einem Europäischen Föderalismus in statu nascendi
Während der Schwerpunkt dieses Beitrages auf die Ausgestaltung des bundesstaatlichen Föderalismus in den fünf untersuchten Staaten gelegt wurde, soll in diesem Abschnitt zusätzlich auch kurz auf das Konzept eines Europäischen Föderalismus eingegangen werden 47 • 1. Parallelen zur Entstehungsgeschichte von Bundesstaaten
Neben dem traditionellen Verständnis des Begriffes des bundesstaatlichen Föderalismus auf nationaler Ebene (vgl. die vier Kriterien weiter oben) wird vermehrt auch die Beziehung zwischen der Europäischen Union und ihren fünfzehn Mitgliedstaaten selbst als Ausgestaltungsform eines Föderalismus tituliert. Auf den ersten Blick ist dies auch durchaus nachvollziehbar, besonders wenn man die Entstehungsgeschichte der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union mit der Entwicklung der Staatenbünde in den USA und der Schweiz hin zu Bundesstaaten vergleicht. Wie festgestellt wurde, sind nämlich z. B. die politischen Willenserklärungen 46 Vgl. Egger. Alexander. Bundesstaat und E~-Recht: Verfassungsrechtliche Probleme der Durchführung in Deutschland, Der Staat 1999,449. 47 Vgl. Hecket. Katharina. Der Föderalismus als Prinzip überstaatlicher Gemeinschaftsbildung, Berlin: Duncker & Humblot 1998.
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nach einer "more perfect union" der dreizehn ehemaligen Kolonien 1781 und nach einer "ever closer union" der EG-Mitgliedstaaten 1957 - wohl nicht zufälligerweise - beinahe deckungsgleich. Auch die Stellung der Mitglieder im supranationalen Gefüge der Europäischen Union ist durchaus mit jener der ehemaligen Kolonien nach der Annahme der Articles of Confederation oder der Kantone im Staatenbund vor 1848 vergleichbar, dies insofern als auch diese sich damals noch die ausschließliche Stellung als Herren der Verträge vorbehielten48 . Schließlich wird diese Betrachtungsweise durch die zunehmende Regelungsdichte im Gemeinschaftsrecht und insbesondere durch die Einführung einer gemeinsamen Währungspolitik und Gemeinschaftswährung forciert. Andererseits ist aber zu konstatieren, dass gerade im Gegensatz zur Entwicklung der USA nicht die Herstellung einer nationalen Einheit das Ziel der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union war, sondern ausschließlich eine supranationale Gemeinschaftsbildung zwischen weiterhin souveränen Staaten49 . 2. Die EU als Erscheinungsform eines Föderalismus sui generis Obgleich im Hinblick auf die oben angeführten Mindestkriterien für Bundesstaaten klar ist, dass die Europäische Union nicht als Bundesstaat qualifiziert werden kann, bleibt dennoch die Frage im Raum stehen, ob man sie unter Anwendung eines weiter gehaltenen Föderalismusbegriffes nicht trotzdem als föderalen Staat bezeichnen kann. Ein Rückgriff auf die politikwissenschaftliche Föderalismus-Definition des ersten Abschnitts dieses Beitrages ist angebracht. Es bleibt also zu untersuchen, ob die Europäische Union eine "politische Organisationsfonn, in der die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben so zwischen regionalen Gliedstaaten und Gesamtstaat aufgeteilt ist, dass jede staatliche Ebene in einer Reihe von Aufgabenbereichen endgültige Entscheidungen treffen kann" ist. Grundvoraussetzung einer weiteren Untersuchung in diese Richtung ist die Annahme, dass im Rahmen dieser Prüfung die Europäische Union die Rolle des Gesamtsstaates annimmt und dass die Mitgliedsstaaten als regionale Gliedsstaaten verstanden werden können. Dies könnte insbesondere mit dem Hinweis abgelehnt werden, die Europäische Union selbst könne niemals als Gesamtstaat angesehen werden, da sie nicht über die drei klassi48 Parallelen der Entwicklung des Schweizer Föderalismus zum Europäischen Integrationsprozeß beschreibt: Thürer. Daniel. Föderalistische Verfassungsstrukturen für Europa, Integration 2000, 89. 49 Vgl. Hertel. Wolfram. Formen des Föderalismus. Die Beispiele der USA, Deutschlands und Europas, in: Graf Vitzthum, Wolfgang (Hrsg.), Europäischer Föderalismus - Supranationaler, subnationaler und multiethnischer Föderalismus in Europa, Berlin: Duncker & Humblot 2000. 7 Klocpfer
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schen Staatselemente - Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt - verfüge 5o . Materieller Kernpunkt der Untersuchung ist aber wohl die Frage, ob die Gemeinschaft "in einer Reihe von Aufgabenbereichen endgültige Entscheidungen treffen" kann. Dies könnte mit dem Hinweis auf das Prinzip des Vorranges des Gemeinschaftsrechts bejaht werden. Bei Anwendung des weiten Föderalismusbegriffes ist es nämlich kein Ausschlusskriterium, dass der Gemeinschaftsebene selbst, anders als dem Gesamtstaat im Bundesstaat, keine Kompetenz-Kompetenz zukommt, solange sie innerhalb des ihr zugestandenen Aufgabenbereichs über abschließende Regelungsvollmacht verfügt. Obwohl also die Aufgaben der Gemeinschaft und ihrer Organe nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur auf der KompetenzKompetenz der Mitgliedstaaten beruhen - dies geht aus Art. 5 erster Satz EG und Art. 7 (1) zweiter Satz EG hervor - können sie in diesen Bereichen trotzdem "endgültige Entscheidungen" treffen. Zusätzlich sieht sich der EuGH im Gemeinschaftsrecht - unbeschadet der Tatsache, dass auch er seine Prüfungskompetenz nur auf Grund der Einzelermächtigungen durch die Mitgliedstaaten im Primärrecht ausübt - zur abschließend verbindlichen Gerichtsbarkeit bei Kompetenzkonflikten zwischen der Gemeinschaftsebene und den Mitgliedstaaten berufen. Dies wird zwar abermals dadurch relativiert, dass die nationalen Verfassungsgerichte sich die Zuständigkeit zur endgültigen Beurteilung der Frage vorbehalten haben, ob Gemeinschaftsorgane (besonders im Bereich der Gesetzgebung) im Rahmen ihrer Kompetenzen gehandelt haben 5l ; trotzdem kommt der Gemeinschaftsebene jedenfalls innerhalb der ihr unstrittig zugestandenen Kompetenzbereiche endgültige Entscheidungsgewalt zu. Somit ergibt sich im Bereich der Kompetenzabgrenzung zwischen den Mitgliedstaaten und den Europäischen Gemeinschaften ein neues Rechtsverständnis eines Föderalismus, der als reiner Ordnungsbegriff nicht unlösbar mit dem System des Bundesstaates verknüpft ist52 , und die Situation der Mitgliedstaaten in diesem System erscheint in einigen Bereichen mit jener 50 Vgl. Huber, Peter, Der Staatenverbund der Europäischen Union, in: Ipsen, Jöm u.a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel - Wiedervereinigung Deutschlands, Deutschland in der Europäischen Union, Verfassungsstaat und Föderalismus, Köln/ Berlin/Bonn/München: Carl Heymanns Verlag 1995. 51 Vgl. für Deutschland das Maastricht Urteil, BVerfGE 89, S. 155. Für Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich vgI.: Craig, Paul, Grainne de Burca, EU Law, Text, Cases, and Materials, 2. Auflage, Oxford: Oxford University Press: 1998. 52 Kenntner, Markus, JustitiabIer Föderalismus: zur Konzeption föderaler Kompetenzzuweisungen als subjektive Rechtspositionen, Berlin: Duncker & Humblot 2000.
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der Gliedstaaten in klassischen Bundesstaaten auch durchaus vergleichbar. Dennoch haben die Mitgliedstaaten aber bisher trotz aller Tendenzen zur Stärkung der Gemeinschaftsebene den Schritt hin zur verfassungsrechtlich abgesicherten souveränen Einrichtung bzw. Duldung originärer Gemeinschaftskompetenzen nicht zugelassen. Obgleich man also durchaus eine Entwicklung hin zu einem Europäischen Föderalismus konstatieren kann, bleibt dennoch klar, dass die Europäische Union keine "pluralistic democracy (ist) in which two sets of govemments, neither being fully at the mercy of the other, legislate and administer within their separate yet interlocked jurisdictions"s3, solange der Gemeinschaftsebene selbst keine originären, souveränen Kompetenzen zukommen. Zusammenfassend kann man also wohl festhalten, dass der Umfang der Vereinigung der Mitgliedstaaten im Rahmen der Europäischen Union ein beträchtliches Ausmaß an Regelungsdichte erreicht hat, welches weit über jenes der frühen amerikanischen und Schweizer Staatenbünde hinausgeht. Wer daraus nun die Feststellung eines "konstitutionellen Föderalismus" der Europäischen Union ableitet, tut gut daran, diese im Hinblick auf die festgestellten Einschränkungen durch den zusätzlichen Hinweis auf einen Charakter sui generis von "Europe's Sonderweg"S4 zumindest zu relativieren.
VI. Exkurs: Gemeinschaftsrecht und Kompetenzverteilung zur Umweltgesetzgebung Im Hinblick auf das Tagungsthema "Umweltföderalismus - Föderalismus in Deutschland: Motor oder Bremse für den Umweltschutz?" soll dieser Abschnitt als Einleitung zur folgenden Diskussion in einem kurzen Exkurs das Spannungsverhältnis zwischen der Kompetenzverteilung im nationalen Umweltrecht Deutschlands, Österreichs und Belgiens und dem EG-Umweltrecht andeuten. 1. Kompetenzverteilung im UmweItbereich in Deutschland, Österreich und Belgien
Grundlage der Kompetenzverteilung in den drei Staaten sind folgende Bestimmungen: In Deutschland sind die Kompetenzen zum Umweltschutz 53 So die Föderalismusdefinition von: Duchacek, [VO, Perforated Sovereignties, in: Michelmann, Hans/Soldatos, Panayotis (Hrsg.), Federalism and International Relations - The Role of Subnational Units, Oxford: Clarendon Press 1990. 54 Vgl. Weiler, Joseph, Federalism and Constitutionalism: Europe's Sonderweg, Harvard Jean Monnet Working Paper 10/00.
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für die Bereiche Abfall, Luft und Boden in Art. 74 (konkurrierende Gesetzgebung) und für den Bereich Wasser in Art. 75 GG (Rahmengesetzgebung des Bundes) geregelt. In Österreich regelt grundsätzlich der Bund nach Art. 10 B-VG Gesetzgebung und Vollziehung in Teilbereichen des Abfallrechts, in der Luftreinhaltung und im Wasserrecht. Die Bundesländer sind gemäß Art. 15 B-VG für die weiteren Teilbereiche des Abfallrechtes und für den Bodenschutz zuständig. In Belgien dahingegen verbleiben die meisten Kompetenzen im Umweltbereich bei den Regionen. Diese alleine sind zur Gesetzgebung und Vollziehung in den Bereichen Boden, Abfall, Luft und Wasser berufen - der Föderalbehörde kommt hier einzig die Kompetenz zu, vorübergehend Maßnahmen zu erlassen, sofern die Regionen es versäumen, die Umsetzung von europarechtlichen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen Belgiens in ihrem Kompetenzbereich zu erfüllen55 . Während die Konfliktfelder in Deutschland und Österreich gemäß der vergleichbaren Kompetenzverteilung durchaus ähnlich gelagert sind und durch eine zunehmende Aushöhlung der Länderkompetenzen im Umweltbereich charakterisiert werden, ist die Position der belgischen Regionen im Rahmen der nationalen Kompetenzverteilung somit weit stärker ausgeprägt. In Belgien ist daher bisher auch keine Tendenz hin zu gesamtstaatlichen Regelungen zur Umsetzung von EG-Umweltrecht erkennbar. Im Gegensatz dazu kritisieren vor allem die deutschen Länder einen materiellen Kompetenzverlust in Zusammenhang mit der Zunahme von Gemeinschaftsrecht im Umweltbereich, was ihrer Meinung nach zur Absenkung existierender Schutzstandards und zur unnötigen Regelung von nicht grenzüberschreitenden Bereichen führe 56 . Ähnlich grundlegende Auswirkungen wie in Deutschland hatte die vergleichsweise rasche Übernahme des gesamten acquis communautaire auch für die österreichischen Bundesländer57 . Besonders die Pflicht zur Umsetzung einer einheitlichen Umweltgenehmigung für Betriebsanlagen der Richtlinie 96/61 lEG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie)58 hat als Querschnittsvorgabe für 55 Zur Kompetenzverteilung in Belgien durch das Spezialgesetz über die Institutionenreform vom 8. August 1980 i.d.g.F. vgl: Deketelaere, Kurt, Public Environmental Law in Belgium in General and in the Flemish Region in Particular, in: Seerden, Rene, Michiel Heldeweg (Hrsg.), Comparative Environmental Law in Europe - An Introduction to Public Environmental Law in the EU Member States, AntwerpenlApeldoom: MAKLU Uitgevers 1996. 56 Vgl. Reich, Dietmar, Zum Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der Deutschen Bundesländer, EuGRZ 2001, 1. 57 Vgl. dazu: Fischer, Klemens, Elisabeth Freytag (Hrsg.), Österreich und das Umweltrecht der Europäischen Union, Wien: Ueberreuter 1995.
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die Kompetenzausübung im Umweltbereich grundlegende Auswirkungen. In Kombination mit der Richtlinie 971 II/EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten59 ergab sich in Deutschland seitens der Bundesebene die Überlegung nach einer Forderung zur Änderung der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung, um die Umsetzung zu garantieren. Das Vorhaben der geschlossenen Regelung des Umweltrechtes in einem Umweltgesetzbuch (UGB) ist nämlich bisher auch im Hinblick auf ungelöste Konflikte betreffend die Kompetenzen der Länder60 gescheitert61 •
2. Vertragsverletzungsverfahren im Umweltbereich Gescheitert ist nach Einschätzung der Kommission allerdings auch der überdies verspätete - Versuch Deutschlands zur Umsetzung der IVU-Richtlinie im Rahmen bestehender Gesetze62 . Die Kommission beurteilte diese Maßnahmen nämlich als unzureichend und leitete durch die Übermittlung einer begründeten Stellungnahme gemäß Art. 226 EG die zweite Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens wegen der Nichtumsetzung der IVURichtlinie ein. Während zwei weitere Mitgliedstaaten sich diesbezüglich im gleichen Stadium befinden (BEL, LUX) ist die Nichtumsetzung durch vier weitere Mitgliedstaaten (UK, GR, SP, FIN) bereits vor dem EuGH anhängig63 . In Belgien, wo innerstaatlich die Regionen zur Umsetzung berufen sind, wird von der Kommission wie im oben zitierten Beispiel zur Umsetzung einer Richtlinie im Bereich der Abwasserbehandlung die Nichtumsetzung nur im Bereich der Gesetzgebungskompetenz einer der drei Regionen (hier: Wallonien) moniert64• Österreich setzte beide Richtlinien ausschließlich durch (die Novellierung von) Gesetzgebung auf Bundesebene um 65 . ABI. L 257 10.10.1996 S. 26. ABI. L 073 14.03.1997 S. 5, diese Tendenz wird sich im Rahmen der geplanten Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme wohl ausweiten, s. den dazu relevanten gemeinsamen Standpunkt in ABI. C 137 16.05.2000. 60 VgI. dazu: Martini, Klaudia, Der Kommissionsentwurf aus Sicht der Länder, in: Bohne, Eberhard (Hrsg.), Das Umweltgesetzbuch als Motor oder Bremse der Innovationsfähigkeit in Wirtschaft und Verwaltung?, Berlin: Duncker & Humblot 1999. 61 Vgl. Rat der Sachverständigen für Umweltfragen, Umweitgutachten 2000, Stuttgart: Metzler-Poeschel 2000. 62 Die Gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an diesen Versuch prüfte Beyer, Peter, Die Umsetzung der materiellen Anforderungen der IVU-Richtlinie im Gesetzesentwurf der Bundesregierung, UPR 2000, 434. 63 Europe Environment, 10.1. 200 I, 27. 58
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Diese Beispiele deuten wohl darauf hin, dass die - zumindest formelle Umsetzung von Richtlinien durch das Erlassen von relevanter Gesetzgebung auf Bundesebene einfacher erreicht werden kann und mit weniger Aufwand verbunden scheint, als der mühsame Weg durch sämtliche Gesetzgebungsprozesse der Länder oder Regionen. Das scheint auch generell ein Grund für die Tendenz hin zu Regelungen auf Bundesebene zu sein. Inwiefern aber durch die formelle Umsetzung - welche vorerst jedenfalls die Kommission dazu bewegt, kein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten im Einzelfall auch eine materielle Umsetzung der Zielbestimmungen der jeweiligen Richtlinie erreicht werden wird, bleibt natürlich offen. Hier setzt die Kritik der Länder an, die nicht nur eine Aushöhlung ihrer Kompetenzen, sondern auch eine Aufgabe von lange etablierten materiellen Umweltstandards im Gegenzug zu einer Ausweitung eines reinen Berichtswesens befürchten, das nicht durch entsprechende Kontrollmaßnahmen abgesichert ist. Generell sollte noch angemerkt werden, dass der Umweltschutz jener Sektor des Gemeinschaftsrechtes ist, der mit Abstand die meisten Nichtumsetzungsverfahren nach Art. 226 EG verzeichnet (1203 von insgesamt 3833 Verfahren, vgl. Binnenmarkt 784, Gesundheit und Konsumentenschutz 450)66. Von den Zwangsgeldverfahren nach Art. 228 EG stellt dieser Bereich sogar gut die Hälfte (\4 von 29)67. Diese Vorreiterstellung mag ein Grund für die Tendenz hin zu Regelungen auf Bundesebene sein, die den Nachweis der Umsetzung von EG-Umweltrecht gegenüber der Kommission erleichtern.
64 Dies war schon vor der Einrichtung des belgischen Bundesstaates in vergleichbarer Weise in der Rs 2/90 Kommission/Belgien (Wallonischer Abfall), Slg. 1992, 1-4431, geschehen, in der die Kommission nur eine Maßnahme Walloniens beanstandet hatte (was allerdings vom EuGH nicht bestätigt wurde). 65 Vgl. zur IVU-RL: Gewerbeordnung (§§ 77a, 8Ia-8Id, 356a, 359b Abs. I letzter Satz) i.d.F. Österr. BGBI. 1 Nr. 8812000 und Abfallwirtschaftsgesetz (§§ 29b29d, 45c Abs. I und 2) i.d.F. Österr. BGBI. 1 Nr. 9012000, zur UVP-RL: Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, Österr. BGBI. Nr. 697/1993 i. d. F. Österr. BGBI. Nr. 1 8912000. 66 Stand per 2. Oktober 2000 laut Kommission, verfügbar unter http:// europa.eu.int/comm/secretariacgeneral/sgb/droiccom/index_en.htm, zuletzt abgerufen am 2. April 2ool. 67 Vgl. dazu Annex 11 in: Kommission der EG, Seventeenth Annual Report on Monitoring the Application of Community Law (1999), COM(2oo0) final.
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3. Überblick zu Spannungsbereichen in den Feldern Abfall, Luft, Boden und Wasser Abschließend soll im Hinblick auf das Tagungsthema ein kurzer Einblick in die Auswirkungen des Gemeinschaftsrechtes für die vier konkreten Regelungsbereiche Abfall, Luft, Boden und Wasser in Deutschland und Österreich gegeben werden. Da festgestellt wurde, dass die Regionen in Belgien keinen Kompetenzverlust im Umweltbereich beklagen, wird Belgien hier nicht mehr näher betrachtet. Die Abfallbeseitigung fällt in Deutschland in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 (1) Nr. 24 GG). Auf bundesgesetzlicher Ebene erfolgt die Ausgestaltung durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG)68, das im Einklang mit der EuGH-ludikatur vom vorher engen Abfallbegriff des alten Abfallgesetzes abging. Die Konkretisierung der Bestimmungen des KrW -/ AbfG erfolgt im Rahmen von Landesabfallgesetzen. Nachdem eine Länderarbeitsgemeinschaft Abfall "Anlagen zur Verwertung und sonstigen Entsorgung" bereits seit 1994 an bundeseinheitlichen Auslegungskriterien zu den Begriffen Abfall, Produkt, Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung gearbeitet hatte, konnte selbst nach Verabschiedung eines Bund-Länder-Konsenspapiers keine Einigung über eine einheitliche Vollziehung erzielt werden. Der Bund überlegte daraufhin im Dezember 1999 eine Vereinheitlichung mittels einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift auf der Grundlage des Art. 84 (2) GG zu erreichen. Kommunen und Länder lehnten dies ab und der Bund lenkte ein. Nunmehr soll das KrW-/AbfG entsprechend geändert werden, wozu abermals eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet wurde. In der Zwischenzeit wurden die früher üblichen Abfallbezeichnungen durch den europarechtlich einheitlichen Abfallkatalog ersetzt. Auch dieser soll allerdings nach Meinung des Bundes und der Länder noch weiter konkretisiert werden 69 . In Österreich, wo der Bundesebene die Gesetzgebung und Vollziehung "zur Abfallwirtschaft hinsichtlich gefahrlicher Abfälle, hinsichtlich anderer Abfälle nur soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist" zukommt (Art. lO (1) Nr. 12 B-VG), hat der Bund insbesondere durch die letzte Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes70 zur Umset68 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen vom 27. September 1994, BGB!. I S. 2705 i. d. F. vom 17. März 1998, BGB!. I S. 502. 69 Vg!. näher: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Abfallwirtschaftspolitik aktuell - Auswirkungen neuer europäischer Richtlinien und Stand der Umsetzung abfallrechtlicher Projekte in Deutschland - Stand: I. März 2001, Berlin: BMU 2000.
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zung der IVU-Richtlinie und der Deponie-Richtlinie71 eine Ausweitung dieser Bedarfskompetenz zu Lasten der Länder wahrgenommen. Die Kompetenz zur Luftreinhaltung nillt in Deutschland auch in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 (I) Nr. 24 GG). Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)72 wird auf Länderebene teils durch Landes-Immissionsschutzgesetze konkretisiert. Die Fortbildung des Immissionsschutzes in Deutschland war seit der erstmaligen Erlassung des BImSchG im Jahr 1974 durch eine Ausweitung der bundesgesetzlich geregelten Materien charakterisiert. Durch die Länder werden in einzelnen Landesgesetzen nur noch einzelne Randbereiche behandelt. Diese Tendenz wurde auch durch die neuen Vorgaben der Rahmenrichtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität73 beeinflusst, die bisher durch zwei substanzbezogene Tochterrichtlinien ergänzt wurde. Die neue Struktur des Luftschutzrechtes der EG erforderte eine Anpassung an die Anforderungen der integrativen Behandlung mit anderen Umweltproblemen und stärkere Beteiligungsrechte. Auch in Österreich wurde in Ausgestaltung der Bundeskompetenz zur Luftreinhaltung (Art. 10 (I) Nr. 12 B-VG) im Jahr 1997 ein neues Immissionsschutzgesetz-Luft auf Bundesebene74 erlassen, das trotz des Hinweises auf die Wahrung der Kompetenz der Länder für Heizungsanlagen durch die Festlegung von Immissionsgrenzwerten in der Praxis auch für diesen Bereich einen Schritt zur Vereinheitlichung auf Bundesebene vollzieht. Im Bereich des Bodenschutzes, ebenfalls eine Materie die in die konkurrierende Gesetzgebung fällt (Bodenrecht - Art. 74 (1) Nr. 18 GG), ist im Einklang mit einer Verstärkung der Regelungsdichte auf Gemeinschaftsebene eine eindeutige Tendenz von den Ländern hin zum Bund zu erkennen. Mit dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) am 1. März 199975 wurden parallele Regelungen in den bis dahin gültigen Landes-Bodenschutzgesetzen nach dem Grundsatz "Bundesrecht bricht Landesrecht" des Art. 31 GG hinfällig. Auch die entsprechenden Verwaltungsvorschriften der Länder sind nicht mehr anzuwenden, soweit ihr Regelungs70 Vgt. Abfallwirtschaftsgesetz (§§ 29b-29d, 45c Abs. I und 2) i. d. F. Österr. BGBt. I Nr. 9012000. 71 Richtlinie 1999/31/EG des Rates über Abfalldeponien, ABt. Nr. L 182 vom 16.07.1999 S. I. 72 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge - Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 14. Mai 1990, BGBt. I S. 880 i.d.F. vom 19. Oktober 1998, BGBt. I S. 3178. 73 ABt. L 296 21.11.1996 S. 55. 74 Österr. BGBt. I Nr. 115/1997. 75 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten - Bundes-Bodenschutzgesetz vom 17. März 1998, BGBt. I S. 502.
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bereich zu der das BBodSchG konkretisierenden Bodenschutz- und Altlasten verordnung (BBodSchV) in Widerspruch steht. In Österreich hat der Bundesgesetzgeber keine vergleichbare Regelung getroffen; die Kompetenz zum Bodenschutz verbleibt hier nach Art. 15 (1) B-VG bei den Ländern, da sie dem Bund nicht ausdrücklich zugewiesen ist. Einwirkungen auf den Boden im Bereich der Abfallwirtschaft und von Deponien werden allerdings durch das novellierte Abfallwirtschaftsgesetz als lex specialis auf Grund der oben beschriebenen relevanten Bundeskompetenzen geregelt. Im Bereich des Wasserrechts schließlich kommt dem Bund in Deutschland das Recht zu, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG (konkurrierende Gesetzgebung) Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen (Wasserhaushalt - Art. 75 (1) Nr. 4 GG) und in Österreich ist die Bundesebene nach Art. 10 (1) Nr. 10 B-VG dazu berufen, Gesetzgebung und Vollziehung von Angelegenheiten des Wasserrechtes zu erledigen. Auch in diesem Bereich ist wohl zu erwarten, dass sich insbesondere die Verpflichtung zur Umsetzung der neuen Richtlinie 2oo0/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitie6 , die am 22. Dezember 2000 in Kraft trat, und eine der IVU vergleichbare Integration vorsieht, auf die bisher bestehende Kompetenzausübung in der Praxis auswirken wird. Die Umsetzungsfrist beträgt drei Jahre.
VII. Schlussbemerkungen Zusammenfassend soll kurz auf die Relevanz der Ausführungen dieses Beitrages für die Beantwortung der Grundfrage der Tagung eingegangen werden, ob der Föderalismus in Deutschland eher Motor oder aber Bremse für den Umweltschutz ist. Dazu empfiehlt es sich grundsätzlich, die generell-abstrakte Ebene der Begriffsbestimmung von Bundesstaat und Föderalismus von den konkreten Grundlagen der Ausgestaltung dieses Föderalismus und der Verteilung der Kompetenzen im Umweltbereich im Bundesstaat Deutschland zu unterscheiden. Während nämlich die rein abstrakte Betrachtung des bundesstaatlichen Föderalismus in seiner modernen Ausgestaltungsformen klar darauf hindeutet, dass die Umsetzung von Umweltnormen im Bundesstaat als Drei-Ebenen-Problem (Gemeinschaftsrecht - Bundesrecht - Länderrecht) erheblich höheren Aufwand erfordert, als dies im Fall zentralistisch organisierter Mitgliedstaaten (nur: Gemeinschaftsrecht - nationales Recht) der Fall ist, macht insbesondere die Platzierung der drei Bundesstaaten im (guten) Mit76
ABI. L 327 22.12.2000 S. \.
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Juliane Kokott und Bernhard Raberger
tel feld der Umsetzungsstatistiken der Kommission deutlich, dass eine weit differenziertere Betrachtungsweise angebracht scheint. Obgleich grenzüberschreitende Umweltprobleme natürlich auch grenzüberschreitend durch die Gemeinschaft - wenn nicht sogar im Rahmen von völkerrechtlichen Verträgen - gelöst werden sollen und müssen, scheint deshalb insbesondere im Hinblick auf die traditionell stark ausgeprägten Kontrollsysteme im Umweltrecht der deutschen Länder Vorsicht geboten. Sofern und soweit gemeinschaftsrechtliche Vorgaben eine Tendenz hin zur Aushöhlung der Länderkompetenzen im Gegenzug zu rein fonnellen adhoc Erfüllungsgesetzen auf Bundesebene bewirken, die es versäumen, einen vergleichbar starken Kontrollmaßstab einzurichten, wäre eine solche Entwicklung der Umwelt selbst nämlich sicherlich nicht zuträglich.
B. Grundfragen von Umweltschutz und Föderalismus
Probleme der Umweltschutzgesetzgebung im Bundesstaat Von Franz-Joseph Peine Bundesstaatliche Probleme der Umweltschutzgesetzgebung stellen sich im Bereich des Rechts der Gesetzgebungskompetenzen, und zwar in zweierlei Hinsicht. Erster Fragenkomplex: Darf der Bund ein Gesetz auf einen sog. Kompetenzmix stützen? Zweiter Fragenkomplex: Welche Regelungsspielräume verbleiben den Ländern, wenn der Bund tätig geworden ist? Diese Frage stellt sich zum einen, wenn der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt, zum anderen, wenn dem Bund die Rahmengesetzgebungskompetenz zusteht. Umweltrelevante Gesetzgebungskompetenzen in diesem Sinne sind Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 und 24 GG; Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4 GG. Als erstes wende ich mich dem Problem des Kompetenzmixes zu (1.). Anschließend stelle ich vor, auf welche Weise methodisch korrekt die Räume zu ermitteln sind, die die Länder füllen dürfen, wenn der Bund auf der Basis der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz tätig geworden ist (11.). Abschließend behandle ich die Rahmengesetzgebung (III.). Diese drei Teile des Vortrags sind derart unterteilt, dass ich erstens das Verfassungsrecht und zweitens konkrete Beispiele behandle. Vorab darf auf folgendes hingewiesen werden: Nach Art. 71 Hs. 2 GG haben die Länder im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes die Befugnis zur Gesetzgebung nur dann, wenn und soweit sie ein Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt. Bereits die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes entfaltet somit bei Fehlen einer Ausnahmeregelung eine Sperrwirkung mit der Folge, dass Landesgesetze in dem betreffenden Bereich unzulässig und nichtig sind 1• Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz spielt im Bereich des Umweltrechts keine wesentliche Rolle und bleibt deshalb hier ausgespart.
1 Pieroth. in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, 5. Aufl. 2000, Art. 71 Rn. 2; Stettner. in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd.2. 1999, Art. 71 Rn. 8; Feil. Auswirkungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes auf die Landesbodenschutzgesetze und den Ländern verbleibende Gesetzgebungsspielräume, 2000, S. 10.
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Franz-Joseph Peine
I. 1. Mit Blick auf die Zulässigkeit des sog. "Kompetenzmixes,,2 wird behauptet, dass eine Kompetenzkombination nur dann verfassungsrechtlich zulässig sei, wenn bestehende Kompetenzbereiche bzw. darauf beruhende Regelungsbefugnisse in einem Gesetzesvorhaben zusammengefasst werden sollen; keinesfalls könne ein derartiger "Mix" zur Schaffung einer neuen, von der im Grundgesetz enthaltenen Kompetenzordnung nicht oder nicht vollständig abgedeckten Zuständigkeit führen; wäre letzteres zulässig, könnte das gesamte System der Gesetzgebungszuständigkeiten nach dem Grundgesetz unterlaufen werden. Die Nutzung eines Kompetenzmixes sei deshalb nur begrenzt möglich. - Faktisch stützt der Bundesgesetzgeber sehr häufig Gesetze auf einen Kompetenzmix 3 . Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen vielen, die Gesetzgebungskompetenz betreffenden Entscheidungen dieses Vorgehen bislang immer akzeptiert4 . Deshalb stehen dem Bund alle Kompetenztitel kumulativ zur VerfügungS; er darf seine Gesetzgebungszuständigkeit aus unterschiedlichen Titeln ableiten 6 . Eine verfassungsrechtliche Grenze für dieses Vorgehen ist erreicht, wenn eine einzelne Aussage in einem Gesetz sich nicht mehr auf einen Kompetenztitel stützen kann. Diese Grenze ist allgemein akzeptiert7 . Bei ihrer Beachtung ist die Schaffung einer neuen, vom Grundgesetz nicht oder nicht vollständig abgedeckten Zuständigkeit nicht möglich. Der erhobene Vorwurf geht mit Blick auf die Möglichkeiten, die ein Kompetenzmix dem Gesetzgeber eröffnet, ins Leere; ein Kompetenzmix eröffnet nicht mehr an gesetzgeberischen Möglichkeiten, als ohnehin im Grundgesetz für den Bund vorhanden sind.
2. Im Bereich der Umweltschutzgesetzgebung hat sich das Problem des Kompetenzmixes zuletzt bei der Bodenschutzgesetzgebung gestellt: Der Bundesgesetzgeber gründet seine Kompetenz für den Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes auf die ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes sowie auf sein Recht zum Erlass von Rahmenvorschriften 8 . Folgende Titel sollen einschlägig sein: Für die Regelung zur Landesverteidigung in § 23 (§§ ohne nähere Kennzeichnung sind im Folgenden solche des Bundes-Bodenschutzgesetzes) beruft er sich auf die in 2 Welche Nonnen des Grundgesetzes als Elemente des Kompetenzmixes in Betracht kommen, legt ausführlich Feil, S. 37 f. dar. 3 s. Feil, S. 37. 4 s. den Nachweis sog. Leitentscheidungen bei Stettner, in: Art. 72 GG, S. 1346. 5 Oft, ZUR 1994, 55; Ott, Wolfgang, Grenzwerte, 1996, S. 62; Rid/Froeschle, UPR 1994, 321. 6 Rid/Froeschle, UPR 1994, 321. 7 s. Feil, S. 37. 8 BT-Drucks. 13/6701, S. 16 ff.
Probleme der Umweltschutzgesetzgebung im Bundesstaat
III
Art. 73 Nr. 1 GG vorhandene ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zur Regelung VOn Verteidigungsangelegenheiten; die übrigen Vorschriften (bis auf zwei) stützt er auf die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11: Recht der Wirtschaft, und Nr. 18: Bodenrecht, sowie an diese knüpfende Annexkompetenzen; zur Sanierung von Gewässerverunreinigungen vorhandene Regelungen in §§ 4 Abs. 4 S. 3, 7 S. 6 werden auf Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG gestützt: Recht des Wasserhaushalts. Dass ein solches Vorgehen im Einzelfall zulässig ist und dass auf dieser Grundlage ein Bundes-Bodenschutzgesetz erlassen werden kann, hat der Verfasser in einem Aufsatz aus dem Jahre 1992 nachgewiesen9 . Eine große Zahl VOn Autoren hat auf diesen Aufsatz Bezug genommen und seine Ergebnisse als richtig akzeptiert IO • Demzufolge konnte der Vorschlag für ein sehr weitgehendes Bodenschutzrecht im sog. Professorenentwurf für ein Umweltgesetzbuch, den der Verfasser verantwortete, in verfassungsmäßiger Hinsicht ohne weiteres gemacht werden 11; das gleiche gilt für den (partiell noch weitergehenden) Vorschlag eines Bodenschutzrechts der Unabhängigen Sachverständigenkommission 12. Deshalb scheint es nicht notwendig zu sein, die gesamte Argumentation zu wiederholen 13.
3. Es darf nach alldem davon ausgegangen werden, dass den Argumenten der Kritiker gegen die Zulässigkeit des Kompetenzmixes Durchschlagskraft fehlt 14. Das Bundes-Bodenschutzgesetz ist insoweit verfassungsmäßig. Dieser Ansicht haben sich sowohl die Rechtsprechung l5 als auch die weitaus überwiegende Literatur l6 angeschlossen.
11. 1. Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder die Gesetzgebungsbefugnis, solange und soweit der Bund VOn seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch Peine, NuR 1992, 353 ff. Brandt, Edmund, Altlastenrecht, 1993, Kapitel XI C, Rn. 59 ff.; ders., DÖV 1996,677 ff.; Rid/Froeschle, UPR 1994,322 ff.; RidiPetersen, NVwZ 1994,845. 11 Jarass/Kloepjer/Kunig/Papier/Peine/Rebinder/Salzwedel/Schmidt-Aßmann, Umweltgesetzbuch-BT, Berichte des Bundesumweltamtes 4, 1994. 12 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 1998. 13 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes behandelt jüngst ausführlich Feil, S. 33-52. 14 Ebenso Feil, S. 46. 15 VG Frankfurt/Main, NuR 1999, 711, und das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.5.2000, DÖV 2000, 1054. 16 Z. B. durchgehend die Kommentare zum Bundes-Bodenschutzgesetz. 9
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gemacht hat. Sobald und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit wirksam Gebrauch macht, tritt im Umfang der gesetzlichen Regelung eine Sperrwirkung für die Länder ein mit der Folge, dass ihre Gesetzgebungskompetenz entfällt und neues Landesrecht nicht mehr entstehen kann; gleichwohl erlassenes Landesrecht ist nach Art. 72 Abs. 2 GG unwirksam. Die Sperrwirkung eines Gesetzes ist in zeitlicher und sachlicher Hinsicht relativ; ihr Eintritt erfordert, dass das die Sperrwirkung potentiell auslösende Bundesgesetz unter allen denkbaren Gesichtspunkten rechtswirksam ist 17 • Die Sperrwirkung resultiert ferner nicht allein aus dem Umstand der bundesrechtlichen Regelung als solcher. Es ist erforderlich, dass die Norm die betreffende Materie "erschöpfend" bzw. abschließend regelt l8 . Landesrechtliche Regelungen sind daher "soweit" (so der Wortlaut des Art. 72 Abs. 1 GG) zulässig, wie das Bundesgesetz ihnen sachlich Raum lässt. Diese Lücke darf der Landesgesetzgeber schließen l9 . Es sind für die Begrenzung der Reichweite zwei Fälle zu unterscheiden 2o : Wenn der Bundesgesetzgeber einen Sachbereich abschließend regelt, entfällt die Gesetzgebungskompetenz der Länder; regelt er ihn nur teilweise (z. B. wenn er entweder innerhalb eines Gesamtbereichs nur einzelne Regelungen getroffen oder nur einzelne Regelungsstufen betreten hat), tritt die Sperrwirkung zulasten der Länder nur insoweit ein - den Ländern verbleibt die darüber hinausgehende Gesetzgebungskompetenz21 • Die abschließende Regelung eines Bundesgesetzes gilt häufig nicht für das gesamte Gesetz, sondern betrifft nur einen Teil; anderen Vorschriften fehlt eine erschöpfende Regelung: Dieses teilweise Gebrauchmachen lässt den Ländern die Regelungskompetenz in den nicht normierten Bereichen22 • Eine von den Ländern als unzulänglich empfundene Regelung erlaubt es ihnen nicht, die Regelung durch Landesrecht nachzubessern. Die Sperrwirkung einer vollständigen bundesrechtlichen Regelung steht auch einer lediglich ergänzenden landesrechtlichen Normierung entgegen 23 • Entscheidend ist, wann und inwieweit eine Regelung erschöpfend ist. Feil, S. 12. Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 72 Rn. 11 mit Verweis auf BVerfGE 7, 342/347; Stern, Staatsrecht I, 1977, § 37 11 3e mit Verweis auf BVerfGE 34, 9/28. 19 Peine, Kodifikation des Landesumweltrechts, 1996, S. 57. 20 Martha Dagmar Müller, Auswirkungen der Grundgesetzrevision von 1994 auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, 1996, S.28. 21 BVerfGE 62, 354/369; 83, 363/379; 85, 226/234. 22 Jarass, NVwZ 1996, 1045 mit Verweis auf BVerfGE 18,407/415 f.; 78, 2491 250; Feil, S. 14. 17
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Gesetzliche Kriterien für die Abgrenzung zwischen einer erschöpfenden und einer teilweisen Regelung fehlen 24 . Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts25 und des Bundesverwaltungsgerichts 26 ergibt sich der abschließende Charakter einer Regelung aus einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes; es besteht keine irgendwie geartete Vermutung, dass ein Normenkomplex abschließend sei 27 . Die Gesamtwürdigung hat der Rechtsprechung zufolge das Ziel der Bundesgesetzgebung zu beachten (es darf angenommen werden, dass mit dem Wort "Ziel" "Zweck" gemeint ist)28. Aus dem Ziel könne der umfassende Charakter hergeleitet werden bei Vorhandensein eines detailreichen Regelungswerks oder eines Systems von ins einzelne gehenden und differenzierten Vorbehalten zugunsten des Landesgesetzgebers. Der typisierende Charakter einer Gesetzesnorm könne hilfreich bei der Beantwortung der hier bedeutsamen Frage sein 29 . Die verfassungsrechtliche Literatur behandelt das Problem der Gesamtwürdigung eher oberflächlich 3o, indem entweder das Vorliegen einer erschöpfenden Regelung lapidar als Auslegungsfrage abgetan 31 , die Existenz allgemeiner Auslegungsregeln in Abrede gestellt32 oder die nahe Wesensverwandtschaft von Gesamtwürdigung und Auslegung nicht deutlich hervorgehoben wird33 . Für die methodische Praxis des Bundesverfassungsge23
Peine, Kodifikation des Landesumweltrechts, S. 58 m. w.N.; ders., NWVBI.
24
Müller, Grundgesetzrevision, S. 29.
1996,419.
BVerfGE 7, 342/347; 20, 2381248; 49, 343/358; 67, 299/324. BVerwGE 96, 318/325. 27 BVerfGE I, 296; 7, 342/347; 49, 343/358; 67, 299/324. Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird sich trotz der Grundgesetzrevision von 1994 nicht ändern, da die Begründung der Gemeinsamen Verfassungskommission offen lässt, wie etwaige Anhaltspunkte zur Abgrenzung einer erschöpfenden von einer Teilregelung zu definieren sind (s. Abschlußbericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 33); vgl. ausführlich Müller, Grundgesetzrevision, S. 33 ff. Eine Gesamtwürdigung eines Gesetzeskomplexes wird extrem häufig angestellt, obwohl eine entsprechende Bezeichnung fehlt: BVerfGE 2, 2321236 f.; 7, 2441258 ff.; 10, 89/100 f.; 18,407/417 f.; 20, 162/189; 24, 367/386 ff.; 25, 296/ 305; 29, 11/16 f.; 31, 141/144; 34, 52/58 f.; 36, 193/210; 37, 191/198 f.; 42,20/ 36; 45, 297/341; 58, 45/64 f. 28 In BVerfGE 20, 248 spricht das Gericht von Ziel und identifiziert dieses mit der Absicht des Gesetzgebers, eine vorhandene Rechtszersplitterung zu beseitigen. 29 Peine, NWVBI. 1996,419. 30 So mit Recht Feil, S. 15. 31 Lassar, Die Verteilung der staatlichen Aufgaben zwischen Reich und Ländern, in: Anschütz/Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1, 1930, S: 305: "Ob eine erschöpfende Regelung vorliegt, ist Auslegungsfrage." 32 Bothe, in: Alternativ-Kommentar, 1984, Art. 72 Rn. 5: "Allgemeine Regeln hierfür gibt es nicht." 25
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richts 34 sei festgestellt, dass es im Gegensatz zu seinen Bekenntnissen in zahlreichen Fällen der einfachen Gesetzes- und Verfassungsauslegung die historische Auslegung zu der vorrangig entscheidenden gemacht hat; dieser ist deswegen ein höherer Stellenwert beizumessen als nach der grundsätzlichen Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten war35 . Es wird deshalb im Ergebnis die Regel bestätigt, entscheidend für das Vorliegen einer erschöpfenden Regelung sei, ob der Bundesgesetzgeber ein Sachgebiet subjektiv so regeln wollte und objektiv so geregelt hat, dass Raum für eine landesrechtliche Regelung fehlt. Methodisch ist auf folgende Weise 36 vorzugehen: Der Gesamtwürdigung des Normenkomplexes hat voranzugehen die Beantwortung der Frage, ob überhaupt eine Regelungslücke existiert. Existiert eine Lücke, stellt sich die Frage, ob sie durch den Landesgesetzgeber geschlossen werden darf. Die Existenz einer Regelungslücke bedingt noch nicht das Recht des Landesgesetzgebers zu ihrer Schließung. Es ist in folgenden Schritten vorzugehen: Es sind zunächst positive Aussagen innerhalb der Regelungen über die Zulässigkeit von Landesrecht zu ermitteln; fehlen diese, so ist eine materiebezogene Betrachtungsweise zugrunde zu legen: Innerhalb eines Gesetzgebungswerks ist nach einzelnen Sachmaterien zu differenzieren und zu fragen: Wollte für diese Materien der Gesetzgeber in Relation zum Gesetzeszweck nur einen Teilausschnitt aus den hierfür in Betracht kommenden Tatbeständen erfassen und wiederum bezogen auf den Gesetzeszweck relevante Gruppen von Tatbeständen offen lassen mit der Folge, dass eine gesetzgeberische Entscheidung fehlt? Fehlt sie bewusst, darf die Lücke geschlossen werden. Insbesondere ist hervorzuheben, dass ein Bundesgesetz nur teilweise Sperrwirkung entfaltet, wenn das Bundesgesetz nur bestimmte Regelungsstufen erfasst. Nach all dem sind folgende Schritte zu vollziehen 37 : I. Schritt: Feststellung von Regelungslücken im Gesetz 2. Schritt: Feststellung von positiven Aussagen zu landesrechtlichen Regelungsmöglichkeiten 33 Schmidt-BleibtreuIKlein, Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, Art. 72 Rn. 2; Hamannl Lenz, Grundgesetz, 3. Aufl., 1970, Art. 72 Anm. 3. 34 Das Bundesverfassungsgericht hat sich nicht eingehend dazu geäußert, welche Gesichtspunkte zur Ermittlung des abschließenden Umfangs eines Gesetzes maßgeblich sein sollen; s. dazu Stohlmeier, Die inhaltliche und zeitliche Reichweite der Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 GG, 1989, S. 140 m.w.N. 35 Friedrich Müller, Juristische Methodik, 3. Aufl. 1989, S. 206; Stohlmeier, Sperrwirkung, S. 156; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 205; insb. Sachs, DVBI. 1984, 76 m. w. N. 36 Vgl. zum folgenden Peine, NWVBI. 1996,419. Vgl. ferner Stohlmeier, Sperrwirkung, S. 86; Jarass, NVwZ 1996, 1044. 37 Vgl. Feil, S. 30 f.
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3. Schritt: a) Differenzierung nach Sachmaterien innerhalb des Gesetzes, b) Feststellung, ob Vollregelung oder Teilregelung, c) wenn Teilregelung: bewusste Entscheidung für Lücke? Sonderfall: Sperrwirkung bei Vorbehalten, Ermächtigungen und Rechtsverordnungsermächtigungen an die Bundesregierung 38 : In Bundesgesetzen finden sich teilweise Vorbehalte zugunsten der Länder. Diese Vorbehalte stellen klar, dass insoweit eine abschließende Regelung fehlt (Beispiele für Vorbehalte bilden Regelungen, nach denen landesrechtliche Vorschriften "unberührt" bleiben 39). Die im Bundesrecht existierenden Lücken dürfen die Länder füllen. - Ähnlich verhält es sich, wenn die Länder durch Bundesrecht zur Rechtsetzung "ermächtigt" werden: In solchen Ermächtigungen liegt kein Fall einer Übertragung von Regelungskompetenzen des Bundes; vielmehr stellen diese Aussagen klar, dass keine Sperrwirkung auftreten soll mit der Folge, dass auf solche Ermächtigungen gestützte Regelungen der Länder in Ausübung der ursprünglichen Landesgesetzgebungskompetenz ergehen4o . - Ermächtigt der Bundesgesetzgeber die Bundesregierung zum Erlass von Rechtsverordnungen, ergeben sich zwei Ansatzpunkte für eine Sperrwirkung: Diese kann entweder von der Ermächtigung selbst ausgehen oder aber von der aufgrund der Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung. Nach der Neufassung des Art. 72 Abs. 1 GG im Jahre 1994 stellt sich die Frage neu. Die Entstehungsgeschichte des Art. 72 GG n. F. legt es nahe, bloßen Verordnungsermächtigungen eine Sperrwirkung nicht beizumessen41 : Der Sache nach knüpft die Neuregelung des Art. 72 Abs. 1 GG an die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an. Nach dieser Judikatur trat eine inhaltliche Sperrwirkung zum einen dann ein, wenn ein Bundesgesetz eine bestimmte Frage ausdrücklich - und sei es auch nur negativ - regelte42 • Zum anderen fand eine inhaltliche Sperrwirkung auch dann Anerkennung, wenn der Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes eine erschöpfende Regelung einer bestimmten Materie zu entnehmen war43 • Auch unter Art. 72 Abs. 1 GG a. F. konnte man letztlich nicht vom Vorliegen einer Sperre für die Länder ausgehen, soweit eine bestimmte Materie oder Teilmaterie weder durch die gesetzlichen Regelungen selbst noch vom Regelungsbereich der Verordnungsermächtigung erfasst war. Der Bericht der Verfassungskommission verdeutlicht jedoch, dass in Zukunft die Zum Folgenden ausführlich Feil, S. 20 ff. BVerfGE 35, 65/73 f.; 78, 132/144 f.; 83, 24/30 f.; BVerwG, NVwZ 1993, 891 f.; Ossenbühl, DVBI. 1996,22; Jarass, NVwZ 1996, 1045. 40 Kunig, Art. 72 Rn. 13. 41 s. ausführlich Böhm, DÖV 1998, 234 ff. 42 Vgl. BVerfGE 2, 2321236; 34, 9128. 43 BVerfGE 7,342/347; 67, 299/324. 38
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Verfassung strikter zugunsten der Länderkompetenzen auszulegen sein wird. Dieser entstehungsgeschichtliche Hintergrund ist auch bei der Frage nach der Sperrwirkung von Verordnungsermächtigungen zu berücksichtigen und spricht dafür, den Ländern eigene Regelungsspielräume zuzugestehen, soweit zwar eine Verordnungsermächtigung, nicht aber eine diese ausfüllende Verordnung ergangen ist44 • Die entscheidende Frage ist, welchem Kriterium die ausschlaggebende Bedeutung zukommen soll: dem der materiellen Regelung (liegt - wie bei Verordnungsermächtigungen - keine vor, kommt es zu keiner Sperrwirkung) oder dem der grundSätzlichen Wahrnehmung der Gesetzgebungskompetenz durch den Bund (mit der Folge, dass die Länder ihre Kompetenz verlieren). Diese Frage lässt sich nur anhand einer Untersuchung des Sinns der Sperrwirkung beantworten45 . Dieser besteht nach Art. 72 Abs. 1 GG darin, die Effektivität einer Bundesregelung zu sichern. Davon ausgehend kann es nicht Sinn der Sperrwirkung sein, notwendiges Staatshandeln längerfristig zu blockieren, wenn mangels Verordnung die Bundesregelung noch nicht praktisch anwendbar ist und die Länder aufgrund der Sperrwirkung zur Untätigkeit verdammt werden; vielmehr muss der Erlass von Landes vorschriften möglich sein, die den Landesbehörden vorläufig erlauben, die Maßnahmen zu treffen, die nach einer zu erwartenden Bundesregelung zulässig und geboten sind46 . Wenn der Bund eine Regelung aus den in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Gründen für erforderlich hält, muss diese Regelung aus Bundessicht zu einer Verbesserung gegenüber dem bestehenden Zustand führen. Entschließt sich der Bund, diese Verbesserung durch materielle Regelungen herbeizuführen, wie etwa durch den Erlass einer Rechtsverordnung, so geht daraus jedenfalls hervor, dass er keinen regelungsfreien Zustand möchte bzw. die Notwendigkeit materieller Regelungen bejaht. Wenn aber entgegen dieser durch die Verordnungsermächtigung bestätigten Kundgabe eines Regelungsbedürfnisses noch keine Regelungen getroffen wurden, da noch keine Rechtsverordnung in Kraft trat, kann dem Bund nicht daran gelegen sein, etwaige Regelungen der Länder, die die Notwendigkeit einer Regelung ebenfalls erkennen, zu verhindern. Würde der Bund eine für die Zwischenzeit geltende Sperre der Länder im betreffenden Bereich ebenfalls für erforderlich halten, müsste er dies erkennbar machen; denn ansonsten wäre eine Sperre der Länder bzw. die Verdammung der Länder zur Untätigkeit in solchen regelungsbedürftigen Bereichen reine Schikane47 . Das Erlauben von Schikane kann aber nicht Sinn der SperrwirVgl. Böhm. DÖV 1998,235. Bothe. NVwZ 1987,945. 46 Bothe. ebenda. 47 Jarass. NY wZ 1996, 1046 m. w. N. J arass zufolge hängt die Sperrwirkung vom Willen der Bundesgesetzgebung ab, vorausgesetzt, der Bundesgesetzgeber will nicht 44
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kung sein; deshalb ist dem Kriterium der materiellen Regelung Vorrang einzuräumen. Im Übrigen lässt sich sagen, dass der Bund eine materielle Regelung dann, wenn er eine solche für erforderlich gehalten hätte, ohne weiteres in gesetzlicher Form hätte erlassen können, ohne sich auf eine bloße Verordnungsermächtigung zu beschränken. Bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung lässt sich schließen, dass der Bund eine nähere Regelung offensichtlich nicht für erforderlich genug hielt. Dann aber kann sich auch die Sperrwirkung nur in diesem Sinne entfalten, nämlich in abgeschwächter Form. Daher ist kein Grund ersichtlich, warum es dem Landesgesetzgeber verwehrt sein sollte, bis zum Ergehen einer Rechtsverordnung eigene Regelungen zu treffen, soweit diese noch nicht durch die Verordnungsermächtigung selbst erfolgt sind, solange diese Regelung mit dem gesamten Bundesgesetz und vor allem den zu erwartenden Regelungen der Verordnung in Einklang stehen48 . Bei Nichterlass einer bundesrechtlichen Verordnung sind die Länder nicht gesperrt, eigene Regelungen zu erlassen. 2. Für den Bereich des Bodenschutzrechts wird gelegentlich behauptet, die Länder dürften nur auf den Gebieten tätig werden, für die das Gesetz ihnen ausdrücklich das Gesetzgebungsrecht einräume; im Übrigen entfalte das Bundes-Bodenschutzgesetz Sperrwirkung. Aus § 21 Abs. I folge eine Beschränkung der Länder auf ergänzende Verfahrensregelungen, diese These wird nicht näher begründet49 . Diese Ansicht ist ersichtlich unrichtig. Das Bundes-Bodenschutzgesetz ist nicht lückenlos; ein Blick auf die in ihm enthaltenen Vorsorgeregelungen bestätigt die Richtigkeit der Behauptung. Es lässt sich deshalb nicht das Argument mit Erfolg in die Debatte einführen, deshalb, weil das Gesetz lückenlos sei, entfalle die Möglichkeit für die Länder, Lücken zu schließen. Andererseits lässt sich auch nicht von vornherein an diesen Befund die Folge knüpfen, die Länder dürften die Lücken nicht füllen, weil der Bund genau diese Lückenfüllung verhindern wolle (es sei denn, er habe die Lückenfüllung ausdrücklich per Gesetz vorgesehen). Der Bundesgesetzgeber hat sich weder zur Frage nach dem erschöpfenden Charakter einzelner Normen des Bundes-Bodenschutzgesetzes noch zur nur die Länder blockieren, sondern verfolgt ein inhaltliches Konzept: "Wenn daher der Bundesgesetzgeber mit dem zeitweisen Nichterlass von Bundesrechtsverordnungen ein bestimmtes inhaltliches Konzept verfolgt und dies auch dem Gesetz zu entnehmen ist, dann wird von dem Grundsatz, dass von der bloßen Ermächtigung zum Erlass eine Bundesrechtsverordnung keine Sperrwirkung ausgeht, eine Ausnahme zu machen sein." 48 Bothe, NVwZ 1987,945. 49 Vierhaus, NJW 1998, 1269.
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Frage geäußert, ob das Schließen von Regelungslücken verboten sei. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass eine Regelung i. S. v. Art. 72 Abs. 1 GG vorliegt, wenn der Bund in einem Regelungsbereich nur bestimmte Fragen regelt, er aber erkennbar den gesamten Regelungsbereich abschließend regeln wollte, z. B. indem die bundesrechtliche Regelung erkennbar keinen Raum mehr für landesrechtliehe Regelung lassen will: Die Sperrwirkung erfasst dann auch den nicht geregelten Bereich. Der Landesgesetzgeber darf sich dabei nicht in Widerspruch setzen zu einem solchen erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers 5o . Zu untersuchen ist, ob die Regelungen betreffend die landesrechtlichen Vorbehalte weiteres landesrechtliches Vorgehen ausschließen. Ausgangspunkt der Betrachtung ist § 21 51 ; diese Vorschrift belässt den Ländern für bestimmte Bereiche die Gesetzgebungskompetenz52 . Nach § 21 Abs. I können die Länder zur Ausführung des Zweiten und Dritten Teils des Gesetzes (die im wesentlichen das Bodenschutzrecht umfassen) ergänzende Verfahrensregelungen erlassen. Es soll damit klargestellt werden, dass die Verfahrensvorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes die Befugnisse der Länder zur weiteren Konkretisierung des Verwaltungsverfahrens nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht verdrängen; insbesondere können die Länder die Beteiligung von Behörden und Öffentlichkeit oder die Erfassung von schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten nach landesrechtlichen Besonderheiten näher regeln 53 . § 21 Abs. 2 erlaubt den Ländern ergänzende Regelungen im Bereich des Rechts der Altlastensanierung, Abs. 3 gestattet den Erlass von Regelungen bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen und zu weiteren Regelungen über gebietsbezogene Maßnahmen des Bodenschutzes, Abs. 4 überlässt den Länder das Inkrafttreten von Bestimmungen betreffend die Einrichtung und Führung von Bodeninformationssystemen. All diesen Regelungen ist gemein, dass sie die Länder zur Festlegung eines bestimmten Aspekts innerhalb des Bodenschutzrechts ermächtigen (im obigen Sinn des Wortes). Deshalb drängt sich die Frage auf, ob in § 21 (und den sonstigen Ermächtigungen der Länder) eine abschließende Ermächtigung des Landesgesetzgebers durch den Bundesgesetzgeber enthalten so BVerfGE 2, 236 für den Willen des Bundesgesetzgebers, eine Frage überhaupt nicht zu regeln, sowie BVerfGE 32, 327 für den Willen des Bundesgesetzgebers, ein Landesgesetz nicht zuzulassen. SI Zum Folgenden ausführlich Feil, S. 55 ff. 52 Die sonstigen Ermächtigungen der Länder werden aufgrund ihrer Spezialität und ihres geringen Umfangs, wodurch folglich kein Schluss auf eine abschließende Wirkung des gesamten Bundes-Bodenschutzgesetzes möglich ist, im Rahmen der betreffenden Regelungsbereiche behandelt. 53 BT-Drucks. 13/6701, S. 45 = § 21 Rn. 3.
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ist mit der Folge, dass jede weitergehende Regelung durch die Länder nach dem Willen des Bundesgesetzgebers ausgeschlossen ist. Es ist auf das eingangs Gesagte zu verweisen: Vorbehalte zugunsten der Länder in einem Bundesgesetz haben nicht zwingend zur Konsequenz, dass im Wege des Umkehrschlusses den anderen Vorschriften des Gesetzes abschließender Charakter zukommt. Auch hier muss der genaue Wille des Gesetzgebers ermittelt werden; denn häufig werden Vorbehalte oder Ermächtigungen bestimmten Normen angefügt, weil dafür bei der betreffenden Norm besonderer Bedarf besteht - die Frage der abschließenden Regelung für die anderen Gesetzesteile beantwortet dieses Vorgehen nicht54 . Die Antwort istwie erwähnt - durch eine Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes zu finden 55 . Davon ausgehend lassen sich § 21 und dessen Begründung keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die übrigen Vorschriften nach dem Willen des Gesetzgebers abschließenden Charakter haben sollen. § 21 Abs. 1 hat lediglich klarstellende Funktion56 , ohne sichtbar eine Aussage über weitere Länderkompetenzen treffen zu wollen. Indem Abs. 2 die Länder ermächtigt, bei bestimmten Flächen, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen besteht, sowie bei schädlichen Bodenveränderungen, die ein besonderes Gefährdungspotential aufweisen, die Durchführung weiterer Maßnahmen vorzuschreiben, wird lediglich der Wille des Gesetzgebers erkennbar, den Ländern entsprechend ihrer spezifischen Betroffenheit zusätzlichen Spielraum zu gewähren 57 , nicht aber beabsichtigt der Gesetzgeber, sie in anderen Bereichen zu beschränken. Abs. 3 bringt deutlich den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, den Ländern die Möglichkeit zu eröffnen, flächenhaft auftretenden schädlichen Bodenveränderungen mit einem gebietsbezogenen Handlungskonzept zu begegnen58 , ohne eine irgend wie geartete Beschränkung auszudrücken: Es wird klargestellt, dass entsprechende landesrechtliche Vorschriften (§ 13 LBodSchBW und § 22 BerlBodSchG, die die Festsetzung von Bodenbelastungsgebieten vorsehen) durch das Bundes-Bodenschutzgesetz nicht verdrängt werden solIen59 • Gleiches gilt für Abs. 4, der zum Erlass von Bestimmungen betreffend Bodeninformationssysteme ermächtigt; die Vorschrift äußert sich zu Beschränkungen für andere Bereiche nicht. 54 Jarass, NVwZ 1996, 1045, mit Hinweis auf BVerfGE 20, 2381250 für ins Einzelne gehende und differenzierte Vorbehalte. 55 BVerfGE I, 2831296; 20, 2381248; 49, 343/358; 67, 299/324. 56 Ebenso z.B. Frenz, Bundes-Bodenschutzgesetz, Kommentar, 2000, § 21 Rn. I. 57 Vgl. BT-Drucks. 13/6701, S. 45: "Ob und inwieweit bei diesen Flächen kraft Landesrecht zusätzliche Anforderungen begründet werden sollen, entscheiden die Länder nach ihren spezifischen Betroffenheiten." 58 BT-Drucks. 13/6701, S. 45. 59 BT-Drucks. 13/6701, S. 45.
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Es zeigt sich nach alldem, dass den hinter § 21 stehenden Willen des Gesetzgebers eher ein Klarstellungsbedürfnis 60 sowie das Bedürfnis geprägt hat, die Zustimmung der Länder zum Gesetzesvorhaben zu gewinnen. Folglich gehen von § 21 keine Impulse für die Beurteilung des abschließenden Charakters der übrigen Vorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes aus. Letztlich entscheidend ist die Antwort auf die Frage, ob der Gesetzgeber die Bereiche des Bodenschutzes subjektiv so regeln will und objektiv so geregelt hat, dass kein Raum mehr für eine landesrechtliche Regelung verbleibt61 • Entsprechend der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts schließt eine Kodifizierung des Bodenschutzrechts, wie sie das Bundes-Bodenschutzgesetz enthält, landesrechtliche Regelungen nicht notwendig aus, da ungeachtet dieser Kodifizierung noch Gebiete vorhanden sein können, die ungeregelt geblieben sind, und der Bundesgesetzgeber für diese Bereiche - wie gezeigt - keinen erkennbaren grundsätzlichen Ausschluss der Länder zum Ausdruck gebracht hat. 3. Nach alldem besitzt das Bundes-Bodenschutzgesetz keinen abschließenden Charakter. Eine Vielzahl von landesrechtlichen Regelungen ist möglich 62 •
111. I. Nach Art. 75 Abs. I GG hat der Bund das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen. Der Verweis auf Art. 72 GG bedeutet, dass die gleichen Voraussetzungen wie für die Wirksamkeit der konkurrierenden Gesetzgebung Bedeutung besitzen; insbesondere muss auch bei der Rahmengesetzgebung die Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG bestehen63 .
Aus Art. 75 GG folgt grundsätzlich keine Sperrwirkung für die Gesetzgebung der Länder; das Bundesverfassungsgericht64 hat die Auslegungsregel aufgestellt, dass die Gesetzgebungskompetenz der Länder durch die Rahmenvorschrift nicht weiter eingeschränkt werden soll, als dies der Wortlaut der Rahmenvorschrift zwingend erfordert. Deshalb ist der Landesgesetzge60 Obwohl die Begründung nur hinsichtlich § 22 Abs. I von einer KlarsteIlung spricht, gilt dies für den gesamten § 22, da der Bundesgesetzgeber die angesprochenen Bereiche - wie zu zeigen sein wird - materiell nicht abschließend regelt und daher ohnehin die Gesetzgebungskompetenz in diesen Bereichen bei den Ländern verbleibt. 61 Vgl. Kunig, Art. 72 Rn. 11; Stern, StR Bd. I, § 37 n 3 lit. I. 62 s. die Aufzählung bei Peine, NuR 1999, 127. 63 Dazu ausführlich jüngst Jarass, NVwZ 2000, 1092. 64 BVerfGE 80,137/158; 67, 1/12.
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ber grundsätzlich allein durch die Vorrangregelung des Art. 31 GG beschränkt65 . Grundsätzlich dürfen Rahmengesetze bzw. Rahmenvorschriften zu den in Art. 75 Abs. 1 GG aufgezählten Gegenständen nur inhaltlich beschränkte Gesetze bzw. Vorschriften sein, die ausfüllungsfahig und ausfüllungsbedürftig sind, jedenfalls aber auf eine solche Ausfüllung hin angelegt sein müssen und dem Landesgesetzgeber Raum für Willensentscheidungen in der sachlichen Rechtsgestaltung übriglassen müssen 66 . Diese den Ländern eingeräumten Spielräume präzisiert Art. 75 Abs. 2 GG67 . Nach dem 1994 neu eingefügten Art. 75 Abs. 2 GG dürfen Rahmenvorschriften nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten. Bei Letzteren handelt es sich um Normen, die nicht Pflichten des Landesgesetzgebers auslösen, sondern unmittelbar zu Rechten und Pflichten eines Normadressaten führen; bei Ersteren handelt es sich um Vorschriften, die für ihren Anwendungsbereich einer prägenden Ausfüllung durch den Landesgesetzgeber unzugänglich sind - ihnen fehlt die Ausfüllungsfähigkeit68 . Ferner wird man mit Blick auf die in Einzelheiten gehende Regelung die Ausfüllungsbedürftigkeit fordern müssen: Das Bundesverfassungsgericht hat postuliert, Rahmengesetze müssten in dem Sinne ausfüllungsbedürftig sein, dass erst mit dieser Ausfüllung das Gesetzeswerk über den zu ordnenden Gegenstand in sich geschlossen und vollziehbar wird 69 . Für diese Interpretation spricht auch Art. 75 Abs. 3 GG. Anders als bei der nach Abs. 1 vorzunehmenden Prüfung der Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG geht es bei Art. 75 Abs. 2 GG freilich nicht um das "Ob", sondern um das "Wie" einer bundesgesetzlichen Regelung: um die Regelungsintensität7o . Das bedeutet, dass ausnahmsweise punktuelle Vollregelungen weiterhin zulässig sind. Art. 75 Abs. 2 GG gibt selbst keine Kriterien zur Beurteilung der ausnahmsweisen Zulässigkeit unmittelbar geltender oder in Einzelheiten gehender Regelungen vor. Es bedarf zunächst fonnell eines besonderen rechtfertigenden Grundes, der für den gesamten Bereich der Ausnahme Geltung haben muss 71. Die Darlegungslast des Bundes für die Annahme eines derartigen Ausnahmefalls wird erhöht. Die Beurteilung richtet sich dann materiell nach quantitativen und qualitativen Kriterien 72 . Quantitativ müssen Detailregelungen die Ausnahme bilden; 65 66 67
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Jarass, NVwZ 1996, 1047. BVerfGE 4, 115/129 ff.; 36, 193/202 ff. Jarass, NVwZ 2000, 1093. Jarass, NVwZ 2000, 1094.
BVerfGE 4, 115/130. Kunig, Art. 75 Rn. 41. Jarass, NVwZ 1996, 1047. RybaklHofmann, NVwZ 1995,234.
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diese Regelungen dürfen das Gesetz schon rein zahlenmäßig nicht dominieren73. Bezugspunkt für die Quantität hat letztendlich die Kompetenzgrundlage des Gesetzes zu sein; es ist zu fragen, was alles auf dieser Grundlage geregelt werden könnte 74. Qualitativ müssen Vollregelungen von Gründen mit einem ausreichenden Gewicht getragen sein; das ist der Fall, wenn ein zwingendes Interesse an bundesstaatlicher Einheitlichkeit für die Regelung vorgetragen werden kann 75 ; davon ist wiederum auszugehen, wenn eine Kompetenzmaterie nur durch eine Vollregelung mit unmittelbarer Wirkung gesteuert werden kann 76 . Allgemein lässt sich sagen, dass die Gründe um so gewichtiger sein müssen, je stärker der Gesetzgebungsspielraum der Länder beschränkt wird77 • Zudem ist nach dem Willen des verfassunggebenden Gesetzgebers die Qualifizierung des Ausnahmefalls justitiabel. Die lustitiabilität ist jedoch ebenso begrenzt wie bei der Überprüfung der Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG; der Gesetzgeber verfügt auch hier über eine Einschätzungsprärogati ve 78. Das gerade Dargelegte entspricht durchgehend der Kommentarliteratur zu Art. 75 Abs. 2 GG. Demgegenüber findet sich die einsam gebliebene Auffassung 79 , die zuvor referierte (bundesfreundliche) Interpretation würde die vorgenommene Verfassungsänderung weitgehend ungeschehen machen; die Interpretation sei trickreich, aber kaum seriös. Es existiere eine neue Rechtslage. Sie sei ernst zu nehmen. Für die Prüfung der Zulässigkeit eines Ausnahmefalls seien quantitative und qualitative Aspekte miteinander zu kombinieren. Drei Grundsätze kämen zur Geitung80 : 1. Die unmittelbar geltende Regelung habe ihren Charakter als reguläres Regelungsinstrument verloren und werde zur ultima ratio; 2. die Frage des Regulierungsgrades Stettner, Art. 75 Rn. 10. Jarass, NVwZ 2000, 1095. 75 Jarass, NVwZ 2000, 1095 mit weiteren Nachweisen. 76 Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Bd. 2, 4. Auf!. 2000, Art. 75 Rn. 69. 77 Jarass, NVwZ 2000, 1095. 78 s. die Kommentierungen von Art. 75 Abs. 2 GG durch Rozek, ebenda, Rn. 62 ff. (beachte aber die Ausnahme bei Rn. 67, Fn. 22); Degenhart, in Sachs, 2. Auf!. 1999, Rn. 12 ff.; Schmidt-BleibtreulKlein, Rn. 20 ff.; Kunig, Rn. 41 ff.; Stettner, Rn. 10 ff. 79 Gramm, Zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein Umweltgesetzbuch, DÖV 1999,540,543. 80 Diese Grundsätze wurden in einem gemeinsamen Rundschreiben der Bundesregierung (Bundesministerium des Innern und Bundesministerium der Justiz) an alle Ressorts vom 3.1.1996 niedergelegt, s. Gramm, ebenda, Fn. 22. Gramm war zum Zeitpunkt der Abfassung seines Beitrags Regierungsdirektor im Bundesjustizministerium; dieses Verhältnis legt er nicht offen - Verfasser finniert als Privatdozent. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Verfasser bei seiner Meinungsbildung voreingenommen war. 73
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rahmenrechtlicher Regelungen sei nicht mehr im Hinblick auf das Gesetz als Ganzes zu stellen, sondern für die konkrete Regelung; 3. unmittelbar geltende erschöpfende Regelungen seien in jedem Fall unzulässig. Diesen Grundsätzen ist nicht zu folgen. Sie führen im Ergebnis dazu, dass die Rahmengesetzgebung des Bundes nicht mehr die Funktion erfüllen kann, die ihr von Verfassungs wegen zukommt: nämlich auseinanderdriftendes Landesrecht zu verhindern. Im Einzelnen ist festzustellen: Die unmittelbar geltende Regelung kann nicht ultima ratio sein; wenn unter qualitati ven Aspekten eine unmittelbar geltende Vollregelung notwendig ist, muss sie erlassen werden; es handelt sich dann nicht um eine ultra-ratio-Regel, sondern um eine Norm, deren Erlass notwendige Bedingung für ein sinnvolles Rahmenrecht überhaupt ist. Wann das der Fall ist, kann abstrakt nicht festgelegt werden; dass es Fälle gibt, ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn bereits der erste Grundsatz nicht akzeptabel ist, dann gilt das negative Urteil erst recht für den zweiten. Ob eine Regelung aus bundesstaatlichem Interesse notwendig ist, muss sich aus dem Gesamtzusammenhang eines Gesetzes ergeben, dessen Teil die Regelung bildet; denn aus dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes ergeben sich erst Inhalt und Tragweite der Norm. Das Verbot von Normen, die unmittelbar erschöpfende Regelungen enthielten, kann schon deshalb nicht richtig sein, weil zumindest den Normen, die den Rahmen für das Recht der Länder setzen, eine unmittelbar geltende und erschöpfende Wirkung zukommen muss, weil es ansonsten an einem verbindlich gesetzten Rahmen fehlte. Das Verbot kann ferner nicht für die Normen gelten, die Begriffe definieren; ohne die Festlegungen dieser Art ist ein Rahmenrecht, welches soviel Bundesrecht wie nötig schafft und soviel Landesrecht wie möglich gestattet, nicht vorstellbar81 • Es bleibt nach alldem bei dem referierten Ausgangspunkt. Auf seiner Basis sind Fragen nach der Zulässigkeit von Rahmenrecht im Einzelfall zu beantworten. 2. Probleme im Zusammenhang der Rahmengesetzgebung stellen sich beim neuen Naturschutzrecht und beim Umweltgesetzbuch. a) Der Bund beabsichtigt den Erlass eines neuen Bundes-Naturschutzgesetzes82 . Dieses Gesetz ist nach Art. 75 Abs. 2 Nr. 3 GG ein Rahmengesetz. Es lässt sich deshalb überprüfen, ob die zuvor genannten Grundsätze im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Naturschutzes und der 81 Die Grundsätze sind nach alldem weit vom geltenden Verfassungsrecht entfernt. Die Richtigkeit dieser Ansicht mag der Hinweis bestätigen, dass der Aufsatz von Jarass, NVwZ 2000,1089 zwar die gesamte erreichbare Literatur berücksichtigt, den Aufsatz von Gramm aber nicht mit einem Wort erwähnt, geschweige denn ihn analysiert. 82 Der zu analysierende Entwurf stammt vom 2.02.2001; zum Text s. www.bmu.de.
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Landschaftspflege beachtet werden. Mit Blick auf die unmittelbar geltenden Vorschriften äußert sich der Entwurf in § 11 (im Folgenden abgekürzt: E). Dort erklärt er, dass nahezu alle Vorschriften des Gesetzes Rahmenvorschriften für die Landesgesetzgebung seien; Ausnahmen, also unmittelbar geltende Normen, werden benannt. Bei diesen Ausnahmen handelt es sich um Aussagen, die 1. den Bund als Adressaten haben; 2. die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern regeln, sich also auch an den Bund richten; 3. das Verhältnis zu bundesrechtlichen Normen regeln, z.B. zum Baurecht; 4. Ermächtigungen regeln; 5. den Erlass von Verwaltungsvorschriften erlauben, 6. Buß- und Strafvorschriften enthalten. Diese Vorschriften beruhen im Wesentlichen auf Kompetenztiteln aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen83 . Der Entwurf entspricht fast durchgehend dem alten Recht - von einer gewichtigen Ausnahme abgesehen: Die Ziele und die Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind nach altem Recht unmittelbar geltendes Recht, §§ 1, 2 BNatSchG, binden also die Länder; nach dem Entwurf sind die Ziele und Grundsätze Rahmenrecht, §§ 1, 2 E, es bindet nach der Regelung in § 11 E die Länder nicht. Ferner sind nach dem Entwurf nicht einmal die in § 10 E enthaltenen Begriffsbestimmungen unmittelbar verbindlich. Obwohl die Ziele und Grundsätze sowie die Definitionen nicht von Gesetzes wegen - § 11 E - unmittelbar gelten, tun sie es der Sache nach doch. Die Bestimmungen über die Begriffe Tiere, Pflanzen, Art etc. können die Länder nicht inhaltlich weiter spezifizieren; diese Vorschriften gelten wegen ihrer in Einzelheiten gehenden Aussagen deshalb unmittelbar; es handelt sich um Augenwischerei, wenn der Bund so tut, als handele es sich um ausfüllungsfahiges Recht. Damit enthält der Entwurf Vorschriften, welche nach der abgelehnten Auffassung gegen Art. 75 Abs. 2 GG verstießen, weil sie erschöpfend sind (dritter Grundsatz); nach der hier vertretenen Auffassung sind die Vorschriften verfassungsgemäß. Das Ergebnis kann auch kein anderes sein: Alle modemen Gesetze enthalten Begriffsbestimmungen; diese Regelungstechnik wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht verhindern; die Länder werden nicht dadurch gestärkt, dass der Bund am Erlass von Begriffsbestimmungen gehindert wird - wenn diese notwendig sind, um den Geltungsbereich eines Gesetzes festzulegen: So ist es im Falle des Naturschutzrechts. Für die Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege ist festzuhalten: Trotz des Fehlens einer entsprechenden Aussage in § 11 E gelten sie unmittelbar; dieses Resultat ergibt sich aus § 2 Abs. 3 E; er lautet: Die Länder können die Grundsätze ergänzen und weitere Grundsätze aufstellen. Diese Aussage ist nur möglich, wenn die Geltung der Grundsätze vorausgesetzt wird. Die unmittelbare Geltung der außerordentlich detaillierten Grundsätze ist nach der hier vertretenen Ansicht zulässig. 83
s. die Entwurfsbegründung S. 53.
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Es lässt sich feststellen: Fonnal versucht der Bund, durch bestimmte Formulierungen einer länderfreundlichen Interpretation des Art. 75 Abs. 2 GG zu genügen; der Sache nach handelt er so, wie es die h. M. in der Literatur für richtig hält: Auf bestimmte Aussagen kann in einem Rahmengesetz nicht verzichtet werden; Art. 75 Abs. 2 GG verhindert diese Aussagen nicht. Die Gesetzgebungspraxis widerlegt demnach die vorgestellte Mindermeinung. b) Ein Umweltgesetzbuch muss sich auf mehrere Kompetenztitel stützen. Sowohl Kompetenztitel nach Art. 74 Abs. 1 GG als auch nach Art. 75 Abs. 1 GG kommen in Betracht. Die Grenzen eines Gebrauchmachens von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz und der Rahmengesetzgebungskompetenz gelangten zur Darstellung; dass der Bund ein Gesetz auf einen Kompetenzmix oder eine Kompetenzkombination stützen darf, ist wie nachgewiesen erlaubt. Demnach ist ein vom Bund erlassenes Umweltgesetzbuch verfassungsrechtlich zulässig, wenn sich dessen einzelne Regelungen auf je einen Kompetenztitel des Bundes stützen lassen 84 . Diese Auffassung war und ist die Auffassung aller, die sich in der Vergangenheit intensiv mit der Frage befasst haben. Diese Auffassung ist bis heute nicht widerlegt. Es macht insbesondere keinen Unterschied, ob der Bund verschiedene Materien in verschiedenen Gesetzen oder in einem Gesetz regelt; die letzte Variante verringert den Spielraum des Bundes nicht. 3. Der Entwurf eines Bundes-Naturschutzgesetzes hält sich lediglich formal an eine enge Auslegung des Art. 75 Abs. 2 GG, materiell bricht er diesen Rahmen; das ist erlaubt. Bei Beachtung der dargelegten Voraussetzungen kann ein Umweltgesetzbuch erlassen werden.
IV. Zusammenfassend ergibt sich folgender Befund: Es eXIstIeren verfassungsrechtliche Probleme der Umweltschutzgesetzgebung im Bundesstaat; sie sind kompetentieller Art. Diese werden zum Teil erzeugt von Personen, die ein Interesse daran haben, bestimmte Gesetzesvorhaben zu verhindern oder zu verzögern. Diese Probleme sind indes im Wesentlichen Scheinprobleme und deshalb beherrschbar.
84 Rengeling, Gesetzgebungskompetenzen für den integrierten Umweltschutz, 1999, S. 83 ff.
Probleme des Umweltrechtsvollzugs im Bundesstaat Von Wolfgang Bergfelder
I. Einleitung Notwendige Änderungen und Ergänzungen unserer bundesstaatlichen Ordnung stehen mit Blick auf den fortschreitenden Integrationsprozess innerhalb der Europäischen Union einerseits und die zunehmende weltweite Globalisierung andererseits auf dem Prüfstand und beschäftigen seit einigen Jahren zahlreiche Kommissionen von Bund und Ländern. Die Diskussion wird u. a. gerne unter dem Oberbegriff der "Modernisierung unseres Bundesstaates" geführt, etwas nüchterner dennoch anspruchsvoll klingt es, wenn von der "Neuordnung der föderalen Kompetenzordnung gesprochen wird" und dabei Forderungen nach der "Entzerrung der Konfliktmöglichkeiten und Machtverschränkung" sowie nach "klarer Zuordnung der Verantwortlichkeiten auf den bundesstaatlichen Ebenen" aufgestellt werden. Der Begriff Modernisierung hat die Eigenschaft, alle jene ins Abseits zu manövrieren, die die Auffassung vertreten, dass sich unsere geltende verfassungsrechtliche Ordnung durchaus als tauglich und funktionsfähig erwiesen hat, sodass keineswegs eine Reform an Haupt und Gliedern auf der Tagesordnung stehe. Forderungen nach Änderungen der bestehenden Kompetenzordnung im Sinne von Kompetenzverlagerungen werden dabei von mehreren Bundesländern mit der Zielsetzung erhoben, ihre Gesetzgebungszuständigkeiten deutlich zu stärken. Zur Begründung wird dabei gerne auf die so genannten regionalen Besonderheiten verwiesen, deren Gestaltung unter der Hoheit der Länderkompetenz sachgemäßer erfolgen könne. Speziell im Bereich des Umweltschutzes ist die Sehnsucht der Landespolitiker nach einer Stärkung der verfassungsrechtlichen Funktion der Länderparlamente nachvollziehbar, waren die Länder in der Tat lange Zeit Motor und Antreiber in der Ausgestaltung des Umweltschutzes, bevor dann der Bund Schritt für Schritt weit reichend und erschöpfend insbesondere im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung gestaltend - auch im Sinne von vereinheitlichend - tätig wurde.
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Vorreiterfunktionen wurden in einigen Ländern dabei z. B. durch entsprechende Landesgesetze in den Bereichen der Umweltverträglichkeitsprüfung und des Bodenschutzes wahrgenommen. Nachdem auch in diesen Bereichen der Bund und inzwischen auch die Europäische Union gesetzgeberisch hochgerüstet haben, verbleiben den Landesgesetzgebern nur noch unbedeutende Gestaltungsspielräume, nicht selten reduziert sich ihre Kompetenz auf die Regelung von Zuständigkeitsfragen. Dieser Verlust an unmittelbaren Gestaltungsmöglichkeiten verstärkt den ohnehin bestehenden Leidensdruck engagierter Umweltpolitiker, die mit Blick auf andere wichtige Politikbereiche wie der Arbeitsmarktpolitik oder Fragen der Globalisierung der Wirtschaft einen zunehmenden Bedeutungsverlust ihrer Belange feststellen müssen. Es verwundert daher nicht, dass nüchterne, gleichwohl zutreffende Hinweise der Verwaltung auf bereits durch Bundesrecht abschließend geregelte Sachverhalte den Gestaltungswillen von Landespolitikern bisweilen kaum erschüttern, ja eher im Gegenteil besonders umfangliche Gesetzeswerke auf Landesebene evozieren, die dann sehr ausufernd, allerdings überwiegend redundant, Bundesrecht nachformulieren. Die Länder-Abfallgesetze mögen hier als anschauliches Beispiel dienen.
11. Probleme des Umweltrechtsvollzugs im Bundesstaat anband von Einzelbeispielen I. Probleme im Sinne eines einheitlichen Vollzuges von Umweltrecht wie er gerne und stets von Industrie und Wirtschaft aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit eingefordert wird, bestehen zunächst völlig unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Rechtsmaterie der konkurrierenden- oder Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes handelt. Sowohl bei den Verfahren der Anlagenzulassung, den Anforderungen an notwendige Emissionsminderungsmaßnahmen als auch bei der Ausgestaltung des Anlagenüberwachungskonzeptes ergeben sich regionale Unterschiede. Dieser Befund beruht zum einen darauf, dass das Umweltrecht beachtliche Gestaltungsspielräume im Vollzug durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bzw. durch das Einräumen von Ermessensentscheidungen mit entsprechenden Ermessensspielräumen eröffnet. Das Umweltrecht gestattet darüber hinaus in sinnvoller Weise die Berücksichtigung regionaler bzw. lokaler Besonderheiten des Standortes bei der Einzelfallentscheidung. So können und dürfen z. B. die Emissionsminderungsanforderungen standortabhängig erheblich voneinander abweichen. Als Beispiel mögen staub- und/oder lärmintensive Anlagen dienen, die in einem Ballungsraum wie beispielsweise Berlin weit reichende Emissionsminderungsmaßnahmen umsetzen müssen, während die Anforderungen an Standorte in einem dünn besiedelten Flächenland, die weit ab von Wohngebieten liegen, deutlich geringer ausfallen.
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2. Probleme beim Vollzug des Umweltschutzes im Bundesstaat entstehen des Weiteren immer dann, wenn der Bundesgesetzgeber aus welchen Gründen auch immer die notwendige definitorische Eindeutigkeit zentraler Rechtsbegriffe vernachlässigt. Ein Paradebeispiel für eine solche Problemlage ist das Kreislaufwirtschafts- und Abfallbeseitigungsgesetz des Bundes. Die erheblich interpretationsfähige Schnittstelle zwischen Abfallen zur Verwertung und Abfallen zur Beseitigung hat in den zurückliegenden Jahren seit ln-Kraft-Treten des Gesetzes beinahe den Charakter einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Rechtsanwälte angenommen und zu erheblich voneinander abweichenden Vollzugspraktiken geführt, die erst in jüngster Zeit durch mehrere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Einheitlichkeit des Vollzuges zurückgeführt wurden. Dass es bei dieser speziellen Thematik zu gravierenden Auseinandersetzungen kommen würde, war deshalb voraussehbar, weil mit der Entscheidung über den Hauptzweck der Entsorgungsmaßnahme (Verwertung oder Beseitigung) zugleich auch die Frage der Überlassungspflicht der Abfalle an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger mitentschieden wird. Die durchaus ehrenwerten Versuche einiger Bundesländer, den inflationierenden Verwertungsbegriff insbesondere bei Abfallgemischen durch Satzungen der Entsorgungsträger oder ministerielle Erlasse zu begrenzen, muss heute in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und auch des Europäischen Gerichtshofs als gescheitert angesehen werden. 3. Probleme beim Vollzug des Umweltrechts entstehen im Übrigen auch dann, wenn der Bundesgesetzgeber nicht oder nur zögerlich von seinen Rechtsverordnungsermächtigungen Gebrauch macht, gleichwohl aber die Länder an einer eigenen Normierung gehindert werden. Als Beispiele hierfür seien die längst überfalligen Verordnungen über die Verwertung von Altholz und die Zulässigkeit des Bergversatzes durch einzelne Abfallfraktionen genannt. 4. Probleme beim Vollzug des Umweltrechts entstehen im Bundesstaat typischerweise auch dann, wenn die Umsetzung von EU-Normen in nationales Deutsches Recht nicht rechtzeitig, d. h. fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß im formellen wie im materiellen Sinne erfolgt. Die Problemlage verschärft sich bei solchen Rechtsmaterien, bei denen wie z. B. im Wasserrecht dem Bund nur die Rahmengesetzgebungskompetenz zusteht und es deshalb primäre Aufgabe der 16 Bundesländer ist, das EU-Recht in nationales Recht zu überführen. Gemeinsam erarbeitete Musterentwürfe von Bund und Ländern sind nicht in jedem Fall eine Garantie dafür, dass die Länder anschließend tatsächlich 16-fach identisches Landesrecht verabschieden. Die hier skizzierte Problematik ist im Kontext mit der Erarbeitung eines Umweltgesetzbuches, in das die IVU- und die UVP-Änderungsrichtlinie der 9 Klocpfer
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EU integriert werden sollten, mit aller Deutlichkeit zu Tage getreten und hat das Projekt "Umweltgesetzbuch" zunächst in eine weitere Warteschleife verwiesen. Bei nicht fristgemäßer Umsetzung von EU-Richtlinien ergeben sich zum Teil unlösbare Vollzugsprobleme für die Länder. Die Probleme beginnen bereits bei der Frage, ob eine nicht fristgerechte Übernahme einer Richtlinie in nationales Recht dennoch unmittelbare Wirkung erzeugt und deshalb beim Vollzug berücksichtigt werden muss. Die Frage der Direktwirkung muss dabei für jeden einzelnen Regelungstatbestand der Richtlinie gesondert entschieden werden. Ein weiteres Problem besteht häufig darin, dass EU-Richtlinien neue Verfahrensregelungen vorsehen, die zum Teil dem geltenden deutschen Verfahrensrecht widersprechen können. Als Beispiel mag hier das so genannte Screening bei Projekten nach Anhang 11 der UVPÄnderungsrichtlinie genannt werden. Die Richtlinie selbst macht nämlich keine näheren Ausführungen zur Ausgestaltung dieses neuen "Vorverfahrens".
111. Schlussfolgerungen Eine moderate Ausweitung der Bundeskompetenz wie z. B. im Bereich des Wasserrechts scheint unvermeidbar, um die Wirkungen der Überlagerungen des deutschen Rechts durch EU-Normen mit den Grundprinzipien unseres Föderalismus auszubalancieren. Die für die Vergangenheit unbestreitbare Motorfunktion der Länder und damit des Föderalismus bei der Ausgestaltung und Fortentwicklung des Umweltschutzes muss neu definiert werden. Hierzu bedarf es der Kompensation des Verlustes an unmittelbarer Gestaltungskompetenz der Länder, da anderenfalls die Grundlagen der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt würden. Ansatzpunkte für derartige Kompensationsmaßnahmen finden sich in der Einbeziehung der Ländervertretungen im Vorfeld der Erarbeitung von EUNormen. Hier ist über eine weitere Stärkung der verfassungsrechtlichen Teilhabe der Länder nachzudenken. Die Länder sollten im Bereich des Umweltschutzes ihre Beteiligung auf der Ebene des Bundesrates allerdings besser mit dem Bund und untereinander abstimmen, um ihr Gewicht gegenüber anderen Interessenbereichen zu stärken, statt sich wie jüngst bei der Beratung des Artikelgesetzes zur Umsetzung der IVU- und UVP-Änderungsrichtlinie durch eine unüberschaubare Antragsflut selbst zu neutralisieren. Die Länder sollten im Bereich des Umweltschutzes bei der Übernahme von EU-Recht im Bundesrat der Versuchung widerstehen, jeweils bei sol-
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chen Gelegenheiten bei den Umweltstandards "draufsatteln" zu wollen. Eine solche Strategie ist nicht nur leicht zu durchschauen, sondern diskreditiert den Föderalismus und stärkt diejenigen Bestrebungen, die eine umfassende Kompetenzverlagerung zu Gunsten des Bundes anstreben. Eine besondere Herausforderung an unsere bundesstaatliche Ordnung und den Umweltrechtsvollzug im Besonderen stellt die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie dar. Die Systematik der Flussgebietsgemeinschaften erfordert zwangsläufig länderübergreifendes Denken und Handeln. Neue Verwaltungsstrukturen müssen entwickelt werden, regionale Besonderheiten sind zwar weiterhin zu berücksichtigen, verlieren aber an Bedeutung und treten in den Hintergrund, weil die verschiedenen Maßnahmeprogramme aufeinander abzustimmen sind. Unser föderales System wird bei der Umsetzung und Ausgestaltung dieser neuen Aufgabe nachzuweisen haben, ob es auch weiterhin Motor oder eher Bremser für die Belange des Umweltschutzes sein wird. Die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten war und ist unter dem Dach der geltenden Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Rahmen des Umweltrechtsvollzuges möglich. Im Hinblick darauf, dass die Europäische Union im Bereich des Umweltschutzes häufig nur Mindeststandards für alle Mitgliedstaaten festsetzt, bleiben auch für die Zukunft ausreichende Gestaltungsspielräume von Bund und Ländern um anspruchsvollere Standards festzusetzen, soweit hierfür politische Mehrheiten zu gewinnen sind.
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Probleme der umweltrechtlichen Rechtsprechung im Bundesstaat Von Stefan Paetow
I. Einführung Der Rechtsprechung wird allgemein eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Umweltrechts attestiert. Die "innige Verbindung von Umweltrecht und Rechtsschutz'" hat dazu geführt, dass jedenfalls in der Vergangenheit das Umweltrecht zu einem erheblichen Teil Richterrecht war. Man hat in diesem Zusammenhang von einer "Erfolgsbilanz" gesprochen, die freilich nicht ohne "Schattenseiten" sei. 2 Diese umweltrechtliche Innovationskraft der Gerichte mag in folge zunehmender Normierungsdichte in der Zukunft an Bedeutung verlieren, obgleich die Erfahrung lehrt, dass neue Gesetze neue Streitfragen und damit neue Rechtsstreitigkeiten hervorrufen. Wie dem auch sei: Wenn der bundesdeutsche Föderalismus - wie das Thema der Tagung und der Titel dieses Vortrags gewissermaßen unterstellen - ein Problem für den Umweltschutz und das Umweltrecht ist, sollte dies wohl auch bei der Rechtsprechung als einem maßgebenden Akteur auf der umweltrechtlichen Bühne der Fall sein. Ich muss freilich gestehen, dass ich mir die Frage, ob die föderalistische Struktur der Bundesrepublik Deutschland mehr Motor oder mehr Bremse für einen effektiven und innovativen gerichtlichen Rechtsschutz in Umweltsachen ist, in nahezu dreißig Jahren verwaltungsrichterlicher Tätigkeit kaum je gestellt habe. Für den Richter einer Tatsacheninstanz und damit eines Landesgerichtes ist es ohnehin von untergeordneter Bedeutung, ob er in dem von ihm zu entscheidenden Fall Bundes- oder Landesrecht oder beides nebeneinander anzuwenden und erforderlichenfalls auszulegen hat. Aber auch aus der Sicht eines Revisionsrichters, der sorgsam zwischen revisiblem Bundesrecht und irrevisiblem Landesrecht zu unterscheiden weiß, scheint die Thematik - freilich nur auf den ersten Blick - nicht sonderlich relevant zu sein. Im Schrifttum findet sich zu dem Fragenkreis ohnehin kaum etwas. I Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl. 1998, S. 501 f.; vgl. auch BenderlSparwasserl Engel, Umweltrecht, 4. Aufl. 2000, S. 125. 2 Sendler, Rechtsschutz im Umweltrecht, FS Feldhaus, 1999, 482; Kloepfer, a.a.O., S. 509.
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Allerdings muss ich zunächst präzisieren, wie ich das mir gestellte Thema verstehe. Selbstverständlich ist es gerade für ein oberstes Bundesgericht wie das Bundesverwaltungsgericht, zu dem umweltrechtliche Rechtsstreitigkeiten aus allen Bundesländern gelangen, evident, dass es nicht nur unterschiedliches (materielles) Landesumweltrecht und eine unterschiedliche Landes-Verwaltungspraxis gibt und dass daraus im Ergebnis auch ein unterschiedlicher Rechtsschutz für die Betroffenen erwachsen kann. Das folgt aber in erster Linie aus der Kontrollaufgabe der Verwaltungsgerichte, die gewissermaßen akzessorisch mit dem Material arbeiten müssen, das ihnen im konkreten Fall, etwa in Gestalt eines erlassenen oder unterlassenen Verwaltungsaktes, unterbreitet wird. Die eben angesprochenen Unterschiede sind also im Grunde solche der Umweltschutzgesetzgebung und des Umweltrechtsvollzugs im Bundesstaat. Ich möchte mich im folgenden auf die funktionsspezifischen Probleme konzentrieren, die die bundesstaatliehe Ordnung bezüglich der Organisation und der Überprüfungs- und Entscheidungsbefugnisse der Gerichte aufwirft, um auf diese Weise eine Antwort auf die Frage zu erhalten, ob sich der Föderalismus für die umweltrechtliche Rechtsprechung eher als Motor oder eher als Bremse erweist. Ich beschränke mich dabei auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit, nicht weil ich die Bedeutung des zivilrechtlichen Umwelt-Rechtsschutzes gering schätzen würde, sondern deshalb, weil das Landesrecht dort wenig Bedeutung besitzt.
11. Gerichtsorganisation - Landes- und Bundesgerichte Nach Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt durch das Bundesverfassungsgericht, durch die im Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte das sind insbesondere die in Art. 95 Abs. 1 GG genannten obersten Bundesgerichtshöfe einschließlich des Bundesverwaltungsgerichts - und durch die Gerichte der Länder ausgeübt. Bekanntlich ist damit nicht - anders als etwa nach der Verfassung der Vereinigten Staaten - eine strenge Trennung der Kompetenzräume von Landes- und Bundesgerichten festgeschrieben. Es gibt keine nebeneinanderstehenden Gerichtsbarkeiten mit jeweils eigenen Rechtsmittelzügen, die entweder nur Landesrecht oder nur Bundesrecht anzuwenden haben. Vielmehr sind Landes- und Bundesgerichte nach dem Grundgesetz durch Rechtsmittelzüge miteinander verbunden. Das bedeutet insbesondere, dass die Landesgerichte - in unserem Zusammenhang also die Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte (§ 2 VwGO) - uneingeschränkt Bundesrecht anwenden müssen und dabei der Kontrolle durch das jeweilige oberste Bundesgericht - in bundesverfassungsrechtlicher Hinsicht zusätzlich durch das Bundesverfassungsgericht - unterliegen. Umgekehrt freilich ist die Überprüfung und Anwendung von Landesrecht durch Bun-
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desgerichte nur eingeschränkt zugelassen; auf Einzelheiten ist später zurückzukommen. Die bundesdeutsche Gerichtsorganisation ist durch diese unmittelbare Verknüpfung von Landes- und Bundesgerichten weniger stark föderal geprägt als die grundgesetzliche Kompetenzordnung der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt. Die Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse der obersten Bundesgerichte gegenüber den im jeweiligen Instanzenzug nachgeordneten Gerichten der Länder ermöglichen im Bereich der rechtsprechenden Gewalt zumindest prinzipiell eine stärkere Vereinheitlichung auf der Ebene des Bundes als dies bei der Landesgesetzgebung und der Landesexekutive der Fall ist, die jedenfalls keiner unmittelbaren Kontrolle durch Bundesorgane unterliegen. Dies dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die aus der föderalen Staatsverfassung erwachsenden Probleme und Chancen in der umweltrechtlichen Rechtsprechung nicht den Stellenwert haben wie auf dem Gebiet der beiden anderen Staatsgewalten. Freilich gilt es auf zwei Besonderheiten der Gerichtsorganisation hinzuweisen, in denen sich die bundesstaatliche Ordnung zumindest mittelbar bemerkbar macht. Das ist zum einen der Instanzenzug im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, das vor allem im Bereich der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln (§§ 80 ff. VwGO) von erheblicher praktischer Bedeutung in umweltrechtlichen Verwaltungsstreitverfahren ist. Hier endet der Instanzenzug beim Oberverwaltungsgericht (§§ 146, 152 Abs. I VwGO). Kommt es also nach Abschluss eines Eilverfahrens - wie keineswegs selten - nicht mehr zu einer Entscheidung in der Hauptsache, bleibt das Bundesverwaltungsgericht "ausgesperrt", mag es sich auch um noch so grundSätzlich bedeutsame, in der Judikatur der Oberverwaltungsgerichte möglicherweise unterschiedlich beantwortete Fragen des Bundesrechts handeln. Ein Beispiel hierfür aus jüngerer Zeit bietet das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht. Zu der in der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung der Instanzgerichte umstrittenen, praktisch außerordentlich bedeutsamen Problematik der Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung bei Abfallgemischen lagen jahrelang nur Eilentscheidungen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte 3 vor, ehe zu dieser Thematik ein erstes, manche Fragen klärendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts4 ergehen konnte, nachdem es endlich auf der Stufe der Oberverwaltungsgerichte zu einer Hauptsacheentscheidung gekommen war5 . Die Ursachen für solche missli3 Vgl. z.B. VGH Mannheim, Beschl. v. 24.3.1998, NVwZ 1998, 1206; OVG Lüneburg, Beschl. v. 5.6.98, NVwZ 1998, 1202; OVG Münster, Beschl. v. 25.6.1998, NVwZ 1998, 1207. 4 Urteil vom 15.6.2000 - BVerwG 3 C 4.00 - DVBI 2000, 1356. 5 VGH München, Urteil v. 30.11.1999, BayVBI 2000, 176.
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chen Zustände sind allerdings weniger im föderalen Aufbau der Gerichtsorganisation als in der systemwidrigen, von Gerichten und Verfahrensbeteiligten seit Jahrzehnten betriebenen Aufwertung der Eilverfahren zu fast vollwertigen Hauptsacheverfahren zu sehen. Abhilfe wäre also nicht etwa in einer Verlängerung des Instanzenzuges zum Bundesverwaltungsgericht, sondern in einer Zurückführung des Eilrechtsschutzes auf seine eigentliche Funktion zu suchen. Ähnliche Fehlentwicklungen haben sich seit der Reform des Rechtsmittelrechts durch das am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung6 eingestellt. Berufung gegen verwaltungsgerichtliche Urteile kann nur eingelegt werden, wenn sie vom Oberverwaltungsgericht, z. B. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zugelassen wird (§ 124 VwGO). Geschieht dies nicht, ist das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen, so dass auch keine Möglichkeit mehr besteht, dass die Sache über eine Berufungsentscheidung an das Revisionsgericht gelangt. Da die Oberverwaltungsgerichte in ihrer bisherigen Praxis die Zulassung meist restriktiv handhaben, geht die Zahl der Revisionen beim Bundesverwaltungsgericht und damit die Möglichkeit zurück, eine bundeseinheitliche Klärung von Rechtsfragen herbeizuführen. Dies ist auch im Umweltrecht deutlich zu spüren und stellt ein nicht zu unterschätzendes Problem dar. Der Blick auf die bundesstaatliche Dimension der Gerichtsorganisation wäre unvollständig, wenn ich nicht kurz eine - freilich zeitlich begrenzte gegenläufige, gewissermaßen zentralstaatliche Entwicklung erwähnen würde, die auch das Umweltrecht betrifft. Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin vom 16. Dezember 1991 7 entscheidet - befristet bis zum Jahr 2004 - das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über Klagen gegen bestimmte planungsrechtliche Entscheidungen zu Verkehrswegen des Bundes im Beitrittsgebiet und in angrenzenden Bereichen. Es ist in diesen - übrigens durchaus zahlreichen - Verfahren Tatsachengericht und hat deshalb erforderlichenfalls auch Landesrecht anzuwenden und auszulegen. Daraus können sich in späteren Revisionsverfahren schwierige Fragen der Bindungswirkung ergeben, sofern dieselben landesrechtlichen Bestimmungen entscheidungserheblich sind; praktische Bedeutung hat diese Problematik in der Spruchpraxis des Bundesverwaltungsgerichts freilich noch nicht erlangt.
Vom 1.11.1996, BGBI I S. 1626. BGBI I S. 2174, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.1999, BGBI I S.2659. 6 7
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III. Irrevisibilität von Landesrecht Die wohl bedeutsamste Auswirkung des föderalen Staatsaufbaus für den Bereich der rechtsprechenden Gewalt ist die fehlende Revisibilität von Landesrecht, wie sie sich für die Verwaltungs gerichtsbarkeit einfachrechtlich aus § 137 Abs. I Nr. 1 VwGO ergibt. Verfassungsrechtlich ist dies freilich nicht zwingend vorgegeben. Der Landesgesetzgeber kann gemäß Art. 99 GG die Anwendung von Landesrecht der Revision durch die obersten Gerichtshöfe des Bundes unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 8 ist aber auch der Bundesgesetzgeber aufgrund seiner Kompetenz für die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren in Art. 74 Nr. 1 GG berechtigt, Landesrecht für revisibel zu erklären. Wenn - wie dies in aller Regel der Fall ist - Landesrecht nicht für revisibel erklärt worden ist, ist die Auslegung des Landesrechts durch die Vorinstanz für das Revisionsgericht bindend (§ 173 VwGO i. V. m. § 562 ZPO). Das Bundesverwaltungsgericht kann also derartiges Landesrecht nicht auf eine "bundeseinheitliche Linie" bringen. Soweit die Landesgesetze - etwa im Naturschutz- oder Wasserrecht - für den gleichen Regelungsgegenstand inhaltlich unterschiedliche Normen enthalten sollten, ist eine derartige Differenzierung kein Problem der Rechtsprechung, sondern ein Problem der den Ländern vom Grundgesetz eingeräumten Gesetzgebungskompetenzen. Es ist nur folgerichtig, dass die Gerichte des Bundes die von den einzelnen Landesgesetzgebern gewollten Unterschiede nicht im Namen eines vermeintlichen "Bundesinteresses" nachträglich korrigieren und einebnen dürfen. Zu einem Problem auch der Rechtsprechung und ihrer Funktion im gewaltenteiligen Staat wird die Irrevisibilität von Landesrecht erst dann, wenn es sich um mit bundesrechtlichen Normen oder landesrechtlichen Normen anderer Landesgesetzgeber gleichlautende oder zumindest sehr ähnlich gefasste Vorschriften handelt, die durch die jeweils zuständigen oberen Landesgerichte unterschiedlich ausgelegt werden. Landesrecht ist nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts9 auch dann nicht revisibel, wenn es mit einer bundesrechtlichen Vorschrift wörtlich übereinstimmt oder wenn es mit Landesrecht anderer Länder wortgleich ist, und zwar auch nicht, wenn die Landesgesetzgeber sich gezielt an einen Musterentwurf, z. B. die Musterbauordnung, gehalten haben. 1O Dasselbe gilt, wenn Landesrecht auf Rechtssätze des Bundes verweist oder sie in Bezug nimmt; diese haben dann die Rechtsqualität von Landesrecht 11. Eine RechtsvereinBVerfGE 10, 285. BVerwGE 99, 351 (353 f.). 10 BVerwG, DVBI 1990,530; BVerwGE 99, 351 (354).
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heitlichung in einem inhaltlichen Sinne kann mithin von der Rechtsprechung nicht geleistet werden. Es liegt auf der Hand, dass dies ein misslicher Zustand ist, jedenfalls für einen Rechtsunterworfenen, der sich - wie etwa ein länderübergreifend tätiges Unternehmen - auf unterschiedliche Interpretationen gleichlautender Bestimmungen einstellen muss. Davon betroffen sind naturgemäß auch die bundesweit aktiven Rechtsanwälte, die gezwungen sind, die Spruchpraxis der verschiedenen Oberverwaltungsgerichte zu verfolgen, ohne auf den erlösenden "Wahrspruch" des Bundesverwaltungsgerichts hoffen zu dürfen. Es darf freilich bezweifelt werden, ob dieser Rechtszustand wirklich ein ernsthaftes Problem für den Umweltschutz und das Umweltrecht darstellt. Die praktische Bedeutung dürfte eher gering sein; jedenfalls fällt es schwer, auf Anhieb aussagekräftige Rechtsprechungsbeispiele zu finden. Hinzu kommt ein bisher noch nicht angesprochener revisionsrechtlicher Gesichtspunkt, der die Bindung des Revisionsgerichts an die Auslegung des Landesrechts nicht unwesentlich relativiert. Das Revisionsgericht hat nämlich zu prüfen, ob die Vorinstanz bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die für die Entscheidung maßgeblichen bundesrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und zugrundegelegt oder ob es dabei Bundesrecht verletzt hat 12 • Anders ausgedrückt: Das Bundesverwaltungsgericht hat eine von der Vorinstanz angewendete landesrechtliche Norm bundesrechtskonform - und damit auch bundesverfassungskonform - auszulegen. Auf diese Weise lässt sich in vielen Fällen ein zu starkes Auseinanderfallen des Landesrechts und seiner gerichtlichen Auslegung verhindern. Zwei Beispiele aus jüngster Zeit seien hier erwähnt. Das eine betrifft den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, nämlich das Abfallwirtschaftsrecht, und zwar die Vereinbarkeit von landesrechtlichen Andienungspflichten für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Verwertung mit der Vorschrift des § 13 Abs. 4 Satz 4 KrW-/AbfG. Hier konnte erst das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Entscheidungen 13 für Klarheit sorgen und damit die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das in einigen Bundesländern unterschiedlich ausgestaltete Landesrecht an die bundesrechtlichen Vorgaben angepasst werden kann. Einen Beispielsfall aus dem Bereich der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 75 GG bildet ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts l4 , das die Unvereinbarkeit einer landesgesetzlichen Ausgestaltung des Begriffs "Eingriff in Natur und Landschaft" mit dem entsprechenden bundesrechtlichen Begriff in § 8 Abs. 1 BNatSchG zum Gegenstand hat. 11 Vgl. dazu Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, Rn. 7 zu § 137, mit Nachw. aus der Rspr. 12 BVerwGE 78, 347 (351) m.w.N. 13 BVerwGE 109,236; BVerwG, NVwZ 1999, 1228 und NVwZ 2000, 1175. 14 NuR 2001, 150.
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Alles in allem sehe ich bei der Frage der Irrevisibilität von Landesrecht keinen besonderen Reformbedarf. Wie erwähnt, darf Landesrecht durch Bundesgesetz für revisibel erklärt werden. Ein Beispiel hierfür ist § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO; danach sind Vorschriften des Verwaltungs verfahrensgesetzes eines Landes revisibel, wenn sie ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmen. Dieser Regelung nachgebildet ist § 47 des Entwurfs der Unabhängigen Sachverständigenkommission für ein Umweltgesetzbuch l5 : Landesrechtliche Vorschriften, die ihrem Wortlaut nach mit Vorschriften des Umweltgesetzbuchs über das Verwaltungsverfahren übereinstimmen, sollen der Revision ebenso unterliegen wie landesrechtliche Normen, die auf Vorschriften des Umweltgesetzbuches verweisen. Eine solche Bestimmung wäre, wenn es dereinst doch noch zu einem Umweltgesetzbuch kommen sollte, sicher sinnvoll. Weitere derartige Regelungen, die etwa in der Art des die Revisibilität des Landes-Beamtenrechts anordnenden § 127 Nr. 2 BRRG materielles Landes-Umweltrecht der Revision unterwerfen, halte ich nicht für erforderlich. Übrigens besteht in diesem Zusammenhang auch mit Blick auf das im Umweltrecht besonders wichtige EU-Recht kein Änderungsbedarf. In den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht der Europäischen Gemeinschaften ist revisibles Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO I6 • Die Vereinbarkeit von Landesrecht mit EU-Recht kann also vom Bundesverwaltungsgericht überprüft werden. Auch in bezug auf die Vorabentscheidungsbefugnis des EuGH nach Art. 234 EGV ergeben sich keine Besonderheiten. Sofern ein Oberverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Anwendung und Auslegung von Landesrecht nicht von seiner in richterlichem Ermessen stehenden Vorlagebefugnis Gebrauch macht, kann durch die Grundsatzbeschwerde nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Zulassung der Revision mit der Begründung erreicht werden, im künftigen Revisionsverfahren werde sich voraussichtlich die Notwendigkeit ergeben, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen 17.
IV. Ländereigene Rechtsschutzmöglichkeiten Infolge der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren in Art. 74 Nr. 1 GG sind die Möglichkeiten der Länder gering, eigenständige, vom Bundesrecht abweichende Rechtsschutzmöglichkeiten zu eröffnen. Da der Bund von sei15 Hrsg. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 1998. 16 St. Rspr. seit BVerwGE 35, 277. 17 St. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, NJW 1986, 1448.
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ner Gesetzgebungskompetenz vollständig und abschließend Gebrauch gemacht hat, bestehen solche Möglichkeiten nur, wenn das Bundesrecht den Ländern ausdrücklich entsprechende Regelungsbefugnisse einräumt. Für den Bereich des Umweltrechts sind zwei derartige Öffnungsklauseln von Bedeutung: Die Vorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO über landesrechtlieh bestimmte (abstrakte) Normenkontrollen und die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO zur Klagebefugnis, die die landesrechtliche Einführung einer Verbandsklage ermöglicht. 1. Landesrechtlich bestimmte Normenkontrollverfahren In der ursprünglichen Fassung der Verwaltungsgerichtsordnung l8 hatte
§ 47 es ausschließlich der Landesgesetzgebung überlassen, für die im
Range unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften eine Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht vorzusehen. Von dieser Möglichkeit zur Überprüfung der Gültigkeit von Rechtsnormen haben zunächst insbesondere die süddeutschen Länder Gebrauch gemacht, die auf eine entsprechende, schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit begründete Tradition zurückblicken konnten. Nicht zuletzt aufgrund der überwiegend positiven Erfahrungen in diesen Ländern führte der Bundesgesetzgeber im Jahr 1976 19 das Normenkontrollverfahren bundeseinheitlich für Rechtsvorschriften aus dem Städtebaurecht ein, in der heute geltenden Fassung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO für "Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen aufgrund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuches". Für die anderen im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften blieb es nach § 47 Abs. 1 NT. 2 VwGO bei der Möglichkeit, ein Normenkontrollverfahren durch Landesrecht zu bestimmen. Hiervon haben mittlerweile die meisten Bundesländer - mit geringen Unterschieden in den Einzelheiten - Gebrauch gemacht2o . Ausgenommen sind Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Die eben geschilderte historische Entwicklung zeigt eine insgesamt positiv zu bewertenden Auswirkung der bundesstaatlichen Ordnung auf. Einige Länder waren gewissermaßen Vorreiter für die Erprobung dieses Rechtsschutzinstruments, das sich nach bestandener Prüfung bundesweit für die besonders bedeutsamen städtebaulichen Normen und im übrigen kraft landesrechtlicher Bestimmung in der Mehrzahl der Länder durchgesetzt hat. Insoweit kann sicher von der "innovationsfördernden Kraft des FöderalisVorn 2 \. Januar 1960, BGBI I S. 17. Gesetz zur Änderung verwaltungsprozessualer Vorschriften vorn 24. August 1976, BGBI I S. 2437. 20 Vgl. den Überblick bei Redekerlvon Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, Rn. 2 zu § 47. 18 19
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mus,,21 gesprochen werden. Auch macht dieses Beispiel deutlich, dass die Überlassung entsprechender Kompetenzen an die Länder nicht notwendig zu einer abträglichen Rechtszersplitterung führen muss. Lediglich das Ausscheren des größten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen ist ein bedauerlicher "Schönheitsfehler", während bei den Stadtstaaten Berlin und Hamburg der Verzicht auf die abstrakte Normenkontrolle mit Blick auf den dort bedeutungslosen Bereich der kommunalen Satzungen einen gewissen Sinn macht. Da seit Einführung des Rechtsmittels der Revision gegen Normenkontrollentscheidungen der Oberverwaltungsgerichte (vgl. § 132 Abs. I VwGO) durch das Sechste Gesetz zur Änderung der VwG022 auch dem Erfordernis einer rechtsvereinheitlichenden Kontrollmöglichkeit durch das Bundesverwaltungsgericht Rechnung getragen wurde, sehe ich derzeit keinen Reformbedarf. 2. Verbandsklage Das deutsche verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzsystem ist auf den Schutz vor der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte ausgerichtet, was insbesondere in der Bestimmung des § 42 Abs. 2 VwGO über die Klagebefugnis zum Ausdruck kommt. Die Vorschrift lässt indessen Ausnahmen von diesem Erfordernis zu. Die Formel "soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist" ermächtigt auch und gerade den Landesgesetzgeber zu abweichenden Regelungen. Das ist insbesondere im Naturschutzrecht erfolgt. Viele Landes-Naturschutzgesetze23 räumen über die Regelung in § 29 BNatSchG hinausgehend den anerkannten Verbänden - bei im einzelnen unterschiedlicher Ausgestaltung - eigene Klagerechte in Naturschutzangelegenheiten ein ("altruistische" Verbandsklage). Unter dem Blickwinkel der bundesstaatlichen Ordnung ergibt sich eine ähnliche Bewertung wie beim Normenkontrollverfahren. Auch im Fall der Verbandsklage haben die Bundesländer eine innovative Vorreiterrolle einnehmen können. Denn die naturschutzrechtliche Verbandsklage - wie immer man sie rechtspolitisch einschätzen mag - wird auch auf Bundesebene kommen. Das ist im Grundsatz schon europarechtlich vorgegeben, seit die Europäische Kommission und alle EU-Mitgliedstaaten die sog. AarhusKonvention 24 unterzeichnet haben, ganz abgesehen davon, dass der stark subjektiv-rechtlich geprägte deutsche Rechtsschutz bereits jetzt nur noch Kloepfer, Umweltrecht, 2. Auf!. 1998, 92. s. o. Fn. 6. 23 Vgl. den Überblick bei Redekerlvon Oertzen, VwGO, 13. Auf!. 2000, Rn. 25b zu § 42. 24 Vgl. Art. 9 des UN/ECE-Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Ge21
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schwer mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und den Vorstellungen der Kommission und des Europäischen Parlaments zu den sog. Interessentenklagen vereinbar ist. Aus dieser Sicht könnte man den landesrechtlichen Regelungen zur Verbandsklage geradezu die Wirkung beimessen, das bestehende europarechtliche Defizit wenigstens partiell auszugleichen 25 . Insoweit wäre der deutsche Föderalismus entgegen einer verbreiteten Auffassung einmal kein Hemmnis, sondern ein Motor für die Durchsetzung des europäischen Rechts. Wie auch immer - die zu erwartende Regelung der Verbandsklage in einem novellierten Bundes-Naturschutzgesetz muss jedenfalls nicht von vorn beginnen, sondern kann auf die Ländererfahrungen zurückgreifen. Gerade auch diese - von ihr als positiv bewerteten - Erfahrungen haben übrigens die Unabhängige Sachverständigenkommission für ein Umweltgesetzbuch veranlasst, in § 45 ihres Entwurfs eine bundesrechtliche Verbandsklage vorzusehen 26 .
IV. Schlussbetrachtung Die Frage, ob die bundesstaatliche Ordnung für den Rechtsschutzauftrag der Verwaltungsgerichte eher Antrieb oder Hemmnis ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Ich wollte mit meinen Ausführungen zeigen, dass es beide Erscheinungen gibt, dass aber alles in allem gesehen die damit verbundenen Probleme nicht wirklich bedeutend sind. Die Notwendigkeit, de lege ferenda über Änderungen nachzudenken, besteht in der einen oder anderen Detailfrage, nicht aber im Grundsätzlichen.
richten in Umweltangelegenheiten, abgedr. in der NVwZ-Bei1age Nr. III/2001 zu Heft 3/200 I. 25 Vgl. Sach, Kontrolle der Durchführung und Beachtung von Gemeinschaftsrecht, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band I, 1998, 1509; Send/er, Rechtsschutz im Umweltrecht, in: Festschrift Feldhaus, 1999,496. 26 Kommissionsentwurf (s.o. Fn. 15) Begr. S. 98 u. 532 f.
Europäische Umweltpolitik und deutscher Föderalismus aus Sicht der Praxis Von Ludwig Krämer*
I. Einleitung: die ungeliebte Gemeinschaft Als Ende April 2001 die Leiterin des Brüsseler Büros des Landes Berlin nach zehnjähriger Tätigkeit in Brüssel nach Deutschland zurückkehrte, erklärte sie, dass die deutschen Bundesländer gegenwärtig fast" 16 zu 0" gegen die Europäische Gemeinschaft eingestellt seien und meinte, dies sei die bittere Seite ihrer Bilanz l . Diese Einstellung - wenn sie denn zutrifft, was indessen jedenfalls der Tendenz nach kaum strittig sein dürfte - spiegelt vermutlich in erster Linie die Auffassung politisch-administrativer Stellen in den deutschen Bundesländern wider. Indessen wird aus einer solchen Einstellung gegenüber der Europäischen Gemeinschaft nichts für die Frage nach dem Föderalismus als politisches System hergeleitet werden können, da auch die Bundesländer vermutlich als optimales Ordnungssystem für den europäischen Kontinent nichts anderes als eben den Föderalismus anzubieten haben dürften. Daher dürften auch Fragen der Machtverteilung zwischen der Europäischen Union, den Mitgliedstaaten und den Bundesländern (Regionen) nicht unerheblich zu dem angeführten Zustand beigetragen haben. Niemand behauptet etwa ernsthaft, die deutsche Diskussion um den Länderfinanzausgleich beträfe allein und ausschließlich Fragen des Föderalismus und der strukturellen Ordnung zwischen Bund und Ländern; das Gegenteil ergibt sich schon daraus, dass sich in dieser deutschen Diskussion sowohl Geber- als auch Nehmerländer auf den Föderalismus berufen. In gleicher Weise betreffen kontroverse Fragen über die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten nicht nur Rechtsfragen um das Organisieren von Strukturen in einem föderalisierten Gemeinwesen. Dennoch bleibt die wenig positive Einstellung der deutschen Bundesländer gegenüber der Europäischen Union erstaunlich. Es gibt wohl keinen an* Die nachfolgenden Ausführungen geben ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder. 1 Marie-Luise Löper - Ein Abschied aus Brüssel. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. April 2001, S. 28.
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deren Mitgliedstaat, in dem die verschiedenen Regionen den europäischen Bemühungen um Integration, um die Schaffung einer Europäischen Union in dieser Geschlossenheit skeptisch gegenüberstehen. Bei allen Vorbehalten im einzelnen wird die europäische Integration von der Mehrzahl der Regionen - und selbstverständlich auch von den Mitgliedstaaten und den Bürgern - als Chance, als Möglichkeit begriffen, diesen Kontinent als eine Gesamtregion zu gestalten, in dem Friede herrscht, und in dem ein hohes Maß an wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Lebensqualität Hand in Hand geht mit einer weitgehenden Möglichkeit zur Verwirklichung individueller Lebenspläne. Dass der europäische Kontinent von diesem Ideal noch entfernt ist, bestreitet niemand. Indessen zeigt die Entwicklung der letzten fünfzig Jahre, dass, bei allen Schwierigkeiten und sogar Rückschritten im Detail, eine Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Umstände in einem Maß und für eine Zahl von Menschen erreicht worden ist, die das "Unterfangen Europäische Integration" als einzigartige Erfolgsgeschichte erscheinen lässt. Das gilt auch für die etwa 180 Regionen in Europa. Angesichts zunehmender Bedeutung der Regionen - ob in Belgien (Flandern, Wallonien, Bruxelles), Spanien (Katalonien, Balearen, Baskenland), Großbritannien (Schottland, Wales, Nordirland) oder Italien (vielleicht am besten unter dem Reizwort "Padanien" zusammenzufassen) - hat es den Anschein, als habe die europäische Integration das politische Gewicht regionaler Entwicklungen eher verstärkt als geschwächt. Und wenn es nur in den deutschen Bundesländern diese geschlossene Reserviertheit gegen die europäische Integration gibt, mag es angebracht sein, den Ursachen hierfür etwas sorgfältiger nachzugehen als die Ursache in einer pauschalen Bedrohung des Föderalismus deutscher Ausprägung zu sehen - zumal die Diskussion über diesen Föderalismus ja auch in Deutschland nicht immer selbstkritisch und offen geführt wird, wie etwa die Erörterungen über die Neugliederung des Bundesgebietes zeigen. Den Gründen für die Abneigung der Bundesländer gegen die europäische Integration ist in diesem Beitrag nicht allgemein nachzugehen. Der Beitrag versucht vielmehr, die Beziehungen zwischen europäischem Umweltrecht und europäischer Umweltpolitik einerseits und deutschen Bundesländern zu beleuchten; ein Ausleuchten dieser Beziehungen darf angesichts der Vielschichtigkeit des Themas nicht erwartet werden.
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11. Institutionelle und organisatorisch-administrative Fragen 1. Der Ausschuss der Regionen Mitglieder der Europäischen Union sind die Mitgliedstaaten, nicht die Regionen. Bemühungen um eine institutionelle Verankerung der Mitwirkungsrechte der Regionen, insbesondere auch seitens der deutschen Bundesländer, führten dazu, dass durch den Vertrag von Maastricht 1993 ein neuer Abschnitt - die nunmehrigen Artikel 263 bis 265 - über den "Ausschuss der Regionen" in den EG-Vertrag eingefügt wurde 2 . Dem 222 Mitglieder umfassenden Ausschuss gehören Vertreter der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften an, die ihre Tätigkeit "in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaft" ausüben. Artikel 7 Abs. 2 EG-Vertrag bestimmt: "Der Rat und die Kommission werden von ... einem Ausschuss der Regionen mit beratender Aufgabe unterstützt". Nach Artikel 175 EGVertrag ist zudem der Ausschuss der Regionen vor allen auf diese Vorschrift gestützten Entscheidungen anzuhören. Der Ausschuss der Regionen kann ferner von sich aus eine Stellungnahme abgeben, wenn er dies für zweckmäßig hält (Artikel 265 Abs. 5 EG-Vertrag). An sich besitzt der Ausschuss der Regionen damit umfassende Möglichkeiten, auf die Konzipierung, Ausarbeitung und Durchführung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik und der einzelnen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt Einfluss zu nehmen. Und da alle Bundesländer mit mindestens einem Mitglied im Regionalausschuss vertreten sind3, haben es die Bundesländer selbst in der Hand, ihren politischen und sachlichen Einfluss zur Gestaltung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik geltend zu machen. Tatsächlich beschränkt sich der Regionalausschuss fast ausschließlich darauf, im Rahmen des gemeinschaftlichen Gesetzgebungsverfahrens zu den Vorschlägen der Kommission für Richtlinien oder Verordnungen, darüber hinaus auch zu allgemeinen Mitteilungen der Kommission Stellung2 Zur Entstehungsgeschichte der Artikel 263 ff. EG-Vertrag vgl. insbesondere W. Kaiser, Vorbemerkung zu den Artikeln 198a bis 198c in: H. v. d. Groeben - J. Thiesing - C. D. Ehlermann (Hrsg.): Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, 5. Auf!. BadenBaden 1997, m.w.N. 3 Nach einem Abkommen der Bundesländer untereinander von 1993 - vgl. Gemeinsames Amtsblatt des Landes Baden-Württemberg vom 27. August 1993, Nr. 23 - werden die 24 deutschen Mitglieder des Ausschusses, die formell vom Rat bestellt werden, wie folgt bestimmt: Jedes Bundesland stellt ein Mitglied; für fünf weitere Sitze benennen die Bundesländer in der Reihenfolge ihrer Einwohnerzahl für jeweils eine Amtszeit des Ausschusses je ein weiteres Mitglied; der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund benennen je ein Mitglied. Für jedes Mitglied wird zugleich ein Stellvertreter benannt. 10 K10cpfcr
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nahmen abzugeben. Es ist nicht erkennbar, dass der Regionalausschuss über diese Tätigkeit hinaus die Kommission in Fragen der gemeinschaftlichen Umweltpolitik berät. Vor der Konzipierung gemeinschaftlicher Umweltmaßnahmen, Richtlinienvorschlägen oder Strategiepapieren für einen bestimmten Sachbereich finden Kontakte zwischen der Kommission und dem Regionalausschuss oder seinen Vertretern praktisch überhaupt nicht statt. Der Regionalausschuss verfährt hier ebenso wie der Wirtschafts- und Sozial ausschuss, der nach Artikel 7 EG-Vertrag ebenfalls die Kommission beraten soll, de facto aber diese Aufgabe gleichfalls nicht wahrnimmt. Den Gründen für dieses Unterlassen ist hier nicht nachzugehen. Es bleibt die Tatsache, dass die Bundesländer in dem gemeinschaftlichen Gremium, in dem sie vertreten sind, die ihnen eingeräumten Einflussmöglichkeiten nicht ausschöpfen. Auch Stellungnahmen der Bundesländer gemeinsam gewissermaßen als "Fraktion" im Regionalausschuss - gibt es nicht. Die Initiativen für die gemeinschaftliche Umweltpolitik oder die Ausformung des gemeinschaftlichen Umweltrechts bleiben also der Kommission der Europäischen Gemeinschaften überlassen.
2. Das IMPEL-Netzwerk Im fünften umweltpolitischen Aktionsprogramm kündigte die Kommission Anfang 1992 die Schaffung eines Netzes aus Vertretern der nationalen Behörden für den Bereich der praktischen Umsetzung der gemeinschaftlichen Maßnahmen an4 • Da die Durchführung des gemeinschaftlichen Umweltrechts allgemein den Mitgliedstaaten obliegt5 und innerhalb Deutschlands die Durchführung des Umweltrechts Sache der Bundesländer ist, nahmen an den Vorbereitungsgesprächen für dieses Netz von Anfang an Vertreter der Bundesländer teil. Diese drängten sehr stark darauf, in dem Netz nicht nur Fragen der Durchführung zu erörtern, sondern auch die bei der Durchführung von Maßnahmen gewonnenen Erfahrungen in die Diskussion um die Ausarbeitung neuer Vorschläge für Richtlinien usw. einzubringen. Diesen Vorstellungen folgten schließlich die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten und organisierten das Netz Mitte der neunziger Jahre um. Das Netz - IMPEL6 - sollte in erster Linie die Durchführung und Durchsetzung des gemeinschaftlichen Umweltrechts fördern. Daneben aber 4 Kommission, Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung, ABI. EG 1993, Nr. C 138, S. 5, Kapitel 9. 5 Vgl. Artikel 175 Abs. 4 EG-Vertrag: "Unbeschadet bestimmter Maßnahmen gemeinschaftlicher Art tragen die Mitgliedstaaten für die Finanzierung und Durchführung der Umweltpolitik Sorge". 6 European Union Network of the Implementation and Enforcement of Environmental Law - IMPEL.
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sollte es auf Aufforderung oder aufgrund eigener Initiative auch Stellungnahmen zu allgemeinen Fragen der Durchführung und Durchsetzung sowie zu Entwürfen für neue Vorschläge für eine gemeinschaftliche Gesetzgebung abgeben können, insbesondere zu solchen Entwürfen, bei denen das Einbringen praktischer Erfahrungen notwendig sei. Die Struktur von IMPEL wurde darautbin entsprechend organisiert? In der Folgezeit nahmen die Bundesländer, allen voran Bayern, an den Arbeiten von IMPEL sehr regelmäßig teil. Die Berichte über die Tätigkeiten von IMPEL seit 1997 zeigen indessen, dass es zu Aktivitäten, die auf die allgemeine gesetzgeberische Tätigkeit der Kommission und der anderen gemeinschaftlichen Organe Einfluss nehmen, kaum gekommen ist8 . IMPEL hat ganz offenbar hinsichtlich neuer gemeinschaftlicher Initiativen im Bereich des Umweltschutzes eine kontinuierliche, strategie-orientierte Zusammenarbeit mit der Kommission nicht entwickelt. Das mag (auch) an dem Umstand liegen, dass es sich bei IMPEL um ein informelles Netz handelt, das ursprünglich darauf angelegt war, gemeinschaftliche Strukturen zur effektiveren Durchsetzung des gemeinschaftlichen Umweltrechts - etwa das Schaffen gemeinschaftlicher Inspektoren - zu verhindern. Für die Diskussion um die Beteiligung der Bundesländer an der gemeinschaftlichen Umweltpolitik bleibt indessen als Befund festzuhalten, dass sich eine Strategie, in diesem Bereich kontinuierlich mit der Kommission zusammenzuarbeiten, nicht entwickelt hat. Der Einfluss von IMPEL auf die umweltpolitische Tätigkeit der Kommission bleibt mehr als begrenzt.
3. Länderbüros in Brüssel Alle Bundesländer haben eine Vertretung in Brüssel eingerichtet, entweder als selbständige Länderbüros oder als Bürogemeinschaft mehrerer Bundesländer. Diese Büros dienen insbesondere zum Weiterleiten von Informationen an die europäischen Institutionen oder an die jeweiligen Bundesländer, zum Herstellen von Kontakten, dem Vertreten regionaler Interessen gegenüber den gemeinschaftlichen Institutionen, dem Anwerben von Finanzmitteln der Gemeinschaft, dem Organisieren von Dienst- und Informationsreisen aus den Bundesländern nach Brüssel. Umweltfragen werden in den meisten Büros von jedenfalls einem Landesbeamten betreut. 7 Vgl. zur Entstehung des Netzes IMPEL Kommission, Erster Jahresbericht über die Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts der Gemeinschaft, SEC (1999) 592 vom 27. April 1999, Abschnitt 3.5. 8 Vgl. Kommission, Erster Jahresbericht ... (Fn. 6), Abschnitt 3.5.3; Zweiter Jahresbericht über die Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts der Gemeinschaft, SEC (2000) 1219 vom 13. Juli 2000, Abschnitt 4 und Anhang I.
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Die Brüsseler Länderbüros veranstalten gelegentlich auch Diskussionen oder Vorträge über gemeinschaftliche Umweltthemen, insbesondere, um Besuchern aus ihrem Bundesland ein Forum in Brüssel zu verschaffen. Irgendein systematisches Zusammenwirken der Länderbüros in Umweltfragen, zur Herausbildung einer Strategie in bestimmten Sachbereichen oder zur gezielten Einflussnahme auf Kommission oder Europäisches Parlament ist nicht erkennbar. Dies gilt auch für Fragen einer Lobby tätigkeit zugunsten der Umwelt oder bestimmter Länderauffassungen zu einzelnen Umweltfragen. In Deutschland gibt es für bestimmte umweltpolitische Sachfragen Länderarbeitsgemeinschaften auf Bundesebene, in denen - unter Beteiligung der zuständigen Bundesministerium - gemeinsam interessierende Fragen erörtert werden; Gremien wie LA WA (Länderarbeitsgemeinschaft Wasser) oder LANA (Länderarbeitsgemeinschaft Natur) sind jedem Fachmann bekannt. Entsprechende Pendants auf Gemeinschaftsebene fehlen völlig, wahrscheinlich, weil ein Bedürfnis hierfür noch nicht bestand. Aus der Sicht der Kommission erfüllen die Länderbüros in erster Linie Kontaktaufgaben und dienen dem Anwerben von Fördermitteln der Gemeinschaft. Jedenfalls in Umweltfragen kommt ihnen im Hinblick auf die Diskussion der gemeinschaftlichen Umweltpolitik und des gemeinschaftlichen Umweltrechts ein erhebliches Gewicht nicht zu. 4. Personalpolitik
Ein systematisches Vorgehen ist auch im Bereich der umweltpolitischen Personalpolitik nicht zu erkennen; hier reiht sich das Verhalten der Bundesländer nahtlos an die Verhaltensweise des Bundes an. Es mag dahingestellt bleiben, ob es sinnvoll ist, von Seiten eines Mitgliedstaates gezielt Personalpolitik hinsichtlich des europäischen öffentlichen Dienstes zu betreiben, der ja, wie sich aus Artikel 213 Abs. 2 EG-Vertrag ergibt, zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaft, nicht zum allgemeinen Wohl eines Mitgliedstaates oder eines Bundeslandes tätig wird. Dennoch wäre es blauäugig, zu glauben, dass die Mitgliedstaaten hinsichtlich des europäischen öffentlichen Dienstes keine Personalpolitik betreiben. Etwas anderes ergibt sich schon daraus, dass die Generaldirektoren und Direktoren der gemeinschaftlichen Institutionen politische Beamte sind, und dass zwischen den Mitgliedstaaten gemeinsam mit den Präsidenten der verschiedenen europäischen Institutionen ein sorgfältig austariertes Gleichgewicht hinsichtlich der jedem Mitgliedstaat "zustehenden" Generaldirektoren, Generalsekretäre und Direktoren hergestellt und aufrechterhalten wird. Und selbstverständlich kommt es bei diesem ständigen Aushandeln, wie und durch wen Führungspositionen zu besetzen sind, zu starken Einflussnahmen von Seiten der Mitgliedstaa-
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ten, bei dem oft auch die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei eine maßgebliche Rolle spielt. Auch Deutschland hat sich an diesem Aushandeln beteiligt und beteiligt sich nach wie vor daran. Jahrelang, wenn nicht Jahrzehnte lang etwa war der Generaldirektor für Wettbewerb der Kommission ein Deutscher. Gegenüber der Personalpolitik beispielsweise Großbritanniens, der Niederlande und Frankreichs sind zwei Unterschiede erkennbar. Zum einen ist eine Personalpolitik von deutscher Seite konzentriert auf die Spitzenpositionen, also mehr oder weniger die politischen Bediensteten. Die genannten anderen Mitgliedstaaten dagegen versuchen demgegenüber - oft genug mit Erfolg -, bereits im Vorfeld, also bei den Verwaltungsräten, den Hauptverwaltungsräten und Abteilungsleitern, tätig zu werden, die Bediensteten über die Personalabteilungen der Ständigen Vertretungen zu leiten, zu orientieren und ihnen Aufstiegsmöglichkeiten zu verschaffen. Diese Personalpflege zahlt sich möglicherweise erst spät, möglicherweise überhaupt nicht aus, kann aber in vielen Fällen sehr erfolgreich sein, auch im Bereich der gemeinschaftlichen Umweltpolitik. Zum anderen gibt es im Bereich der Umweltpolitik keinerlei erkennbare deutsche personalpolitische Bemühungen, weder hinsichtlich der Besetzung irgendwelcher Spitzenpositionen noch hinsichtlich anderer Bediensteter. Die insgesamt verhältnismäßig zahlreichen deutschen Bediensteten in diesem Bereich bleiben regelmäßig in nachgeordneten Positionen, haben aber mit der Orientierung der Umweltpolitik der Kommission - in anderen gemeinschaftlichen Institutionen werden diese Fragen kaum relevant - praktisch nichts zu tun. Die Verantwortung für diese Personalpolitik ist selbstverständlich in erster Linie beim Bund zu suchen. Die Bundesländer könnten insbesondere bei der Abordnung von Beamten, die für bisher maximal vier Jahre erfolgt, Einfluss nehmen, indem sie genauer darauf achten, welcher Beamte für welche Tätigkeit abgeordnet wird. Entsprechende Abordnungen von Beamten durch Großbritannien - etwa des Beamten, der den Richtlinienvorschlag für die Richtlinie 96/61 9 schrieb oder desjenigen, der das IMPEL-Sekretariat leitet - sind bereits Legende. Hinsichtlich der Abordnung deutscher Beamter - aus Länder- oder Bundesministerien, anderen öffentlichen Behörden oder aus sonstigen Einrichtungen - bleiben Initiative und Auswahl, soweit dies beobachtet werden kann, meist der anfordernden Umwelt-Dienststelle der Kommission überlassen. Nach Aussagen von Beamten-Kollegen aus den Bundesländern scheint ein - sei es auch nur vorübergehendes - Weggehen für eine Tätigkeit in Brüssel von den Personal9 Richtlinie 96/61 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABI. EG 1996, Nr. L 257, S. 26.
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verwaltungen in den Bundesländern als ein "Verlassen der Fahne" empfunden zu werden. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, dass deutsche Bundes- wie Landesbeamte in Gesprächen regelmäßig klagen, ein Aufenthalt bei einer gemeinschaftlichen Institution werde nach der Rückkehr zu der Ursprungsbehörde eher als Nachteil denn als Vorteil für die Karriere gewertet; eine Ausnahme scheint nur Bayern zu machen. Erfahrungen, die sich aus der Tätigkeit in einer multinationalen Institution ergeben - Sprachkenntnisse, Verhandlungserfahrung, Erweiterung des beruflichen wie persönlichen Horizontes usw. - sind offenbar in der Laufbahn des deutschen öffentlichen Dienstes nicht gefragt. Dass diese allgemeine GrundeinsteIlung, die ja zu der eingangs erwähnten allgemeinen Reserviertheit der Bundesländer gegenüber den Tätigkeiten der Europäischen Gemeinschaft hinzu kommt, die Bereitschaft qualifizierter jüngerer Beamter für eine vorübergehende Tätigkeit in Brüssel nicht fördert, liegt auf der Hand.
III. Umweltpolitische Fragen Beiträge der Bundesländer zu Fragen der gemeinschaftlichen Umweltpolitik sind selten. Das gilt sowohl für die umweltpolitischen Aktionsprogramme, die ja Ziele, Grundsätze und Prioritäten für die Gemeinschaft für die Laufzeit der jeweiligen Aktionsprogramme festlegen JO , als auch für andere Strategie- oder Diskussionspapiere der Gemeinschaft, die für bestimmte Sektoren oder Sachbereiche politische Orientierungen zur Erörterung stellen oder vorschlagen. Beispiele der letzten Jahre betreffen etwa Diskussionspapiere über Umwelt und Beschäftigung 11, erneuerbare Energien 12, Biodiversität 13 , Umwelt und EG-Erweiterung I4 , eine KlimaschutzStrategie l5 , Umwelt und Schwerlastverkehr l6 , Umwelt und Energiepolitik 17 , Probleme der städtischen Umwelt 18, Transportpolitik l9 , nachhaltige Agrar10 Vgl. zuletzt Viertes umweltpolitisches Aktionsprogramm 1987-1992, ABI. EG 1987, Nr. C 139, S. I; Fünftes umweltpolitisches Aktionsprogramm 1993-2000, ABI. EG 1993, Nr. C 138, S. 5; Vorschlag sechstes umweltpolitisches Aktionsprogramm 2001-2010, KOM (2001) 31 vom 24. Januar 2001. 11 KOM (97) 592 vom 18. November 1997. 12 KOM (97) vom 26. November 1997. 13 KOM (98) 42 vom 4. Februar 1998. 14 KOM (98) 294 vom 20. Mai 1998. 15 KOM (98) 353 vom 3. Juni 1998. 16 KOM (98) 444 vom 14. Juli 1998. 17 KOM (98) 571 vom 14. Oktober 1998. 18 KOM (1998) 605 vom 28. Oktober 1998. 19 KOM (1998) 716 vom I. Dezember 1998.
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politik20 , Binnenmarkt und Umwelt21 , Luftverkehr und Umwelt 22 , Lebensmittelsicherheit23 , das Vorsorgeprinzip 24, Umwelthaftung 25 , Handel mit Befugnissen zur Emission von Treibhausgasen26 oder die integrierte Bewirtschaftung von Küstengebieten 27 • Eines der Ziele derartiger Dokumente ist es auch, eine gemeinschafts weite Diskussion über die aufgeworfenen Probleme in Gang zu setzen und die Kommission erhielt und erhält zu jedem dieser Papiere eine Vielzahl von Bemerkungen. Regelmäßig nimmt das britische Oberhaus zu derartigen Papieren der Kommission Stellung. Gelegentlich kommen auch Kommentare von belgischen Regionen, Katalonien oder dieser oder jener Region. Warum die deutschen Bundesländer die Gelegenheit zur Gestaltung und Ausformung gemeinschaftlicher Umweltpolitik nur ausnahmsweise und keineswegs regelmäßig wahrnehmen, ist nicht bekannt. Die unterschiedliche parteipolitische Ausrichtung der Länderregierungen kann kaum entscheidend sein - soweit ersichtlich, hat diese Frage etwa bei den Stellungnahmen des britischen Oberhauses oder anderer Regionen auch kaum je eine Rolle gespielt: es gibt ja zu allen erwähnten Themen genug Inhaltliches zu sagen, das unabhängig von parteipolitischen Überlegungen ist oder jedenfalls unabhängig formuliert werden kann. Auch außenpolitische Erwägungen können kaum ursächlich für die Haltung der Bundesländer sein. Denn in einer Zeit, in der ein Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen, Kapital und Arbeit gebildet ist und wird, in der der Euro und Schengen den Lebensalltag jedes Einzelnen in der Gemeinschaft mit beeinflussen, ist es nicht möglich, die gemeinschaftliche Diskussion über Umweltfragen als Teil der Außenpolitik zu begreifen. Im übrigen erörtern die Bundesländer sehr unbefangen auch Fragen einer zukünftigen Kompetenzverteilung in der Europäischen Union und sehen hier richtigerweise keine Bedenken gegen ein solches Erörtern in außenpolitischen Erwägungen. Wie dem auch sei, Beiträge seitens der Bundesländer zu der umweltpolitischen Diskussion auf Gemeinschaftsebene gibt es kaum. Hier ist nicht zu erörtern, wie derartige Beiträge erarbeitet werden könnten, so dass sie nach Möglichkeit das regionalpolitische Umwelt-Know-how der Bundesländer umfassend und klar in die gemeinschaftliche Diskussion einbringen. Der Befund als solcher ist zu konstatieren und zu bedauern. Denn zum einen 20 21
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(1999) (1999) (1999) (1999) (2000) (2000) (2000) (2000)
22 vom 27.1.1999. 263 vom 8. Juni 1999. 640 vom I. Dezember 1999. 719 vom 12. Januar 2000. 1 vom 2. Februar 2000. 66 vom 9. Februar 2000. 87 vom 8. Februar 2000. vom 27. September 2000.
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haben alle vorstehend angeführten Themen eine umweltpolitische, fast alle darüber hinaus auch eine regionalpolitische Dimension. Warum sollten zu derartigen Themen dann allein die gemeinschaftlichen Institutionen, daneben private Interessentengruppen Gedanken und Überlegungen anstellen? Die Teilhabe der deutschen Bundesländer an der Ausformung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik - nein, der Umweltpolitik für den europäischen Kontinent, auf eine Besitzstandswahrung hinsichtlich der Zuständigkeiten beschränken, bedeutet eine Verarmung der so dringend notwendigen umweltpolitischen Diskussion in diesem Kontinent. Es darf auch den deutschen Bundesländern nicht gleichgültig sein, wie es um die Umweltpolitik in anderen Regionen der Gemeinschaft - auch Griechenlands, auch Spaniens, auch Großbritanniens usw. - bestellt ist und bestellt sein soll. Selbstverständlich wird damit nicht befürwortet, dass etwaige Beiträge, Stellungnahmen oder Anregungen der Bundesländer "zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaften,,28 beitragen müssen. Natürlich ist es legitim, wenn in solchen Beiträgen das Wohl der Bundesländer im Auge behalten und zum Ausdruck gebracht wird. Nur ist es auch bei den Beratungen im Rat der Europäischen Gemeinschaft unmöglich, zu gemeinschaftlichen Lösungen zu kommen, wenn nicht alle beteiligten Mitgliedstaaten über Kompromisse nachdenken und zu derartigen Kompromissen bereit sind. Etwas anderes kann auch nicht gelten, wenn es darum geht, auf Gemeinschaftsebene umweltpolitische Orientierungen und Strategien für etwa 180 Regionen festzulegen, die sehr unterschiedliche Interessen haben. Deswegen mag es nicht eine Überforderung darstellen, wenn angeregt wird, bei Beiträgen der Bundesländer zur Ausformung der gemeinschaftlichen Strategie zum Schutz der Umwelt auch die Interessen und das Wohl anderer Regionen mit zu bedenken, allgemeiner gesagt: auch in europäischen Dimensionen zu denken. Überlegungen zu den oben aufgeführten Themen dürfen sich auch nicht auf die Frage der Verteilung von finanziellen Mitteln auf die verschiedenen Regionen verkürzen. Zwar verteilt die Europäische Gemeinschaft jährlich 61 Milliarden Euro in Form von Beihilfen und anderen Unterstützungsmassnahmen, hauptsächlich im Bereich der Agrar- und der Strukturpolitiken 29 . Dennoch geht es aber in erster Linie um die Frage, wie die umweltpolitische Strategie der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten für den europäischen Kontinent und sogar global - Stichworte sind hier Klimaveränderung, Ozonschutz, Meeresschutz, Biodiversität, Wüstenbildung, Welt28 So Artikel 213 Abs. 2 EG-Vertrag für die Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Artikel 258 Abs. 3 für die Mitglieder des Wirtschafts- und Sozial ausschusses, Artikel 263 Abs. 4 für die Mitglieder des Ausschusses der Regionen. 29 Kommission, Achter Bericht über die staatlichen Beihilfen in der Europäischen Union, KOM (2000) 205 vom 11. April 2000, Anhang III. Die Mitgliedstaaten verteilten zusätzlich staatliche Beihilfen von jährlich 93 Milliarden Euro!
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handel und Umweltschutz - ausgerichtet werden soll. Probleme etwa der städtischen Umwelt, der Umwelthaftung oder der Abfallbewirtschaftung stellen sich für die Europäische Union ferner auch dann, wenn beispielsweise die von dem deutschen Bundeskanzler jüngst angedachte Anregung aufgegriffen und die Zuständigkeiten für Agrar- und Regionalpolitik auf die Mitgliedstaaten zurückübertragen würden.
IV. Umweltgesetzgebung der Gemeinschaft Gemeinschaftliche Umweltgesetzgebung ist gekennzeichnet durch eine Reihe von Grundsätzen: Zum einen legt sie lediglich Mindestregeln fest. Diesen seit 1987 in dem jetzigen Artikel 176 EG-Vertrag verankerten Grundsatz haben die gemeinschaftlichen Umweltrichtlinien von Anfang an, d.h. seit 1975 beachtet3o • Ausnahmen bestanden nur in den produktbezogenen Richtlinien, bei denen die Gemeinschaft der Einheitlichkeit des gemeinsamen Binnenmarktes den Vorrang vor der umweltpolitischen Zielsetzung einräumte; selbst bei produktbezogenen Umweltregelungen indessen wird den Mitgliedstaaten in den letzten Jahren immer häufiger das Recht eingeräumt, strengere Regelungen zu erlassen 3l . Zum zweiten handelt es sich trotz aller gegenteiligen Behauptungen bei den Umweltregelungen der Gemeinschaft im wesentlichen um Rahmenregelungen. Die Regelungen legen Grundstrukturen wie Genehmigungs- oder Planungserfordernisse fest, schreiben Erfordernisse der Technik oder andere Grundregeln fest, treten aber - seit Ende der achtziger Jahre stets abnehmend - weniger in Einzelheiten der Grenzwerte, der Messmethoden, Analysenhäufigkeit und anderer formeller Aspekte ein. Zum dritten versucht gemeinschaftliche Gesetzgebung im Umweltbereich Regelungen zu schaffen, die in allen fünfzehn Mitgliedstaaten anwendbar sind und Anwendung finden. Dieser Grundgedanke gemeinschaftlicher Gesetzgebung bleibt gültig, weil empirische Untersuchungen zeigen, dass zwischen fünfzig und hundert Prozent der mitgliedstaatlichen Umweltgesetzge30 Als Beispiele seien die ersten drei von der Gemeinschaft angenommenen Umweltrichtlinien angeführt, die alle drei ausdrücklich den Mitgliedstaaten das Recht einräumen, strengere Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen: Richtlinie 75/439 über die Altölbeseitigung, ABI. EG 1975, Nr. L 194, S. 31, Artikel 16; Richtlinie 75/440 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten, ABI. EG 1975, Nr. L 194, S. 34, Artikel 6; Richtlinie 76/160 über die Qualität der Badegewässer, ABI. EG 1976, Nr. L 31, S. I, Artikel 7. 31 Als Beispiele seien die Richtlinie 94/62 über Verpackungen und Verpackungsabfälle, ABI. EG 1994, Nr. L 365, S. 10, Artikel 6 Abs. 6 sowie die Richtlinie 99/ 32 über den Schwefelgehalt bestimmter Treibstoffe, ABI. EG 1999, Nr. L 121, S. 13 (gestützt auf Artikel 175 EG-Vertrag) angeführt.
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bung durch die Regelungen der Gemeinschaft erheblich beeinflusst wird oder gar vollständig auf ihnen beruht. Aus gemeinschaftlicher Sicht stellt sich die insbesondere in Deutschland so häufig aufgeworfene Frage, ob die Gemeinschaft tätig werden oder ob sie das Tätigwerden den Mitgliedstaaten überlassen soll, in einer ganz anderen Fonn: wenn es nicht zu einer gemeinschaftlichen Regelung kommt, werden die fraglichen Sachprobleme in einem Teil der Mitgliedstaaten geregelt; in anderen Mitgliedstaaten dagegen bleibt das Sachproblem ungeregelt. Bei einer solchen Situation würde die Gemeinschaft weder ihrem Auftrag nach Artikel 175 EG-Vertrag gerecht werden, gemeinschafts weit ein hohes Maß an Umweltschutz anzustreben, noch würde sie dem Ziel der europäischen Verträge zuarbeiten, durch eine fortschreitende Integration der Mitgliedstaaten eine Europäische Union zu schaffen: eine statische Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung zwischen Ländern, Bund und Europäischer Gemeinschaft verträgt sich letztlich nicht mit dem Erfordernis, den status quo zu verändern und die Mitgliedstaaten im Umweltbereich und anderswo dynamisch zu einer Union zu integrieren. Dieses gemeinschaftliche Umweltrecht, das wie die Europäische Union unvollkommen ist, trifft auf ein deutsches Umweltrecht, das weit entwickelt und hoch differenziert ist und Verteilungen der gesetzgeberischen Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern vorsieht, die auf Dauer angelegt sind. Hieraus ergeben sich gerade hinsichtlich der Beurteilung der gemeinschaftlichen Umweltgesetzgebung durch die Bundesländer Folgen. Einerseits wird das in BTÜssel geschaffene Umweltrecht als Ankömmling, als Zugereister angesehen, ohne den man auch auskommen könnte. Andererseits sieht man nicht ohne weiteres die Notwendigkeit ein, neue Regeln und neue Verfahren einzuführen, die man bisher nicht als erforderlich angesehen hatte. Die Richtlinien der Gemeinschaft über die UmweitverträglichkeitspTÜfung32 oder das Recht auf Zugang zu Infonnationen über die Umwelt33 sind hier32 Richtlinie 85/337 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABI. EG 1985, Nr. L 175, S. 40; geändert durch Richtlinie 97/1 I, ABI. EG 1997, Nr. L 73, S. 5; vgl. hierzu die Urteile des EuGH, Rs. 396/92 Bund Naturschutz Bayern, Sig 1994, S. 1-3717; C-431/91 Kommission gegen Deutschland, Sig 1995, S. 1-2189; Rs. 301195 Kommission gegen Deutschland, Sig 1998, S. 1-6135, sowie die noch anhängigen Verfahren Rs. C-24/99, C408100 und C-41/0 I. Im letztgenannten Fall hat die Kommission Klage nach Artikel 228 EG-Vertrag erhoben, weil Deutschland einem ersten Urteil des Gerichtshofs nicht nachgekommen war. 33 Richtlinie 90/313 über den freien Zugang zu Infonnationen über die Umwelt, ABI. EG 1990, Nr. L 158, S. 56; die Richtlinie wird zur Zeit überarbeitet, um sie den Erfordernissen des Übereinkommens von Aarhus 1998 anzupassen; vgl. hierzu die Urteile des EuGH, Rs. C-321196 Mecklenburg, Sig 1998, S. 1-3809; Rs. C-217/ 97 Kommission gegen Deutschland, Sig 1999, S. 1-5087 sowie die anhängige Rechtssache C-29/00 Kommission gegen Deutschland.
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für nur die eindeutigsten Beispiele. Hierher sind auch zahlreiche Richtlinien zu zählen, die Fonnerfordernisse - das Aufstellen von Plänen, Berichtspflichten, das Ausweisen von Schutzgebieten usw. - vorsehen, da Nonnadressaten in diesen Fällen häufig die Verwaltung selbst ist. Die vorstehende Beschreibung betrifft in erster Linie die Umweltverwaltungen der Länder, weniger die Rechtsunterworfenen, denen es letztlich gleichgültig ist, ob eine Umweltregelung von der Gemeinschaft, vom Bund oder vom Land getroffen wurde. Wenn der skizzierte Befund richtig ist, dann ergibt sich hinsichtlich der gemeinschaftlichen Gesetzgebung für die Bundesländer folgendes: Umweltgesetzgebung durch die Gemeinschaft wird in Zukunft nicht signifikant weniger werden. Die angeführten Gründe werden verstärkt durch Sachzwänge, die mit den Stichworten Erweiterung der Gemeinschaft, Binnenmarkt für Produkte, Dienstleistungen und zunehmend auch für Steuern und Abgaben, zunehmender Transport, Verstädterung, technische Innovation (Gentechnologie, Kommunikation), Klimaveränderung, Belastung der Böden und der Gewässer, Globalisierung, Rückzug der Natur umrissen werden können. Die Bundesländer werden daher alles Interesse daran haben müssen, gemeinsam mit dem Bund und mit den gemeinschaftlichen Institutionen langfristig-strategisch darüber nachzudenken, wie die gesetzlichen und anderen Regelungen aussehen sollen, mit denen auf diese Sachzwänge reagiert werden soll. Mit anderen Worten: es kann für die Bundesländer nur darum gehen, an der Strategiedebatte in der und für die Gemeinschaft beizeiten teilzunehmen und nicht abzuwarten, bis Gesetzesvorschläge aus Brüssel auf dem Tisch liegen. Angesichts der Vielfalt der Interessen in den Mitgliedstaaten - föderaler und ökonomischer, finanzieller, politischer und ökologischer - kann aufgrund bisheriger Erfahrungen in der Umweltgesetzgebung davon ausgegangen werden, dass ein Vorschlag der Kommission zu etwa achtzig Prozent mit dem endgültig angenommenen Text einer gemeinschaftlichen Regelung im Umweltbereich übereinstimmt. Andere Weichenstellungen sind insgesamt sehr selten. Dies ist der Grund, warum die Mitvertretung der Länder im Rat alleine nicht ausreichend ist. Stehen also die Bundesländer der gemeinschaftlichen Umweltgesetzgebung mit der allgemeinen Einstellung "Besitzstandswahrung,,34 gegenüber, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn die gemeinschaftliche langfristigstrategische Diskussion um Ziele, Grundsätze und Prioritäten von Umweltpolitik und Umweltrecht neben der Kommission und ihren - auch aus Mitgliedstaaten stammenden! - Bediensteten maßgeblich von anderen Mitgliedstaaten, etwa von Großbritannien, den Niederlanden oder aus Skandinavien beeinflusst und gestaltet wird. Diese Beeinflussung lässt sich auch deswe34 Während der Konferenz am 24. und 25. April 2001 gebrauchte ein Referent sogar das Wort "Abwehrkampf', um die Einstellung der Länder zu kennzeichnen.
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gen nicht verhindern, weil die Gemeinschaft seit 1993 auch in Umweltfragen mit Mehrheit entscheidet, Deutschland also kein Vetorecht besitzt. Die beiden wichtigsten Änderungen des Regelungsansatzes auf Gemeinschaftsebene seien hier kurz nachgezeichnet, weil nach Auffassung des Verfassers in bei den Fällen der deutsche Regelungsansatz, den die Gemeinschaft zunächst akzeptiert hatte, verworfen wurde und weil in beiden Fällen der Umwelt langfristig nicht gedient ist. Das erste Beispiel betrifft die Emissionen aus industriellen Anlagen. 1976 hatte die Gemeinschaft für Schadstoffableitungen aus Anlagen in Gewässer eine Richtlinie angenommen 35 , die als Grundregeln das Ausarbeiten gemeinschaftsweit einheitlicher Emissionsnormen für besonders umweltschädliche Schadstoffe vorsah; angesichts der damals erforderlichen Einstimmigkeit sah sich die Gemeinschaft genötigt, Großbritannien entgegenzukommen und als Ausnahmeregelung 36 auch die Möglichkeit vorzusehen, sich auf gemeinschaftliche Qualitätsnormen zu berufen. Indessen erklärten acht der damals neun Mitgliedstaaten, sie würden nur auf Emissionsnormen zurückgreifen. In der Folgezeit kam es zur Ausarbeitung gemeinschaftlicher Emissions- und Qualitätsnormen für siebzehn Schadstoffe. Hinsichtlich der Luftverunreinigung nahm die Gemeinschaft im Zuge der seit 1980 einsetzenden Diskussion über Waldsterben 1984 eine Richtlinie an 37 , die das Ausarbeiten gemeinschaftsweit einheitlicher Emissionsnormen für die Luftverunreinigung durch Industrieanlagen vorsah 38 . Derartige Emissionsnormen wurden für Großfeuerungsaniagen 39 und Müllverbrennungsanlagen 40 erstellt. 35 Richtlinie 76/464 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft, ABI. EG 1976, Nr. L 129, S. 23. 36 Der Ausnahmecharakter der Qualitätsnormen ergibt sich insbesondere aus Artikel 6 Abs. 3 ("Die ... Grenzwerte gelten, ausgenommen in den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat ... nachweisen kann ... ") der Richtlinie. 37 Richtlinie 84/360 zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen, ABI. EG 1984, Nr. L 188, S. 20. 38 Vgl. Richtlinie 84/360, Artikel 8: "Der Rat legt, soweit erforderlich ... Emissionsgrenzwerte fest ... " 39 Richtlinie 88/609 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft, ABI. EG 1988, Nr. L 336, S. I. Der 5. Erwägungsgrund dieser Richtlinie verweist ausdrücklich auf Artikel 8 der Richtlinie 84/360. 40 Richtlinie 89/369 über die Verhütung der Luftverunreinigung durch neue Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll, ABI. EG 1989, Nr. L 163, S. 32; Richtlinie 89/429 über die Verringerung der Luftverunreinigung durch bestehende Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll, ABI. EG 1989, Nr. L 203, S. 50; Richtlinie 94/67 über die Verbrennung gefährlicher Abfälle, ABI. EG 1994, Nr. L 365, S. 34.
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Anfang der neunziger Jahre ging die Kommission von diesem Konzept ab, ohne Begründung und ohne entsprechende politische Erörterung in einem umweltpolitischen Aktionsprogramm, einer Entschließung des Rates oder aufgrund eines anderen "Auftrags" seitens einer gemeinschaftlichen Institution. Stattdessen legte sie einen Vorschlag einer Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung vor, der 1996 angenommen wurde 41 • Der entscheidende Unterschied zu der vorangegangenen Politik besteht darin, dass die Emissionsnormen für Luft und Wasser aus Industrieanlagen nunmehr grundsätzlich von nationalen Stellen in den jeweiligen Genehmigungsbescheiden und unter Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten einschließlich der wirtschaftlichen Umstände des emittierenden Betriebes festgelegt werden. Zwar kann die Kommission Vorschläge für gemeinschaftsweit einheitliche Emissionswerte machen, wenn sich "herausgestellt hat, dass die Gemeinschaft tätig werden muss". Doch ändert diese hypothetische Möglichkeit nichts an der grundsätzlichen Änderung des Regelungsansatzes der Gemeinschaft. Angesichts des Stellenwertes des Umweltschutzes in einigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und diese Tendenz wird sich mit der Erweiterung verstärken - ist fast sicher damit zu rechnen, dass damit das Regelungsgefälle für emittierende Anlagen in der Gemeinschaft verstärkt wird, mit allen Folgen, die dies für den Wettbewerb der Unternehmen im Binnenmarkt hat. Das zweite Beispiel ist zum Teil bereits angesprochen. Nach der Richtlinie 76/464 war der Gewässerschutz hinsichtlich von Schadstoffen grundsätzlich durch das Ausarbeiten gemeinschaftsweit einheitlicher Emissionsnormen zu erreichen. Von diesem Grundsatz ist die Gemeinschaft mit Annahme der Richtlinie 2000/6042 endgültig abgegangen. Entscheidend ist nunmehr das Erreichen einer "guten" Gewässerqualität. Was dies im einzelnen ist, legen die Mitgliedstaaten fest, ebenso wie die Grundsätze, nach denen diese Qualität zu erreichen ist. Zwar sieht die Richtlinie aufgrund einer entschiedenen Intervention des Europäischen Parlaments auch vor, dass das Einleiten bestimmter Schadstoffe in den nächsten zwanzig Jahren vollständig verboten werden soll. Doch bleibt abzuwarten, wie sich diese "Konzession an die Vergangenheit" in der Praxis realisieren wird. Nicht das Ergebnis beider Entscheidungen wird hier in Frage gestellt, sondern der Umstand, dass in beiden Fällen eine öffentliche Diskussion nicht oder kaum stattgefunden hat. Nachzudenken wäre also auf Seiten der Länder über ein stärkeres Denken in gemeinschaftlichen Dimensionen, ein aktives Teilnehmen an den Orientierungen, gesetzgeberischen Maßnahmen 41 Richtlinie 96/61 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABI. EG 1996, Nr. L 257, S. 26. 42 Richtlinie 2000/60 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABI. EG 2000, Nr. L 327, S. I.
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und anderen umweltpolitischen Vorhaben der Kommission und der Gemeinschaft. Der Umstand, dass diese Teilnahme in englischer und/oder französischer Sprache stattfinden muss, kann und darf im 21. Jahrhundert und angesichts der zusammenwachsenden Welt kein ernstes Hindernis sein, obwohl das Führen einer Diskussion in einer der bei den anderen Sprachen für viele deutsche Beamte gegenwärtig ein Problem zu sein scheint43 . Da alle Bundesländer in der einen oder anderen Form ein Europa- und ein Umweltministerium und darüber hinaus eine Vertretung in Brüssel besitzen, dürften auch Personal probleme nicht erheblich sein. Entscheidend ist vielmehr, ob überhaupt ein politischer Wille zum Mitgestalten der gemeinschaftlichen Umwelt entwickelt oder ob das Denken zur umweltpolitischen Besitzstandswahrung fortgesetzt wird.
v. Durchführung des gemeinschaftlichen Umweltrechts 1. Fischgewässer Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen nach Artikel 175 Abs. 4 EG-Vertrag grundSätzlich die gemeinschaftlich beschlossenen Maßnahmen durch. Der Kommission obliegt es gemäss Artikel 211 EG-Vertrag, sicherzustellen, dass das gemeinschaftlich beschlossene Umweltrecht auch angewandt wird. Um das Spannungsverhältnis zwischen Bundesländern und Europäischer Gemeinschaft darzustellen, sollen drei Beispiele herausgegriffen werden. Der vielleicht krasseste Fall betrifft die Richtlinien über Fischgewässer44 und über Muschelgewässer45 , die aus den Jahren 1978 und 1979 stammen. In einem Urteil vom 12. Dezember 1996, das also siebzehn bzw. sechzehn Jahre nach Annahme der Richtlinien erging, stellte der Gerichtshof fest, dass Deutschland die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien in innerstaatliches Recht und zum Aufstellen der von beiden Richtlinien geforderten Programme noch nicht ergriffen hatte46 . 43 Vielleicht sollte einmal auf der Seite der Personalpolitik darüber nachgedacht werden, in Länder- wie in Bundesministerien Beamte nur noch zu Abteilungs-(Referats- usw.)leitern zu machen, wenn sie sechs Monate im Ausland gearbeitet haben und die Beherrschung einer Fremdsprache - des Englischen - nachweisen können. 44 Richtlinie 78/659 über die Qualität von Süßwasser, das schutz- und verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten, ABI. EG 1978, Nr. L 222, S. I. 45 Richtlinie 79/923 über die Qualitätsanforderungen an Muschelgewässer, ABI. EG 1979, Nr. L 281, S. 47. 46 EuGH, Rs. C-298/95, Kommission gegen Deutschland, Slg 1996, S. 1-6747.
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In dem Urteil heißt es: "Die Bundesrepublik Deutschland bestreitet nicht, dass die nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung den Bundesländern obliegende Umsetzung des Artikels 3 der Richtlinien 78/659 und 79/923 in Deutschland noch nicht durch zwingende Rechtsvorschriften erfolgt ist. Sie macht aber geltend, dass diese Umsetzung im Gang sei". Dass eine Umsetzung der Richtlinien erforderlich sei, war also unstreitig. Dann müssten indessen die Bundesländer einmal öffentlich erklären, warum für diese Umsetzung sechzehn bis siebzehn Jahre benötigt werden. Der Wahrheit näher dürfte folgende Feststellung aus dem Jahre 1986 kommen, die auf die Bedenken der Länder gegen die Annahmen beider Richtlinien eingeht und dann bezüglich der Richtlinie 78/659 fortfährt 47 : "Dies sind die Argumente, die die fortgesetzte unnachgiebige Opposition der Länder gegen diese Richtlinie (wie auch gegen die Richtlinie über Muschelgewässer) motivieren ... die Bundesrepublik Deutschland ,möchte nicht durch die Vermittlung von Fischen eine Wasserschutzpolitik aufgezwungen bekommen' ... Der Hintergrund zu dieser Richtlinie erklärt, warum es in Deutschland keine Umsetzungsmaßnahme gegeben hat. Die Richtlinie ist in der Praxis nicht vollständig umgesetzt oder angewandt worden. Die Absicht, sie nicht anzuwenden, ist in allen Ländern deutlich ausgedrückt worden. Neben der Absicht, die Richtlinie nicht durchzuführen, ist eine gelegentlich gegebene Begründung, das unterlassene Bezeichnen von Gewässern zu erklären, die, dass die von der Richtlinie festgesetzten Werte zu streng seien und nicht eingehalten werden könnten. Die Richtlinie wird als ,inopportun' und als ungeeignet angesehen, auf wirksame Weise zur Verbesserung der Wasserqualität beizutragen". Da auch außerhalb Deutschlands Veröffentlichungen gelesen werden, und andere Erklärungen für die Nichtumsetzung bei der Richtlinien durch Deutschland nicht und nirgendwo gegeben wurden, darf vielleicht vorsichtig gefolgert werden, dass die Bundesländer die bei den Richtlinien nicht umgesetzt haben, weil sie sie nicht umsetzen wollten. Ob sie sie für inopportun, für "falsch" oder für zu streng hielten, ist dabei nicht einmal belangreich. Entscheidend aus Gemeinschaftssicht ist, dass sich ein Mitgliedstaat - sei es über seine Regionen - "das Recht nimmt", gemeinschaftlich beschlossene Regeln nicht anzuwenden. Dies ist eine Katastrophe für jedes auf Recht gegründete Gemeinwesen. Nur um möglichen Einwänden zu begegnen, sei klargestellt, dass der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung erklärt hat, das Umsetzen gemeinschaftlicher Umweltrichtlinien erfordere einen förmlichen Rechtsakt und 47 P. Kromarek: Federal Republic of Germany: Water and Waste. A study on the implementation of the EEC Directives. London 1986, S. 54-56 (übersetzt vom Verf.).
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könne nicht durch Befolgen der gemeinschaftlichen Regeln in der Praxis ersetzt werden48 • In gleicher Weise hatte der Gerichtshof festgelegt, dass die Mitgliedstaaten für ihr gesamtes Hoheitsgebiet Fischgewässer zu bezeichnen hatten und sich nicht auf einige Regionen beschränken durften 49 , und dass "Programme" bestimmten Anforderungen hinsichtlich Form und Inhalt unterlägen 5o . Schließlich ist der dargestellte Rechtsstreit kein Einzelfall. Das grundlegende Urteil des Gerichtshofs über die Notwendigkeit, die Richtlinien über Qualitätsnormen zur Luftreinhaltung durch förmlichen Rechtsakt in innerstaatliches Recht umzusetzen 51 , hat nicht dazu geführt, dass Deutschland die Richtlinien über Emissionsnormen und Qualitätsvorschriften zum Gewässerschutz förmlich umsetzte; auch hier ließ man erst ein Urteil des Gerichtshofs ergehen52 . Auch die Programme zur Verminderung der Gewässerverschmutzung musste die Kommission beim Gerichtshof einklagen, was bedeutet, dass die Bundesländer oder der Bund mit der Erstellung und Durchführung dieser Programme mehr als zwanzig Jahre im Verzug waren 53 . 2. Badegewässer
Die Richtlinie 76/160 über die Qualität der Badegewässer54 , Ende 1975 angenommen, sah vor, dass die Mitgliedstaaten die als Badegewässer unter die Richtlinie fallenden Gewässer identifizierten und dort während der Badesaison die Gewässerqualität regelmäßig kontrollierten; zehn Jahre nach Annahme der Richtlinie waren die in der Richtlinie festgelegten Qualitätsnormen einzuhalten. Deutschland hatte Schwierigkeiten mit der Durchführung der Richtlinie. Bei Ablauf der Zehn-Jahres-Frist 1985 hatte es 106 Badegebiete identifiziert. Hinsichtlich der Häufigkeit und des Umfangs der Probenahmen teilte es der Kommission "mit Hinweis auf das Fehlen einer zentralen Erfassung" keine Einzelheiten mit55 . Die Kommission trat daraufhin mit Deutschland 48 EuGH, Rs. C-131/88 Kommission gegen Deutschland, Sig 1991, S. 1-825; Rs. C-361/88 Kommission gegen Deutschland, Sig 1991, S. 1-2607; C-58/89 Kommission gegen Deutschland, Sig 1991, S.I-4983; Rs. C-13/90 Kommission gegen Frankreich, Sig 1991, S. 1-4327. 49 EuGH, Rs. C-322/86, Kommission gegen Italien, Sig 1988, S. 3995. 50 EuGH, Rs. C-252/89 Kommission gegen Luxembourg, Sig 1991, S.I-3973; Rs. C-192/90, Kommission gegen Spanien, Sig 1991, S. 1-5933. 51 EuGH, Rs. C-36l/88 (Fn. 48). 52 EuGH, Rs. C-262/95 Kommission gegen Deutschland, Slg 1996, S. 1-5729. 53 EuGH, Rs. C-184/97 Kommission gegen Deutschland, Slg 1999, S. 1-7837. 54 Richtlinie 76/160 über die Qualität der Badegewässer, ABI. EG 1976, Nr. L 31, S. 1.
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in eine langwierige und mühselige Diskussion über die Ausweisung von Badegebieten, die Kontrollverfahren und die Berichte über die Qualität der Gewässer ein, bei der es neben vielen anderen um die Frage ging, ob die Isar in München ein Badegewässer (so die Kommission) oder ein "sommerfrisches Fliessgewässer" (so Bayern und Deutschland) sei. Als Ergebnis dieser Erörterungen stieg die Zahl der kontrollierten Badegebiete für 1991 - also sechzehn Jahre nach Annahme der Richtlinie - auf 200856 . Hinsichtlich der Qualität der Gewässer endeten die Diskussionen, die 1989 in ein förmliches Verfahren nach Artikel 226 EG-Vertrag übergingen, im Juni 1999 (!) mit einem Urteil des Gerichtshofs57 . Der Gerichtshof stellte fest, dass die Qualität einer Reihe von Badegewässern auch 1995 noch nicht der Vorschriften der Richtlinie entsprochen hätten und dass die zuständigen Stellen in den Bundesländer in etwa einem Drittel (591 Badegewässer) aller Badegewässer keine ausreichenden Proben genommen hätten 58 . Es bleibt nicht recht verständlich, warum fast vierundzwanzig Jahre nach Annahme der Richtlinie die Durchführung immer noch zu Problemen Anlass gibt. Vor dem Gerichtshof hat Deutschland ausweislieh des Urteils für die nicht ausreichenden Probenahmen überhaupt keine Begründung gegeben. Auch Gründe des Föderalismus, des Vollzugs des Umweltrechts durch die Länder und ähnliche Gründe können dieses Verhalten nicht erklären.
3. Habitate Im Bereich des Naturschutzes sind. insbesondere die von der Gemeinschaft 1979 und 1992 angenommenen zwei Richtlinien über den Schutz wildlebender Vöge1 59 und über den allgemeinen Schutz von Fauna und Flora6o zu erwähnen. Beide Richtlinien verpflichteten die Mitgliedstaaten zur Ausweisung besonders geschützter Gebiete (Habitate); die Richtlinie über den Vogelschutz enthielt ferner besondere Vorschriften über Jagdverbote für Vögel während der Migration, der Brut- und Nestzeit. Kommission, Quality ofBathing Water 1983-1986. Luxembourg 1988, S. 31. Kommission, Quality of Bathing Water 1991. Luxembourg 1992, S. 21. 1994 betrug diese Zahl - einschließlich aller neuen Bundesländer - 2359 und sank dann bis 1999 auf 2053, vgl. Kommission, Quality of bathing water 1999. Luxembourg 2000, S. 59. 57 EuGH, Rs. C-198/97 Kommission gegen Deutschland, Sig 1999, S. 1-3257. 58 Im Jahre 2000 stellte die Kommission Quality of bathing water 1999 (Fn. 56) für die Badesaison 1999 fest: " ... gibt es bei den Binnengewässern nach wie vor Badegebiete mit unzureichender Probenahme, was nicht akzeptiert werden kann." 59 Richtlinie 79/409 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABI. EG 1979, Nr. L 103, S. I. 60 Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABI. EG 1992, Nr. L 206, S. 7. 55
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Hinsichtlich der Jagdverbote stellte der Gerichtshof 1990 fest, dass Deutschland seine Bundes- und Ländervorschriften über das Jagdrecht den Vorschriften der Richtlinie nicht in vollem Umfang angepasst hatte 61 . In der Folgezeit wurden die deutschen Jagdgesetze den Vorschriften der Richtlinie angepasst, indessen so schleppend, dass die Kommission 1997 erneut Klage beim Gerichtshof erhob und nach Artikel 228 EG-Vertrag ein Zwangsgeld von 26.400 Euro pro Tag beantragte, bis Deutschland seine Gesetzgebung vollständig angepasst hätte. Zu einem Urteil des Gerichtshofs kam es indessen nicht mehr, weil diese Anpassung 1998 schließlich vorgenommen wurde - neunzehn Jahre nach Annahme der Richtlinie 79/409. Die Ausweisung von Habitaten warf größere Schwierigkeiten auf. Bis zum April 2001 hat Deutschland jedenfalls nach Auffassung der Kommission seine Verpflichtungen zur Ausweisung von Schutzgebieten nicht in vollem Umfang erfüllt62 . Die Richtlinie 92/43 wurde überhaupt erst 1998 in innerstaatliches Recht umgesetzt63 , was 1997 prompt zu einem Urteil gegen die Bundesrepublik führte 64 . Die Bundesländer vertraten die Auffassung, Habitate nach jener Richtlinie überhaupt erst nach Vorliegen des die Richtlinie umsetzenden Bundesgesetzes ausweisen zu können, zögerten aber auch im übrigen mit einer Übermittlung der Listen von Gebieten mit gemeinschaftlicher Bedeutung, indem sie insbesondere die Richtlinie als rechtswidrig - Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip in der Auslegung des Grundgesetzes, gegen deutsches Verfassungsrecht (Föderalismus) und andere Rechtsgrundsätze (Bestandsschutz, Demokratieprinzip, Kompetenzüberschreitung) - bezeichneten. Schließlich schrieb die Kommission der Bundesrepublik Mitte 1999, sie könne möglicherweise keine Mittel aus den gemeinschaftlichen Strukturfonds für Regionalbeihilfen-Programme in der Bundesrepublik bereitstellen, solange Deutschland die Gebiete nach der Richtlinie 92/43 nicht ausgewiesen habe. Dieses Schreiben löste helle Aufregung und heftige Proteste in den Bundesländern aus. Da indessen auch die Ende 1999 eingesetzte neue Kommission an der möglichen Verknüpfung zwischen Ausweisung von Habitaten und Zuweisung von Mitteln aus den Strukturfonds festhielt, kam es anfangs des Jahres 2000 schrittweise zur Erstellung der von der Richtlinie geforderten Listen von Schutzgebieten mit gemeinschaftlicher Bedeutung. Diese Listen sind zwar für das Gebiet der Bundesrepublik immer noch EuGH Rs. C-288/88 Kommission gegen Deutschland, Slg 1990, S. 2721. Vgl. zuletzt Natura 2000, Newsletter "Natur" der Europäischen Kommission, April 2001, S. 6. 63 Ein Grund für die Verzögerung war auch, dass der Bundesrat dem Gesetzentwurf der Bundesregierung mit Beschluss vom 4.7.1997 die Zustimmung verweigerte. 64 EuGH Rs. C-83/97 Kommission gegen Deutschland, Slg 1997, S. 1-7191. 61
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nicht vollständig, doch scheinen sich die Bundesländer - auch unter dem Druck einer inzwischen beim Gerichtshof anhängig gemachten Klage der Kommission, über die im Laufe des Jahres 2001 entschieden werden dürfte - schrittweise den Erfordernissen der Richtlinie 92/43 anzupassen. Warum sich die Bundesländer in eine so ausgeprägte Gegenstellung zur Gemeinschaft - nicht etwa zur Kommission, denn die Richtlinie 92/43 ist ja vom Rat angenommen worden; die Kommission hat lediglich die Anwendung der Richtlinie durch die und in den Mitgliedstaaten zu überwachen - begeben haben, ist rational kaum nachvollziehbar. Die Verstärkung des Naturschutzes ist sicher auch ein Anliegen der Bundesländer, die ja alle einem nachhaltigen, fortschrittlichen Umweltschutz verpflichtet sind. Und unter Umweltgesichtspunkten gehört die Richtlinie 92/43 unbestritten zu den modernsten und fortschrittlichsten Naturschutzgesetzen in Westeuropa. Wahrscheinlich spielen bei der Haltung der Bundesländer auch Fragen der Macht65 und ähnliche Überlegungen wie bei der Richtlinie über Fischgewässer66 eine Rolle. Aus Brüsseler Sicht ist auch nicht klar, warum sich die inhaltlichen Probleme der Richtlinie 92/43 nur in Deutschland, aber nicht in anderen föderal oder regional gegliederten Mitgliedstaaten in dieser grundsätzlichen Form stellen; immerhin haben bisher nur Belgien und Frankreich weniger Prozent der Gesamtfläche ihrer Staatsgebiete ausgewiesen als Deutschland. Wenn die Bundesländer der Auffassung sind, die Richtlinie sei unter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht ergangen, können sie ihre Auffassung auch gerichtlich geltend machen. Zwar haben sie selbst gegen die Annahme der Richtlinie durch den Rat kein unmittelbares Klagerecht vor dem Gerichtshof, da dieses den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsinstitutionen vorbehalten ist. Aber die Bundesländer haben in der Vergangenheit die Bundesregierung nicht aufgefordert, eine Nichtigkeitsklage gegen den Rat nach Artikel 230 EG-Vertrag zu erheben. Sie sind dem Verfahren der Kommission gegen Deutschland, in dem es um die Umsetzung der Richtlinie 92/43 ging, auch nicht auf der Seite Deutschlands beigetreten und haben, soweit ersichtlich, auch nicht vortragen lassen, die Richtlinie 92/43 sei mit Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. 65 Als der Verfasser diesen Gedanken auf der Konferenz vom 24. April mündlich vortrug, warf ihm ein Beamter aus Bayern "totalitäres Denken" vor. 66 Vgl. oben V. 1.; vgl. auch die Ansprache von Wolfgang Birthler, Minister für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg, vom 28.2.2000 in Lebus (Frankfurt/Oder): "Die EU-Richtlinie von 1992 wurde vom Bund erst 1998 in Bundesrecht umgesetzt. Anschließend wurden die Naturschutzbehörden in allen Bundesländern bei der Erarbeitung der Listen wenig unterstützt eher behindert. Die Naturschutzverbände möchte ich davon natürlich ausnehmen. Die Richtlinie wurde allseits als überflüssige Fußnote nervender EU-Bürokraten betrachtet und entsprechend behandelt: Ignoriert oder mit Füßen ,drauf getreten"'. 11*
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Auch dem gegenwärtig anhängigen Verfahren C-71199, in dem es um die Feststellung geht, dass Deutschland seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/43 nicht nachgekommen ist und unvollständige Listen über die unter die Richtlinie fallenden Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung gemeldet hat, sind die Bundesländer nicht beigetreten67 • Sie haben offenbar erneut keine besonderen Anstrengungen entfaltet, um die Rechtmäßigkeit der Richtlinie nachprüfen zu lassen. Zu den Fragen Subsidiarität, Kompetenzüberschreitung usw. ist nichts vorgetragen. Hinsichtlich der unter die Natura 2000 fallenden Schutzgebiete hatten die Länder im Vorverfahren nach Artikel 226 EG-Vertrag 1996 und 1997 erklärt, sie beabsichtigten nicht, der Kommission vollständige Listen zu übersenden, solange die Richtlinie nicht in deutsches Recht umgesetzt worden sei. Im gerichtlichen Verfahren wurde vorgetragen, mit der Ausarbeitung der Listen habe erst begonnen werden können, nachdem die Kommission Ende 1996 entsprechende Formulare übersandt habe. In der Sache wurden im gerichtlichen Verfahren zwei Argumente vorgetragen: zum einen sei Deutschland nicht verpflichtet, der Kommission alle Schutzgebiete mitzuteilen, die unter die Richtlinie 92/43 fielen; Deutschland könne diese Auswahl besser selber treffen. Zum anderen habe sich die Kommission bei ihrer Beurteilung der unter die Richtlinie fallenden deutschen Gebiete auf ein Handbuch des Bundesamtes für Naturschutz aus dem Jahr 1998 gestützt; dies sei jedoch nicht die offizielle deutsche Liste der Schutzgebiete. Indessen hat Deutschland nach Auffassung des Generalanwalts "keinerlei wissenschaftlichen Beweis zur Unterstützung seiner Behauptung" vorgelegt68 . Wie der Gerichtshof in der Sache entscheidet, bleibt abzuwarten. Ob im Lichte der jahrelangen, leidenschaftlichen und heftigen Diskussion in Deutschland hinsichtlich der Ausweisung von Schutzgebieten und, allgemeiner, des Verhältnisses von deutschem zum gemeinschaftlichen Naturschutzrecht dieser Sachvortrag alle Argumente Deutschlands und insbesondere der deutschen Bundesländer wiederspiegelt, ist zu bezweifeln.
67 Die Darstellung des Sachvortrags Deutschlands im folgenden beruht auf der Stellungnahme des Generalanwalts Leger in den Sachen C-67/99 Kommission gegen Irland, C-71/99 Kommission gegen Deutschland und C-220/99 Kommission gegen Frankreich. Die Stellungnahme datiert vom 3. Mai 2001 und ist beim Gerichtshof erhältlich. 68 Generalanwalt Leger (Fn. 67) paragraph 123: " ... the Federal Republic of Germany merely asserts that the handbook is not the German reference list, but does not adduce any scientific evidence to corroborate that assertion ... "
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VI. Bundesländer und Europäische Umweltpolitik Angesichts der genannten drei Beispiele Fischgewässer, Badegewässer, Habitate, die sich ohne größere Schwierigkeiten vennehren ließen - Zugang zu Infonnationen über die Umwelt, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Abfallregelungen sind nur einige der weiteren möglichen Beispiele - muss man sich fragen, ob nicht insgesamt die Auffassung der Bundesländer zum europäischen Umweltrecht der des Geisterfahrers gleicht, der meint, nur er fahre in die richtige Richtung, während alle anderen Autofahrer falsch fahren. Hugo Grotius, der große niederländische Völkerrechtler, prägte einmal den Satz, dass alles Übel dann beginne, wenn der Mensch sich vom Recht lossage. Falls dieser Satz richtig bleibt, dann wäre die Auffassung der Bundesländer in der Tat zu überdenken: es ist keine konstruktive Haltung, sein Recht in die eigenen Hände zu nehmen und gemeinschaftliches Recht erst nach langem, hinhaltenden Widerstand in die soziale Wirklichkeit überzuführen, im Alltag die Durchsetzung dieses Rechts zu erschweren und ständig deutlich zu machen, dass im Grunde die ganze Richtung des gemeinschaftlichen Umweltrechts nur dann akzeptabel erscheint, wenn es den welchen? - Vorstellungen der deutschen Bundesländer entspricht. Dieser Befund ist das eigentlich Bedauerliche an der Diskussion um das europäische Umweltrecht und den deutschen Föderalismus. Für die Bereiche Abfallbewirtschaftung, Immissionsschutz, Bodenschutz, Gewässerschutz, Umweltgrundrechte des Einzelnen (Aarhus-Übereinkommen), Klimaschutz, städtische Umwelt, technische Nonnung, Globalisierung und anderer Sachgebiete gibt es kaum konstruktive Beiträge der deutschen Bundesländer hinsichtlich eines Ordnungsrahmens für die Umwelt, der für das gesamte Territorium der Gemeinschaft - vielleicht einschließlich des Gebietes der Beitrittsländer - anzustreben wäre. Aus der westeuropäischen Distanz hat es eher den Anschein, als sei es den deutschen Regionen (Ländern) gleichgültig, wie es um die Umweltinteressen anderer Regionen, in Griechenland oder Spanien, Großbritannien oder Italien, oder wie es um das "allgemeine Wohl der Gemeinschaft" bestellt ist. Wenn tatsächlich die Gemeinschaft einen europäischen Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen, Kapital, Arbeit und Transport schafft, dann wird es nicht nur legitim, sondern sogar notwendig, in diesem neuen Koordinatensystem darüber nachzudenken, wie Umweltschutz auf diesem Kontinent zu organisieren ist. Gegenwärtig schließen sich die Bundesländer dem Anschein nach aus dieser Diskussion weitgehend selber aus. 1779 schrieb Gotthold Ephraim Lessing sein Stück "Nathan der Weise", in dem er in der Ringparabel die Frage erörtert, welche Religion, die jüdische, christliche oder muslimische, die "beste" sei. Er folgert, dass sichere Erkenntnisse hierüber nicht bestehen, und ruft dazu auf, dass jede der drei
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Religionen durch ihre Taten darlege und beweise, wozu sie fähig sei. Wie wäre es denn, wenn die Regionen in Deutschland und Europa einmal zu einem Wettstreit anträten, welche Region unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes die beste sei? Ein solcher Wettstreit wäre jedenfalls geeignet, die Haltung der Bundesländer zum gemeinschaftlichen Umweltrecht und zur Umweltpolitik in eine konstruktiv-positive Haltung zu verändern. Dass es der Umwelt auf dem europäischen Kontinent wie auch weltweit trotz aller Erfolge in Einzelbereichen nicht gut geht, ist eine Binsenweisheit. Aber sie macht doch klar, dass zum Nachdenken über die künftige Ausgestaltung dieser Politik so viel kluge Köpfe gehören wie möglich. Ein Abseitsstehen ist einfach nicht fruchtbar. Oder, um noch einmal die Literatur zu bemühen: als die Schweizer Kantone zu Wilhelm Tell kamen und ihn baten, bei der Schweizer Eidgenossenschaft mitzuwirken, sagten sie ihm: "Verbunden werden auch die Schwachen mächtig". Teils Antwort: "Der Starke ist am mächtigsten allein". Aber Schiller berichtet ja, wie es schließlich endet: am Ende integriert sich auch Tell in die neue Eidgenossenschaft. Den Nutzen von Alleingängen erlebt die Welt gegenwärtig mit der Haltung der US-amerikanischen Regierung zu einem weltweiten gemeinsamen Vorgehen beim Klimaschutz. Alleingänge im Umweltschutz - ein Vorbild für die deutschen Bundesländer?
Europäisches Umweltrecht und deutscher Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft Von Astrid Epiney
I. Einleitung In föderalistisch strukturierten Mitgliedstaaten der EU stellt sich die Umsetzung und (effektive) Anwendung sowie Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben als eine tendenziell komplexere Aufgabe als in eher zentralistisch organisierten Staaten dar l . Dies kann zunächst darauf beruhen, dass schon die Kompetenzverteilung zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten unklar ist und im Vorfeld von Umsetzung und Vollzug zunächst die jeweiligen Zuständigkeiten abgegrenzt werden müssen. Es ist aber auch denkbar, dass etwa für die Umsetzung von in demselben Rechtsakt enthaltenen Vorgaben gleichzeitig zwei verschiedene Ebenen (Bund und Länder) oder gleichzeitig mehrere Gliedstaaten zuständig sind. Auch kann es gerade in föderal strukturierten Staaten Schwierigkeiten bzw. Differenzen über die Frage der Auslegung der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften geben. Jedenfalls aber wird regelmäßig der Vollzug und damit die effektive Anwendung des Gemeinschaftsrechts vor gewisse Herausforderungen gestellt, müssen hier doch häufig die Länder tätig werden. Vor diesem Hintergrund will der vorliegende Beitrag - auf der Grundlage der europarechtlichen Ausgangslage in Bezug auf die Stellung der Länder im Gemeinschaftsrecht (11.) - zunächst den Anforderungen des europäischen Gemeinschaftsrechts an Umsetzung, Vollzug und effektive Beachtung des Gemeinschaftsrechts nachgehen, wobei der Akzent auf diejenigen Fragestellungen gelegt wird, die in erster Linie in den Ländern von Bedeutung sind und auf einige konkrete Beispiele eingegangen werden soll (III.). Daran anschließend ist danach zu fragen, ob und ggf. unter welchen VorI Wobei dieser Gegensatz allerdings insofern etwas zu relativieren ist, als auch in sog. zentralistisch strukturierten Staaten durchaus Tendenzen bestehen, den unteren Verwaltungseinheiten gewisse Kompetenzen einzuräumen, die teilweise auch über den reinen Vollzug hinausgehen. Vgl. hierzu die sehr aufschlussreichen Ausführungen am Beispiel der Trinkwasserrichtlinie in Christoph Demmke, Die Implementation von EG-Umweltpolitik in den Mitgliedstaaten. Umsetzung und Vollzug der Trinkwasserrichtlinie, 1994.
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aussetzungen sich aus dem Gemeinschaftsrecht bestimmte Anforderungen institutioneller Natur an die Ausgestaltung des Föderalismus ergeben können, insbesondere im Hinblick auf Kontrollmechanismen (IV.). Der Beitrag endet mit einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung (V.). Es geht hier also um den europarechtlichen Blickwinkel, während die sich ja auch regelmäßig stellenden verfassungsrechtlichen Probleme - insbesondere in Bezug auf die Kompetenzverteilung Bund-Länder - im Wesentlichen ausgeblendet werden sollen.
11. Ausgangspunkt: "Landes-Blindheit" des Gemeinschaftsrechts Das Gemeinschaftsrecht geht im Grundsatz von einem zwei stufigen Aufbau aus: Auf der einen Seite steht die Gemeinschaft, auf der anderen die Mitgliedstaaten. Daher befasst sich die Gemeinschaftsrechtsordnung grundsätzlich nicht mit den innerstaatlichen (Organisations-) Strukturen der Mitgliedstaaten, mögen diese nun föderaler Natur sein oder nicht. M.a.W. sind dem Gemeinschaftsrecht grundsätzlich keine Vorgaben über den innerstaatlichen Aufbau der Hoheitsgewalt zu entnehmen; einzig Art. 6 EUV formuliert gewisse Anforderungen an die Verfassungsstrukturen der Mitgliedstaaten, die jedoch die hier nicht weiter zu erörternden Aspekte der Achtung der Grundrechte sowie der rechtsstaatlichen Prinzipien betreffen. Insofern kann denn auch durchaus von einer "Landes-Blindheit" der Gemeinschaftsrechtsordnung gesprochen werden 2 . Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der EG-Vertrag in verschiedener Form von der Existenz mehr oder weniger föderaler Strukturen in den Mitgliedstaaten Kenntnis nimmt, wie insbesondere durch die Einrichtung des Ausschusses der Regionen (Art. 263 ff. EGV). Dieser grundsätzlich zwei stufige Aufbau der Europäischen Union - der häufiger auch bedauert wird 3 - ist im Ergebnis ebenso sinnvoll wie auf der Grundlage der Beziehungen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten und damit der gemeinschaftlichen Rechtsordnung zwingend: Denn das Gemeinschaftsrecht nimmt die Mitgliedstaaten eben grundSätzlich als solche d.h. eben auch wie sie in staatsorganisatorischer Sicht strukturiert sind hin, ohne über die konkreten gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen hinausgehende Anforderungen an ihre innerstaatlichen Strukturen zu stellen. 2 Vgl. hierzu m. w.N. bereits Astrid Epiney, Gemeinschaftsrecht und Föderalismus: "Landes-Blindheit" und Pflicht zur Berücksichtigung innerstaatlicher Verfassungsstrukturen, EuR 1994, 301 (305 ff.). 3 s. etwa Kay Hailbronner, Die deutschen Bundesländer in der EG, JZ 1990, 149
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Die Frage, ob und inwieweit ein Mitgliedstaat föderativen Grundsätzen verpflichtet ist, ist denn auch nicht Sache der Gemeinschaft, sondern liegt ausschließlich im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten4 • Dieser Grundsatz findet konkret darin Ausdruck, dass sich die gemeinschaftliche Aufgabenteilung und die Kompetenzzuweisungen ausschließlich auf die Gemeinschaft auf der einen und die Mitgliedstaaten auf der anderen Seite beziehen. Sind die Mitgliedstaaten für die Regelung eines bestimmten Bereichs zuständig, so steht es in ihrer Kompetenz, ggf. ihre Gliedstaaten mit der Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe zu betrauen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Gemeinschaft keine Pflicht zur Berücksichtigung der Binnenstrukturen der Mitgliedstaaten obläge 5 ; eine solche lässt sich vielmehr aus 6 III EUV ableiten - der die Pflicht der Union, die "nationale Identität" der Mitgliedstaaten zu achten, stipuliert - und ergibt sich darüber hinaus auch aus Art. 10 EGV, ist diese Bestimmung doch so zu verstehen, dass sie reziproke Pflichten sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Gemeinschaft enthält6 . Damit verpflichtet Art. 10 EGV als allgemeines und gegenseitiges Prinzip die Gemeinschaft, die Belange der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, womit auch die föderale Struktur der Mitgliedstaaten einbezogen wird7 . Relevant wird diese Verpflichtung insbesondere bei der Frage des Ob und Wie der Ausübung der Kompetenzen, womit dieser Grundsatz auch und gerade eine Kompetenzausübungsschranke darstellt. Allerdings ist den Gemeinschaftsorganen hier ein denkbar weiter Gestaltungsspielraum einzuräumen, so dass eine Verletzung dieser (Rechts-) Prinzips nur in seltenen Ausnahmefällen vorstellbar ist.
111. Föderalismus und europäisches Umweltrecht ausgewählte Problemkreise Wenn die Gemeinschaft grundsätzlich zweistufig konzipiert ist8 , stellt sich aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht im Hinblick auf die Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben an sich (zunächst) nur die Frage, ob sie 4 I. Erg. ebenso etwa Ulrich Everling, Überlegungen zur Struktur der Europäischen Union und zum neuen Europa-Artikel des Grundgesetzes, DVBI. 1993, 936 (945); Georg Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986,549 (552). 5 Hierzu schon ausführlich Epiney, EuR 1994 (Fn. 2), 301 (306 ff.). 6 Vgl. EuGH, Rs. C-2/88, Slg. 1990, 1-3365, Ziff. 17 f. 7 I. Erg. ebenso etwa Hailbronner, JZ 1990 (Fn. 3), 149 (152 f.); Woljgang Kahl, Möglichkeiten und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 3b EG-Vertrag, AöR 1993,414 (431); lngolj Pemice, Europäische Union: Gefahr oder Chance für den Föderalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz?, DVBI. 1993,909 (916). 8 Oben H.
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beachtet werden oder nicht. Denn auf welche Weise die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts erfüllt werden, ist auf der Grundlage dieser Konzeption eben Sache der Mitgliedstaaten. Allerdings führt eine föderale Staatsstruktur dazu, dass in einigen Bereichen und bei gewissen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts eben spezifische Schwierigkeiten im Hinblick auf die vollständige und effektive Beachtung des Gemeinschaftsrechts auftreten (können). Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden die verschiedenen Einwirkungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts auf den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten bzw. Gliedstaaten aufgezeigt werden. Dies vermag dann auch Aufschluss über die Wege der Einflussnahme des europäischen Umweltrechts, die sich eben von den Einwirkungen nationalen Umweltrechts unterscheiden können, zu geben. Im Rahmen dieser "Aufschlüsselung" soll dann jeweils auf einige konkrete Beispiele eingegangen werden, die die dargelegten Anforderungen und Schwierigkeiten zu illustrieren vermögen. Unterschieden werden kann dabei - in Anknüpfung an verschiedene Kategorien gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben - ganz grundSätzlich zwischen den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Umsetzung (1.), an die Gesetzgebung im Sinne einer "Unterlassungspflicht" (2.) und denjenigen, die sich aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Vollzug ergeben (3.). Deutlich wird damit auch, dass es hier (natürlich) nicht um eine in irgendeiner Form vollständige Erfassung der Berührungspunkte zwischen Föderalismus bzw. Länderaufgaben und -kompetenzen und europäischem Umweltrecht gehen kann, sondern vielmehr auf der Grundlage der systematischen Erfassung der Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts in den Bundesländern einige besonders interessant erscheinende Problembereiche herausgegriffen werden sollen. Auch auf diese kann dann nur hingewiesen werden, besteht die Zielsetzung doch in einer Illustration und nicht einer (erschöpfenden) Erörterung der einzelnen Problembereiche. 1. Umsetzung (von Richtlinien)
Den Mitgliedstaaten obliegt auf der Grundlage von Art. 249, 10 EGV die Pflicht, Richtlinien rechtzeitig umzusetzen. Ausgehend von der dem Grundgesetz zu entnehmenden Kompetenzverteilung9 wird bei der Umsetzung von gemeinschaftlichen Richtlinien zwar häufig der Bundesgesetzgeber tä9 s. Art. 74 I Nr. 11, 17, 18,20,24, Art. 75 I Nr. 3,4 GG. Vgl. zu den Bundeskompetenzen im Bereich des Umweltschutzes jüngst etwa Hans-Werner Rengeling, Gesetzgebungskompetenzen für den integrierten Umweltschutz, 1999, 43 ff., m.w.N.
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tig. Gleichwohl ist es aber nicht ausgeschlossen, dass auch die Länder ggf. für Teilbereiche - zuständig sein können. In diesem Rahmen sind dann die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien zu beachten. Im Einzelnen können dem Gemeinschaftsrecht dabei zwei grundsätzliche Kategorien von Anforderungen 10 entnommen werden 11: Im Hinblick auf die Form der Umsetzung ist eine gewisse Rechtssicherheit zu garantieren, so dass jedenfalls eine ausdrückliche Umsetzung notwendig ist l2 und die Umsetzung grundsätzlich - d.h. jedenfalls, wenn es um die Formulierung von Rechten Einzelner geht - in einem Rechtsakt mit Außenwirkung zu erfolgen hat 13 . In Bezug auf die materiellen Anforderungen an die Umsetzung betont der EuGH zwar regelmäßig, dass eine wörtliche Übernahme nicht notwendig sei; im Ergebnis legt er aber recht strenge Maßstäbe an l4 . Wenn man auch über einzelne Urteile des Gerichtshofs durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann 15, vermag die Grundausrichtung der Rechtsprechung doch zu überzeugen: Denn im Hinblick auf eine einheitliche Auslegung und Anwendung sowie eine effektive Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und angesichts der teilweise erheblichen Unterschiede in den mitgliedstaatlichen Rechtstraditionen erscheint eine relativ strikte Auffassung der materiellen Vorgaben an die inhaltliche Ausgestaltung der Umsetzungs10 Vgl. hierzu schon m. w.N. Astrid Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 1997, 128 ff.; s. auch den Überblick m.w.N. Silke Albin, Die Vollzugskontrolle des europäischen Umweltrechts, 1999, 68 f. 11 Ausgehend von der Unbedingtheit der Frist. Hierzu mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechungspraxis Ingolf Pemice, Kriterien der normativen Umsetzung von Umweltrichtlinien der EG im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, EuR 1994, 325 (329 f.). 12 Eine Verwaltungspraxis allein - selbst wenn sie richtlinienkonfonn ist - reicht danach nicht aus. Vgl. EuGH, Rs. C59/89, Sig. 1991,1-2607. Auch ist die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie kein "Ersatz" für ihre Umsetzung, vgl. EuGH, Rs. 96/81, Sig. 1982, 1791. S. im Übrigen allgemein EuGH, Rs. C-96/95, Sig. 1997, 11653. 13 EuGH, Rs. C-361/88, Sig. 1991, 1-2567; EuGH, Rs. C-59/89, Sig. 1991, 12607. Ungeklärt ist jedoch, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen auch die Umsetzung von "Programmen" durch Rechtssatz zu geschehen hat. Vgl. zu diesem Problemkreis Kurt Faßbender, Gemeinschaftsrechtliche Anforderungen an die normative Umsetzung der neuen EG-Wasserrahmenrichtlinie, NVwZ 2001, 241 (244 ff.), unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Wasserrahmenrichtlinie. 14 Vgl. etwa EuGH, Rs. 131 188, Sig. 1991, 1-825; EuGH, Rs. C-273/90, Slg. 1992,1-59973; EuGH, Rs. C-30l/95, EuZW 1998, 763. 15 Vgl. die Zusammenfassung des Diskussionsstandes bei Epiney, Umweltrecht (Fn. 10), 128 ff., m.w.N.
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akte und damit eine starke Ausrichtung an Inhalt und Zielsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsakte ebenso sinnvoll wie notwendig l6 . Ein neueres Beispiel aus der Rechtsprechung des EuGH - das auch Gliedstaaten betreffen kann - betraf die Frage der sich aus Art. 7 RL 76/ 464 17 ergebenden Anforderungen. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten zur Verringerung der Gewässerverschmutzung durch bestimmte Stoffe Programme aufzustellen haben. Der EuGH I8 präzisierte in Bezug auf die inhaltliche Tragweite dieser Verpflichtung, dass diesen Programmen ein spezifischer Charakter zukommen müsse, so dass gerade die mit der Richtlinie angestrebten Zielsetzungen erreicht werden könnten. Insbesondere müssten diese Programme ein in sich stimmiges Gesamtkonzept darstellen, dem eine kohärente und gegliederte Planung für das gesamte (nationale) Hoheitsgebiet zu entnehmen ist, so dass auf diese Weise die Verringerung der Verschrnutzung durch die in der entsprechenden Liste der Richtlinie genannten Stoffe möglich ist. Vor diesem Hintergrund genügten allgemeine Sanierungsprogramme oder ein Komplex punktueller Maßnahmen den Anforderungen der Richtlinie nicht. Diese Anforderungen dürften entsprechend auf die in zahlreichen umweltrechtlichen Richtlinien enthaltene Verpflichtung zur Erstellung von "Plänen" zu übertragen sein. Der vom EuGH angelegte relativ strenge Maßstab entfaltet nicht nur Auswirkungen auf der "inhaltlichen Ebene" der Richtlinienumsetzung, sondern ist ggf. auch im Rahmen der Kompetenzverteilung im Bundesstaat zu berücksichtigen: Wenn nämlich nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung ggf. im Gefolge der Umsetzung - die Länder für die Erstellung solcher "Pläne" zuständig sind, haben sie sich auch mit den übrigen Ländern abzustimmen, dies jedenfalls dann, wenn es - was die Regel darstellen dürfte auch um die Entwicklung eines gewissen "stimmigen Gesamtkonzepts" für das gesamte Hoheitsgebiet oder über mehrere Länder umfassende Gebiete geht. Damit können dem Gemeinschaftsrecht implizit - vor dem Hintergrund gewisser Gegebenheiten im nationalen Recht - im Ergebnis auch Verpflichtungen zu einem "kooperativen Föderalismus" entnommen werden. Die verlangte "Gesamtplanung" dürfte nämlich nicht nur - im Gefolge einer entsprechenden Kompetenz - auf der Ebene des Zentralstaates, sondern 16 Vgl. etwa auch die in die gleiche Richtung gehenden Bemerkungen von Manfred Zuleeg, Umweltschutz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, NJW 1993,31 (35 f.); s. aber auch die Ausführungen von Rüdiger Breuer, Europäi-
sierung des Wasserrechts, NuR 2000, 541 (547 ff.), der die Rechtsprechung des EuGH offenbar eher als Bedrohung empfindet und ihr im Ergebnis vorwirft, relativ unsensibel für die mitgliedstaatlichen Eigenarten (zumindest die deutschen) zu sein. 17 Richtlinie 76/464 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft, ABI. 1976 L 129, 23.
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auch über eine geeignete Zusammenarbeit der Gliedstaaten erreicht werden können. Die Vorgaben des Gerichtshof beschränken sich aber darauf, im Ergebnis ein den skizzierten Anforderungen entsprechendes "Produkt" herzustellen; auf welche Weise dies geschieht, ist dann wiederum Sache der Mitgliedstaaten, so dass derartige Anforderungen nicht per se mit der föderalistischen Struktur in Konflikt geraten. 2. Unterlassungspflichten oder die allgemeine Pflicht zur Beachtung des Gemeinschaftsrechts
Verschiedene gemeinschaftsrechtliche Vorgaben verlangen vom mitgliedstaatlichen bzw. gliedstaatlichen Gesetzgeber (auch) das Unterlassen bestimmter gesetzgeberischer oder sonstiger Maßnahmen bzw. setzen den gesetzgeberischen Tätigkeiten der Mitgliedstaaten Grenzen. Negativ müssen nämlich die Mitgliedstaaten bzw. die Länder alles unterlassen, was in Widerspruch zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben steht. Dabei kommen hier die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze zur Geltung. Die konkret zur Anwendung kommenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben können aber ggf. die Kompetenzen der Länder einschränken. Ein Beispiel hierfür ist der Bereich der Abgaben: Soweit das Bundesrecht hier keine Vorgaben l9 enthält, sind die Länder hier relativ frei. Dies gilt auch für Umweltabgaben 2o . Dem Gemeinschaftsrecht - wobei sich die folgenden Bemerkungen auf die wichtigsten Aspekte des Primärrechts beschränken - sind aber einige Vorgaben 21 zu entnehmen 22 : Vgl. diesbezüglich etwa (zu Abfallabgaben) BVerfGE 98, 106. Wobei Umweltabgaben natürlich sehr unterschiedliche Fonnen annehmen können. Vgl. zu den verschiedenen Arten von Umweltabgaben etwa Ferdinand Kirchhof, Umweltabgaben - Die Regelungen in der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band I, 1998, § 38, Rdnr. 5 ff.; Martin Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, 1995, 12 ff.; s. auch die Systematisierung (vor dem Hintergrund der Rechtslage in Deutschland) bei Hans D. larass, Nichtsteuerliehe Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, 3 ff. Umfassend zur Problematik der Umweltabgaben, allerdings beschränkt auf das deutsche Recht, jüngst Ute Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, 2000. 21 Vgl. hierzu etwa Katja Seeger, Umweltabgaben im nationalen Alleingang EU-rechtliche Grenzen und Spielräume für nationale Umweltabgaben, in: Wolfgang Jakob/Oliver Zugmaier (Hrsg.), Rechtliche Probleme von Umweltabgaben, 1996, 165 ff.; speziell in Bezug auf Energiesteuern Ho/ger lenzen, Energiesteuern im nationalen und internationalen Recht. Eine verfassungs-, europa- und welthandelsrechtliche Untersuchung, 261 ff.; umfassend Wasmeier, Umweltabgaben (Fn. 20). 22 Das Verbot der Erhebung von Zöllen oder zollgleicher Abgaben (Art. 25 EGV) dürfte hier allenfalls in Ausnahmefällen relevant werden, erfolgt doch bei der Erhe19
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• Art. 90 EGV verbietet es den Mitgliedstaaten, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten höhere inländische Abgaben als auf die inländischen Waren zu erheben 23 • Art. 90 EGV stellt also auf das Vorliegen einer (formellen oder materiellen) Diskriminierung ab. Hinzuweisen ist dabei darauf, dass der Gerichtshof in einem jüngeren Urteil 24 klargestellt hat, dass eine abgestufte Besteuerung der Elektrizität je nach der Energiequelle grundsätzlich durch Art. 90 EGV nicht verwehrt sei, sofern ökologische Gründe hierfür ausschlaggebend seien, stelle doch der Umweltschutz ein wesentliches Ziel der Gemeinschaft dar25 . Schließen kann man daraus nur, dass offenbar materielle Diskriminierungen aus Erwägungen des Umweltschutzes gerechtfertigt werden können. • Aber auch die Grundfreiheiten - insbesondere Art. 28 EGV - können hier relevant werden, so wenn die jeweilige Abgabe als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung anzusehen ist. Aber auch hier sind Rechtfertigungen aus umweltpolitischen Gründen grundsätzlich möglich 26 . • Schließlich ist auch noch auf das Beihilferecht (Art. 87 ff. EGV) hinzuweisen 27 . Hinzuweisen ist jedenfalls auf den Umstand, dass durchaus auch auf Länderebene ergriffene Maßnahmen grundsätzlich grenzüberschreitende Wirkungen zu zeitigen vermögen, was für die Einschlägigkeit der genannten Normen vorausgesetzt wird.
bung von Umweltabgaben in der Regel keine Anknüpfung an den Grenzübertritt. Vgl. hierzu Peter Welzel, EU-rechtliche und abkommensrechtliche Fragen der Einführung einer Energiesteuer in Deutschland, in: Wolfgang Jakob/Oliver Zugmaier (Hrsg.), Rechtliche Probleme von Umweltabgaben, 1996, 189 (193 ff.). Speziell auch in Bezug auf die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Art. 25, 90 EGV Barbara Balke, Steuerliche Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten und freier Warenverkehr im Europäischen Binnenmarkt, 1998, 149 ff. 23 Vgl. zu dieser Bestimmung in unserem Zusammenhang Balke, Steuerliche Gestaltungsfreiheit (Fn. 22), 17 ff.; Anselrn Thorsten lobs, Steuern auf Energie als Element einer ökologischen Steuerreform, 1999, 252 ff. 24 EuGH, Rs. C-213/96 (Outokumpu Oy), Sig. 1998,1-1777. 25 Die in dem Urteil zur Debatte stehende finnische Regelung scheiterte jedoch daran, dass diese abgestufte Besteuerung nur in eingeschränkter Weise auf eingeführte Elektrizität angewandt wurde, was auch durch Praktikabilitätserwägungen nicht gerechtfertigt werden könne. 26 Vgl. m. w. N. nur Epiney, Umweltrecht (Fn. 10), 114 ff. 27 Hierzu in unserem Zusammenhang lenzen, Energiesteuern (Fn. 21), 298 ff.; lobs, Steuern auf Energie (Fn. 23), 284 ff.; s. auch Balke, Steuerliche Gestaltungsfreiheit (Fn. 22), 194 ff.
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3. Anforderungen an den Vollzug Der Vollzug von "Gemeinschaftsrecht" durch mitgliedstaatliche Stellen kann entweder bedeuten, dass (unmittelbar) gemeinschaftsrechtliche (im Primär- oder Sekundärrecht enthaltene) Bestimmungen angewandt werden, oder aber, dass Bundes- oder Landesrecht, das auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (z. B. Umsetzung von Richtlinien) beruht, vollzogen wird. Die Art und Weise des Vollzugs - unter Einschluss der Zuständigkeit und der Bestimmung des anwendbaren Verfahrens - bestimmt sich dabei grundsätzlich nach den einschlägigen Vorschriften der Mitgliedstaaten; insofern kommt ihnen eine institutionelle und verfahrensmäßige Autonomie zu. Allerdings haben sie die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Vorgaben zu beachten, so dass insofern ein gewisses Spannungsfeld zwischen der erwähnten "Autonomie" der Mitgliedstaaten und der effektiven Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen besteht28 . Solche gemeinschaftsrechtlichen Pflichten können sich entweder schon ganz allgemein aus der Pflicht der Mitgliedstaaten, für die effektive Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts Sorge zu tragen und das Diskriminierungsverbot zu beachten, ergeben 29 oder aber (auch) ausdrücklich in Sekundärrechtsakten enthalten sein. Ein wichtiges - und auch gerade im Bereich des Umweltrechts relevantes - Beispiel ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass geeignete Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet sind oder dass eine Verletzung der gemeinschaftlichen Pflichten mit wirksamen Sanktionen belegt ist. 28 Vgl. hierzu den Überblick bei Astrid Epiney, Grundlagen und Überblick, in: Hans-Wemer Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band I, 1998, § 30. 29 Insbesondere im Gefolge der Vorgaben des Art. 10 EGV sind die Mitgliedstaaten gehalten, alle Maßnahmen zu ergreifen, die sich zur effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts als notwendig erweisen. Vgl. aus der Rechtsprechung etwa EuGH, Rs. 205-215/82 (Deutsche Milchkontor), Sig. 1983,2633, Ziff. 22 f.; EuGH, Rs. 210/87 (Padovani), Sig. 1988,6177, Ziff. 22; EuGH, Rs. C-24/95 (Alcan), Sig. 1997,1-1591, Ziff. 24; EuGH, Rs. C-231/96, Sig. 1998, 1-4951, Ziff. 19. Aus der Literatur sehr instruktiv unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung Stefan Kadelbach, Gemeinschaftsrecht und (vorläufiger) verwaltungsrechtlicher Rechtsschutz, KritV 2000, 378 (381 ff.); Juliane Kokott, Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, Verw 1998, 335 (340 ff.); s. auch Armin Hatje, Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung. Grundlagen, Erscheinungsfonnen, verfassungsrechtliche Grenzen am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, 1998, 57 ff.; Wolfgang Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht. Fonnen und Grenzen eines effektiven Gemeinschaftsrechtsvollzugs und Überlegungen zu seiner Effektuierung, 1997, 79 ff.; Joachim Suerbaum, Die Europäisierung des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts am Beispiel der Rückabwicklung gemeinschaftsrechtswidriger staatlicher Beihilfen, VerwArch 2000, 169 (\71 ff.).
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So findet sich etwa in der neuen Wasserrahmenrichtlinie30 ein Art. 23: "Die Mitgliedstaaten legen Sanktionen für Verstöße gegen die zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Bestimmungen fest. Die Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein." Soweit die in Frage stehenden nationalen (Umsetzungs-) Bestimmungen im Landesrecht enthalten sind, sind hier natürlich auch die Länder gefragt. Auch ansonsten kann diese Kategorie gemeinschaftlicher Pflichten Bereiche berühren, die innerstaatlich in der Kompetenz der Länder liegen, so dass diese hier direkt gefordert sind. Angesichts des Umstandes, dass sich hier jedoch wenige spezifische Probleme im Zusammenhang mit den europarechtlichen Herausforderungen für den Föderalismus stellen dürften, soll im Folgenden aber auf diesen Aspekt nicht weiter eingegangen werden. Im Einzelnen sind hier - nach dem Hinweis auf den Grundsatz der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen (a) - im Zusammenhang mit dem hier zu erörternden Thema in erster Linie drei "Kategorien" strukturell zu unterscheidender Anforderungen zu erwähnen: Auslegungsgrundsätze (b), Vorgaben in Bezug auf den Ablauf des Verfahrens (c) und ,in Bezug auf die Behördenorganisation (d). Für die hier zentrale Frage der europarechtlichen Herausforderungen des Föderalismus ist auch und gerade die inhaltliche Reichweite der ggf. zu beachtenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben relevant, so dass bei der Erörterung der erwähnten Kategorien im Folgenden der Akzent weniger auf die Darstellung der grundlegenden Mechanismen dieser Einwirkungen gelegt wird; vielmehr sollen diese in erster Linie jeweils an Hand ausgewählter, für die Länder bedeutender gemeinschaftlicher Regelungen illustriert werden. a) Zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien
Die Mitgliedstaaten haben - soweit dies nicht schon durch Spezialbestimmungen geregelt ist - auf der Grundlage von Art. 10 EGV alle Maßnahmen zu ergreifen, die zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts aus organisatorischer, verfahrensmäßiger und prozessrechtlicher Sicht notwendig sind3 '. Diese Verpflichtung impliziert eben auch, dass die effektive Anwendung und der effektive Vollzug gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben in diskriminierungsfreier Weise gewährleistet sein muss. Daher haben die zuständigen Behörden in ihrem Kompetenzbereich (ebenfalls) die gemeinschaftsrechtlichen 30 RL 2000/60 vom 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABI. 2000 L 327, 1. 31 Vgl. Eckart Klein. Der Einfluss des europäischen Gemeinschaftsrechts auf das Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten. Der Staat 1994, 39 (40 f.).
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Bestimmungen heranzuziehen. Die Implikationen dieser Verpflichtung für die Länder können kaum unterschätzt werden, sind sie doch nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung in der Regel für den Vollzug der Gesetze zuständig. Aufgezeigt werden können die Konsequenzen dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben etwa am Beispiel der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts: Gemeinschaftsrechtliche Regelungen können unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbare Wirkungen entfalten 32 , was dann auch und gerade impliziert, dass die zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden ggf. nationales Recht außer Anwendung lassen müssen, sofern es eben dem unmittelbar wirksamen Gemeinschaftsrecht widerspricht. Besondere Bedeutung kommt dabei in unserem Zusammenhang der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien bzw. (genauer) Richtlinienbestimmungen zu. Diese ist immer dann anzunehmen, wenn die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht oder mangelhaft umgesetzt hat und die jeweilige Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend gen au ise 3. Ein individuelles Recht Einzelner dürfte jedoch nicht vorausgesetzt sein, so dass mitgliedstaatlichen Behörden im Gefolge der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen objektive Pflichten obliegen (können)34. Diese - hier nicht näher zu vertiefenden Grundsätze - stellen die Länder vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen: Denn in der Regel werden sie es sein, die sich der Frage stellen müssen, ob bei einer bestimmten Behördenentscheidung eben (auch) die nicht oder (nur) mangelhaft umgesetzte Richtlinie heranzuziehen ist. Erschwert wird diese Aufgabe dadurch, dass Behörden (im Gegensatz zu Gerichten) keine Möglichkeit haben, dem EuGH sich allenfalls stellende Auslegungsfragen vorzulegen. Vielmehr müssen sie in jedem Einzelfall die ggf. anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften heranziehen, entscheiden, ob die erwähnten Voraussetzungen gegeben sind und das einschlägige Gemeinschaftsrecht dann ggf. anwenden. Dass damit auch große fachliche Anforderungen an die Behörden herangetragen werden, sei hier nur am Rande erwähne5 . 32 Vgl. hierzu aus der Rechtsprechung EuGH, Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Sig. 1963, I ff.; EuGH, Rs. C-43l/92 (KommissionIDeutschland), Sig. 1995, 12189; aus der Literatur Winfried Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung. Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der EG-Richtlinie, 1994, 14 ff. 33 Vgl. zu diesen Voraussetzungen mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur Matthias Ruffert, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 1999, Art. 249, Rdnr. 69 ff. 34 Vgl. im Einzelnen mit Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung Astrid Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien - zur Entscheidung des EuGH vom 11.8.1995 - Rs. C-431/92 - Großkrotzenburg, DVBI. 1996,409 ff.
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Die konkreten Folgen dieser ~ im Übrigen m. E. trotz aller Schwierigkeiten zwingenden gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen - wurden am Beispiel der UVP-Richtlinie36 deutlich: Art. 2, 3, 8 dieser Richtlinie verpflichtet zur Prüfung der Auswirkungen bestimmter Projekte auf die Umwelt, bevor diese genehmigt werden, und zur Einbeziehung der Resultate dieser Prüfung in die Genehmigungsentscheidung. Der EuGH kam hier - im Gefolge der verspäteten Umsetzung in Deutschland - zu dem Schluss, diese Bestimmungen seien hinreichend präzise und im Übrigen unbedingt, so dass diese Vorgaben bei der Genehmigung der einer UVP zu unterwerfenden Anlage beachtet werden müssten 37 . b) Auslegungsgrundsätze, unter besonderer Berücksichtigung der richtlinienkonformen Auslegung
Nationales Recht ist im Zweifel so auszulegen, dass es mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen in Einklang steht. Diesem Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung - der als solcher, trotz gewisser unterschiedlicher Ansätze in Bezug auf die Voraussetzungen, in Rechtsprechung und Praxis anerkannt ist - kommt in unserem Zusammenhang insbesondere in der Form der richtlinienkonformen Auslegung eine zentrale Bedeutung ZU38. Er impliziert insbesondere auch, dass die rechtsanwendenden Behörden die Bedeutung des Gemeinschaftsrechts kennen und im Anschluss daran dieser im Rahmen der Anwendung und Auslegung des entsprechenden nationalen Rechts Rechnung tragen. Deutlich wird damit auch, dass sich die konkreten Auswirkungen dieses Grundsatzes erst im Zusammenhang mit der Erfassung der inhaltlichen Tragweite der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zeigen. Illustriert werden kann dies zunächst am Beispiel der rechtlichen Tragweite des Art. 4 I RL 92/43 39 : Diese Bestimmung verpflichtet die Mitgliedstaaten, an Hand der in Anhang III aufgestellten Kriterien und einschlägi35 Ausführlich hierzu und den damit einhergehenden Schwierigkeiten Christian Engelsberger, Der Vollzug europarechtlicher Vorschriften auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Rechtliche Vorgaben und Verwaltungspraxis anhand einer empirischen Umfrage bei Behörden und Umweltschutzverbänden in Deutschland, 1998. 36 RL 85/337 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben, ABI. 1985 L 175,40. 37 EuGH, Rs. C-43 1/92 (KommissionIDeutschland), Slg. 1995,1-2189. 38 Zur gemeinschaftsrechts- und richtlinienkonformen Auslegung aus der Rechtsprechung etwa EuGH, Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891; EuGH, Rs. 31/87, Slg. 1988, 4635; aus der Literatur etwa Hans D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991,211 ff.; Eckart Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, FS Ulrich Everling, 641 (6460. 39 Sog. "Habitatrichtlinie", ABI. 1992 L 206, 7.
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gen wissenschaftlichen Infonnationen eine Liste von Gebieten festzulegen, in denen die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs 11 vorkommen, und diese Liste der Kommission zuzuleiten. Der EuGH40 hielt hier unter Berufung auf das Ziel der Richtlinie, ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete ("Natura 2000") zu errichten, fest, dass die Mitgliedstaaten bei der Bezeichnung der fraglichen Gebiete allein die in Anhang III genannten Kriterien - die ausschließlich auf das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen Bezug nehmen heranziehen dürften, unter Ausschluss sonstiger Erwägungen, wie insbesondere Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie regionaler Besonderheiten41 . Die Implikationen dieses Ansatzes gehen relativ weit: Letztlich wird es den Mitgliedstaaten und damit auch den hier häufig zuständigen Gliedstaaten im Ergebnis verwehrt, bei der Festlegung der fraglichen Gebiete andere als ökologische Gesichtspunkte geltend zu machen, und im Ergebnis haben sie damit alle "ökologisch wertvollen" Gebiete zu übennitteln, um der Kommission dann eine entsprechende Auswahl zu ermöglichen. Auch wenn diese dann zur Beachtung gewisser mitgliedstaatlicher Besonderheiten verpflichtet ist, ist hier doch immer noch eine Abwägung mit ökologischen Anliegen vorzunehmen. Gleichwohl erscheint der Ansatz im Hinblick auf die Zielsetzung der Richtlinie durchaus zwingend; dem EuGH ist wohl zuzustimmen, dass ansonsten deren Verwirklichung ernsthaft gefährdert wäre. Neue Herausforderungen werden auf die Länder (und wohl auch den Bund) im Gefolge der Umsetzung der jüngst verabschiedeten Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)42 zukommen43 . Dies soll im Folgenden zum Anlass genommen werden, etwas ausführlicher auf dieses Regelungswerk einzugehen. 40 EuGH, Rs. C-371/98 (The Queen/Secretary of the State for the Environment, ex parte: First Corporate Shipping), Urteil vom 7.11.2000, noch nicht in der amtlichen Sammlung. 41 V gl. zum Problemkreis im Vorfeld der Entscheidung des EuGH etwa Thorsten Koch, Europäisches Habitatschutzrecht und Rechte von Planungs- sowie Vorhabenträgem, 2000, 68 ff., m. w. N. 42 RL 2000/60 vom 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABI. 2000 L 327, I. 43 Vgl. zur WRRL bzw. schon den diesbezüglichen Vorschlägen Udo Bosenius, Der Entwurf einer EG-Wasserrahmenrichtlinie - die Sicht der Beratungen auf europäischer Ebene, NVwZ 1998, 1039 ff.; Wolfgang Seidel, Die geplante Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft, UPR 1998, 430 ff.; Faßbender, NVwZ 2001 (Fn. 13), 241 ff.; David Grimeaud, Reforming EU Water Law: Towards Sustainability?, EELR 2001, 41 ff., 88 ff.; Breuer, NuR 2000 (Fn. 16), 541 ff.; Wolfgang Seidel, Gewässerschutz durch europäisches Gemeinschaftsrecht. Grundlagen, Regelungsdefizite und Reformperspektiven, 2000, 1159 ff.; s. auch Michael Reinhardt, Wasserrechtliche Richtlinientransformation zwischen Gewässer-
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Bemerkenswert ist zunächst der übergreifende Ansatz der Richtlinie: Nach Art. 1 WRRL soll sie einen Ordnungsrahmen für den Schutz der gesamten Gewässer schaffen, und dies im Hinblick auf die Verwirklichung einer ganzen Reihe von Zielsetzungen, die dahingehend zusammengefasst werden können, dass die Ressource Wasser - inklusive der entsprechenden Ökosysteme - erhalten bwz. ihr Zustand verbessert werden soll. Die Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten lassen sich in folgende Kategorien einteilen: Zunächst haben die Mitgliedstaaten sog. Einzugsgebiete44 festzulegen und sie einer (grundsätzlich) größeren Einheit, der Flussgebietseinheit, zuzuordnen (Art. 3 I WRRL). Diese Flussgebietseinheiten bilden dann den Bezugspunkt für eine Reihe weiterer Pflichten (so die Überprüfung der Umweltauswirkungen, Art. 5, die Ausweisung von Schutzgebieten, Art. 6, die Bezeichnung der Trinkwasserquellen, Art. 7). Art. 4 I WRRL verpflichtet die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Qualität und Erhaltung der Gewässer sichergestellt werden kann. Dabei sind die Verpflichtungen für die einzelnen Gewässerarten leicht abweichend fonnuliert; jedoch fällt auf, dass die Fonnulierungen durchweg sehr allgemein ausfallen45 . Immerhin sind Anhang V hier einige Präzisionen zu entnehmen: allerdings werden auch hier die Kriterien für einen "guten" Wasserzustand eher in allgemeiner Fonn umschrieben. Zentral sind nach der Konzeption der Richtlinie sodann die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Aufstellung von Programmen: Art. 8 erwähnt Programme zur Überwachung des Zustands der Gewässer. Art. II ist die Verpflichtung zu entnehmen, zur Verwirklichung der in Art. 4 WRRL aufgeführten Ziele sog. Maßnahmenprogramme aufzustellen. Diese Maßnahmenprogramme müssen einen gewissen Mindestinhalt aufweisen, der in Art. 11 III WRRL umschrieben wird, wobei die Fonnulierungen aber auch hier relativ allgemein gehalten sind. Art. 13 verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Erstellung von Bewirtschaftungsplänen für die Flussgebietseinheiten bzw. die Einzugsgebiete. schutzrichtlinie und Wasserrahmenrichtlinie, DVBI. 2001, 145 ff., der speziell auf einige Umsetzungsprobleme eingeht. 44 s. allgemein zu den Begriffsdefinitionen Art. 2 WRRL. 45 So haben die Mitgliedstaaten die "notwendigen Maßnahmen" durchzuführen, "um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern", oder die Mitgliedstaaten "schützen, verbessern und sanieren" alle Oberflächenwasserkörper oder die Mitgliedstaaten ergreifen "alle erforderlichen Maßnahmen (... ), um die Einleitung von Schadstoffen in das Grundwasser zu verhindern oder zu begrenzen und eine Verschlechterung des Zustands aller Grundwasserkörper zu verhindern".
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Zusammengefasst sind der Richtlinie relativ weit gehende Verpflichtungen zur Erstellung verschiedener Pläne zu entnehmen; die Zielsetzungen, deren Verwirklichung diese Pläne dienen sollen, werden allerdings nur in relativ allgemeinen Formulierungen festgeschrieben. Präzise normative Qualitätsziele oder Emissionsgrenzwerte fehlen. Immerhin soll hier der Gemeinschaftsgesetzgeber nach Art. 16 f. WRRL ggf. tätig werden, und Anhang VI verweist auf die zu beachtenden Richtlinien, die teilweise präzise Qualitätsziele enthalten. Hinzuweisen ist aber auch auf Art. 11 11 WRRL, der - offensichtlich in gewisser Anlehnung an die IVU-Richtlinie - vorsieht, dass die Mitgliedstaaten "auf der Grundlage" der besten verfügbaren Technik46 bzw. gemäß den Vorgaben einer Reihe von Richtlinien (die teilweise auch Emissionsgrenzwerte enthalten) Emissionsbegrenzungen durchzuführen haben. Diese Verpflichtungen bleiben jedoch - soweit sie über das bestehende Recht hinausgehen - ebenfalls noch recht vage und sind letztlich abhängig von dem Erlass entsprechender mitgliedstaatlicher emissionsbegrenzender Maßnahmen. Insofern dürfte es durchaus zutreffend sein, dass die Wasserrahmenrichtlinie eine Tendenz hin zu einer Aufgabe oder doch zumindest Reduzierung der Festlegung von normati v fassbaren Emissionsbegrenzungen auf Gemeinschaftsebene bedeutet47 • Verstärkt wird dagegen auf die (in der Regel auch durch die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Vorgaben der Richtlinie erfolgende) Definition bzw. Erstellung von Umweltqualitätszielen, Maßnahmenprogrammen, Bewirtschaftungsplänen und Erfolgskontrollen abgestellt. Ob diese Strategie wirklich zum Erfolg führt, vermag immerhin bezweifelt werden: Jedenfalls nach den bisherigen Erfahrungen sind die Mitgliedstaaten weder in der Aufstellung noch der Realisierung von Plänen besonders einsatzfreudig. Im Hinblick auf das hier angesprochene Problem der richtlinienkonformen Auslegung dürften hier gewisse Schwierigkeiten insofern vorprogrammiert sein, als sich der genaue Bedeutungsgehalt der Richtlinie angesichts der in normativer Hinsicht nur eher schwer fassbaren Bestimmungen nicht auf den ersten Blick erschließt. Dies beginnt schon bei den Zielsetzungen, die u. a. auf den alles andere als klaren Begriff der "nachhaltigen" Wassernutzung hinweisen, und setzt sich dann in den schon erwähnten Schutzpflichten der Mitgliedstaaten bezüglich der verschiedenen Kategorien von Gewässern fort. 46 Dieser Begriff wird in Art. 2 WRRL allerdings nicht definiert; der Hinweis in Art. 11 11 WRRL u.a. auf die RL 96/61 (IVU-Richtlinie) legt aber nahe, dass er wie in diesem Rechtsakt auszulegen ist. Art. 2 Ziff. 11 RL 96/61 stellt sowohl auf den Entwicklungsstand der Technik als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ab, die branchen spezifisch zu verstehen ist. 47 Immerhin verfolgte die RL 76/464 zumindest im Grundsatz eine Politik der Emissionsbegrenzung, bei allen Unzulänglichkeiten in Bezug auf die Folgegesetzgebung, die vielleicht auch mit der jedenfalls noch lange Zeit erforderlichen Einstimmigkeit der Entscheidungsfindung zusammenhing.
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Weiterhin kann auf die wohl mit der geplanten Umsetzung der IVURichtlinie durch ein Artikelgesetz einhergehenden Schwierigkeiten hingewiesen werden: Vorgesehen ist danach 48 , das derzeit geltende medial strukturierte Fachrecht (zunächst) unangestastet zu lassen und die Richtlinie durch Modifikationen der entsprechenden Fachgesetze (BlmSchG, WHG und KrW-/AbfG) umzusetzen, wobei dem integrativen Ansatz der IVURichtlinie durch einheitliche integrative Vorgaben für die Festlegung von Grenzwerten im untergesetzlichen Regelwerk und für die Bestimmung des Standes der Technik Rechnung getragen werden soll. Es führte hier nun zu weit, auf die Einzelheiten dieses Gesetzesentwurfs einzugehen 49 ; jedenfalls aber dürften sich im Gefolge der konkreten Anwendung dieser Grundsätze diverse Probleme der richtlinienkonformen Auslegung stellen, dies auch und gerade vor dem Hintergrund, dass diese Art und Weise der Umsetzung wohl nicht dem "Idealbild" des Gemeinschaftsgesetzgebers entsprechen dürfte. Aber auch Einzelprobleme dürften sich stellen; so sind etwa bei der Erteilung der Genehmigung bzw. der Anwendung der entsprechenden Voraussetzungen die Vorgaben der Richtlinie zu beachten, so dass auf diesem Weg den durch die Richtlinie vorgegebenen Spielräumen - etwa über unbestimmte Rechtsbegriffe - Rechnung getragen werden kann bzw. muss 50 • c) Vorgaben hinsichtlich des Verfahrensablaufs
bzw. des Verwaltungsvollzugs
Grundsätzlich sind die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung des im Rahmen des Vollzugs von Gemeinschaftsrecht oder auf Gemeinschaftsrecht beruhendem nationalem Recht anwendbaren Verfahrens frei, dies unbeschadet der schon in anderem Zusammenhang erwähnten Anforderungen der effektiven Anwendung des Gemeinschaftsrechts und des Diskriminierungsverbots. Zahlreiche Richtlinien enthalten aber darüber hinaus (auch) Vorgaben für das mitgliedstaatliche Verwaltungsverfahren. Häufig geht es hierbei um Öffentlichkeitsbeteiligung. Vgl. www.bmu.de/Sachthemen/gesetz. besucht am 16.2.2001. Vgl. noch im Vorfeld dieses konkreten Entwurfs zum Anpassungsbedarf des deutschen Rechts auf dem Weg eines "Artikelgesetzes" Rainer Wahl, Materiell-integrative Anforderungen an die Vorhabenzulassung - Anwendung und Umsetzung der IVU-Richtlinie, NVwZ 2000, 502 ff.; Andreas Wasielewski, Stand der Umsetzung der UVP-Änderungs- und der IVU-Richtlinie, NVwZ 2000, 14 ff.; Matthias Schmidt-Preuß, Integrative Anforderungen an das Verfahren der Vorhabenzulassung - Anwendung und Umsetzung der IVU-Richtlinie, NVwZ 2000, 252 ff. 50 Vgl. hierzu Astrid Epiney, Integrierter Umweltschutz im Anlagengenehmigungsrecht - Die Anforderungen der IVU-Richtlinie, in: Hans-Joachim Koch (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, 1998, 9 ff., insbesondere 22 f.; umfassend zur Thematik jüngst Frank Schreiber, Das Regelungsmodell der Genehmigung im integrierten Umweltschutz, 2000. 48
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So haben die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 2 RL 85/337 (UVP-Richtlinie )51 dafür Sorge zu tragen, daß der "Öffentlichkeit" die Genehmigungsanträge zugänglich gemacht werden und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme vor Erteilung der Genehmigung gegeben wird. Art. 15 Abs. I RL 96/61 (IVU-Richtlinie)52 spricht davon, ,,( ... ) dass Anträge auf Genehmigung neuer Anlagen oder wesentlicher Änderungen der Öffentlichkeit während eines angemessenen Zeitraumes zugänglich gemacht werden, damit sie dazu Stellung nehmen kann, bevor die zuständige Behörde ihre Entscheidung trifft". Nach Art. 13 Abs. 5 RL 96/8253 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die "Öffentlichkeit" bei der Planung der Ansiedlung neuer Betriebe, der Änderung bestehender Betriebe und bei Erschließungsmaßnahmen in der Umgebung bestehender Betriebe Stellung nehmen kann. Art. 14 I WRRL sieht vor, dass die Mitgliedstaaten für jede Flussgebietseinheit bestimmte Angaben zu veröffentlichen haben und der Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Solche Vorgaben können immer dann in einem bundesstaatlichen System zu Problemen führen, wenn verschiedene Länder zuständig sind, wie dies für die Flussgebietseinheiten etwa im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie der Fall sein dürfte 54 , so dass z. B. Zuständigkeitsprobleme in Bezug auf die Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung auftreten können, die dann in geeigneter Weise zu regeln sind. Immerhin sei aber darauf hingewiesen, dass diese Arten der Beteiligung häufig auch schon auf Bundesebene gesetzlich geregelt werden (können). Teilweise enthalten die Umweltrichtlinien der Gemeinschaft aber auch sonstige Vorgaben, die den Verwaltungsvollzug berühren. Als Beispiel kann wiederum auf die Wasserrahmenrichtlinie hingewiesen werden: Im Hinblick auf die Umsetzung in einem föderalistisch organisierten Mitgliedstaat dürften gerade die zahlreichen in der Richtlinie enthaltenen vollzugsrelevanten Bestimmungen gewisse Probleme verursachen55 . Hingewiesen sei etwa auf die Verpflichtung zur Bestimmung sog. Einzugsgebiete (Art. 3 WRRL) , die als Maßnahme des Verwaltungsvollzugs wohl in die Kompetenz der Länder fallen dürfte und insbesondere dann zu Schwierigkeiten führen dürfte, wenn ein Einzugsgebiet verschiedene Bundesländer umfasst56 . ABI. 1985 L 175,40; s. auch die Änderungsrichtlinie 97/11, ABI. 1997 L 73,5. ABI. 1996 L 257, 26. 53 ABI. 1997 L 10, 13. Diese Richtlinie löste die "alte" Seveso-Richtlinie aus dem Jahr 1982 ab. 54 Vgl. hierzu noch sogleich unten III.3.d). 55 Teilweise wird gar die Rechtmäßigkeit der WRRL aus diesem Grund bezweifelt, vgl. Reinhardt, DVBI. 2001 (Fn. 43), 145 (151 ff.). 51
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d) Vorgaben hinsichtlich der Behördenorganisation Auch bei der Bestimmung der für den Vollzug zuständigen Behörden sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, wobei aber auch hier insbesondere sekundärrechtliche Schranken zu beachten sein können, die dann auch zu Schwierigkeiten beim Vollzug auf Länderebene führen können. Anlass zu Diskussionen hat hier die schon mehrfach erwähnte Wasserrahmenrichtlinie gegeben. Ihr wird teilweise57 vorgeworfen, sie sei von vornherein mit der föderalistischen Kompetenzverteilung in der Bundesrepublik, insbesondere im Hinblick auf den Vollzug der einschlägigen Vorschriften, unvereinbar, da sie im Ergebnis eine Art einheitliche Administrativkompetenz für die Flussgebietseinheiten voraussetze, die letztlich das "prozedurale Kernstück des Flussgebietsmanagements,,58 darstelle. Daraus wird dann gefolgert, die Richtlinie impliziere in der Bundesrepublik (zwingend) die Einrichtung "landesgrenzenüberschreitender Verwaltungseinheiten (Flussgebietseinheiten)"; dies führte letztlich dazu, dass die "Behörden der Wasserwirtschaftsverwaltung aus der staatlichen Hoheit der Länder herausgebrochen werden", womit sie ihre "demokratische und rechtsstaatliche Einbindung in die Staatsverfassung" verlören 59 . Es dürfte jedoch gewissen Zweifeln unterliegen, ob die Richtlinie in der nun verabschiedeten Form tatsächlich solch schwerwiegende Eingriffe in föderalistische Struktur impliziert. Denn Art. 3 11 WRRL verpflichtet die Mitgliedstaaten (nur) dazu, für "geeignete Verwaltungsvereinbarungen" zu sorgen, die auch die "Bestimmung der geeigneten zuständigen Behörde" beinhalten muss. Dabei kann es sich um eine oder mehrere zuständige Behörden handeln (Art. 2 Ziff. 16 WRRL), und offenbar kann auch auf bereits bestehende Behörden "zurückgegriffen" werden. Rein formell verlangt die Richtlinie damit weder, dass neue Behörden für die Flussgebietseinheiten geschaffen werden 60 noch dass es wirklich (nur) eine "allein verantwortliche Flussgebietsbehörde,,61 gibt. Etwas anderes könnte sich aber (quasi de facto) aus den von diesen Behörden wahrzunehmenden Aufgaben bzw. ihren Funktionen ergeben: Nach Art. 3 11 WRRL muss es sich um eine "geeignete" Behörde handeln, wobei diese "Geeignetheit" (selbstverständlich) Vgl. in Bezug auf die Behördenorganisation noch unten III.3.d). Vgl. insbesondere Breuer, NuR 2000 (Fn. 16), 541 (545 f.); in die gleiche Richtung Reinhardt, DVBI. 2001 (Fn.43), 145 ff. (insbesondere 153). 58 So Reinhardt, DVBI. 2001 (Fn.43), 145 (153). 59 s. Breuer, NuR 2000 (Fn. 16), 541 (546). 60 Dies im Gegensatz zu dem ursprünglichen Entwurf, vgl. hierzu m. w. N. Breuer, NuR 2000 (Fn. 16),541 (545). 61 So Rüdiger Breuer, Der Entwurf einer EG-Wasserrahmenrichtlinie. Die Sicht des Staatsorganisationsrechts, NVwZ 1998, 1001 (1009). 56 57
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nach den Vorgaben der Richtlinie bestimmt werden muss, so dass etwa bestimmte Landesbehörden nicht automatisch aufgrund der bundesstaatlichen Kompetenzordnung schon in dieser Eigenschaft als "geeignet" im Sinne der Richtlinie anzusehen sind. Der Richtlinie nun ist zu entnehmen dass die "Behördenbenennung" sicherstellen soll, dass die WRRL "innerhalb jeder Flussgebietseinheit" in den Mitgliedstaaten angewandt werden kann. Die Flussgebietseinheiten62 wiederum stellen die Hauptbezugspunkte zahlreicher Verpflichtungen der Richtlinie dar: Überprüfung der Eigenschaften bzw. des Zustandes der Flussgebietseinheiten (Art. 5 WRRL), Aufstellung eines Verzeichnisses von Schutzgebieten (Art. 6 WRRL), Ermittlung der für die Entnahme von Trinkwasser vorgesehenen Gewässer (Art. 7 WRRL), Überwachung des Zustands der Gewässer (Art. 8 WRRL), Aufstellung von Maßnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplänen (Art. 11, 13 WRRL). Diese Verpflichtungen implizieren alle letztlich planerische Maßnahmen und Festlegungen. Da nun die Flussgebietseinheiten aus einem oder mehreren Einzugsgebieten bestehen, die ihrerseits ausschließlich nach geographischen Gesichtspunkten zu ermitteln sind63 , setzt die Richtlinie voraus, dass Flussgebietseinheiten das Gebiet mehrerer Länder umfassen können bzw. müssen. Die entscheidende Frage geht also in unserem Zusammenhang dahin, ob die nach der Richtlinie für die Flussgebietseinheiten vorzunehmenden Planungen und zu treffenden Maßnahmen notwendigerweise von einer einzigen Verwaltungseinheit getroffen werden müssen. Dies aber ist zu bezweifeln: Es ist nicht ersichtlich, warum hier nicht über eine Koordination der Länderbehörden untereinander, was wohl den Abschluss entsprechender öffentlich-rechtlicher Verträge implizierte, vorgegangen werden könnte. Der WRRL sind nämlich gerade keine formalen Vorgaben für die Behördenstruktur zu entnehmen, sondern verlangt wird (im Ergebnis) Koordination der behördlichen Tätigkeiten in materieller Hinsicht. Weiterhin müssen die von den Mitgliedstaaten aufzustellenden Pläne zwar - auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH 64 - eine gewisse Kohärenz aufweisen; diese kann aber durchaus auch dann geWährleistet sein, wenn verschiedene Behörden zuständig sind65 . Im Übrigen impliziert Art. 3 II WRRL wohl nicht, dass in derselben "Verwaltungsvereinbarung" (so die Terminologie der Richtlinie) die Verfah62 Vgl. auch die Definition in Art. 2 Ziff. 15 WRRL: "ein gemäß Artikel 3 Absatz I als Haupteinheit für die Bewirtschaftung von Einzugsgebieten festgelegtes Land- oder Meeresgebiet, das aus einem oder mehreren benachbarten Einzugsgebieten und den ihnen zugeordneten Grundwässern und Küstengewässern besteht". 63 Vgl. Art. 2 Ziff. 13: "Einzugsgebiet: ein Gebiet aus welchem über Ströme, Flüsse und möglicherweise Seen der gesamte Oberflächenabfluss an einer einzigen Flussmündung, einem Ästuar oder Delta ins Meer gelangt". 64 s. o. III.I. 65 A.A. offenbar Breuer, NuR 2000 (Fn. 16),541 (547).
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ren und die zuständigen Behörden festzulegen sind66 ; diese Bestimmung ist vielmehr - worauf auch der Plural "Verwaltungsvereinbarungen" hindeutet - so zu verstehen, dass im Ergebnis eben durch die nach mitgliedstaatlichem Recht heranzuziehenden rechtlichen Instrumente sichergestellt werden muss, dass sowohl die Verwaltungsverfahren in geeigneter Weise geregelt als auch die Behörden bezeichnet werden. Dabei kann es sich aber um jeweils rechtlich verschiedene Instrumente handeln. Zusammengefasst dürfte also die Aussage, dass eine föderalistisch strukturierte Vollzugsverantwortung von vornherein mit den Vorgaben der Richtlinie nicht in Einklang stehen soll, in dieser Form nicht zutreffen. Nicht zu verkennen ist aber, dass die angesprochenen Aspekte der Wasserrahmenrichtlinie auf der Ebene von Umsetzung und Vollzug einige Schwierigkeiten aufwerfen werden: Denn dass die Länder hier geeignete Kooperationsformen vorsehen müssen, um die Flussgebietseinheiten entsprechend den Vorgaben der Richtlinie zu "managen", ist durch die Richtlinie zwingend vorgegeben. Aus rechtlicher Sicht sollten hier aber durchaus - wohlgemerkt im Rahmen der geltenden föderalistischen Ordnung des Grundgesetzes Wege gefunden werden können, um diesen Anforderungen der Richtlinie zu genügen, insbesondere auf dem Weg des Abschlusses entsprechender Abkommen zwischen den Ländern67 . Inhaltlich müssten diese Abkommen dann im Ergebnis die von der Richtlinie geforderte Koordination - insbesondere im Hinblick auf das "Management" der Flussgebietseinheiten - sicherstellen. Vorstellbar sind hier verschiedene Modelle, etwa die Federführung einer Landesbehörde für eine Flussgebietseinheit oder ein in jeder Beziehung gleichberechtigtes Zusammenwirken der zuständigen Behörden der betroffenen Länder. Aber auch die Bildung länderübergreifender Gremien sollte nicht von vornherein verworfen werden 68 , sind solche Einrichtungen doch nicht per se unvereinbar mit einer föderalistischen Organisation. Im Übrigen sei betont, dass es hier nur um eine rechtliche Stellungnahme, nicht hingegen eine politische Bewertung der durch die Richtlinie getroffenen Lösung geht.
So aber offenbar Reinhardt, DVBI. 2001 (Fn.43), 145 (153). Hierzu Walter Rudolf. Kooperation im Bundesstaat, HStR IV, § 105, Rdnr. 49 ff.; zu den Möglichkeiten und Perspektiven der Koordination der Kantone in der Schweiz Martin Lendi, Kosten der Bundesstaatlichkeit - am Beispiel des Anlagerechts, UPR 2000, 410 ff. Die Problematik in der Bundesrepublik dürfte sich hier nicht grundlegend unterscheiden. 68 In diese Richtung offenbar Seidel, Gewässerschutz (Fn. 43), 193 f. 66 67
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IV. Pflicht zur Einführung "institutioneller Sicherungen"? Der Überblick über die (auch) an die Länder durch das Gemeinschaftsrecht herangetragenen Anforderungen konnte deren Vielfältigkeit aufzeigen und illustrieren. Dabei dürfte die Aufteilung der Wahrnehmung zahlreicher gemeinschaftsrechtlicher Pflichten auf verschiedene selbständige Hoheitsträger mit eigenen Kompetenzen durchaus in gewisser Weise eine Art "erhöhtes Risiko" mit sich bringen, dass die gemeinschaftlichen Verpflichtungen nicht eingehalten werden. Dies wirft dann die Frage auf, ob und ggf. inwieweit sich aus dem Gemeinschaftsrecht Verpflichtungen ableiten lassen, (gewisse) institutionelle Sicherungen vorzusehen, die die effektive Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sicherzustellen vermögen. Darüber hinaus dürfte die Wahrnehmung von Kompetenzen zur Gesetzgebung und zum Vollzug im Zusammenhang mit der Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten durch die Länder zu einer gewissen "Diversität" (positiv ausgedrückt) bzw. "Uneinheitlichkeit" (negativ formuliert) führen. Dies wiederum könnte insofern aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht relevant sein, als damit notwendigerweise Abstriche an der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts einhergehen. Vor diesem Hintergrund könnte sich die Frage stellen, ob das Gemeinschaftsrecht nicht - ggf. unter bestimmten Voraussetzungen bzw. in bestimmten Konstellationen - einen Verzicht oder eine "Rücknahme" auf gewisse föderale Elemente impliziert, dies im Hinblick auf die Sicherstellung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Im Ergebnis ist diese Frage aber zu verneinen: Denn das Gemeinschaftsrechts geht davon aus, dass die Mitgliedstaaten die Art und Weise, wie sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen, bestimmen. Wenn dies aber so ist, können nicht die inhärenten "Unzulänglichkeiten" einer solchen Lösung quasi "durch die Hintertür" dafür angeführt werden, dass eine bestimmte mitgliedstaatliche Organisationsart eben die föderale - von vornherein mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Konflikt geraten kann. Dies stünde im übrigen im Gegensatz zu Art. 6 III EUV, der es der Union aufgibt, die "nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten" zu achten, so dass auch eine systematische Auslegung einer solchen Annahme entgegensteht. Schließlich ist daran zu erinnern, dass ja auch die unterschiedliche Umsetzung und Anwendung in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu einer gewissen, aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht zu beanstandenden "Uneinheitlichkeit" führt. Damit kann festgehalten werden, dass dem Gemeinschaftsrecht - über die allgemeinen Grundsätze hinaus (insbesondere Pflicht zur Umsetzung, Sicherstellung der effektiven Anwendung des Gemeinschaftsrechts sowie das Nichtdiskriminierungsverbot) - keine grundsätzlichen Schranken für die Ausgestaltung bzw. Ausübung der Hoheitsgewalt zu entnehmen sind.
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Für die erwähnte Pflicht zum "Einbau" gewisser institutioneller "Sicherungsmechanismen" könnte hingegen auf den ersten Blick die Überlegung sprechen, dass zumindest in gewissen Fällen letztlich nur über institutionelle Absicherungen gewährleistet werden kann, dass tatsächlich die effektive Anwendung des Gemeinschaftsrecht verwirklicht wird. Damit dürfte aber die Reichweite des Grundsatzes des effet utile (sowie des Art. 10 EGV) verkannt werden: Denn das Gemeinschaftsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten zwar dazu, dafür zu sorgen, dass ihre Rechtsordnungen gemeinschaftsrechtskonform ausgestaltet sind und dass (damit) den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (im Ergebnis) Rechnung getragen werden. Wie die Mitgliedstaaten dieses Ergebnis aber sicherstellen, bleibt ihnen überlassen, so dass sie hier - wie bereits erwähnt - eine gewisse Autonomie genießen. Daraus aber kann nur geschlossen werden, dass es keine allgemeine Verpflichtung der Mitgliedstaaten gibt, bestimmte Verfahren oder "institutionelle Sicherungen" einzurichten, die in jedem Fall die Gemeinschaftsrechtskonformität der nationalen Rechtsordnungen sicherzustellen vermögen. Hieran vermögen dann auch Art. 10 EGV und der Grundsatz des effet utile nichts zu ändern, kommen diese Prinzipien doch grundsätzlich nur im Zusammenhang mit anderen (spezifischen) vertraglichen Verpflichtungen zur Geltung. Zur Klarstellung sei aber darauf hingewiesen, dass wohl dann ein Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben vorläge, wenn die mitgliedstaatlichen Strukturen grundsätzlich und von vornherein ungeeignet wären, die effektive Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Aber auch dann ginge es immer um die einzelne Verpflichtung der Mitgliedstaaten, nicht hingegen um die (Nicht-) Vereinbarkeit der mitgliedstaatlichen Strukturen mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.
V. Schluss Zusammenfassend konnte der vorliegende Beitrag aufzeigen und illustrieren, dass das Gemeinschaftsrecht (auch) für die Länder vielfältige (neue und alte) Herausforderungen mit sich bringt. Das Gemeinschaftsrecht überlässt es dabei den Ländern (ggf. in Zusammenarbeit mit dem Bund) zu entscheiden, wie sie sich diesen Schwierigkeiten stellen. Apriori ist kein Grund ersichtlich, warum es hier um eine unlösbare Aufgabe gehen soll, wenn auch die Probleme nicht zu verkennen sind, von denen im Folgenden nur drei erwähnt werden sollen: • So bedingen Umsetzung und Anwendung zahlreicher gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen bzw. Vorgaben eine gewisse Koordination zwischen den Ländern untereinander und zwischen Bund und Ländern. Dies kann auf verschiedenen Gründen beruhen, die von der Frage des genauen Ver-
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ständnisses der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben bis hin zu von gewissen Richtlinien verlangten. • Ein sehr großes und wohl kaum zu unterschätzendes Problem ist die personelle und sachliche Ausstattung der "zuständigen Behörden" in den Ländern, bedingt doch die Beachtung der erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben im Ergebnis eine profunde Kenntnis der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. • Schließlich ist noch auf die Beachtung der Länderinteressen auf EUEbene hinzuweisen: Es hilft in vielen Fällen sicherlich, wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber (auch) die Umsetzung und Anwendung bestimmter insbesondere sekundärrechtlicher Bestimmungen in den föderal organisierten Mitgliedstaaten beachtet, wozu er im Übrigen ja auch rechtlich verpflichtet ist69 . Hier können die "Länderbüros" in BTÜssel wichtige Dienste leisten. Es bleibt zu hoffen, dass sich Bund und Länder mit Phantasie und Energie den neuen Herausforderungen stellen und auch die Chancen sehen. Eine "Fundamentalkritik" des europäischen Gesetzgebers sowie ein "Hinausschieben auf die lange Bank" jedenfalls dürfte - bei aller Berechtigung kritischer Anmerkungen im Einzelfall - weder konstruktiv noch sonderlich hilfreich sein.
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Oben 11.
c. Einzelfragen von Umweltschutz und Föderalismus
1. Abfallwirtschaft und Föderalismus
Abfallwirtschaft und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft Von Hellrnut Königshaus Die Aufforderung, Abfallwirtschaft und Föderalismus mit ihren wechselseitigen Implikationen aus der Sicht der Wirtschaft zu beleuchten, verlockt dazu, ein lautes Zetern anzuheben. Das hat vor allem mit den eher unerfreulichen Erfahrungen aus der Praxis zu tun, mit vielen Bremsern und wenig Tempornachern, die das Bild der Wirtschaft von den bestehenden föderalistischen Strukturen geprägt haben. Wir wissen ja aus der guten alten Zeit, dass bei der Dampfbahn ein Heizer die ganze Arbeit machen musste, während hinten in den Waggons eine Vielzahl von Bremsern in den Bremserhäuschen saßen. So soll und darf es heute im föderalistischen Staat nicht zugehen. Seitdem Herr Knorr die gleichnamige Bremse erfunden hat, bestimmt jedenfalls bei der Eisenbahn der Lokführer, ob beschleunigt oder angehalten wird, und so sollte es auch im Umweltschutz zugehen, damit alle Beteiligten wissen, woran sie sind. Stattdessen mussten wir vereinzelt leider das Gegenteil erleben. Ein Beispiel: Das Gezerre um die Technische Anleitung Siedlungsabfall und die in diesem Zusammenhang zu beachtenden Fristen ist ein solches Trauerstück, das die Probleme der Wirtschaft mit Eigensinn und Länderegoismen, kurz: falsch verstandenem Föderalismus, illustriert hat. Der Bund, der mit einem gewissen Starrsinn abweichende Vorstellungen einzelner Länder ignorierte, machte eine genauso schlechte Figur wie einzelne Länder, die ihm Widerstand leisteten. Für die Investitionsplanung der Unternehmen, die sich auf die Rechts- und Bundestreue der betreffenden Landesregierung verlassen müssen, war das eine einzige Katastrophe. Dabei wäre es übrigens unfair, alle Schuld an diesem Tauziehen einseitig den Ländern zuzuschieben: auch das trotzköpfige Beharren des Bundes hat seinen Teil zu der seinerzeitigen Pattsituation beigetragen. Und in der Sache ist in mancher Hinsicht die Skepsis der Länder ja sogar durch die weitere Entwicklung gerechtfertigt worden. Jedenfalls haben diejenigen, die Planungssicherheit brauchen, um zu investieren, dadurch Schaden erlitten und ein ziemliches Stück Vertrauen in die Institutionen unseres Gemeinwesens verloren. 13 Klocpfcr
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Ist diese deprimierende Feststellung schon die Antwort auf die Frage, ob der Föderalismus an sich, das wollen wir ja heute gemeinsam untersuchen, Motor oder Bremse für den Umweltschutz im allgemeinen und in der Abfallwirtschaft im besonderen ist? Ich denke: nein. Nur weil der Lokführer vielleicht ein zu hohes Tempo fährt oder das Bremserhäuschen in einzelnen Zügen falsch besetzt ist, hat die Bahn als System noch lange nicht versagt. Aber es muss jedenfalls in der Regel Ordnung herrschen und Verlässlichkeit. Die Rechtssetzungshierarchien müssen jedenfalls im Ergebnis harmonieren, denn der Rechtsunterworfene und erst recht derjenige, der investieren soll und will, müssen wissen, woran sie sind und woran sie sich halten müssen. Und deshalb müssen sich die einzelnen Rechtsebenen ergänzen wie ein Verkehrsnetz: mit einem internationalem Straßennetz, das durch ein Bundesstraßen- und ein Landesstraßennetz bis hin zur Kreisstraße und zur innerörtlichen Erschließungsstraße ergänzt und komplettiert wird. Es ist ganz selbstverständlich, dass eine Autobahn nicht in einen Feldweg einmünden darf und nicht auf der Strecke mal kurz ein paar Meter fehlen dürfen. Genauso verhält es sich im Abfallrecht. Es kann nicht sein, dass Europa oder der Bund fordern, was das Land oder die Kommune verbieten, und genauso umgekehrt. Auch der Zeitplan muss stimmen. Um beim Beispiel der Eisenbahn zu bleiben: wenn der Zug zu früh abfährt, kann er stattdessen auch gleich stehen bleiben. Denn auch der komfortabelste, schnellste und sicherste Zug nützt nichts, wenn er schon weg ist, wenn die Fahrgäste eintreffen. Und der Bund kann keine verbindlichen Zeitpläne setzen, die die Wirtschaft schon deshalb nicht einhalten kann, weil Länder und Kommunen die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen noch nicht schaffen konnten. Es ist immer die Wirtschaft und im Falle der Abfallwirtschaft der gebührenzahlende Bürger, der die Zeche solcher Verwerfungen zu zahlen hat. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die eine Hand nicht weiß, was die andere tut oder will oder - noch schlimmer - wenn ihr das sogar egal ist. Das ist schon auf der Bundesebene zu spüren. So verlangt das Bundesrecht von der Wirtschaft und vor allem der Abfallwirtschaft kollektives Handeln und droht zu dessen Durchsetzung sogar mit empfindlichen Sanktionen wie etwa im Fall der Verpackungs- oder der Altautoverordnung. Das so nachdrücklich vom Bundesrecht geforderte Kollektivverhalten ist aber vom Bundesrecht nachdrücklich und ebenfalls unter Androhung von Sanktionen untersagt, etwa durch GWB und UWG. Anstatt nun den Konflikt zu lösen, wird nicht etwa eine Ministererlaubnis erteilt, was das Gesetz ja zulässt und das Problem lösen würde, sondern man lässt das Kartellamt "dulden". Eine solche Duldung kann jederzeit widerrufen oder mit vorher nicht erwarteten Auflagen versehen werden. Dass dies keine vertrauensbildende
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Grundlage ist für Investitionen in Milliardenhöhe, die gerade in den genannten Bereichen erforderlich sind, kann jedermann sicher nachvollziehen. Gibt es solche Widersprüche schon auf der Bundesebene, so gibt es sie natürlich erst recht zwischen den einzelnen Länderrechten untereinander und vielfach auch zum Bundes- und zum europäischen Recht. In vielen Bereichen fehlt ein durchgängiger "Roter Faden", der das System überschaubar und damit handhabbar macht. Die Abfallwirtschaft muss klar und vor allem praktikabel geregelt sein. Deshalb müssen überall in Deutschland und darüber hinaus in der Europäischen Union jedenfalls im Kern einheitliche Grundsätze gelten, müssen gleiche Sachverhalte überall gleich geregelt sein. Es ist einfach nicht einzusehen, dass etwa - dies ist ein aktuelles Beispiel - durch Verwaltungsakt bestimmte Abfälle als "besonders überwachungsbedürftig" eingestuft werden, die im benachbarten Bundesland nicht dieser Einschränkung unterliegen. Dies hat natürlich erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zur Folge, aber es irritiert auch den Verbraucher und erschwert dem zur Beratung verpflichteten Entsorger das Geschäft. Denn anders als der Ministerialbeamte, der sich eine solche Regelung ausgedacht hat, steht er an der Front und muss dem Kunden erklären, was eigentlich nicht zu erklären ist. Dabei ist natürlich einzuräumen, dass bei ungleichen und atypischen Gegebenheiten auf landesrechtlicher Ebene Ausnahmen und Abweichungen von diesen grundsätzlichen Regelungen abgeleitet werden können und müssen. Überhaupt sollte die konkrete Ausgestaltung und administrative Umsetzung des Bundesrechts den lokalen und regionalen Gegebenheiten Rechnung tragen. Dabei darf aber eben der Vorrang des Bundesrechts nicht übersehen werden, jedenfalls nicht im Abfallrecht, wo wir uns ja im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung bewegen. Nach Art. 74 Nr. 24 des Grundgesetzes erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung u. a. auf "die Abfallbeseitigung", aber sie reicht trotz der einschränkend wirkenden Formulierung inhaltlich weiter. Die Abfallwirtschaft hat sich seit der Aufstellung des Kataloges der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung weiterentwickelt. "Abfall beseitigung" ist nicht mehr das Ziel, sondern ein allenfalls noch in Ausnahmefallen in Kauf zu nehmendes Übel eines insgesamt auf die Rückführung der Wertstoffe in den Wirtschaftskreislauf, also auf Ressourcenschonung ausgelegten Systems. Dem Bund ist mit Art. 74 Nr. 24, wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1998 im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von kommunalen Verpackungssteuern und Landesabfallabgaben festgestellt hat, über die Fragen der Abfallbeseitigung hinaus eine Zuständigkeit zur umfassenden Regelung des Rechts der Abfallwirtschaft eingeräumt. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Nach Art. 72 Abs. 2 Ziff. 3 GG hat der Bund hier das Gesetzgebungsrecht, weil die Wahrung der Rechts- und 13*
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Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert. Ich habe schon den Vergleich mit den Verkehrsnetzen bemüht. Im Umwelt- und speziell im Abfallrecht gilt dasselbe. Es kann nicht sein, dass die einen Länder Ihre Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge vernachlässigen und dann andere Länder die Suppe auslöffeln lassen. Die abfallwirtschaftlichen Betriebe stoßen sehr häufig auf Vorbehalte bei den Anwohnern. Diese werden unnötig geschürt, wenn der Eindruck entsteht, die eigene Region oder das eigene Bundesland sei der Mülleimer der Nachbarländer. Ich habe als damals verantwortlicher Beamter nach der Wende in der DDR an den ehemaligen "Westdeponien" erlebt, welcher Hass sich bei den von den politischen Instanzen der DDR ungefragt übergangenen Anwohnern aufgestaut hatte. Es gilt also, einen Lastenausgleich zu organisieren, dessen Sachwalter sehr wohl die einzelnen Länder sein müssen. Aber zusammenraufen muss man sich auf der Ebene des Bundes, wo es mit dem Bundesrat ja auch ein geeignetes Verfassungsorgan gibt. Hier in Berlin kann man dieses Problem schon im Kleinen, im Verhältnis der einzelnen Bezirke zur Gesamtstadt, beobachten. Dort, wo St. Florian viel näher an die Akteure herankommt, sind auch die Konflikte viel handfester. Im Verhältnis von Bund und Ländern ist die unmittelbare Betroffenheit von Bürgern nur selten so offenbar wie gerade bei den Diskussionen um die Altlasten aus der Atomwirtschaft. Aber sie sind natürlich auch in anderen Bereichen zu spüren, gerade auch im Bereich der Abfallwirtschaft, deren Anlagen niemand gerne vor seiner Sonnenterrasse hat. Schon deshalb ist eine bundesrechtliche Regelung erforderlich, die die abfallwirtschaftlichen Pflichten der Länder regelt und die Konflikte zwischen dem Bundesinteresse und den Länderinteressen, aber auch die gar nicht seltenen Konflikte zwischen den einzelnen Ländern vermeiden hilft. Diese Problemlage tritt immer häufiger auch durch die zunehmende Einbindung in die Rechtsetzung der Europäischen Union, in sonstige supranationale Strukturen und die Unterwerfung unter internationale Vertragswerke auf. Diese gestalten die Situation immer komplizierter. Gerade im Bereich des Umweltrechts sind die langfristigen Auswirkungen der EU-Rechtsetzung am größten. Regelt die EU in langen Nachtsitzungen die MindestKrümmung von Bananen oder die Einstufung von Gurken nach Farbschattierung und Druckfestigkeit, können sich Erzeuger, Handel und Verbraucher kurzfristig darauf einstellen. Bei Vorgaben, die auf Jahre hinaus vorzubereitende Investitionen beeinflussen, ist dies natürlich anders. Schon für den Bund ist es schwierig, wegen der Nichtumsetzung von EU-Richtlinien in die Pflicht genommen oder gar deswegen zu Strafzahlungen verurteilt zu werden, weil er selbst sie gar mangels eigener Kompetenz
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nicht umsetzen kann, wie das im Falle des Wasserrechts geschehen ist. Um so schlimmer wäre es, wenn er trotz eigener Kompetenz die Umsetzung nicht schafft, weil die Länder "mauern". Aber für die Wirtschaft, die ja nicht nur über den Verlauf von Legislaturperioden hinweg plant, sondern Abschreibungszeiträume im Auge haben muss, ist dies natürlich noch viel schlimmer. Nehmen wir die Deponie- oder die Abfall-Verbrennungsrichtlinie. Solche Regelungen wirken auf die Abfallwirtschaft mit ungeheurer Wucht ein, beeinflussen Investitionsentscheidungen und Genehmigungsverfahren, können getätigte Investitionen entwerten oder gar überflüssig machen. Da kann die Wirtschaft, salopp gesagt, die Extravaganzen einiger Abfall-Duedez-Fürstentümer, die politische "Signale" geben oder "Zeichen" setzen wollen, gerade noch gebrauchen. Deshalb brauchen wir für die Abfallwirtschaft im Kern verlässliche und bundeseinheitliche, also bundesrechtliche Regelungen. Diese Regelung haben wir durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und das ergänzende untergesetzliche Regelungswerk. Sie sind in sich, jedenfalls im Kern, stimmig und auch unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung der heutigen Generation gegenüber den kommenden Generationen nachvollziehbar. Aber sie müssen natürlich "gelebt" und akzeptiert werden, auch dann, wenn sie den jeweiligen Verantwortungsträgern vor Ort so nicht passen und sie sich andere Regelungen gewünscht hätten. Es ist mit ihrer Vorbildfunktion gegenüber dem Bürger nicht zu vereinbaren, wenn Regierungen und Verwaltungen bindende Vorschriften übergeordneter Rechtsetzungsebenen missachten und dies mit dem "Argument" rechtfertigen, man hoffe, eine neue Mehrheit werde diese Vorschriften ohnehin wieder ändern. Das Bundesverfassungsgericht hat für den deutschen Bereich zu Recht mehrfach festgestellt, dass es mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar ist, wenn Länder ihre formale Rechtsposition nutzen, um eigene, von denen des Bundes abweichende Positionen durchzusetzen oder gar die Vorgaben des Bundes im eigenen Bereich zu behindern. Es ist also nicht nur eine "Bringpflicht" der Länder, das Recht des Bundes zu beachten, sondern in gleicher Weise eine "Holpflicht" des Bundes, seine Beachtung auch durchzusetzen und notfalls auch zu erzwingen. Hierauf haben Wirtschaft und Verbraucher, die ihre langfristigen Planungen natürlich am übergeordneten Recht ausrichten, auch einen Anspruch. Den Weg hierzu weist für den nationalen Bereich Art. 84 GG. Aber der Bund und erst recht die Kommission dürfen und müssen sich auf Grundsätzliches beschränken, weil sie die verschiedenartigen Gegebenheiten vor Ort gar nicht berücksichtigen können, ohne dass die Richtlinie oder das Gesetz unübersichtlich und damit unpraktikabel wird. Dies ist die Aufgabe der Länder.
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Es ist übrigens nach dem Willen der Verfassung nicht so, dass den Ländern im Bereich der Abfallwirtschaft keine Gestaltungsmöglichkeiten verblieben. Das Gegenteil ist der Fall. Sie haben den jeweils gegebenen Verhältnissen entsprechend den ihnen überlassenen Spielraum zu nutzen und das Gemeinschafts- und das Bundesrecht umzusetzen und zu übertragen, ohne es zu verbiegen. So wird Schleswig-Holstein, anders als der Freistaat Bayern, auf eine besondere Regelung zu den Entsorgungsmodalitäten für Hochgebirgsalmen verzichten können, während Bayern, anders wiederum als Schleswig-Holstein, auf eine Sonderregelung für Halligen und Inseln verzichten kann, auch ohne die Entsorgung von Lindau zu gefährden. Aber den Ländern ist im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung gerade nicht das Recht eingeräumt, Gegenmodelle zum Bundesrecht zu entwickeln und zu praktizieren. So, wie die Kommunen das Recht des Landes zu beachten haben, müssen die Länder das Recht des Bundes respektieren, soweit er sich im Bereich der ihm nach dem Grundgesetz zugewiesenen Kompetenz bewegt. Verzichtbar sind in den Landesgesetzen jedenfalls die ätzend langen Wiederholungen von bundesrechtlichen Regelungen, wie etwa der Maßnahmehierarchie des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, die in nahezu allen Landesabfallgesetzen wiederholt wird. Aber es ist schon erforderlich, dass das Bundesrecht so weit ergänzt und konkretisiert wird, dass neben den bereits benannten Fragen, die Halligen und Bergbauern betreffen, beispielsweise die lokalen Probleme zusammenhängender Ballungsräume gelöst, Kooperationsmöglichkeiten für die entsorgungspflichtigen Körperschaften eröffnet und die jeweiligen Anforderungen aus den einzelnen Kommunalverfassungen berücksichtigt werden. Alles andere sollte EU- bzw. bundeseinheitlich geordnet werden. Nur so bleibt in einer Welt, in der die Wirtschaft schon lange nicht mehr regional und nicht einmal mehr national agieren kann, das Recht für alle Beteiligten handhabbar. Föderalismus bedeutet auch Wettbewerb, nämlich den Wettstreit um den besten Weg zum vorgegebenen Ziel. Wie jeder Wettbewerb spornt auch der Wettstreit unter Ländern zur Suche nach der wirkungsvollsten, unbürokratischsten, einfachsten und schnellsten Lösung, also zu besseren Leistungen und zu höherer Qualität an. Deshalb ist es bedauerlich, dass die Länder vorwiegend voneinander abschreiben und in ihren kryptischen Bruderschaften wie der LAGA und der LA WA Kompromisse aushandeln und ihr Handeln nur noch koordinieren, anstatt um bessere Konzepte zu ringen. Sicherlich sollen die Länder Erfahrungen austauschen und nicht auf getrennten Wege die längst erfundenen Räder 16 Mal neu und immer anders erfinden. Aber sie sollten nicht immer neue bürokratische Hürden erfinden.
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Und nicht Wege suchen, sich als Nebengesetzgeber gegen den Bund zu profilieren. Sondern sie sollten vor allem einmal erproben, ob durch Abbau von bürokratischen Hemmnissen und durch Gewährung von Vollzugserleichterungen die Wirtschaft entlastet werden kann, um damit den eigenen Standort attraktiv zu machen, nicht nur für Neuansiedlungen, sondern auch zur Sicherung des Bestandes. Anfangen könnten sie dadurch, dass sie den Paragrafendschungel soweit lichten, dass sich Wirtschaft, Verwaltung und nicht zuletzt der einzelne Bürger wieder darin zurecht findet. Das wäre sehr einfach. Gerade die Entsorgungswirtschaft ist überreguliert. Mehr als 800 Einzelbestimmungen in den einschlägigen Gesetzen, 2.800 Bestimmungen in den zugehörigen Verordnungen und nochmals über 4.700 Bestimmungen in weit gestreuten Verwaltungsvorschriften müssen beachtet werden. Da wird das Bemühen um Rechtstreue in der Tat zur Lotterie! Die Wirtschaft braucht also klare Regelungen, kann sich nicht mit einer Vielzahl von divergierenden Vorschriften und Bewertungen auseinandersetzen. Das verteuert die Angelegenheit in jeder Beziehung und auf allen Ebenen. Und in einer Sparte, in der hinter jedem Paragrafen und jedem Absatz der Staatsanwalt lauert, ist sicherlich die dadurch deutlich verringerte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ein Quell weiteren Argwohns. Aber es geht nicht in erster Linie um uns, die Profis. Es geht um den Bürger, der gar nicht überschauen kann, was die Rechtsordnung von ihm verlangt. Geht man mit dem Ziel, dem Abfallrecht wieder klare und überschaubare Konturen zu verleihen, konsequent nach, wird man viele Vereinfachungsmöglichkeiten finden. Es ist, als ob man einen überfüllten Schreibtisch aufräumt und alles weg schmeißt, was zwischenzeitlich erledigt oder überholt ist. Man ist befreit und hat plötzlich wieder Klarheit, wo es Regelungsbedarf gibt und wo nicht. Früher im alten Westberlin gab es gelegentlich Aktionen zur "Rechtsbereinigung". Da wurde dann geprüft, ob es noch erforderlich ist, zu verbieten, Kühe durch den Grunewald zu treiben, obgleich es in Berlin fast keine Kühe mehr gab, und so weiter. Ein solcher Frühjahrsputz in den einschlägigen Regelwerken würde auch das Abfallrecht handhabbarer machen. Ein Land, das ein solches einfaches, klares, übersichtliches Abfallrecht hat, das zudem die ihm gegebenen Möglichkeiten für Vollzugserleichterungen konsequent einsetzt, hätte einen echten Trumpf im Ärmel beim Wettbewerb um Investoren. Leider wird der Standortwettbewerb vereinzelt ganz anders geführt, in - wie ich finde - unvertretbarer Weise, nämlich durch Duldung unhaltbarer Zustände und Nichteinhaltung von Standards bei der Anlagenüberwachung.
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Hellrnut Königshaus
Glauben Sie nicht, dass der Wirtschaft dies gelegen käme, jedenfalls nicht der seriösen Entsorgungswirtschaft. Denn die so geduldeten "Schmuddelkinder" der Branche sind natürlich unüberwindbare Wettbewerber im Kampf um Aufträge. Deshalb haben die Behörden bei ihrem Kampf gegen diejenigen, die es mit den Gesetzen nicht so ernst nehmen, jedenfalls die im Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft organisierten Unternehmen stets auf ihrer Seite. Die von mir genannten Beispiele zeigen: der Föderalismus an sich ist im Bereich des Umweltschutzes weder Motor noch Bremse. Er kann aber für beide Funktionen eingesetzt werden, und es liegt an der Befähigung und dem guten Willen der Beteiligten, ob sie bremsen oder Gas geben.
Abfallwirtschaft und Föderalismus aus Sicht der Verwaltung Von Frank Petersen
I. Einleitung Im föderal verfassten Bundesstaat der Bundesrepublik Deutschland wirken Bund und Länder bei den staatlichen Aufgaben, insbesondere der Gesetzgebung, Regierung und Verwaltung, in vielfaltiger Weise zusammen. Während der Schwerpunkt der gesetzgeberischen Zuständigkeit eindeutig beim Bund liegt, sind die administrativen Vollzugszuständigkeiten im wesentlichen bei den Ländern angesiedelt. Der Bundesstaatlichkeit wird nach allgemeiner Auffassung eine gewaltenteilende und freiheitsschützende Wirkung zugemessen. Dies impliziert zugleich, dass die Verteilung von legislativen und exekutiven Kompetenzen durchaus ein erhebliches Konfliktpotential mit sich bringen kann. Bundes- und Landesinteressen sind auch in Umweltfragen keineswegs deckungsgleich. Auf Gesetzgebungsebene erfolgt ein Ausgleich widerstreitender Interessen in der Regel im Rahmen der Bundesratsmitwirkung. Auch bei einer dann zustande gekommenen bundesrechtlichen Regelung sind fachliche und rechtliche Kontroversen im Bund-Länder-Verhältnis freilich nicht ausgeschlossen. Häufig gelingt ein reibungsloser Vollzug erst nach langwierigen Abstimmungsprozessen zwischen Bund und Ländern. Allerdings kann das Zusammenwirken von Bund und Ländern nur funktionieren, wenn zumindest ein Grundkonsens über die wesentlichen gesetzgeberischen Leitentscheidungen besteht. Ist dieser nicht mehr - vorhanden, wird die Rechts- und Vollzugssicherheit und sogar die sinnvolle Weiterentwicklung des Rechts beeinträchtigt.
11. Die föderale Abfallwirtschaft - Materielle Probleme und ihre strukturelle Kehrseite Schaut man sich die zurückliegenden fünf Jahre des real existierenden Abfallrechts unter dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG)I an, so scheinen sich ernste Zeichen einer Krise des Föderalismus zu zeigen. I Vgl. zur Konzeption des Gesetzes PetersenlRid, NJW 1995, 7 ff.; Versteyll Wendenburg, NVwZ 1994, 833 ff.
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Frank Petersen
Wichtige Gesetzes- und Verordnungsvorhaben auf Bundesebene werden durch problematische Bundesratsvoten belastet oder verzögert, landesrechtliche Regelungen wegen Verstoßes gegen bundesrechtliche Vorgaben für nichtig erklärt, Vollzugsentscheidungen gegen das Votum des Bundes getroffen und von den Gerichten verworfen. Längst hat dieser Konflikt auch die europäische Ebene erreicht. Da sich das KrW-/AbfG in seinen wesentlichen Elementen aus dem EG-Abfallrecht herleitet, werden bundesrechtlich problematische landesrechtliche Regelungen und Vollzugsentscheidungen häufig auch von der europäischen Kommission beanstandet2 . Was sind die Gründe für die Konflikte, die in dieser Schärfe in keinem anderen Umweltrechtsbereich existieren? Zum einen gibt es materielle Gründe, die mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz selbst zusammenhängen. Das Gesetz enthält zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung immer noch umstritten ist. Hierin unterscheidet sich das Abfallrecht allerdings nicht besonders von anderen Umweltgesetzen. Bedeutsamer dürfte sein, dass mit dem - erst nach einem schwierigen Vermittlungsverfahren zustande gekommenen - Gesetz gerade über die zentrale Kernfrage der Aufteilung der Entsorgungszuständigkeit zwischen gewerblichen Abfallerzeugern und öffentlich-rechtlicher Entsorgung keine durchgängige Klärung erzielt wurde 3 . Freilich war diese Kernfrage im Gesetzgebungsverfahren wohl erst in Umrissen erkennbar und gewann erst im Zuge der abfallwirtschaftlichen Entwicklung ihre eigentliche Brisanz. Sie wurde somit erst in der nachfolgenden Ländergesetzgebung und Länderexekutive in voller Schärfe thematisiert und hat heute unter dem Stichwort "Absicherung der kommunalen Entsorgung" nunmehr eine Novellierungsdiskussion ausgelöst4 . Dieser materielle Konflikt in der Abfallpolitik wird aber durch eine strukturelle Besonderheit des Abfallbereiches verstärkt. Die Länder erfüllen im Abfallbereich nämlich - anders in anderen Umweltrechtsbereichen - nicht allein Gesetzgebungs- und Vollzugsaufgaben, sondern nehmen - über die Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder in der Sonderabfallentsorgung tätige Landesgesellschaften - auch Entsorgungsaufgaben5 wahr. Dies erklärt auch ihr Interesse an der Schaffung individueller Landes2 Vgl. zur Bestandsaufnahme Petersen, NVwZ 1998, 1113 ff.; ders., ZUR, 2000, 61 ff.; Reese, ZUR 2000, 57 ff. 3 Kritisch Willandlv. Bechtolsheimllänicke, ZUR 2000, 75 ff.; anschaulich aus kommunaler Sicht Schink, ZG 1996,97 ff.; ders., der landkreis 1999,410. 4 Vgl. zur aktuellen rechtlichen und politischen Diskussion Petersen (Hrsg.), Die kommunale Abfallentsorgung - Auf der Gratwanderung zwischen Daseinsvorsorge und Liberalisierung, in: Gesellschaft für Umweltrecht, Sonderveröffentlichung zum 25-jährigen Bestehen der Gesellschaft (im Erscheinen). 5 Vgl. dazu §§ 13 und 15 KrW-/AbfG.
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abfallgesetze und ihre intensive Mitwirkung bei der Rechtsetzung auf Bundesebene. Die ihnen übertragene zusätzliche Erfüllungsfunktion führt allerdings zwangsläufig zu Interessenkollisionen. Nicht selten nehmen Länder im Rahmen ihrer Mitwirkung an Bundesgesetzen, dem Erlass eigener Landesgesetze sowie beim Vollzug des Abfallrechts die Perspektive des von den Regelungen betroffenen Betreibers einer Entsorgungsanlage ein. Insbesondere Gesichtspunkte der Auslastung kommunaler und ländereigener Entsorgungsanlagen können so zum Maßstab von Gesetzgebungs- und Vollzugsentscheidungen werden.
111. Der "Kampf um den Abfall" - Konfliktlinien in Ländergesetzgebung und Vollzug 1. Zur abfallwirtschaftIichen Situation
Die Kontroverse um die Ausrichtung des KrW-/AbfG wird schlagwortartig gerne als "Kampf um den Abfall" bezeichnet. Rechtlicher Hintergrund ist die Aufteilung der Entsorgungszuständigkeit. Gewerbliche Abfallerzeuger sind nach dem KrW -/ AbfG zur eigenverantwortlichen Verwertung ihrer Abfalle verpflichtet. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sind für die Entsorgung von Abfallen aus privaten Haushaltungen sowie für gewerbliche Abfalle zur Beseitigung zuständig. Die Gewährleistungsfunktion der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wird allerdings zunehmend durch zurückgehende Abfallmengen 6 beeinträchtigt. Wurde noch Anfang der achtziger Jahre angesichts steigender Abfallmengen und knapper Entsorgungskapazitäten von einem "Entsorgungsnotstand"7 gesprochen, werden infolge veränderter Konsum- und Produktionsweisen Abfälle zunehmend vermieden oder in kostengünstige Verwertungswege außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgung wie etwa in die Mitverbrennung von Abfallen in Stahlund Zementwerken im In- und Ausland oder in den Bergversatz8 verbracht. Es gibt jedoch andererseits eine heftige interkommunale Konkurrenz um den Abfall. Bemerkenswert ist dabei, dass diese vor allem durch eine Altlast des Ländervollzuges, nämlich die uneinheitliche Umsetzung der TA 6 Zur Mengenentwicklung Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2000, Tz. 822 ff. 835; T. PetersenlFaberlHerrmann, Müll und Abfall, 1999, 537 ff.; aus kommunaler Sicht Schink, der landkreis 1999, 410 ff. 7 Vgl. nur die Begründung des Entwurfes des KrW-IAbfG in BT-Drs. 12/5672, S. I: "Dem Abfallaufkommen steht weder quantitativ noch qualitativ ausreichende Entsorgungskapazität gegenüber", es gelte, "einen Entsorgungsnotstand in naher Zukunft zu verhindern". 8 Vgl. im einzelnen Schink, Schriften zum dt. und europ. KommunaiR. Bd. 6, S. 45, 47 ff.; Petersen, NVwZ 1998, 1113 f.; Willandlv. Bechtolsheimllänicke, ZUR, 2000, 75 f.
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Siedlungsabfall (TASi) aus dem Jahre 1993 9 , verursacht wurde. Viele Länderbehörden haben den Kommunen in wohlmeinender, wenn auch rechtlich problematischer Auslegung der TASi gestattet, bis zum 30.6.2005 - teilweise sogar noch darüber hinaus - unbehandelte Abfälle auf Deponien abzulagern. Nunmehr versuchen die Kommunen, ihre Altdeponien vor Ablauf der Übergangsfrist mit Abfällen zu verfüllen, um Einnahmen zu erzielen oder Rücklagen zur Finanzierung von Stilllegungs- oder Nachsorgemaßnahmen zu bilden. Da für die Deponierung unbehandelter Abfälle nur wenig Gebühren erhoben werden, geht von diesen Deponien eine regelrechte Sogwirkung aus, die wiederum den Kommunen mit TASi-konfonner und daher auch teurerer Infrastruktur zunehmend die Abfälle entzieht 10. Dass hierbei - Stichwort "Scheinverwertung" - auch Unschärfen des Gesetzes ausgenutzt werden, soll nicht verschwiegen werden, Motiv ist jedoch allein das TASi-Dilemma. Festzuhalten bleibt, dass sich der "Kampf um Abfall" weniger durch die Unschärfe unbestimmter Rechtsbegriffe erklärt als vielmehr durch die von vielen Ländern zugelassene Ablagerung unbehandelter Abfälle auf Billigdeponien. 2. Gesetzgebung der Länder im Verhältnis zum Bundesrecht Das KrW -/ AbfG hat die Materie Abfallrecht bis auf wenige Ausnahmen bundesrechtlich abschließend geregelt. Für Länderregelungen verbleibt daher kaum noch Raum 11. Dies hat das BVerfG anlässlich der Streitfälle zur kommunalen Verpackungssteuer 12 und zu den landesrechtlichen Abgabenregelungen für Sonderabfälle 13 bereits 1998 bestätigt. Maßgebend war für das Gericht, dass bereits auf der Grundlage des § 14 AbfG von 1986 und des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG eine geschlossene bundesrechtliche Konzeption der Abfallvermeidung begründet war, die durch das Kooperationsprinzip gekennzeichnet ist. Das BVerfG stellte fest, dass diese Konzeption aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebotes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht durch landesrechtliche Regelungen unterlaufen werden dürfe 14. TA Siedlungsabfall, Bundesanzeiger Nr. 99 a v. 14.5.1993. Kritisch: Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2000, Tz. 914; vgl. dazu Petersen, NVwZ 1998, 1113 f.; Willandlv. Bechtolsheim/Jänicke, ZUR, 2000, 75; Reese, ZUR 2000, 410. 11 Vgl. im einzelnen Brandt, Grenzen für landesabfallrechtliche Regelungen aufgrund des KrW-/AbfG, in: Gutke (Hrsg.), 6. Kölner Abfalltage, 1997, S. 1 ff. 12 BVerfGE 98, 106; vgl. demgegenüber noch BVerwGE 96, 272; kritisch hierzu Gern, NVwZ 1995, 771 f. 13 BVerfGE 98, 83; vgl. dazu auch die vom BVerfG festgestellte Verfassungswidrigkeit der Lizenzabgabe Nordrhein-Westfalens, UPR 2000, 304; dazu Versteyl, UPR 2000,297. 9
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War der umweltpolitische Hintergrund bei den Kontroversen um die Sonderabfallabgabe und die Verpackungssteuer noch ein Wettbewerb um die besseren Konzepte zur Abfallvermeidung, so soll das Augenmerk hier auf landesrechtliche Regelungen gelenkt werden, die im Zusammenhang mit der Absicherung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungszuständigkeit und Entsorgungsstruktur stehen. Ein interessantes Beispiel bildet § 4 a Landesabfallgesetz (LabfG) Nordrhein-Westfalen, das eine "Lücke" der bundesrechtlichen Regelung des § 5 Abs. 5 KrW -/ AbfG schließen soll 15 . Nach § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG entfällt der Vorrang der Abfallverwertung vor der Beseitigung, wenn die Beseitigung von Abfällen - unter Zugrundelegung verschiedener Umweltaspekte - die umweltverträglichere Lösung gegenüber der Verwertung darstellt. Umstritten ist dabei, ob der Abfallerzeuger in den genannten Fällen zur Beseitigung verpflichtet ist, oder ob er ein Wahlrecht zwischen Verwertung und Beseitigung hat. Die absolut herrschende Meinung geht von einem Wahlrecht aus. Dem Wortlaut des § 5 Abs. 5 KrW-/ AbfG wie auch der Pflichtensystematik lässt sich nur entnehmen, dass der Vorrang der Verwertung "entfällt", die Behörde kann die Beseitigung der Abfälle also gerade nicht erzwingen 16. Dies erscheint auch aus Umweltgründen nicht geboten, weil die Verwertung nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG in jedem Fall möglichst hochwertig, ordnungsgemäß und schadlos sein muss. Hierüber lässt sich die Verwertung hinreichend optimieren, ohne dass es einer Zuweisung in die Abfallbeseitigung bedarf17 . § 4a Abs. 2 LAbfG regelt nun aber, dass in den Fällen, in denen sich die Beseitigung als die umweltverträglichere Entsorgungsalternative darstellt, "die zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen treffen kann, um die gemeinwohlverträgliche Beseitigung der Abfälle nach dem KrW -/ AbfG sicherzustellen. Die bundesrechtliche Regelung wird daher in ihr Gegenteil verkehrt l8 • Die Landesregelung ist von erheblicher abfallwirtschaftlicher Bedeutung, denn sie 14 Kritisch zu dieser Ableitung Schrader, ZUR 1998, 1562, 1563 f.; Bothe, NJW 1998, 2333 ff.; Sendler, NJW 1998, 2875 ff.; Jarass, UPR 200 1, 5 ff. IS s. dazu Buch, Städte- und Gemeinderat, 1999, 25 ff.; ablehnend Beckmann, NuR 1999, 24, 30. 16 Kunig, in Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 16; Hösel/v. Lersnerl Wendenburg, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 34; Dolde/Vetter, Rechtsfragen der Verwertung und Beseitigung von Abfällen, 1999, S. 66 ff.; Fluck, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 219 jew. m. w. N.; kritisch Pippke, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Umweltverträgliche Abfallverwertung, S. 115, 126 ff. I? Das Gebot der Schadlosigkeit ist nicht weniger streng als der für die Beseitigung geltende Maßstab der Gemeinwohlverträglichkeit, vgl. nur Petersen, ZUR 2000, 61, 68 f.; vgl. zum Mindeststandard der Schadlosigkeit VGH München, NVwZ 1999, 1248, 1249; OVG Münster, Urt. v. 10.12.1999 - Az. 21 A 3481/96 (S. 32); vgl. hierzu auch Pippke, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Umweltverträgliche Abfallverwertung, S. 115, 121. 18 So zutreffend bereits Beckmann, NuR 1999, 24, 30.
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dient mittlerweile als Rechtgrundlage für einen "Leitfaden", mit dem die energetische Verwertung von Abfällen in Form der Mitverbrennung in industriellen Feuerungen - völlig losgelöst vom Bundessrecht - einer landesrechtlichen "Stoffstromsteuerung" unterworfen wird. Auch wenn die Verwertung der Abfälle in den Industrieanlagen im Einklang mit der 17. BImSchV erfolgt, kann sie nach dem Leitfaden untersagt werden, wenn nicht die für Müllverbrennungsanlagen geltenden Grenzwerte der 17. BImSchV erreicht werden 19. Es ist dabei zwar zu konzedieren, dass der Ländervollzug insbesondere bei der Anwendung der Mischungsregel der 17. BImSchV mitunter erhebliche Zweifel aufwirft2o • Die Vollzugsdefizite müssen beseitigt und gegebenenfalls die missverständlichen Regelungen der 17. BImSchV präzisiert werden, was ohnehin zur Umsetzung der EG-Abfallverbrennungsrichtlinie 21 erforderlich ist. Es gibt jedoch keine Rechtfertigung dafür, die differenzierten Bundesregelungen der 17. BImSchV durch Landesregelungen dergestalt einzuebnen, dass brennbare Abfalle aus einer ordnungsgemäßen und umweltverträglichen industriellen Nutzung in Müllverbrennungsanlagen gelenkt werden 22 •
3. Vollzug des Bundesrechts durch die Länder Besondere Diskussionen hat vor allem der Vollzug des Abfallrechts durch die Länder aufgeworfen. Der Vollzug des KrW-/AbfG erfolgt durch die Länder nach Art 83 GG in eigener Verantwortung. Die offenen Bestimmungen des Gesetzes laden hierbei nicht nur die betroffenen Abfallbesitzer ein, "günstige" Wege zu gehen; auch Vollzugsbehörden greifen zu Interpretationen, mit der sie Auslastungsinteressen des Landes oder der Kommunen durchsetzen können. Die zentrale Regelung ist dabei die in § 4 Abs. 3 und § 4 Abs. 4 KrW -/ AbfG nonnierte Abgrenzung zwischen der Verwertung und der Beseitigung von Abfällen 23 , da - von Hausmüll abgesehen - nur 19 Zu den Hintergründen s. Friedrich, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Umweltverträgliche Abfallverwertung, S. 13, 19 ff.; Friedrich, zuständiger Abteilungsleiter Abfall im Umweltministerium NRW, äußert den "Verdacht, dass die Abfälle möglichst lange im Einflussbereich des BImSchG belassen werden sollen, um unter dem Schutz des Anlagenbegriffs in einer Grauzone mit möglichst geringen Anforderungen an den Umweltschutz agieren zu können". 20 Kritisch Lübbe/Wo/ff. in dies. (Hrsg.), Umweltverträgliche Abfallverwertung, S. 207, 210 ff. 21 RL 2000176/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.12.2000 über die Verbrennung von Abfällen (AbI. L 332/91). 22 Dies gilt auch, wenn bei der Mitverbrennung ein relevanter Schadstofftransfer in das Produkt - etwa Zement - befürchtet wird. In diesem Fall wäre eine - unter Luftreinhaltegesichtspunkte zulässige - Mitverbrennung nicht schadlos im Sinne des § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG und könnte in dieser Anlage unterbunden werden. Ein Zwang in die Beseitigung ergibt sich jedoch nicht.
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Abfälle zur Beseitigung in die kommunale Überlassungspflicht fallen. Da mit einer "beseitigungsorientierten" Auslegungen jedoch die Gesamtausrichtung des KrW -I AbfG, insbesondere der Verwertungsvorrang, die Rechtseinheit und Rechtssicherheit in Frage gestellt wird, muss sich der Bund mit Länderauslegungen intensiv und häufig auch streitig auseinandersetzen.
a) Konkretisierungsversuche - vom LAGA-Papier zum Entwurf der Bundesverwaltungsvorschrift Allerdings gab es in der Vergangenheit durchaus vielfältige und intensive Bemühungen zwischen Bund und Ländern, zu einer einvernehmlichen Rechtsauslegung zu kommen. Die Versuche, die offenen Abgrenzungsbestimmungen des KrW -IAbfG zu konkretisieren, um zu einer rechtssicheren Vollzugspraxis zu kommen, verliefen jedoch wenig erfolgreich. Das bereits 1996 von der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) entwickelte Auslegungspapier24, das Abfälle zur Verwertung und Abfälle zur Beseitigung stark "beseitigungsfreundlich" abgrenzte, wurde von der Rechtsprechung recht schnell verworfen 25 . Das 1997 erarbeitete Bund-Länder-Papier26 , mit dem ein Konsens über die Auslegung erzielt werden sollte, erwies sich als zu abstrakt, um dem Vollzug eine handhabbare Vorgabe zu bieten. Bei den intensiven Versuchen, das Papier anhand einer Liste von 21 vollzugsrelevanten Einzelbeispielen zu konkretisieren, wurde offenkundig, dass zwischen Bund und Ländern sowie innerhalb der Länder ein tiefgreifender Dissens über die rechtliche Auslegung bestand 27 . Diesen wollte die Bundesregierung mit Hilfe der 1999 als Entwurf vorgelegten norminterpretierenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift 28 auflösen und in einem geordneten Rechtsetzungsverfahren für eine mehrheitlich getragene Rechtsauslegung sorgen. Die Interpretation der Abgrenzungsvorschriften, die sich erstmals auch an den Vorgaben des EG-Rechts orientierte29 , wurde von den Ländern 23 Petersen, NVwZ 1998, 1113, 1116; Dolde/Vetter, Abgrenzung, S. 43 ff. jew. m.w.N. 24 Länderarbeitsgemeinschaft Abfall, Definition und Abgrenzung von Abfallverwertung und Abfallbeseitigung sowie von Abfall und Produkt nach dem KrW-/ AbfG, am 17./18.3.1997 von der LAGA für den Vollzug empfohlen. 25 Vgl. den Überblick bei Dieckmann, ZUR 2000, 70 ff. und Reese ZUR 2000, 410,412 ff. 26 Bund-Länder-Papier, Abfallbegriff, Abfallverwertung und Abfallbeseitigung nach dem KrW-/AbfG, gebilligt von der 49. Umweltministerkonferenz am 5./ 6.11.1997 in Erfurt. 27 Petersen, ZUR 2000, 61 ff.; Dieckmann, ZUR 2000, 70 ff.; Jaron, Müll und Abfall, 1999, 740 ff. 28 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallbegriff sowie zur Abfallverwertung und Abfallbeseitigung nach dem KrW -I AbfG, Stand 2.12.1999.
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jedoch als viel zu verwertungsfreundlich 30 und damit als "kommunalfeindlich,,31 kritisiert. Aufgrund massiver Proteste der Länder und der kommunalen Spitzenverbände erklärte der BMU schließlich, das Verfahren zum Erlass der Verwaltungsvorschrift nicht fortzuführen 32 .
b) Entscheidung der Kontroverse durch die Rechtsprechung Die deutsche Rechtsprechung wurde in dieser Kontroverse mit einer Fülle von Vollzugsentscheidungen konfrontiert. Sie hat sich indessen - auch ohne norminterpretierende Vorgaben - einer verwertungsoffenen Auslegung der deutschen Abgrenzungsregelungen angeschlossen und Auslastungsbemühungen der Länderverwaltung via Abgrenzung zurückgewiesen 33 . Dies gilt zum einen für die Interpretation der "Hausmüllklausel", die von vielen Ländern und Kommunen als "Garant" der kommunalen Entsorgungssicherheit angesehen wird: Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 KrW -/ AbfG bleibt "vom Vorrang der energetischen Verwertung ... unberührt die thermische Behandlung von Abfällen zur Beseitigung, insbesondere von Hausmüll". Die Mehrheit der Länder und Kommunen vertritt die Auffassung, dass nach dieser Regelung Hausmüll kraft gesetzlicher Vermutung stets als Abfall zur Beseitigung anzusehen 34 und somit auch bei gewerblicher Herkunft überlassungspflichtig sei. Die Länderauffassung ist von den Gerichten jedoch nicht akzeptiert worden. Die gesetzliche Regelung darf nur so verstanden werden, dass Hausmüll vom Vorrang der energetischen Verwertung freigestellt wird 35 . Die energetische Verwertung von Hausmüll ist unter den VoraussetAusführlich zu Hintergrund, Zielen und Inhalten Petersen, ZUR 2000, 61 ff. Vgl. die Kritik von DoldeNetter, NVwZ 2000, 1104; der Aufsatz basierte auf einem Rechtsgutachten beider Autoren für das Land Baden-Württemberg; kritisch auch LahllZeschmar-Lahl/Weiler, Müllmagazin 2000, 37; der Beitrag basierte ebenfalls auf einem im Auftrag von Baden-Württemberg erstellten Gutachten. 31 Vgl. nur die Pressemitteilung des Landkreistages und Städtetages Baden-Württemberg 2/2000: Verwaltungsvorschrift als "Höhepunkt einer regelrechten Kampagne" gegen die Kommunen; s. auch Handelsblatt v. 14.3.2000 ,,Länder protestieren gegen die Neuordnung der Abfallentsorgung" . 32 54. UMK am 6./7.2000 in Berlin, TOP 4.31.4 Nr. 4; demgegenüber forderte die Wirtschaftsministerkonferenz am 18./19.5. in Zittau, TOP 15, die Bundesregierung auf, umgehend die Verwaltungsvorschrift zu erlassen; in diesem Sinne neuerdings auch Antrag der F.D.P.-Fraktion, BT-Drs. 14/1556. 33 Vgl. dazu den aktuellen Überblick bei Dieckmann, ZUR 2000, 70 ff.; Reese, ZUR 2000, 410 ff. 34 So noch Bund-Länder-Papier, S. 19; zustimmend DoldeNetter; Rechtsfragen der Verwertung und Beseitigung von Abfällen, S. 92 ff.; dies., NVwZ 2000, 1104, 1109. 35 Vgl. insbes. OVG Münster, NVwZ 1998, 1202, im Ergebnis auch OVG Hamburg, Urt. v. 12.7.1999 (5 Bs 182/99); so bereits Petersen, NVwZ 1998, 1113, 29
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zungen des § 4 Abs. 4 und § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG daher durchaus möglich, lediglich einer entsprechenden Pflicht unterliegt der Abfallbesitzer nicht. Unberührt bleibt jedoch die Pflicht zur stofflichen Verwertung nach § 4 Abs. 3 KrW -I AbfG 36 . Die Hausmüllklausel verhindert somit, dass dem nach der TA Siedlungsabfall vor einer Deponierung in der Regel thermisch zu behandelnden Hausmüll aufgrund der Pflicht zur energetischen Verwertung heizwertreiche Bestandteile entzogen werden. Auch Hausmüll kann daher nach allgemeinen Regeln verwertet werden - selbst in einer Müllverbrennungsanlage37 • Kontrovers diskutiert wird auch die Berücksichtigung von Schadstoffbelastungen des Abfalls als maßgebliches Kriterium seiner Qualifizierung als Abfall zur Beseitigung. Nach § 4 Abs. 3 und § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG sind "Verunreinigungen" bei der Abgrenzung zwischen Verwertung und Beseitigung zwar zu berücksichtigen, da Stör- und Fremdstoffe die Nutzung des stofflichen oder energetischen Potentials erheblich beeinträchtigen können. Da unter den Begriff der Verunreinigungen auch Schadstoffe fallen können, haben einige Länder sogar Schadstofflisten erstellt, die einen Abfall - unbeschadet seines nutzbaren Verwertungspotentials - allein aufgrund der Schadstoffbelastung als "Beseitigungsabfall" qualifizieren 38 • Dies begegnet EG-rechtlich wie bundesrechtlich Zweifeln. Hintergrund ist zunächst Art. 4 der Abfallrahmenrichtlinie, der verlangt, dass eine Verwertung ohnehin stets umweltverträglich zu erfolgen hat. Die Schadstoffbelastung von Abfällen ist daher für die Qualifizierung einer Entsorgungsmaßnahme als Verwertung oder Beseitigung - grundSätzlich - ohne Relevanz. Gleiches gilt für das KrW-/AbfG. Da nach § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG jede Verwertung schadlos erfolgen muss, lässt sich nicht vertreten, bereits bei Feststellung von bestimmten Schadstoffbestandteilen im Abfall die Verwertungseigenschaft des Abfalls auszuschließen. Das Abgrenzungskriterium des Schadstoffpotentials muss im Lichte des Gebotes der Schadlosigkeit restriktiv interpretiert wer1118; Schink. VerwArch 88 (1997), 230, 260 f.; Kersting. NVwZ 1998, 1153; Dieckmann. ZUR 2000, 70, 73. 36 Vgl. zur Hausmüllverwertung Klöck. NuR 1999, 441 ff.; Krahnefeld. NuR 1996, 269 ff. 37 OVG Lüneburg, NVwZ 1998. 1203; OVG Münster. NVwZ 1998, 1209; vgl. dazu auch die Klage der EG-Kommission gegen Luxemburg vom 12. 12. 2000 (C458/00). 38 Vgl. dazu bereits das LAGA-Papier. zu den einzelnen Anforderungen Schink. VerwArch 88 (1997). 230 sowie den Entwurf der "LAGA-Abfalliste" "Maßstäbe und Kriterien für die energetische Verwertung von Abfällen in Zementwerken". Stand 7.10.1997; kritisch GiesbertslHilf, UPR 1999. 168; Petersen. NVwZ 1998, 1113, 1120; Fluck. DVBI. 2000, 1650, 1657; distanzierend auch die 53. UMK in ihrem Beschluss vom 27./28.10.1999 zu TOP 14-17, Nr. 4 und 6: Schadstoffgehalte nicht als Abgrenzungsgrenzwert, sondern als Vorgaben für die Schadlosigkeit in Rechtsverordnungen (vgl. §§ 7, 5 Abs. 3 KrW-/AbfG). 14 Kloepfcr
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den 39 . Es kann nur in solchen Fällen eine Abschneidegrenze der Verwertungsmaßnahme sein, in denen Ungewissheit darüber besteht, ob die vorgesehenen Entsorgungsmaßnahmen die Schadlosigkeit der Verwertung sicherstellen können - wie etwa bei hochkomplexen Abfallgemischen oder bei hochwirksamen Stoffverbindungen4o . Dieser Linie scheint nun auch die Rechtsprechung zu folgen 41 • Den wohl gravierendsten Rückschlag haben die Auslastungsbemühungen qua Gesetzesauslegung durch das Urteil des BVerwG vom 15.6.2000 zu den sogenannten kategorischen Getrennthaltungspflichten erlitten42 . Eine Vielzahl von Ländern hatte bislang die Auffassung vertreten, dass Abfälle nur dann verwertet werden dürfen, wenn sie "kategorisch", also unabhängig von Erfordernissen der umweltverträglichen Verwertung und ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche und technische Machbarkeit, von Abfällen zur Beseitigung getrennt worden sind43 . Ziel war dabei nicht die Optimierung der Verwertung, sondern die Zuweisung der "Beseitigungsabfälle" an die Kommune. Bewehrt wurde das Getrennthaltungsgebot mit der Anordnung, dass bei einer unzulässigen Vermischung von Abfällen zur Verwertung mit solchen zur Beseitigung das gesamte Gemisch als "nicht mehr verwertungsfähig" einzustufen und damit als Abfall zur Beseitigung dem öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen sei. Andernfalls würden nämlich die im Gemisch enthaltenen Abfälle zur Beseitigung den Überlassungspflichten des zuständigen Entsorgungsträgers entzogen 44 . Nachdem diese 39 Vgl. auch Bothe/Spengler, Rechtliche Steuerung von Abfallströmen, S. 20 f.; Schoch, Europarechtliche Probleme der Abfallentsorgung (Manuskript), S. 16, spricht zutreffend vom "funktionalen Verwertungsbegriff'. 40 So bereits ausführlich Petersen, NVwZ 1998, 1113, 1119; zustimmend Fluck, DVBI. 2000, 1650, 1657. 41 s. zur Abgrenzung im Exportfall: VGH BW, Urt. v. 25.1.2001 (10 S 822/99); VG Neustadt, Urt. v. 20.8.1999 (7 K 1562/99) und VG Stuttgart, Urt. v. 18.7.2000 (13 K 3216/98); die Entscheidung über die Sprungrevision gegen das Urteil des VG Neustadt sowie über die Revision gegen das Urteil des VG B-W ist vom BVerwG mit Rücksicht auf das Klageverfahren Belgische Zementindustrie (Rs. C- 228/00) ausgesetzt worden; für die nationale Rechtslage vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 1.2.2001 (19 K 5171/00). 42 BVerwG, NVwZ 2000, 1356, 1357; vgl. bereits vorher Urt. v. 29.4.1999 (7 C 22/98). 43 Ausgangspunkt war die Position der LAGA, gemischte Abfälle könnten nicht verwertet werden; vgl. dazu Reese, ZUR, 2000, 410, 412; Dieckmann, ZUR, 2000, 70, 73 m. w.N. 44 Vgl. in diesem Sinne VG Regensburg, NVwZ 1998, 431, bestätigt durch BayVGH, NVwZ 1998, 1209; VG Sigmaringen, NVwZ 1998, 429, bestätigt durch VGH BW, NVwZ 1998, 1206; vgl. zum Überblick Queitsch, UPR 2000, I, 3 ff.; zur dogmatischen Begründung Dolde/Vetter, Abgrenzung, S. 75 f.; dies., NVwZ 2000, 1104, 1110; dagegen Petersen; ZUR 2000, 61, 67 (Fn. 77); Cancik, BayVBI. 2000, 711 ff.
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Praxis von den süddeutschen Obergerichten ursprünglich gebilligt worden war45 , revidierte der Bayerische VGH46 in einem Aufsehen erregenden Fall, bei dem aufgrund der Verwaltungspraxis ein Abfallgemisch mit 75 % verwertbaren Abfälle unbehandelt deponiert werden sollte, seine bisherige Rechtsprechung47 . Das BVerwG verwarf die hiergegen eingelegte Revision und legte dar, dass das KrW-/AbfG kategorische Getrennthaltungspflichten nicht vorsehe, und dass Abfälle, die nachträglich ohne Verstoß gegen Getrennthaltungspflichten vermischt worden seien, verwertet werden dürfen 48 . c) Fazit für Kooperationsformen zwischen Bund und Ländern
Schaut man sich die Konkretisierungsversuche von Bund und Ländern, das Scheitern der Konsensbemühungen und schließlich die Reaktionen der Rechtsprechung an, so stellt sich die Frage nach der Funktionsfähigkeit der Kooperationsformen zwischen Bund und Ländern sowie der Länder untereinander. Die auf der Ebene der Umweltministerkonferenz und der nachgeordneten Ebenen - wie etwa der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) - angesiedelten Kooperationsformen haben sich für die Konsensfindung als wenig tauglich erwiesen. Dies liegt wohl kaum an der Komplexität der Materie Abfallrecht. Im Bereich des Immissionsschutzrechts etwa sind kaum weniger schwierige Rechtsfragen zu beantworten, dennoch hat sich dort das Zusammenwirken von Bund und Ländern als ausgesprochen fruchtbar für die Rechtsentwicklung erwiesen. Das besondere Phänomen ist im Abfallbereich eben, dass die Länder nicht nur Vollzugsaufgaben, sondern auch Entsorgungsfunktionen wahrnehmen. Dies fördert eine überaus starke landesspezifische Binnensicht bei der Bewertung der anstehenden Rechtsprobleme. Nicht selten erklären Länder, dass sie auch bei entgegenstehenden LAGA-Beschlüssen an ihrer Länderauffassung festhalten werden. Selbstverständlich ist kein Land verpflichtet, seinen Landesvollzug an derartigen Beschlüssen auszurichten. Problematisch ist allerdings, dass mit diesem Vorbehalt sehr schnell mehrheitliche, ja sogar einstimmige Entscheidungen zustande kommen können. Diese erwecken nach außen den Eindruck einer wohl fundierten unitarischen Ländermeinung. Diese besteht in Wirklichkeit 45 Differenzierend bereits OVG Koblenz, NVwZ 1999, 679 sowie NVwZ 1999, 682; distanzierend VGH BW, DÖV 1999, 830, 833; OVG Hamburg, Urt. v. 12.7.1999 (5 Bs 182/99); OVG Münster, Urt. v. 5.8.1999 (20 B 2007/98). 46 VGH München, ZUR 2000, 211 m. Anm. Dieckmann/Just. 47 Kritisch bereits Weidemann, GewArch 1997, 311, 315 f.; Petersen, NVwZ 1998, 1113, 1121 Fn. 98; Kersting, NVwZ 1998, 1153; Giesberts, NVwZ 1999, 600,603 ff. 48 BVerwG, NVwZ 2000, 1356, 1357; vgl. hierzu Reese, ZUR 2000, 410, 412; zustimmend Weidemann, NVwZ 2000, 1131; überaus kritisch indessen Kibele, NVwZ 2001, 42.
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jedoch nur in bestimmten Schnittmengen - soweit es eben in das jeweilige landespolitische Konzept passt. Bedauerlicherweise prägt diese Positionierung mitunter auch die Qualität der Diskussion, denn mangels Verbindlichkeit können risikolos auch Beschlüsse gefasst werden, die sich rechtlich oder fachlich als wenig tragfähig erweisen. Eine wirkliche Vereinheitlichung des Vollzugs durch Bund-Länder-Koordination oder durch Selbstkoordination der Länder untereinander gelingt somit nur selten. Der Bund wiederum vermag die Diskussion nur in Einzelfällen zu beeinflussen, zumal er bei der LAGA - etwa im Gegensatz zum Länderausschuss für Immissionsschutz - kein Stimmrecht hat. 4. Verhältnis der Ländergesetzgebung und des Vollzug zum EG-Recht Da sich das KrW -/ AbfG maßgeblich aus dem EG-Abfallrecht ableitetet, haben Kontroversen zwischen Bund und Ländern häufig zugleich europarechtliche Implikationen. Dies gilt insbesondere für die kontrovers diskutierte Aufteilung der Entsorgungsverantwortung: Während für Abfälle zur Verwertung die Warenverkehrsfreiheit gilt, sind Abfälle zur Beseitigung den Beschränkungen der Entsorgungsautarkie unterworfen. Beide Prinzipien stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Dabei setzt die EG vor allem auf den Vorrang der Abfallverwertung und die Warenverkehrsfreiheit und strebt eine möglichst weitgehende Nutzung aller Verwertungseinrichtungen - auch grenzüberschreitend - an. Dies muss zwangsläufig mit den Länderinteressen kollidieren. Immer häufiger nimmt die EG-Kommission oft auf Beschwerde von betroffenen deutschen Unternehmen - die Gesetzgebung und den Verwaltungsvollzug der Länder unter die Lupe. Dabei geht es vor allem um Fälle, in denen die Verwertung von Abfällen auch im grenzüberschreitenden Verkehr beschränkt wird. Leider richten sich die Beschwerden nicht an das Land, sondern an die Bundesregierung. Sie sitzt bei Konflikten mit der EG-Kommission geradezu zwischen den Stühlen. Einerseits nimmt sie die Außenrechtsvertretung für die Bundesrepublik wahr und ist verpflichtet, das EU-Recht in ihrer nationalen Bundes- und Landesgesetzgebung sowie im Vollzug umzusetzen, haftet daher auch für Verstöße die durch Länderrecht und -vollzug begangen werden. Andererseits hat sie jedoch auch die Aufgabe, sich für die Interessen der Länder in Brüssel oder Luxemburg einzusetzen. Beides miteinander zu vereinbaren, ist fast immer eine schwierige Gratwanderung.
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a) Beispiel: Landesrechtliehe Andienungspflichten für besonders überwachungsbedüiftige Abfälle zur Verwertung
Prominentes - wenn auch mittlerweile fast historisches - Beispiel für einen EG-Konflikt um Landesrecht sind die Beschwerdeverfahren über die von verschiedenen Ländern noch vor Inkrafttreten des KrW -/ AbfG normierten Andienungspflichten für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Verwertung49 • Andienungsregelungen verpflichten Abfallerzeuger dazu, die Verwertung der Abfälle - über das ohnehin geltende Entsorgungsnachweisverfahren hinaus - einer zentralen Stelle anzumelden. Diese kann den vorgeschlagene Verwertungsweg bestätigen oder einen anderen Verwertungsweg bestimmen5o • Mit Hilfe von AndienungspfIichten können Abfälle daher in landeseigene Verwertungsanlagen gelenkt werden, auch wenn andere Anlagen ebenfalls eine umweltverträgliche Verwertung sicherstellen können. Nach § 13 Abs. 4 Satz 4 KrW-/AbfG genießen vor dem Inkrafttreten des KrW -/ AbfG erlassene Andienungsregelungen einen gewissen Bestandsschutz51 • Neue Andienungsregelungen dürfen die Länder erst erlassen, wenn eine ordnungsgemäße Verwertung nicht anderweitig sichergestellt werden kann und der Bund die andienungspflichtigen Abfälle durch Rechtsverordnung bestimmt hat. Von dieser Möglichkeit hat der Bund bislang keinen Gebrauch gemacht. Bereits im Jahre 1997 machte die Europäische Kommission im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens wegen der in Sachsen-Anhalt geltenden Andienungspflichten für Abfälle zur Verwertung geltend, dass derartige Regelungen die grenzüberschreitende Abfallverbringung beeinträchtigten und mit der Warenverkehrsfreiheit des EG-Vertrags nicht zu vereinbaren seien52 . Das betroffene Land lenkte schließlich ein und nahm in seine Andienungsverordnung eine Ausnahmeregelung auf, nach der im Falle einer notifizierungsbedürftigen Verbringung von Abfällen zur Verwertung ins Ausland die Andienung mit der Notifizierung als erfüllt gilt und eine Zuweisung an bestimmte Anlagen nicht stattfindet53 . Die Kommission verfolgte das Verfah49 Bisher nicht beanstandet wurden landesrechtIiche Andienungspflichten für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Beseitigung; allerdings hat das BVerwG in seinem Beschluß vom 29.7.1999, NuR 2000,41, die baden-württembergische Andienungsverordnung wegen nicht völlig ausgeschlossener Zweifel an deren EG-Konformität dem EuGH vorgelegt. 50 Vgl. dazu Bartram/Schade, UPR 1995, 253; Unruh, ZUR 2000, 83, 84 m.w.N. 51 Siehe dazu BVerwG, DÖV 2000, 32, 34; Ossenbühl, DVBI. 1996, 19, 22; Breuer, Die Zulässigkeit landesrechtlicher Andienungs- und Überlassungspflichten gemäß § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG, Köln 1998, S. 5 ff. 52 Beschwerdeverfahren P/96/4661. 53 Vgl. dazu Winter, NuR 1998,233 ff.
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ren darautbin nicht mehr weiter. Zwei Jahre später leitete die Kommission jedoch erneut ein Mahnverfahren gegen den Bund und andere Länder ein54 . Diesmal machte sie mit Blick auf die Verwertung von Abfällen innerhalb Deutschlands geltend, dass die Andienungsregelungen mit der EG-Abfallverbringungsverordnung nicht zu vereinbaren seien. Die Kommission argumentierte, dass die Andienungspflichten den zuständigen Behörden den Einspruch gegen eine Verbringung von Abfällen zur Verwertung unabhängig von den nach Artikel 7 Abs. 4 der EG-Abfallverbringungsverordnung möglichen Einwänden gestatteten. Aus Artikel 13 der Verordnung folge jedoch die Verpflichtung des Mitgliedstaates, seine Regelungen für die nationale Verbringung in Kohärenz mit der gemeinschaftlichen Regelung zu bringen und damit für Abfälle zur Verwertung keine weitergehenden Einwandsgründe zuzulassen. Die Bundesregierung hat - in Übereinstimmung mit den Ländern - die Auffassung der Kommission zurückgewiesen. Die Kommission überdehnt nämlich den rechtlichen Gehalt des Kohärenzprinzips: Das Kohärenzprinzip erzwingt keineswegs die Übertragung der Vorschriften des grenzüberschreitenden Verbringung auf nationale Verbringungen. Die "Kohärenz" verpflichtet lediglich zur Wahrung bestimmter Mindestkriterien der Abfallverbringungsverordnung. Da es sich bei den Andienungspflichten um strengere Regelungen handelt, verstoßen diese nicht gegen das Kohärenzprinzip. Das Beschwerdeverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es könnte sich jedoch mittlerweile weitgehend erledigt haben. Inzwischen haben nämlich fast alle Länder ihre Andienungspflichten für Abfälle zur Verwertung ganz aufgehoben 55 . Grund war nicht allein die dauernde Diskussion um deren EG-rechtliche Zulässigkeit, sondern auch das Urteil des BVerwG vom 19.7.1999, das die niedersächsische Verordnung zur Andienung besonders überwachungsbedürftiger Abfalle zur Verwertung für nichtig erklärte56 . Die im Urteil aufgezeigten Grenzen des bundesrechtlichen Bestandsschutzes schienen auch bei anderen Landesregelungen überschritten zu sein. Einzig Rheinland-Pfalz, dessen Andienungspflicht vom BVerwG weder bundes- noch EG-rechtlich beanstandet wurde 57, hält seine Regelung noch aufrecht.
Beschwerdeverfahren 98/5056. Es handelt sich um die Länder Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin und Brandenburg. 56 BVerwG DÖV 2000, 32. 57 Urteil des BVerwG vom 13.4.2000, UPR 2001, 25; eine Vorlage an den EuGH erfolgte nicht. 54 55
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b) Beispiel: Vollzug der Länder bei der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen
Teilweise wird aber auch der Vollzug der Länder unmittelbar beanstandet. Wichtigstes Beispiel ist das Vertragsverletzungsverfahren in Sachen Belgische Zementwerke, das die Kommission aufgrund der Vollzugspraxis zweier Länder angestrengt hat58 . Im vorliegenden Fall hatten deutsche Behörden vorgemischte Abfälle, die in einem belgischen Zementwerk als Brennstoffersatz eingesetzt werden sollten, unter Berufung auf die Abgrenzungsbestimmungen des KrW -/ AbfG angesichts des Schadstoffpotentials als Abfall zur Beseitigung eingestuft und den Export nach Belgien untersagt. Die Kommission hatte in ihrer Beschwerde ausgeführt, dass sich die Abgrenzung zwischen Verwertung und Beseitigung jedoch allein nach der Zuordnung zum Anhang 11 A oder 11 B der EG-Abfallrahmenrichtlinie bestimme. Dementsprechend komme es weder auf den Heizwert der Abfälle, deren Schadstoffpotential noch auf den Feuerungswirkungsgrad der Anlage an. Entscheidend sei allein, ob der betreffende Abfall in der konkreten Verbrennungsanlage Brennstoff ersetze. Aus Ländersicht hat das Verfahren deshalb eine zentrale Bedeutung, da durch den Export schadstoffbehafteter Abfälle zur energetischen Verwertung die von den Ländern errichte Entsorgungsinfrastruktur ausgezehrt werden kann. Aus Bundessicht wird diese Sorge durchaus geteilt. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel, ob die von den Länder vertretene "beseitigungsorientierte" Rechtsauffassung - insbesondere zur Schadstoffbetrachtung - tragfähig ist. Problematisch ist dabei insbesondere, dass der Ländervollzug den Anschein erweckt, dass das KrW-/AbfG, auf das sich die Vollzugsentscheidungen berufen, EG-rechtswidrig ist. Zwar ist zu konzedieren, dass bereits die Regelungsdivergenz zwischen europäischen und nationalem Recht Probleme aufwirft. Die EG-Abfallrahmenrichtlinie stellt für die Abgrenzung zwischen der Verwertung und Beseitigung von Abfällen lediglich formal darauf ab, ob Abfälle einem in Anhang 11 A dargestellten Beseitigungsverfahren oder einem Verwertungsverfahren nach Anhang 11 B zugeführt werden. Die Bundesregierung ist allerdings - mit den Ländern - der Auffassung, dass die Anhänge der Abfallrahmenrichtlinie nicht abschließend sind und erhebliche Überschneidungen aufweisen, so dass die Regelungslücke durch die allgemeinen Abgrenzungsbestimmungen des KrW-/ AbfG geschlossen werden musste 59 . Auch die EG-Kommission hat das Pro58 Beschwerdeverfahren 95/4727 und 96/4319; mittlerweile ist die Klage beim EuGH anhängig (Rs. C-228/(0); zur deutschen Argumentation vgl. Dieckmann/Graner. NVwZ 1997,221,224. 59 Kritisch Bothe/Spengler. Rechtliche Steuerung von Abfallsträmen, S. 16, 32 ff., 35 ff.; dazu Frenz. NuR, 1999,301 ff.; Petersen. ZUR 2000,611,64 ff.
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blem erkannt und denkt über eine Weiterentwicklung der Anhänge nach, die sogar Elemente des KrW-/AbfG aufgreift60 • Wenngleich das Verfahren nach kontroversen Diskussionen seit einiger Zeit auf Eis liegt, hat die Kommission damit zu erkennen gegeben, dass sie selbst die EG-Abfallrahmenrichtlinie für konkretisierungsbedürftig hält. In diesem Fall besteht indes auch für die Mitgliedstaaten eine Befugnis zur Konkretisierung, weil andernfalls das Gemeinschaftsrecht nicht wirksam umgesetzt werden kann. Einen derartigen Freiraum "in Ermangelung spezifischer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen" hat der EuGH im Zusammenhang mit dem Abfallbegriff bereits anerkannt61 • Allerdings ist der Freiraum begrenzt: Die nationale Konkretisierung muss sich im Einklang mit den Zielen des EGAbfallrechts bewegen62 . Die Abgrenzungsbestimmungen des KrW-/AbfG sind daher zulässig, sie dürfen aber nicht so ausgelegt werden, dass sie die Ziele des EG-Rechts beeinträchtigen. Da das EG-Abfallrecht auf den Vorrang der Verwertung setzt, ist gegenüber zu restriktiven und disfunktionalen Eingrenzungen Zurückhaltung angezeigt. Dies muss auch der Ländervollzug beachten. Nimmt er hierauf keine Rücksicht, wird der nationale Konkretisierungsfreiraum aufs Spiel gesetzt. Freilich, Klarheit über die Reichweite des Freiraums und damit auch über die EG-Rechtskonformität der deutschen Abgrenzungsbestimmungen kann letztlich nur eine Entscheidung des EuGH bringen.
IV. Konfliktlinien bei der Weiterentwicklung des Bundesrechts Der Grundkonflikt zwischen Verwertungsvorrang und Absicherung der Kommunalen Entsorgung hat neuerdings auch zu einer Diskussion über die Novellierung des KrW-/AbfG geführt. Auch hier wird zwischen Bund und Ländern um die richtigen und rechtssicheren Wege gestritten.
60 Vgl. dazu das working document (XIE3/KW D (99» sowie das aktuelle Diskussionspapier der Kommission vom 6.7.2001. 61 EuGH v. 15.6.2000; verbundene Rechtssache C-418/97 und C-419/97; dazu Petersen, ZUR 2000, 61, 62 f.; Reese, ZUR 2000, 410, 411 ff. 62 EuGH v. 15.6.2000, Rz. 70: "In Ermangelung spezifischer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen für den Nachweis, dass es sich um Abfall handelt, ist es Sache des nationalen Gerichts, insoweit die Bestimmungen seines eigenen Rechtssystems anzuwenden, wobei es darauf zu achten hat, dass die Zielsetzung und die Wirksamkeit der Richtlinie nicht beeinträchtigt werden".
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1. Die Länderinitiative zur Ausweitung der kommunalen Überlassungspflichten
Nachdem immer deutlicher geworden ist, dass die Rechtsprechung die Gesetzesinterpretation der Länder in der Abgrenzungsfrage nicht teilt, wandte sich Anfang letzen Jahres die Diskussion der Frage zu, ob nicht eine Änderung des KrW -I AbfG möglich ist. Die UMK beschloss auf ihrer 54. Sitzung am 6./7.4.2000, dass die Abfallentsorgung "auch in Zukunft essentieller Bestandteil der von den Kommunen wahrzunehmenden Aufgaben der Daseinsvorsorge bleiben wird", und dass den Kommunen zur Erfüllung dieser Aufgabe "sowohl in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch hinsichtlich der überlassungspflichtigen Abfallarten die notwendige Planungssicherheit eingeräumt wird". Die letztes Jahr von einer Länderarbeitsgruppe entwickelten Gesetzesänderungsvorschläge waren durchaus innovativ63 : Sie sahen zunächst eine Verstärkung für die Überlassungspflicht für Abfalle aus privaten Haushaltungen vor, Ausnahmen von der Überlassungspflicht sollten nur noch bei der Eigenverwertung von Bioabfallen möglich sein64 • Flankierend sollte die Drittverwertung von Haushaltsabfällen über gewerbliche Sammlungen unter einen nunmehr unbeschränkten Zustimmungsvorbehalt der Kommune gestellt werden 65 . Kern war aber die vollständige Abkoppelung der kommunalen Überlassungspflichten für Abfälle aus sonstigen Herkunftsbereichen von der Abgrenzung Verwertung und Beseitigung: Die Überlassungspflicht sollte auf bestimmte "hausmüllähnliche" Gewerbeabfalle, die nach Abfallschlüsseln66 spezifiziert waren, konzentriert werden - unabhängig von der Frage, ob diese zur Verwertung oder Beseitigung bestimmt sind. Das gleiche sollte für alle anderen gewerblichen Abfalle gelten, die mit den o.g. Abfallarten gemeinsam angefallen bzw. gemischt sind. Im Gegenzug sollte auf die Überlassungspflicht für "Abfälle zur Beseitigung" verzichtet werden. Die in § 15 Abs. 1 KrW-IAbfG nonnierte kommunale Verwertungs63 Vgl. zur Begründung der Vorschläge Kreuzer. Müllmagazin 2000, 48 ff.; Petersen. in: Frenz/Martens/Pretz (Hrsg.), Abfallentsorgung im Bergbau, S. 67, 79 ff.; Metzmann. AbfallPrax 2000, 187. 64 Vgl. zum Streitstand über die Möglichkeit der Drittverwertung: bejahend etwa Krahnefeld. NuR 1996, 269, 273; Kunig. in: Kunig/PaetowlVersteyl, KrW-/AbfG, § 13 Rn. 15 m.w.N.; dagegen Queitsch. UPR 1995,412,416; Schink. AbfallPrax 1999, 130, 133 f.; VGH BW, NVwZ 1200 ff. 65 Vgl. zum Erfordernis des "Entgegenstehen überwiegender öffentlicher Interessen" bei Ablehnung Kunig. in: Kunig/PaetowlVersteyl, KrW-/AbfG, § 13 Rn. 36 m.w.N. 66 Insbesondere Aufsaug-, Filtermaterialien, gemischte Materialien aus dem Bereich der Verpackung, gemischte Bau- und Abbruchabfälle, gemischte Siedlungsabfälle, Straßenreinigungsabfälle.
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pflicht sollte begrenzt werden und sich bei Abfallgemischen auf den "verwertbaren Anteil" beschränken. Wenn sich dabei die Beseitigung als umweltverträglicher als die Verwertung erweisen sollte, sollten die gemischten Abfälle insgesamt der Beseitigung zugeführt werden 67 . Die UMK hatte allerdings den BMU und die Länder gebeten, bei der Kommission "auszuloten", ob die vorgelegten Ländervorschläge EG-konform seien 68 . Hierbei wurde deutlich, dass das EG-Recht auch einer NovelIierung des KrW-/AbfG enge Beschränkungen auferlegt69 : In einem ausführlichen Sondierungsgespräch, das das BMU gemeinsam mit den Umweltministerien Schleswig-Holstein und Sachsen am 5.10.2000 führte 70 , erklärte die Kommission, dass kommunale Überlassungspflichten - soweit sie auch Abfälle zur Verwertung erfassen - gegen die Waren verkehrs- und Wettbewerbsfreiheit des EG-Vertrages verstoßen 71. Die Erörterung dieses Befundes verlief erwartungsgemäß sehr kontrovers. Der BMU wurde gar kritisiert, durch das Gespräch mit der Kommission "die staatliche Souveränität aufgegeben zu haben" und der Kommission mit seinem Fragenkatalog die ablehnende Antwort quasi in den Mund gelegt zu haben. Einzelne Länder verlangten, die Gesetzesänderung - "nun erst recht" - gegen das erklärte Votum der EG durchzuführen. Die 55. UMK beschloss allerdings, nochmals - nunmehr aber auf politischer Ebene - ein Gespräch mit der Kommission zu suchen72 . Dieses Gespräch, das das BMU nach intensiven Abstimmungen mit Ländern und kommunalen Spitzenverbänden bereits für den 25. Januar mit der EU-Kommission vereinbart hatte, wurde jedoch wieder abgesagt. Nach intensiven Beratungen Anfang Januar 2001 empfahlen die Länder einvernehmlich, den Termin bei der Kommis67 Vgl. zur Reichweite der kommunalen Entsorgungspflicht Kunig, in: Kunig/ Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, § 15 Rn. 13 m. w. N. 68 54. UMK am 6./7.2000 in Berlin, TOP 4.31.4 Nr. 5. 69 Vgl. hierzu einerseits das für die Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erstellte Gutachten von Gaßner/Willand/Pippke, Vereinbarkeit einer Neuordnung der abfallrechtlichen Überlassungspflichten mit dem EGRecht, Berlin, September 2000, und das für die Verbände BDE und bvse erstellte Gutachten von Tettinger, Überlassungspflichten für hausmüllähnliche Gewerbeabfälle zur Verwertung an öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Köln, September 2000. 70 Vgl. hierzu den Besprechungsvermerk des BMU (WAll 2 und WA II I) v. 6.10.2000. 71 Vgl. hierzu die beiden zentralen Entscheidungen des EuGH Slg. 1998, 1-4075 (4129 ff.) - Dusseldorp; EuGH, Rs. 209/98, - Sydhavnens Sten & Grus; vgl. hierzu ausführlich Petersen, Die kommunale Abfallentsorgung - Auf der Gratwanderung zwischen Daseinsvorsorge und Liberalisierung, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Sonderveröffentlichung zum 25-jährigen Bestehen der Gesellschaft (im Erscheinen). 72 55. UMK, 25./26.10.2000 in Berlin TOP 24 Nr. 4.
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sion nicht wahrzunehmen. Die Länder sind nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gelangt, dass die kommunale Entsorgung aufgrund der EG-rechtlichen Zweifel nicht durch Überlassungspflichten für gemischte Gewerbeabfälle abgesichert werden kann. Sie sind nunmehr der Auffassung, dass "aus umwelt- und gesundheitspolitischen Gründen und zur Förderung einer effektiven und ordnungsgemäßen Verwertung ein Getrennthaltungsgebot auch für hausmüllähnliche Gewerbeabfälle erlassen werden soll,,73. 2. Die Initiative zur Einführung kategorischer Getrennthaltungsptlichten
Der BMU hält die Einführung von konkreten Getrennthaltungspflichten ebenfalls für notwendig. Fraglich ist jedoch ihre inhaltliche Ausgestaltung. Ein erster Formulierungsvorschlag der Länder wurde bereits im Oktober letzten Jahres vom Umweltausschuss des Bundesrates im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum "Artikelgesetz" - dem Gesetz zur Umsetzung der IVU-Richtlinie, der UVP-Änderungsrichtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz74 - beschlossen. § 13 Abs. 1 KrW-1 AbfG sollte dahin ergänzt werden, dass "überlassungspflichtige Abfälle vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an von anderen Abfällen getrennt zu halten sind, soweit der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nichts anderes bestimmt. ,,75 Der Vorschlag kommt nicht von ungefähr. Es handelt sich um die Einführung einer "kategorischen" - d. h. nicht an Umwelterfordernisse der Verwertung gebundenen - Getrennthaltungspflicht, die das BVerwG in seinem Urteil vom 15.6.200076 auf Basis der geltenden Rechtslage verworfen hatte. Das Gericht hatte zur bestehenden Getrennthaltungspflicht des § 5 Abs. 2 S. 3 KrW -I AbfG ausgeführt, dass damit zwar auch die "interkategoriale" Getrennthaltung zwischen Abfällen zur Verwertung und solchen zur Beseitigung gefordert werden könne; Voraussetzung sei aber, dass die Getrennthal73 Vgl. Schreiben des damaligen UMK-Vorsitzenden, Umweltsenator Strieder (Berlin), vom 4.1.2001; so auch 56. UMK am 17.118.5.2001 in Bremen, TOP 10, NT. I. 74 BR-Drs. 674/00; BT-Drs. 14/4599 und 14/5204; vgl. zur IVU-RL nur Dürkop/ KrachtlWasielewski, UPR 1995, 42; zur Umsetzung in Deutschland Dolde, NVwZ 1997,313; Schmidt-Preuß, DVBI. 1998,857; Wahl, NVwZ 2000, 502; Wasielewski, NVwZ 2000, 15; Erbguth, ZUR 2000,379. 75 BR-Drs. 674/1/00 Nr. 296; eine entsprechende Regelung sollte auch in § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG für besonders überwachungsbedürftige Abfälle vorgesehen werden, die einer landesrechtlichen Andienungspflicht unterfallen (Nr. 297). 76 BVerwG, NVwZ 2000, 1356, 1357; vgl. hierzu Reese, ZUR 2000, 410, 412; zustimmend Weidemann, NVwZ 2000, 1131.
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tung zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung erforderlich und für den Abfallbesitzer technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sei. Viele Länder und Kommunen sehen mit dem Urteil das Ende der kommunalen Abfallentsorgung eingeläutet77 . Da die Bedingungen der Getrennthaltung unklar seien, habe das Urteil der Vennischung und Schein verwertung Vorschub geleistet; gewerbliche Abfallbesitzer würden nun mit dem Argument, sämtliche vennischten Abfälle verwerten zu können, kommunale Überlassungspflichten umgehen. Nur durch "kategorische" Getrennthaltungspflichten" könne eine hochwertige Verwertung getrennter Fraktionen durchgesetzt und die kommunale Planungssicherheit wieder hergestellt werden 78. Zweifelhaft ist jedoch bereits, ob die kommunalen Probleme mit dem Vorschlag überhaupt gelöst werden können. Unklar ist nämlich, welche konkreten Abfälle überhaupt getrennt zu halten sind. Die Pflicht bezieht sich auf "überlassungspflichtige" Abfälle, mithin "Abfälle zur Beseitigung". Da nach wie vor umstritten ist, was ein Abfall zur Beseitigung ist, bleibt ungewiss, was getrennt zu halten ist. Der Streit um die Abgrenzung zwischen Verwertung und Beseitigung wird daher nur auf eine andere Regelungsebene verlagert79 • Problematisch ist zudem die rechtliche Tragfähigkeit des Vorschlages: Kategorische Getrennthaltungspflichten sieht das EG-Recht nicht vor, so dass eine entsprechende nationale Regelung aus dem Grundkonzept des EG-Rechts ausscheren und keine systemkonfonne Schutzverstärkung darstellen würde 8o • Besondere Bedenken löst schließlich der Sanktionsmechanismus aus, den die Länder an einen Verstoß gegen die Getrennthaltungspflicht knüpfen. Es gilt nach wie vor die - unter dem Gesichtspunkt des Verursacherprinzips und des Verwertungsvorrangs bedenkliche 8l - These, dass bei einer unzulässigen Vennischung von Abfällen zur Verwertung mit "überlassungspflichtigen" Abfällen das gesamte Gemisch als rechtlich "nicht mehr verwertungsfähig" einzustufen und damit dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen ist82 . Ein Verstoß gegen die Getrennthaltungsvorgabe verbietet dem Abfallerzeuger somit Vgl. insbesondere Kibele, NVwZ 2001, 42. Vgl. aus kommunaler Sicht bereits Schink, der Landkreis 2000, 410, 412 ff. 79 Dies übersieht Schink, der landkreis 2000, 410, 413; hierzu bereits Gaßner in der Sachverständigen anhörung zum Artikelgesetz vom 24.01.2001 ("nicht ganz durchdacht"), Protokoll 14/50 des Umweltausschusses des Deutschen Bundestages S. 38; s. auch die rechtliche Kontroverse über die Getrennthaltungspflichten zwischen den Sachverständigen Schink, S. 37 f., und Schmidt-Preuß, S. 39 f. 80 Vgl. dazu Calliess, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 176, Rn. 4 m.w.N.; Winter, DÖV 1998, 377, 381; a. A. GaßnerlPippke, Rechtsgutachten, S. 30 ff.; die Gutachter blenden dabei aus, dass der gesetzlich vorgegebene Maßstab der Umweltverträglichkeit bei kategorischen Getrennthaltungspflichten gerade negiert werden soll. 81 Dazu bereits Petersen, NVwZ 1998, 11l3, 1121 (Fn. 98); ders., ZUR 2000, 61, 67 (Fn. 77); Cancik, BayVBI. 2000, 711, 717; hiergegen wiederum Dolde/Vetter, NVwZ 2000, 1104, 1110. 77
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die weitere Verwertung des Gesamtgemisches. Zweifel gelten zumal aus Sicht des EG-Rechts: Aufgrund der Sanktionsfolge wirkt die kategorische Getrennthaltungspflicht mittelbar wie eine Überlassungspflicht für nachträglich - also nach dem Zeitpunkt der Entledigung - vennischte Abfälle. Gerade dies war jedoch von der Kommission für unzulässig gehalten worden. Kategorische Getrennthaltungspflichten verstoßen daher - wie die einst vorgeschlagenen Überlassungspflichten für hausmüllähnliche Gewerbeabfälle gegen die Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit 83 . Eine Getrennthaltung kann nur gefordert werden, soweit dies im einzelnen zur ordnungsgemäßen, schadlosen und hochwertigen Verwertung erforderlich ist84 . Im Gesetzgebungsverfahren zum Artikelgesetz stieß der Vorschlag der Umweltseite der Länder denn auch auf den einhelligen Widerspruch des Wirtschaftsausschusses 85 . Eine Klärung der widerstreitenden Länderpositionen kam im ersten Durchgang des Bundesratsverfahrens nicht zustande, so dass der Bundesrat gegenüber dem Bundestag keine Empfehlungen abgeben konnte 86 . Zwar wurde der Vorschlag auch im Vorfeld der Bundestagsberatungen diskutiert. Nach intensiven internen Erörterungen sah man jedoch von weitergehenden Gesetzesänderungsanträgen ab. Ausschlaggebend war sicherlich der Zeitdruck, unter dem das Artikelgesetz stand. Die Fristen für die Umsetzung der EG-Richtlinien waren größtenteils abgelaufen 87 • Zudem drohte aufgrund der bereits im Jahr 1998 ergangenen Entscheidung des EuGH, mit dem Deutschland wegen nicht hinreichender Umsetzung der UVP-Richtlinie verurteilt wurde 88 - sogar eine Zwangsgeldverurteilung 89 . Es setzte sich schließlich die Einsicht durch, das Ge82 Vgl. DoldelVetter, Aktuelle Fragen der Verwertung und Beseitigung, S. 162 ff.; dies., NVwZ 2000, 1104, 1110; Schink, der landkreis 2000, 410, 413 f. fordert die gesetzliche Verankerung der Sanktion. 83 Auf diese Problematik gehen GaßnerlPippke in ihrem o.g. Rechtsgutachten nicht ein. 84 Auch die 56. UMK am 17.118.5.2001 in Bremen, TOP 10 Nr. 2, stellt nunmehr fest, dass eine Getrennthaltungspflicht "rechts- insbesondere europarechtskonform ist, soweit dies im Einzelnen zur schadlosen und möglichst hochwertigen Verwertung erforderlich ist". Die noch für die vorgeschaltete ACK von NW vorgeschlagene kategorische Getrennthaltung wurde einvernehmlich abgelehnt. 85 BR-Drs. 674/1/00 Nr. 296. 86 BT-Drs. 14/5204 Anlage 2; der Bundesrat überwies stattdessen seine gesamte Strichdrucksache BR-Drs. 674/1/00 "als Material für das weitere Gesetzgebungsverfahren". 87 Die Umsetzungsfrist der lVU-RL 96/61/EG endete am 30.10.1999, die der UVP-ÄnderungsRL 97/11/EG am 14.3.1999; mittlerweile hat die Kommission in beiden Fällen ein Beschwerdeverfahren eingeleitet. 88 Urteil des EuGH, C-301/95 von 1998 betr. die nicht vollständige Umsetzung der UVP-RL 85/337/EWG. 89 EuGH, Rs. C-41/01; beantragt ist ein Zwangsgeld in Höhe von 237.600 Euro pro Tag.
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setzgebungsverfahren besser nicht durch sachfremde Diskussionen zu belasten. Das Thema ist allerdings nur vertagt. Der Deutsche Bundestag hat im Zusammenhang mit dem Artikelgesetzes den Beschluss gefasst, dass "nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ... das Kreislaufwirtschaftsgesetz dahingehend zu novellieren (ist), dass Getrennthaltungspflichten für Abfälle zur Verwertung und Abfälle zur Beseitigung am Ort des Entstehens geregelt werden". Er hat allerdings die Bedingung angefügt, "soweit dies EU-rechtlich möglich ist,,9o. Die Frage der Getrennthaltungspflicht bleibt daher in der Diskussion 91 .
V. Perspektiven für die Weiterentwicklung des nationalen Abfallrechts Der Überblick über die Konfliktlinien zeigt, dass die grundsätzlichen abfallrechtlichen Streitfragen dem nationalen Gesetzgeber und Vollzug eigentlich weitgehend entzogen sind. Insbesondere die kontroverse Abgrenzung zwischen Verwertung und Beseitigung wird - wie die Initiative der Kommission deutlich macht - zukünftig wesentlich stärker durch die Gremien der EG selbst vorgenommen werden. Nationale Konkretisierungsspielräume werden daher schwinden. Dabei setzt die Kommission stark auf den Verwertungs vorrang und wird einschränkende Abgrenzungen nur in wenigen Ausnahmen zulassen. Immerhin könnte bereits die angekündigte Änderung des Anhangs 11 B bei der energetischen Verwertung im Bereich der Siedlungsabfallentsorgung für die Kommunen Entlastung bringen. Eine Steuerung der Abfallströme wird im wesentlichen nur noch über Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Entsorgung möglich sein. Hier setzt auch die EG-Kommission an: Beispielhaft ist die Deponierichtlinie· wie auch die Verbrennungsrichtlinie. Die gleichermaßen für die Verwertung wie für die Beseitigung geltenden scharfen Emissionsgrenzwerte der Verbrennungsrichtlinie schließen eine BilIigverwertung bei der Mitverbrennung zukünftig aus. So muss auch Deutschland - und zwar Bund und Länder gemeinsam zur Sicherung seiner nationalen Entsorgung - sei sie öffentlich oder privat 90 BT-Drs. 14/5772; ferner fordert der Bundestag, dass durch die Novellierung "Andienungs- und Überlassungspflichten" geregelt werden sowie "Klarstellungen bezüglich der energetischen Verwertung und bezüglich der Definition des Hausmülls erfolgen" müssen. 91 s. dazu den Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion vom 4.5.2001, der nach wie vor am Ländervorschlag festhält. Die betroffenen Bundesressorts BMU, BMWi und BMF haben in einer ähnlichen Bewertung erhebliche verfassungsrechtliche und EG-rechtliche Zweifel am vorgelegten Entwurf geäußert.
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betrieben - den Weg der Umweltanforderungen gehen. Hier existieren noch Spielräume, denn der nationale Gesetzgeber darf die durch Art. 3 und 4 der EG-Abfallrahmenrichtlinie vorgegebenen Mindeststandards des EG-Rechts überschreiten. Die Umweltanforderungen müssen an den umweltpolitischen und abfallwirtschaftlichen Problemen ansetzen. Erste Schritte wurden unternommen: Im ruinösen Wettbewerb zwischen thennischer Behandlung und unbehandelter Ablagerung von Abfällen wird die mittlerweile in Kraft getretene Ablagerungsverordnung 92 Abhilfe schaffen. Sie soll vor allem die im Vollzug der T ASi aufgetretenen Rechtsunsicherheiten bei der Frage der Vorbehandlungspflicht für abzulagernde Abfälle beseitigen. Klar gestellt ist nunmehr, dass Abfälle vor einer Ablagerung entweder thennisch oder nach sehr anspruchsvollen Anforderungen - mechanisch-biologisch zu behandeln sind. Diese Verpflichtung gilt ab sofort, so dass die vielfach anzutreffende Ablagerung unbehandelter Abfälle nicht mehr zulässig ist. Übergangsfristen gelten nur eingeschränkt. Die Behörde muss im Einzelfall bis 2005 Ausnahmen gestatten, soweit eine Ablagerung unbehandelter Abfälle erfolgen soll. Hierdurch werden viele alte Ausnahmegenehmigungen auf den Prüfstand gestellt93 . Gegen die Billigdeponierung dürfte auch die in Vorbereitung befindliche Deponieverordnung94 Abhilfe schaffen. Sie regelt in Umsetzung der EG-Deponierichtlinie rechtsverbindlich die Anforderungen an die Errichtung, den Betrieb und die Stilllegung von Deponien. Entscheidend ist dabei, dass entsprechend der Vorgaben der Deponierichtlinie ab 2009 der Weiterbetrieb solcher Deponien nicht mehr zulässig ist, die den Anforderungen an Betrieb und Beschaffenheit noch nicht entsprechen95 . Weiterhin gilt es, das Verwertungsrecht zu konkretisieren, dessen offene Bestimmungen als Schlupfloch in die billige "Scheinverwertung" genutzt werden. Durch konkrete Verwertungsanforderungen, insbesondere Getrennthaltungspflichten, Sortierungsanforderungen und Verwertungs- und Nutzungsbeschränkungen können Abfälle in umweltverträgliche und hochwertige Stoffkreisläufe gelenkt werden. Dass die Regulierung möglich ist, hat das BMU mit dem Entwurf der Altholzverordnung unter Beweis gestellt, die als Pilotverordnung für weitere Verwertungsverordnungen dient. Ein größerer Handlungsbedarf besteht allerdings bei der untertägigen Entsorgung von Abfällen als Bergversatz. Diese - auch rechtlich umstrittene Verwertungsart96 wird vor allem für besonders überwachungs bedürftige Ab92 Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen und über biologische Abfallbehandlungsanlagen v. 20.2.200 I, BGB!. I, S. 310. 93 Vg!. dazu Schink, AbfallPrax 1999, 13 ff. 94 s. hierzu K. Wagner, in: Wiemer/Kem (Hrsg.), Bio- und Restabfallbehandlung, Witzenhausen 2001, S. 633, 642 ff. 95 Art. 14 der DeponieRL; dazu Schink, AbfallPrax 1999, 13 ff.; s. bereits die Befristung für die Ablagerung von Siedlungsabfällen auf bestimmten Altdeponien bis zum 15.7.2009 in § 6 Abs. 2 Nr. 2 AblagerungsVO.
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falle genutzt und gefährdet aufgrund des Preisvorteils jedes andere hochwertige Verwertungsverfahren. Da die stillgelegten Bergwerke nicht als Untertagedeponien plan festgestellt sind, sondern allein dem Bergrecht unterliegen, werden zudem gravierende Umweltprobleme befürchtet. Die Bundesregierung wird durch die Versatzverordnung sicherstellen, dass der Versatz nur in sicheren Gesteinsformationen erfolgt. Darüber hinaus sollen Abfälle mit hohen Metallgehalten vom Bergversatz ausgeschlossen werden, wenn hochwertigere Verfahren zur Verfügung stehen97 . Im Mittelpunkt des Interesses wird jedoch die geplante Verordnung über die Verwertung von hausmüll ähnlichen Gewerbeabfallen stehen. Das BVerwG hatte in seinem Urteil vom 15.6.2000 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Maßstäbe der gesetzlichen Getrennthaltungspflicht des § 5 Abs. 2 Satz 4 KrW -I AbfG - die ordnungsgemäße, schadlose und hochwertige Abfallverwertung - durch Rechtsverordnung zu konkretisieren sind98 . Kern der Verordnung sollen somit Getrennthaltungspflichten für "klassische" Wertstoffe wie etwa Pappe, Papier, Metalle, Kunststoffe sein, die als Monochargen getrennt einer hochwertigen Verwertung zuzuführen sind. Gemische mit definierter Stoffqualität sind einer Vorbehandlung mit anschließender stofflicher oder energetischer Verwertung zuzuführen. Hierbei wird eine anspruchsvolle Sortierquote für die anschließende Verwertung vorgegeben - diskutiert wird gegenwärtig 85 %. Können die aus dem Maßstab der Schadlosigkeit und Hochwertigkeit abgeleiteten Anforderungen nicht erfüllt werden, sind die Abfalle nach § 11 Abs. 1 KrW-1 AbfG gemeinwohlverträglich zu beseitigen und müssen nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-1 AbfG den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden. Das Verordnungsverfahren steht vor dem Hintergrund der abfallwirtschaftlichen Entwicklungen unter großem Zeit- und Erwartungsdruck99 . Es konkurriert mit der erwogenen Einführung einer kategorischen Getrennthaltungspflicht in das KrW-/AbfG. Vor dem Hintergrund der EG-Rechtslage und der Zielgenauigkeit kann jedoch mit Verordnungen, die Umweltanforderungen an die Verwertung stellen, dem Bedürfnis nach Rechts- und Pla96 Für die Annahme der Verwertung etwa BVerwGE 96, 80; BVerwG, NVwZ 2000, 1057; Versteyl. NVwZ 2000, 1010; VGH BW, ZUR 1999, 103 m. Anm. Schink; kritisch Queitsch. UPR 1995,412.413; Seibert. UPR 1994,415,419; Freytag. NuR 1996, 334, 338; hiergegen die Kommission mit Beschwerdeverfahren 981 4992. 97 Zu den Einzelheiten R. Wagner. in: Frenz/Martens/Pretz (Hrsg.), Abfallentsorgung im Bergbau, S. 85 ff. 98 BVerwG NVwZ 2000, 1178. 99 Vgl. 55. UMK am 25./26.10.2000 TOP 24 Nr. 2: Die Länderumweltministerinnen und -minister haben den BMU um frühzeitige Beteiligung bei der Erarbeitung der Verordnungen sowie um deren Vorlage an den Bundesrat bis zum Sommer 2001 gebeten.
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nungssicherheit stärker entsprochen werden als mit den problematischen Änderungen des Krw-/AbfGl(lO.
VI. Liberalisierung der Abfallentsorgung - Ein Ausweg aus der Interessenkollision? Wie der Überblick zeigt, ist der Konflikt zwischen Bund und Ländern im Abfallbereich sicher kein Problem des Föderalismus und kann auch nicht als Beleg für eine Fundamentalkritik herangezogen werden. Er ist eigentlich auch kein Problem des materiellen Rechts. Unbestimmte Rechtsbegriffe und zwingende EG-rechtliche Vorgaben sind auch anderen Umweltrechtsbereichen nicht fremd, ohne dass dies zu ähnlichen Verhältnissen wie in der Abfallwirtschaft geführt hätte. Selbst noch nicht hinreichend geklärte Grundsatzfragen - wie die Aufteilung der Entsorgungsverantwortung - wären sicherlich vernünftig lösbar. Eigentlicher Grund für die Kontroversen im Abfallbereich zwischen Bund und Ländern aber häufig auch der Länder untereinander, ist letztlich der Interessenkonflikt der Länder zwischen der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben der Gesetzgebung und Verwaltung einerseits und der Erfüllung ihrer Entsorgungsverantwortung andererseits. Für die Rechtseinheitlichkeit und Rechtssicherheit des Abfallrechts wäre viel gewonnen, wenn der Interessenkonflikt aufgelöst würde, der Staat sich also zumindest aus Teilbereichen der Entsorgung zurückzöge. Angesichts der erheblichen Investitionen, die Länder und Kommunen für ihre Entsorgungsstruktur geleistet haben, wird dies Thema mit aller Vorsicht behandelt werden müssen. Erste Vorschläge liegen seitens der interessierten Verbände schon vor lOl , auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat zu diesem Thema Position bezogen 102. Die Kontroverse ist natürlich nicht ausgeblieben. Dennoch: Mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme und einer offenen und vorurteilsfreien Debatte über Risiken aber auch Chancen einer Liberalisierung könnte der abfallpolitische Knoten - wenn auch nicht ganz gelöst - so doch erheblich gelockert werden lO3 . So wohl auch die 56. UMK am 17./18.5.2001 in Bremen, TOP 10. Vgl. BDI, Deckmantel Daseinsvorsorge, Berlin 2000; DIHT, Privatisierung der Abfallwirtschaft, Berlin/Bonn 200 I; BDE, Daseinsvorsorge contra Liberalisierung?, Köln 2001; bvse, Minimum an Daseinsvorsorge, Maximum an Privatisierung, Bonn/Berlin 2001; s. dazu auch der Antrag der F.D.P.-Fraktion, Marktwirtschaftliehe Reorganisation der deutschen Abfallwirtschaft, BT-Drs. 14/5056. 102 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1998, Kapitel 316; ders., Umweltgutachten 2000, Tz. 814 f. 103 Vgl. zu den unterschiedlichen Liberalisierungsansätzen Petersen, Die kommunale Abfallentsorgung - Auf der Gratwanderung zwischen Daseinsvorsorge und Liberalisierung, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Sonderveröffentlichung zum 25-jährigen Bestehen der Gesellschaft (im Erscheinen). 100 101
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Abfallwirtschaft und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft Von Walter Frenz
I. Eckpunkte und Dimensionen Bereits am 29. Mai 1998 und damit unmittelbar nach den beiden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung 1 veranstaltete Michael Kloepfer ein Symposium zum Thema "Abfallrecht und Föderalismus". In dem dazu erschienenen Tagungsband2 wird die ganze Breite dieses Themenkomplexes deutlich. Sowohl grundsätzliche Fragen als auch Probleme in der betrieblichen Praxis wurden aus unterschiedlichster Perspektive dargelegt. Auch heute wurden bereits die Sicht der Wirtschaft und der Verwaltung behandelt. Aus Sicht der Wissenschaft sollen daher die grundsätzlichen Fragen aufgegriffen werden, die seit dem von Kloepfer 1998 veranstalteten Symposium besonders ins Blickfeld gerückt sind. Da die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gerade 3 Wochen vor Stattfinden des damaligen Symposiums ergangen waren, konnten diese damals noch nicht näher beleuchtet werden. Zudem gesellte sich zu diesen Judikaten die Entscheidung zum Lizenzentgelt in NRW,3 die den Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung unerwähnt ließ. Dadurch rücken wiederum die Kompetenzvorschriften und deren Ausschöpfung in den Vordergrund. Gleichwohl bleibt der Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung virulent und in der Diskussion, insbesondere was seine Reichweite anbetrifft. Abfallrecht und Föderalismus erfasst aber nicht nur die Grenzen der Landesgesetzgebung. Wie die verschiedenen Initiativen der Länder in letzter Zeit deutlich gemacht haben, sind auch die Einwirkungen der Länder auf die Bundesgesetzgebung ein wesentlicher Bestandteil der Thematik. Aus diesen "positiven" Komponenten des Föderalismus wie auch aus den "negativen", die Landesgesetzgebung begrenzenden ergeben sich dann die künftigen Perspektiven. 1 BVerfGE 98, 83 - Landessonderabfallabgaben; 98, 106 - Kommunale Verpackungsteuer. 2 Michael Kloepfer (Hrsg.), Abfallrecht und Föderalismus, 1999. 3 BVerfG, NVwZ 2000, 1160.
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11. Grenzen der Landesgesetzgebung 1. Rechtsprechung des BVerfG
a) Zur kommunalen Verpackungsteuer und zu Landessonderabfallabgaben
In seinen Urteilen vom 7.5.1998 zur kommunalen Verpackungsteuer und zu Abgaben der Länder auf Sonderabflille stellte das Bundesverfassungsgericht das Prinzip widerspruchsfreier Normgebung in den Vordergrund. Dieses verpflichtet alle rechtsetzenden Organe, ihre Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, die Rechtsordnung also nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird. Beim Aufeinandertreffen von Sachregelungen und Abgabenvorschriften folgt daraus, dass der Abgabengesetzgeber aufgrund einer Abgabenkompetenz nur insoweit lenkend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen darf, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft. 4 Sowohl die kommunale Verpackungsteuer als auch Abgaben der Länder auf Sonderabfalle führen bei fehlender Verhaltensänderung zu einer unausweichlichen finanziellen Belastung. Die generelle abgabenrechtliche Lenkung kann im Einzelfall gegebene und dem Umweltschutz sogar förderlichere Handlungsalternativen zurücktreten lassen. Auf einseitiger Anordnung beruhend, tritt eine Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen in den Hintergrund. Dies widerspricht dem im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz wie auch im Bundes-Immissionsschutzgesetz verwirklichten Kooperationsprinzip. Daher erklärte das Bundesverfassungsgericht sowohl die kommunale Verpackungsteuer als auch landesrechtliche Abgaben auf Sonderabflille für nichtig. 5 Die Frage der Ausschöpfung der Bundeskompetenzen und einer daraus folgenden Sperrung der Gesetzgebung anderer Körperschaften wurde demgegenüber vernachlässigt. Im Hinblick auf die kommunale Verpackungsteuer erklärt sich dies daraus, dass das Bundesverfassungsgericht diese als eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 a GG einstufte, woraus eine Landesgesetzgebungszuständigkeit und deren Übertragbarkeit auf die Kommunen resultiert. 6 Eine zusätzliche Sachgesetzgebungskompetenz hält das Bundesverfassungsgericht auch bei beabsichtigten Lenkungswirkungen in einem nicht steuerlichen Kompetenzbereich für ent4 5
6
BVerfGE 98, 83 (97 f.); näher BVerfGE 98, 106 (118 f.). BVerfGE 98, 83 (104 f.); 98, 106 (130 f.). BVerfGE 98, 106 (123) unter Verweis auf BVerfGE 65, 325 (343).
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behrlich. 7 Bei dem Urteil zu den Ländersonderabfallabgaben ließ es das Gericht offen, ob es sich um eine Steuer oder eine Sonderabgabe handelt, und klärte daher die Kompetenzfrage nicht. 8 Es betonte freilich die fehlende Zuständigkeit der Länder, wenn es sich um eine Sonderabgabe in einem vom Bund erschöpfend geregelten Bereich handelt. 9 b) Zum nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt
Während das Bundesverfassungsgericht zu den Landessonderabfallabgaben nicht näher untersuchte, inwieweit der Bund von seiner Sachgesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG abschließend Gebrauch gemacht hat und damit Landesregelungen gesperrt sind,1O ist diese Frage der alleinige Gegenstand der Senatsentscheidung vom 29.3.2000 zum nordrhein-westfalischen Lizenzentgelt. § 10 NWAbfG i. d. F. vom 21.6.1988 11 sah eine Lizenzpflicht zur Behandlung und Ablagerung ausgeschlossener Abfälle vor. Darin sah das Bundesverfassungsgericht ein weiteres "sachbezogenes" Zulassungserfordernis für die Möglichkeit der Entsorgung dieser Abfälle in dafür geplanten und dafür zugelassenen Anlagen. Demgegenüber war die Frage, unter welchen Voraussetzungen Abfälle zu entsorgen sind, in abfallrechtlicher Hinsicht bereits durch das Abfallgesetz von 1986 12 bundesrechtlich abschließend geregelt. 13 Allein schon deshalb erklärte daher das Bundesverfassungsgericht diese nordrhein-westfälische Regelung für mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 und Art. 72 Abs. 1 GG i. V.m. §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 1 und 3 sowie § 9 AbfG von 1986 unvereinbar und deshalb nichtig. 14 Der Ansatz der widerspruchsfreien Normgebung brauchte daher nicht bemüht zu werden. Vielmehr wurde deutlich betont, dass die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine Regelung der Länder im selben Sachbereich unabhängig davon eintritt, ob die landesrechtlichen Regelungen den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreiten oder sie nur ergänzen, ohne ihnen sachlich zu widersprechen. 15 Es genügt, wenn der Vollzug einer landesrechtlichen Bestimmung bewirkt, dass die bundesrechtliche Regelung auch nur nicht mehr vollständig oder lediglich verändert anBVerfGE 98, 106 (118) unter Verweis auf BVerfGE 55, 274 (299). BVerfGE 98, 83 (100 f.). 9 BVerfGE 98, 83 (100 f.). 10 Siehe BVerfGE 98, 83 (101 f.). 11 GVB!. S. 250; nunmehr geändert durch Gesetz vom 9.5.2000, GVB!. S. 439. 12 Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen vom 27.8.1986, BGBI. I S. 1410, i.d.F. vom 12.9.1996, BGBI. I S. 1354. 13 BVerfG, NVwZ 2000, 1160 (1161). 14 BVerfG, NVwZ 2000, 1160. 15 BVerfG, NVwZ 2000, 1160 (1160) unter Verweis auf BVerfGE 20, 238 (250). 7
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gewendet werden kann. 16 Den Ländern obliegt es gerade nicht, eine von ihnen für unzulänglich gehaltene Bundesregelung "nachzubessern".17 2. Sperrung der Landesgesetzgebung durch Kompetenzausschöpfung des Bundes a) Sachgesetzgebung
aa) Ansatz Mit seinem Beschluss zum nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt greift das Bundesverfassungsgericht den in erster Linie heranzuziehenden Gesichtspunkt auf, der eine Landesgesetzgebung sperren kann, nämlich eine abschließende Kompetenzausschöpfung des Bundes. Ist eine solche vorhanden, brauchen die Landesregelungen nicht mehr zur Gesetzgebung des Bundes in Bezug gesetzt und im Vergleich zu ihr inhaltlich bewertet zu werden. Sie sind dann ganz einfach ausgeschlossen. Entscheidend ist aber das Vorliegen einer erschöpfenden bundesrechtlichen Regelung. Dies ist anhand einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normkomplexes zu beurteilen. 18 Dass ein Bundesgesetz erlassen wurde, schließt die Länder von eigener Gesetzgebung allein nicht aus, solange Bereiche übrig bleiben, in denen noch Regelungen getroffen werden können. 19 Das ist ausgeschlossen, wenn ein bestimmter Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist bzw. nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, der aus Geschichte und Materialien der Gesetzgebung ablesbar ist, abschließend geregelt werden sollte. 2o bb) Abschließendes Bundesabfallrecht Das Bundesverfassungsgericht ging bereits für das Abfallgesetz von 1986 jedenfalls für die Voraussetzungen, unter welchen Abfälle zu entsorgen sind, von einer abschließenden bundesrechtlichen Regelung aus?l Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz führte diese Regelung fort und differenzierte sie noch weiter, so dass erst recht eine abschließende bundesrechtliche Normierung vorliegt. Unter dem Abfallgesetz von 1986 bereitete imBVerfG, NVwZ 2000, 1160 (1160). BVerfG ebda. Siehe bereits BVerfGE 36, 193 (211 f.); 85, 134 (147); 98, 265 (300). 18 Siehe bereits BVerfGE 1,283 (296); 67, 299 (324); 98, 265 (301). 19 Vgl. BVerfGE 56, 110 (119). 20 BVerfG, NVwZ 2000, 1160 (1160). 21 Näher BVerfG NVwZ 2000, 1160 (1161). 16 17
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mer wieder Probleme, dass verschiedene Verordnungsermächtigungen enthalten waren. 22 Durch die neue Formulierung des Art. 72 Abs. I GG ist festgelegt, dass der Erlass eines Gesetzes genügt, um Landesregelungen zu sperren. Ungeklärt bleibt damit aber, ob bereits eine Verordnungsermächtigung genügt, wie sie v.a. in §§ 7, 12, 23 und 24 KrW-/AbfG enthalten ist. Es wird danach differenziert, ob bestehende gesetzliche Pflichten lediglich durch sog. Durchführungsverordnungen konkretisiert werden sollen und damit bereits ohne diese Länderregelungen sperren oder aber noch inhaltlich unbestimmte Pflichten erst durch Rechtsverordnungen konstitutiven Charakters vollzugsHihig gemacht werden, womit die Länder regelungsbefugt bleiben sollen. 23 Danach würden indes insbesondere die Verordnungsermächtigungen der §§ 23, 24 KrW -/ AbfG zur Ausfüllung der für sich selbst nicht vollzugsfahigen Produktverantwortung nach § 22 KrW-/AbfG Landesregelungen jedenfalls vorerst nicht sperren. Demgegenüber sollen Rechtsverordnungen nach § 7 KrW-/AbfG die Erfüllung der Pflichten nach § 5 KrW-/ AbfG absichern, wenngleich sie in ihrer Ausgestaltung zusätzliche Pflichten etwa für das Inverkehrbringen (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 KrW-/AbfG) festlegen können. Generell stellt sich aber das Problem, dass der Bundesgesetzgeber die öffentlich-rechtliche, auf Regulierung beruhende Entsorgungsverantwortung weitestgehend durch eine private Entsorgungsverantwortung ersetzen wollte. 24 Diese schließt auch eigene Gestaltungsspielräume ein,25 die nicht durch die Hintertür einer ausgreifenden Ländergesetzgebung zunichte gemacht werden sollten. Das spricht dafür, dass der Bundesgesetzgeber eine einheitliche Gesamtkonzeption schuf, die freilich nur in ihrer groben Kontur entsprechend den getreu dem Kooperationsprinzip gelassenen Freiräumen konkret festgelegt und dann sukzessive näher ausgestaltet werden 22 Siehe gleichwohl im Sinne einer Sperrung von Landesgesetzgebungsmaßnahmen BayVerfGH, DVBI. 1990, 692, (694); Wilfried Kügel, Sonderabfallabgaben und Altlasten, NVwZ 1994, 535 (539 0; Michael Deubert, Kommunale Kompetenzen im Bereich der Abfallwirtschaft, 1992, S. 76 ff., 188; Walter Frenz, Die Verwirklichung des Verursacherprinzips im Abfallrecht, 1996, S. 179 ff.; offengelassen in BVerwG, UPR 1993,66. 23 So unterscheidend Hans D. Jarass, Regelungsspie1räume des Landesgesetzgebers im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung und in anderen Bereichen, NVwZ 1996, 1041 (1046); Stefan Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG H, 4. Auf!. 2000, Art. 72 Rn. 76 f.; jeweils m. w. N. zu abweichenden Ansichten. 24 Anschaulich Wolfgang Kahl, Die Privatisierung der Entsorgungsordnung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, DVBI. 1995, 1327 (1328): "Paradigmenwechsel". 25 Die Begründung zum RegE, BT-Drucks. 12/5672, S. I, 31, 35 ff. betont die Bedeutung des Verursacherprinzips und einer privaten Verantwortung zur Erreichung eines Entsorgungsdrucks und damit einer gesteigerten Vermeidung und Verwertung von Abfällen.
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sollte. Durch diese Konzeption hat der Bundesgesetzgeber eine legislative Entscheidung getroffen, die nicht durch das Vorsehen weiterer Verordnungen ungeschehen gemacht werden und Länderregelungskompetenzen eröffnen sollte. Von daher hat der Bund seine Gesetzgebungskompetenz ausgeschöpft, obwohl jedenfalls im Bereich der Produktverantwortung das Gesetz keine vollzugsfähige Regelung enthält. Dieses Beispiel spricht dafür, die Landesregelungskompetenzen auch ohne den Erlass einer Rechtsverordnung gesperrt zu sehen, wenn ein zu Rechtsverordnungen ermächtigendes Gesetz ex- oder implizit die Möglichkeit einer Sperrwirkung durch den Erlass einer Rechtsverordnung vorsieht26 bzw. erkennen läßt. Eine Konkretisierung durch Verordnung ist dann nicht mehr erforderlich. Damit führen insbesondere die vielfaltigen Verordnungsermächtigungen nach §§ 7, 23 und 24 KrW-/AbfG dazu, dass die Länder mit Regelungen für (zusätzliche) Anforderungen an die Abfallentsorgung außen vor bleiben. Diese sind derart ausdifferenziert sowie als substanzielle Regelung und damit nicht lediglich als Blankettnorm oder bloße Wert- bzw. Zielvorstellung 27 gestaltet, dass die vom Bund als regelungsbedürftig bzw. -fahig angesehenen Bereiche einbezogen sind und im Übrigen keine Regulierung gewollt war. 28 cc) Modifikation durch Selbstverpflichtungen? Immer größere Bedeutung gewinnen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. 29 Da ist es vorstellbar, dass die Länder mit den in ihrem Gebiet angesiedelten Unternehmen Vereinbarungen über Entsorgungsziele treffen oder Selbstverpflichtungen im Hinblick auf Entsorgungsinhalte akzeptieren. Eine solche Vorgehensweise will vielfach gerade Normsetzungen vermeiden. Von daher könnte eine abschließende Regelung des Bundes unschäd26 Siehe bei Erlass von Rechtsverordnungen Hans D. Jarass, Organisation und Überwachung der Sonderabfallentsorgung durch die Länder, 1997, S. 38, der auch restriktivere Lösungsansätze aufzeigt, aber überzeugend zurückweist; Fritz Ossenbühl, Zur Kompetenz der Länder für ergänzende abfallrechtliche Regelungen, DVBI. 1996, 19 (21) ist hingegen für eine generelle Sperrung der Landesgesetzgebungskompetenzen bei Bestehen einer Verordnungsermächtigung. 27 Siehe BVerfGE 18,407 (417) und BVerfGE 49,347 (359). 28 Gegen ein abschließendes Konzept Michael Kloepfer, Abfallrecht im Bundesstaat, in: ders. (Fn. 2), S. 13 (27). 29 Dazu etwa Andreas Helberg, Normabwendende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltrechts, 1999; Jürgen Knebel/Lutz Wicke/Gerhard Michael, Se\bstverpflichtungen und normersetzende Umweltverträge als Instrumente des Umweltschutzes, 1999; Dangsoo Song, Kooperatives Verwaltungshandeln durch Absprachen und Verträge beim Vollzug des Immissionsschutzrechts, 2000; Gabriele Hucklenbruch, Umweltrelevante Selbstverpflichtungen - ein Instrument progressiven Umweltschutzes, 2000; Walter Frenz, Se\bstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001.
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lich sein. Auch ein Verzicht auf Normierung ist aber eine Entscheidung über Rechtssetzung. Deshalb setzt auch in diesem Falle eine Beteiligung oder auch nur eine Akzeptanz im Hinblick auf Selbstverpflichtungen bzw. Vereinbarungen der Wirtschaft voraus, dass die entsprechende staatliche Stelle in diesem Bereich kompetent ist. Das gilt erst recht bei Vereinbarungen über die näheren Modalitäten der Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen, soweit solche gesetzlich überhaupt in Betracht kommen. Ansonsten könnten die Länder die Gesetze des Bundes im Zusammenwirken mit der Wirtschaft weitgehend unterlaufen. Damit richtet sich auch bei einer Ersetzung von Gesetzen durch ein kooperatives Handeln mit der Wirtschaft die Befugnis der Länder nach den allgemeinen Kompetenzverteilungsnormen und damit nach Art. 70 ff. GG. Daran ändert auch die Nennung von freiwilligen Maßnahmen in § 25 KrW-/AbfG nichts. Diese Vorschrift sieht in Abs. 1 vielmehr Zielfestlegungen durch die Bundesregierung vor, deren Erreichen am ehesten bei freiwilligen Verpflichtungen der betroffenen Wirtschaftssubjekte sichergestellt ist. § 25 Abs. 2 KrW -/ AbfG betrifft nur den Vollzug durch die Behörden. §§ 23, 24 KrW-/AbfG enthalten zahlreiche Verordnungsermächtigungen, deren Gehalt auch durch Selbstverpflichtungen der Wirtschaft umgesetzt werden können. Eine Verordnungsgebung ist insoweit nicht positiv vorgegeben. Ob sie erfolgt, steht daher im Ermessen des Verordnungsgebers. Dieses kann auch im Sinne einer Präferenz von Selbstverpflichtungen ausgeübt werden. 3o Das lässt den Bund im Bereich abfallspezifischer Selbstverpflichtungen als vorrangigen Akteur erscheinen und die Länder in den Hintergrund treten. Durch entsprechende Maßnahmen des Bundes ist vielmehr umgekehrt die Gesetzgebungskompetenz der Länder gesperrt. Da dieses Instrument der Zielfestlegungen und der freiwilligen Mitwirkung Privater eigens normativ bestimmt ist, hat insoweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Von daher kann die Frage dahinstehen, ob bereits eine Selbstverpflichtung bzw. freiwillige Vereinbarung als solche ohne begleitende Normierung oder ohne ein entsprechendes Handeln vorgebende Gesetzgebung eine Ausübung der Gesetzgebungszuständigkeit im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG darstellt. 31
30 Anders für Projektabsprachen Joachim Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993) S. 190 (236 ff.); siehe aber lediglich für Einzelfälle das Verbot einer abweichenden Form annehmend BVerfGE 79, 174 (193 f.); 42, 169 (174); insgesamt näher Thomas von Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 180 ff.; im Zusammenhang mit Selbstverpflichtungen ausführlich Hucklenbruch (Fn. 29), S. 173 ff. 3\ Dagegen Martin Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 149; Matthias Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (218).
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b) Abgabengesetzgebung aa) Länderkompetenzen Schwieriger zu bestimmen sind die Spielräume der Länder im Bereich der Abgabengesetzgebung. Soweit es sich um örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern handelt, worunter sowohl das Bundesverfassungsgericht32 als auch das Bundesverwaltungsgeriche 3 die kommunale Verpackungsteuer subsumierten, ergibt sich die Gesetzgebungsbefugnis der Länder aus Art. 105 Abs. 2a GG, solange und soweit keine Gleichartigkeit mit bundesgesetzlich geregelten Steuern besteht. 34 Darüber hinaus besteht eine Landesgesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 i. V. m. Art. 106 Abs. 2 GG. Den dort genannten Steuerarten lassen sich aber Abfallsteuern nicht recht zuordnen. Die Verkehrsteuern scheiden weitgehend durch spezielle Zuweisungen an den Bund aus. 35 Ein breiteres Feld für die Länder zur Erhebung von Steuern ergibt sich demnach nur dann, wenn man diesen ein eigenes Steuererfindungsrecht auch außerhalb der Steuertypen des Art. 106 GG zugesteht. 36 BVerfGE 98, 106 (123 ff.). BVerwGE 96, 272 (280) m. w.N. Gegenauffassung etwa Paul Tiedemann, Die Verpackungs abgabe als Instrument kommunaler Abfallvermeidungspolitik, DÖV 1990, I (5, 7). 34 Verneinend für die kommunale Verpackungsteuer BVerfGE 98, 106 (124 f.); bereits BVerwGE 96, 272 (285 ff.); abI. Frenz, (Fn. 22), S. 176 ff. 35 Siehe etwa Bodo Pieroth, in: Hans D. larass/Bodo Pieroth, GG, 5. Auf). 2000, Art. 106 Rn. 4, 5. 36 AbI. ganz herrschende Meinung. Grundlegend für die Annahme eines in Art. 106 GG festgelegten Typenzwangs Klaus Vogel/Hann/ried Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 63 ff. (Zweitbearbeitung 1971); Klaus Vogel, Finanzverfassung und politisches Ermessen, 1972, S. 9 ff. Ebenso etwa Hans-Wolfgang Arndt, Steuern, Sonderabgaben und Zwangsanleihen - Zur "Abgabenerfindungskompetenz" des Bundesgesetzgebers, 1983, S. 59 f.; Dieter Birk, in: AK-GG, 2. Auf). 1989, Art. 105 Rn. 22; lUffa Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 31 ff.; Karl-Heinrich Friauf, Die Finanzverfassung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, in: Festgabe aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts Bd. 2, 1976, S. 300 (300); Peter Lerche, Fernsehabgabe und Bundeskompetenz, 1974, S. 31 f.; Fritz Ossenbühl/Udo Di Fabio, Verfassungsrechtliche Grenzen einer Erhöhung der Tabaksteuer, StuW 1988, S. 349 (352); Klaus Stern, Staatsrecht 11, 1990; spezifisch für Umweltsteuern Michael Rodi, Umweltsteuern, 1993, S. 72; Klaus Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 87 Rn. 32, 60; Heribert Zitzelsberger, Umwelt und Besteuerung. Zur Wirkungsweise von Abgaben, BB 1995, S. 1769 (1773 f.); dieser Ansatz wurde auch von BVerfGE 93, 319 (Wasserpfennig), die sich auf nichtsteuerliche Abgaben bezog, nicht in Frage gestellt; anders loachim Sanden, Perspektiven der Umweltnutzungsangaben nach der Wasserpfennigentscheidung, UPR 1996, S. 181 (184). Offen hingegen Lerke Osterloh, "Öko-Steuern" und 32 33
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Sonderabgaben bedürfen in jedem Fall einer Sachgesetzgebungszuständigkeit, hier nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG, die sich über den Wortlaut "Abfall beseitigung" hinaus auf das gesamte Recht der Abfallwirtschaft und damit auch auf die Abfallverwertung sowie die Abfallvermeidung erstreckt. 37 Dies gilt generell für nicht-steuerliche Abgaben, die sich notwendig von den Steuern unterscheiden müssen und daher auch einer anderen Kompetenzgrundlage bedürfen. 38 Damit steht auch ihnen die weitestgehende Ausschöpfung der Gesetzgebungszuständigkeit im Abfallbereich nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 durch den Bund entgegen. bb) Zur Sachregelungskompetenz für lenkende Steuern Aber auch mit Steuern kann eine sehr intensive Verhaltenslenkung betrieben werden. Diesen Zweck sollen auf Abfälle bezogene Steuern gerade verfolgen. Anschauliches Beispiel hierfür ist die kommunale Verpackungsteuer, soweit sie nicht nur zur Erhöhung städtischer Einnahmen erhoben wurde. In der auf diese Steuer bezogenen Entscheidung hält auch das Bundesverfassungsgericht indes eine zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretende Sachregelungskompetenz für entbehrlich. Es verweist auf die Zunahme mittelbarer Verhaltenssteuerung auch mit Hilfe von Steuern, die nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, sondern durch finanziellen und damit indirekten Anreiz lenkt. Ansatzpunkt bleibe aber die so eingesetzte Steuer, es sei denn, sie komme nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahe. Darüber hinaus sei dagegen eine Verhaltenssteuerung durch Steuern auch ohne Sachregelungskompetenz möglich. 39 Indes erstrecken sich Art. 105 ff. GG auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz für Steuern, nicht aber für andere Maßnahmen. Vermögen auf ihrer Grundlage verhaltenslenkende Maßnahmen in Form von Steuern ergriffen zu werden, können die an sich für die Verhaltenslenkung einschlägigen Art. 70 ff. GG überspielt werden. Das legt es nahe, danach zu unterscheiden, worin das Schwergewicht einer Maßnahme liegt: Besteht es in verfassungsrechtlicher Steuerbegriff, NVwZ 1991, S. 823 ff.; Frenz (Fn. 22), S. 156 ff.; siehe auch Klaus Tipke. Die Steuerrechtsordnung II, 1993, S. 529. 37 BVerfGE 98, 106 (120). 38 Zu diesen Unterscheidungsmerkmalen von der Steuer etwa BVerfGE 91, 186 (202 f.) für Sonderabgaben und BVerfGE 93, 319 (345 ff.) für den Sonderfall des Wasserentnahmeentgeltes, das keiner der herkömmlichen Abgabenkategorien zugeordnet wurde, sondern lediglich von der Steuer unterschieden und unter den Begriff der nicht-steuerlichen Abgabe gefasst wurde. 39 BVerfGE 98, 106 (118); siehe bereits BVerfGE 67, 256 (282); seit jeher für Nebenzwecke BVerfGE 13, 181 (196); 14, 76 (99); 31, 8 (32); auch BVerwGE 96, 272 (287 f.) m. w. N.
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der Verhaltenssteuerung, bedarf es einer - bei Steuern zusätzlichen - Sachregelungskompetenz, steht die Einnahmeerzielung im Vordergrund, genügen Art. 105 ff. GG. 40 Das Bundesverfassungsgericht hält dagegen den Steuergesetzgeber auch dann, wenn die Lenkung den Hauptzweck bildet, wegen des verbleibenden Finanzierungszwecks und der ausschließlichen Verbindlichkeit der Steuerrechtsfolgen zum Erlass von Lenkungssteuern unabhängig von einer zusätzlichen Sachregelungskompetenz für befugt. Konflikte mit der Kompetenzordnung nach Art. 70 ff. GG mildert es dadurch ab, dass es die Ausgestaltung einer Verhaltenslenkung durch Steuern beschränkt.
3. Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung a) Begründung und Entwicklung in der Rspr. des BVerfG
So hat das Bundesverfassungsgericht unmittelbar, nachdem es das Erfordernis einer Sachgesetzgebungskompetenz auch für Steuern mit einem hauptsächlichen Lenkungszweck ablehnte, die Zulässigkeit insoweit eingeschränkt, als die Länder dadurch die Rechtsordnung nicht widersprüchlich machen dürfen. Diesen sind als Steuergesetzgeber Regelungen verwehrt, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Normierungen widersprechen.41 Andernfalls könnte der Landessteuergesetzgeber die vom Bund beabsichtigten sachgesetzlichen Ziele gleichsam durch die Hintertür außer Kraft setzen. Dementsprechend führt das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung auf die bundesstaatliche Kompetenzordnung zurück. 42 Weiter zurückgegriffen wird auf das Rechtsstaatsprinzip.43 Durch dieses soll aber nach der Entscheidung zur Kommunalen Verpackungs teuer die Pflicht des Landesgesetzgebers zur Ausübung der Kompetenz in wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme 44 nur in ihrem Inhalt verdeutlicht und in ihrem Anwendungsbereich erweitert werden. 45 Damit bildet die bundesstaatliehe Kompetenzordnung den Ausgangs40 Näher Frenz. (Fn. 22), 1996, S. 163 ff.; siehe auch Stern. (Fn. 36), S. 1105; Peter Seimer. Steuerinterventionismus, und Verfassungsrecht, 1972, S. 164; Christian Starck. Überlegungen zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff, in: Festschrift für Wacke, 1972, S. 193 (206 ff.). 41 BVerfGE 98, 106 (118). 42 BVerfGE 98, 106 (118); 98, 83 (97). 43 BVerfGE, wie zuvor. 44 Vgl. BVerfGE 81, 310 (339). 45 BVerfGE 98, 106 (118); nicht mit dieser Erläuterung, sondern ohne Zusatz erwähnt in BVerfGE 98, 83 (97); allerdings war die Entscheidung 98, 106 (118 f.) in der Begründung wesentlich ausführlicher, und die Entscheidung 98, 83 (97) bezog sich auch ausdrücklich auf diese.
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punkt. Immerhin aber wird das Rechtsstaatsprinzip mit als Grundlage herangezogen und auch als erweiterndes Element gesehen. Es wird insoweit von "rechtsstaatlichen Vorgaben" als Schranken der Kompetenzausübung, wenn auch "im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen", gesprochen. 46 Das Rechtsstaatsprinzip tritt daher als eigenes Fundament hervor. Der Grundsatz widerspruchfreier Normgebung als solcher wird sogar nur als Verpflichtung aus dem Rechtsstaatsprinzip formuliert: "Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. ,,47 In einigen späteren Entscheidungen, in denen Gelegenheit bestanden hätte, den Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung wieder aufzugreifen, blieb dieser gerade gänzlich unerwähnt oder war ohne substanzielle Bedeutung. Bereits hingewiesen wurde auf den Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 29.3.2000 zur nordrhein-westfälischen Lizenzpflicht zur Behandlung und Ablagerung bestimmter Abfälle. 48 Bereits zuvor griff das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 27.10.1998 zum bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz den Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung zwar auf und verankerte ihn wiederum in der bundesstaatlichen Kompetenzordnung sowie im Rechtsstaatsprinzip.49 Indes untersuchte das Bundesverfassungsgericht vorrangig die Frage der Bundeskompetenz und deren Wahrnehmung sowie der daraus resultierenden Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber. 5o Daher bedurfte es, anders als in den Entscheidungen zu den Landessonderabfallabgaben, keines letztlich entscheidenden Rückgriffs auf den Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung. Dabei hätte man durchaus untersuchen können, inwieweit das auf Freiwilligkeit beruhende Konzept des Bundesgesetzgebers zur Schwangerenberatung durch die bayerische Regelung durchkreuzt wurde. 51 Nicht aufgegriffen wurde weiter der Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung in den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1998 zur Festlegung eines Kinderbetreuungsbedarfes. 52 Freilich handelte es sich BVerfGE 98, 106 (119). BVerfGE 98, 106 (118 f.). 48 BVerfG, NVwZ 2000, 1160 (s.o. 11. I. b.). 49 BVerfGE 98, 265 (301) unter ausdrücklichem Bezug auf die Urteile vom 7.5.1998. so Siehe BVerfGE 98, 265 (30 I ff.). SI Näher Walter Frenz. Gewerblicher Abfall, 1999, S. 84 ff. 52 Siehe BVerfGE 99, 165, 185, 202, 216, 246, 268, 273 und dazu näher Walter Frenz, Familienschutz vor Steuern aus der Hand des BVerfG, DStZ 1999, 465 (468 f.). 46
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hier um die Kohärenz von Regelungen des Bundesgesetzgebers und damit nicht verschiedener Körperschaften,53 so dass daraus keine (negativen) Schlüsse auf das Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzgebung gezogen werden können. Jedenfalls hat das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung nicht durchgehend herangezogen. b) Schranke lediglich der Ausübung einer Steuergesetzgebungskompetenz? Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 7.5.1998 bezogen sich auf das Zusammentreffen von Sach- und Abgabengesetzgebungskompetenz, nicht auf das Aufeinanderstoßen verschiedener Sachgesetzgebungskompetenzen. Die diese betreffenden Entscheidungen zogen den Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung jedenfalls nicht in substanzieller Weise heran. Das legt einen Zusammenhang nahe zwischen der besonderen Situation der Kompetenzverteilung im Bereich der lenkenden Abgaben. Soweit man die Notwendigkeit einer Sachgesetzgebungskompetenz bei einer bestehenden Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG mit dem Bundesverfassungsgericht54 verneint, bedarf es auf einer anderen Ebene eines Ausgleichs zwischen den Konzeptionen der Gesetzgeber verschiedener Körperschaften. Aus dieser Sicht füllt der Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung die Lücke, die sich aus einer unklaren Kompetenztrennung im Bereich der lenkenden Steuern ergibt und deshalb die Gefahr von Kompetenz- und Normenkonflikten heraufbeschwört. Ausgehend von diesem Hintergrund wird das Gebot widerspruchsfreier Normgebung daher auf diesen Bereich beschränkt und lediglich als Schranke der Ausübung einer Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG angesehen. 55 Das Bundesverfassungsgericht zieht freilich diesen Grundsatz unabhängig von einer festen Zuordnung der untersuchten Abgaben zur Steuergesetzgebung nach Art. 105 GG heran. Es lässt vielmehr offen, ob es sich bei den Landessonderabfallabgaben um eine Steuer oder aber eine Sonderabgabe handelt, für die von vornherein lediglich eine Sachgesetzgebungszuständigkeit erforderlich wäre. "Diese und weitere ... Fragen können hier offen bleiben, weil die Lenkungs53 Das Prinzip widerspruchsfreier Norrngebung ebenfalls auf verschiedene Bundesregelungen beziehend Thorsten Jobs, Zur Gesetzgebungskompetenz für Umweltsteuern. Konsequenzen aus den Urteilen des BVerfG vom 7.5.1998 für eine "Ökologische Steuerreform" im Bund, DÖV 1998, 1039 (1044 f.); Walter Frenz, Das Prinzip widerspruchsfreier Norrngebung und seine Folgen, DÖV 1999, 41 (44 f.); abI. Michael KloepferlKlaus T. Bräcker, Das Gebot der widerspruchsfreien Norrngebung als Schranke der Ausübung einer Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG, DÖV 2001, 1 (6 f.). Näher unten 1Il.4. 54 BVerfGE 98, 106 (118). 55 KloepferlBräcker (Fn. 53), DÖV 2001, S. I (6 f.).
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abgaben den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzrechts widersprechen und schon deshalb insgesamt verfassungswidrig sind.,,56 Deshalb findet nach der Konzeption der Bundesverfassungsgerichts der Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung potenziell auch im Verhältnis von Bundessachregelungen und Landessonderabgaben Anwendung und damit in Bereichen, die beide der Sachgesetzgebung nach Art. 70 ff. GG unterfallen. Besonders deutlich wird das im Urteil vom 27.10.1998 zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz: Abgeleitet sowohl aus der bundesstaatlichen Kompetenzordnung als auch aus dem Rechtsstaatsprinzip, formuliert das Gericht allgemein im Hinblick auf die Kompetenzausübung: "Konzeptionelle Entscheidungen eines zuständigen Bundesgesetzgebers dürfen auch durch aus Spezialzuständigkeiten gründende Einzelentscheidungen eines Landesgesetzgebers nicht verfälscht werden. Insbesondere dürfen den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. ,,57 Eine Beschränkung auf den Bereich der Ausübung einer Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG durch die Länder lässt sich mithin der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht entnehmen. Eine solche Beschränkung ist auch sachlich nicht begründet. Das Bundesverfassungsgericht leitet den Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung aus der bundesstaatlichen Kompetenzordnung und dem Rechtsstaatsprinzip ab. 58 Die bundesstaatliche Kompetenzordnung erfasst aber nicht nur den Bereich der Steuergesetzgebung, sondern auch und in keineswegs untergeordneter Weise die Sachgesetzgebung. Dementsprechend formuliert das Bundesverfassungsgericht bereits in der Entscheidung zur Kommunalen Verpackungsteuer allgemein: "Das Rechtsstaatsprinzip und die bundesstaatliche Kompetenzordnung verpflichten alle rechtssetzenden Organe, ihre Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, die Rechtsordnung also nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich sind. ,,59 Der Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit wird generell benannt. 60 Besteht eine zweigleisige Kompetenz, wird der Fall eines Widerspruches zwischen Bundessachregelung und Landesabgabennormierung aufgegriffen. Diese Konstellation ist aber nicht als abschließend bezeichnet. Vielmehr wird ausgeführt: "So kann sich ein Widerspruch dennoch ergeben.,,61 Noch deutlicher wird dies im Folgesatz: "Eine solche Kollision kann vor allem 56
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BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
98,83 (101). 98, 265 (301). 98, 106 (118); ebenso BVerfGE 98,83 (97); 98, 265 (301). 98, 83 (97). 98, 83 (98) oben. 98, 83 (98).
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auftreten, wenn mit dem Abgabengesetz Lenkungswirkungen erzielt werden sollen, die den Regelungen des zuständigen Sachgesetzgebers zuwiderlaufen. ,,62 So hält denn auch der Berichterstatter der Entscheidungen, der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, den Grundsatz der widerspruchsfreien Normgebung für eine allgemeine Vorgabe im Hinblick auf die inhaltliche Abstimmung von Bundes- und Landesrecht. 63 4. Folgen für die Landesgesetzgebung a) Abgabenlösungen
Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 7.5.1998 führten zur Nichtigerklärung der angegriffenen Landessonderabfallabgaben. Neue wurden auch nicht mehr eingeführt. Von daher ist dieses Lenkungsinstrument auf Landesebene als Zusatz zur Bundessachregelung im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz praktisch tot. Dabei müssen Abgaben nicht zwingend in Widerspruch zur Sachregelung zur Sachebene treten. Sie besitzen zwar eine Zwangswirkung in Gestalt des Geldentzugs, die bei einem Auftreten des belasteten Verhaltens unvermeidbar ist. Insoweit sind sie aber nur Mittel zum Zweck. Je nach der Höhe der Belastung entfalten sie im Einzelfall eine unterschiedliche Anreizwirkung. Diese ist daher auch nach dem individuellen Verhalten abgestuft. Es ist daher möglich, Abgaben so auszugestalten, dass sie mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz verfolgte Ziele unterstützen und ihnen nicht widersprechen. 64 Auch unter dem Aspekt einer unterstützenden Lenkungswirkung sind freilich Abgabenlösungen von vornherein dann ausgeschlossen, wenn man wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss zum nordrhein-westfalischen Lizenzentgelt vom 29.3.200065 zum Ausgangspunkt die Frage einer abschließenden Regelung im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nimmt. Dann kommt es nicht auf inhaltliche Widersprüche an, sondern lediglich auf die Reichweite der Bundessachgesetzgebung. 66 Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz erfasst mit seiner differenzierenden Regelung den Bereich der Vermeidung, Verwertung und Beseitigung nahezu vollständig. BVerfGE 98, 83 (98). Paul Kirchhof, Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 1998, 385 (388); ders., Verfassungsrechtlich Gebotenes, demokratisch Erwünschtes und politisch Erreichbares in der Steuerpolitik, IFSt-Schrift Nr. 362 (1998), S. 14 (27 f.). 64 Näher Frenz (Fn. 53), DÖV 1999, 41 (46 f.); insoweit krit. zum BVerfG auch Michael Bothe, Zulässigkeit landesrechtlicher Abfallabgaben, NJW 1998, 2333 (2334). 6S BVerfG, NVwZ 2000, 1160. 66 Siehe oben II.2.a). 62
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Im Ergebnis wird damit von vornherein ausgeschlossen, dass die Wirtschaftssubjekte eine Vielzahl verschiedener Regelungen derselben Anreizwirkung erreichen und von daher eine gewisse Verwirrung, wenn nicht gar eine gegenseitige Behinderung durch verschiedene Instrumente auftritt. 67 Unabhängig davon, welche Konzeption man vertritt, darf nicht aus dem Blick geraten, dass auch Gebührenlösungen nicht dem Bundessachrecht zuwiderlaufen dürfen. Entsprechende Lenkungszwecke in den Landesabfallgesetzen sind daher an der Konzeption des Bundes auszurichten. Solche Lenkungszwecke in das Gebührenrecht aufzunehmen ist bereits seit langem anerkannt. 68 Auch besitzen die Länder die Befugnis zur Gebührenregelung. Entscheidend ist daher die Ausgestaltung. 69 b) Verhaltens regelungen
Bundesrechtliche Sachregelungen und landesrechtliche Verhaltensvorgaben stoßen aktuell insbesondere im Bereich der Andienungs- und Überlassungspflichten für besonders überwachungsbedürftige Abfälle sowie der kommunalen erwerbswirtschaftlichen Betätigung aufeinander. Gerade an diesen Gebieten erweist sich auch die Bedeutung des Grundsatzes widerspruchsfreier Normgebung im Bereich der Satzgesetzgebung. Sie zeigt sich maßgeblich dann, wenn eine Bundesregelung wie § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG explizit Raum für landesrechtliche Normierungen lässt oder mit Bestimmungen der Länder außerhalb des eigentlichen Sachbereiches der Bundesgesetzgebung zusammentrifft, so mit den Gemeindeordnungen. aa) Andienungs- und Überlassungspflichten der Länder für besonders überwachungsbedürftige Abfälle In § 13 Abs. 4 KrW -/ AbfG wird unter den dort genannten näheren Bedingungen70 die Statuierung einer Andienungs- und Überlassungspflicht für 67 Siehe zum Klimaschutz WaLter Frenz, Klimaschutz und Instrumentenwahl, NuR 2001, 301 (307 ff.). 68 Grundlegend Michael KLoeRfer, Die lenkende Gebühr, AöR 97 (1972), 232 (246 ff.); KarL-Heinrich Friauj. Offentlicher Haushalt und Wirtschaft, VVDStRL 27 (1969), S. 1 (43); umfassend Rudolf Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, 1975, S. 65 ff.; aus der Rspr. BVerwGE 99, 88 (95 f.); auch schon BVerfGE 50, 217 (226). 69 Näher Frenz (Fn. 53), DÖV 1999,41 (45 f.). 70 Zu den Voraussetzungen BVerwGE 109, 236; BVerwG, NVwZ 2000, 1175; VGH Mannheim, DVBI. 1998, S. 343 (344); CLemens Weidemann, in: Edmund Brandt/Dietrich Ruchay/Clemens Weidemann, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Kommentar zum KrW-/AbfG, Stand August 2000, § 13 Rn. 118; Walter Frenz, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, 2. Aufl. 1998, Rn. 31 f. 16 K10cpfcr
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besonders überwachungs bedürftige Abfälle für zulässig erachtet. Demgegenüber geht das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz insbesondere im Bereich der Verwertung von einer primären Entsorgungsverantwortung für Private aus. 71 Vor diesem Hintergrund wird § 13 Abs. 4 S. 2 KrW-/AbfG, der eine Andienungs- und Überlassungspflicht für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Verwertung vorsieht, einschränkend ausgelegt. 72 Von daher ergibt sich ein Widerspruch landesrechtlicher Regelungen zu bundesgesetzlicher Sachgesetzgebung, wenn ohne Beachtung dieses Hintergrundes Andienungs- und Überlassungspflichten für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Verwertung festgelegt werden. Zwar wird diese Gesetzgebungsmöglichkeit der Länder insbesondere für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Verwertung bereits in § 13 Abs. 4 S. 2 KrW-/AbfG durch den Nachsatz eingeschränkt "soweit eine ordnungsgemäße Verwertung nicht anderweitig gewährleistet werden kann." Auch wenn damit die Normierungsbefugnis der Länder durch bundesrechtliche Vorgaben eingeschränkt ist, handeln sie doch aus originärer Gesetzgebungskompetenz. 73 Von daher handelt es sich nicht um die Ausfüllung einer bundesgesetzlichen Ermächtigung an die Länder, so dass sich nach den dabei geltenden Grundsätzen bereits Einschränkungen der Ländernormierungsbefugnisse ergeben. Vielmehr geht es um die beschränkte Inanspruchnahme einer eigenen Regelungsbefugnis der Länder und damit eine Limitierung der Kompetenzausübung. Als allgemeiner Grundsatz hat daher wiederum das Prinzip widerspruchsfreier Normgebung seine Berechtigung. Insoweit gilt insbesondere der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 27.10.1998 aufgestellte Satz: "Konzeptionelle Entscheidungen eines zuständigen Bundesgesetzgebers dürfen auch durch auf Spezialzuständigkeiten gründende Einzelentscheidungen eines Landesgesetzgebers nicht verfälscht werden.,,74 Um die grundsätzliche Entscheidung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz für eine privatautonome Abfalientsorgung insbesondere im Bereich der Verwertung nicht auszuhöhlen, können daher Andienungs- und Überlassungspflichten von den Ländern nur dann festgestellt werden, wenn sich diese private Entsorgungsverantwortung als defizitär erweist. 75 71 Rüdiger Breuer, Private Kreislaufwirtschaft und öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, in: Staat, Selbstverwaltung und Private in der Wasser- und Entsorgungswirtschaft, Das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft, Heft 24, 1997, S. 3 (4); Nicole Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, 1999, S. 23; Frenz (Fn. 22), S. 32 ff. 72 Siehe Weidemann (Fn. 70), § 13 Rn. 127; aufgrund verfassungsrechtlichen Bezugs Ossenbühl (Fn. 26), DVBI. 1996, 19 (23). 73 Näher Ossenbühl (Fn. 26), DVBI. 1996, 19 (21). 74 BVerfGE 98, 265 (301). 75 Näher Frenz (Fn. 51), S. 95 ff.
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Demgegenüber unterliegen Abfalle zur Beseitigung tendenziell eher auch öffentlich-rechtlicher Verantwortung, wie § 13 Abs. I KrW-/AbfG deutlich macht. Dementsprechend sind auch die Anforderungen für Andienungsund Überlassungspflichten in § 13 Abs. 4 S. 1 KrW-/AbfG niedriger. Das zeigt auch die Konzeption des Bundesgesetzgebers, insoweit eher die private Entsorgungsverantwortung zurücktreten und die öffentlich-rechtliche Entsorgungszuständigkeit eingreifen zu lassen. Es genügt daher insoweit ein plausibles Gesamtkonzept, wie durch Andienungs- und Überlassungspflichten die umweltverträgliche Beseitigung für bestimmte Abfallgruppen sichergestellt wird, um die Gesetzgebungsbefugnis der Länder Platz greifen zu lassen?6 Je längere Zeit die bereits statuierten Überlassungs- und Andienungspflichten der Länder nach § 13 Abs. 4 S. 4 KrW-/AbfG fortgelten, obwohl sie den Anforderungen des § 13 Abs. 4 S. 2 KrW-/AbfG widersprechen, mithin je weniger sich Defizite in der privaten Entsorgungsverantwortung zeigen, desto eher sind auch diese Altregelungen anzugleichen, um nicht mit der Gesamtkonzeption des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in Widerspruch zu geraten. 77 bb) Regelungen der Gemeindeordnungen zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung der Kommunen Die primäre private Entsorgungsverantwortung insbesondere im Bereich der Verwertung von Abfällen 78 ist auch der Ansatzpunkt dafür, dass Widersprüche zu den Regelungen der Gemeindeordnungen im Hinblick auf die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Kommunen auftreten. Es stellt sich das Problem, dass etwa nach § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GO NW 79 Einrichtungen, die dem Umweltschutz, insbesondere der Abfallentsorgung dienen, in ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung privilegiert sind. Sie unterliegen insbesondere nicht dem in § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GO NW wieder eingeführten Subsidiaritätsprinzip. Daher sah das OLG Düsseldorf etwa im Re76 Für eine entsprechende Abstufung auch Clemens Weidemann. in: ders.lMartin Beckmann, Organisation der Sonderabfallentsorgung. Rechtliche Stellungnahme zu Gestaltungsmöglichkeiten des Landesgesetzgebers auf der Grundlage des KrW-/ AbfG, 1996, S. 35 f.; näher Frenz (Fn. 51), S. 92 ff. 77 Frenz (Fn. 51), S. 97 ff. 78 Rüdiger Breuer. Private Kreislaufwirtschaft und öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, in: Staat, Selbstverwaltung und Private in der Wasser- und Entsorgungswirtschaft, Das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft, Heft 24, 1997, S.3 (4); Pippke (Fn. 71), 1999, S. 23; Frenz (Fn. 22), S. 32 ff.; Stephan Tomerius. Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung - kommunale Abfallentsorgung in der Kreislaufwirtschaft, S. 214 ff. 79 I.d.F. der Bekanntmachung vom 14.7.1994, GVBI. NRW S. 666.
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cycling von Altautos keine wirtschaftliche Betätigung im Sinne von § 107 Abs. I GO NW und daher auch kein wettbewerbs widriges Handeln entgegen § I UWG. 80 Sieht man die privilegierende Ausnahmebestimmung des § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GO NW derart weit, könnte im Bereich der Abfallverwertung durch kommunale Einrichtungen die private Entsorgungsverantwortung weitgehend ausgehöhlt werden. Daher bedarf es der Übernahme von Wertungsgesichtspunkten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz im Rahmen der Auslegung des § 107 Abs. 2 S. I Nr. 4 GO NW. Dem dient die Heranziehung des Grundsatzes widerspruchsfreier Normgebung. Kann er zur Nichtigkeit von Regelungen führen, trägt er erst recht die bundesrechtskonforme· Auslegung ansonsten zu Widersprüchen führenden Landesrechts. Das gilt jedenfalls dann, wenn die herkömmlichen, im Einzelfall vorrangigen Interpretationsregeln nicht greifen, weil nicht heide Normen auf denselben Sachverhalt Anwendung finden, gleichwohl aber die hinter ihnen stehenden Aussagen und vor allem Konzeptionen aufeinanderstoßen. Die kommunalen Regelungen zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden dürfen daher nicht in Widerspruch zur Konzeption und zu Einzelbestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ausgelegt werden. 81 Daher kann der Begriff der Abfallentsorgung nach § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GO NW nicht auf den gesamten Bereich der Verwertung erstreckt werden, sondern die Verwertung gewerblicher Abfalle ist auszunehmen. Die Abfallentsorgung nach dieser Vorschrift umfasst nur die Bereiche, die der Konzeption des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zufolge dem öffentlich-rechtlichen Sektor zugeordnet sind. Die Verwertung anderer als aus privaten Haushalten stammender Abfälle ist daher wirtschaftliche Betätigung im Sinne von § 107 Abs. 1 S. 3 GO NW und damit wettbewerbswidrig nach § 1 UWG, wenn sie außerhalb der Eigenbedarfsdeckung durch Entsorgungsdienstleistungen kommunaler Anbieter am Markt erfolgt. 82
80 OLG Düsseldorf, NVwZ 2000, 111; anders noch die Vorinstanz LG Wuppertal, DVBI. 1999,939. 81 Siehe bereits Clemens Weidemann, Die individuale Abfallwirtschaft - moderner Steuerungsabsatz oder regulatorische Überforderung?, VerwArch. 90 (1999), S. 533 (547); näher zur konzeptkonformen Auslegung als Ausfluss des Grundsatzes widerspruchsfreier Normgebung denselben, Rechtsstaatliche Anforderungen an Umweitabgaben - zu den beiden Urteilen des BVerfG vom 7.5.1998 -, DVBI. 1999, S. 73 ff. 82 Näher Walter Frenz, Wettbewerbsrechtliche Absicherung privater Entsorgun~s verantwortung. Zum Spannungsfeld - von KrW-/AbfG, GO und UWG -, DOV 2000, 802 (805 ff.).
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5. Zwischenfazit Aufgrund der Dichte der Regelung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes haben die Länder nur in sehr begrenztem Maße die Möglichkeit zu eigenen Normierungen im Bereich des Abfallrechts. Selbst für die Festsetzung von Andienungs- und Überlassungspflichten bestehen Beschränkungen nicht nur aufgrund des Wortlautes von § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG, sondern auch aufgrund der auf private Entsorgung ausgelegten Gesamtkonzeption des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes insbesondere im Bereich der Verwertung. Selbst in anderen Rechtsgebieten wie etwa dem Kommunalrecht können sich Auswirkungen der Grundkonzeption des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes insbesondere für die erwerbs wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ergeben. Abgabenlösungen auf Länderebene sind außerhalb des Gebührenrechts seit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Landessonderabfallabgaben, zur kommunalen Verpackungsteuer und zum nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt praktisch tot.
111. Einwirkungen der Länder auf die Bundesgesetzgebung Ist somit eine eigenständige Gesetzgebung der Länder im Abfallbereich weitestgehend ausgeschlossen, können die Länder Abfallrecht am ehesten noch dadurch gestalten, dass sie auf den Inhalt der Bundesgesetzgebung einwirken. 1. Allgemeiner Rahmen
Formal können die Länder die Gesetzgebung des Bundes prägen, indem sie nach Art. 76 Abs. 1 GG Gesetzesvorlagen via Bundesrat einbringen. Daneben stehen faktische Einflussnahmen der Länder, sei es auf die Regierung durch die "gleichfarbigen" Landesregierungen, sei es auf die Opposition im Bundestag. Vielfach können faktische Einflüsse auch im Wege politischer Kompromisssuche ausgeübt werden, so wenn die Bundesregierung zur Vermeidung von Ablehnungen zustimmungspflichtiger Gesetzgebungsmaterien im Bundesrat die Unterstützung von Bundesländern benötigt. Gerade bei Gesetzen, die ganze Konglomerate von Umweltmaterien enthalten, können die Länder auch immer wieder einen Ansatz sehen, ihre abfallrechtlichen Vorschriften einzubringen. Aktueller Aufhänger ist das sogenannte Artikelgesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz in deutsches Recht und dabei auch in das Abfallrecht. Hier soll nach aktueller Diskussion auf Initiative des Landes Rheinland-Pfalz dem § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG folgen-
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der neuer Satz angefügt werden: "Überlassungspflichtige Abfälle sind vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an von anderen Abfällen getrennt zu halten, soweit der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger durch Satzung nichts anderes bestimmt". Damit soll die Überlassung an öffentlich-rechtliche Körperschaften via Getrennthaltung gesichert werden. Letztlich handelt es sich um eine Reaktion auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.6.2000, nachdem auch Mischabfälle grundSätzlich als Abfälle zur Verwertung eingestuft werden können, selbst wenn die Einzelfraktionen aufgrund gegebener organisatorischer Verhältnisse nicht strikt getrennt gehalten wurden. 83
2. Bindung insbesondere an das Europarecht Die Länder versuchen im Rahmen ihrer Einwirkungen auf die Bundesgesetzgebung insbesondere, die kommunale Entsorgungswirtschaft gegen den Entzug von Abfällen durch eine immer weiter ausgreifende private Entsorgung zu sichern. Diesem Zwecke dienen Andienungs- und Überlassungspflichten sowie Begrenzungen von Verbringungen auch in Nachbarstaaten. Daraus können Konflikte mit dem Gemeinschaftsrecht entstehen, das gerade auch im Abfallrecht sehr dezidierte Grundsätze enthält, die erst jüngst wieder im sogenannten Kopenhagen-Urteil im Hinblick auf die Warenverkehrsfreiheit und das Wettbewerbsrecht deutlich zu Tage traten. 84 Ein Beispiel für einen solchen Konflikt mit Gemeinschaftsrecht ist ein Vorstoß der 54. Umweltministerkonferenz. a) Vorschläge der 54. UmweltministerkonJerenz
Um die schwierige Situation der Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger abzumildern und ihnen mehr Entsorgungssicherheit zu geben, wurde anlässlich der 54. Umweltministerkonferenz am 6./7 .4.2000 in Berlin eine länderoffene Arbeitsgemeinschaft unter Federführung von Baden-Württemberg beauftragt, diese Problematik entschärfende Entwürfe zu erarbeiten. Dieser Entwurf hält an der grundSätzlichen Unterscheidung zwischen Abfällen zur Verwertung und zur Beseitigung fest. Für Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen sollen aber Überlassungspflichten unabhängig von einer Einstufung als Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung für solche gemischten Abfälle bestehen, die einem in einem neuen Anhang des KrW -/ AbfG aufgenommenen Abfallschlüssel unterfallen. Darunter finBVerwG, DVBI. 2000, 1356 (1357); bereits BayVGH, NuR 2000, 221 (224). EuGH, NVwZ 2000, 1151 - Sydhavnens Sten & Grus; dazu ausführlich Walter Frenz. Kommunale Entsorgungsdienstleistungen und EG-Wettbewerbsrecht, NuR 2000,611. 83
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det sich unter anderem der Abfallschlüssel 17 07 01 für gemischte Bauund Abbruchabfalle sowie 2003 01, der gemischte Siedlungsabfälle erfasst. Von letzterem wird der mit der Restmülltonne bei den Haushalten und im Gewerbe angefallene Restmüll erfasst. 85 Sonstige Abfälle unterliegen ebenfalls der Überlassungspflicht, wenn sie gemeinsam mit den in den Abfallschlüsseln aufgeführten Abfallen anfallen oder mit diesen vermischt werden. Mit dem Vorschlag wird u. a. das Ziel verfolgt, eine klare Abgrenzung der Entsorgungspflichten der Entsorgungsträger, eine Begrenzung der Entsorgungspflichten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf die im Anhang genannten Abfälle und die Verhinderung von Scheinverwertungen zu erreichen.
b) Vereinbarkeit genereller Überlassungspjlichten mit europäischem Recht? Die von der Länderarbeitsgruppe gemachten Vorschläge sind in europarechtlicher Hinsicht bedenklich. Dies wurde auch in einer Stellungnahme der Kommission deutlich, die diese auf einen ihr von Vertretern des BMU sowie der Umweltministerien Schleswig-Holsteins und Sachsens vorgelegten Fragenkatalog in einem Gespräch am 6.10.2000 abgab. Dabei geht die Kommission davon aus, dass allein Abfälle zur Beseitigung einer Überlassungspflicht unterliegen können. Weiterhin nimmt sie an, dass abgesehen von PCB/PCT-Abfällen, die nicht verwertet werden dürfen, alle Abfälle grundsätzlich einer Verwertung zugänglich sind, was auch auf die im Anhang des Vorschlages aufgeführten Abfalle zutreffe. Zur Verhinderung von Scheinverwertungen gebe es mildere Mittel als die Einführung einer dauerhaften Überlassungspflicht, z.B. verschärfte Kontrollen. Auf die Frage nach der Anwendbarkeit der Grundsätze der Entsorgungsautarkie sowie der Nähe verweist die Kommission ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit nur für Abfälle zur Beseitigung sanktioniert. 86 Weiterhin sei die Einbeziehung von Verwertungsabfallen in die Überlassungspflichten im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4 EG-AbfVerbrVO problematisch, der eine Abwägung zwischen Warenverkehrsfreiheit und Umwelt- und Gesundheitsschutzbelangen verlangt, generelle Regelungen indes ausschließt. Auch eine Bezugnahme auf den in Art. 5 EG-AbfRRL geforderten Aufbau eines integrierten Netzes von Beseitigungsanlagen kann nach Ansicht der Kommission nicht als Rechtfertigung genereller Überlassungspflichten herangezogen werden, weil 85 Siehe Peter J. Tettinger. Überlassungspflichten für hausmüllähnliche Gewerbeabfälle zur Verwertung an öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und europäisches Gemeinschaftsrecht, Rechtsgutachten für den BDE und bvse, 2000, S. 4. 86 Siehe deutlich EuGH, Slg. 1998,1-4075 - Dusseldorp.
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befürchtet wird, dass unter Hinweis auf Umweltschutzgründe wirtschaftliche Gesichtspunkte kaschiert werden. Im Zusammenhang mit der Frage nach einer möglichen Wettbewerbsbeschränkung durch die Etablierung der vorgeschlagenen Überlassungspflichten geht die Kommission davon aus, dass Art. 86 Abs. 1 EG grundsätzlich auf die kommunale Abfallentsorgung anwendbar ist und darüber hinaus mit der geplanten Überlassungspflicht eine marktbeherrschende Stellung i. S. v. Art. 82 EG geschaffen wird. Eine Rechtfertigung für die vorgeschlagene generelle Überlassungspflicht i. S. v. Art. 86 Abs. 2 EG sieht die Kommission nicht, insbesondere entbinde Art. 16 EG nicht von der in diesem Rahmen vorzunehmenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Der Ansicht der Kommission muss in den meisten Fällen zugestimmt werden. Sie geht ersichtlich von der systemtragenden Unterscheidung zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung aus, die das gesamte europäische Abfallrecht durchzieht. In der Tat ist die Erstreckung von Überlassungspflichten auf Verwertungsabfälle insoweit problematisch, als sie nicht in ausreichendem Maße Vorgaben des europäischen Primärund Sekundärrechts beachtet. Zuzugeben ist den Befürwortern der Vorschläge zwar, dass dem europäischen Abfallrecht keine unmittelbaren Vorgaben zu entnehmen sind, von wem die Entsorgung in den Mitgliedstaaten getragen werden soll. Insoweit ist auch der Vorrang der Verwertung gern. Art. 3 EG-AbfRRL kein geeignetes Argument, da eine Verwertung nicht allein in privater, sondern auch in öffentlich-rechtlicher Zuständigkeit vorgenommen wird und sich damit eine Gleichsetzung von Überlassungspflicht und Beseitigungsregime verbietet; diese Pflicht kann sich von daher vielmehr auch auf die Verwertung erstrecken. 87 Beschränkungen ergeben sich jedoch in materiell-rechtlicher Hinsicht. So sind generelle Beschränkungen der Ausfuhrfreiheit allein im Bereich von Abfällen zur Beseitigung gern. Art. 4 Abs. 3 lit. a) EG-AbfVerbrVO möglich, nicht hingegen im Bereich der Verwertungsabfälle. Mit Tettinger88 ist aber zu fragen, was nun eine Überlassungspflicht von einem generellen Ausfuhrverbot unterscheidet. Eine parallele Frage im Hinblick auf die Vereinbarkeit landesrechtlicher Andienungs- und Überlassungspflichten hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt und noch genereller die Frage gestellt, inwieweit ein Andienungsverfahren dem Notifizierungsverfahren der EG-AbfVerbrVO vorgeschaltet werden darf. 89 87 Hartmut GaßnerlAchim WiliandlNicole Pippke, Vereinbarkeit einer Neuordnung der abfallrechtlichen Überlassungspflichten mit dem EG-Recht, Gutachten im Auftrag der Umweltministerien B-W, R-P und NRW, 2000, S. 21 f. 88 Tettinger (Fn. 85), S. 22. 89 BVerwG, NVwZ 1999, 1228 (1231); dazu Christian von der LüheiAnne Werner, Zur Wirksamkeit bestehender Andienungspflichten für besonders überwa-
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Auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Überlassungsregelungen mit der Warenverkehrsfreiheit sind Zweifel angebracht. Wie der Europäische Gerichtshof in seinem "Kopenhagen"-Urteil bestätigt hat, rechtfertigt der Umweltschutz nicht jede Ausfuhrbeschränkung, insbesondere nicht im Bereich der verwertbaren Abfälle. 9o Die Diskussion hat jedoch gezeigt, dass eine Rechtfertigung solcher Beschränkungen je nach Standpunkt möglich oder nicht möglich ist. Von Seiten der Befürworter der Vorschläge wird insbesondere die mit der generellen Überlassungspflicht gemischter Gewerbeabfälle bezweckte Verhinderung der Scheinverwertung zur Rechtfertigung herangezogen. 91 Diese Ansicht ist aber ersichtlich von dem Gedanken getragen, dass es sich bei jedweder privater Verwertung um eine Schein verwertung handelt. 92 Sie scheint aber ebenso pauschal, wie eine generelle Überlassungspflicht nicht das mildeste Mittel zur Einschränkung der Scheinverwertung darstellt. Auch eine Rechtfertigung der geplanten generellen Überlassungspflichten im Hinblick auf Art. 86 Abs. 2 EG ist fragwürdig. Ein Vergleich mit dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall "Kopenhagen" verbietet sich. Die hier vom Europäischen Gerichtshof 93 partiell gemachten Zugeständnisse beziehen sich allein auf die spezielle Situation des Falles. Dabei hat der Europäische Gerichtshof in dem Mangel an Verwertungskapazitäten für Bauabfälle ein "ernstes Umweltproblem" erblickt; es ging darum, eine Verwertung erst zu ermöglichen. Ein solcher Mangel an Verwertungskapazitäten herrscht in Deutschland indes nicht. 94 Auch der neu eingeführte Art. 16 EG entbindet nicht von der notwendigen Rechtfertigung gern. Art. 86 Abs. 2 EG, wenn er diese auch mitprägt. Art. 86 EG wird insbesondere nicht von Art. 16 EG verdrängt. Der aus Art. 16 EG zu entnehmende eingeschränkte Gestaltungsauftrag ist in die Wettbewerbsregeln eingebunden, nimmt doch Art. 16 auf Art. 73, 86 und 87 EG eigens Bezug. Indem diese unbeschadet bleiben, kann sich auch der Gestaltungsauftrag nicht darüber hinwegsetzen. 95 Allerdings legt Art. 16 EG die Belange von kommunalen Diensten als gleichberechtigten Abwägungsbelang im Rahmen auch des Art. 86 Abs. 2 EG fest; sie sind daher adäquat zu berücksichtigen. Erforderlich sind aber substanziierte Darlegungen96 etwa zur Erhaltung der chungsbedürftige Abfälle zur Verwertung und Beseitigung im Lichte der neuen Rechtsprechung des BVerwG, NVwZ 2000, 1126 (1129 ff.). 90 EuGH, NVwZ 2000, 1151 (1153) - Sydhavnens Sten & Grus. 91 GaßnerlWillandlPippke (Fn. 87), S. 108. 92 GaßnerlWillandlPippke (Fn. 87), S. 6 ff. 93 EuGH, NVwZ 2000, 1151 (1153) - Sydhavnens Sten & Grus. 94 Tettinger (Fn. 85), S. 41; auch Antwort der Kommission auf Frage 8, a. a. O. 95 Walter Frenz. Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse - Neuerungen durch Art. 16 EG, EuR 2000, 90 I (918 f.).
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Funktionsfähigkeit zwecks Wahrung einer wirtschaftlich tragbaren sowie einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung - ggf. auch der Hochwertigkeit der Verwertung -, die eine Überlassungspflicht und eine damit verbundene Monopolstellung erfordern. 97 3. Weitere Regelungsansätze Weitere Vorschläge gehen dahin, kategorische Getrennthaltungspflichten einzuführen. Bei einem Verstoß dagegen ist das gesamte Abfallgemisch zu überlassen. Dagegen ist zunächst einzuwenden, dass die Abgrenzungsfrage auf diese Weise auf die Ebene der Trennung verlagert wird. So würde die Einhaltung solcher Getrennthaltungspflichten voraussetzen, dass eine Trennung bereits vor dem Anfall der Abfälle vorgenommen wird. Dies übersteigt jedoch die Organisationsfähigkeit eines jeden Betriebes. 98 Zudem ist auch hier die Vereinbarkeit mit europäischen Vorgaben fraglich, bestehen doch Vermischungsverbote und Getrennthaltungspflichten allein im Bereich der gefährlichen Abfälle gern. Art. 2 RL 91/689/EWG über gefährliche Abfälle. 99 Das BMU geht einen anderen Weg. Es versucht, die Anforderungen an eine umweltverträgliche Verwertung in verordnungsrechtlichem Wege zu konkretisieren und auf diese Weise der Scheinverwertung entgegen zu steuern. Damit wird die Diskussion von der vordergründigen Verteilungsdebatte auf ihre eigentlichen Probleme zurückgeführt. \00 Pilotcharakter hat dabei die geplante Verordnung zur Verwertung von Altholz. Für den mengenmäßig relevanten Bereich der hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle besteht für eine entsprechende Verordnung bereits ein Diskussionspapier.
EuGH, Slg. 1998,1-4075 (4131) - Dusseldorp. Näher Frenz (Fn. 95), EuR 2000, 901 (915 ff.); bezogen auf den Entsorgungsbereich ders. (Fn. 84), NuR 2000, 611 (613 ff.), jeweils mit ausführlichem Bezug auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung. 98 VGH München, NuR 2000, 221 (224). 99 ABI. EG Nr. L 377, S. 20. 100 Frank Petersen. Abgrenzung Verwertung - Beseitigung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. in: Walter Frenz/Per Nicolai Martens/Thomas Pretz (Hrsg.), Abfallentsorgung im Bergbau unter Tage, Heft 88 der Schriftenreihe GDMB, 2001. S. 67 (83 f.); ders .• "Mit der Kreislaufwirtschaft Ernst machen" Überlegungen zur Konkretisierung des deutschen Abfallrechts, ZUR 2000. 61 (68 ff.). Zu grundsätzlichen Fragen Walter Frenz. Grundfragen der Abfallverwertung, 200 I, passim. 96
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4. Vermeidung einer sich widersprechenden Normgebung Die aufgezeigten Vorstöße der Länder zeigen den Versuch, teilweise die Grundentscheidung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz für eine weitgehend private Entsorgungsverantwortung insbesondere im Bereich der gewerblichen Abfälle zur Verwertung rückgängig zu machen. Das ist Ausdruck politischen Gestaltungswillens und von daher völlig legitim. Dass von Seiten der Länder unterschiedliche Vorstellungen und Sichtweisen kommen und als Gesetzgebungsvorschlag geltend gemacht werden, ist gerade Ausdruck eines lebendigen Föderalismus. Indes droht die Gesamtregelung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in sich widersprüchlich zu werden, wenn es nur partiell geändert und mit seiner Grundkonzeption zuwiderlaufenden Einzelregelungen aufgefüllt wird. Das erfolgt zwar im Wege politischer (Kompromiss-)Entscheidungen. 101 Dieser Entstehungshintergrund ändert aber nichts daran, dass den Bürger möglicherweise widersprüchliche Regelungen erreichen. Die Widerspruchsfreiheit einer Regelung wird von Bundesverfassungsgericht traditionell zur inhaltlichen Klarheit gerechnet,102 die als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips notwendig zu wahren ist. Von daher bildet der Grundsatz widerspruchfreier Normgebung nur einen Ausschnitt davon sowie eine Konkretisierung bisheriger Inhalte. I03 Er legt die rechtsetzenden Organe darauf fest, im Gesetzgebungsverfahren auf eine in sich stimmige Normierung zu achten. Zeitlich nachgeordnet ist dann die Interpretation der erlassenen Normen. Diese fällt aber leichter, wenn zuvor bereits auf eine widerspruchsfreie Normgebung geachtet wurde. Damit besteht auch die Aussicht, dass weniger Interpretationsprobleme auftreten und damit die Rechtsordnung entsprechend dem Rechtsstaatsprinzip stimmiger wird. Ein Bedürfnis dazu besteht gerade im Abfallrecht, in dem bereits jetzt vor allem die aus unterschiedlichen Grundauffassungen gespeisten Vorschriften wie § 13 KrW-/AbfG Anwendungsprobleme bereiten lO4 und bei den Betroffenen große Rechtsunsicherheit herrscht. Aus Sicht der insoweit begrenzten Gesetzgebungsorgane handelt es sich um eine Beschränkung der Kompetenzausübung im legislativen Bereich. 105 Diese Ausweitung reagiert nur darauf, dass in unserer immer differenzierteren 101 Darauf im Hinblick auf das Demokratieprinzip verweisend Kloepjer/Bröcker (Fn. 53), DÖV 2001, 1 (11 f.). 102 BVerfGE I, 14 (45); 17,306 (314); 25, 216 (227). 103 Näher Frenz (Fn. 53), DÖV 1999,41 (44). 104 Zu § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG oben H.4.b), auch zu § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG Frenz (Fn. 51), S. 63 ff. 105 Die Möglichkeit einer insoweit bestehenden rechtspolitischen Gesetzgebungsmaxime bejahen, wenn auch vorsichtig, Kloepjer/Bröcker (Fn. 53), DÖV 2001, 1 (12). Die Notwendigkeit einer hochkomplexen und ausdifferenzierten Rechtsord-
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Rechtsordnung Widersprüche nicht nur zwischen den Normierungen verschiedener Körperschaften auftauchen, sondern auch zwischen solchen derselben, und zwar auch innerhalb eines Gesetzes, zumal wenn es aus unterschiedlichsten Richtungen geprägt wurde. Allerdings liegen Abstimmungsprozesse im Gesetzgebungsverfahren nicht immer offen zutage. Das gilt aber auch für andere Verfassungsverstöße. 106 Bei diesen nimmt das Bundesverfassungsgericht im Übrigen nicht stets eine Nichtigkeit der betroffenen Regelung an; 107 von daher müsste dazu auch ein Verstoß gegen den Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung nicht zwangsläufig führen.
IV. Schluss und Ausblick Insgesamt wird das Abfallrecht im wesentlichen von der Bundesgesetzgebung beherrscht. Deren Spielraum wird in starkem Maße durch europarechtliehe Vorgaben eingeengt. Daher besitzen auch die Länder nur in eingeschränktem Maße die Möglichkeit, die Bundesgesetzgebung dahin zu beeinflussen, die Position der Kommunen durch Überlassungspflichten und Verbringungsverbote zu stärken. Somit ist auch das Abfallrecht Ausdruck des allgemeinen Zustandes des Umweltföderalismus: Der Bund trifft gesetzliche Regelungen, die Länder haben sie zu vollziehen, ohne große eigene Spielräume zu besitzen. Aufgrund der Regelungsdichte, die das Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz bereits erreicht hat, wird sich daran auf absehbare Zeit hin wenig ändern. Vielmehr werden die Spielräume der Länder noch weiter dadurch eingeschränkt, dass der Bund durch die Statuierung konkretisierender Verordnungen insbesondere im Bereich der Anforderungen an die Entsorgung und der Produktverantwortung das rechtliche Netz im Abfallrecht immer dichter zieht und sich korrespondierend dazu Wertungs- und Interpretationsspielräume immer weiter verringern. Dazu trägt auch die sich stetig verdichtende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei, die eigene Wertungsspielräume und allgemeinverbindliche Regelungen auf Landesebene ablehnt. 108 Der Umweltfäderalismus im Sinne eines eigenen Gestaltungsrahmens der Länder ist im Abfallrecht derzeit praktisch nicht existent und wird auch kaum wieder zum Leben erwachen. Statt Abfallfäderalismus besteht vielmehr ein Abfallunitarismus. nung ist nicht zu bestreiten. Diese muss aber in sich widerspruchsfrei sein, um voll zur Wirkung kommen zu können. Zudem kann im Einzelfall Weniger mehr sein. 106 Der Kohlepfennig (BVerfGE 91, 186) wurde über Jahrzehnte hinweg für verfassungskonform gehalten. 107 Näher und krit. Walter Frenz. Die Rechtsfolgenregelung durch das Bundesverfassungsgericht bei verfassungswidrigen Gesetzen, DÖV 1993, 847 ff. 108 Deutlich schon VG Berlin, NVwZ 1997, \032 (\034); VG Düsseldorf, NVwZ-RR 1997.347 zum LAGA-Papier; VG Stuttgart, NuR 1997,516 (517).
Abfallwirtschaft und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft
v.
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Thesen
1. Während das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen zur kommunalen Verpackungsteuer und zu den Landessonderabfallabgaben vom 7.5.1998 die Nichtigkeit dieser Abgaben auf eine Verletzung des Grundsatzes widerspruchsfreier Normgebung stützte, zog es dieses Prinzip in der Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt vom 29.3.2000 nicht heran und stützte sich ausschließlich auf eine abschließende Regelung des Bundes im Abfallrecht. 2. Die Regelung des KrW -/ AbfG ist als weitestgehend umfassend und lückenlos anzusehen, zumal soweit sie die als solche bereits anerkannte Normierung des Abfallgesetzes von 1986 fortführte und weiter differenzierte. 3. Die Sperrung der Landesgesetzgebung durch Kompetenzausschöpfung des Bundes kann auch nicht durch die Akzeptanz von Selbstverpflichtungen oder das Treffen von Vereinbarungen mit Unternehmen überspielt werden. Vielmehr weist insoweit § 25 Abs. 1 KrW -/ AbfG dem Bund die vorrangige Aktionsrolle zu. 4. Wegen der Koppelung an die Sachgesetzgebungskompetenz fehlt den Ländern für Sonderabgaben die Sachgesetzgebungszuständigkeit im Abfallbereich. Für abfallbezogene Lenkungssteuern kann sie sich am ehesten aus Art. 105 Abs. 2a GG ergeben, weniger aus Art. 105 Abs. 2 i. V. m. Art. 106 Abs. 2 GG; weitere Spielräume ergeben sich nur bei Annahme eines eigenen Steuererfindungsrechts auch außerhalb der Steuertypen des Art. 106 GG. Aber auch diese Kompetenzansätze sind dann gesperrt, wenn man entgegen dem Bundesverfassungsgericht - eine zusätzliche Sachregelungskompetenz bei lenkenden Steuern verlangt. 5. Der Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung spielte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine konfliktentscheidende Rolle nur als Begrenzung der Abgabengesetzgebung der Länder. Das zeigt sich besonders deutlich an der Entscheidung zur nordrhein-westfälischen Lizenzpflicht im Abfallbereich. 6. Die vom Bundesverfassungsgericht herangezogenen Grundlagen des Bundesstaatsprinzips und des Rechtstaatsprinzips weisen auf einen weiteren Anwendungsbereich des Grundsatzes widerspruchsfreier Normgebung. Dieser ist nicht auf den Bereich der Ausübung einer Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG durch die Länder beschränkt. Das wird in der Entscheidung zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz vom 27.10.1998 deutlich. 7. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes widerspruchsfreier Normgebung sind Abgabenlösungen der Länder entgegen dem Bundesverfassungsgericht
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nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sie unweigerlich an ein bestimmtes Verhalten anknüpfen und Geld entziehen. Sie können vielmehr auch mit dieser Wirkungsweise mit dem KrW -/ AbfG verfolgte Ziele unterstützen. Allerdings hat mit diesem Normkomplex der Bundesgesetzgeber seine Regelungskompetenz weitestgehend abschließend ausgeschöpft. In jedem Fall Gestaltungsspielraum bleibt aber im Bereich der Gebührengesetzgebung, die freilich in ihrer Ausgestaltung gleichfalls nicht den Lenkungszwecken des KrW -/ AbfG zuwiderlaufen darf. 8. Die Regelungskompetenz der Länder für Andienungs- und Überlassungspflichten im Sinne von § 13 Abs. 4 KrW -/ AbfG ist vor dem Hintergrund des Grundsatzes widerspruchsfreier Normgebung im Bereich der Abfälle zur Verwertung zurückhaltend zu handhaben. 9. Der Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung verlangt eine Restriktion der Freistellung kommunaler Dienste im Entsorgungsbereich von den Grenzen wirtschaftlicher Betätigung nach § 107 Abs. 1 GO NW; die entsprechende Vorschrift des § 107 Abs. 2 Nr. 4 GO NW ist außerhalb des Hausmülls auf den Bereich der Beseitigung beschränkt. 10. Da insgesamt die Gestaltungsmöglichkeiten der Länder im Bereich der eigenen abfallrelevanten Gesetzgebung sehr beschränkt sind, können sie das Abfallrecht noch am ehesten durch Einwirkungen auf die Bundesgesetzgebung beeinflussen. 11. Die Länder sind insbesondere bestrebt, ein Abwandern von Abfällen in die private Entsorgung zu verhindern. Soweit sie zu diesem Zwecke die Überlassungspflichten nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG auszudehnen versuchen, haben sie v. a. europarechtliche Grenzen aus der Warenverkehrsfreiheit für den Bereich der Abfälle zur Verwertung zu beachten. Davon entbindet sie auch nicht Art. 16 EG, der allerdings kommunale Entsorgungsdienste in ihrer Position absichert. 12. Droht durch Länderinitiativen die einheitliche Konzeption des Bundes zur Gestaltung des KrW-/AbfG konterkariert zu werden und wird dadurch die Normgebung für den Bürger widersprüchlich, hat hier der aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbare Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung seinen Platz. 13. Insgesamt ist das Abfallrecht weitestgehend vom Bund geprägt. Die Länder haben nur sehr geringe Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten. Sie sind in erster Linie ausführendes Organ. Von daher besteht eher ein Abfallunitarismus als ein Abfallföderalismus. Stärker als die Einwirkungen der Länder sind Vorprägungen des Abfallrechts durch das Gemeinschaftsrecht.
2. Immissionsschutz und Föderalismus
Immissionsschutz und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft Von Claus-Peter Martens
I. Einleitung Das Immissionsschutzrecht in Deutschland ist eine weitgehend durch Bundesrecht geregelte Materie. Der Bund hat mit der Schaffung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes von den konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 Grundgesetz für den Bereich der Luftreinhaltung und des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Grundgesetz für das Recht der Wirtschaft umfassend Gebrauch gemacht. Dennoch bleibt den einzelnen Bundesländern die Möglichkeit einer erheblichen Einflussnahme auf den Immissionsschutz: Sie sind für die Ausführung der bundesrechtlichen Regelungen zuständig und erlassen hierzu einen großen Teil der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften. Gerade dieses Verhältnis der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur normkonkretisierenden Tätigkeit der Länder bietet eine interessante Perspektive auf das Thema "Immissionsschutz und Föderalismus". Im Folgenden wird zunächst die Bedeutung des Immissionsschutzes der Länder für die Belange der Wirtschaft herausgestellt. Sodann werden einzelne landesrechtliche Regelungen näher untersucht. Schließlich wird diskutiert, welche Vor- oder Nachteile für die Wirtschaft der Einfluss des Föderalismus auf das Immissionsschutzrecht mit sich bringt.
11. Die Bedeutung landesrechtlicher Immissionsschutznormen für Investitionsvorhaben der Wirtschaft Jedes größere Investitionsvorhaben muss heutzutage umweltrechtlichen Anforderungen genügen. Insbesondere das Immissionsschutzrecht spielt hier eine wesentliche Rolle: Das Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz stellt das wichtigste Genehmigungsverfahren für industrielle Großanlagen dar. Wirtschaftliche Investitionen stehen dabei in einem gewissen Spannungsverhältnis zu Regelungen des Immissionsschutzes. Die Einhaltung der gesetzlichen Normen in diesem Bereich ist mit einem Kostenauf17 Kloepfer
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wand verbunden, dem zunächst kein direkter wirtschaftlicher Nutzen gegenübersteht. Dem Investor ist daher vor allem daran gelegen, dass umweltrechtliche Genehmigungsanträge zügig bearbeitet werden und der Gesetzgeber keine überzogenen Anforderungen im Hinblick auf das Schutzniveau stellt. Wenn im Folgenden von "Interessen der Wirtschaft" gesprochen wird, so sind im Wesentlichen diese Kriterien gemeint. Das Immissionsschutzrecht ist - wie erwähnt - weitgehend vom Bundesgesetzgeber kodifiziert. Der Schwerpunkt der Regelungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz liegt dabei auf dem Anlagenrecht I. Es bestimmt die Voraussetzungen, unter denen genehmigungsbedürftige und nicht genehmigungsbedürftige Anlagen genehmigt werden und zu betreiben sind. 1. Immissionsschutzgesetze der Länder
Dem Landesgesetzgeber bleibt die Möglichkeit, den handlungsbezogenen, nicht gewerblichen Immissionsschutz zu regeln. Dies haben verschiedene Länder durch Schaffung eigener Immissionsschutzgesetze getan. So enthält z. B. das bayerische Immissionsschutzgesetz in Art. 11 Abs. 1 das Verbot, nachts von 22 Uhr bis 7 Uhr Arbeiten durchzuführen, die andere in ihrer Nachtruhe stören. Art. 12 verbietet, lärm- oder abgaserzeugende Motoren unnötig laufen zu lassen. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 dürfen Tonwiedergabegeräte auf öffentlichen Wegen und Plätzen nicht benutzt werden, wenn andere dadurch gestört werden. Vergleichbare Regelungen finden sich in §§ 9, 10 und 11 ades Landes-Immissionsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen. Es handelt sich hierbei um Vorschriften, die hauptsächlich dazu bestimmt sind, von Privatpersonen verursachte Störungen zu unterbinden. Die Bedeutung dieser Vorschriften für Investitionsvorhaben der Wirtschaft kann als gering angesehen werden. 2. Die Zuständigkeit der Länder für die Ausführung bundesrechtIicher Immissionsschutzregelungen
Ganz wesentliche Bedeutung kommt den Ländern zu, wenn es um die Ausführung der bundesrechtlichen Immissionsschutzregelungen geht. Nach Art. 83 Grundgesetz führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Für das bundesrechtlich normierte Immissionsschutzrecht ist im Grundgesetz für die Mehrzahl der Fälle nichts anderes bestimmt oder zugelassen, so dass die Länder das Bundes-Immissionsschutzrecht grundSätzlich als eigene Angelegenheit ausführen 2 . Demgemäß wird das Bundes-ImmissionsschutzI
Dreier, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 3, Art. 74, Rn. 110.
Immissionsschutz und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft
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recht von den durch Landesrecht bestimmten Landesbehörden ausgeführt. Hierzu haben die einzelnen Bundesländer Verordnungen bzw. Gesetze erlassen3 . Sehr wichtig für die praktische Umsetzung des Immissionsschutzrechts sind die Verwaltungsvorschriften der Länder. Zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung hat der Bund eine eigene Verwaltungsvorschrift erlassen 4 . Zum Bundes-Immissionsschutzgesetz dagegen existieren neben der TA Luft und der TA Lärm nur einzelne, auf § 48 Bundes-Immissionsschutzgesetz gestützte Vorschriften 5 . Damit fällt die weitere Normkonkretisierung den Ländern zu. Das Land Nordrhein-Westfalen, das in diesen Fragen stets bemüht ist, eine Vorreiterrolle einzunehmen, hat ausführliche Vorschriften zum Bundes-Immissionsschutzgesetz6 , zur TA Luft7 und zur TA Lärm 8 erarbeitet. Auch in Bayern existiert eine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz9 . Diese Hinweise geben den Behörden einen detaillierten Leitfaden zur Bearbeitung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsanträgen an die Hand. Um den Verwaltungsvollzug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bundesweit zu harmonisieren, arbeiten die Bundesländer im Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) zusammen. In diesem Ausschuss werden vor allem Auslegungsfragen besprochen, um Musterverwaltungsvorschriften und Hinweise zu erarbeiten. Die vom Ausschuss herausgegebenen Vorschriften ergehen zwar nicht selbst als Verwaltungsvorschriften, haben aber dennoch hohe praktische Bedeutung erlangt, da sich die meisten Bundesländer sowohl beim Erlass ihrer Verwaltungsvorschriften als auch im Verwal2 Lechelt, in Koch/Scheuing, Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, 8. Ergänzungslieferung (September 20(0), vor Art. 26-31 a, Rn. 51. 3 Nachweise bei Lechelt, a. a. O. 4 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 18.09.1995, GMB\. 1995, S. 671. 5 Nachweise bei Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar, 4. Auf). (1999), § 48 Rn. 12. 6 Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr, des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport und des Ministeriums für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie vom 01.09.2000, MB\. NW. 2000, S. 1180. 7 Gemeinsamer Runderlass des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft und des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie vom 14.\0.1986, MB\. NW. 1986, S. 1658. 8 Gemeinsamer Runderlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales, des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr und des Innenministers vom 06.02.1975, MB\. NW. 1975, S. 234. 9 Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 05.02.1998, Allg. Ministerialblatt 1998, S. 117. 17'
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tungsvollzug daran orientieren 10. Beispielhaft zu nennen ist hier etwa die Allgemeine Musterverwaltungsvorschrift zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz ll . Der LAI erarbeitet seit geraumer Zeit ein Regelwerk in Form von Musterverwaltungsvorschriften, um das technisch Mögliche im Bereich des Anlagenrechts zu konkretisieren 12 • Zudem gibt der Ausschuss Publikationen zu einzelnen Fragen des Umweltschutzes heraus 13 • Abstrakte Normen bedürfen grundsätzlich der Konkretisierung, da nicht alle Sachverhalte durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsvorschrift geregelt werden können. Dies gilt insbesondere im Immissionsschutz, wo es auf die Beurteilung technisch komplizierter Sachverhalte ankommt. Aus Sicht der Wirtschaft ist die Arbeitsweise des LAI allerdings kritisch zu sehen. Problematisch sind vor allem Fälle, in denen der LAI auf Anfrage der zuständigen Behörde Empfehlungen ausspricht. Diese Empfehlungen werden in aller Regel bei der Bearbeitung der Genehmigung berücksichtigt. In nachfolgenden Fällen überträgt die Behörde die Auslegungsvorschläge des LAI dann auch auf andere Sachverhalte. So kommt dem Ausschuss ein beachtlicher Einfluss auf die immissionsschutzrechtliche Verwaltungspraxis zu. Er hat quasi die "Deutungshoheit" über das Immissionsschutzrecht des Bundes inne. Die Einbeziehung des LAI in das behördliche Verfahren ist für den Antragsteller nicht transparent und nur mit großem Aufwand nachvollziehbar. Er muss das Ergebnis stets im Widerspruchsverfahren angreifen, um die Auffassung des LAI widerlegen zu können. Auch die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe verbessert die Situation des Investors zunächst nicht, da die Durchführung eines Verwaltungsstreitverfahrens derzeit mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Im Planungsrecht ergibt sich eine weitere Zuständigkeit der Länder. Nach § 50 Bundes-Immissionsschutzgesetz sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete so weit wie möglich vermieden werden. Hierzu hat z. B. Nordrhein-Westfalen einen Runderlass zur Regelung der Abstände zwischen Industrie- bzw. Gewerbegebieten und Wohngebieten im Rahmen der Bauleitplanung (Abstandserlass)l4 erlassen. Der Erlass richtet Roßnagel, in Koch/Scheuing, § 5, Rn. 104. Abgedruckt in NVwZ 1989, 130. 12 Beispiel hierfür nennt Roßnagel, § 5, Rn. 105 und 106. 13 Vg!. etwa die Studie "Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen", erarbeitet im Auftrag der Umweltministerkonferenz, Düsseldorf, 1992. 14 Runderlass der Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 02.04.1998, MB!. NW. 1998, S. 744. 10 11
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sich an die staatlichen Umweltämter. Sollen beispielsweise Wohngebiete in der Nachbarschaft von bereits bestehenden und voll besiedelten Industrieoder Gewerbebetrieben festgesetzt werden, sind die im Anhang zum Abstandserlass jeweils für einzelne Betriebsarten aufgelisteten Abstände einzuhalten, Nr. 2.4.2.1 des Abstandserlasses. So ist beispielsweise zu Kraftwerken mit Feuerungsanlagen für den Einsatz von festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen, soweit die Leistung 900 MW übersteigt, ein Abstand von 1.500 meinzuhalten, Nr. 1 der Abstandsliste.
3. ImmissionsschutzrechtIiche Regelungen des Bauordnungsrechts: Das Beispiel Mobilfunkanlagen Von den Immissionsschutzgesetzen kommt wirtschaftliche Relevanz also vornehmlich dem Anlagenrecht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zu. Dennoch gibt es auch landesrechtliche Vorschriften zum Immissionsschutz, die von Bedeutung sind, wenn es um wirtschaftliche Vorhaben geht. So enthalten z. B. die Bauordnungen der Länder Vorschriften mit immissionsschutzrechtlicher Zielsetzung'5. Solche Vorschriften finden auch neben den Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Anwendung. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz unterscheidet zwischen genehmigungsbedürftigen Anlagen nach §§ 4 ff. sowie nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach §§ 22 ff. In beiden Bereichen kann der Einfluss landesrechtlicher Vorschriften eine Rolle spielen. Eine Genehmigung nach § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz schließt gemäß § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen ein. Dies bedeutet nicht, dass andere Genehmigungsvorbehalte verdrängt oder ausgeschlossen werden. Vielmehr werden die sonstigen Genehmigungen zusammen mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erteilt'6. Dies gilt vor allem auch für einschlägige landesrechtliche Vorschriften. Hierbei ist in der Praxis hauptsächlich über baurechtliche Fragen zu entscheiden. Stehen dem Vorhaben baurechtliche Vorschriften entgegen, ist die Genehmigung zu versagen, selbst wenn das Vorhaben nach den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unbedenklich ist'7. Bei den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen gilt die Konzentrationswirkung des § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht. Eine solche Anlage kann daher unter Umständen baugenehmigungspflichtig sein. Nach den 15 Vgl. etwa die Regelungen des § 16 BauD NRW und entsprechend § 14 BauD Berlin. 16 Jarass, § 13, Rn I. 17 Kloepfer, Umweltrecht, 2. Autl. (1998), S. 966.
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Vorschriften der Landesbauordnungen ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften gehört auch § 22 Bundes-Immissionsschutzgesetz l8 . Die Immissionsschutzbelange bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen werden also, sofern eine baurechtliche Genehmigungspflicht besteht, durch die nach Landesrecht zuständige Behörde berücksichtigt. Projekte von wirtschaftlich großer Bedeutung können dem bauordnungsrechtlichen Begriff des Bauwerks unterfallen und gleichzeitig eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 22 Bundes-Immissionsschutzgesetz darstellen. Prominente Beispiele sind hier die Mobilfunkanlagen der Telekommunikationsunternehmen, deren Errichtung und Betrieb derzeit vielerorts für Schlagzeilen sorgen. Mobilfunkanlagen sind nicht im Anhang zur 4. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BlmSchV) aufgeführt, deshalb handelt es sich nicht um genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz I9 • Mobilfunkanlagen müssen in erster Linie den Anforderungen des § 23 Bundes-Immissionsschutzgesetz i. V. m. der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BlmSch V) genügen. Dabei müssen Hochfrequenzanlagen stets, Niederfrequenzanlagen unter bestimmten Voraussetzungen mindestens zwei Wochen vor Inbetriebnahme der zuständigen Behörde angezeigt werden, § 7 Abs. 1 und 2 26. BlmSchV. Bei Hochfrequenzanlagen ist der Anzeige eine von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zu erstellende Standortbescheinigung beizufügen, § 7 Abs. I, 2. Hs. 26. BlmSch V. Der Aufbau des Mobilfunknetzes in Deutschland hat eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Allein in die Aufstellung der Sendeanlagen für das seit 1992 betriebene GSM-Netz wurden in den vergangenen Jahren zweistellige Milliardenbeträge investiert. Mit der Einführung der neuen UMTSTechnologie und der damit verbundenen Anpassung der bestehenden Anlagen wird noch einmal mit Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe gerechnet. Am Beispiel dieser Anlagen wird im Folgenden die wirtschaftliche Bedeutung immissionsschutzrechtlicher Vorschriften der Länder untersucht. Eine Mobilfunkanlage besteht in der Regel aus einem Betriebsgebäude und dem Antennen- oder Sendernast. Für Investoren im Mobilfunkbereich stellt sich u. a. die Frage, ob Antennenmasten nach der einschlägigen Landesbauordnung genehmigungsfrei sind. Nach den Bauordnungen der meisten Länder ist die Errichtung einer Antenne dann verfahrensfrei, wenn sie eine Höhe von 10 m nicht überschreitet2o • Die Hessische Bauordnung dage18 19
Roßnagel, § 22, Rn. 161; BVerwGE 72, 300 (332). Ossenbühlldi Fabio, Rechtliche Kontrolle von Mobilfunkanlagen, S. 19.
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gen stellt nur Antennenanlagen bis zu 5 m Höhe vom Baugenehmigungsverfahren frei, § 63 Abs. I Nr. 5 lit. a Hessische Bauordnung. Zudem dürfen die Anlagen nach dieser Norm nicht mehr als 10 W Gesamtabstrahlleistung entfalten. § 63 Abs. 3 Nr. 2 lit. a Hessische Bauordnung erlaubt ferner die Errichtung von Antennenanlagen über 5 m bis 12 m ohne Baugenehmigung, bei einer Gesamtabstrahlleistung von mehr als 10 W allerdings nur, sofern die gesundheitliche Unbedenklichkeit durch eine Genehmigung, Zulassung oder amtliche Bescheinigung festgestellt wird. Auch die Bauordnung von Sachsen-Anhalt erlaubt das Errichten von Antennenanlagen ohne Baugenehmigung nur, wenn die Gesamtabstrahlleistung 10 W nicht überschreitet, § 69 Abs. 1 Nr. 4 lit. b Bauordnung Sachsen-Anhalt. Hier beträgt die zulässige Höhe allerdings 10 m. Solche Vorschriften mit immissionsschützender Zielrichtung finden sich in den Bauordnungen der übrigen Länder nicht. Was unter dem Begriff der Antennenanlage zu verstehen ist, lässt sich oft nur schwer bestimmen. Lediglich die Landesbauordnungen von Hamburg und Rheinland-Pfalz machen hier genauere Angaben 21 • Die Bauordnungen der übrigen Bundesländer sprechen dagegen nur von "Antennenanlagen" , ohne diesen Begriff zu definieren. Auch für die Errichtung einer Mobilfunk-Basisstation stellt sich die Frage nach der Genehmigungsbedürftigkeit. In Berlin etwa ist die Errichtung von Anlagen für das Fernmeldewesen bis zu einer bestimmten Größe genehmigungsfrei 22 • Eine solche Regelung speziell für Fernmeldeanlagen enthalten nicht alle Landesbauordnungen. In Brandenburg oder Hamburg etwa ist die Frage der Genehmigungsfreiheit anhand der allgemeinen Be20 Vgl. § 50 Abs. I LBO BW i. V. m. Nr. 30 des Anhangs zu § 50 Abs. I; Art. 63 Abs. I Nr. 4 lit. a BayBauO; § 56 Abs. I Nr. 4 lit. b BauO Berlin; § 67 Abs. 4 Nr. 4 BauO Brbg; § 65 Abs. I i. V. m. Nr. 4.2 der Anlage zu § 65 BauO Bremen; § 65 Abs. I Nr. 21 BauO MV; § 69 Abs. I i. V. m. Nr. 4.2 des Anhangs zu § 69 BauO Nds; § 65 Abs. I Nr. 18 BauO NW; § 65 Abs. I Nr. 2 lit. i BauO Saarl; § 63 a Abs. I Nr. 4 lit. b BauO Sachsen; § 69 Abs. I Nr. 33 LBO SchlHolst; § 63 Abs. I Nr. 4 lit. b ThürBO. 21 Nach § 61 Abs. I BauO Hamburg i. V. m. 11 Nr. 4.1 BauFreiV sind "Antennenanlagen mit stabfönnigen Antennen und Antennenträgem bis zu einer Gesamthöhe einschließlich der Antennenträger von 10 m" genehmigungsfrei. In der Landesbauordnung von Rheinland-Pfalz findet sich eine ähnliche Vorgabe, wonach "Antennen einschließlich der Masten bis 10m Höhe" genehmigungsfrei sind, § 62 Abs. I Nr. 4 lit. b LBO Rheinland-Pfalz. 22 Nach § 68 Nr. 3 BauO Berlin sind solche Gebäude genehmigungs frei, ausgenommen sind lediglich Gebäude mit mehr als 20 m2 Grundfläche oder 4 m Höhe sowie sonstige oberirdischer Anlagen mit einer Höhe von mehr als 20 m oder einem umbauten Raum von mehr als 100 m3 . 23 Vgl. § 67 Abs. 2 Nr. I BauO Brbg und § 61 Abs. I BauO Hamburg i. V. m. I. Nr. 6 BauFreiV.
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stimmungen über die Errichtung von Gebäuden zu bestimmen 23 • Dabei weichen die Voraussetzungen, die die Länder an die Errichtung solcher Gebäude ohne Genehmigung stellen, z. T. erheblich voneinander ab. 4. Landesabgrabungsgesetze
Ein weiterer Schnittpunkt von Bundes- und Landesrecht im Immissionsschutz ergibt sich im Bereich der Landesabgrabungsgesetze. So ist z. B. ein Steinbruch, in dem Sprengstoff verwendet wird, eine genehmigungspflichtige Anlage nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz24 • Gleichzeitig unterliegt ein solcher Steinbruch auch der Genehmigungspflicht nach §§ 3, 4 und 7 Abgrabungsgesetz Nordrhein-Westfalen. Abgrabungen als oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen, die im Verfügungsrecht des Grundeigentümers stehen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Abgrabungsgesetz Nordrhein-Westfalen), können also auch unter immissionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sein. Für Abgrabungen mit einer Größe von 10 ha oder mehr ist zu beachten, dass nach § 3 Abs. 6 Satz 1 Abgrabungsgesetz NordrheinWestfalen stets eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, die den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Land Nordrhein-Westfalen entsprechen muss. Im Unterschied zu den nicht genehmigungs bedürftigen Anlagen schließt hier die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz die Abgrabungsgenehmigung mit ein. Die Auswirkungen dieser Regelung auf Investitionsvorhaben wird später noch ausführlicher dargestellt.
III. Vorteile landesrechtlicher Regelungen aus Sicht der Wirtschaft Landesrechtliche Immissionsschutzregeln können für Investoren in mancher Hinsicht auch von Vorteil sein. 1. Dezentrale Zuständigkeitsregeln als "Standortvorteil"
Ein positiver Effekt landesrechtlicher Regelungen ist zweifellos darin zu sehen, dass die Bundesländer für die Ausführung der bundesrechtlichen Immissionsschutzregelungen zuständig sind. Die einzelnen Bundesländer haben - teils in Verordnungen, teils in Gesetzen - jeweils eigene Regeln über die sachliche Zuständigkeit getroffen 25 . Hieraus ergibt sich eine Art Wett24 25
§ 4 Abs. 1 BlmSchG i. V. m. Nr. 2.1 des Anhangs zu 4. BlmSch V. Nachweise bei Jarass, Einleitung, Rn. 32.
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bewerb unter den Ländern, selbst wenn dieser vielleicht nicht immer gewollt ist oder auch gar nicht wahrgenommen wird. Die Dauer immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren variiert von Bundesland zu Bundesland teilweise erheblich. Zwar hängt hierbei viel von der Arbeitsweise der jeweils nach Landesrecht zuständigen unteren Verwaltungsbehörde ab; jedoch kann man durchaus "Landestendenzen" ausmachen. Wenn ein in Berlin ansässiger Investor, der eine nach § 4 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz in Verbindung mit der 4. BImSchV genehmigungsbedürftige Anlage errichten will, die Wahl zwischen mehreren Standorten in verschiedenen Bundesländern wie etwa Berlin, Brandenburg oder MecklenburgVorpommern hat, so wird die voraussichtliche Schnelligkeit des Genehmigungsverfahrens sowie die Bereitschaft der Behörde, den Investor zu unterstützen, den Ausschlag für die endgültige Entscheidung über den Standort geben. Eine bundeseinheitlich geregelte Materie wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz wird so über die in Art. 83 GG getroffene Regelung der Länderverantwortung für den Gesetzesvollzug in den föderalistischen Wettbewerb gestellt. Die Autonomie der Länder erweist sich im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren insgesamt als förderlich für die Belange der Wirtschaft. Wenn ein Unternehmen aus bestimmten Gründen eine Investition nur an einem bestimmten Ort vornehmen kann wie etwa eine Erweiterung bereits bestehender Betriebsteile, die der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, so hilft der eben beschriebene "Wettbewerb" nicht weiter, er schadet aber auf der anderen Seite auch nicht. Hat der Investor dagegen die Wahl zwischen mehreren Standorten in verschiedenen Bundesländern oder auch nur im Zuständigkeitsbereich verschiedener Genehmigungsbehörden und kennt er - oder sein Anwalt - die Gepflogenheiten vor Ort, so kann er sich die ihm günstigen Standorte bzw. Bundesländer aussuchen. Geben einzelne Länder wie z. B. Nordrhein-Westfalen mit dem bereits beschriebenen Abstandserlass detaillierte Regelungen in planungsrechtlicher Hinsicht vor, richten sich diese als Verwaltungsvorschriften zwar nicht unmittelbar an den Investor; dieser kann sich jedoch anhand der Vorgaben schon vor Beginn eines Genehmigungsverfahrens über bestimmte Voraussetzungen informieren. Es wird damit ein Beitrag zur Rechtssicherheit geschaffen. Mit der Feststellung, dass ein gewisser Wettbewerb zwischen den Bundesländern positive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben kann, ist noch nichts über die eigentliche Fragestellung der heutigen Veranstaltung gesagt, nämlich ob ein solcher Wettbewerb auch Motor für den Umweltschutz sein kann. Eine solche Aussage lässt sich aber wohl auch nicht treffen. Letztlich kommt es für die Bewahrung der Umwelt auf die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen in diesem Bereich an. Hiervon kann aber in allen Bundes-
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ländern ausgegangen werden, unabhängig von der Dauer des Genehmigungsverfahrens. Ein zügiges und reibungsloses Bearbeiten von Genehmigungsanträgen hat demnach positive Auswirkungen für Investoren, steHt aber gleichzeitig auch keinen Nachteil im Hinblick auf Belange des Umweltschutzes dar. 2. Regionale Zusammenarbeit In Bayern wurde 1995 eine freiwillige Vereinbarung zwischen der Bayerischen Wirtschaft und der Bayerischen Staatsregierung mit dem Ziel eines verstärkten Umweltschutzes ("Umweltpakt Bayern") geschlossen. Darin verpflichtet sich die Wirtschaft u. a. zu einer Reduzierung der spezifischen COrEmissionen in der Gasversorgung um 25 % im Zeitraum 1987-2005 sowie zur Durchführung von 3.500 betrieblichen Umweltprüfungen 26 . Im Gegenzug fördert die Bayerische Staatsregierung z. B. die freiwillige Durchführung von Umweltbetriebsprüfungen und die Einführung von Umweltmanagementsystemen durch die Unternehmen oder erklärt, die Unternehmen von überflüssigen Regulierungen zu entlasten 27 . Solche Vereinbarungen haben positive Auswirkungen in zweierlei Hinsicht: Sie können zum einen die Belange der Umwelt sichern helfen, indem sie die Bereitschaft zu umweltschonenden Maßnahmen der Wirtschaft erhöhen und Anreize in dieser Hinsicht schaffen. Bayern ermöglicht auf Landesebene eine höhere Akzeptanz von Umweltschutzregeln bei der Wirtschaft, so dass sich der Föderalismus hier durchaus als Motor in Sachen Umweltschutz erweist. Zum anderen dient eine solche Vereinbarung auch den Interessen der Wirtschaft, etwa wenn auf diese Weise die Initiative zu einer Deregulierung im Umweltrecht gegeben wird und die Wirtschaft konkrete Hilfe bei der Durchführung von Umweltmaßnahmen erhält.
3. Länderregelungen als Motor für den Umweltschutz Wenn einzelne Länder strengere Genehmigungsvoraussetzungen aufstellen als andere, so kann dies durchaus ModeHcharakter haben und andere Länder zur Nachahmung aufrufen. Die im Verhältnis zu anderen Bauordnungen strengere Regelung des § 63 Abs. I Nr. 5 lit. a Hessische Bauordnung etwa erscheint durchaus geeignet, Maßstäbe im Bereich der Verfahrensfreiheit von Antennenanlagen zu setzen. Auch hier würde sich dann der Föderalismus als Motor für den Umweltschutz erweisen.
26 27
Ziffern C.I.l und C.III.I des Umweltpaktes Bayern. Ziffern 0.11.1 und 0.111.1. des Umweltpaktes Bayern.
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Ein historisches Beispiel für die Vorreiterrolle eines Landes stellt die Preußische Gewerbeordnung dar, die bereits im Jahre 1845 die Errichtung und Veränderung bestimmter gefährlicher Anlagen unter ein Genehmigungserfordernis stellte?8
IV. Nachteile landesrechtlicher Regelungen aus Sicht der Wirtschaft Den gerade beschriebenen vorteilhaften Auswirkungen, die landesrechtliehe Immissionsschutz-Regelungen auf die Belange der Wirtschaft haben können, stehen gravierende Nachteile entgegen, die im Folgenden kurz skizziert werden. 1. Unterschiedliche immissionsschutzrechtliche Anforderungen der einzelnen Länder
Eine Gesetzgebungszuständigkeit auf Länderebene bedeutet zwangsläufig eine hohe Normendichte. Um beim Beispiel des Bauordnungsrechts zu bleiben: Die Vielzahl teilweise nur in Details voneinander abweichender Regelungen bedeuten einen höheren Verwaltungsaufwand für die national tätigen Mobilfunkunternehmen. Die Voraussetzungen für die Aufstellung eines Sendemastes oder einer Basisstation müssen jeweils einzeln geprüft werden. Folge hiervon ist eine gewisse Rechtsunsicherheit die durch die zum Teil uneinheitliche obergerichtliehe Rechtsprechung noch verstärkt wird. Es kommt häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Frage der Genehmigungsfreiheit einer Antennenanlage oder einer Basisstation. Auch die Frage, ob eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorliegt, wenn Antennen auf Häuserdächern installiert werden, ist wiederholt Gegenstand von Rechtsstreiten gewesen29 . Folgende Rechtsprechung kann als Beispiel für die problematische Auslegung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften dienen: In Baden-Württemberg sind Antennenanlagen bis 10m Höhe verfahrensfrei, § 50 Abs. 1 i. V. m. Nr. 30 der Anlage zu § 50 Landesbauordnung Baden-Württemberg. Nach § 50 Abs. 1 i. V. m. Nr. 26 der Anlage zu § 50 Landesbauordnung Baden-Württemberg sind außerdem bauliche Anlagen, die dem Fernmeldewesen dienen, genehmigungsfrei, wenn sie nicht mehr als 30 m2 Grundfläche sowie maximal 5 m Höhe aufweisen. Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg30 sollen ein fast 10m hoher Sendemast und ein Manens, Die wesentliche Änderung im Sinne des § 15 BImSchG, S. 13. Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.1998 - 8 S 1848/98 -, DÖV 2000, 82. 28
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durch eine Kabelbrücke mit ihm verbundenes Betriebsgebäude nicht in drei rechtlich gesondert zu würdigende Teile aufgespalten werden können, die jeder für sich genommen verfahrensfrei wären. Eine solche Mobilfunkbasisstation müsse insgesamt (also einschließlich der Antenne) nach Nr. 26 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 Landesbauordnung Baden-Württemberg beurteilt werden, so dass die jeweilige Antenne nur bis 5 m Höhe genehmigungsfrei ist. Diese für Investoren äußerst nachteilige Rechtsprechung erscheint nicht haltbar. Sowohl die Bauordnung Baden-Württemberg als auch die einiger anderer Bundesländer unterscheidet zwischen Regelungen über die Genehmigungsfreiheit von Antennen und baulichen Anlagen, die dem Fernmeldewesen dienen. Hieraus ergibt sich, dass die Bestimmung des § 50 Abs. 1 i. V. m. Nr. 26 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 Landesbauordnung Baden-Württemberg lediglich für Technikräume gelten dürfte, während Nr. 30 des Anhangs für die Antennenhöhe maßgeblich ist. Der angesprochene nordrhein-westfälische Abstandserlass zu § 50 Bundes-Immissionsschutzgesetz hat nicht nur den beschriebenen positiven Effekt. Eine Regelung dieser Frage durch die einzelnen Bundesländer hat auch zur Folge, dass sie jeweils unterschiedlich gehandhabt wird und die Rechtslage wieder unübersichtlich zu werden droht. Im Unterschied zu anderen Bundesländern kann aber im Fall Nordrhein-Westfalen auf geschriebenes Recht zurückgegriffen werden. Gleiches gilt hier auch für die Verwaltungsvorschriften zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, zur TA Luft und zur TA Lärm.
2. Parallele Genehmigungsverfahren Nicht nur die unterschiedlichen Anforderungen, die die einzelnen Bundesländer im Hinblick auf den Immissionsschutz stellen, sind problematisch für die Wirtschaft. Bei Anlagen, die nicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig, sondern nach §§ 22 ff. Bundes-Immissionsschutzgesetz zu beurteilen sind, gilt die Konzentrationswirkung des § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht. Für den Anlagenbetreiber bedeutet dies, dass er u. U. verschiedene Genehmigungen einholen muss, jeweils bei unterschiedlichen Behörden. So kann eine Baugenehmigung erforderlich sein, eine Erlaubnis für überwachungs bedürftige Anlagen nach § 11 Gerätesicherheitsgesetz oder eine wasserrechtliche Zulassung. Diese behördlichen Akte würden sonst im Rahmen des § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Anlage ersetzt3l . 30
Urteil vom 28.04.1998 - 8 S 2713/97 -, BauR 1999, 1447.
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Um die negativen Effekte einer Länderzuständigkeit im Umweltrecht zu verdeutlichen, kann das Beispiel einer Rohrleitung, die verschiedene Bundesländer durchquert, herangezogen werden. Soll die Rohrleitung durch die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern führen und dabei in oder an Küstengewässern errichtet werden, bedarf sie in allen drei Ländern jeweils einer eigenen Genehmigung nach dem Landeswassergesetz 32 . Sollte die Rohrleitung wassergefährdende Stoffe wie z. B. Rohöl 33 transportieren, muss auch eine Genehmigung nach §§ 19 a-f Wasserhaushaltsgesetz beantragt werden. In diesem Fall ist zudem eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, § 3 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über die UmweltverträglichkeitspTÜfung i. V.m. Nr. 16 der Anlage zu § 3. Weiter zu beachten ist das gewerberechtliche Erlaubniserfordernis nach der Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande (VbF)34. Sollte die Rohrleitung über Land führen, ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 VbF eine solche Erlaubnis erforderlich. Immerhin sieht § 19 f Wasserhaushaltsgesetz beim Zusammentreffen mehrerer Genehmigungserfordernisse die Zuständigkeit der die gewerbeoder bergrechtliehe Erlaubnis erteilenden Behörde auch hinsichtlich der wasserrechtlichen Genehmigung vor. Beim Transport von Gas ist dagegen die Verordnung über Gashochdruckleitungen vom 17. Dezember 1974 zu beachten, die für Errichtung und Betrieb solcher Anlagen detaillierte Anforderungen aufstelles. Eine Baugenehmigung für Rohrleitungen ist in Niedersachsen erforderlich, falls die Leitung oberirdisch verlegt wird, § 3 Nr. 3 Niedersächsische Bauordnung. In Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sind Rohrleitungen zum Ferntransport von Stoffen vom Anwendungsbereich der Bauordnungen ausgenommen 36 . Führt die Rohrleitung außerdem über den deutschen Festlandsockel, muss auch eine Genehmigung nach § 133 Bundesberggesetz beantragt werden, und zwar in bergbaulicher Hinsicht, § 133 Abs. 1 Nr. 1 Bundesberggesetz, sowie hinsichtlich der Ordnung der Nutzung und Benutzung der Gewässer über dem Festlandsockel und des Luftraums über diesen Gewässern, § 133 Abs. 1 Nr. 2 Bundesberggesetz. Jarass, § 13, Rn. 4. § 133 i. V.m. § 91 Niedersächsisches Wassergesetz; § 77 Landeswassergesetz Schleswig-Holstein; § 86 Landeswassergesetz Mecklenburg-Vorpommem. 33 Wassergefährdender Stoff gemäß § 19a Abs. 2 Nr. I Wasserhaushaltsgesetz. 34 Kloepfer, S. 864. 31
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BGB!. S. 3591. § lAbs. 2 Nr. 4 Bauordnung Schleswig-Hoistein; § lAbs. 2 Nr. 4 Bauordnung Mecklenburg-Vorpommem. 35
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Da die Vorschriften des Gewässerschutzrechts Thema eines eigenen Vortrags sind, soll dieses Beispiel nicht weiter vertieft werden. Es sollte deutlich machen, dass eine konkurrierende Gesetzgebung, wie sie im Gewässerschutzrecht existiert, eine kaum mehr überschaubare Normenvielfalt zur Folge hat. Kleinere oder mittelständische Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung dürften angesichts der unübersichtlichen Rechtslage überfordert sein. Sie müssen Beratung teuer einkaufen, was die Berater freut, jedoch die Investitionskosten steigen lässt. Hier würde sich eine Regelung, wie sie im Immissionsschutzrecht mit § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz existiert, segensreich auswirken.
V. Vorteile bundesrechtlicher Regelungen aus Sicht der Wirtschaft
Die Normierung des Immissionsschutzrechts im Bundes-Immissionsschutzgesetz durch den Bundesgesetzgeber bringt eine Reihe von Vorteilen für Investoren mit sich, die bei einer dezentralen Regelung so nicht denkbar wären. Im Einzelnen:
1. § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz Wie dargestellt, erweist sich die Regelung des § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz als wirtschaftsfreundlich. Sie bietet dem Antragsteller Erleichterungen gegenüber Verfahren, in denen verschiedene Genehmigungen bei den jeweils zuständigen Behörden beantragt werden müssen. Die Konzentrationswirkung hat den positiven Effekt, dass der Investor nur eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz beantragen muss. Er hat dadurch einen festen Ansprechpartner in der zuständigen Genehmigungsbehörde, der das Verfahren begleitet. Die jeweilige Behörde prüft dabei sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen in einem einzigen Verfahren. Sie berücksichtigt auch die für eine Genehmigung oft maßgeblichen Landesvorschriften. Das Genehmigungsverfahren wird wesentlich beschleunigt, der behördliche Sachverstand zugleich an einem Ort konzentriert. Auch dies dient einer zügigen und kompetenten Bearbeitung von Genehmigungsanträgen. § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz steht beispielhaft für die Vereinbarkeit von Belangen des Umweltschutzes mit den Interessen der Wirtschaft. Die Norm will zum einen das Verwaltungshandeln koordinieren und so für eine effekti ve Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben sorgen; zum anderen soll sie auch der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und damit dem Investor dienen 37 . Hier zeigt sich, dass die unterschiedlichen Inte-
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ressen mit Hilfe gesetzlicher Instrumente zum Ausgleich gebracht werden können. 2. Rechtssicherheit durch einheitliche Normen
Die bundeseinheitliche Regelung des Immissionsschutzes hat neben der Wirkung des § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz noch weitere positive Effekte für die Wirtschaft. So schafft das Bundesrecht Rechtssicherheit für Investoren durch einheitlich im ganzen Bundesgebiet geltende Normen. Bundeseinheitliche Regelungen erleichtern dabei insbesondere die Vorhaben, bei denen Investitionen in verschiedenen Bundesländern gleichzeitig durchgeführt werden. Insbesondere die Ausführungsbestimmungen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz wie die TA Luft oder die TA Lärm sind hier beispielhaft zu nennen. Eine weitere Rechtssetzungstätigkeit des Bundes auf diesem Gebiet wäre im Interesse der Wirtschaft allerdings wünschenswert38 . Durch Vorgaben des Europarechts wird die Schaffung bundeseinheitlicher Regelungen im Immissionsschutzrecht ebenfalls gefordert. So müssen z. B. nach Art. 9 Abs. 1 IVU-Richtlinie 39 die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass eine Anlagengenehmigung auch Maßnahmen umfasst, die zur Erfüllung der in der Richtlinie genannten Genehmigungsvoraussetzungen notwendig sind. Die Umsetzung solcher und ähnlicher Verfahrensvorschriften sowie der materiellen europarechtlichen Vorgaben durch Normen des Landesrechts erscheint unzweckmäßig. Dies gilt umso mehr, als Deutschland wiederholt mit der Umsetzung umweltrechtlicher Vorschriften aus Brüssel in Verzug geraten ist. Eine weitere Diversifikation des nationalen Rechts würde diesen Trend verstärken.
Jarass, § 13, Rn. I. VgI. hierzu Hansmann, Immissionsschutz und Föderalismus, in: Immissionsschutz 2001, 84, 87, der die unterschiedlichen Interessen zwischen Bund und Ländern als Grund für die zuruckhaltende Normgebungstätigkeit auf diesem Gebiet ausmacht. In diesem Zusammenhang ist allerdings eine Verordnung des Bundes beachtlich, die kürzlich vom Kabinett beschlossen wurde und Unternehmen privilegieren soll, die freiwillig am europäischen Umweltmanagement-System Öko-Audit teilnehmen, vgI. Pressemitteilung des BMU Nr. 182/01 v. 19.09.2001. 39 RL 96/61/EG des Rates vom 24.09.1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, AbI. NT. L 257 vom 10.10.1996 S. 26. 37
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VI. Nachteile bundesrechtlicher Regelungen aus Sicht der Wirtschaft Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das Immissionsschutzrecht kann aus Sicht der Wirtschaft nur positiv beurteilt werden. Aus den geschilderten Gründen ist dieser Regelung eindeutig der Vorzug gegenüber einer materiellen Zuständigkeit der Länder zu geben.
VII. Zusammenfassung Mit dem Bundes-Immissionsschutzrecht wurde ein Regelwerk geschaffen, welches den Interessen der Wirtschaft insgesamt entgegenkommt. Die einheitliche materielle Regelung durch den Bundesgesetzgeber ist einer dezentralen Länderzuständigkeit vorzuziehen. Besonders für genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz ergibt sich eine Vielzahl von Erleichterungen: • Bundesrecht sichert zunächst einheitliche umweltrechtliche Standards im ganzen Bundesgebiet und schafft so Rechtssicherheit für Investoren. • Der Investor muss nur einen Genehmigungsantrag nach Bundes-Immissionsschutzgesetz stellen. • Die Konzentrationswirkung des § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz verschafft dem Investor einen kompetenten Ansprechpartner für alle Fragen der Genehmigungsvoraussetzungen. • Das Verfahren wird durch die Konzentration bei einer Behörde beschleunigt. Auch die Zuständigkeit der Länder für die Ausführung der bundesrechtlichen Immissionsschutzregelungen kann aus Sicht der Unternehmen grundsätzlich positiv beurteilt werden. Sie führt dazu, dass ein gewisser Wettbewerb zwischen einzelnen Ländern stattfindet, der dem Investor nutzt. Negative Folge der Länderzuständigkeit ist allerdings die aus Sicht der Wirtschaft wenig transparente Arbeit des LAI, dem in der Praxis ein erheblicher Einfluss auf die Tätigkeit der Genehmigungsbehörden zukommt. Die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft in einzelnen Ländern kann durchaus bewirken, dass ein hohes umweltrechtliches Schutzniveau auf Akzeptanz bei Investoren stößt. Dies zeigt das erwähnte Beispiel des "Umweltpaktes Bayern". Im Rahmen solcher regionaler Initiativen gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und der Wirtschaft durchaus fruchtbar und kann als richtungsweisend für die zukünftige Zusammenarbeit angesehen werden.
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So bleibt festzuhalten, dass der status quo im Immissionsschutzrecht aus Sicht der Wirtschaft insgesamt positiv bewertet werden kann. Eine Entwicklung hin zu mehr Dezentralisierung und Eigenverantwortlichkeit der Länder kann aus der Sicht von Investoren nur von Nachteil sein. Eine stärkere regionale Zusammenarbeit mit der Wirtschaft im Sinne freiwilliger Kooperation dagegen nützt allen Beteiligten.
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Immissionsschutz und Föderalismus aus Sicht der Verwaltung Von Klaus Hansmann
I. Einleitung Der föderale Staat will zweierlei erreichen: die Integration vieler Gruppen der Gesellschaft bei der Ausübung staatlicher Gewalt und die Beherrschung der Machtausübung durch Gewaltenteilung. Eine föderale Verfassung soll sowohl Teilhabe an staatlicher Gewalt als auch Beschränkung der staatlichen Gewalt bewirken. Es liegt auf der Hand, dass der Föderalismus unter den Gesichtspunkten Integration und Gewaltenteilung erhebliche Vorteile für das Gemeinwohl haben kann. Durch die Einbindung unterschiedlicher Gruppen kann er Vielfalt und Innovation fördern, und durch die Teilung staatlicher Gewalt kann er vor Machtmissbrauch schützen. Die Beteiligung zu vieler an der staatlichen Machtausübung kann allerdings auch zu einer Lähmung des Gemeinwesens führen. Auch ist eine wirksame Gewaltenhemmung nicht mehr gewährleistet, wenn die an der Macht beteiligten Gliedstaaten zu schwach sind - entweder zu wenig Kompetenzen haben oder gegeneinander ausgespielt werden können. Für das Funktionieren des föderalen Staates ist von entscheidender Bedeutung, dass das Machtverhältnis zwischen dem Oberstaat und den Gliedstaaten - d. h. bei uns zwischen dem Bund und den Ländern - richtig austariert ist. Das ist einmal eine Frage von Zahl, Größe und Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder; die damit zusammenhängenden Probleme sind nicht Thema dieses Beitrags. Zum anderen geht es um die Aufteilung der Kompetenzen, insbesondere in den Bereichen der Rechtsetzung und des Rechtsvollzugs. Nicht zuletzt kommt es auf die Staatspraxis, die tatsächliche Wahrnehmung der Kompetenzen an. Da der Föderalismus eine umfassende Zielsetzung hat, ist es schwer, ihn nur unter einem Aspekt staatlicher Aufgaben - nämlich dem des Immissionsschutzes - zu beurteilen. Letztlich kommt es auf das Gesamtspektrum staatlicher Machtausübung an. Gleichwohl ist es nützlich und interessant zu untersuchen, ob und ggf. weIche Vorteile und Schwierigkeiten für die Durchsetzung von ImmissionsIS'
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schutzzielen die derzeitige Kompetenzverteilung und die Kompetenzausübung in Deutschland hervorrufen. Diese Frage ist insbesondere im Hinblick auf die Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union von Bedeutung. Im Immissionsschutzrecht wie in vielen anderen Umweltbereichen geht es heute nicht mehr vorrangig um die Frage, ob eine Aufgabe vom Bund oder von den Ländern wahrgenommen werden soll. In den meisten Fällen kommen die Vorgaben aus Brüssel'. Deren Umsetzung kann durch föderale Strukturen in den Mitgliedstaaten erschwert2 werden und eine neue Bewertung des Föderalismus und seiner Ausgestaltung erfordern.
11. Rechtsetzung 1. Kompetenzen des Bundes auf dem Gebiet des Immissionsschutzes Im Grundgesetz wird der Immissionsschutz nicht als eigener Regelungsbereich der Gesetzgebung genannt. Art. 74 Abs. I Nr. 24 GG nennt lediglich die Teilbereiche Luftreinhaltung und Lärrnbekämpfung als Materien der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Alle übrigen immissionsschutzrechtlichen Regelungen muss der Bund auf andere Kompetenznormen stützen. In diesem Rahmen sind insbesondere die Regelungsbefugnisse für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) und für den Verkehr (Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG) von Bedeutung. Soweit der Bund derartige Kompetenzen in Anspruch nimmt, muss er die allgemeinen Ausübungsbeschränkungen durch Art. 72 Abs. 2 GG und die speziellen Beschränkungen in den einzelnen Kompetenznormen beachten. Eine gewisse Erweiterung der ausdrücklich genannten Rechtsetzungsbefugnisse kann sich aus dem Sachzusammenhang (Annexkompetenz) und aus dem Schwerpunkt einer Gesamtregelung ergeben 3 .
1 Auf dem Gebiet des Immissionsschutzes hat die EG zahlreiche Richtlinien erlassen, die die Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen haben. In diesem Zusammenhang sind u. a. die lVU-Richtlinie (Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), die Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie (Richtlinie 96/62/EG über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität) und die hierzu erlassenen Tochterrichtlinien zu erwähnen. 2 Diese Erschwernisse rechtfertigen nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. u.a. Urteil vom 12.12.1996, NVwZ 97,370,371) nicht die Nichteinhaltung von Verpflichtungen aus einer EG-Richtlinie oder von Umsetzungsfristen. 3 Vgl. BVerfGE 98, 265, 299; Jarass, NVwZ 2000, 1089, 1090.
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2. Kompetenzen der Länder Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, soweit und solange der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG)4. Die Länder sind ausschließlich für die Gesetzgebung zuständig, soweit dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz durch das Grundgesetz nicht ausdrücklich oder konkludent zugewiesen ist. Danach steht den Ländern die alleinige Gesetzgebungsbefugnis in allen Fällen zu, in denen es nicht um den Schutz vor Luftverunreinigungen oder Lärm und nicht um Regelungen für die Wirtschaft oder den Verkehr geht. Die Länder können demnach immissionsschutzrechtliche Regelungen treffen: a) im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, - soweit der Bund keine oder keine abschließenden Regelungen getroffen hat oder - soweit den Ländern in einem Bundesgesetz die Befugnis zu anderen, insbesondere weitergehenden Regelungen eingeräumt worden ist (vgl. z. B. § 22 Abs. 2 und § 49 Abs. 3 BImSehG), und b) aufgrund eigener ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz in allen Fällen, in denen es um den Schutz vor anderen Immissionen als Luftverunreinigungen oder Lärm geht (z. B. Erschütterungen, Licht, Wärme, Einwirkungen durch elektrische oder magnetische Felder) und in denen sich die Regelungen weder auf die Wirtschaft noch auf den Verkehr beziehen sollen. Soweit es um die Anlagensicherheit als Teilgebiet des Immissionsschutzrechts i. w. S. geht, kann der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit nur unter den Gesichtspunkten des Rechts der Wirtschaft oder des Verkehrs in Anspruch nehmen. Im Übrigen sind die Länder ausschließlich zuständig. Weitere Gesetzgebungskompetenzen haben die Länder bei der Ausführung von Bundesrecht (vgl. Art. 83 GG). Sie regeln dann die Einrichtung von Behörden, deren Zuständigkeiten, das Verwaltungsverfahren, soweit bundesrechtlich nichts anderes bestimmt ist, und die Erhebung von Gebühren durch Landesbehörden (vgl. Art. 84 Abs. 1 GG).
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Vgl. dazu Jarass, NVwZ 96, 1041, 1043 ff.
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3. Wahrnehmung der Gesetzgebungskompetenzen durch den Bund und die Länder
Auf dem Gebiet des Immissionsschutzes hat der Bund von seiner (konkurrierenden) Gesetzgebungskompetenz insbesondere mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) Gebrauch gemacht. Als weitere Immissionsschutzgesetze sind das Benzinbleigesetz und das Fluglärmgesetz zu nennen. Außerdem gibt es zahlreiche immissionsschutzrechtliche Vorschriften in vorrangig anderen Zwecken dienenden Fachgesetzen (z. B. im Gaststättengesetz und im Straßenverkehrsgesetz). Das Bundes-Immissionsschutzgesetz enthält umfangreiche Vorschriften zum Immissionsschutz, ist aber auch in dem von ihm geregelten Bereich nicht als abschließende bundesrechtliche Regelung zu verstehen. Vollständig ausgeklammert ist das verhaltensbezogene Immissionsschutzrecht5 . Soweit es um den Schutz vor anderen Immissionen als Luftverunreinigungen oder Lärm geht, sind die Anforderungen auf den gewerblichen Bereich bzw. auf wirtschaftliche Unternehmungen beschränkt (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2, § 22 Abs. 1 Satz 3, § 23 Abs. 1, § 32 Abs. 1, § 34 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BImSchG). Darüber hinaus lässt das Gesetz in § 22 Abs. 2, in § 46 Abs. 2 und in § 49 Abs. 3 ausdrücklich Raum für weitergehende landesrechtliche Regelungen. Schließlich ermächtigt das Bundes-Immissionsschutzgesetz die Länder an verschiedenen Stellen zum Erlass von Rechtsverordnungen (vgl. § 23 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 46 Abs. 1 Satz 3 und § 49 Abs. 1 und 2). Die Länder haben in unterschiedlicher Weise von ihren Rechtsetzungskompetenzen auf dem Gebiet des Immissionsschutzes Gebrauch gemacht. Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben eigene Landes-Immissionsschutzgesetze erlassen, die insbesondere verhaltensbezogene Regelungen und Vorschriften für den nicht gewerblichen Bereich enthalten. In anderen Ländern gibt es auf polizei- und ordnungsrechtliche Ermächtigungen gestützte Rechtsverordnungen, insbesondere zum Lärmschutz. Weitere auf bundesrechtliche Ermächtigungen gestützte Landesverordnungen dienen insbesondere der Verringerung räumlich oder zeitlich begrenzter Immissionen6 . Im Übrigen haben alle Länder Zuständigkeits- und Gebührenregelungen getroffen.
5 Zur Abgrenzung von anlagebezogenem und verhaltensbezogenem Immissionsschutzrecht vgl. Landmann/Rohmer/Hansmann, Umweltrecht, Band I, vor § 22 BImSe hG Rn. 23 ff. 6 Z. B. Smog-Verordnungen, Untersuchungsgebietsverordnungen und Schutzgebietsverordnungen.
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4. Teilhabe der Länder an der Rechtsetzung durch den Bund und durch die EG Die Länder wirken über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mit (vgl. Art. 77 GG). Die Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Gemeinschaft ist in Art. 23 GG und in dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union geregelt. Neben der gesetzlich geregelten Mitwirkung der Länder an der Rechtsetzung bestehen zahlreiche Möglichkeiten einer informellen Teilhabe an der Vorbereitung von Rechtsnormen. Bei der Vorbereitung von EG-Vorschriften haben die mit Experten besetzten Beratungsgremien oft eine größere Bedeutung als die Rats-Arbeitsgruppen 7 . In diese Expertenausschüsse werden häufig Sachverständige aus den Ländern entsandt, die dort ihre Erfahrungen und Kenntnisse, aber auch die von den Ländern wahrzunehmenden Interessen (insbesondere die Vollzugsinteressen) einbringen können. Bei der Vorbereitung von Bundesrecht werden Fachleute aus den Ländern oft frühzeitig beteiligt. Manche neuen Regelungen werden auch von Ländervertretern angeregt. In diesem Zusammenhang haben die Länderarbeitsgemeinschaften - im Bereich des Immissionsschutzes der Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) - eine große Bedeutung. In den Unterausschüssen oder besonderen Arbeitsgruppen des LAI werden Regelungskonzeptionen entwickelt und erste Arbeitsentwürfe erstellt. Von dieser frühzeitigen Zusammenarbeit profitieren sowohl der Bund als auch die Länder. Darüber hinaus kommt es immer wieder vor, dass Fachlaute aus dem Länderbereich in interne Arbeitsgruppen des Bundes berufen werden. Auch wenn diese Fachleute nicht als offizielle Ländervertreter tätig werden, bringen sie doch auch Länderinteressen in den Beratungsprozess ein.
5. Probleme bei der Rechtsetzung Die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Immissionsschutzes und die tatsächliche Wahrnehmung dieser Kompetenzen hat bisher nicht zu grundlegenden Schwierigkeiten geführt. Wenn es Schwierigkeiten bei der Gesetzgebung gibt, liegen die Gründe dafür weniger im Verhältnis von Bund und Ländern als im Aufeinandertreffen von Wirtschaftsund Umweltinteressen und in unterschiedlichen politischen Bewertungen zwischen den Ländern. Die fachliche Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern ist im Bereich des Immissionsschutzes seit vielen Jahren vorbildlich. 7
Vgl. dazu Demmke, Die Verwaltung 1/99.
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Auch bei einer grundsätzlich positiven Bewertung der föderalen Strukturen im Bereich des Immissionsschutzes können gewisse Schwierigkeiten für die Rechtsetzung nicht verschwiegen werden. Diese liegen weniger in der Gefahr unterschiedlicher Regelungen durch die verschiedenen Länder und daraus folgend - von divergierenden Anforderungen im Bundesgebiet. Schwierigkeiten zeigen sich vielmehr in den Bereichen, in denen der Bund auf seine Kompetenzen für das Recht der Wirtschaft und für den Verkehr zurückgreifen muss und deshalb keine umfassende Regelung treffen kann. Hier müssen die Länder, insbesondere zur Umsetzung von EG-Recht, zusätzliche Vorschriften erlassen, ohne dass ihnen dabei ein sinnvoll zu nutzender Handlungsspielraum zusteht. Grundsätzlich behindert eine solche ergänzende Gesetzgebung zwar nicht die sachgerechte Lösung eines Immissionsschutzproblems. Sie erfordert aber unnötigen Aufwand und kann zu Verzögerungen bei der Rechtsetzung führen. Im Bereich des Immissionsschutzes i. e. S. zeigen sich die Schwierigkeiten bei den Regelungen zum Schutz vor anderen Immissionen als Luftverunreinigungen und Geräuschen. Hier kann der Bund nur Regelungen für den gewerblichen Bereich und sonstige wirtschaftliche Unternehmungen treffen. Erschütterungen, Licht und elektro-magnetische Felder können aber auch von Anlagen ausgehen, die zu anderen als wirtschaftlichen Zwecken betrieben werden. Um hier keine Lücke entstehen zu lassen, haben einige Länder die einschlägigen Vorschriften des Bundes auch im hoheitlichen und privaten Bereich für entsprechend anwendbar erklärt; in den übrigen Ländern muss auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht zurückgegriffen werden. Ähnliche Schwierigkeiten gibt es im Bereich der Anlagensicherheit. In der sog. Seveso-II-Richtlinie 8 verlangt das europäische Gemeinschaftsrecht, dass bestimmte zusammenhängende Komplexe mit gefährlichen Stoffen (Betriebsbereiche im Sinne des § 3 Abs. 5 a BImSchG) einer einheitlichen Sicherheitsbetrachtung unterzogen werden. Dabei wird nicht unterschieden, ob die Tätigkeiten innerhalb eines Betriebsbereichs wirtschaftlichen oder sonstigen Zwecken dienen. Auch Hochschulinstitute werden grundsätzlich von den EG-rechtlichen Regelungen erfasst. Hier war und ist eine einheitliche Umsetzung in deutsches Recht wegen der beschränkten Gesetzgebungskompetenzen des Bundes nicht möglich - mit der Folge, dass alle Bundesländer ergänzende Vorschriften erlassen müssen. Das führt zu (weiteren) Verzögerungen bei der Umsetzung des EG-Rechts und zu einem unnötigen Aufwand, da kein Land inhaltlich andere Regelungen treffen wird, als der Bund sie im Bundes-Immissionsschutzgesetz und in der Störfall-Verordnung festgelegt hat. 8 Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen.
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Weniger Schwierigkeiten bestehen aus der Sicht des Immissionsschutzes in einem Bereich, der im Zusammenhang mit dem Projekt Umweltgesetzbuch zur Umsetzung der IVU-Richtlinie diskutiert worden ist, nämlich in der Frage der Schaffung eines umfassenden einheitlichen Anlagenzulassungsrechts. Soweit es geboten ist, Anlagen aus Gründen der Luftreinhaltung oder des Lärmschutzes einem Genehmigungsvorbehalt zu unterwerfen, hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG. Auf Grund dieser Zuständigkeit kann er alle Genehmigungsvoraussetzungen regeln, auch soweit diese sich auf die Anlagensicherheit, den Gewässerschutz oder den Naturschutz beziehen9 . Erfordern nicht der Schutz vor Luftverunreinigungen oder Lärm, sondern die Anlagensicherheit oder andere Immissionsschutzbelange eine präventive Prüfung bestimmter Anlagen vor deren Errichtung oder Inbetriebnahme, kann der Bund einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt für alle zu wirtschaftlichen Zwecken betriebenen Anlagen begründen; im Genehmigungsverfahren kann dann ebenfalls die Prüfung aller Auswirkungen gefordert werden (einschließlich Gewässerschutz und Naturschutz). Soweit für die nicht gewerblichen Anlagen eine präventive Prüfung erforderlich ist, kann sie weitgehend im Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden. Wesentliche Lücken sind im Bereich der Zulassung von Anlagen, für die aus Immissionsschutzgründen ein Genehmigungsvorbehalt festzulegen ist, nicht zu erwarten. Etwas anderes mag bei Anlagen gelten, die allein wegen ihrer Relevanz für das Wasser oder die Natur einem Zulassungsvorbehalt unterworfen werden sollen. Dann kann es problematisch sein, wenn die Gesetzgebungskompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt sind (vgl. Art. 75 GG). Negative Auswirkungen auf den Immissionsschutz sind dadurch aber nicht zu erwarten, solange nur eindeutig geklärt ist, welche Zulassungs verfahren durchzuführen und welche Belange in welchem Verfahren zu prüfen sind. Insoweit kann es Abstimmungsprobleme zwischen den betroffenen Behörden geben, insbesondere dann, wenn eine Anlage aus verschiedenen Gründen unterschiedlichen Zulassungsvorbehalten unterworfen worden ist. Die Bedeutung dieser Probleme hängt aber nicht davon ab, ob die Zulassungsverfahren bundes- oder landesrechtlich geregelt sind. Parallele Verfahren sind in beiden Bereichen möglich. 6. Schlussfolgerungen
Ob Änderungen in der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern oder in der tatsächlichen Wahrnehmung 9 Vgl. LandmannlRohmerlKutscheidt, Umweltrecht, Band I, § 5 BImSchG Rn. 48 mit weiteren Nachweisen.
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der bestehenden Kompetenzen zu empfehlen sind, ist für den Bereich des Immissionsschutzes nicht eindeutig zu beantworten. In diesem Zusammenhang sind nicht nur kurzfristige Zweckmäßigkeitsüberlegungen von Bedeutung. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Verfassung auf Dauer angelegt ist und Änderungen nur bei einer zwingenden Notwendigkeit vorgenommen werden sollten. Im Hinblick auf die Probleme, die bei der Umsetzung von EG-Recht auftreten können, kann daran gedacht werden, dem Bund eine außerordentliche Rechtsetzungskompetenz einzuräumen, - wenn das Gemeinschaftsrecht einheitliche Vorgaben für einen Bereich enthält, der teils in die Regelungskompetenz des Bundes und teils in die Kompetenz der Länder fallt, und - wenn der Schwerpunkt der zu treffenden Regelungen in die Zuständigkeit des Bundes fallt. Falls eine derartige Erweiterung der Bundeskompetenzen in Erwägung gezogen wird, sollte sie zu endgültigen Regelungen ermächtigen. Die von SendIerIO in die Diskussion gebrachte Bundeskompetenz für eine vorläufige Umsetzung von EG-Recht führt zu Rechtsunsicherheit und zu unnötigem Aufwand. Probleme, die bei Regelungen zum Schutz vor anderen Immissionen als Luftverunreinigungen oder Lärm auftreten können, sollten eher durch die Staatspraxis als durch Änderung der Kompetenznormen gelöst werden. Hier ist dieselbe Zurückhaltung des Bundes angezeigt, wie er sie im Bereich des verhaltensbezogenen Immissionsschutzes seit langem pflegt. Bisher hat der Bund auch diese Zurückhaltung gewahrt. Den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch elektro-magnetische Felder hat er in der 26. BImSchV lediglich für den gewerblichen Bereich geregelt; ergänzende landesrechtliche Regelungen für den nicht gewerblichen Bereich sind bisher nicht getroffen worden.
III. Gesetzesvollzug 1. Bundeskompetenzen
Der Vollzug von Gesetzen ist die Domäne der Länder (Art. 83 GG). Die bundeseigene Verwaltung hat im Bereich des Immissionsschutzes nur Bedeutung bei der Landesverteidigung, dem Postwesen und der Telekommunikation, dem Eisenbahnverkehr, dem Luftverkehr und der Schifffahrt auf Bundeswasserstraßen. 10
Sendler, NJW 2000,2871,2872.
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Durch die Befugnis zum Erlass allgemeiner Verwaltungs vorschriften
(Art. 84 Abs. 2 GG) hat der Bund erhebliche Einflussmöglichkeiten auf den
Vollzug des Bundesimmissionsschutzrechts durch Landesbehörden. Auf diese Weise kann er Vorgaben für die Norminterpretation und für die Ermessensausübung festlegen. Die vielfach unbestimmten Formulierungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes werden oft erst durch Verwaltungsvorschriften wie die TA Luft und die TA Lärm konkretisiert. 2. Kompetenzen der Länder Die Länder führen nicht nur die von ihnen erlassenen Rechtsnormen, sondern grundsätzlich auch die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus (Art. 83 GG). Dazu bestimmen sie die zuständigen Behörden, statten sie mit den erforderlichen personellen und sachlichen Mitteln aus und regeln soweit das nicht durch den Bund geschieht - das Verwaltungsverfahren. Die Länder regeln auch die Dienst- und Fachaufsicht über die nachgeordneten Behörden. In diesem Zusammenhang können die vorgesetzten Behörden, insbesondere die zuständigen obersten Landesbehörden, generell und im Einzelfall Weisungen erteilen. Sie können stets eigene Verwaltungsvorschriften, Erlasse oder Rundverfügungen herausgeben, soweit der Vollzug nicht in Verwaltungsvorschriften des Bundes abschließend geregelt ist.
3. Teilhabe der Länder am Erlass bundesrechtIicher Verwaltungsvorschriften
Die im Bereich des Immissionsschutzes besonders wichtigen allgemeinen Verwaltungsvorschriften kann der Bund nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen (Art. 84 Abs. 2 GG). Insoweit ist die Beteiligung der Länder verfassungsrechtlich gesichert. Abgesehen davon haben die Länder auch erhebliche Einflussmöglichkeiten bei der Vorbereitung allgemeiner Verwaltungsvorschriften. Im Bereich des Immissionsschutzes werden derartige Regelungen häufig im Länderausschuss für Immissionsschutz erarbeitet und abgestimmt. So können die Vollzugserfahrungen der Länder berücksichtigt werden. Außerdem werden Fachleute aus den Ländern zu internen Arbeitsgruppen des Bundes hinzugezogen. 11
11
Vgl. dazu oben unter 11. 4.
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4. Probleme
Anders als bei der Rechtsetzung liegen die durch den Föderalismus bedingten Probleme beim Gesetzesvollzug nicht in der Spaltung der Kompetenzen für denselben Sachbereich. Hier gibt es eher Probleme in der tatsächlichen Wahrnehmung der Kompetenzen. Nach § 48 BImSchG obliegt dem Bund die Konkretisierung der allgemeinen gesetzlichen Anforderungen durch Verwaltungs vorschriften. Da in diesen Verwaltungsvorschriften die entscheidenden (und häufig kostenintensiven) Details festgelegt werden müssen, treffen bei ihrem Erlass unterschiedliche Interessen aufeinander - mit der Folge, dass die Regelungsentwürfe häufig umstritten sind und deshalb besonders schwer durch das Normgebungsverfahren gebracht werden können. Das führt dazu, dass in den Verwaltungsvorschriften zuweilen Regelungen ausgespart werden, die für den Gesetzesvollzug besonders wichtig sind und bei denen die Vollzugsbehörden dann auf andere Erkenntnisquellen zurückgreifen müssen. Das kann zu einem unterschiedlichen Vollzug in den verschiedenen Ländern oder gar bei den einzelnen nachgeordneten Verwaltungsbehörden führen. Die Gefahren für die Gleichbehandlung und die Rechtssicherheit wären geringer, wenn die Behörden in allen Ländern auf dieselben Erkenntnisquellen zurückgreifen könnten und dies auch tatsächlich tun würden. Um Lücken im bundesgesetzlichen Regelwerk zu schließen, bemüht sich der Länderausschuss für Immissionsschutz seit vielen Jahren, einheitliche Musterverwaltungsvorschriften, Richtlinien, Leitlinien oder sonstige Hinweise zur Gesetzesauslegung und -anwendung zu erarbeiten. Derartige Ausarbeitungen haben eine große praktische Bedeutung. Gerade deshalb stoßen sie aber bei der Leitung einiger Umweltressorts auf Vorbehalte. Nach der dort vertretenen Auffassung bedarf es nicht nur einer fachlichen Abstimmung, sondern einer politischen Legitimation, bevor Äußerungen von Fachgremien bekanntgegeben werden dürfen. Da in der Umweltministerkonferenz und in der vorbereitenden Konferenz der Amtschefs das Einstimmigkeitsprinzip gilt, ist eine politische Einigung auf fachlich abgestimmte Auslegungs- und Anwendungshinweise nur selten zu erreichen. Die Folge ist, dass die unter den Fachbeamten abgesprochenen Lösungen nicht mehr bekanntgegeben werden oder dass Absprachen ganz unterbleiben und jedes Land oder gar jede Behörde eigene Wege geht. Beides liegt nicht im öffentlichen Interesse. Ein besonderer Bedarf, einheitliche Grundlagen für den Gesetzesvollzug zu schaffen, besteht bei der Durchführung der Vorschriften, die zur Umsetzung von EG-Vorgaben erlassen worden sind. Das EG-Recht ist vielfach durch Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet und deshalb oft mehrdeutig. Der deutsche Gesetzgeber neigt immer mehr dazu, die
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unklaren Fonnulierungen des Gemeinschaftsrechts in das nationale Recht zu übernehmen, um so einer Klage vor dem EuGH zu entgehen. Dadurch werden die Probleme auf die Vollzugsebene verlagert. Hier sind verbindliche Anwendungshilfen erforderlich. Arbeitsgruppen im Rahmen der EU können sie nicht schaffen, zumal auch dort oft nur Fonnelkompromisse zustande kommen. Hier ist der föderale Staat gefordert entweder verbindliche Interpretationshilfen durch den Bund zu schaffen oder ein praktikables Verfahren für Absprachen unter den Länderfachbeamten zur Verfügung zu stellen. Die größten praktischen Vollzugsprobleme gibt es bei der personellen Ausstattung der Überwachungsbehörden. Auf Grund der Diskussion über die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren sind die Genehmigungsstellen innerhalb der Länder zwar relativ gut mit Personal besetzt. Das ist jedoch zu Lasten der Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben gegangen. Eine Überwachung ohne besonderen Anlass findet kaum noch statt. Die Wirksamkeit des Rechts hängt aber stets von seiner tatsächlichen Anwendung und diese nicht zuletzt von der staatlichen Überwachung ab. Hier beginnt das Gemeinschaftsrecht mit Vorgaben für Umfang und Intensität der Überwachung 12. Solange diese nicht auf einem einheitlichen Konzept beruhen, kann das aber zur Folge haben, dass Personal lediglich zu Lasten anderer Bereiche verschoben wird.
5. Schlussfolgerungen Im Bereich des Gesetzesvollzugs ist aus der Sicht des Immissionsschutzes zu überprüfen, ob einzelne Aufgaben, die z. Z. noch in bundeseigener Verwaltung wahrgenommen werden, an die Länder abgegeben werden können. Hierdurch könnte eine gleichmäßige Wahrung der Immissionsschutzbelange in allen Bereichen gefördert werden. Wegen des Personalbedarfs sind allerdings Vorbehalte bei den Ländern zu erwarten. Beim Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften sollte der Bund stärker als bisher auch schwierige und umstrittene Probleme wie die des Schutzes vor krebserzeugenden Immissionen und vor Geruchseinwirkungen zu regeln versuchen. Arbeitshilfen von Länderarbeitsgemeinschaften sollten nicht verhindert, sondern nach einer Diskussion mit allen Betroffenen veröffentlicht und als Erkenntnisquellen akzeptiert werden. Die personelle und sachliche Ausstattung der Überwachungs behörden sollte dem Umfang und der Bedeutung der Aufgaben angepasst werden. 12
Vgl. Art. 18 der Seveso-II-Richtlinie (Fn. 8).
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Auf der Grundlage eines umfassenden Konzepts sollten Vorgaben für die regelmäßige behördliche Überwachung und für die Überwachung aus besonderem Anlass entwickelt werden.
IV. Zusammenfassende Bewertung Aus der Sicht des Immissionsschutzes wirft der Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland keine schwerwiegenden Probleme auf. Auch die vollständige und rechtzeitige Umsetzung von EG-Recht wird durch die Aufteilung der Kompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Gleichwohl sind gewisse Schwierigkeiten nicht zu leugnen. Zur Vermeidung von unnötigem Aufwand und von u. U. divergierenden Regelungen kommt eine Erweiterung der Kompetenz des Bundes zur Umsetzung von EG-Recht für den Fall in Betracht, dass das Schwergewicht der Umsetzungsaufgabe für einen Sachbereich bei ihm liegt und die Länder ohnehin nur die Regelungen des Bundes nachvollziehen können. Im Übrigen sollte der Bund sich in den Bereichen, in denen er nur eine Teilkompetenz hat, mit eigenen Vorschriften zurückhalten. Im Bereich des Gesetzesvollzuges sollte geprüft werden, ob nicht einzelne in bundeseigener Verwaltung wahrgenommene Aufgaben auf die Länder übertragen werden können. Bei unbestimmten gesetzlichen Vorgaben in Bundesgesetzen sollte für generelle Vollzugshilfen - möglichst durch den Bund - gesorgt werden. Für die Überwachung sollte ein einheitliches Konzept erstellt und ausreichendes Personal durch die Länder bereitgehalten werden.
Immissionsschutz und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft Von Helmuth Schulze-Fielitz
I. Immissionsschutzrecht als bundesstaatliches Problem 1. Charakteristische Merkmale des deutschen Bundesstaates
a) Einheit und Vielfalt Der deutsche Bundesstaat ist - wie jeder Bundesstaat - ein historisch gewachsenes Unikatl: Der Bund hat - seit dem 19. Jahrhundert - den Vorrang bei der Gesetzgebung, die Länder sind i. S. eines "Exekutivföderalismus" primär für den Gesetzesvollzug zuständig2 . Diese charakteristische Konstruktion zielt auf eine integrative Bewahrung der Einheit des Gemeinwesens in Anerkennung und Achtung der (kulturellen) regionalen Vielfalt. Dieser "gemischte" Bundesstaat ist bipolar: Er verbindet auf eine relativ optimale Weise zentralstaatliche Leistungsfabigkeit mit dezentralisierter Autonomie, indem er die Pole des föderalen und des zentralen Prinzips austariert 3 . Dieser dauernde, immer wieder neu akzentuierte Prozess der Ausbalancierung4 unterliegt freilich ganz spezifischen, dominierenden Kräften der 1 J. Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders.lP. Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, 2. Auf!. 1999, § 98 Rn. I ff., 5; W. Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: HStR IV ebd., § 105 Rn. I; H. Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 17 f. 2 Vgl. nur U. Münch, Entwicklung und Perspektiven des deutschen Föderalismus, Aus Politik und Zeitgeschichte B 13/99, S. 3 (3 f.); T. König, Regieren im deutschen Föderalismus, Aus Politik und Zeitgeschichte B 13/99, S. 24 ff. (26); G. Lehmbruch, Parteienwettbewerb im Bundesstaat, 2. Auf!. 1998 [3. Auf!. 2000], S.60. 3 P. Häberle, Aktuelle Probleme des deutschen Föderalismus, Die Verwaltung 24 (1991), S. 169 (184 ff.); ders., Föderalismus, Regionalismus, Kleinstaaten - in Europa, Die Verwaltung 25 (1992), S. I (8); Isensee (Fn. 1), § 98 Rn. 196 f. 4 Übersichtlich H. Bauer, in: H. Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Band 11, 1998, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 18; ders., Zustand und Perspektive des deutschen Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft, in: M. Kloepfer (Hrsg.), Umweltföderalismus, 2002 [i. E.], Abschnitt B. 11.; s. auch H.-J. Papier, 50 Jahre Bundesstaatlichkeit nach dem Grundgesetz - Entwicklungslinien und Zukunftsperspektiven, in: Bundes-
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Unitarisierung (b) und der kooperativen Selbstkoordinierung der Länder (c), denen gegenüber Ansätze zur Föderalisierung oder Regionalisierung angesichts des Vorbehalts der Bewahrung des bündischen Prinzips eher schwach ausgeprägt sind (d). b) Unitarisierung
Der Vorrang der Gesetzgebungskompetenzen beim Bund und ihre Wahrnehmung durch den Bund hat zu einem jahrzehntelangen Prozess der "Unitarisierung" des deutschen Bundesstaats geführt 5 . Ein ständiger Kompetenzzuwachs des Bundes durch verfassungsändernde Verlagerung von Gesetzgebungskompetenzen der Länder auf den Bund, verbunden mit einer jeweils verfassungs gerichtlich bestätigten ausdehnenden Interpretation von Bundesgesetzgebungskompetenzen, und eine einschränkende Interpretation von vermeintlichen Restriktionen für die Wahrnehmung von Bundeskompetenzen (Art. 72 11 GG)6 hat den Bund zum weithin maßgeblichen Gesetzgeber im Bundesstaat werden lassen. Der Bundesgesetzgeber neigt dazu, von sich aus nur sehr punktuell der Länderrechtsetzung autonome Handlungsspielräume zu belassen, damit die Länder regionalen Besonderheiten oder auch ihren politisch abweichenden Mehrheitsverhältnissen besser entsprechen können. Dieser Prozess hat einerseits die Rechtslage in nahezu allen wirtschaftlich und sozial relevanten Politikfeldern bundesweit vereinheitlicht und andererseits die Länder, vor allem ihre Parlamente7 , zunehmend entmachtet8 . Dieser Unitarisierungsprozess gilt nicht nur für den Bereich der parlamentarischen Gesetzgebung, sondern auch im Bereich der exekutivischen Rechtssetzung durch Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften rat (Hrsg.), 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent - Zur Struktur des deutschen Föderalismus, 1999, S. 341 ff. (342). 5 s. etwa Münch, Entwicklung (Fn. 2), S. 4 ff.; Papier, 50 Jahre (Fn. 4), S. 342 ff.; C. Gramm, Gewaltenverschiebungen im Bundesstaat, AöR 124 (1999), S. 212 (215 ff.); S. Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, 1998, S. 253 ff., 259 ff.; E. Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus in der Bundesrepublik Deutschland, 1998, S. 18 ff.; grdl. K. Hesse, Der unitarische Bundesstaat (1962), in: ders., Ausgewählte Schriften, 1984, S. 116 ff. 6 Vgl. ausf. C. Neumeyer, Der Weg zur neuen Erforderlichkeitsklausel für die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes (Art. 72 Abs. 2 GG) - Renaissance alliierter Verfassungspolitik, 1999, S. 92 ff. 7 Gramm (Fn. 5), AöR 124 (1999), S. 217; Rudolf(Fn. I), § 105 Rn. 81; ausf. H. Eicher, Der Machtverlust der Landesparlamente, 1988, S. 76 ff., 86 ff. 8 Vgl. z.B. D. Merten, Reform des Föderalismus in Gesetzgebung und Verwaltung, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hrsg.), Bitburger Gespräche. Jahrbuch 1999/11, 2000, S. 65 ff. (72 f.); E. Schmidt-Jortzig, Herausforderungen für den Föderalismus in Deutschland, DÖV 1998, S. 746 (747 f.); ausf. R. Hendler, Unitarisierungstendenzen im Bereich der Gesetzgebung, ZG 2 (1987), S. 210 ff.
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im Bereich des scheinbar vor allem den Ländern vorbehaltenen Gesetzesvollzugs: Auch hier sorgt der Bund in weitem Umfang für vollzugsvereinheitlichende Verwaltungsvorschriften (vor allem aufgrund von Art. 84 11 GG)9. c) Kooperation und Selbstkoordinierung der liinder
Die spezifische Konstruktion des deutschen Bundesstaats setzt stärker auf Kooperation als auf Trennung lO • Das gilt nicht nur dort, wo ein Zusammenwirken von Bund und Ländern unerlässlich ist, um gesamt- und einzel staatlichen Interessen gerecht zu werden, z.B. beim Vollzug von Bundesgesetzen, oder wo eine Kooperation zwischen Ländern ausdrücklich im Gesetz angeordnet wird (vgl. z.B. § 40a I 2 a.F., § 51 BImSehG). Sondern Kooperation im Bundesstaat ist auch dort noch ein charakteristisches Kennzeichen des deutschen Föderalismus, wo die Länder rechtlich relativ autonom handeln könnten, aber im Sinne eines faktischen Strebens zur Vereinheitlichung handeln. So gehört es auf der Ebene der Gesetzgebung zur verbreiteten Praxis, auch im Falle von Ländergesetzgebungskompetenzen namentlich im Recht der Gefahrenabwehr durch Selbstkoordinierung der Länder in Form von Länderausschüssen bzw. Arbeitsgruppen der Ministerialbürokratien rechtlich unverbindliche Mustergesetzentwürfe zu erarbeiten, die dann - geringfügig modifiziert - in weithin ähnlicher Form von den 16 verschiedenen Länderparlamenten kodifiziert werden, etwa im Polizeirecht 11 oder im Bauordnungsrecht l2 . Allerdings sind in neuerer Zeit Abweichungen etwas gängiger geworden und haben so zu einem "Wettbewerb" im Detail geführt, etwa beim polizeirechtlichen Unterbindungsgewahrsam oder bei der Reichweite von polizeilichen Informationseingriffen. Auch auf dieser Ebene lassen sich aber nur eher punktuelle Tendenzen ausmachen, regionalen Besonderheiten oder politisch abweichenden Mehrheitsmeinungen Raum zu lassen (und damit dem Wesen eines föderalistischen Staatsaufbaus zu entsprechen) 13. Selbst auf der Ebene des Gesetzesvollzuges gibt es Bemü9 Vgl. G. Hennes, in: H. Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Band III, 2000, Art. 84 Rn. 56 ff. 10 /sensee (Fn. I), § 98 Rn. 95; Rudolf (Fn. 1), § 105 Rn. 17 ff. 11 Vgl. zur Orientierung der Lehre am Musterentwurf z.B. F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2000, Rn. II f., 424; zu den Folgen fehlender föderaler Abstimmung am Beispiel der Kampfhunderegeln J. Caspar, Die neuen Regelungen des Bundes und der Länder zum Schutz vor gefahrlichen Hunden, DVBI. 2000, S. 1580 (1590 f.). 12 Vgl. z.B. D. BöckenfördelH. G. Temme/W. Krebs, Musterbauordnung für die Länder der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. 1996. 13 ~~l. am Beispiel der baurechtlichen Genehmigungsfreistellung zuletzt C. Calliess, Offentliches und privates Nachbarrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 19 Kloepfer
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hungen der Länder, in problematischen Fällen auch ohne Vorgabe durch Verwaltungsvorschriften des Bundes in einem Prozess der gegenseitigen Beratung oder Absprachen einen gemeinsamen Standard der Vollzugspraxis einzuhalten. Eine unübersehbare Fülle von informellen Koordinierungs- und Beratungsgremien, von der Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz bzw. den Fachministerkonferenzen bis hin zu föderalen Besprechungen in Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften auf Referentenebene kooperiert so i. S. einer Vereinheitlichung im Bundesstaat l4 . d) Bundestreue und "bündisches Prinzip"
Unitarisierung und kooperative Selbstkoordinierung sind Ausdruck eines den deutschen Bundesstaat übergreifenden Prinzips, das die Solidarität der Länder, ihr Einstehen füreinander i. S. eines "bündischen Prinzips'd5 betont. In diesem Sinne wird nicht nur das Rechtsverhältnis zwischen Bund und Ländern, sondern auch das Verhältnis der Länder untereinander durch das im allgemeinen Rechtsgrundsatz "Treu und Glauben" wurzelnde Prinzip wechselseitiger Rücksichtnahme i. S. des Grundsatzes der Bundestreue geprägt l6 . Die Kraft des föderalistischen Gedankens im deutschen Bundesstaat speist sich deshalb nicht aus einer Alternative Bund oder Länder, sondern aus ihrem arbeitsteiligen Zusammenwirken von Bund und Ländern. Eine bloße Stärkung der Länder und ihrer Autonomie nach dem Leitbild eines "separativen Föderalismus,d7 ist demzufolge nicht identisch mit einer Stärkung des Föderalismus als eines Gesamtsystems; vielmehr stehen alle Tendenzen oder Bestrebungen zur Föderalisierung oder Regionalisierung im Bundesstaat unter dem Vorbehalt, dass dessen bündischer Charakter nicht durch Entsolidarisierungsprozesse geschwächt wird.
Die Verwaltung 34 (2001), S. 169 (171 ff.); ausf. J.-c. Krüger, Anzeige-, Genehmigungsfreistellungs- und Kenntnisgabeverfahren im Bauordnungsrecht, Diss. Leipzig 1999. 14 Ausf. Rudolf (Fn. I), § 105 Rn. 29 ff., 40; s. auch J. Pietzcker, Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, in: C. Starck (Hrsg.), Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, 1988, S. 17 ff. 15 So BVerfGE 72, 330 (397 f.). 16 Ausf. Bauer, Bundestreue (Fn. I), S. 243 ff.; grdl. R. Smend, Ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen Bundesstaat, in: Festgabe für Otto Mayer, 1916, S. 245 ff. 17 Vgl. zu diesem Begriff näher Bauer, Zustand (Fn. 4), Abschnitt B. II. I, in Anknüpfung an W. Thieme, Vierzig Jahre Bundesstaat, DÖV 1989, S. 499 ff. (508).
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2. Die bundesstaatliche Prägung des Immissionsschutzrechts a) Unitarisierung: Immissionsschutzrecht als Bundesrecht Das deutsche Immissionsschutzrecht spiegelt als ein Referenzgebiet den deutschen Föderalismus in bemerkenswert typischer Weise. Auch hier dominiert das Recht des Bundes. Das gilt nicht nur für die bundesweit vorrangigen Direktiven des Grundgesetzes, das seit 1994 in Art. 20 a GG den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und damit auch den Immissionsschutz als Verfassungsauftrag ausdrücklich hervorhebt 18 und damit die auch grundrechtlich begründbaren Direktiven 19 aufnimmt und verstärkt. Sondern die zentrale Kodifikation des öffentlichen Immissionsschutzrechts, das Bundes-Immissionsschutzgesetz, ist ein Bundesgesetz, das primär aufgrund der Ermächtigung zu konkurrierender Gesetzgebung in Art. 74 I Nr. 24 GG bundesweite Regelungen ermöglicht, auch wenn Immissionsschutzrecht des Bundes punktuell stets auch als Annex zu anderen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes möglich ist (z. B. der Schutz vor Lärm bei der Verkehrswegeplanung des Eisenbahnbundesamtes nach Art. 73 Nr. 6a GG)20. Aber erst die vorherige Änderung des Grundgesetzes durch Aufnahme des Immissionsschutzes in den Katalog des Art. 74 GG im Jahre 1972 hat es nach damals herrschender Auffassung überhaupt erst ermöglicht, dass der Bund das BlmSchG als eine geschlossene Kodifikation verabschieden konnte; dabei haben freilich in den Jahren zuvor einige Ländergesetze (den Bund anregende) Pionierarbeit geleistet21 . Als weitere immissionsschutzrechtliche Bundesgesetze mit speziell begrenztem Wirkungskreis sind das Fluglärmgesetz22 und das Benzinbleigesetz 23 zu nennen, das den Gehalt von Bleiver-
18 Siehe nur H. Schulze-Fielitz. in: H. Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Band 2, 1998, Art. 20 a Rn. 28 f. 19 Übersichtlich H. Schulze-Fielitz, Recht des Immissionsschutzes, in: R. Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Recht, Besonderer Teil I, 1995, § 3 Rn. 9 ff. 20 Vg!. H. D. Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz. Kommentar, 4. Aufl. 1999, Ein!. Rn. 21; Schulze-Fielitz (Fn. 19), § 3 Rn. 14; ausf. C. Pestalozza, Zur Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes im Umweltschutz, WiVerw. 1984, S. 245 ff.; im Detail ist die immissionsschutzrechtliche Reichweite der einzelnen Bundeskompetenzen aber nicht abschließend geklärt, vg!. C. Pestalozza, in: H. v. Mangoldt/F. Klein, GG, Kommentar, Band 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1742 ff. 21 Vg!. M. Kloepfer, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994, S. 109. 22 Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 30.3.1971 (BGB!. I, S. 282) mit Änderungen; zur (zweifelhaften) Verfassungsmäßigkeit BVerfGE 56, 54 (73 ff.); z. Zt. befindet sich ein Referentenentwurf in der Ressortabstimmung, um das völlig veraltete Gesetz zu reformieren. 23 Vom 5.8.1971 (BGB!. I, S. 1234) mit Änderungen. 19'
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bindungen (oder ersatzweise zugesetzten Metallverbindungen) in Ottokraftstoffen beschränkt. Die unitarisierende Tendenz ergibt sich nicht nur unmittelbar aus den gesetzlichen Regeln, sondern auch aus den aufgrund des BlmSchG erlassenen, bundesweit einheitlich geltenden Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, namentlich den hier so genannten "Technischen Anleitungen" nach § 48 BlmSchG24 : Es gehört zu den charakteristischen Eigenarten des Immissionsschutzrechts, dass es erst und gerade durch eine Fülle von untergesetzlichen Rechtsgrundlagen in Form von Verordnungen und Verwaltungsvorschriften seine konkrete und präzise Regelungskraft gewinnt. Insoweit gilt hier nach einem Bonmot von ]ürgen Salzwedel die "umgekehrte Wesentlichkeitstheorie": Das Wesentliche lässt sich nicht dem parlamentarischen Gesetz, sondern nur den formell von der Bundesregierung, materiell von beratenden Expertengremien verabschiedeten untergesetzlichen Rechtsnormen entnehmen25 . Es sind z. Zt. 30 Rechtsverordnungen (von der 1. BlmSchV, der Kleinfeuerungsanlagen-Verordnung, bis zur 30. BImSchV betr. Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen) und (mindestens) sechs Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum BlmSchG, insbesondere die TA Luft und die TA Lärm. Auch die Rechtsverordnungen ihrerseits werden teilweise erst durch Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung handhabbar, z.B. durch die Verwaltungsvorschriften zur Störfallverordnung (12. BlmSchV). Das dichte Netz bundesrechtlicher Normen geWährleistet eine weithin einheitliche Handhabung des öffentlichen Immissionsschutzrechts in Deutschland, so sehr sich die Rechtsanwendungspraxis desselben Rechts je nach den örtlichen Verhältnissen unterschiedlich auswirkt; diese Einheitlichkeit wird letztlich auch durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gefördert und gewährleistet. Auch die zunehmende Europäisierung des Immissionsschutzrechts erfolgt ganz dominierend im Medium bundesgesetzlicher Transformation.
24 Übersichtlich B. Bender/R. Sparwasser/R. Engel, Umweltrecht, 4. Auf). 2000, Kap. 8 Rn. 45 ff.; W. Hoppe/M. BeckmanniP. Kaueh, Umweltrecht, 2. Auf). 2000, § 20 Rn. 9 ff.; M. Kloepfer, Umweltrecht, 2. Auf). 1998, § 14 Rn. 6 ff. 25 Zur Schlüsselstellung der Ministerialverwaltung T. Petersen/M. Faber, Bedingungen erfolgreicher Umweltpolitik im deutschen Föderalismus. Der Ministerialbeamte als Homo Politicus, ZPol 10 (2000), S. 5 ff. (31 ff.). - Für eine Reanimierung parlamentsgesetzlicher Steuerung D. Murswiek, Dynamik der Technik und Anpassung des Rechts: Kreislaufgesetzgebung, in: FS für Martin Kriele, 1997, S. 651 ff. (668 ff.).
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b) Kooperation und Selbstkoordinierung: Der Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI)
Dieses Bild der rechtlichen Dominanz des Bundesrechts wäre unvollständig oder irreführend ohne nähere Betrachtung der Mitwirkung der Länder an der Bundesrechtsetzung. Diese Mitwirkung endet keineswegs mit der Zustimmung des Bundesrates zum Bundesgesetz, sondern setzt sich fort bei der Vorbereitung der exekutivischen Rechtsetzung des Bundes aufgrund der Ermächtigungen des Bundesgesetzes. Im Vorfeld wird und wurde (vor und von Verabschiedung des BImSchG an) namentlich bei der Vorbereitung von Verordnungen, die der Zustimmung des Bundesrats bedurften, durch umfassende Beratungstätigkeit des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) ein breiter Konsens über den Inhalt von Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften erarbeitet. Der LAI ist ein informelles Gremium, das sich als ein Ausschuss (von vielen) der Umweltministerkonferenz26 aus den für den Immissionsschutz verantwortlichen Referenten der zuständigen Länderumweltministerien (und von Anfang an auch des Bundes als Vollmitglied) zusammensetzt. Er trifft sich seit 1964 periodisch in regelmäßigen Abständen (im Jahre 2000 zum 100. Mal), um gemeinsam interessierende Probleme des Immissionsschutzes und der Praxis des Gesetzesvollzuges mit dem Ziel eines Konsenses zu erörtern 27 • Je nach Problemfeld gibt es sowohl Ständige Unterausschüsse (z. B. für Recht, für Luft/Technik, für Lärmbekämpfung, für Wirkungsfragen 28 ) als auch Arbeitsgruppen ad hoc für bestimmte Spezialaufgaben der Umweltministerkonferenz (z. B. die Arbeitsgruppe betr. "Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen,,29) oder des LAI (z. B. der Arbeitskreis "Luftrein26 Zum (unverändert) informellen Charakter dieser Ministerkonferenzen vgl. H. Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, 1984, S. 57 ff. 27 Der LAI war ursprünglich ein Ausschuss der Arbeitsministerkonferenz; vgl. zu Genese und Organisation ausf. H. Bruns, Akteure der Umweltpolitik, 1999, S. 377 ff.; dort auch (S. 471 f.) das informelle (nicht verabschiedete aber praktizierte) "Statut" des LAI (i. S. einer Geschäftsordnung). - Den Vorsitz im Ausschuss führte 36 Jahre das zuständige Ministerium des Landes NRW, vgl. K. Hansmann, Nach mehr als 36 Jahren Vorsitzwechsel im Länderausschuss für Immissionsschutz, Immissionsschutz 5 (2000), S. 81. 28 Vgl. z. B. E. Koch, Ableitung von Beurteilungswerten für luftverunreinigende Immissionen - aus der Arbeit des Unterausschusses "Wirkungsfragen" des Länderausschusses für Immissionsschutz, Immissionsschutz 3 (2000), S. 109 ff.; allg. Bruns, Akteure (Fn. 27), S. 379. 29 Vgl. Beurteilungsmaßstäbe zur Begrenzung des Krebsrisikos durch Luftverunreinigungen. Abschlußbericht der Arbeitsgruppe "Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen" des Länderausschusses für Immissionsschutz (Stand: August 1991), in: MURL (Hrsg.), Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen, 1992, Abschnitt III; aus der krit. Folgediskussion s. näher E. Franßen, Krebsrisiko und Luftverunreinigung,
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haltepläne,,30). Der Länderausschuss scheint überwiegend mit Fachleuten (= Technik- oder Naturwissenschaftlern) als den zuständigen Referatsleitern besetzt zu sein, doch auch mit Juristen, unter denen der für NRW zuständige Referatsleiter Dr. Hansmann, zuletzt (seit 1996) als Vorsitzender des LAI, jahrzehntelang bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2001 in allen Fragen rechtlicher Relevanz eine dominierende Funktion gehabt zu haben scheint. aa) Kooperation Aufgabe des LAI ist einerseits eine kooperative Zusammenarbeit nicht nur der Länder untereinander, sondern auch mit dem Bund sowohl bei der Initiierung bundesgesetzlicher Regelungen als auch bei der Vorbereitung der untergesetzlichen Rechtsetzung. Einerseits ist schon die Entstehung des BImSchG vom LAI diskutiert und beeinflusst worden; vor allem aber sind verschiedene neue Regelungen im BImSchG durch den Bund aufgrund von Vorschlägen des LAI erarbeitet worden, z. B. die Regelungen über Emissionserklärungen, die Luftreinhalteplanung oder die Immissionsschutzbeauftragten 31 • Andererseits hat der LAI Stellungnahmen der Länder zu rechtlichen Vorhaben des Bundes erörtert und vorbereitet. Insbesondere auch Entwürfe für Verordnungen und Verwaltungs vorschriften nach Maßgabe des BImSchG, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen (z. B. § 5 11 BImSchG, Art. 84 11 GG), werden und wurden zuvor auf dieser Fachebene diskutiert und unter fachlichen und vollzugspraktischen Gesichtspunkten konsensfähig gemacht. Gerade im Fall komplexer bundesgesetzlicher Regelungen ist eine konsensuale, auf Kooperation angewiesene Auslegungs- und Konkretisierungsarbeit von Bund und Ländern eine unvermeidbare Praktikabilitätsvoraussetzung. In jüngerer Zeit bereitet z. B. ein Arbeitskreis "Luftschadstoffe/Bodenschadstoffe" eine Anpassung der TA Luft an die Prüf- und Maßnahmenwerte des Bodenschutzes vor32 . Kommt es in solchen in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Dokumentation zur 16. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht e.V. Berlin, 6. und 7.11.1992,1993, S. 22 ff.; W. Kühling, Zum Risikoschutz bei kanzerogenen Luftverunreinigungen, ZUR 1994, S. 112 ff.; K. Hansmann, Beurteilung krebserzeugender Luftverunreinigungen, in: FS für Gerhard Feldhaus, 1999, S. 199 ff. (201 ff.). 30 Vgl. z.B. MURL (Hrsg.), Überprüfung der Konzeption der Luftreinhaltepläne, 1992. 31 Hansmann (Fn. 27), Immissionsschutz 5 (2000), S. 81; allg. Bruns, Akteure (Fn. 27), S. 394 ff.; PetersenlFaber (Fn. 25), Zpol 10 (2000), S. 33 f. 32 Vgl. näher K. Dienes, Auswirkungen des Bodenschutzrechts auf das Immissionsschutzrecht, Immissionsschutz 5 (2000), S. 4 ff. (6 ff.); H. Ludwig, Die Fortschreibung der TA Luft, in: FS für Gerhard Feldhaus, 1999, S. 181 ff. (183, 187 ff.).
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Beratungen nicht zu einer Verständigung im LAI oder seinen Unterausschüssen, kann dies mitunter zum Abbruch der Beratungen im LAI führen oder zu gegensätzlichen Alternativvorschlägen an die Bundesregierung33 . Aber auch nach Erlass zustimmungsbedürftiger Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften hat der LAI die Aufgabe, die Problematik des Regelungsinhalts weiterhin zu beobachten34 : Insoweit erfüllt der LAI, zumal angesichts des fehlenden Verwaltungsunterbaues des Bundesumweltministeriums, Funktionen der Evaluation von Rechtsetzung durch die Verwaltung. Seine Arbeitsergebnisse in Form von Musterregeln oder Hinweisen werden z. T. in einer eigenen Schriftenreihe von mittlerweile 24 Bänden veröffentlicht; teilweise werden sie aber auch der Öffentlichkeit vorenthalten, wenn die Politiker (Amtschefs) im Unterschied zur Ebene der Fachleute (z. B. im LAI) eine faktisch unitarisierende oder sonst ausgreifende Anwendungspraxis nicht wünschen. Ganz überwiegend sind es aber Arbeitshinweise, Empfehlungen oder sonstige rechtlich unverbindliche Formen der informativen Einflussnahme, in denen die "Fachbruderschaft" der Immissionsschützer die Verwaltungspraxis bundeseinheitlich zu steuern sucht. bb) Selbstkoordinierung Aber auch dort, wo die Länderverwaltungen im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben rechtlich autonom zu handeln in der Lage wären, gibt es einen starken Drang zur Abstimmung der Länder untereinander: Eine gängige Praxis der Selbstkoordinierung führt so zu einer weithin einheitlichen Rechtspraxis. So ist es z. B. Sache der Länder gewesen, je nach den örtlichen Bedingungen Maßnahmen gegen den Smog bei entsprechenden Inversionswetterlagen aufgrund von landesrechtlichen Smog-Verordnungen zu ergreifen. Die Smog-Verordnungen der Länder aufgrund von §§ 40 I, 49 II BImSehG, die mittlerweile angesichts der generellen Verbesserung des Grades der Luftverunreinigungen in den letzten Jahrzehnten weithin abgeschafft worden sind, wurden einst nach Maßgabe eines Muster-Verordnungsentwurfs verabschiedet, den der LAI erarbeitet hatte. Auf diese Weise wurde eine relativ große Einheitlichkeit dieser Länderverordnungen gewährleistet35 . In vergleichbarer Weise hat der LAI auch verschiedene Muster33 Vgl. am Beispiel der Kontroverse um eine vorsorgeorientierte Auslegung des schutzorientierten § 3 I, In der 12. BImSchV (Störfallverordnung) D. Büge, Sicherheitsabstände - Zwingende Betreiberpflicht nach Bundes-Immissionsschutzgesetz und Störfall-Verordnung?, GewArch 1996, S. 190 (191 f.). 34 s. am Beispiel der 26. BImSchV N. Peinsipp, Verordnung über elektromagnetische Felder, 26. BImSchV, Immissionsschutz 2 (1997), S. 95 ff. (103), auch in: R. Glaser u. a., Gesundheitsrisiken elektromagnetischer Felder, 1998, S. 103 ff. (117). 35 Schulze-Fielitz (Fn. 19), § 3 Rn. 21; ausf. ders., in: H.-J. KochlD. H. Scheuing (Hrsg.), GK-BImSchG, LosebI., § 40 Rn. 19 ff., 51 ff.
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Verwaltungsvorschriften (z. B. für Geruchsimmissionen, Licht, Erschütterungen oder auch Fluglärm) erarbeitet, an denen sich die Länderverwaltungsvorschriften und die Vollzugspraxis der Länder weithin orientiert hat mit der Folge einer praktisch bundesweit angeglichenen Handhabung des BImSchG auch dort, wo die Praxis der Länderverwaltungsbehörden de lege lata voneinander hätte abweichen können. Gerade dort, wo bundesrechtliche Regelungen fehlen oder konkretisierungsbedürftig sind, können Musterverwaltungsvorschriften faktisch bundesweit vereinheitlichende Wirkung und Bedeutung gewinnen; so wurde z. B. für Geruchsimmissionen die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) des LAI von 1993 36 in den meisten Ländern sei es - mitunter modifiziert - durch Erlass umgesetzt, sei es orientierend herangezogen, weil die TA Luft des Bundes keine Kriterien zur Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen vorgibe 7 . Mitunter waren es erst solche Initiativen aus dem Kreis des LAI, die den Bund zum Handeln gebracht haben: So wurden die 1998, d.h. erst nach 30 Jahren erfolgreichen Bemühungen um eine erneuerte TA Lärm nach vielen vergeblichen Anläufen in den Jahren zuvor maßgeblich durch eine vorbereitende Anhörungsveranstaltung mit Schubkraft versehen, die der LAI von sich aus initiiert hatte, um eine Muster-Verwaltungsvorschrift für die Auslegung der veralteten TA Lärm 1968 zu verabschieden 38 . Erst daraufhin nahm der Bund, auch mit dem "Rückenwind" der Industrie zur Entschärfung der so erarbeiteten Muster-Verwaltungsvorschrift von 1995 39 , die dadurch ausgelösten Impulse ernsthaft auf und führte sie in Form der Neufassung von 1998 zum Erfo1g4o .
Abgedruckt u.a. in: NVwZ 1995, S. 46 ff. s. näher E. Koch, Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) des Länderausschusses für Immissionsschutz, Immissionsschutz 2 (1997), S. 6 ff. (8 0; P. Kothe, Rechtliche Beurteilung von Geruchen, NuR 1998, S. 240 ff. (242 ff.); aus der Judikatur zuletzt OVG NW NWVBI. 2001, S. 184 (186 ff.). 38 Vgl. MURL (Hrsg.), Muster-Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen-Entwurf 20.01.1994. Anhörung am 11.5.1994 in Marburg, 1994. Daraufhin wurde eine Musterverwaltungsvorschrift Lärm 1995 vom LAI in seiner 88. Sitzung vom 2. bis 4. Mai 1995 auch verabschiedet, aber nur in Brandenburg durch Ländererlass in Kraft gesetzt und nur in einigen Ländern faktisch praktiziert. 39 So H. Siegle, Vergleich der alten und neuen TA Lärm aus der Sicht der Industrie, Immissionsschutz 5 (2000), S. 21 ff. 40 Ausf. H. Schulze-Fielitz, 30 Jahre TA-Lärm, in: H.-J. Koch (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, 1998, S. 191 ff.; umfassend jetzt C. Müller, Die TA Lärm als Rechtsproblem, 200 I. 36
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c) Regionale oder lokale Differenzierungen in Rechtsetzung
und Gesetzesvollzug
Ungeachtet der unitarisierenden Generaltendenz des materiellen (Bundes)-Immissionsschutzrechts gibt es beträchtliche verbleibende Spielräume für die Länder, und zwar in zumindest fünffacher Erscheinungsform. Sie beziehen sich erstens auf den vom BImSchG nicht erfassten Anwendungsbereich des verhaltensbezogenen Immissionsschutzrechts, das in Landesgesetzen für Immissionsschutz geregelt ist, die in einigen Ländern die Immissionsschutzregeln des Bundes ergänzen: Der Bundesgesetzgeber wollte insoweit vor allem für die nicht anlagenbezogene, unmittelbar von Menschen, Tieren oder Pflanzen ausgehenden Immissionen keine abschließende Regelung treffen 41 • Diese bestehenden Landesgesetze enthalten neben Zuständigkeitsregelungen allerdings nur immissionsschutzrechtliche Anforderungen von praktisch untergeordneter Bedeutung, wie sich auch an dem Umstand ablesen lässt, dass bei weitem nicht alle Länder ein eigenes Landesimmissionsschutzgesetz erlassen haben, sondern die meisten das allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht für ausreichend erachten. Der Regelungsgehalt der Landesimmissionsschutzgesetze gilt z. B. der Einhaltung von Nachtruhe, dem Abbrennen von Feuerwerkskörpern oder der Tierhaltung; dabei sind teilweise auch Überschneidungen mit landesrechtlichen Anforderungen an nicht genehmigungsbedürftige Anlagen nach Maßgabe von § 22 I BlmSchG zulässig 42 . Der Länderspielraum wird neuestens aktualisiert im Zusammenhang mit der mitgliedstaatlichen Umsetzung der Seveso-II-Richtlinie der EG, insofern diese für nicht gewerbliche Anlagen zu wissenschaftlichen Zwecken oder für hoheitlich betriebene Anlagen sowie für externe Notfallpläne möglicherweise nur durch Gesetze der Länder umgesetzt werden kann43 • Zweitens eröffnen einzelne Regelungen des BlmSchG selbst es, landesoder regional spezifischen Besonderheiten durch untergesetzliche Regeln gerecht zu werden. Dazu gehören auch solche abweichenden Landesregeln, die wie im Falle der Bayerischen Biergartenverordnung44 in begrenzter Ergänzung zu den §§ 22, 23 BlmSchG bzw. bei fehlender einschlägiger Rechtsverordnung der Bundesregierung (§ 23 11 BlmSchG) lokale oder re41 larass (Fn. 20), Einl Rn. 22 ff.; Schulze-Fielitz (Fn. 18), § 3 Rn. 19; vgl. H. Müller, Landeskompetenzen im Umweltrecht, BayVBI. 1988, S. 289 ff. (290). 42 Vgl. larass (Fn. 20), § 22 Rn. 14; Roßnagel, in: GK-BImSchG (Fn. 35), § 22 Rn. 181 ff.; ferner W. Pudenz, Zum Verhältnis von Bundes- und Landes-Immissionsschutzrecht, NuR 1991, S. 359 ff. 43 Vgl. dazu M. Rebentisch, Auswirkungen der neuen "Seveso-Richtlinie" auf das deutsche Anlagensicherheitsrecht, NVwZ 1997, S. 6 ff. (8, 10). 44 Vgl. zu den Rahmenbedingungen BVerwGE 108, 260 ff.; R. lahn, Die neue Bayerische Biergarten-Verordnung, GewArch 1999, S. 271 ff.
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gionale Erscheinungsformen des Gaststättenlärms zu regeln suchen, um örtliche Fehlentwicklungen oder Planungsfehler aufzufangen 45 . Ferner ist an die (praktisch freilich bedeutungsannen) Möglichkeiten zu denken, durch Verordnungen der Landesregierungen ortsspezifische Regelungen zu treffen: z. B. luftverunreinigungsbeschränkende Unterlassungsgebote zum Schutz bestimmter Gebiete (§ 49 BImSehG) oder aber die Entscheidungen der Länderbehörden über den räumlichen Anwendungsbereich bestimmter Regeln (z. B. Smoggebiete nach § 40 I BImSehG, Untersuchungsgebiete nach § 44 BImSehG, Luftreinhaltegebiete und Lännminderungsgebiete nach §§ 47, 47 a BImSchG)46.
Drittens eröffnen verschiedene Querschnittsgesetze, die neben dem BImSchG die Beachtung immissionsschutzrechtlicher Belange fordern, Spielräume in Orientierung an den lokalen oder regionalen Besonderheiten, etwa das Recht der räumlichen Gesamtplanung (z. B. § 9 I Nr. 23, 24 BauGB)47 und das Fachplanungsrecht, aber auch das Kommunalrecht (z. B. beim Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwänne), das Bauordnungsrecht, das Straßenverkehrsrecht (z. B. § 45 StVO), das Gaststättenrecht48 oder das Arbeitsstättenrecht49 . Trotz der weit vorrangigen Bedeutung des BlmSchG kann ein abgestimmtes Vorgehen nach Maßgabe dieser ergänzenden Regelungen den Immissionsschutz wesentlich effektivieren 5o , auch wenn es hierbei wegen der sachlichen Überschneidungen oft zu Kompetenzkonflikten zwischen Behörden kommen kann 51 . Viertens liegt in dem - den Charakter des deutschen Bundesstaats - prägenden Vollzugsföderalismus mit den entsprechenden Konkretisierungs- und Gestaltungsspielräumen bei den einzelnen Rechtsnormen des Bundesimmissionsschutzrechts, die nicht alle durch Verwaltungsvorschriften des Bundes umfassend vereinheitlicht werden (können), ein für jede einzelne vollziehende Länderverwaltung erhebliches Potential für landesspezifische Diffe45 s. näher Jarass (Fn. 20), Einl Rn. 24; § 22 Rn. 15 ff.; K. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I: Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), LosebI., § 22 Rn. 31 ff., § 23 Rn. 6 f. 46 s. dazu näher Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG (Fn. 35), § 40 Rn. 65 ff., § 44 Rn. 31 ff., § 47 Rn. 50 f. bzw. § 47a Rn. 128 ff. 47 Vgl. etwa A. Schink, Die Bedeutung umweltschützender Belange für die Flächennutzungsplanung, ZffiR 2000, S. 154 ff. (159 f.); I. Kraft, Immissionsschutz und Bauleitplanung, 1988; aus der Rechtsprechung zuletzt OVG Lüneburg ZUR 2001, S. 85 ff.; BVerwGE 109,246 ff.; 109,314 ff. 48 Vgl. z.B. BVerwGE 101, 157 (161 ff.). 49 Vgl. Jarass (Fn. 20), Einl Rn. 27 ff.; § 22 Rn. 18 f.; Schulze-Fielitz (Fn. 19), § 3 Rn. 23 f. 50 Schulze-Fielitz (Fn. 19), § 3 Rn. 24; vgl. z. B. H. Dürr, Die rechtlichen Grundlagen zur Lärmminderung in den Städten, UPR 1992, S. 241 ff. 51 Schulze-Fielitz (Fn. 19), § 3 Rn. 25.
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renzierungen 52 • Aber auch dort, wo der Bund Verwaltungs vorschriften z. B. nach § 48 BImSchG erlassen hat, bleibt es den Ländern unbenommen, eigene ergänzende Verwaltungsvorschriften zu erlassen53 . Die Vollzugspraxis unterscheidet sich von Land zu Land vor allem in den "weichen" (und mit der Vollzugsbehörde "verhandelbaren") Vollzugselementen wie Zeit und Fristen, Wissen, Vollzugsklima oder Kooperationsbereitschaft (auf beiden Seiten), aber auch in der Reichweite der Auslegung einzelner tatbestandlicher Elemente54 : In diesem Bereich hat der Gesetzgeber durch seine Beschleunigungsgesetzgebung und den Abbau präventiver Kontrollen die Spielräume beim Gesetzesvollzug eher geöffnet55 , wie sie z. B. auch beim Umweltpakt Bayern ausgenutzt werden sollen, mit welchem praktischen Erfolg auch imme~6. Schließlich lassen sich fünftens auf der Ebene der Venvaltungsorganisation Unterschiede von Land zu Land feststellen, allgemein im Blick auf die Staatsaufgabe Umweltschutz und im besonderen hinsichtlich des Immissionsschutzes 57 . Zuschnitt und Zuordnung der obersten Landesbehörden (Umweltministerien), Existenz und Ausstattung eines Landesamtes für Umweltschutz und die Schwerpunktsetzung seiner Aufgaben 58 , auch die Organisation der Umweltverwaltungsbehörden sind unterschiedlich ausgestaltet und können sich entsprechend unterschiedlich auf den Gesetzesvollzug auswirken; z. B. scheint sich in einigen Bundesländern die getrennte Ressortierung der Aufgaben des Immissionsschutzes bei staatlichen Sonderordnungsbehörden statt einer Bündelung mit den Aufgabenbereichen für Wasser, Abfall und Naturschutz bei den unteren Verwaltungsbehörden negativ auf die notwendige Kooperation und Koordination des Gesetzesvollzuges auszuwirken 59 .
52 Vgl. auch M. Kloepfer, Abfallrecht im Bundesstaat, in: ders. (Hrsg.), Abfallrecht und Föderalismus, 1999, S. 13 ff. (15). 53 s. näher Hansmann (Fn. 45), § 48 Rn. 16; Koch, in: GK-BImSchG (Fn. 35), § 48 Rn. 94. 54 Vgl. nur Müller (Fn. 41), BayVBI. 1988, S. 292 f. 55 Vgl. E. Gawel, Der Abbau präventiver Kontrollen aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht - Beschleunigung um weichen Preis?, in: Koch (Hrsg.), Probleme (Fn. 40), S. 91 ff. (101 ff., 105). 56 Vgl. F. Möller, Öko-Audit und Substitution. Dargestellt anhand des Umweltpaktes Bayern, Diss. jur. Würzburg 200 I. 57 Vgl. Jarass (Fn. 20), Ein1 Rn. 31 ff.; Kloepfer, Umweltrecht (Fn. 24), § 3 Rn. 101 ff.; G. Lübbe-Wolff, Modemisierung des Umweltordnungsrechts, 1996, S. 51 ff.; ausf. M. Bothe, Verwaltungsorganisation im Umweltschutz, 1986, S. 12 ff. 58 Krit. zur Trennung von Verwaltungs- und technischer Sachkompetenz LübbeWolff, Modemisierung (Fn. 57), S. 61 ff. 59 Lübbe-Wolff, Modemisierung (Fn. 57), S. 55 f.
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3. Die Logik der Unitarisierung im Immissionsschutzrecht
Nimmt man das Immissionsschutzrecht insgesamt in den Blick, dann tritt die Dominanz der Unitarisierung auch im Umweltstaat deutlich hervor6o : Das Immissionsschutzrecht spiegelt exemplarisch die Entwicklung zum "unitarischen Bundesstaat". Sie bestätigt die Gründe für die Verfassungsänderung zugunsten des Bundesgesetzgebers im Jahre 1972. Die Bundesregierung hatte in ihrer Gesetzesbegründung61 damals auf die eigenständige neue Staatsaufgabe Immissionsschutz hingewiesen, die sich nicht auf die Abwehr von Gefahren durch gewerbliche Anlagen reduzieren lasse, sondern durch die Beschaffenheit und den Betrieb technischer Anlagen in allen Lebensbereichen herausgefordert werde. Als überwiegend technisches Recht "stellen von Land zu Land unterschiedliche Regelungen sowohl für Hersteller und Händler als auch für die Betreiber von Anlagen eine vor allem durch Wettbewerbsverzerrungen und Rechtsunsicherheit gekennzeichnete Belastung dar,,62. Dieser Grundgedanke prägt auch die Entwicklungen in anderen Bundesstaaten63 . Mittlerweile ist dieser Gedanke im Umweltrecht für den gesamten europäischen Raum prägend geworden, auch wenn auf europäischer Ebene weniger das materielle als das prozedurale Umweltrecht im Vordergrund stehen mag 64• So ist umstandslos erklärlich, weshalb man selbst in den großen deutschen Lehrbüchern zum Umweltrecht65 unter den Stichwörtern Bundesstaat, Föderalismus u. ä. bislang nicht wirklich fündig wird.
11. Wissenschaftliche und politische Impulse der Föderalismuskritik Die vorstehend skizzierte allgemeine und die besondere immissionsspezifische Lage des deutschen Bundesstaats sieht sich seit etwa einem Jahrzehnt einer verstärkten wissenschaftlichen Kritik ausgesetzt. Hinter der Forderung nach einer "Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung,,66 verGleichsinnig Kloepfer, Abfallrecht (Fn. 52), S. 16 f., 20. BT-Drs. VII 1298, S. 4 f., hier zit. nach Pestalozza (Fn. 20), Art. 74 Rn. 1712 ff. 62 Ebd. Rn. 1716. 63 Vgl. für die Schweiz M. Lendi, Kosten der Bundesstaatlichkeit - am Beispiel des Anlagerechts, UPR 2000, S. 410 ff. 64 Siehe etwa G. Roller, Die Mitwirkung der deutschen Länder und der belgischen Regionen an EG-Entscheidungen, AöR 123 (1998), S. 21 ff. (25 f.). 65 Vgl. Nw. in Fn. 24. 66 Zuletzt H.-G. Henneke, Modemisierung der bundesstaatlichen Ordnung Wann, wenn nicht jetzt?, Der Landkreis 2001, S. 69 ff.; zu bereits erfolgten Entwicklungen einer "Reföderalisierung" Papier, 50 Jahre (Fn. 4), S. 346 ff. - Der fol60 61
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birgt sich ein Motivbündel für eine Reformdebatte, in deren Licht auch sehr konkrete verfassungspolitische Forderungen im Blick auf den Immissionsschutz erhoben werden. Die verschiedenen Veränderungsimpulse gründen vor allem in vier Motiven.
1. BundesstaatIicbe Finanzprobleme als Diskussionsanlass Ein erstes aktuelles Motiv ist eine Reform der Finanzverfassung, namentlich eine Stärkung des Konnexitätsprinzips (vgl. Art. l04a I GG): Die Verantwortlichkeit für die Entscheidung über Staatsaufgaben mit der Folge fiskalischer Ausgaben und die Verantwortlichkeit über die Gewinnung und die Verteilung entsprechender finanzieller Ressourcen sollen stärker bei denselben Gebietskörperschafen vereinigt werden 67 . Dieses Reformmotiv dürfte für das Immissionsschutzrecht keine praktische Bedeutung haben, schon weil die Finanzverfassung als "Folgeverfassung" (Ferdinand Kirchhoj)68 primär die materielle Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden69 abzusichern hat70 , zumal eine "genaue Befolgung des Grundsatzes der Einheit von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung infolge der Aufspaltung von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen gar nicht möglich ist,,7): Die bundesstaatliche Aufgabenverteilung muss sich nach Kriterien richten, die dem Bund und den Ländern im Bundesstaat Telos
gende Abschnitt greift teilweise eigene Überlegungen auf, vgl. H. Schulze-Fielitz, Stärkung des Bundesstaats durch Herabzonung von Gesetzgebungskompetenzen?, in: H.-G. Henneke (Hrsg.), Verantwortungsteilung zwischen Kommunen, Ländern, Bund und Europäischer Union, 200 I (i. E.), Abschnitt I. 67 Ausf. bilanzierend H.-G. Henneke, Reform der Aufgaben- und Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen, 1999, S. 58 ff., 61 ff., 115 ff.; zuletzt G. Färber, Effizienzprobleme des Verwaltungsföderalismus, DÖV 2001, S. 485 (495 f.); J.-P. Schneider, Bundesstaatliche Finanzbeziehungen im Wandel, Der Staat 40 (2001), S. 272 ff. 68 F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), S. 71 (80); s. auch ders., Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen?, Gutachten D zum 61. DJT, 1996, S. 12 f., 51, 77; gleichsinnig F. Schoch/J. Wieland, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste kommunale Aufgaben, 1995, S. 92 f.; S. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 12 f., 32, 87 ff., 151 f. u. ö.; krit. K. Vogel/Co Waldhoff, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts, 1999, Rn. 71. 69 Vgl. BVerfGE 55, 274 (300 f.); 72, 330 (383, 388); 86, 148 (264). 70 s. nur Korioth, Finanzausgleich (Fn. 68), S. 90 f., 95 u. ö. 71 Vgl. W. Heun, Die Zusammenführung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden als Aufgabe einer Reform der Finanzverfassung - Probleme und Risiken, DVBI. 1996, S. 1020 (1021 f., Zitat: S. 1022) und Fn.81.
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und Legitimation verleihen, vor allem der gewaltenteiligen Sicherung der Freiheit in kulturell geprägter regionaler Vielfalt72 .
2. Entparlamentarisierungsprozesse im Bundesstaat Überzeugender erscheinen jene Reformimpulse, die sich aus der Kritik am jahrzehntelangen Prozess der Unitarisierung des deutschen Bundesstaats73 speisen. Das kompensatorisch angelegte Kompetenzwachstum des Bundesrates scheint zwar die Mitwirkung der Länder bewahrt zu haben, doch sind es nun - weltweit einmalig 74 - die Landesregierungen, nicht die Parlamente (geschweige gewählte Senatoren oder Parlamentsdelegierte), denen die Kompetenzwahrnehmung obliegt. Hinter der Unitarisierung des deutschen Bundesstaats verbirgt sich auf diese Weise eine seit Jahrzehnten diskutierte weitgehende Entparlamentarisierung von Entscheidungsprozessen zulasten der Landesparlamente75. Der Prozess wird verstärkt durch eine partielle Überlagerung der Gesetzgebungskompetenzen auch der Länder durch das Europäische Gemeinschaftsrecht76 . Es ist deshalb nur folgerichtig, dass zuletzt die Konferenz der Präsidenten der deutschen Landesparlamente auf der Basis von Vorarbeiten ihrer Landtagsdirektoren zunehmend vernehmlicher nach einer "Stärkung des Föderalismus" vor allem durch Herabzonung von Gesetzgebungskompetenzen, durch eine Reform der Finanzverfassung und durch Betonung der eigenständigen Gesetzgebungskompetenzen gerufen hat 77 . Dieser Aufruf ist aber nur das letzte Glied einer Kette von gleichsinnigen Initiativen (Entschlie72 Dazu näher Isensee (Fn. I), § 98 Rn. 299 ff., 305 ff.; P. Häberle, Kulturverfassungsrecht im Bundesstaat, 1980, S. 7 ff.; s. auch W.-R. Schenke, Föderalismus als Form der Gewaltenteilung, JuS 1989, S. 698 ff. 73 Vgl. Nw. Fn. 5. 74 F. W. Scharpf, Föderale Politikverflechtung: Was muß man ertragen? Was kann man ändern?, in: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (Hrsg.), Reform des Föderalismus, 1999, S. 23 ff. (25), auch in: K. Morath (Hrsg.), Reform des Föderalismus, 1999, S. 23 ff. (25); s. auch S. Fisch, Von der Föderation der Fürsten zum Bundesrat des Grundgesetzes, in: H. H. v. Arnim/G. Färber (Hrsg.), Föderalismus - Hält er noch, was er verspricht?, 2000, S. 29 ff.. 75 Gramm (Fn. 5), AöR 124 (1999), S. 217; Rudolf (Fn. I), § 105 Rn. 81; ausf. H. Eicher, Der Machtverlust der Landesparlamente, 1988, S. 76 ff., 86 ff.; s. bereits W. Leisner, Schwächung der Landesparlamente durch grundgesetzlichen Föderalismus, DÖV 1968, S. 389 ff. 76 Übersichtlich D. O. Reich, Zum Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der deutschen Bundesländer, EuGRZ 2001, S. I ff.; E. Röper, Landesparlamente und Europäische Union, JöR 49 (2001), S. 251 (263 ff.); K. Heekel, Der Föderalismus als Prinzip überstaatlicher Gemeinschaftsbildung, 1998, S. 172 ff.; G. Roller (Fn. 64), AöR 123 (1998), S. 25 ff.; Eicher, Machtverlust (Fn. 75), S. 83 ff.
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ßung der Landtagspräsidenten 1978; Martin-Kommission 1984; Van Nes Ziegler-Kommission 1990; verschiedene Landtagsbeschlüsse u.a. in NRW, Hessen und Bayern). Eine Verlagerung der Gesetzgebungskompetenzen zugunsten der Länder und ihrer Parlamente und zulasten des Bundes und seiner gesetzgebenden Körperschaften wird dabei ganz umstandslos mit einer Stärkung des Föderalismus (oder "Modernisierung des bundesstaatlichen Ordnung") gleichgesetzt. 3. Wettbewerbsröderalismus und Ökonomisierung der Bundesstaatstheorie Ein weiterer Veränderungsimpuls speist sich aus einer zunehmend ökonomischen Betrachtung des Bundesstaats 78 , die ihrerseits einen fundamentalen Wandel des allgemeinen Staatsverständnisses hin zu einem "ökonomisierten Staat" spiegelt79 • Die Länder als Gliedstaaten im Bundesstaat werden dabei in ihrer Eigenschaft als eigenverantwortliche Akteure angesehen, die eigenständig und prinzipiell mit Handlungsfreiheit ausgestattet ihre Aufgaben autonom wahrnehmen und dabei (analog zum Marktsystem) im Wettbewerb miteinander agieren 8o : Einerseits sind die Länder Teil eines Wettbewerbssystems; andererseits bilden sie auf der Basis der Gleichheit so etwas wie eine gleichgerichtete Ordnung durch Koordination und Abstimmung bei der Aufgabenerfüllung aus. In jedem Falle soll diese Organisationsform durch die Pluralität der Entscheidungsträger zur Aufnahme von mehr Informationen in der Lage und den traditionellen Formen zentralstaatlicher Organisation überlegen sein. Im ökonomischen "Idealfall" eines unter rein allokati77 Vgl. den von der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente am 23.5.2000 ausführlich erörterten Entwurf für einen Beschluss "Weiterentwicklung und Stärkung" des Föderalismus, abgedruckt in: ZG, Sonderheft 2000, S. 5 ff. und zur Erläuterung ebd. den Kommentar von A. Janssen, Wege aus der Krise des deutschen Bundesstaats, S. 41 ff. 78 s. näher zur ökonomischen Theorie des Föderalismus R. Eichenberger, Föderalismus: Eine politisch-ökonomische Analyse der Vorteile, Widerstände und Erfolgsbedingungen, in: H. H. v. Amim/G. Färber/S. Fisch (Hrsg.), Föderalismus - Hält er noch, was er verspricht?, 2000, S. 101 ff.; T. Lenk, Kooperativer Föderalismus Wettbewerbsorientierter Föderalismus, in: Bitburger Gespräche 1999/II (Fn. 8), S. 31 ff. (42 ff.); in krit. Darstellung A. Benz, Föderalismus als dynamisches System, 1985, S. 16 ff.; ausf. Korioth, Finanzausgleich (Fn. 68), S. 197 ff.; s. auch S. Oeter, Erprobung der konstitutionellen politischen Ökonomie an Einzelfragen Föderalismus, in: C. Engel/M. Morlok (Hrsg.), Öffentliches Recht als ein Gegenstand ökonomischer Forschung, 1998, S. 119 ff.; ausf. D. Sauerland, Föderalismus zwischen Freiheit und Effizienz, 1997. 79 Vgl. allg. M. Wallerath, Der ökonomisierte Staat, JZ 2001, S. 209 ff. 80 Oeter, Integration (Fn. 5), S. 558 f.; s. auch W. Kerber, Grenzen der Wirtschaftspolitik, in: Engel/Morlok (Hrsg.), Recht (Fn. 78), S. 207 ff. (215 f.).
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ven Gesichtspunkten aufgebauten föderalen Staats soll das "Prinzip der fiskalischen Äquivalenz" (Mancur Olson) dafür sorgen, dass räumlich der Kreis der Nutzer jeweils den verschiedenen öffentlichen Aufgaben korrespondiertSl und so jede öffentliche Aufgabe auf jener Ebene öffentlicher Aufgabenträger angesiedelt ist, die ihre Erfüllung optimal sichertS2 . Als politischer Kampfbegriff, als "Föderalismusutopie"S3 oder auch nur "schmissige Formel"s4 sucht der "Wettbewerbsföderalismus" (oder "kompetitive Föderalismus"s5 oder "Konkurrenzföderalismus"s6) diesen Wettbewerb zwischen den Ländern zu aktivieren, indem er eine stärkere Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Länder als Gliedstaaten des Bundes forciert anstrebtS7 . Zugleich wird die Leitidee der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zugunsten der Inkaufnahme größerer Unterschiede im Bundesstaat abgewertet, um durch Wettbewerb (auch) mit unterschiedlichen rechtlichen Lösungen auf Länderebene die Innovations- und Leistungsfähigkeit des Gesamtstaates zu erhöhen ss . Dem liegt die zentrale Annahme zugrunde, die tatsächlich wachsende gesellschaftliche und wirtschaftliche Heterogenität bzw. "Asymmetrie" der Bundesländer und das Nachlassen der Integrationskraft eines vertikal orientierten Parteiensystems s9 geböten unter den Bedingungen der Globalisierung und Europäisierung eine stärker dezen81 Vgl. Eichenberger, Föderalismus (Fn. 78), S. 112 f.; Lenk, Föderalismus (Fn. 78), S. 44; Korioth, Finanzausgleich (Fn. 68), S. 232 ff. Nur wenn man diesen Gesichtspunkt für ausschlaggebend ansieht, lässt sich auch ein Schluss von der Finanzverteilung auf die Aufgabenverteilung vertreten, vgl. ebd. S. 45 f. und demgegenüber schon oben bei Fn. 68 ff. 82 Vgl. Korioth, Finanzausgleich (Fn. 68), S. 222 ff. 83 G. Lehmbruch. Bundesstaatsreform als Sozialtechnologie? Pfadabhängigkeit und Veränderungsspielräume im deutschen Föderalismus, in: Jahrbuch des Föderalismus 2000, S. 71 ff. (71). 84 So P. Badura. Zur Rechtfertigung des föderalistischen Prinzips und zum Subsidiaritätsprinzip, in: Bitburger Gespräche 1999/11 (Fn. 8), S. 53 ff. (59). 85 Übersichtlich Bauer. Zustand (Fn. 4), Abschnitt C, m. ausf. Nw. 86 So früh H. Klatt. Parlamentarisches System und bundesstaatliche Ordnung, Aus Politik und Zeitgeschichte B 3111982, S. 3 (21 ff.); vgl. zuletzt W. Berg. Bayern im Europa der Regionen, BayVBI. 2001, S. 257 (259 f.). 87 s. näher G. F. Schuppert. Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 946 ff.; E. Schmidt-Jortzig, Herausforderungen für den Föderalismus in Deutschland, DÖV 1998, S. 746 (749 f.); C. Calliess. Die Justitiabilität des Art. 72 Abs. 2 GG vor dem Hintergrund von kooperativem und kompetitivem Föderalismus, DÖV 1997, S. 889 (890 ff.); Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.), Wider die Erstarrung in unserem Staat, 1998; zurückhaltend P. Häberle, Kulturhoheit im Bundesstaat - Entwicklungen und Perspektiven, AöR 124 (1999), S. 549 (555 f.). 88 In diesem Sinne auch Kloepfer. Abfallrecht (Fn. 52), S. 23 f. 89 Vgl. zur wachsenden Ausdifferenzierung der Parteiensysteme auf Länderebene nur S. KropplR. Sturm. Politische Willensbildung im Föderalismus, Aus Politik und Zeitgeschichte B 13/99, S. 37 (40 f.).
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trale Bundesstaatsorganisation, um Regionen wettbewerbsfähig zu machen90 ; bundeseinheitliches Recht könne auf regional und sektoral unterschiedliche Problemlagen oder Präferenzen kaum Rücksicht nehmen 91 . 4. Verbesserung der politischen Entscheidungsfähigkeit Ein letzter Reformimpuls geht aus von der politikwissenschaftlichen Analyse und Kritik an der politischen Entscheidungsfindung unter den Bedingungen der Verflechtung verschiedener Entscheidungsgremien und -einheiten im Bundesstaat92 als einem "dynamischen Mehrebenensystem,,93. Der Bundesstaat des GG verteilt Aufgaben nach Kompetenzarten, beteiligt die Länderregierungen über den Bundesrat an der Bundesgesetzgebung, verbindet das Steueraufkommen in Bund und Ländern zu einem Verbundsystem und organisiert so einen ausgeprägten Exekutiv- und Beteiligungsföderalismus. Diese zahlreichen Verflechtungen zahlreicher Entscheidungsebenen mit entsprechenden Kompromissbildungszwängen bei Verhandlungen unter Berücksichtigung aller relevanten Interessen können zwar einerseits zu breit akzeptierten, konsensorientierten und erfolgreichen (Kompromiss-)Lösungen führen, enthalten aber andererseits auch Blockadepotential94 . Folge sind einerseits die Herausbildung zentralisierter Entscheidungsgremien (Beispiele: Vermittlungsausschuss; Bund-Länder-Absprachen), die in exekutiven Verhandlungssystemen eher nichtöffentlich entscheiden und abschließende, 90 s. etwa F. W. Scharpj, Mehr Freiheit für die Bundesländer, FAZ vom 7.4.2001, S. 15; ders., Föderalismus im globalen Kapitalismus, in: ders., Optionen des Föderalismus in Deutschland und Europa, 1994, S. 156 ff., 162, 163 ff., pass.; grdl. F. W. ScharpJlB. ReissertlF. Schnabel, Politikverflechtung, 1976. 91 Scharpj, Politikverflechtung (Fn. 74), S. 33. Diese Prämisse ist angesichts des möglichen Differenzierungsgrades von Bundesrecht durchaus fragwürdig, vgl. vorund nachstehend bei Fn. 35 ff. bzw. bei 148 ff. 92 Vgl. zur Einführung W. Luthardt, Abschied vom deutschen Konsensmodell? Zur Reform des Föderalismus, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 13/1999, S. 12 ff.; F. Ossenbühl, Föderalismus und Regionalismus in Europa. Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: ders. (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, 1989, S. 117 ff. (154 ff.); Benz, Föderalismus (Fn. 78), S. 30 ff.; Klatt, System (Fn. 86), S. 6 ff. 93 Vgl. zusammenfassend Oeter, Integration (Fn. 5), S. 559 ff.; s. auch R. Mayntz, Föderalismus und die Gesellschaft der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 232 (235, 241 ff.); zuletzt A. Benz, Politische Steuerung in lose gekoppelten Mehrebenensystemen, in: R. Werle/U. Schimank (Hrsg.), Gesellschaftliche Komplexität und kollektive Handlungsfähigkeit, 2000, S. 97 ff. 94 Vgl. D. Grimm, Fehler im System: zu den Ursachen von Politikblockaden, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Demokratie neu denken, 1998, S. 45 ff. (48 ff.); U. Volkmann, Bundesstaat in der Krise?, DÖV 1998, S. 613 (618 f.); allg. F. W. Scharpj, Einführung: Zur Theorie von Verhandlungssystemen, in: A. Benz/F. W. ScharpflR. Zintl, Horizontale Politikverflechtung, 1992, S. II ff. 20 Kloepfer
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dann nicht mehr veränderbare Kompromisspakete oft auch mit Kostenverschiebungen zulasten nicht einbezogener Dritter (z.B. die Kommunen)95 schnüren. Andererseits können Entscheidungen zwar völlig blockiert werden oder aber zu Kompromissen einer informellen Großen Koalition auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner führen, doch erlauben es die verschiedenen Ebenen eben oft zugleich auch, sich dem Blockadepotential zu entziehen und auf andere Ebenen auszuweichen 96 • In jedem Falle führt die Vielzahl von verantwortlich mitwirkenden Staatsorganen tendenziell dazu, dass die Verantwortlichkeiten für die Ergebnisse einer bestimmten Politik verwischt werden 97 ; darin wird eine Ursache für "Politikverdrossenheit" gesehen 98 . Neuere Bundesstaatsreformimpulse betonen (durchaus einseitig99 ) die Blockademöglichkeiten innerhalb dieses Mehrebenensystems (z. B. des Bundesrats bei der Rentenreform der Regierung Kohl im Jahre 1998); sie verallgemeinern, mitunter von politischen "Niederlagen" motiviert, solche Entscheidungsfindungen zu einer strukturellen politischen Entscheidungsunfähigkeit des nationalen bundesstaatlichen Systems im "fortschreitenden Allparteienbundesstaat,,100 - mit der Folgerung, wechselseitige Entscheidungsabhängigkeit durch Entflechtung abzubauen 10 I und so den grundsätzlichen Effizienzvorteil der Mehrstufigkeit des Föderalismus 102 stärker zu nutzen. Indessen kann es bei den seltenen Blockaden oft auch nur um die abnehmende politische Kompromissfähigkeit der Parteigruppierungen kurz vor Wahlkämpfen gehen lO3 ; zudem gibt es auch sonst empirisch belegbare 95 Vgl. U. Wachendoifer-Schmidt, Der Preis des Föderalismus in Deutschland, PVS 40 (1999), S. 3 (16 ff.); J.-P. Schneider (Fn. 67), Der Staat 40 (2001), S. 279. 96 A. Benz, Mehrebenen-Verflechtung: Verhandlungsprozesse in verbundenen Entscheidungsarenen, in: ders. u. a., Politikverflechtung (Fn. 94), S. 147 ff.; ders., Verhandlungssysteme und Mehrebenen-Verflechtung im kooperativen Staat, in: W. Seibell A. Benz (Hrsg.), Regierungssystem und Verwaltungspolitik, 1995, S. 83 ff. (84 ff., 90 ff.). 97 R. Dolzer, Das parlamentarische Regierungssystem und der Bundesrat - Entwicklungsstand und Reformbedarf, VVDStRL 58 (1999), S. 7 ff. (25 f., 30 f.); Schmidt-Jortzig (Fn. 87), DÖV 1998, S. 748; Grimm, Fehler (Fn. 94), S. 50; Volkmann (Fn. 94), DÖV 1998, S. 619. 98 Z. B. F. W. Scharpf, Zur Wiedergewinnung politischer Handlungsfahigkeit, in: Bertelsmann-Stiftung (Fn. 94), S. 55 ff. (65 f.). 99 Vgl. zur gegenläufigen Gesetzgebungsstatistik T. König, Regieren im deutschen Föderalismus, Aus Politik und Zeitgeschichte B 13/99, S. 24 ff.; zur gegenläufigen politischen Praxis Wachendoifer-Schmidt (Fn. 95), PVS 40 (1999), S. 13 ff. 100 E.-W. Böckenförde, Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie, in: FS Friedrich Schäfer, 1980, S. 182 ff. (191, 194). 101 Z. B. Schmidt-Jortzig (Fn. 87), DÖV 1998, S. 749. 102 Zu diesem Mayntz (Fn. 93), AöR 115 (1990), S. 238 f., 241 ff.; F. W. Scharpf, Theorie der Politikverflechtung, in: ders. u. a., Politikverflechtung (Fn. 90), S. 13 ff. (28 ff.).
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Wege aus den Sackgassen der Politikverflechtung 104 • Jene Reformbestrebungen 105 werden verstärkt durch die Komplizierung, die das bundesstaatliche Verflechtungssystem zusätzlich erfährt durch die Europäisierung der Verflechtung mit der Schaffung zusätzlicher Entscheidungsebenen (Stichwort: europäische "Politikverflechtungsfalle") 106.
111. Folgerungen für eine Bundesstaatsreform im Blick auf das Immissionsschutzrecht 1. Reformvorschläge der Wissenschaft als grundsätzliches Problem
Um den skizzierten Schwachpunkten abzuhelfen, gibt es einen ganzen Katalog von Reformvorstellungen. Therapeutische Vorschläge zur Reform des Bundesstaats haben z. B. die Bertelsmann-Stiftung, (schon häufig) die Präsident(inn)en der Landesparlamente und verschiedene final auf die Stärkung der Länder abzielende Sachverständigenkommissionen oder politische Gremien (z. B. einzelne Landesparlamente, die Hauptgeschäftsstelle des LKT) verabschiedet 107. Diese Vorschläge werden als Konkretisierung von politischen Reformzielen ausgegeben, denen niemand widersprechen kann und wird: (1) klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten, (2) Durchschaubarkeit der politischen Strukturen, (3) Verbesserung der Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger, (4) Stärkung der Entscheidungsfähigkeit "des politischen Systems", (5) Wahrung der Gemeinschaftlichkeit 103 Vgl. Münch. Entwicklung (Fn. 72), S. 10; Lehmbruch. Parteienwettbewerb (Fn. 2), S. 173 ff., 177, 191; W. Renzsch. Parteien im Bundesstaat. Sand oder Öl im Getriebe?, in: U. Männle (Hrsg.), Föderalismus zwischen Konsens und Konkurrenz, 1998, S. 93 ff. 104 Vgl. übersichtlich Wachendorfer-Schmidt (Fn. 95), PVS 40 (1999), S. 9 ff.; s. auch T. König. Politikverflechtungsfalle oder Parteienblockade? Das Potential für politischen Wandel im deutschen Zweikammersystem, StWStP 8 (1997), S. 135 ff.; K. H. Goetz. Kooperation und Verflechtung im Bundesstaat, in: R. Voigt (Hrsg.), Der kooperative Staat, 1995, S. 145 ff. (149 f.). 105 Vgl. zur Strategie einer Reform R.-O. Schultze. Indirekte Politikentflechtung: Eine Strategie für die Föderalismusreform?, ZParl 31 (2000), S. 681 ff. 106 V gl. W. Luthardt. Europäischer Integrationsprozess, deutscher Föderalismus und Verhandlungsprozesse in einem Mehrebenensystem: Beteiligungsföderalismus als Zukunftsmodell, StWStP 7 (1996), S. 293 ff.; grdl. F. W. Scharpf, Die Politikverflechtungsfalle (1985), in: ders., Optionen (Fn. 90), S. 11 ff. (40 ff.); zuletzt A. Benz. Entflechtung als Folge von Verflechtung, in: E. Grande/M. lachtenfuchs (Hrsg.), Wie problemlösungsfähig ist die EU?, 2000, S. 141 ff. 107 Übersichtlich U. Münch/T. Zinterer. Reform der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern: Eine Synopse verschiedener Reformansätze zur Stärkung der Länder 1985-2000, ZParl 31 (2000), S. 657 ff.
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i. S. eines solidarischen Wettbewerbsföderalismus 108. Dominant erscheint die Stärkung der "Regierungsfähigkeit,d09; in anderer Akzentsetzung erscheinen sie als Ausdruck eines Perspektiven wechsels hin zu Vielfalt, Autonomie und Subsidiarität im Bundesstaat 110. Doch nur der Abstraktionsgrad solcher Ziele oder Forderungen erlaubt das Urteil, über die Notwendigkeit einer Reform des Föderalismus bestehe im Grundsätzlichen in Politik und Rechtswissenschaft eine breite Übereinstimmung 111 . Alle konkreten Reformvorschläge lassen sich tendenziell auf zwei
schlichte Generaltendenzen reduzieren: Einerseits sollen Gesetzgebungs-
kompetenzen vom Bund zu den Ländern teilweise (wieder) herabgezont und den Ländern mehr Spielraum zu eigener gesetzgeberischer Freiheit eingeräumt werden, andererseits sollen die rechtlichen Prozesse des Zusammenwirkens von Bund und Ländern zugunsten einer Stärkung der jeweiligen Entscheidungsautonomie der Beteiligten entflochten werden. Solche Vorschläge haben aber nur Aussicht auf Erfolg, wenn die ihnen zugrundeliegenden Reformimpulse die Entwicklungen des Bundesstaatssystems oder seine Krisen angemessen reflektieren. Zweifel werden dadurch veranlasst, dass diese Reformvorschläge in neoklassischen und markt-liberalen Gesellschaftsvorstellungen gründen 112, die nur auf einer hochabstrakten Ebene Änderungsvorschläge plausibel erscheinen lassen, ohne sich auf die konkreten Sachgesetzlichkeiten wirklich einzulassen. Insoweit gelten sie teilweise nur Symptomen, ohne tiefer liegende Ursachen zu erfassen.
108 Bertelsmann-Kommission "Verfassungspolitik und Regierungsfähigkeit" (Bearb.), Entflechtung 2005. Zehn Vorschläge zur Optimierung der Regierungsfähigkeit im deutschen Föderalismus, 2000, S. 18 ff.; in Kurzfassung H.-W. Amdt u.a., Zehn Vorschläge zur Reform des deutschen Föderalismus, ZRP 2000, S. 201 ff.; zust. Schultze (Fn. 105), ZParl 31 (2000), S. 690. 109 Ähnlich Gramm (Fn. 5), AöR 124 (1999), S. 220. 110 Vgl. R.-O. Schultze, Föderalismusreform in Deutschland: Widersprüche - Ansätze - Hoffnungen, ZfP 46 (1999), S. 173 (178 ff., 181). 111 So z.B. I. v. Münch, Föderalismus - Beweglichkeit oder Beton?, NJW 2000, S. 2644 f.; Schuppert, Verwaltungswissenschaft (Fn. 87), S. 944 f.; Schultze (Fn. 105), ZParl 31 (2000), S. 683 ("Alle Meinungsführer sind heute für den Wettbewerbsföderalismus"); W. Luthardt, In der Diskussion: Herausforderungen und Entwicklungslinien des deutschen Föderalismus, ZParl 30 (1999), S. 168 (176); ders., Abschied (Fn. 92), S. 13 m. ausf. Nw.; ausf. Anti-Kritik etwa bei U. BerUt, Verfassungsrechtliche Perspektiven des Föderalismus, in: v. Amim u. a. (Hrsg.), Föderalismus (Fn. 74); S. 63 ff. (66 ff.). 112 So Lehmbruch, Bundesstaatsreform (Fn. 83), S. 85; Schultze (Fn. 110), ZfP 46 (1999), S. 184, 189, 192; s. auch Häberle (Fn. 87), AöR 124 (1999), S. 556; Luthardt, Abschied (Fn. 92), S. 12 f. m. w. N.
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a) Unitarische Zweckmäßigkeit zwischen faktischer Evidenz und Subsidiaritätsprinzip
Ein dominierender faktischer Zug in den eng verflochtenen modemen IndustriegeseIlschaften liegt in der Idee der Angleichung und eines Mindeststandards einheitlicher Lebensverhältnisse in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht (weniger in kultureller Hinsicht). So wie im 19. Jahrhundert die Entwicklung zur Rechtseinheit ein entscheidendes Vehikel für die Einheit Deutschlands war, so ist auch heute die Schaffung einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für den europäischen Binnenmarkt ein zentraler Impuls für die Einheit Europas als Wirtschafts- und Rechtsgemeinschaft. Dem korrespondiert das zudem sozialstaatlich begründete Streben nach einem Mindestmaß einheitlicher oder zumindest "gleichwertiger" Lebensverhältnisse für jene Regionen in Deutschland und in Europa, die in einem vorrechtlichen Verständnis als vergleichbar angesehen werden. Dieser nachhaltig dominierende Zug zur Einheit in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht prägt auch die Bundesstaaten (nicht nur die Einheitsstaaten) in und außerhalb von Europa l13 . Er hat weithin die Evidenz einer Zweckmäßigkeit für sich, die dem Lebens- und dem am Gleichheitsgedanken orientierten Gerechtigkeitsgefühl der Bürger (nicht notwendig auch ihrer stärker der freiheitlichen Autonomie verpflichteten politischen Eliten) weithin entspricht 1 14. Dieser faktische Zug zur Einheit gilt nicht notwendig i.S. einer "sachzwanghaften" Entwicklung, wie die größere Heterogenität anderer Bundesstaaten zeigt l15 ; in Deutschland wird er vielleicht durch die spezifische Ausgestaltung des politischen Systems 116, jedenfalls aber doch i. S. "einer starken kulturellen Norm" für politische Lösungen gefördert, die im Bezug auf große räumliche Einheiten evident einfacher, vereinheitli113 Vgl. W. Heun, Allocation of Tasks and Regimes of Public Finance Responsibilities Between the Federal and Other Levels of Govemment (General Report), in: E. Riedel (Hrsg.), Aufgabenverteilung und Finanzregimes im Verhältnis zwischen dem Zentralstaat und seinen Untereinheiten, 2001, S. 17 ff. (33); Lendi (Fn. 63), UPR 2000, S. 417; Calliess (Fn. 87), DÖV 1997, S. 893 m. W.N. 114 Gleichsinnig W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Band I1I, 2000, Vor Art. l04a ff. Rn. 11; Lehmbruch, Parteienwettbewerb (Fn. 103), S. 188; U. Münch, Folgen der Vereinigung für den deutschen Bundesstaat, in: Jahrbuch des Föderalismus 2000, S. 57 ff. (67); Ossenbühl, Föderalismus (Fn. 92), S. 152 f., 158 f.; Eicher, Machtverlust (Fn. 75), S. 105 ff. 115 Vgl. am Beispiel des US-amerikanischen Umweltrechts M. SchultelA. Henke, Umweltrecht, in: H.-D. Assmann/H. Bungert (Hrsg.), Handbuch des US-amerikanischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, Band I, 200 I, Kap. 9 Rn. I ff.; H. D. Jarass, Strukturelemente des amerikanischen Umweltrechts im Vergleich, NuR 1993, S. 49 (53). 116 So W. Renzsch, Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse oder Wettbewerb der Regionen?, StWStP 8 (1997), S. 87 ff. (88 ff.).
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chender und übersichtlicher erscheinen und gleichfönnige Regelungen verlangen l17 . Diesem "Megatrend" scheint zwar das Subsidiaritätsprinzip zu widersprechen, wie es auf nationaler Ebene zumindest wissenschaftlich zunehmend als ein Rechtsprinzip in Bezug genommen wird 118, auch im Verhältnis von Bund und Ländem l19 • Es hat durch Rezeption auch im Primärrecht der EU einen Bedeutungsgewinn erfahren 120, der seinerseits auf die nationale Bundesstaatsebene zurückwirkt. Es ist Ausfluss und Verstärker einer vertieften Besinnung auf lokale und regionale Entscheidungsebenen in Antwort auf die Prozesse der Europäisierung und Globalisierung l2l . Indessen eröffnet das Subsidiaritätsprinzip als Entscheidungsmaßstab jenseits seiner Entscheidungskraft für EvidenzflHle Wertungsspielräume, die nur durch politische Entscheidungen ausgefüllt werden können 122. Deshalb kann auch die Kompetenzordnung im Bundesstaat nur durch verfassungspolitische Entscheidungen, nicht nach Maßgabe eines solchen hochabstrakten Rechtsprinzips ausgestaltet werden. In dieser Perspektive begegnet einerseits eine Herabzonung von Gesetzgebungsmaterien des Bundes auf die Länderebene teilweise sachlichen Zweifeln an deren Zweckmäßigkeit; umgekehrt kann der jahrzehntelange Prozess einer Heraufzonung von Länderkompetenzen weithin eine sachliche Plausibilität für sich in Anspruch nehmen. Auch die Auslegung des Subsidiaritätsprinzips selbst unterliegt jenem unitarischen Zweckmäßigkeitsstreben, das die spezifische föderale Spannung zwischen Einheit und Vielfalt bestimmt und in dieser seiner besonderen Ausgewogenheit und Zweckmäßigkeit den Föderalismus stärkt. 117 Lehmbruch. Parteienwettbewerb (Fn. 103), S. 106 ff. (Zitat: S. 110); s. auch J.-P. Schneider (Fn. 67), Der Staat 40 (2001), S. 282 ff.; Heun. Allocation (Fn. 113), S. 30; Merten. Reform (Fn. 8). S. 74. 118 s. etwa K. W. Nörr/T. Oppermann (Hrsg.), Subsidiarität: Idee und Wirklichkeit, 1997; ferner die Nachweise bei H. Schulze-Fielitz. Grundsatzkontroversen in der deutschen Staatsrechtslehre nach 50 Jahren Grundgesetz, Die Verwaltung 32 (1999), S. 241 (268); P. Häberle. Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Autl. 1998, S. 417 ff. 119 Isensee (Fn. 72). § 98 Rn. 17, 175, 242, 250 u. ö. 120 s. zuletzt R. Hrbek. Das Subsidiaritätsprinzip in der EU - Bedeutung und Wirkung nach dem Vertrag von Amsterdam, in: Jahrbuch des Föderalismus 2000, S. 510 ff.; ferner etwa R. Bieber. Subsidiarität im Sinne des Vertrages über die Europäische Union, in: Nörr/Oppermann (Fn. 118), S. 165 ff. 121 s. etwa Mayntz (Fn. 93), AöR 115 (1990), S. 233 f., 243 f.; H. Lübbe. Politische Organisation in der zivilisatorischen Evolution, in: O. Depenheuer u. a. (Hrsg.), Die Einheit des Staates. 1998, S. 9 ff. (18 ff.). 122 Vgl. H. Schulze-Fielitz. Staatsaufgabenentwicklung und Verfassung, in: D. Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 11 ff. (36 ff.); H. P. Bull. Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Autl. 1977, S. 190 ff.; s. auch Badura. Rechtfertigung (Fn. 84), S. 63; anders Janssen, Wege (Fn. 77), S. 61 f.
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b) Abkehr vom Bundesstaatsmodell des Grundgesetzes? Die Vorschläge zur grundlegenden Modernisierung des Bundesstaats erscheinen teilweise fragwürdig, insofern sie die Krise des Bundesstaats durch dessen charakteristische, tendenziell unveränderliche Kernelemente verursacht sehen: Sie zielen dann auf eine Wesensveränderung des deutschen bundesstaatlichen Modells, dessen Preis sehr gründlich überdacht werden muss. Ihre kritische Intention berührt schon vor dem Hintergrund merkwürdig, dass die meisten westlichen Industrieländer zentralisierte Einheitsstaaten sind, die die bundesstaatlichen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland als vorbildlich betrachten 123. Diese aktuelle Grundsatzkritik zielt oft auf Erscheinungen ab, die allgemein die Eigenarten eines föderal organisierten Staates und im besonderen die seit dem 19. Jahrhundert gewachsene institutionelle Struktur des deutschen Bundesstaats in seiner Ausgestaltung durch das Grundgesetz gerade kennzeichnen. In deren grundlegender Veränderung liegt deshalb eine erhebliche Gefahr, das bündische Prinzip des Bundesstaates zu schwächen, sei es durch Schwächung des Gesamtstaates, sei es durch Entsolidarisierung der Länder: Unter den Bedingungen höchst ungleicher Länder als Gliedern des Bundes bedarf es gerade der vorrangigen Verantwortung des Bundes für die Wahrung der Rechtsund Wirtschaftseinheit l24 . c) Konkretisierung der Fragestellung
Vor diesem Hintergrund lässt sich sehr wohl fragen, ob eine fundamentale Bundesstaatsreform Genseits der zweifellos reformbedürftigen Finanzverfassung) in den Mittelpunkt der verfassungspolitischen Diskussion der Gegenwart rücken sollte: Nicht nur der notwendige erhebliche politische Aufwand oder die geringen, hier und im folgenden Text von vornherein ausgeklammerten politischen Realisierungschancen, sondern auch die ungewissen Folgen für das vielschichtige Gesamtsystem Bundesstaat begründen entsprechende Zweifel 125 . Nachstehend geht es daher nur noch um die Diskussion einzelner "kleiner Schritte" speziell im Blick auf den Immissionsschutz, und zwar um Möglichkeiten und Grenzen einer Verlagerung von Gesetzgebungskompetenzen (2., 3.). 123 Vgl. H.-P. Schneider, Kooperation, Konkurrenz oder Konfrontation? Entwicklungstendenzen des Föderalismus in der Bundesrepublik, in: Bitburger Gespräche 1999/11 (Fn. 8), S. 23 ff. (23 f.). 124 Badura, Rechtfertigung (Fn. 84), S. 58. 125 Gleichsinnig U. Berfit, Verfassungsrechtliche Perspektiven des Föderalismus, in: v. Arnim u. a. (Hrsg.), Föderalismus (Fn. 78), S. 63 ff.; s. auch J.-P. Schneider (Fn. 67), Der Staat 40 (2001), S. 284 ff., 288 ff.
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2. "Reföderalisierung" von Gesetzgebungskompetenzen im Immissionsschutzrecht?
Ein erstes Bündel von Veränderungsimpulsen gilt der "Reföderalisierung" von Gesetzgebungskompetenzen, indem durch Verfassungsänderung entweder bestimmte Materien vollständig den Ländern überlassen werden, oder indem deren Spielräume im Rahmen der Bundesgesetzgebung ausgedehnt werden. Darin liegt dann zugleich die Hoffnung auf eine Entflechtung der Politikverflechtung, insoweit der dadurch ermöglichte Erlass von Landesgesetzen keiner Zustimmung von Bundesorganen (mehr) bedarf. a) Generierung von Kompetenzkonflikten?
Einige dieser Vorschläge suchen die Dominanz des Bundes bei der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 GG) abzuschwächen: durch Ermöglichung konkurrierender Gesetze auf demselben Sachgebiet mit Einspruchsrecht des Bundes 126 oder sogar durch Landesgesetze in konflikthaftem Widerspruch zu Bundesgesetzen unter partieller Aufhebung von Art. 31 GG. Diese Vorschläge spiegeln deutlich den Gedanken des Wettbewerbs zwischen den Ländern und begegnen zunächst grundsätzlichen Einwänden, die aus dem Charakter von Ländern als Gebietskörperschaften entspringen 127. Staaten üben hoheitliche Gewalt aus; sie sind dabei am Gemeinwohl orientiert und an Kompetenzen und staatliche Handlungsformen gebunden. Private Wettbewerber handeln demgegenüber im Eigeninteresse nach Maßgabe individueller Beliebigkeit in Wahrnehmung ihrer grundrechtlichen Freiheiten. Die Gleichsetzung von staatlichem und privatem Wettbewerb ist deshalb nur sehr begrenzt zulässig 128. Wettbewerb bei der staatlichen Gemeinwohlfindung kann von jener Kompetenzbindung nicht befreien: Die Förderung von Kompetenzkonflikten zwischen Staaten widerspricht der Eigenart von Staatlichkeit (auch) im Bundesstaat. Indem ein solcher Ansatz Kompe126 Der Vorschlag der Bertelsmann-Kommission (Fn. 108), S. 24 f., geht zurück auf ein Sondervotum von Senator Dr. Heinsen zum Bericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform 1977; zust. Scharpf, Politikverflechtung (Fn. 74), S. 34 f.; v. Münch (Fn. 111), NJW 2000, S. 2645; Schultze (Fn. 105), ZParl 31 (2000), S. 696 f. unter Hinweis auf positive Erfahrungen in Kanada (wo regelmäßig die Provinz Quebec aus nationalen Programmen ausgeschert ist). Die kanadische Konstruktion ist aber singulär und durchaus mit Problemen behaftet, vgl. Heun, Allocation (Fn. 113), S. 21,22 f. m.w.N.; s. auch S. Hohe, Quo vadis Kanada? JöR 42 (1994), S. 595 ff. (602 f.). 127 Allg. krit. H. P. Bull, Finanzausgleich im "Wettbewerbsstaat", DÖV 1999, S. 269 ff. 128 Aus ökonomischer Sicht: H.- W. Sinn, Das Selektionsprinzip und der Systemwettbewerb, in: A. Oberhauser (Hrsg.), Fiskalföderalismus in Europa, 1997, S. 9 ff. (10,50 pass.); s. auch Lenk, Föderalismus (Fn. 78), S. 46 f.
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tenzstreitigkeiten fördert, verlagert er eine Konfliktlösung auf Gerichte; darin liegt eine Verkennung der spezifischen Aufgabe des Staatsorganisationsrechts, das Kompetenzen und Befugnisse bei der politischen Machtausübung möglichst eindeutig zu regeln hat 129 • "Stattdessen sollen die Länder ihre Befugnisse voll ausschöpfen und dabei durchaus Konflikte mit dem Bund in Kauf nehmen" 130. Eine solche Empfehlung eröffnet im Parteienbundesstaat den politischen Parteien ein weiteres Feld, um sich durch die Art der unterschiedlichen Kompetenzwahrnehmung voneinander abzugrenzen: Die Kompetenzgrenzen der Verfassung werden so parteipolitisch streitbefangen. Solche Vorschläge verfehlen den zentralen Zweck des Staatsorganisationsrechts, Kompetenzen unterschiedlicher Machtträger klar und konfliktverhindernd zuzuordnen, und allgemeiner noch das Wesen einer Verfassung: Der in ihren Regeln formulierte Basiskonsens muss in Zeiten schwindender Gemeinsamkeiten eher gepflegt werden; er darf nicht für eine Generierung politischer Konflikte instrumentalisiert und damit auch gefährdet werden. Insgesamt kommt hier ein - die Debatte um die Bundesstaatsreform allgemein kennzeichnender - sehr technisch-instrumenteller Umgang mit der Verfassung als beliebig veränderbares Instrument 131 besonders augenfällig zum Ausdruck; ein solches Verständnis nimmt auf die Eigenart von Verfassungsrecht als auf Dauer angelegtes, möglichst wenig zu änderndes Recht auf der Basis geronnener historischer Erfahrungen keine große Rücksicht. - Alle diese Gründe sprechen - abgeschwächt - auch gegen den Versuch, durch zusätzliche ausdrückliche Benennung von Länderkompetenzen im GG Rechtsklarheit zu schaffen 132; diese ist auch durch Auslegung der herkömmlichen Kompetenznormen erreichbar. b) Herabzonung von Gesetzgebungskompetenzen?
Solchen Einwänden unterliegt nicht der Ansatz zu einer verfassungsgesetzlich klar geregelten Verlagerung von Bundesgesetzgebungskompetenzen auf die Länder insbesondere durch Ausdünnung bzw. durch Streichung in den Katalogen der Art. 74, 74a und 75 GG. Die Bertelsmann-Kommission nennt im hiesigen Zusammenhang Art. 74 I Nr. 24 GG betr. die Abfallbeseitigung, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung 133 , die zur alleinis. auch Volkmann (Fn. 94), DÖV 1998, S. 615. Bertelsmann-Kommission (Fn. 108), S. 25. l3l Vgl. krit. Badura, Rechtfertigung (Fn. 84), S. 53, 54, 55; gleichsinnig Lehmbruch, Bundesstaatsreform (Fn. 83), S. 71. 132 Vgl. Janssen, Wege (Fn. 77), S. 49 f. 133 Begrenzt auf die Lärmbekämpfung auch Entwurf für einen Beschluss (Fn. 77), ZG-Sonderheft 2000, S. 17. Demgegenüber will der LKT nur die Abfallbeseitigung zur Rahmenkompetenz zurückstufen, vgl. Henneke (Fn. 66), S. 82 ff.; s. auch 129
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gen Ländersache werden sollen; dafür spricht immerhin, dass gelegentlich erst innovative Vorstöße einzelner Länder eine Bundesgesetzgebung ausgelöst haben, z. B. die Ozongesetzgebung nach § § 40 a ff. BlmSchG \34. Liegt eine "Stärkung des Föderalismus" darin, das Recht der Luftreinhaltung und der Lärmbekämpfung in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zu überführen? aa) Luftreinhaltung Durch die Verfassungsänderung von 1972 wurde fast die gesamte Luftreinhaltepolitik zur (konkurrierenden) Bundessache (Art. 74 I Nr. 24 GG)135. Das gilt seitdem nicht mehr nur für die Genehmigung bestimmter emittierender und deshalb genehmigungsbedürftiger gewerblicher Anlagen sowie für überwachungsbedürftige Anlagen zum Schutze der Beschäftigten und Dritter vor Gefahren durch Anlagen, wie sie seit den §§ 16 ff., 26 ff. der preußischen Gewerbeordnung von 1845, dann in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869 und schließlich in der Reichsgewerbeordnung rechtlich geregelt l36 und seit 1871 im auch vom Grundgesetz rezipierten verfassungsrechtlichen Begriff des Gewerbes (und damit auch im Kompetenztitel des Rechts der Wirtschaft nach Art. 74 I Nr. 11 GG) enthalten war l37 . Nun konnten auch solche Elemente der Luftreinhaltepolitik vom Bund kodifiziert werden, deren Zuordnung zum Gewerbebegriff bzw. zum Recht der Wirtschaft i. S. von Art. 74 I Nr. 11 GG ungeklärt oder umstritten war; das BlmSchG umfasst bekanntlich so auch Regelungen oder Verordnungsermächtigungen für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, für Produkte, für Verkehrsanlagen und für den gebietsbezogenen Immissionsschutz (vgl. § 2 BImSehG) und zugleich Vorsorgeregelungen jenseits des Schutzprinzips der Gefahrenabwehr.
H. Frhr. v. Lersner, Vor- und Nachteile föderalistischer Strukturen im Abfallrecht, in: Kloepfer (Hrsg.), Abfallrecht (Fn. 52), S. 37 ff. 134 Mit dieser Tendenz Kloepfer, Abfallrecht (Fn. 52), S. 24; s. auch Hansmann (Fn. 45), Vor § 40a Rn. 5 f. und § 40 Rn. I a; H. Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG (Fn. 35), § 40 Rn. 51, 83 und §§ 40a--40e Rn. I ff. 135 Zur zwischen Bundesregierung und Bundesrat umstrittenen Vorgeschichte ausf. Pestalozza (Fn. 20), Art. 74 Rn. 1685 ff., 1710 ff. Eine Begründung der Zentralisierung aus der ökonomischen Theorie des Föderalismus findet sich bei G. Michelsen, Kompetenzfragen der Umweltpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, 1979, S. 66 ff., 125 ff. 136 Vgl. näher M. Führ, in: GK-BlmSchG (Fn. 35), § 1 Rn. 9 ff.; B. Ebinger, Der unbestimmte Rechtsbegriff im Recht der Technik, 1993, S. 58 ff. 137 Vgl. BVerfGE 41, 344 (352 ff.); Pestalozza (Fn. 20), Art. 74 Rn. 578 ff. (mit Kritik an der vorstehenden Entscheidung Rn. 582 i. V. m. Fn. 1095).
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Eine Herabzonung der Gesetzeskompetenz für Luftreinhaltung auf die Länder würde erhebliche Unsicherheiten über die Frage auslösen, die die Grundgesetzänderung von 1972 gerade beseitigt hatte: welche Regelungen weiterhin zur konkurrierenden Bundeskompetenz, z. B. des "Rechts der Wirtschaft", gehören und welche nicht. Hinsichtlich solcher luftreinhaltebezogenen Länderregelungen, die Unternehmen oder Steuerzahler auf eine ihre Standortwahl beeinflussende Weise wirtschaftlich belasten, könnte es überdies zu einem "Unterbietungswettbewerb" der Länder beim Wettbewerb um investitionswillige Unternehmen kommen 138; Folge könnte sein, dass das Niveau der Luftreinhaltung sinkt und der in den letzten zwei Jahrzehnten wohl erfolgreichste Teil deutscher Umweltpolitik konterkariert wird. Auch in wettbewerbsföderalistischer Sicht wäre eine Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf Basis des fiskalischen Äquivalenzprinzips Voraussetzung dafür, ein solches Wettbewerbsversagen zu vermeiden 139; eine Staatsorganisation nach jenem Prinzip einzurichten ist aber weder theoretisch noch praktisch möglich. Nicht zufällig warnen selbst Anhänger bundesstaatlicher Reformen im Interesse von Wettbewerb in Aufgabenbereichen, die die Attraktivität von Produktions- und Investitionsstandorten erhöhen, vor "einem Deregulierungswettbewerb etwa in der Luftreinhaltepolitik, im Gewässerschutz oder bei der Arbeitssicherheit,,14o. Nicht undenkbar erscheint dann auch eine egoistische Länderpolitik, die - wie einst bei der "Politik der hohen Schornsteine" - Luftverunreinigungen i. S. einer "Externalisierung von Belastungen" in andere Länder zu verlagern sucht; für die meereswindbegünstigten Küstenländer hat die großräumige Luftreinhaltepolitik nun einmal einen völlig anderen Stellenwert als für Länder mit windbewegungsarrnen Ballungszentren 141. Alles in allem scheint es ein den Föderalismus schwächender Rückschritt zu sein, statt i. S. einheitlicher Rahmenbedingungen auf Bundes- wie auf europäischer Ebene die Politik der Luftreinhaltung grundsätzlich zu regionalisieren; damit sollen Spielräume regionaler Autonomie bei der Luftreinhaltepolitik nicht kategorisch ausgeschlossen sein 142. 138 139
s. allg. Scharpf, Wiedergewinnung (Fn. 98), S. 67. H. Karl, Induziert föderalistische Umweltpolitik ein Wettbewerbsversagen?,
in: A. Renner/F. Hinterberger (Hrsg.), Zukunftsfähigkeit und Neoliberalismus, 1998, S. 407 ff. 140 In diesem Sinne z. B. Scharpf, Wiedergewinnung (Fn. 98), S. 68; zuletzt ders., Freiheit (Fn. 90), S. 15. 141 Zu Beispielen aus dem Abfallrecht vgl. v. Lersner, Vor- und Nachteile (Fn. 133), S. 39. 142 Allg. zum ungelösten Problem des "spillovers" eines größeren überregionalen Nutzenkreises als des (kleineren) Nutzerkreises vgl. z. B. L F. Neumann/H.-J. v. d. Ruhr, Dezentrale europäische Umweltpolitik im Lichte der ökonomischen Theorie des Föderalismus, in: H. D. Jarass/L. F. Neumann (Hrsg.), Leistungen und Grenzen des EG-Umweltschutzes, 1994, S. 80 ff. (85 ff.).
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bb) Lärmbekämpfung Wenig anders verhält es sich mit dem Vorschlag, das Recht der Lärmbekämpfung zur Länderkompetenz herabzustufen. Gegen ihn sprechen unverändert alle Gründe, die schon 1972 für die Verfassungsänderung i. S. einer Logik der Unitarisierung sprachen 143. Er ignoriert einfach, dass sich seit Anfang der 70er Jahre die Staatsaufgabe Umweltschutz (weltweit) als "neue Qualität" herausgebildet hat, die namentlich bei den wirtschaftlich belastenden Anforderungen im Vorsorgebereich nach einheitlichen Maßstäben in Deutschland und Europa verlangt. Selbst wenn man nur dem bescheideneren Vorschlag der Landtagspräsidenten folgen und allein die Lärmbekämpfung herabzonen wollte, bliebe es dabei, dass ein BImSchG in dieser Form nicht mehr das Immissionsschutzrecht bundesweit vereinheitlichen könnte. Zwar scheint auf den ersten Blick die eher kleinräumige Wirkungsweise von Lärm dafür zu sprechen, dass rechtliche Regeln der Lärmbekämpfung auch differenziert "vor Ort" erlassen werden könnten. Doch schon der zweite Blick muss sich darauf richten, dass Lärmbekämpfung an der Quelle vor allem auch bei den Produkten (z. B. Maschinen, Kraftfahrzeuge, flugzeuge) ansetzen muss und insoweit großräumig nach einheitlichen Standards verlangt, selbst auf europäischer Ebene l44 . Auch hier spricht schon nicht anders als bei der Luftreinhaltung - die Gefahr eines Wettbewerbs um Genehmigungsanforderungen auf immer niedrigerem, für investitionswillige Unternehmen am ehesten akzeptablem Niveau (Unterbietungswettbewerb) gegen eine solche Dezentralisierung. Wie würde sich z.B. ein "Wettbewerb" der Länder mit wirtschaftsrelevanten Verkehrsflughäfen auf den Fluglärmschutz der Anwohner auswirken? Gegen eine Herabzonung spricht weiter die strukturelle, objektive Unfähigkeit der 16 Landesregierungen bzw. Länderbürokratien, je einzeln für sich ein adäquates Verwaltungswissen über die Feinheiten des (Lärm-)Immissionsschutzes hervorzubringen und zu organisieren; sie wären schon den einschlägigen europäischen Richtlinienentwürfen hilflos ausgeliefert und müssten im Interesse der Wahrung eines Mindestmaßes an Immissionsschutz zu einer Selbstkoordinierung greifen, die dann noch aufwendiger das leistet, was heute die Bundesregierung, das Umweltbundesamt und schließlich auch der Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) bzw. sein Unterausschuss Lärmbekämpfung leisten (können). Die Funktionen einer Evaluation der (Bundes-)Rechtsetzung könnten die einzelnen Länderverwaltungen mit "sicherer" Wahrscheinlichkeit nicht erfüllen. s. näher oben bei Fn. 20 ff., 60 ff. Vgl. M. SchulteiR. Schröder, Europäisches Lärmschutzrecht, DVBI. 2000, S. 1085 ff.; V. Irmer, Bemerkungen zur europäischen Politik im Bereich Umweltlärm, Immissionsschutz 3 (1998), S. 44 ff. 143
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Eine Herabzonung des Immissionsschutzes oder auch nur der Lännbekämpfung dürfte letztlich nur zu einer Schwächung dieser Belange führen. Solche Vorschläge verfehlen die immissionsschutzrechtlichen Daueraufgaben der Gegenwart. Auch der z. Zt. wenig aktuelle, aber langfristig keineswegs unsinnige Plan eines UGB würde auf Dauer unmöglich gemacht. Es ist deshalb Ausdruck erkennbar größerer Durchdachtheit, wenn der LKT weit zurückhaltender lediglich das Recht der Abfallbeseitigung zurückzustufen l45 anstrebt. Im Übrigen bleibt es auch bei unveränderter Bundeskompetenz wie bisher möglich und nötig, den örtlichen Lärmbelastungen im Rahmen des geltenden Bundesrechts differenziert gerecht zu werden. c) Zwischenbilanz
Das Beispiel des Immissionsschutzes verdeutlicht: Bei einer Herabzonung von Gesetzgebungskompetenzen kommt es "sehr auf das Detail an,,146. Selbst wenn man sich für eine Herabzonung entschiede: Angesichts bestimmter Sachzwänge im Bundesstaat dürfte in solchen punktuellen Verschiebungen jedenfalls keine fundamentale "Modernisierung" des Bundesstaates liegen. Die Länder und ihre Ministerialbürokratie können durch solche Reformen auch überfordert werden. Ohnehin erscheint der Widerspruch unauflösbar, dass einerseits tiefgreifende Verfassungsreformen gefordert werden, die jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat erfordern (Art. 79 11 GG), obwohl doch andererseits schon nach geltendem Verfassungsrecht Bundesgesetze aufgrund einfacher Mehrheitsentscheidung im Bundestag den Ländern schon jetzt weitgehende Autonomiespielräume einräumen könnten (z. B. nach Art. 72 III GG I47 oder durch Zurückhaltung bei Kompetenzausübung nach Art. 74 GG). Verfassungspolitik ist ein ungeeigneter Ersatz für (vermeintlich schlechte) Rechts- oder Wirtschaftspolitik. 3. Partielle Zurücknahme bundesrechtlicher Regelungsansprüche?
Das vorstehende Plädoyer gegen eine Herabzonung der umfassend angelegten Kompetenzen des Bundes für die Luftreinhaltung und Lännbekämpfung kann freilich nicht über die Evidenz des Sachverhalts hinwegtäuschen, dass ein Rechtsetzungswettbewerb unter den Ländern i. S. des Bundesstaats vorteilhaft sein kann, um gerade auch im Umweltrecht alternative Rege145 Vgl. Nw. Fn. 133. Dieser Vorschlag gründet freilich auch in spezifischen aktuellen Partialinteressen der Kommunen. 146 Scharpf, Wiedergewinnung (Fn. 98), S. 68. 147 Vgl. auch Janssen, Wege (Fn. 77), S. 46 f.
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lungsmodelle i. S. eines "trial and error" zu testen oder um es zuzulassen, dass Länder schnell auf neue Regelungsbedürfnisse reagieren können 148. Eine genaue Betrachtung der Praxis der exekutivischen Rechtsetzung und des Gesetzesvollzugs im Immissionsschutzrecht zeigt, dass schon unter den gegenwärtigen Bedingungen des deutschen Bundesstaats Elemente eines Wettbewerbs um beste Lösungen existieren. Hinter der von "Wettbewerbsföderalisten" eher pejorativ benannten "Selbstkoordinierung,,149 verbirgt sich oft zugleich ein gewisser Innovationswettbewerb: Denn vor Erarbeitung z. B. einer Muster-Verwaltungsvorschrift gibt es oft eine Art "Wettbewerb" um die beste Vollzugspraxis, bei der einzelne Länder "vorpreschen" und länderweit "Praxistests" initiieren, ehe der kooperative Vollzugsföderalismus sich einigt, ohne dass damit stets auch eine einheitliche Vollzugspraxis gewährleistet wäre 150 . Dieser ständige Diskussionsprozess in Form von "trial and error" lässt die bundeseinheitliche Regelung als Abschluss eines Ideenwettbewerbs erscheinen, bei dem sich die beste Lösung durchgesetzt hat. Zu solchen Anreizen für einen "Innovationswettbewerb" bedarf es aber keiner Verfassungsänderung (mit dem Erfordernis von Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat); schon eine großzügigere Handhabung von bundesgesetzlichen Öffnungsklauseln mit bundesgesetzlichen Ermächtigungen an den Landesgesetzgeber reicht aus, um regional differenzierende oder ortsspezifische Regeln zu erlassen oder z. B. auch das Bundesrecht ergänzende (direkte oder indirekte) Lenkungsinstrumente einzuführen 151 . Ähnlich wie auf europäischer Ebene könnten auf Länderebene verschärfende Regelungsmöglichkeiten zumindest zugelassen werden, auch wenn deren Wahrnehmung dann eine seltene Ausnahme bleiben sollte. Voraussetzung ist eine Föderalismuspolitik der Länder, die den Bund in Gesetzgebungsverfahren des Bundes gezielt zu Öffnungsklauseln für regionalisierte ergänzende - parlamentarische oder exekutivische - Landesrechtsnormen auffordert, wo ein Innovationswettbewerb auf der Suche nach alternativen Lösungen dazu einlädt 152 .
Kloepfer, Abfallrecht (Fn. 52), S. 24. Vgl. schon oben bei Fn. 10 ff. und Fn. 35 ff. 150 Vgl. am Beispiel der Geruchsimmissions-Richtlinie Koch (Fn. 37), Immissionsschutz 2 (1997), S. 8 f. 151 Kloepfer, Abfallrecht (Fn. 52), S. 24, unter Hinweis auf die fakultative Möglichkeit des Landesgesetzgebers zur Einschaltung eines externen Konfliktmittlers in § 89 UGB-KomE; allg. mit derselben Tendenz Bauer, Zustand (Fn. 4), Abschnitt C. III.; Berfit, Perspektiven (Fn. 125), S. 85 f. 152 Insoweit gleichsinnig Schuppert, Verwaltungswissenschaft (Fn. 87), S. 950; A. Benz, Dezentralisierung und Demokratie - Anmerkungen zur Aufgabenverteilung im Bundesstaat, in: Männle (Hrsg.), Föderalismus (Fn. 103), S. 21 ff. (26 ff.). 148
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Die fehlenden Aktivitäten der Länder zur Rückholung von Regelungen auf die Landesebene nach Art. 72 III GG zeigen freilich eine nur geringe praktische Bedeutung eines theoretisch denkbaren immissionsschutzrechtlichen Innovationswettbewerbs an. Es fällt in der Tat schwer, sinnvolle praktische Anwendungsfälle einer Dezentralisierung des Immissionsschutzrechts zu finden, die nicht jetzt schon im geltenden Bundesrecht regional spezifiziert gelöst werden könnten, zumal wenn man mit dem BVerfG 153 gegenläufige Rechtsentwicklungen vorschnell als verfassungswidrigen Widerspruch innerhalb der Rechtsordnung qualifizieren müsste. Das Immissionsschutzrecht dürfte kaum zu den Hauptspielfeldern eines föderalen Rechtsetzungswettbewerbs gehören.
IV. Bilanz und Ausblick In einer Gesamtbilanz scheinen mir vier Grundthesen hervorhebenswert: I. Speziell das Immissionsschutzrecht eignet sich nur sehr bedingt zur Dezentralisierung oder "Föderalisierung". 2. Unterhalb des Bundesrechts und im Rahmen des Bundesrechts existieren Möglichkeiten, sachbereichsspezifisch den Ländern einen begrenzten Innovationswettbewerb bei der Rechtsetzung und beim Gesetzesvollzug zu überlassen. 3. Verfassungsänderungen im Blick auf den Immissionsschutz sind eher ungeeignet, den Immissionsschutz im Bundesstaat zu verbessern oder den Bundesstaat als Umweltstaat zu stärken. 4. Geboten ist allgemein und immissionsschutzspezifisch die Entfaltung einer Föderalismuspolitik der Länder, die im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren des Bundes darauf achtet, durch bundesgesetzliehe Regelungen föderale Vielfalt dort zu ermöglichen, wo Öffnungsklauseln zur Stärkung des Bundesstaates durch Rechtssetzungswettbewerb der Länder führen können.
153 BVerfGE 98, 106 (118 f.); krit u.a. C. Bumke, Gesetzgebungskompetenz unter bundesstaatlichem Kohärenzzwang?, ZG 14 (1999), S. 376 ff.
3. Bodenschutz und Föderalismus
Bodenschutz und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft Von Birgit Spießhofer
I. Einführung Im Recht des Bodenschutzes gibt es in föderaler Hinsicht ein entscheidendes Datum, das Inkrafttreten des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG)I sowie der Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV)? Der sich aus dem Bauplanungs-, Raumordnungs- und Naturschutzrecht ergebende Bodenschutz soll, da für die Wirtschaft nicht von primärer Bedeutung, hier außer Betracht bleiben. 3 Das Bundesbodenschutzgesetz sollte die lange beklagte Rechtszersplitterung 4 beseitigen und, ausweislieh der Gesetzesbegründung, den Investoren und der Sanierungsbranche Rechtssicherheit für ihre überregionale wirtschaftliche Betätigung geben und Risiken kalkulierbar machen. 5 Die Wirtschaft liest in der Gesetzesbegründung mit Wohlwollen Sätze wie: "Einheitliches Sanierungs verfahren und Standards sind zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse geboten. Denn die unterschiedlichen Maßstäbe, die z. Zt. von den Ländern bei der Sanierung von schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten angewandt werden (es sind ca. 30 verschiedene Listen wie die ,HollandListe', die ,Eickmann-Kloke-Liste', die ,Brandenburger Liste' u.a. in Anwendung)6, führen zu Wettbewerbsverzerrungen, die sich insbesondere bei der Neuansiedlung von Industrieanlagen und bei der Erweiterung bestehen1 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten vom 17. März 1998, BGBI. I S. 502. 2 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung vom 12. Juli 1999, BGBI. I S. 1554; siehe Fehlau/Hilger/König, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000; Schmidt-Ränsch/Sanden, NuR 1999, 555 ff.; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 420 ff.; Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000. 3 Vgl. § 3 BBodSchG sowie Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht 2000, § 26 Rn. 13 ff.; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/58 ff.; Kloepfer, Umweltrecht 1998, § 12 Rn. 62. 4 Kloepfer, Umweltrecht 1998, § 12 Rn. I, 3; ders. Umweltrecht 1989, § 14 Rn. 2; BMU, UGB-KomE, S. 971. 5 BT-Drs. 13/6701. 6 Sandner, NJW 2000, 2542.
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der Anlagen sachfremd auf die Entscheidungen der Unternehmen auswirken.,,7 An anderer Stelle heißt es: "Durch die Festlegung der bundeseinheitlichen Bodenwerte werden behördliche Unsicherheiten beseitigt, die Dauer des Verwaltungsverfahrens wird verkürzt und der Vollzug vereinfacht."g Die darin zum Ausdruck kommenden Postulate der Berechenbarkeit, Rechtseinheitlichkeit, Rechtssicherheit und Optimierung und Effektuierung der Verfahren reflektieren die Bedürfnisse der Wirtschaft. 9 Es muss allerdings die Frage gestellt werden, ob der Gesetzgeber im Rahmen des Bundesbodenschutzgesetzes und der Bundesbodenschutzverordnung lO diesen Postulaten wirklich gerecht geworden ist. 1. Bestimmung des Blickwinkels der Wirtschaft
Bei der Betrachtung aus der Sicht "der Wirtschaft" ist zu berücksichtigen, dass "die Wirtschaft" kein einheitliches Gebilde ist, sondern sich je nach Branche unterschiedliche Blickwinkel ergeben können. Vom Thema Bodenschutz bzw. Verantwortlichkeit für den Boden sind neben dem produzierenden Gewerbe insbesondere die Versicherungswirtschaft, Banken und die mit den Sanierungen befassten Unternehmen berührt. 11 Für das produzierende Gewerbe werden die vorgenannten Postulate bei der Industrieansiedlung wie auch beim laufenden Betrieb, insbesondere im Zusammenhang mit Sanierungsverfahren relevant; 12 von eminenter Bedeutung sind sie im sog. Transaktionsgeschäft, 13 d. h. bei Privatisierungen, Unternehmenskäufen und Börsengängen. Die Kalkulierbarkeit der Existenz und des Ausmaßes von Umweltrisiken - und damit von Altlasten - spielt insbesondere bei der sog. "Due Diligence", d. h. bei der Ermittlung des Zustandes von Unternehmen und ihrer Evaluierung, sowie bei den Vertragsverhandlungen oder bei der Erstellung von Börsenprospekten eine entscheidende Rolle. 14 Die Versicherungswirtschaft hat im Rahmen von Gewässerschadenshaftpflichtversicherungen oder Umwelthaftpflichtversicherungen, 15 die Rolle BT-Ors. 13/6701. BT-Ors. 13/6701. 9 Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis 2000, Rn. 35 ff. 10 Hierzu speziell Sandner, NJW 2000, 2542 ff. 11 Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis 2000. 12 Meißner, ZflR 1999,407. 13 Becker, OVB1 2000, 595; Giesberts/Frank, OB 2000, 505. 14 Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis 2000, Rn. 1340 ff. IS Zur Umwelthaftung: Kloepfer, Umweltrecht 1998, § 6 Rn. 54 ff.; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht 2000, § 12 Rn. 41 ff.; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht 2000, Rn. 2/61; 3/46 ff. 7
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des Finanziers von Altlastensanierungsverfahren übernommen und ist in dieser Eigenschaft an der Transparenz, Effektivität und Kalkulierbarkeit der Kosten von Altlastensanierungen interessiert. Der Bankenbereich benötigt Rechtssicherheit bei der Wertermittlung von Grundstücken und der Besicherung von Krediten durch Hypotheken. 16 Der im US-amerikanischen Raum vieldiskutierte Aspekt der "Lender Liability", d. h. der Verantwortlichkeit von Banken, die insbesondere im Zusammenhang mit Kreditvergaben auf das umweltrelevante Management von Unternehmen maßgeblichen Einfluss nehmen, scheint, bislang jedenfalls, in Deutschland keine Rolle zu spielen. Das Sanierungsgewerbe adressiert die Gesetzesbegründung selbst wie folgt: "Nur mit einem effizienten bundeseinheitlichen Altlastenmanagement gelingt es [... ], das in Deutschland verfügbare Sanierungs-Know-how in wettbewerbsfähige Arbeitsplätze umzusetzen. Der Exportartikel ,Sanierungstechnik und -beratung' braucht im internationalen Wettbewerb verläßliche einheitliche Rahmenbedingungen. ,,17 Mit zunehmender Konzernierung der Wirtschaft in Deutschland spielt auch die Frage einer Einstandspflicht von Konzernobergesellschaften für Sanierungspflichten ihrer Tochtergesellschaften, d. h. der "Konzerndurchgriff' eine wichtige Rolle. 18 Dies gilt insbesondere auch für die Frage, inwieweit eine Muttergesellschaft bilanzielle Rückstellungen bilden muss, weil sie für Altlasten der Töchter verantwortlich iSt. 19
2. Fokussierung der Fragestellung Aus der Sicht der "Wirtschaft" stellt sich insbesondere die Frage, wer für eine Altlastensanierung verantwortlich ist, unter welchen Voraussetzungen eine Inanspruchnahme erfolgen kann und wie weit die Verantwortlichkeit reicht. 20 Zusätzlich ist zu fragen, ob die verfahrensrechtlichen Strukturen aus der Sicht der Wirtschaft als optimal bezeichnet werden können. In Bezug auf das Maß der Sanierung ist zu untersuchen, ob es eine "Opfer16 Eilers/Geisler, BB 1998, 2411; LwowskilTetzlaff, WM 2001, 385 ff., 437 ff.; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis 2000. 17 BT-Drs. 13/6701. 18 Hierzu insbesondere Schmitz-Rode/Bank, DB 1999, 417 ff.; Marburger/Nolte, in: Jahrbuch des UmweJt- und Technikrechts 2000, 229 ff.; Schwartmann, DStR 1999, 324 ff.; Turiaux/Nigge, BB 1999, 377 ff. 19 Eilers/Geisler, BB 1998, 2411; Lwowski/Tetzlaff, WM 200 1, 385 ff., 437 ff.; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis 2000, Rn. 746 ff. 20 Becker, DVB1 1999, 124; Bickel, NJW 2000, 2562; Erbguth/Stollmann, NuR 2000, 127; Hasche, DVBI 2000, 91; Kobes, NVwZ 1998, 768; Kothe, UPR 1999, 96; Spieth/Woljers, NVwZ 1999,355; Vierhaus, NJW 1998, 1262.
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grenze" der Wirtschaft gibt, durch die die Sanierungspflicht begrenzt werden kann. 21 Auf der Sekundärebene ist nach Ausgleichsansprüchen unter mehreren verantwortlichen Unternehmen zu fragen?2 In Bezug auf Unternehmenstransaktionen wird die Frage virulent, ob gewonnene Erkenntnisse zur boden- (und grundwasser-)relevanten Risikosituation den Behörden offenbart werden müssen.
3. KompetenzrechtIiche Grundlagen im Bodenschutz Bevor diese Fragestellungen beantwortet werden können, ist ein kurzer Blick auf die gegenwärtige Föderalismuslandschaft im Bodenschutz zu werfen. Dabei stellen sich aus der Sicht der Wirtschaft weniger die Fragen nach den rechtsdogmatischen Hintergründen, als vielmehr nach den Rechtsfolgen und Konsequenzen der Regelungsstruktur. Das Bundesbodenschutzgesetz wurde auf der Basis konkurrierender Gesetzgebungskompetenz insbesondere nach Art. 72 i. V. m. Art. 74 Nr. 11 und Nr. 18 GG erlassen. 23 Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz behalten die Länder nach Art. 70, 72 GG ihre Regelungsbefugnis insoweit, als der Bundesgesetzgeber seine Kompetenz nicht ausgeschöpft hat. 24 Es stellt sich daher die Frage, inwieweit der Bund im Rahmen des Bundesbodenschutzgesetzes erschöpfende und abschließende Regelungen getroffen hat, die eine entsprechende Ländergesetzgebung ausschließen. 25 Diese Frage ist differenziert zu beantworten. Teilweise weist das Bundesbodenschutzgesetz den Ländern ausdrücklich einen Gestaltungsspielraum zu, insbesondere in verfahrensrechtlicher Hinsicht (§§ 21, 18, 17, 9 Abs. 2 BBodSchG) und bei der Regelung des Wertausgleichs (§ 10 Abs. 2 BBodSchG).26 Jenseits der ausdrücklich eingeräumten Landeskompetenzen stellt sich die Frage, inwieweit die Regelungen des BBodSchG abschließend sind bzw. noch Regelungsspielräume für den Landesgesetzgeber bestehen?7 21 Hierzu BVerfG, NJW 2000, 2573; vgl. Anmerkungen von Müggenborg, NVwZ 2001,39 ff.; Mohr, NVwZ 2001, 540. 22 Pützenbacher, NJW 1999, 1137 ff.; Frenz, DB 2000, 2461 ff.; Schlette, VerwArch 2000, 41 ff. 23 Im Einzelnen: Kloepfer, Umweltrecht 1998, § 12 Rn. 15-18; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/53 ff.; Frenz, BBodSchG 2000, § 1 Rn. 17 ff.; Peine, NVwZ 1999, 1165 ff.; siehe auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 13/ 6701. 24 BVerfGE 67, 299 ff., 324; Peine, NVwZ 1999, 1165 ff. 25 Becker, BBodSchG, § 21 Rn. 1 ff.; Frenz, BBodSchG 2000, § 1 Rn. 17 ff. 26 Vgl. zu den Normen im Einzelnen die maßgeblichen Kommentare, beispielsweise Frenz, BBodSchG 2000; Sanden/Schoeneck, BBodSchG 1998; Bickel, Bundesbodenschutzgesetz 1999.
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Die Länder28 Bayern29 , Niedersachsen 30 und Nordrhein-Westfalen 31 haben auf das BBodSchG reagiert, indem sie Ausführungsgesetze erlassen haben. Sachsen32 und Thüringen 33 haben ihre bereits vorher geltenden Landesgesetze an die durch das BBodSchG veränderte Rechtslage angepaßt. Landesrechtliche Bestimmungen zum Bodenschutz und zu Altlasten existierten auch in den übrigen Bundesländern bereits vor Inkrafttreten des BBodSchG. So hatten Baden-Württemberg 34 und Berlin 35 ein spezielles Bodenschutzgesetz erlassen. In Hessen 36 , Mecklenburg-Vorpommern 37 und Rheinland-Pfalz 38 galten spezielle Altlastengesetze und in Brandenburg 39 , Bremen40 , Saarland41 und Sachsen-Anhalt42 waren Altlastenregelungen im Abfallrecht integriert. Nur in Hamburg 43 und Schleswig-Holstein44 fehlen bodenschutzspezifische Regelungen nach wie vor. Die ländergesetzlichen Regelungen, die aus der Zeit vor Inkrafttreten des BBodSchG stammen, enthalten regelmäßig materiell-rechtliche RegelunBecker, BBodSchG, § 21 Rn. 1; Frenz, BBodSchG 2000, § 21 Rn. 1 ff. Gesamtüberblick bei Freisburger, UPR 1999, 381 ff. 29 Bayerisches Bodenschutzgesetz, vom 23.2.1999, GVBI. S. 36. 30 Niedersächsisches Bodenschutzgesetz, vom 19.2.1999, GVBI. S. 46. 31 Gesetz zur Ausführung und Ergänzung des BBodSchG in Nordrhein-Westfa1en, GVBI. S. 439. 32 Sächsisches Abfallwirtschafts- und Bodenschutzgesetz, i. d. F. d. Bek. vom 31.5. 1999, GVBI. S. 261. 33 Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz, i. d. F. d. Bek. vom 15.6. 1999, GVBI. S. 385. 34 Baden-Württembergisches Gesetz zum Schutz des Bodens, vom 24.6.1991, GVBI. S. 434. 35 Berliner Bodenschutzgesetz, vom 10.10.1995, GVBI. S. 646; hierzu Körner/ Vierhaus, LKV 1996,345. 36 Hessisches Altlastengesetz, vom 20.12.1994, GVBI. I S. 764, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.7.1997, GVBI. I S. 232; hierzu Knopp, BB 1996,389 ff. 37 Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz für Mecklenburg-Vorpommem, vom 15.1.1997, GVBI. S. 43. 38 Landesabfallwirtschafts- und Altlastengesetz Rheinland-Pfalz, vom 2.4.1998, GVBI. S. 325. 39 §§ 29 ff. Brandenburgisches Abfallgesetz, vom 6.6.1997, GVBI. S. 40. 40 §§ 15c ff. Bremisches Ausführungsgesetz zum KrW-/AbfG, vom 23.11.1998, GVBI. S. 289. 41 §§ 34 ff. Saarländisches Abfallwirtschaftsgesetz, vom 26.11.1997, GVBI. S. 1325. 42 §§ 27 ff. Abfallgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, vom 10.3.1998, GVBI. S. 112. 43 Keine Regelung im Hamburgischen Abfallgesetz, vom 1.12.1992, GVBI. S.251. 44 Keine Regelung im Abfallwirtschaftsgesetz für das Land Schieswig-Holstein, i.d.F. d. Bek. vom 18.1.1999, GVBI. S. 27. 27
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gen. 45 Sie weichen teilweise in Systematik und Terminologie, aber auch in den inhaltlichen Anforderungen, vom BBodSchG ab, so dass sich die Frage ihrer Wirksamkeit nach Inkrafttreten des BBodSchG stellt. 46 Mit dem Gebrauchmachen von der Gesetzgebungskompetenz durch den Bund ist grundsätzlich die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG eingetreten. 47 Den landesrechtlichen Regelungen ist damit - soweit sie nicht den Ländern überlassene Regelungsgegenstände betreffen - nachträglich die Gesetzgebungskompetenz entzogen worden. Die Bestimmungen sind somit nichtig. 48 Inwieweit zusätzlich auf Art. 31 GG abgestellt werden muss, kann hier dahinstehen. 49
11. Zentrale Fragestellungen aus der Sicht der Wirtschaft Wie sind nun die vorgenannten, für die Wirtschaft zentralen Fragen zu beantworten, insbesondere, welche Veränderungen haben sich durch die Bundesbodenschutzregelungen hinsichtlich des föderalistischen Gefüges ergeben und wie sind diese aus der Sicht der Wirtschaft zu bewerten? 1. Wer ist verantwortlich?
a) Grundlagen vor InkraJttreten des BBodSchG
Vor Inkrafttreten des Bundesbodenschutzgesetzes orientierten sich die Ländergesetze hinsichtlich der Haftungsbegründung im Kern an den polizeirechtlichen Kategorien des Verhaltens- und des Zustandsstörers. 5o Allerdings hatten einzelne Länder begonnen, die Haftung für Bodenverunreinigungen auszuweiten. So regelte bspw. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Hessisches Altlastengesetz51 , dass zur Durchführung der Sanierung von Altlasten auch 45 Überblick bei Freisburger, UPR 1999, 381 ff.; Frenz, BBodSchG 2000, § 21 Rn. 21 ff. 46 Zum Zeitpunkt Sanden/Schoeneck, BBodSchG 1998, § 21 Rn. 2. 47 BVerfGE 67, 299 ff., 324; Peine, NVwZ 1999, 1165 ff. 48 Jarass/Pieroth, GG 2000, Art. 72 Rn. 5; Degenhart in: Sachs, GG 1999, Art. 72 Rn. 30; v. Münch/Kunig, GG 1996, Art. 72 Rn. 10; Peine, NVwZ 1999, 1165 ff., 1166. 49 Sanden/Schoeneck, BBodSchG 1998, § 21 Rn. 3; a.A. Bickel, NVwZ 2000, 1133 ff., 1134; Kobes, NVwZ 1998, 768 ff., 787. 50 Kloepfer, Umweltrecht 1998, § 12 Rn. 67; Frenz, BBodSchG 2000, § 4 m Rn.5. 51 Hessisches Altlastengesetz, vom 20.12.1994, GVBI. I S. 764, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. 7. 1997, GVBI. I S. 232.
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Betreiber von Anlagen sowie ehemalige Betreiber und deren Rechtsnachfolge~2 verpflichtet sein sollen, soweit die Verunreinigungen durch diese Anlagen verursacht worden sind; nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Hessisches Altlastengesetz sollten auch solche Personen verantwortlich sein, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften eine Verantwortung für die Verunreinigungen oder für hiervon ausgehende Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit treffe. Vorgesehen wurden auch Entlastungen für Eigentümer, wenn sie das kontaminierte Grundstück "gutgläubig" erworben oder besessen hatten. 53 b) Sanierungspjlichtige nach dem BBodSchG Der Aspekt der Sanierungsverantwortlichkeit besitzt in der Praxis immense Bedeutung, so dass die konzeptionellen Neuregelungen auf der Bundesebene besondere Aufmerksamkeit verdienen. 54 Das Bundesbodenschutzgesetz knüpft in § 4 Abs. 2 BBodSchG an die frühere polizeirechtliche Zustandsverantwortung an. In § 4 Abs. 3 BBodSchG wird die Verantwortlichkeit des Verursachers schädlicher Bodenveränderungen sowie dessen Gesamtrechtsnachfolgers entsprechend der Kategorie des "Verhaltensstörers" und der hierzu ergangenen Rechtsprechung, insbesondere auch zur Rechtsnachfolge, aufgegriffen. 55 Das Bundesbodenschutzgesetz verschärft jedoch die Haftung für Unternehmen in zwei Richtungen: zum einen wird in § 4 Abs. 3 S. 4 BBodSchG eine "Durchgriffshaftung" für Konzernobergesellschaften geregelt;56 zum anderen wird eine Nachhaftung für frühere Eigentümer eines Grundstücks eingeführt. 57
52 Hierzu speziell: v. MutiuslNolte, DÖV 2000, I; Nolte, NVwZ 2000, 1135; Theuer, OB 1999,621; Doerfert, VR 1999,229 ff., 231. 53 § 12 Abs. 1 Nr. 5, 6 Hessisches Altlastengesetz. 54 Becker, OVBI 1999, 124; Bickel, NJW 2000, 2562; ErbguthlStollmann, NuR 2000, 127; Hasche, DVBI 2000, 91; Kobes, NVwZ 1998,768; Kothe, UPR 1999, 96; Spieth/Woljers, NVwZ 1999,355; Vierhaus, NJW 1998, 1262. 55 Zu den Einzelheiten des Störerbegriffs und der Unmittelbarkeit siehe Kloepfer, Umweltrecht 1998, § 12 Rn. 67; BenderlSparwasserlEngel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/190 ff.; Hoppe/BeckmannIKauch, Umweltrecht 2000, § 27 Rn. 63; Becker, BBodSchG, § 4 Rn. 17 ff.; Frenz, BBodSchG 2000, § 4 III Rn. 4 ff.; vgl. zum Zustandsstörer SchlabachlHeck, VBIBW 1999,406 ff., 410. 56 Hierzu insbesondere Schmitz-RodeIBank, OB 1999,417 ff.; MarburgerlNolte, in: Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2000, 229 ff.; Schwartmann, OStR 1999, 324 ff.; TuriauxlNigge, BB 1999, 377 ff. 57 Müggenborg, NVwZ 2000, 50 ff.; Knopp, DVBI 1999, 1010 ff., 1012; Frenz, BBodSchG 2000, § 4 VI Rn. 4; BenderlSparwasseriEngel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/226; SandenlSchoeneck, BBodSchG 1998, § 4 Rn. 49; Kobes, NVwZ 1998, 786 ff., 790; Kohls, ZUR 200 1, 183 ff.
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aa) Durchgriffsverantwortlichkeit Nach § 4 Abs. 3 S. 4 Hs. 1 BBodSchG ist sanierungspflichtig, wer aus handels- oder gesellschaftsrechtlichem Grund für eine juristische Person einzustehen hat, der ein sanierungsbedürftiges Grundstück gehört. 58 Die Durchgriffsverantwortlichkeit ist allein nach zivilrechtlichen Maßstäben zu ermitteln, die Rechtsfolge dagegen eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Altlastensanierung. 59 Im Ergebnis sollte ein Gleichlauf der gesellschaftsrechtlichen und ordnungsrechtlichen Rechtsfolge erreicht werden. 6o Diese Vorschrift schafft damit einen weiteren Sanierungspflichtigen, ohne die zustands verantwortliche juristische Person aus der Haftung zu entlassen. 61 Eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen soll an dieser Stelle unterbleiben, da sie für die Föderalismusdiskussion nicht von Bedeutung ist. 62 bb) Nachhaftung Das gleiche gilt für die neu eingeführte Nachhaftung des früheren Eigentümers. 63 Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG ist auch der frühere Eigentümer eines Grundstücks zur Sanierung verpflichtet, wenn das Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen wurde, eine Altlast oder schädliche Bodenveränderung vorlag und der Übertragende dies kannte oder kennen musste, es sei denn, er hat beim Erwerb schutzwürdig darauf vertraut, Altlasten seien nicht vorhanden. Mit der Anknüpfung an die Kenntnis und das schutzwürdige Vertrauen wird die ursprünglich an objektiven Kriterien orientierte polizeirechtliche Anknüpfung der Verantwortlichkeit um - im Einzelfall nicht unproblematische - subjektive Elemente angereichert. 64 Diese Vorschrift ist insbesondere bei Untemehmenstransaktionen von Bedeutung, galt Vgl. Nachweise in Fn. 56. Frenz. BBodSchG 2000, § 4 III Rn. 72 spricht von der "zivilrechtlichen Einbruchsstelle" . 60 Giesberts. in: Fluck, KrW-/Abf-/BodSchR, Band 2, (Loseblatt, Stand 10.2000), § 4 Rn. 39; Sanden/Schoeneck. BBodSchG 1998, § 4 Rn. 39. 61 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut "auch"; vgl. Frenz. BBodSchG 2000, § 4 III Rn. 108. 62 V gl. im Einzelnen Nachweise zu Fn. 56 sowie die umfassende Kommentarliteratur. 63 Müggenborg. NVwZ 2000, 50 ff.; Knopp. DVBI 1999, tolO ff., 1012; Frenz. BBodSchG 2000, § 4 VI Rn. 4; Bender/Sparwasser/Engel. Umweltrecht 2000, Rn. 71226; Sanden/Schoeneck. BBodSchG 1998, § 4 Rn. 49; Kobes. NVwZ 1998, 786 ff., 790; Kohls. ZUR 2001, 183 ff. 64 Bickel. BBodSchG 1999, § 4 Rn. 29; Becker. BBodSchG, § 4 Rn. 68; Vierhaus, NJW 1998, 1262 ff., 1268. 58
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doch bislang grundsätzlich, dass die Zustandsverantwortlichkeit mit der Veräußerung des Grundstücks endete. 65 Die Rechtsprechung versuchte zwar missbräuchliche Gestaltungen über § 138 Abs. 1 BGB zu erfassen;66 die hierdurch begründete Nachhaftung war jedoch wesentlich enger als die nun nach § 4 Abs. 6 BBodSchG geltende Regelung. 67 Misslich ist aus der Sicht der Wirtschaft, dass keine weiteren Kriterien für das "Kennenmüssen" und die "Schutzwürdigkeit" des Vertrauens gegeben werden. 68 Hier wäre es hilfreich gewesen, wenn sich der Bundesgesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mit den US-amerikanischen Erfahrungen zur sog. "Innocent Landowner Defense,,69 näher auseinandergesetzt hätte. Anhand der zur amerikanischen Rechtslage ergangenen Rechtsprechung und der gesetzgeberischen Nachbesserungen hätte der bundesdeutsche Gesetzgeber erkennen können, dass die Regelung in § 4 Abs. 6 BBodSchG Anlass zu einer Fülle von Rechtsfragen gibt, deren Lösung nunmehr - ebenso wie zunächst in den USA - der Rechtsprechung überantwortet wird. Hier wäre es aus der Sicht der Wirtschaft wünschenswert gewesen, wenn der Bundesgesetzgeber die sich mutatis mutandis auch im deutschen Rechtskontext stellenden Fragen aufgegriffen und bereits im Bundesbodenschutzgesetz einer sachgerechten Lösung zugeführt hätte. Durch die in ihren Voraussetzungen nicht näher spezifizierte Nachhaftung hat der Bundesgesetzgeber erhebliche Rechtsunsicherheit geschaffen, die für die Wirtschaft gegenüber dem früheren Rechtszustand eine Verschlechterung darstellt. 7o Dies gilt um so mehr, als sich die Bundesbodenschutzverordnung mit dieser Thematik nicht befasst und die Länder von einer weiteren Befassung mit diesen haftungsbegründenden Tatbeständen nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht vom 16. Mai 200071 ausgeschlossen sind. 65 Frenz, BBodSchG 2000, § 4 VI Rn. I; BenderlSparwasserlEngel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/224; LandellFogglWüterich, BBodSchG 2000, § 4 Rn. 175. 66 VGH Mannheim, UPR 1998, 397 f. 67 Vgl. diesbezüglich auch den Streit über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit: Knopp, DVBI 1999, 1010 ff., 1012; Frenz, BBodSchG 2000, § 4 VI Rn. 4; Benderl SparwasserlEngel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/226; SandenlSchoeneck, BBodSchG 1998, § 4 Rn. 49; Kobes, NVwZ 1998, 786 ff., 790; Müggenborg, NVwZ 2000, 50 ff.; SpiethlWolfers, NVwZ 1999, 355 ff., 356. 68 Frenz, BBodSchG 2000, § 4 VI Rn. 13 ff.; Bickel, BBodSchG 1999, § 4 Rn. 29; Becker, BBodSchG, § 4 Rn. 68; Vierhaus, NJW 1998, 1262 ff., 1268. 69 § 101 (35) des Comprehensive Environmental Response, Compensation, and Liability Act (CERCLA) 70 Vgl. die jeweils unterschiedlichen Interpretationen durch Frenz, BBodSchG 2000, § 4 VI Rn. 13 ff.; Bickel, BBodSchG 1999, § 4 Rn. 29; Becker, BBodSchG, § 4 Rn. 68; Vierhaus, NJW 1998, 1262 ff., 1268. 71 BVerwG, NVwZ 2000, 1179.
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cc) Verbleibende Regelungskompetenz im Landesrecht? Das Bundesverwaltungsgericht hat in der genannten Entscheidung festgehalten, dass nunmehr das Bundesbodenschutzgesetz bundeseinheitlich Fragen der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit für Bodenverunreinigungen regelt, so dass es insoweit keines Rückgriffs auf allgemeines Landesordnungsrecht oder das Abfallrecht bedarf. Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies mit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Bodenrecht nach Art. 72 Abs. 1 i. V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und 18 GG. Danach behält der Landesgesetzgeber seine Befugnis (nur) insoweit, als nicht der Bund von der ihm verliehenen Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Ein Gebrauchmachen i. S. d. Vorschrift kann - über den Fall der ausdrücklichen Regelung hinaus - auch in dem absichtsvollen Unterlassen einer Regelung liegen, das mit der gleichen Sperrwirkung für die Länder wie in den Fällen der ausdrücklichen Regelung verbunden ist. 72 Mithin darf sich ein Landesgesetzgeber zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, selbst dann nicht durch den Erlass landesrechtlicher Regeln oder durch ein Festhalten an solchen in Widerspruch setzen, wenn er das Bundesgesetz wegen des Fehlens einer entsprechenden Regelung für unzureichend hält. Die Frage, ob und inwieweit der Bund von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht habe, könne im einzelnen schwer zu entscheiden sein. Die Antwort ergebe sich in erster Linie aus dem Bundesgesetz selbst, in zweiter Linie aus dem hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien. Ob der Bund von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht habe, müsse aufgrund einer Gesamtwürdigung des betreffenden Nonnenkomplexes festgestellt werden, wobei eine Sperrwirkung für die Länder in jedem Falle voraussetze, dass der Gebrauch der Kompetenz durch den Bund hinreichend erkennbar sei. 73 Das Bundesverwaltungsgericht sieht die Voraussetzungen im Hinblick auf die Frage des Kreises der bodenrechtlich Verantwortlichen als erfüllt an. 74 § 4 BBodSchG regele diesen Fragenkreis abschließend und verdränge damit entsprechende landesrechtliche Regelungen bzw. schließe diesbezügliche Regelungen für die Zukunft aus. Dies wird ausdrücklich auch für die Durchgriffshaftung nach § 4 Abs. 3 S. 4 BBodSchG festgestellt. Die Vorschrift des § 21 Abs. 1 BBodSchG, die den Ländern ausdrücklich be72 BVerwG, NVwZ 2000, 1179 ff., 1181; BVerfGE 98, 265 ff., 300 f.; Becker, BBodSchG, § 21 Rn. I; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/59; Peine, NVwZ 1999, 1165 ff., 1166. 73 Ebenda. 74 BVerwG, NVwZ 2000, 1179 ff., ll81.
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stimmte Kompetenzen zuweist, wird als Bestätigung des abschließenden Charakters von § 4 BBodSchG gewertet. 75 c) Fazit
Dies bedeutet, dass nach Inkrafttreten des § 4 BBodSchG die Frage "Wer ist verantwortlich?" bundeseinheitlich abschließend geregelt ist. Für ergänzende, die Tatbestandsmerkmale näher spezifizierende Länderregelungen bleibt kein Raum. Die Freude der Wirtschaft an dieser Rechtsvereinheitlichung ist insofern nicht ungetrübt, als die bundesrechtliche Regelung zu einer nicht unwesentlichen Haftungsverschärfung hinsichtlich Konzerndurchgriff und Nachhaftung geführt hat, deren Voraussetzungen jedoch teilweise so unbestimmt sind, dass sie neue Rechtsunsicherheit geschaffen haben. Die Unbestimmtheit der bundesgesetzlichen Regelung gibt Raum für eine Föderalisierung anderer Art - eine unterschiedliche Rechtsanwendung seitens der jeweils zuständigen Landesbehörden und der Gerichte.
2. Voraussetzungen und Reichweite der Verantwortlichkeit a) Bedeutung von Bodenwerten
Vor Inkrafttreten des Bundesbodenschutzgesetzes war die in der Gesetzesbegründung dargestellte Rechtszersplitterung in der Tat gegeben. 76 Die Behörden suchten Leitlinien für die Bestimmung der Gefahren- und damit der Eingriffsschwelle und Kriterien für die Bestimmung von Sanierungszielen. Die Praxis hielt sich an den Listen, teilweise auch nur an Entwürfen von Listen fest und wandte diese wie Gesetze an, obwohl auch unter Geltung des alten Eingriffsrechts immer eine Einzelfallbetrachtung geboten war. 77 Überlagert wurde diese Situation durch ein West-Ost-Gefälle der Sanierungsstandards, das maßgeblich dadurch hervorgerufen wurde, dass die bundeseigene Treuhandanstalt, später Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, im Rahmen von Privatisierungsverträgen umfangreiche Zusagen zur Übernahme von Altlastensanierungsaufwendungen getätigt hatte bzw. die Länder im Rahmen von Freistellungsbescheiden nach dem Umweltrahmengesetz78 die Übernahme von Sanierungsaufwand zugesagt 75 Frenz, BBodSchG 2000, § 21 Rn. I; Sanden/Schoeneck, BBodSchG 1998, § 21 Rn. 1 ff.; kritisch insoweit Bickel, NVwZ 2000, 1133. 76 Fehlau/HilgerlKönig, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000, Einf. Rn. 3; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 535. 77 Sandner, NJW 2000, 2542; Fehlau/HilgerlKönig, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000, Einf. Rn. 3.
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hatten, den sie nach dem Verwaltungsabkommen Bund/Länder teilweise selbst zu tragen hatten, teilweise wurde er vom Bund erstattet. Im Rahmen der Freistellung waren die Länder mithin auf zwei Seiten beteiligt: zum einen als sanierungsanordnende Behörden, zum anderen als Kostenträger. Der Bund übte über die Abstimmungsprozesse nach dem Verwaltungsabkommen ebenfalls Einfluss dahingehend aus, den Sanierungsaufwand in vertretbarem Rahmen zu halten. Die Treuhandanstalt entwickelte eine eigenständige restriktive Altlastensanierungsmethodik, die für den Bereich der Neuen Bundesländer systembildende und die Verwaltungspraxis prägende Kraft hatte. Es wurde daher zu Recht moniert, dass die Sanierungsstandards in den Fällen, in denen die Finanzierungskraft der Privatwirtschaft zur Verfügung stand, deutlich höher ausfielen, als in Fällen, in denen die Treuhandanstalt/BvS oder die Neuen Bundesländer mit an der Finanzierung beteiligt waren. 79 Dass dieser Rechtszustand nicht zuträglich war, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Die Frage ist allerdings, ob das Bundesbodenschutzgesetz und die auf seiner Grundlage ergangene Bundesbodenschutzverordnung, dem gesetzgeberischen Postulat entsprechend, hier wirklich Abhilfe geschaffen haben. 8o Das Bundesbodenschutzgesetz ersetzt für die Anordnung von Erforschungs- und Sanierungsmaßnahmen die bisherigen landesrechtlichen Eingriffsbefugnisse. 81 Die Bodenschutzverordnung bewirkt eine Vereinheitlichung jedenfalls insoweit, als sie in ihrem Anhang I erschöpfend die Methoden der Beprobung und Bewertung von Kontaminationen regelt und damit gewährleistet, dass künftig bundesweit Kontaminationen nach einheitlichen technischen Kriterien ermittelt werden. 82 Hinsichtlich der rechtlich entscheidenden Fragen der Voraussetzungen und Reichweite einer Sanierung hat jedoch der Verordnungsgeber bislang den postulierten Anspruch nicht erfüllt. 83 78 Umweltrahmengesetz vom 29. Juni 1990, GBI. DDR I, S. 649; vgl. Kloepfer, Umweltrecht 1998, § 2 Rn. 90. 79 Pützenbacher, NJW 1999, 1137 ff., 1140; vgl. Kothe, UPR 1999, 96 ff., 97 mit einer Übersicht zu den Kriterien der Störerauswahl, die auch im Rahmen der Haftungsverteilung Anwendung finden könnten. 80 Vgl. zur Fragestellung auch Sandner, NJW 2000, 2542. 81 Frenz, BBodSchG 2000, § 9 Rn. 6; Sanden/Schoeneck, BBodSchG 1998, § 9 Rn. 1-3. 82 Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 537; Fehlau/Hilger/König, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000, S. 226 ff.; Sandner, NJW 2000, 2542 ff., 2543; Bickel, Bundesbodenschutzgesetz 1999, § 8 Rn. 4, der insoweit sogar vom wichtigsten Punkt der einschlägigen Verordnungsermächtigung des § 8 BBodSchG spricht. 83 Sandner, NJW 2000, 2542 ff., 2543; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 535.
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b) Prüf- und Maßnahmewerte Die Bundesbodenschutzverordnung sieht ein zweistufiges Verfahren bei der Sanierung von Altlasten vor, das in der Unterscheidung zwischen Prüfwerten und Maßnahmenwerten in Anhang 11 der Bundesbodenschutzverordnung Ausdruck findet: 84 bestehen Anhaltspunkte für die Kontamination eines Grundstücks und überschreiten erste, noch grobrastrige Messungen bestimmte Werte (die sog. Prüfwerte), liegt ein Gefahrenverdacht vor und der Verantwortliche kann zu weiteren detaillierten einzelfallbezogenen Untersuchungen verpflichtet werden. 85 Überschreiten die Ergebnisse dieser detaillierten Untersuchungen die sog. Maßnahmenwerte, ist i. d. R. die Sanierung geboten, die Schwelle zur Gefahr überschritten. Die Behörde kann dann vorbehaltlich der Besonderheiten des Einzelfalls - den Verantwortlichen die Sanierung aufgeben. 86 Nach der Systematik der Bundesbodenschutzverordnung entscheidet mithin der Maßnahmenwert (allein) über die Frage, ob eine Sanierungsverfügung ergehen kann. 87 Betrachtet man vor dem Hintergrund der Vielzahl von Substanzen, die bei Altlastensanierungen eine Rolle spielen können, die Festlegungen der Bundesbodenschutzverordnung, so ist das Ergebnis ernüchternd. 88 Für den - für die Wirtschaft kaum relevanten - Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze enthält die Bundesbodenschutzverordnung Maßnahmenwerte für derzeit neun Schadstoffe. Für den bei weitem bedeutsameren Wirkungspfad BodenMensch (direkter Kontakt) gibt es Maßnahmenwerte derzeit nur für Dioxine und Furane. Für den besonders praxisrelevanten Wirkungspfad BodenGrundwasser fehlen sie sogar vollständig. 89 Prüfwerte sind dagegen für eine Vielzahl von Schadstoffen festgesetzt, und zwar durchgängig bei allen drei geregelten Wirkungspfaden. 9o Allerdings löst das Überschreiten von Prüfwerten nur weiteren Untersuchungsbedarf aus, für die Wirtschaft entscheidend ist jedoch eine Leitlinie, wann 84 Fehlau/Hilger/König, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000, S. 279 ff.; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 425 ff. 85 §§ 9 i. V. m. 8 Abs. I S. 2 Nr. I BBodSchG. 86 §§ IO Abs. I i. V. m. 8 Abs. I S. 2 Nr. 2 BBodSchG. 87 Zur Systematik Fehlau/Hilger/König, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000, S. 279 ff.; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 425 ff., 429. 88 Überblick über die bodenrelevanten Substanzen bei Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/1 ff.; Ewers, in: Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000, 31 ff., 32. 89 Vgl. auch Sandner, NJW 2000, 2542 ff., 2544; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 452 ff. 90 Fehlau/Hilger/König, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000, S. 279 ff.
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jedenfalls im Regelfall - ein Überschreiten der Gefahrenschwelle und damit ein Sanierungsbedürfnis anzunehmen ist. 91 Selbst bei den Prüfwerten fehlen die in der Altlastenpraxis häufigen Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW), die chlorierten Kohlenwasserstoffe (CKW) sowie die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK).92 Dies ist um so bedauerlicher, als sich im Moment nicht abzeichnet, dass die Bundesbodenschutzverordnung insoweit wie auch hinsichtlich der Maßnahmenwerte in absehbarer Zeit signifikant ergänzt werden wird. 93 Auf dem Hintergrund der bisherigen Behördenpraxis, die ein dringendes Bedürfnis nach Leitlinien zum Ausdruck brachte, ist diese Unterlassung unverständlich. 94 Ein Verweis darauf, die Praxis wolle derzeit gar keine verbindlichen Grenzwerte ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. 95 Auch der Vortrag, es gäbe derzeit noch keine gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gefährlichkeit der betreffenden Schadstoffe, die für die Festsetzung von Maßnahmen werten ausreichen würden, überzeugt nicht. 96 Bereits vor Inkrafttreten der BBodSchV wurden in über 30 Listen Eingreifwerte festgelegt. 97 Auch diese Werte, die im Einzelfall sicher hinterfragungswürdig sein mögen, hätten einen Ansatzpunkt für eine Harmonisierung geboten. Da derartige Werte immer von einem politischdezisionistischen Moment geprägt sind und vorbehaltlich besserer naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse festgelegt werden, wie auch Parallelen zur TA-Luft und TA-Lärm zeigen,98 wäre eine Bundesregelung nicht per se unmöglich gewesen. c) Fortgeltung der alten Listen
Es stellt sich damit die Frage, ob - mangels einer Regelung in der Bundesbodenschutzverordnung - die, z. T. landesspezifischen alten Listen ihre 91 Zur Einordnung der Prüfwerte Fehlau/Hilger/König, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000, S. 279 ff.; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 427. 92 Siehe zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen auch die Einführung in BenderiSparwasser/Engel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/l ff.; zu weiteren fehlenden Schadstoffen auch Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 464. 93 Lediglich in Bezug auf den, wenn auch ebenso wichtigen, Bereich der Vorsorge sollen neue Werte geschaffen werden, vgl. BT-Drs. 14/2834. 94 Vgl. Sandner, NJW 2000, 2542 ff., 2544. 95 Siehe Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 35 ff.; Rn. 420 ff. 96 Zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen auch BT-Drs. 14/2834, sowie die BBodSchV im Anhang I selbst. 97 Sandner, NJW 2000, 2542; Fehlau/HilgerlKönig, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000, Einf. Rn. 3. 98 Hierzu Kloepjer, Umweltrecht 1998, § 14 Rn. 49 f.
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Gültigkeit behalten haben. 99 Damit wäre hinsichtlich des früheren Rechtszustands wenn schon keine Verbesserung, so doch jedenfalls keine Verschlechterung eingetreten. Allerdings wird hierzu vertreten, dass wegen § 4 Abs. 5 BBodSchV die Behörden nicht ohne weiteres mehr auf ihre bisherigen Listen zurückgreifen können. Nach dieser Vorschrift haben sie vielmehr zur Ableitung der jetzt gültigen Werte die Methoden und Maßstäbe zugrunde zu legen, die im Bundesanzeiger Nr. 161 a (vom 28. August 1999) veröffentlicht sind. lOo Dies bedeutet, dass die Behörde die betreffende Liste nur weiter verwenden darf, wenn die darin enthaltenen Werte diesen Methoden und Maßstäben genügen. Anderenfalls ist sie gezwungen, unter Beachtung der im Bundesanzeiger veröffentlichten Methoden und Maßstäbe zuerst aufwendig neue Werte festzulegen - sofern dies nicht bereits auf der Ebene der Landesregierung mit Verbindlichkeit für alle Behörden des betreffenden Landes geschehen ist -, bevor sie ihrer eigentlichen Aufgabe, der Gefahrenabwehr, nachgehen kann. Dies führte zu weiterer Rechtsunsicherheit - eine neue Liste gibt es nicht, die alten Listen gelten grundsätzlich nicht mehr - und zu zusätzlichen zeitlichen Verzögerungen. Die Verzögerung von Sanierungsverfahren ist misslich; unerträglich ist dieser Rechtszustand jedoch für den Bereich des Transaktionsgeschäfts, da Unternehmenskäufe und Börseneinführungen nicht warten können, bis sich die zuständigen Behörden über eine Anpassung ihrer Listen verständigt haben. 101 Volkswirtschaftlich sinnvoll ist eine Adaptierung der jeweiligen Landeslisten nicht, wenn gesetzgeberischer Zweck eigentlich die Schaffung einer bundeseinheitlichen Situation ist. 102 Damit wird die vorher gegebene Rechtszersplitterung jedenfalls partiell perpetuiert, eine eigentlich vom Bundesgesetzgeber wahrzunehmende Aufgabe auf die Landesbehörden verlagert. d) Sanierungszielwerte
Von eminent wichtiger Bedeutung für den Umfang und damit die Kosten einer Sanierung sind Sanierungszielwerte. Auch insoweit finden sich keine Festlegungen in der Bundesbodenschutzverordnung, wobei der Bundesver99 Sanden/Schoeneck, BBodSchG 1998, § 8 Rn. 2; Sandner, NJW 2000, 2542 ff., 2545; Schmidt-Ränsch/Sanden, NuR 1999, 555 ff., 558. 100 So Sandner, NJW 2000, 2542 ff., 2545; ebenso Gerhold/Simon, AltlastenSpektrum 1999, 265; Ewers, in: Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000,31 ff. 101 Vgl. zu den Kosten aus Altlastensanierungen: Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/27. 102 Sandner, NJW 2000, 2542 ff., 2543; Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 535.
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ordnungsgeber jedoch insoweit entlastet wird, als vertreten wird, dass die entsprechende Verordnungermächtigung l03 ihrem Wortlaut nach eng auszulegen sein wird und nur die Festlegung der Anforderungen an die Bestimmung von Sanierungszielwerten erfasse, nicht jedoch die Festlegung von Ziel werten selbst. 104 Begründet wird dies damit, dass das Gesetz hierdurch den Ländern und Behörden einen Spielraum zur Berücksichtigung regionaler und einzelfallbezogener Besonderheiten belassen wolle. 105 Diese Argumentation ist jedoch nicht zwingend. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Verordnungsermächtigung 106 die nachfolgend gelisteten Themenkomplexe nur exemplarisch ("insbesondere") auflistet, nicht jedoch abschließende Geltung beansprucht. Auch schließt die Festlegung von Anforderungen an die Bestimmung des zu erreichenden Sanierungsziels die Vorgabe von Leitlinien, wie z. B. die Orientierung am Prüfwert (wie teilweise von der Praxis nach altem Recht gehandhabt) oder einem Wert zwischen Maßnahmen- und Prüfwert nicht aus. Eine Entschuldigung für einen Totalausfall einer Regelung lässt sich daraus jedenfalls nicht ableiten. Besonderheiten des Einzelfalls sind im übrigen auch bei den Maßnahmenwerten zu berücksichtigen. Ein entsprechender Einzelfallvorbehalt wäre daher auch bei Sanierungszielwerten oder -margen systemkonform gewesen. Dieses Versäumnis wiegt um so schwerer, als der sanierungsverantwortlichen Wirtschaft lO7 nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen auferlegt wird, der Behörde das Erreichen des Sanierungsziels nachzuweisen. Dies setzt logischerweise voraus, dass zuvor eine Festlegung des Sanierungsziels stattgefunden hat. Eine Ermittlung von Sanierungszielen kann im Einzelfall eine langwierige mühevolle Ermittlung mit Hilfe human- und ökotoxikologischer Gutachten erfordern, deren Erstellung durch eine Behörde im Einzelfall zum einen erhebliche Kräfte bindet, zum anderen stehen die hierbei gewonnenen Erkenntnisse nicht bundesweit anderen Behörden für vergleichbare Fälle zur Verfügung, da es an einem diesbezüglichen Datenaustausch bzw. einer entsprechenden Datenbank fehlt und damit punktuell erarbeitete Erkenntnisse nicht funktionsadäquat im gesamten Bundesgebiet durch alle Länderbehörden genutzt werden können. Hier stellt sich auch die Frage, auf welcher Ebene zweckmäßigerweise derartige Werte erarbeitet werden sollten. Nach meinem Verständnis sollte dies, wenn der Bundesverordnungsgeber nicht handelt, auf der Ebene der Länderarbeitsgemeinschaft Boden und/ oder unter Hinzuziehung des wissenschaftlichen Sachverstandes des Um103 104 105 106 107
In § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 b I. Spiegelstrich BBodSchG. Sandner, NJW 2000, 2542 m. W.N. Vgl. Sandner, NJW 2000, 2542 ff., 2544 m.w.N. In § 8 Abs. 1 S. 2 BBodSchG. Nach § 5 Abs. 1 S. 3 BBodSchV.
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weltbundesamtes erfolgen. Auch in diesem Zusammenhang hilft möglicherweise eine intensiverer Blick auf die mittlerweile 20-jährigen US-amerikanischen Erfahrungen mit dem Superfund-Gesetz weiter, unter dessen Geltung seit langem die Frage "How clean is clean?" diskutiert wird.
e) Schnittstelle Boden- und Wasserrecht Ein weiterer, hinsichtlich des Föderalismusaspekts für die Wirtschaft bedeutsamer Gesichtspunkt ist die Schnittstelle Boden- und Wasserrecht. 108 Aus naturwissenschaftlicher Sicht sind Boden und Grundwasser nicht klar separierbare Medien, sondern miteinander verquickt und ineinander übergehend. 109 Es wird auch von der "gesättigten Bodenzone" gesprochen. Auf diesem Hintergrund ist es geboten, dass das Thema "Altlast" in seiner Gesamtheit erfasst wird. 110 Es stellt sich allerdings das Problem, dass nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung für den Bodenschutz zusteht, d. h. ihm Vollregelungen möglich sind. Hinsichtlich des Wasserrechts steht dem Bund jedoch nur eine Rahmenkompetenz nach Art. 75 GG zu, die nur in Ausnahmefällen Vollregelungen zulässt. 111 Diese unterschiedliche Ausgestaltung des Bund/Länderverhältnisses hinsichtlich des Boden- und des Wasserrechts findet ihren Niederschlag auch in der Neuregelung des Bundesbodenschutzgesetzes. Danach erfasst die in § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG vorgesehene Sanierungspflicht zwar auch Verunreinigungen von Gewässern, die durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursacht worden sind; auch kann die weiträumige Verunreinigung eines Gewässers Grund für eine Sanierungsplanung sein (§ 14 S. I Nr. 3 BBodSchG). Allerdings sollen die bei der Sanierung von Gewässern zu erfüllenden Anforderungen sich aus dem (Landes-) Wasserrecht ergeben (§ 4 Abs. 4 S. 3 BBodSchG).112 Hier wurde aus kompetenziellen Gründen, um eine punktuelle Vollregelung hinsichtlich des Gewässerschutzes zu ver108 Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/63 f.; Grathwohl, in: Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000, 41 ff.; Sehendel, in: Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000, 69 ff.; vgl. auch Nachweise in Fn.3. 109 Sanden/Sehoeneek, BBodSchG 1998, § 8 Rn. 12; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht 2000, Rn. 7/4. 110 Fehlau/Hilger/König, Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung, 2000, S. 309; Sehendel, in: Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000, S. 69 ff. 111 Kloepfer, Umweltrecht 1998, § 13 Rn. 11; Hoppe/Beekmann/Kaueh, Umweltrecht 2000, § 18 Rn. 4 ff.; Sehendel, in: Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000, 69 ff., 73 f. 112 Knopp/whr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 489.
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meiden, dieser "Klimmzug" unternommen, dessen Sinnhaftigkeit aus naturwissenschaftlicher Sicht bezweifelt werden darf. I 13 Aufgrund der Interdependenz zwischen gesättigter und ungesättigter Bodenzone erscheint es erforderlich, dass die für Boden und Grundwasser jeweils relevanten Werte aufeinander abgestimmt werden, da sich die Verunreinigungen des Bodens, soweit sie wasserlöslich sind, auch dem Grundwasser mitteilen werden. 114 Auch lässt sich die technische Sanierung von gewässerrelevanten Bodenschadstoffen häufig nicht von der Sanierung des Grundwassers trennen. Parallele, nicht aufeinander abgestimmte Regelungsregime für die Sanierungsanforderungen an Boden und Grundwasser bergen zum einen die Gefahr von Friktionen. I 15 Auf dem Hintergrund des Bedürfnisses der Wirtschaft nach einheitlichen rechtlichen Maßstäben darf weiterhin die Frage gestellt werden, wie mit (im Idealzustand) einheitlichen Profund Maßnahmenwerten hinsichtlich des Bodens einerseits, aber im schlechtesten Fall 16 verschiedenen Wasserwerten andererseits umgegangen werden soll. Die Bundesbodenschutzverordnung sieht wohl daher auch bislang keine Maßnahmenwerte für den Einwirkungspfad Boden-Grundwasser vor. 116 Insoweit bedarf es einer Abstimmung zwischen den entsprechenden Bodenschutzwerten und den gewässerbezogenen Landesregelungen, die möglicherweise im Rahmen der Länderarbeitsgemeinschaften und im Austausch mit der Bundesebene entwickelt werden können. f) Fazit und Konsequenzen
Das vom Bundesbodenschutzgesetz vorgesehene kompetenzielle Grobraster bedarf aus Sicht der Wirtschaft einer Feinabstimmung, die die aufgrund der unterschiedlichen kompetenziellen Anknüpfungen gegebenen Unebenheiten ausgleicht und ein insgesamt stimmiges Sanierungsregime ermöglicht. Hinsichtlich der wirtschaftlich wichtigen, da kostenträchtigen Frage, wann Untersuchungs- und Sanierungsmaßnahmen den Unternehmen abverlangt werden können, wie auch hinsichtlich des zu fordernden Umfangs einer Sanierung und des Sanierungsziels ist eine erhebliche Rechtsunsicherheit zu verzeichnen. I 17 Die vor Inkrafttreten der BundesbodenschutzverordBecker. BBodSchG, § 4 Rn. 57; Frenz. BBodSchG 2000, § 4 IV Rn. 36. Bender/Sparwasser/Engel. Umweltrecht 2000, Rn. 7/63 f.; Grathwohl. in: Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000, 41 ff.; Schendel. in: Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000, 69 ff.; vgl. auch Nachweise in Fn.3. 115 Stichwort "Umweltschutz contra Umweltschutz"; vgl. Kloepfer. Umweltrecht 1998, § I Rn. 28; Schäfer. UPR 1997,444 ff. 116 Knopp/whr. BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 489. 113
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nung bestehende Rechtsunsicherheit ist nicht nur nicht verbessert, sondern im Gegenteil noch verschärft worden, da auch die bis dato angewandten Listen nicht mehr ohne weiteres Geltung beanspruchen konnten. 118 Hinzu kommt, dass sich der Bundesverordnungsgeber jeglicher Leitlinien hinsichtlich der Bestimmung von Sanierungszielen enthalten hat. 119 In diesem, vom Gesetzgeber zu Recht als außerordentlich wichtig eingestuften Aspekt hat mithin eine Rechtsvereinheitlichung nicht stattgefunden, ein Zugewinn an Rechtssicherheit ist ebenfalls nur begrenzt zu verzeichnen. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass diese Rechtsunsicherheit Kosten verursacht: Die Unternehmen bilden nach dem Vorsichtsprinzip erhöhte Rückstellungen für die Altlastensanierung, die wiederum zu verminderten Steuereinnahmen des Fiskus führen. 120 Insofern wird, jedenfalls partiell, ein "Verursacherprinzip" anderer Art etabliert.
3. Optimierung der verfahrensrechtlichen Strukturen Im Zusammenhang mit den verfahrensrechtlichen Strukturen im Bodenschutz soll nicht auf die im einzelnen aus der Sicht der Wirtschaft diskussionswürdigen Detailregelungen zur Sanierungsplanung, zur Aufteilung der Sachverhaltsermittlung zwischen Unternehmen und öffentlicher Hand sowie zu Zuständigkeitsfragen eingegangen werden. 121 Das Augenmerk ist vielmehr auf einen im Bundesbodenschutzgesetz nur ansatzweise angesprochenen, jedoch für die Praxis wichtigen Punkt zu lenken: die richtige Ebene für die Entwicklung von Sanierungsmaßstäben und den Wissensaustausch hierüber sowie über neu zu entwickelnde Sanierungsmethoden. Das Bundesbodenschutzgesetz sieht in § 19 eine Datenübermittlung zwischen Bund und Ländern zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Bundesbodenschutzgesetz aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung vor. Außerdem kann der Bund unter Verwendung der von den Ländern übermittelten Daten ein länderübergreifendes Bodeninformationssystem für Bundesaufgaben einrichten. Inwieweit diese Regelung wirklich effektiv wird, darf bezweifelt werden, da es in den Ländern keine Festlegungen gibt, welche Daten an welcher Stelle zu sammeln sind. Nur die in den Ländern tatsächlich ge sam117 Das Ergebnis von Schmidt-RänschISanden, NuR 1999, 555 ff., 558 kann nicht geteilt werden; vgl. auch Sandner, NJW 2000, 2542 ff. 118 KnopplLöhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 535 ff.; SandenlSchoeneck, BBodSchG 1998, § 8 Rn. 2; Sandner, NJW 2000, 2542 ff., 2545; Schmidt-Ränschl Sanden, NuR 1999, 555 ff., 558. 119 Sandner, NJW 2000, 2542 m. W.N. 120 EilerslGeisler, BB 1998, 2411; LwowskilTetzlaff, WM 2001, 385 ff., 437 ff.; KnopplLöhr, BBodSchG in der Praxis, 2000. 121 Freisburger, UPR 1999, 381 ff.
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melten Daten können dem Bund übennittelt werden. Die Bundesregelung läuft damit ohne einen korrespondierenden Unterbau entsprechender Länderregelungen ins Leere. Dies ist insofern misslich, als ein Infonnationsaustausch über bestimmte, in einem Sanierungs verfahren entwickelte Erkenntnisse durchaus nicht unerheblich zur Effektuierung und Beschleunigung von Sanierungsverfahren beitragen kann. Dies soll an einem Beispiel deutlich gemacht werden: Ein Unternehmen, im Land Hessen angesiedelt, entwickelt für spezielle, komplizierte Schadstoffe neuartige, gegenüber den konventionellen Methoden erheblich preisgünstigere Sanierungsmethoden; die zuständige Behörde ermittelt mit Hilfe umfangreicher ökotoxikologischer Untersuchungen in einem mehrjährigen Verfahren einen Sanierungszielwert für diese Substanz. Ein Unternehmen in den Neuen Bundesländern hat die gleichen Probleme, kann aber auf den nunmehr zehnjährigen Erkenntnisprozess des Hessischen Unternehmens nur dank der Tatsache aufbauen, dass beide Unternehmen Töchter der gleichen Konzernobergesellschaft sind und diese das Unternehmen in den Neuen Bundesländern auf die bereits vorliegenden Erfahrungen und Erkenntnisse hinweist. Die jeweils zuständigen Behörden etablieren einen Erfahrungsaustausch, im zweiten Fall kann auf den Erfahrungen des ersten aufgebaut werden, es ist nur noch die Frage zu erörtern, ob aufgrund geologischer oder hydrogeologischer Besonderheiten eine abweichende Einschätzung geboten ist. In diesem Zusammenhang muss auch die Frage gestellt werden, ob es sinnvoll ist, dass jede Behörde anhand konkreter Einzelfälle gezwungen sein soll, für konkrete Substanzen jeweils eigene Maßnahme- und Sanierungszielwerte zu entwickeln. Zum einen sind die Vollzugsbehörden für eine derartige, schwerpunktmäßig wissenschaftliche Tätigkeit nicht hinreichend ausgerüstet. Zum zweiten scheint dies auch nicht die richtige Rechtsetzungsebene zu sein, da dieses Vorgehen zu einer weiteren Partikularisierung der Maßstäbe auch innerhalb der Ländergrenzen führt. Aus Sicht der Wirtschaft ist deshalb dafür zu plädieren, dass die Leitlinien auf Bundesebene entwickelt werden und der Vollzug und die Einzelfallanpassung funktionsadäquat auf der Ebene der jeweils zuständigen Vollzugsbehörden erfolgt. Da diese Optimierung auf absehbare Zeit nicht zu erreichen sein wird, wäre es jedenfalls sinnvoll, dass die Landesbehörden verpflichtet werden, bei einer zentralen Meldestelle zumindest einen Hinweis zu hinterlegen, dass sie mit der Erarbeitung von Sanierungsstandards und -methoden für bestimmte Arten von Kontaminationen bzw. besondere Sanierungskonstellationen befasst sind. Andere Behörden würden in diesem Fall, wenn sie mit ähnlichen Fragestellungen befasst werden, zumindest einen Hinweis vorfinden, der es ihnen ersparen würde, das "Rad neu zu er-
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finden". Eine derartige Meldestelle dürfte unproblematisch mit einer entsprechenden Datenbank z. B. beim Umweltbundesamt einzurichten sein.
4. "Opfergrenze" Eine weitere Form der "bundeseinheitlichen Regelung" ist indirekt durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2000 122 erfolgt. Den entschiedenen Fällen lag jeweils eine Konstellation zugrunde, in der die Sanierungskosten den Verkehrs- oder Ertragswert eines Grundstücks um ein Mehrfaches überschritten und sich die Frage nach der Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit stellte. 123 Der Bundesgesetzgeber hatte - entgegen der ersten Fassung - auf eine Regelung der "Opfergrenze" verzichtet. 124 Das Bundesverfassungsgericht hat die Zustandsverantwortlichkeit zwar grundsätzlich als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung angesehen, die grundsätzlich auch übermäßige Belastungen nicht ausschließe, allerdings könne das Ausmaß der Kostentragung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt sein. 125 Eine Begrenzung der Kostenbelastung auf den Verkehrswert des Grundstücks nach der Sanierung komme bei Altlasten in Betracht, die auf Naturereignisse, auf der Allgemeinheit zuzurechnende Umstände oder auf nicht nutzungsberechtigte Dritten zurückzuführen sind. Das Gericht verneint indes eine Opfersituation, wenn der Zustandsstörer die Altlast kannte oder kennen musste. Ausreichend sei bereits die Kenntnis der Tatsachen, die auf das Vorhandensein einer Altlast schließen ließen. Wer dieses Risiko eingehe, sei kein "Opfer". In die Bewertung einbezogen wird das Vermögen bzw. die Betriebsteile, die mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück im rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. 126 Die Haftung sei auf die funktionale Einheit des sanierungsbedürftigen Betriebsteils begrenzt. 127 Diese Markierung der Opfergrenze, die ähnlich der oben ausgeführten Grenze der Nachhaftung früherer Eigentümer verläuft, kann im Bereich der Unternehmenstransaktionen, insbesondere der Immobiliengeschäfte, Bedeu122 BVerfG, NJW 2000, 2573; vgl. Anmerkungen von Müggenborg, NVwZ 2001, 39 ff.; Mohr, NVwZ 2001, 540. 123 BVerwG, NVwZ 1991, 475 ff.; Kloepfer, Umweltrecht 1998, § 12 Rn. 75; Bender/SparwasserlEngel, Umweltrecht 2000, Rn. 71203 ff.; siehe auch Überblick bei Müggenborg, NVwZ 2001,39. 124 BT-Drs. 13/6701; 13/9637. 125 Dies war bereits vor der Entscheidung grundsätzlich anerkannt, vgl. Müggenborg, NVwZ 2001, 39. 126 Hierzu insbesondere Mohr, NVwZ 200 1, 540. 127 BVerwG, NVwZ 1991,475 ff.
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tung entfalten und zu einer Entlastung der Wirtschaft führen. Allerdings stellt sich auch hier wie bei der Nachhaftung die Frage, ob ein "Kennenmüssen" voraussetzt, dass und ggf. welche vorherigen Untersuchungen durchgeführt worden sind. 128 5. Ausgleichsanspruche unter mehreren verantwortlichen Unternehmen
In § 24 Abs. 2 BBodSchG ist nunmehr ein Anspruch auf Ausgleich mehrerer Störer untereinander eingeführt worden. 129 Gegenüber dem allgemeinen Polizeirecht, stellt die Vorschrift ein Novum dar. 130 Die Rechtsprechung hatte vor Inkrafttreten des BBodSchG einen gesamtschuldnerischen Ausgleich unter mehreren Sanierungspflichtigen abgelehnt. 131 Auch hier soll nur auf einen, für die Praktikabilität des Ausgleichsanspruchs wesentlichen Aspekt hingewiesen werden: die Höhe des Ausgleichsanspruchs soll durch das Ausmaß der Verursachung des Schadens bestimmt werden. In der Praxis wird die Ennittlung der Verursachungsbeiträge auf große Schwierigkeiten stoßen, da die Kriterien für die Zumessung in der gesetzlichen Regelung nicht näher spezifiziert sind. 132 Die Bezifferung und der Nachweis des Verursachungsanteils wird letztlich dem Anspruchsteller im Zivilprozess auferlegt. Auch hier ist ein Blick in das US-amerikanische Altlastenrecht erhellend, das schon seit langem die sog. "Contribution Action" kennt. Als Faktoren für den gesamtschuldnerischen Ausgleich gelten dabei in den USA folgende Kriterien: 133 -
Kausalität, Verschulden, Vorteil aus der Altlast, Finanzielle Leistungsfähigkeit.
Hinzu kommen Kriterien wie Toxizität, Konzentration der Schadstoffe und der Menge. Das Problem ist, dass häufig Umweltschäden nicht in verZum Themenkomplex der Nachhaftung, oben Fn. 63. Pützenbacher, NJW 1999, 1137 ff.; Frenz, DB 2000, 2461 ff.; Schlette, VerwArch 2000, 41 ff. 130 Schlette, VerwArch 2000, 41 ff., 42; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 ff., 1139; Frenz, DB 2000, 2461 ff. 131 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des BBodSchG Hanns, NJW 1999, S. 3668 ff. m.w.N. 132 Kobes, NVwZ 1998, 786 ff., 796; Kothe, UPR 1999, 96 ff., 98; Vierhaus, NJW 1998, 1262 ff., 1267; SandeniSchoeneck, BBodSchG 1998, § 24 Rn. 29; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 ff., 1140; Schlette, VerwArch 2000, 41 ff., 66. 133 U.S. v. Colorade & E. RR. Co., 50 F.3d 1530, 1535 (10th Cir. 1995); U.S. v. Davis, 31 F.Supp.2d 45, 63 (D.RJ. 1998). 128
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ursachergerechte Fraktionen zu zerlegen sind, sondern mehrere Verursachungsbeiträge zu einem Gesamtschaden beigetragen haben. 134 Die damit in der Praxis gegebenen Schwierigkeiten haben in den USA zunächst dazu geführt, dass die Ausfechtung der Verursachungsbeiträge in Gerichtsverfahren zur Folge hatte, dass die sog. "Transaction Costs", d. h. der Aufwand für Rechtsanwälte, Gerichtskosten, Umweltconsultants u. ä. die eigentlichen Sanierungskosten um ein mehrfaches überstiegen hat. In den USA versucht man diese Situation mittlerweile in zunehmendem Maße dadurch zu lösen, dass bei komplexen Sanierungsfällen mit einer Vielzahl von Verursachern Mediationsverfahren durchgeführt werden. 135 Auch diese Bundesregelung wird als abschließend zu beurteilen sein und näher erläuternde Landesregelungen ausschließen. Die undankbare Aufgabe der näheren Ausformung von Kriterien wird den Gerichten zukommen. 136 In der Transaktionspraxis wird der Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG aufgrund der vorstehend beschriebenen Schwierigkeiten weitgehend vertraglich ausgeschlossen. 137 6. Anzeigepflichten
Der Bund hat den Ländern hinsichtlich der Anzeigepflichten eine Regelungsmöglichkeit nach §§ 21 Abs. 2, 9 Abs. 2 S. 3 BBodSchG überlassen. 138 Aus Sicht der Wirtschaft stellt sich insbesondere das Problem, wie mit Informationen, die im Zuge einer Due Diligence - einer Unternehmensanalyse und Compliance-Prüfung anlässlich eines Unternehmenskaufs oder eines Börsengangs 139 - ermittelt werden, umgegangen werden soll. Besonders misslich wird die Lage, wenn es um ein Unternehmen geht, das Standorte in mehreren Bundesländern hat. Die Länderkompetenz sorgt hier für eine nicht mehr vermittelbare Regelungsvielfalt: 140
134 Pützenbacher, NJW 1999, 1137 ff., 1140; vgl. Kothe, UPR 1999, 96 ff., 97 mit einer Übersicht zu den Kriterien der Störerauswahl, die auch im Rahmen der Haftungsverteilung Anwendung finden könnten. 135 Vgl. im deutschen Schrifttum: Holznagel, Konfliktbewältigung durch Verhandeln, 1990; Sünderhauf, Mediation, 1997. 136 Kobes, NVwZ 1998, 786 ff., 796; Kothe, UPR 1999, 96 ff., 98; Vierhaus, NJW 1998, 1262 ff., 1267; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 ff., 1140; Schlette, VerwArch 2000, 41 ff., 66. 137 Siehe hierzu: Becker, BBodSchG, § 4 Rn. 78 ff.; ders., DVBI 2000, 595 ff.; Knopp, NJW 2000, 905 ff., 908; Meißner, ZfiR 1999,407 ff., 411. 138 Neuhahn, in: Franzius/Lühr/Bachmann, Boden und Altlasten, 2000, 21 ff.; 23 f.; Freisburger, UPR 1999, 381 ff., 384. 139 Knopp/Löhr, BBodSchG in der Praxis, 2000, Rn. 1340 ff. 140 Gesamtüberblick bei Freisburger, UPR 1999, 381 ff.
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Keine Regelung besteht in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Nach § 8 Hessisches Altlastengesetz kann zwar durch Rechtsverordnung eine Meldepflicht angeordnet werden, was aber bisher nicht geschehen ist. In der Mehrzahl der Länder besteht folglich keine Regelung. Auszuklammern aus der Untersuchung ist auch § 28 Abs. I S. 3 AbfG LSA, der eine Informationspflicht lediglich als Soll-Vorschrift anordnet. Thüringen kennt zwar eine Informationspflicht, allerdings erst nach behördlicher Anordnung gern. § 18 Abs. 4 S. 2 ThAbfAG. In 10 von 16 Ländern, also knapp zwei Dritteln, besteht mithin keine abstrakte Meldepflicht. Dagegen sind in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt (§ 7 BodSchG BaWü, Art. 1 BayBodSchG, § 6 BlnBodSchG, § 2 LBodSchG NRW, § 35 SaarlAWG, § 10 Abs. 2 S. 1 SächsABG, § 28 Abs. 1 S. 3 AbfG LSA) Meldepflichten vorgesehen, freilich in den verschiedensten Ausgestaltungen. Lediglich die nach Inkrafttreten des BBodSchG erlassenen Regelungen in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen knüpfen bzgl. der Verpflichteten an das BBodSchG an. Bezüglich des Meldegegenstandes unterscheiden sich aber die Meldepflichten: Nach Art. 1 BayBodSchG und § 2 LBodSchG NRW müssen (konkrete) Anhaltspunkte für schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten vorliegen. § 10 Abs. 2 S. 1 SächsABG erfordert bekanntgewordene oder verursachte schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten und greift damit erst wesentlich später ein. § 7 Abs. 1 BodSchG BaWü verpflichtet den Zustands- und Verursachungsstörer Bodenbelastungen mit einer Gefahr für bestimmte Rechtsgüter oder den Verdacht einer Bodenbelastung zu melden. § 6 BlnBodSchG verpflichtet über den Zustands- und Verursachungsstörer hinaus auch den Anlagenbetreiber zur Meldung von Ereignissen mit Freisetzung bodengefährdender Stoffe oder der Feststellung von Bodenverunreinigungen im Zuge von Baurnaßnahmen. Die abstrakte Pflicht, eine festgestellte Altlast mitzuteilen, besteht hingegen nicht, da sich der Wortlaut nur auf das Freisetzen bezieht und damit bereits freigesetzte Stoffe nicht erfasst. Diese gesetzliche Differenzierung ist vor der weitaus höheren Gefährlichkeit bereits im Boden befindlicher Schadstoffe unverständlich. Schließlich sei noch § 35 Abs. 4 SAWG zu nennen, nach dem Eigentümer und Nutzungsberechtigte bekanntgewordene Ablagerungen von Abfällen zu melden verpflichtet sind.
Die Regelungsvielfalt wird ergänzt durch unterschiedlich vorgesehene Zeugnisverweigerungsrechte. Während Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt die Meldepflicht bei Vorliegen eines Zeugnisverweigerungsrechts ausschließen, sehen Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und das Saarland keine entsprechenden Ausschlussgründe vor.
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Die Verwirrung wird durch die unterschiedlichen Bußgeldregelungen komplettiert. Während in Bayern und Sachsen-Anhalt die Verletzung der Anzeigepflicht nicht bußgeldbewehrt ist, sehen Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen (§§ 22 Abs. 1 Nr. 1 BBodSchG BaWü, 25 Abs. 1 Nr. 1 BlnBodSchG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 LBodSchG NRW, § 45 Abs. 1 Nr. 9 SaarlAWG, 17 Abs. 1 Nr. 5 SächsABG) Bußgelder vor. Diese liegen wiederum zwischen DM 20.000 in Baden-Württemberg und DM 100.000 in den übrigen Bundesländern. Die in diesem Zusammenhang seitens der Wirtschaft zu äußernde Bitte wäre die nach Rechtsvereinheitlichung, evtl. im Rahmen eines Musterentwurfs für die Länderausführungsgesetze zum Bundesbodenschutzgesetz. 141 Eine derartige Rechtszerspliuerung ist für die Wirtschaft nicht nachvollziehbar. 142
111. Schlussbemerkung Die vorstehende Analyse der Föderalismuslandschaft anhand einiger, für die Wirtschaft zentraler Fragestellungen zeigt ein sehr viel faltiges, aus Sicht der Wirtschaft optimierungsfähiges und -bedürftiges Bild. Die Ausgangsfrage: Föderalismus: "Motor oder Bremse im Umweltschutz?" ist daher nicht eindeutig zu beantworten. Es gibt Situationen, in denen man mit dem Motor auch bremsen kann.
141 Nachweis bei Notter. NuR 1999, 541 ff., 543; s. a. hUp:/ /www.fh-kehl.de/ projekCbodenschutz/ (letzter Aufruf 30. 5. 2001). 142 Freisburger. UPR 1999, 381 ff., 384.
Bodenschutz und Föderalismus aus Sicht der Verwaltung Von Bernhard Remde
I. Einleitung Mit dem im März 1999 in Kraft getretenen Bundes-Bodenschutzgesetz wird der Boden als drittes Umweltmedium nach Luft und Wasser durch bundesrechtliche Regelungen geschützt. Mit dieser Gesetzgebung ist eine deutliche Verbesserung für die Qualität des Bodenschutzes verbunden. Allerdings können Vor- und Nachteile des föderalen Systems auf die Wirkung und den Vollzug des Bodenschutzes auf Grund dieser kurzen Zeit sicherlich nicht abschließend bewertet werden. Insoweit kann dieser Beitrag nur eine Einschätzung der jetzigen Situation geben, zukünftige Erfahrungen können durchaus zu Neubewertungen führen.
11. Das Schutzgut "Boden" Obwohl der Boden eine zentrale Rolle im Ökosystem einnimmt, erfolgte die Anerkennung als ein eigenständiges Schutzgut erst sehr spät. Dieses ist sicherlich unter anderem damit zu begründen, dass sich die Folgen von Schädigungen des Bodens sehr langfristig auswirken und es schwierig ist, auf Grund der vielen Bodennutzungen allgemeingültige, politisch akzeptierte Schutzziele festzulegen. Genereller Ausgangspunkt des Bodenschutzes ist die Tatsache, dass der Boden eine knappe und nicht vermehrbare Ressource darstellt, die es hinsichtlich ihrer Qualität und Quantität zu schützen gilt. Das bedeutet, dass zum einen chemische und physikalische Beeinträchtigungen der Bodenqualität vermieden bzw. begrenzt werden müssen. Zum anderen muss der Bodenverlust durch Überbauung und Versiegelung begrenzt werden. Der Zweck des Bodenschutzrechtes entsprechend § 1 BBodschG ist, die Funktionen des Bodens nachhaltig zu sichern oder wiederherzustellen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die natürlichen Bodenfunktionen und die Funktionen als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte. Diese Bodenfunktionen werden aber durch die Nutzungsfunktionen, wie z. B. Rohstoffgewin-
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nung, Siedlungsflächen, wirtschaftliche Ansiedlungen, Verkehrswege u. ä. in erheblichem Maße beeinträchtigt. In dem Spannungsfeld zwischen natürlichen Bodenfunktionen und Nutzungsfunktionen muss deshalb auf der Grundlage einer politischen Zielfestlegung ein allgemeingültiger Konsens gefunden werden. Derzeit werden etwa 55% der Bodenfläche landwirtschaftlich und 30% forstwirtschaftlich genutzt. Nur etwa 11 % des Bodens dienen als Siedlungs- und Verkehrsflächen. Diese 11 % Bodenfläche, bei denen die natürlichen Bodenfunktionen durch Überbauung weitestgehend zerstört sind, mögen momentan noch relativ niedrig anmuten. Betrachtet man sich aber den Zuwachs an Siedlungsund Verkehrsflächen von ca. 120 ha pro Tag in Deutschland, dann ist die Entwicklung durchaus besorgniserregend. Hier muss in der Zukunft deutlich gegengesteuert werden, um den Bodenverlust zu verringern. Problematisch für eine einheitliche Bewertung der schützenswerten Bodenfunktionen ist das große Spektrum verschiedener Böden mit unterschiedlichen Eigenschaften. Diese Differenziertheit, die jeweils standortangepasste Maßnahmen des Bodenschutzes erfordert, ist ein Indiz dafür, dass es sinnvoll sein kann, im Rahmen des föderalen Systems durch die Länder standortangepasste Regelungen zu erlassen. Diesen Erfordernissen trägt das Bundes-Bodenschutzgesetz und insbesondere die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung Rechnung. In der BBodsch V werden sinnvollerweise durch Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmewerte Grenzen für die Belastbarkeit der Böden gesetzt, es werden aber keine absolut geltenden Folgen bei Grenzüberschreitungen festgelegt. Die Werte werden entsprechend der wichtigsten Bodeneigenschaften bzw. der Wirkungspfade, auf denen über das Schutzgut Boden andere Schutzgüter beeinträchtigt werden können, weiter differenziert. Die Vorsorgewerte werden entsprechend der Hauptbodenarten und der pH-Werte aufgegliedert. Damit wird zum Beispiel der Tatsache Rechnung getragen, dass in einem Tonboden Schwermetalle wesentlich besser fixiert werden als in einem Sandboden. Prüf und Maßnahme werden differenziert nach den Wirkungspfaden - direkte Aufnahme, - Boden-Nutzpflanze (Qualität der Pflanze als Lebensmittel oder Futtermittel sowie Wachstumsbeeinträchtigung), - Boden-Grundwasser, - sowie den Nutzungen der Flächen. Hier ist z.B. für den Wirkungspfad der direkten Schadstoffaufnahme entscheidend. ob es sich bei der Flächennutzung um einen Kinderspielplatz oder ein Industriegebiet handelt.
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III. Einfluss der Länder auf das Gesetzgebungsvorhaben Der Einfluss der Bundesländer über den Bundesrat auf das BBodSchG hat zu einer deutlichen Verbesserung des Gesetzes hinsichtlich seiner materiellen Regelungen sowie der Vollzugsfreundlichkeit geführt. Insbesondere konnten folgende Änderungen über den Bundesrat in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden: - Betonung der Schutzbedürftigkeit der natürlichen Bodenfunktionen sowie der Archivfunktionen (§ 1 i. V. m. § 2). - Erweiterung der Verantwortlichen für Gefahrenabwehr (§ 4) und Vorsorgepflichten (§ 7). - Regelungsennächtigung für die Länder für Entsiegelungsanordnungen soweit der Bund von der Verordnungsermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat. - Regelung, dass bei Sanierungen entnommenes Bodenmaterial auf dem gleichen Grundstück wieder eingebaut werden kann und nicht dem Anlagenzwang nach § 27 (1) Satz 1 KrW-/AbfG unterfällt (§ 13 (5». - Regelung, dass die zuständige Behörde verlangen kann, dass Gefahrdungsabschätzungen durch zugelassene Sachverständige und UntersuchungssteIlen durchgeführt werden (§ 9 (2». Von besonderer Bedeutung ist die Regelungsermächtigung für die Länder bei Entsiegelungsanordnungen, soweit der Bund von der Verordnungsermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat. Diese Ennächtigung hat für die Länder eine große Bedeutung und sollte in weiteren Gesetzen eine Entsprechung finden. Wenn man sich viele Gesetze im Umweltbereich anschaut stellt man fest, dass es eine wahre Flut an Verordnungsennächtigungen für den Bund gibt. Hält man dieser Zahl jedoch die Zahl der tatsächlich erlassenen Verordnungen entgegen, so stellt man oft eine ganz erhebliche Diskrepanz fest. Zur Stärkung der Rolle der Länder in dem föderalen System sollte deshalb über eine grundsätzliche Regelungskompetenz der Länder nachgedacht werden, soweit der Bund von seinen Verordnungsennächtigungen keinen Gebrauch gemacht hat. Generell kann festgestellt werden, dass sich das föderale System bei dem Gesetzgebungsvorhaben sehr positiv ausgewirkt hat. Über die Bundesratsbefassung konnten die Länder ihre Vollzugserfahrungen wesentlich besser in das Gesetzgebungsvorhaben einbringen, als das im Rahmen von Stellungnahmen oder Diskussionen zwischen Bund und Ländern möglich gewesen wäre. Problematisch für den Vollzug des Bodenschutzrechtes ist allerdings die Tatsache, dass viele Regelungen auch in anderen Rechtsgebieten verankert
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sind. Entsprechend § 3 BBodSchG ist das Bundes-Bodenschutzgesetz subsidiär zu Regelungen folgender Rechtsvorschriften, soweit diese Einwirkungen auf den Boden regeln: - Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, - Vorschriften zur Beförderung gefährlicher Güter, - Düngemittel- und Pflanzenschutzrecht, - Gentechnikgesetz, - Forst- und Waldgesetze, - Flurbereinigungsgesetz, - Vorschriften über den Verkehrswegebau, - Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, - Bundesberggesetz, - Bundes-Immissionsschutzgesetz. Aus dieser Zersplitterung ergibt sich für den Vollzug ein erheblicher Abstimmungs bedarf zwischen den einzelnen Rechtsgebieten und den dafür zuständigen Behörden. Eine Zusammenfassung aller rechtlichen Grundlagen zum Bodenschutz in einem Gesetzbuch, wie z. B. dem leider bisher gescheiterten Umweltgesetzbuch wäre für eine Harmonisierung dieses Rechtsgebietes und für eine Erleichterung des Vollzuges sehr sinnvoll.
IV. Landesrechtliche Regelungen zum Bodenschutz Das Bundes-Bodenschutzgesetz gibt den Ländern nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten für eigene Regelungen. Diese haben vor allem Verfahrensregelungen zum Inhalt, während materielle Schutzanforderungen im Wesentlichen durch den Bundesgesetzgeber abschließend geregelt wurden. Im Wesentlichen beschränken sich die Regelungskompetenzen der Länder auf folgende Bereiche: - Mitwirkungs- und Duldungspflichten (§ 9), - Ausgleich für Nutzungsbeschränkungen (§ 10), - Erfassung von Altlasten und altlastverdächtigen Flächen (§ 11), - Anforderungen an Sachverständige und Untersuchungsstellen (§ 18), - Anwendung des Instrumentariums für Altlasten auf Flächen mit schädlichen Bodenverunreinigungen (§ 21 (2)), - Aufstellung von Bodenschutzplänen bzw. Ausweisung von Bodenplanungsgebieten (§ 21 (3)).
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Inhaltlich sind die Maßnahmen in den Plänen bzw. für die Planungsgebiete an die Festlegung des zweites Teils des Bundes Bodenschutzgesetzes gebunden, - Einrichtung von Bodeninformationssystemen und Dauerbeobachtungsflächen (§ 21 (4)). Die inhaltlichen Anforderungen an den Bodenschutz und die Altlastensanierung hat der Bundesgesetzgeber in § 4 (Pflichten zur Gefahrenabwehr), § 7 (Vorsorgepflicht) sowie in den Verordnungsermächtigungen nach § 6 und § 8 abschließend geregelt. Diesen Verordnungsermächtigungen ist er ist mit der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung im Sommer 1999 nachgekommen. Trotz des relativ eingeschränkten Regelungsspielraumes für die Bundesländer sind bisher nur in fünf Bundesländern (Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen) Landesbodenschutzgesetze erstellt bzw. novelliert worden. Das zeigt die Schwierigkeiten, die viele Länder haben, umweltpolitische Regelungen eigenständig zu schaffen. Insoweit erschiene eine ausschließliche Kompetenz der Bundesländer für Bodenschutzregelungen nicht erfolgversprechend für einen harmonisierten bundesweiten Vollzug.
v. Die Aufgabe der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft "Bodenschutz" (LABO)
Bund und Länder erarbeiten in der LABO teilweise gemeinsam mit anderen Arbeitsgemeinschaften eine Vielzahl von Vollzugshilfen, um die Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten zu vereinheitlichen, Werteregelungen zu harmonisieren und unbestimmte bzw. sehr allgemein formulierte Begriffe zu konkretisieren. Generell soll mit diesen Arbeiten ein bundesweit möglichst einheitlicher Vollzug des Bodenschutzrechtes sichergestellt werden. Die Notwendigkeit dieser Arbeiten ergibt sich aber nur zum Teil aus der Vollzugskompetenz und der damit verbundenen Regelungskompetenz der Bundesländer. Nur insoweit ist sie eine Folge des föderalen Systems. Wesentliche Aufgabenstellungen von Bund und Ländern in der LABO sind auf Grund von Unschärfen und unbestimmten Rechtsbegriffen im BBodSchG notwendig geworden. Das BBodSchG und die BBodSchV umfassen trotz der extremen langen Diskussionszeit von der Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung im Jahre 1985 bis zu dem Abschluss des Gesetzgebungsvorhabens im Jahre 1998 bei weitem noch nicht alle regelungsbedürftigen Bereiche des Bodenschutzes. So werden z. B. Fragen des Bodenverbrauches nur in sehr gerin23 Kloepfer
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gern Umfang berücksichtigt. Im Wesentlichen ist hier auf den § 5 BBodSchG zur Entsiegelung hinzuweisen. Mit dieser Regelung kann eine auch vom Sachverständigenrat für Umweltfragen geforderte wirksame Verminderung der täglichen Neuversiegelung nicht erreicht werden. Notwendig sind ergänzende Regelungen, um z. B. den sparsamen Umgang mit Boden wirtschaftlich attraktiv zu machen. Nur durch eine "Belohnung" einer sparsamen Bodenbewirtschaftung bzw. eine Verteuerung des Bodenverbrauches kann hier langfristig der jetzigen Entwicklung entgegengesteuert werden. Auch im Bereich der Bodenqualität gibt es noch einen großen Bedarf an Regelungen. Für wichtige Umweltschadstoffe, wie halogenorganische Verbindungen, Mineralälkohlenwasserstoffe fehlen in der BBodSchV die entsprechenden Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmewerte. Diese Lücke in der Verordnung hat mehrere, äußerst negative Effekte für den Vollzug. Zum einen wird die durch das Bodenschutzrecht erreichte Vollzugsvereinfachung durch das Fehlen von Grenz- und Richtwerten deutlich eingeschränkt. Zum anderen sind die Vollzugsbehörden gezwungen, wieder auf die zurecht beklagte Vielzahl unterschiedlichster Listen zurückzugreifen, um Orientierungen für den Vollzug zu haben. In der Folge bedeutet das, dass erhebliche materielle Unterschiede im Vollzug zwischen den einzelnen zuständigen Behörden weiter bestehen bleiben. Die nachfolgend aufgeführten wichtigsten Arbeitsergebnisse der LABO zeigen, dass das föderale System im Grunde gut funktioniert. Sowohl rechtliche als auch materielle Ermessensspielräume werden durch die LABO Schritt für Schritt ausgefüllt, so dass ein möglichst gleichmäßiger Vollzug unter Beachtung der regionalen Besonderheiten erreicht werden kann.
VI. Wichtige Arbeitsergebnisse der LABO - Musterentwurf für ein Landesbodenschutzgesetz. - Abgrenzung Wasserrecht - Bodenschutzrecht. - Abgrenzung Immissionsschutzrecht - Bodenschutzrecht. - Abgrenzung Bergrecht - Bodenschutzrecht. - Harrnonisierung bodenbezogener Werteregelungen. - Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Bundes-Bodenschutzverordnung hinsichtlich des Auf- und Einbringens von Materialien auf und in den Boden von den diesbezüglichen abfallwirtschaftlichen Vorschriften. - Anforderungen an Sachverständige nach § 18 BBodSchG. - Merkblatt für die Notifizierung von Untersuchungsstellen im Bereich Boden und Altlasten.
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- Cadmiumanreicherung in Böden, einheitliche Bewertung von Düngemitteln. - Bodendauerbeobachtung, Einrichtung und Betrieb von Bodendauerbeobachtungsflächen.
VII. Fazit In Auswertung der bisherigen Erfahrungen können für den Bereich Bodenschutz folgende Aussagen aus Sicht des Vollzuges gemacht werden. Eine generelle Bewertung, ob ein föderales oder zentral staatliches System für den Bereich Bodenschutz einen besseren Vollzug gewährleisten könnte, ist damit jedoch nicht verbunden. a) BBodSchG und BBodSchV haben zu einer deutlichen Verbesserung des Bodenschutzrechtes beigetragen und grundlegende einheitliche Maßstäbe für das VerwaItungshandeln geschaffen. b) Die Ausfüllung der landesrechtlichen Regelungskompetenzen ist in den einzelnen Bundesländern noch sehr unterschiedlich. Nur fünf Bundesländer haben ein Landesgesetz verabschiedet, die anderen sind noch im Verfahren (so auch Brandenburg). c) Das föderale System ermöglicht den Ländern über das Bundesrats-Verfahren landespolitische Interessen und Vollzugserfahrungen in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Das hat im Fall des Bundes-Bodenschutzgesetzes zu deutlichen Verbesserungen geführt. d) Nachteilig wirkt sich die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern aus, wenn trotz alleiniger Regelungskompetenz des Bundes dieser seine Möglichkeiten nicht nutzt. e) Das Hauptproblern im Bodenschutzrecht ist aus Sicht des Vollzuges nicht die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, sondern die Verteilung des Rechtsnormen auf viele Fachgebiete und der daraus resultierende Harmonisierungsbedarf zwischen den jeweiligen Behörden, unvollständige Regelungen sowie eine Reihe konkretisierungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe. Abschließend sei noch auf ein Problem hingewiesen, dass vielleicht nicht direkt aus dem föderalen System herzuleiten ist, das aber auch deutlich macht, welche Probleme zwischen Bund und Ländern teilweise bestehen. Während es bei der Rechtsetzung ein gutes Zusammenspiel zwischen Bund und Bundesländern insbesondere über das Bundesratsverfahren gibt, zeigt der Bund oft Probleme die Länderkompetenz für Vollzugsmaßnahmen anzuerkennen, wenn er selber vom Vollzug betroffen ist. Vorhaben der AItIastsanierung aber auch aus dem Bereich der Abfallwirtschaft zeigen, dass 23'
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Bundesbehörden, wie z.B. die BvS davon ausgehen, dass ihnen gegenüber andere Maßstäbe angelegt werden als gegenüber anderen Grundstücks- und Abfallbesitzem. Besonders schwierig wird dieses, wenn der Bund z. B. im Rahmen der Haftungsfreistellung für ökologische Altlasten die Kofinanzierung für bestimmte, aus Sicht der Vollzugsbehörden notwendige Sanierungsmaßnahmen verweigert. So wie ein stabiles föderales System davon geprägt ist, dass die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes anerkennen, muss andererseits erwartet werden, dass der Bund die Vollzugskompetenz und die damit die Ermessensausübung der Länderbehörden auch seinerseits anerkennt.
Bodenschutz und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft Von Edmund Brandt Für den Normanwender bereitet der föderalistische Staatsaufbau insoweit Probleme, als denkbarer Weise mit einer Fülle von Ausformungen ungegangen werden muss, die sich beim Zuschnitt, beim Aufbau, bei den verwendeten Begriffen usw. nicht unbeträchtlich unterscheiden. Gerade dort, wo die normative Durchdringung eines Gegenstandes weit vorgeschritten ist, mag dies als unnötige Komplikation erscheinen, die es insbesondere Außenstehenden nicht leicht macht, sich zurecht zu finden und Handlungssicherheit zu erreichen. Mag von daher der Ruf nach Vereinheitlichung und Zentralisierung verständlich sein, so eröffnet der bundesstaatliche Aufbau namentlich dort Chancen, genauer Experimentiermöglichkeiten, wo neue Konfliktfelder angegangen werden müssen und W0 man insbesondere noch nicht abschließend einzuschätzen weiß, welche normative Ausgestaltung sich am Ende als besonders tragfahig erweist. Ein gutes Beispiel für ein solches Handlungsfeld ist der Umweltbereich, der auch dreißig Jahre nach den ersten gesetzlichen Regelungen noch keineswegs als abgerundet gelten kann. Vor dem Hindergrund des vorläufigen Scheiterns eines Umweltgesetzbuchs gilt diese Aussage in besonderem Maße. In der Vergangenheit häufig genannt wurde die Immissionsschutzgesetzgebung, bei der mit Hilfe von Landesimmissionsschutzgesetzen überaus nützliche Erfahrungen gesammelt werden konnten, 1 bevor es 1974 zum Bundes-Immissionssch utzgesetz kam. 2 Die Bodenschutzgesetzgebung liefert insoweit ebenfalls reichhaltiges Anschauungsmaterial. Vor dem Hintergrund des langen Zögerns des Bundesgesetzgebers, initiativ zu werden, ist der Experimentierzeitraum sogar vergleichsweise besonders lang und lässt sich eine Reihe von sehr eigenständigen Normierungsansätzen erkennen, mit denen operiert wurde - ob dies nun den Zuschnitt der Bodenschutzgesetze anbelangt, die Regelungstiefe oder die herangezogenen Instrumente. 3 Damit hat sich im Übrigen im 1 In den Jahren von 1964 bis 1970 hatten verschiedene Bundesländer Immissionsschutzgesetze erlassen. Dazu ausführlich Ule/Laubinger, Kommentar zum BImSchG, Stand: Februar 2000, Rn. 3 ff. m. w. N. 2 Vom 15.3.1974 (BGB\. I 721, her. 1193).
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Bodenschutz erneut bestätigt, dass das Umweltrecht gern als maßgebliches Experimentierfeld für das Verwaltungsrecht herangezogen wird, etwa bezogen auf neuartige Handlungsformen oder auch die Abarbeitung multi polarer Strukturen. 4 Die hier im weiteren Verlauf im Vordergrund stehende Frage, ob der Föderalismus den Bodenschutz eher antreibt oder eher bremst, lässt sich pauschal nicht beantworten. Sie verlangt 1. Differenzierungen im Hinblick auf den Gegenstand, 2. die Entwicklung und Anwendung von Kriterien, um über Maßstäbe zu verfügen, die dann wissenschaftlich fundierte und nachprüfbare Einschätzungen ermöglichen, 3. Differenzierungen auf der Zeitachse. Eine positive Bewertung, die bezogen auf 1988 richtig war, kann im Jahre 2001 grundverkehrt sein - und umgekehrt. Entsprechend sind die nachfolgenden Überlegungen zu gliedern. Zunächst (unter 1.) hat eine Differenzierung im Hinblick auf den Gegenstand Bodenschutz zu erfolgen. Daran schließt sich die Entwicklung und Diskussion von Kriterien an (unter 11.). Im Mittelpunkt hat dann die Anwendung dieser Kriterien auf den Gegenstand Bodenschutz zu stehen und zwar mit einer weiteren Differenzierung auf der Zeitachse (unter III.). Der Beitrag schließt mit einem Ausblick in Richtung Forschungsbedarf im Spannungsfeld von Bodenschutz und Föderalismus (unter IV.).
I. Der Gegenstand Bodenschutz Das, was Gegenstand von Normierungen zu sein hatte, war im Bereich des Bodenschutzes lange Zeit hindurch alles andere als klar und allgemein konsentiert. Es ging dabei weniger um die Abgrenzung zum Gewässerschutz, die aktuell erhebliche Probleme aufwirft, als vielmehr um die Frage, ob letztlich eine deutliche Verengung in Richtung auf die Altlastenproblematik anzustreben oder ein weiterer Zuschnitt zu verfolgen sei. 5 Soweit es in den 80er Jahren und in der ersten Hälfte der 90er Jahre zu landesrechtlichen Kodifikationen kam, lässt sich eine deutliche Dominanz bezogen auf die Bewältigung der Altlastenproblematik erkennen. 6 Ein ent3 Die Entwicklung ist im einzelnen dargestellt bei Sanden/Schoeneck. BundesBodenschutzgesetz. Kurzkommentar. 1998, Einführung, Rn. 1 ff. 4 Dazu Brandt, in: Festschrift Hoffmann-Riem, 2001 (im Erscheinen), S. 145 ff. 5 Die verschiedenen Optionen sind bereits dargestellt bei Brandt, Altlastenrecht, 1993, S. 451 ff. Retrospektiv dazu nunmehr Sanden/Schoeneck (Fn. 3), Einführung, Rn. 37 ff.
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sprechendes Vorrangverhältnis findet sich auch noch im Bundes-Bodenschutzgesetz, wo dem vorsorgenden Bodenschutz jedenfalls bei näherer Betrachtung eine durchaus untergeordnete Rolle zukommt. 7 Innerhalb des Altlastenbereichs überwiegt ganz eindeutig die Beschäftigung mit Fragen eines technisch-/administrativen Altlasten-Managements. 8 Die Auseinandersetzung mit der Finanzierungsproblematik - insbesondere für den Fall, dass die Kosten für die Altenlastensanierung nicht über eine individuelle Störerinanspruchnahme möglich ist - tritt demgegenüber deutlich zurück oder fehlt gänzlich. Ähnliches gilt auch für den zunehmend als wichtig erkannten Komplex des Verhältnisses von Bodenschutz und Landwirtschaft. Im weiteren Verlauf konzentrieren sich die Aussagen im Wesentlichen auf die eben angesprochenen Teilbereiche. Spezialfragestellungen bleiben ganz überwiegend unberücksichtigt bzw. werden nur andeutungsweise mit in die Betrachtung einbezogen.
11. Denkbare Kriterien Verschiedene Wissenschaftsdisziplinen bemühen sich darum, Maßstäbe zu entwickeln, mit deren Hilfe es gelingen kann, bei der Einschätzung des Leistungsvermögens von Normprogrammen über Pauschalaussagen hinaus zu gelangen und damit die Möglichkeit zu schaffen, in einen wissenschaftlichen Standards gerecht werdenden Diskurs einzutreten. Insbesondere die Gesetzgebungslehre und die Implementationsforschung haben dazu wichtige Impulse geliefert. 9 Sie hier auch nur ansatzweise erschöpfend aufzugreifen, zusammenzuführen und schließlich Schritt für Schritt auf die Bezugsgröße Föderalismus anzuwenden, wird nicht möglich sein. Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass damit ein transdisziplinäres Vorgehen erforderlich wäre, für das gegenwärtig noch weitgehend das Handwerkszeug fehlt. 10 Zudem müsste auf empirische Untersuchungen zurückgegriffen werden können, oder solche Untersuchungen müssten durchgeführt werden - beides ist hier nicht leistbar. 6 Zusammenfassend Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Altlasten 11, Sondergutachten Februar 1995, Rn. 191 ff. und Tabelle 1.21. 7 Kritisch dazu etwa Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2000, Juni 2000, Rn. 449. 8 Eine zusammenfassende Darstellung liefern LeitzkelUlrici, Altlastenmanagement, 1999. 9 Dazu im einzelnen Räckseisen, in: Kotulla/Ristau/Smeddinck (Hrsg.), Umweltrecht und Umweltpolitik, 1998, S. 171 ff. 10 Die insoweit bestehenden Anforderungen werden dargestellt bei Brandt, in: Brandt (Hrsg.), Perspektiven der Umweltwissenschaften, 2000, S. 49 ff.
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Um gleichwohl zu belastbaren Aussagen gelangen zu können, wird deshalb eine Auswahl dergestalt vorgenommen, dass in jedem Fall relevante Kenngrößen einbezogen werden sowie eine Differenzierung nach den verschiedenen Handlungsebenen sowie auf der Zeitachse stattfindet. In der Umsetzung bedeutet dies, dass zunächst und vorrangig die Effektivität mit Blick auf die Erreichung von Bodenschutzzielen geprüft wird. Dabei wird unterschieden nach den schon angesprochenen Teilzielen vorsorgender und nachsorgender Bodenschutz und bei Letzterem zwischen Altlasten-Management, Finanzierung der Altlastensanierung usw. Weiterhin werden unter dem Vorzeichen der Effektivität bei der Erreichung von Bodenschutzzielen die zentralen Handlungsebenen Gesetzgebung und Verwaltung geprüft und wird schließlich auf der Zeitachse zwischen dem Zeitraum etwa bis 1990, 1990 bis 1999 und schließlich der Zeit seit 1999 - Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetztes - unterschieden. Kurz gestreift wird in einem weiteren Durchgang noch einmal die Effektivität, hier jedoch mit Blick auf die Erreichung anderer Umweltschutzziele als dem Bodenschutz. Wiederum müsste auch hier eine Differenzierung in der dargestellten Weise erfolgen. Als übergreifende umfassende Kosten-Nutzenabwägung kommt dem Kriterium der Effizienz insbesondere die Funktion zu, den Blick nicht einseitig auf Umwelt- bzw. noch weiter zugespitzt auf Bodenschutzziele zu lenken. Da hier eine Etappe der Rechtspolitik untersucht wird, ist es schließlich unumgänglich, jeweils die politische Durchsetzbarkeit mit zu berücksichtigen. 11 Dabei mag sich dann erweisen, dass das, was Anfang der 90er Jahre diesem Kriterium nicht gerecht wurde, 10 Jahre später anders zu sehen war. Eine wissenschaftliche Analyse, die auf der Basis der soeben erwähnten Kriterien vorzugehen versucht, wird in der Regel nicht den Anspruch geltend machen wollen, allen Kriterien gleichermaßen gerecht zu werden, vielmehr wird je nach Erkenntnisinteresse einem Einzelkriterium die besondere Aufmerksamkeit zu schenken sein. Mitte der 80er Jahre wird demzufolge etwa die Etablierung eines leistungsfähigen Altlasten-Managements ganz im Vordergrund gestanden haben. Heute mag es vorrangig um die Verzahnung von Bodenschutz- mit anderen Umweltschutzzielen gehen. Ganz entscheidend ist weiterhin eine Differenzierung nach den jeweiligen Handlungsebenen: So stellte sich gewiss die Situation in einem großem Flächenland wie Nordrhein-Westfalen Ende der 80er Jahre deutlich anders dar als für den Bund. 11 Bei einer akteurs- und handlungsbezogenen Perspektive kommt dem Kriterium eine erhebliche - in der wissenschaftlichen Diskussion freilich oft unterschätzte Bedeutung zu. Dazu im einzelnen BrandtlRöckseisen, Konzeption für ein Stoffstromrecht, 2000, S. 106 ff.
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Eine wissenschaftliche Analyse wird demzufolge vorsichtig sein mit Gesamtbewertungen. Werden solche doch versucht, so kann es sich nur um Tendenzaussagen handeln, die im weiteren Verlauf der wissenschaftlichen Beschäftigung der Verifizierung bzw. der Falsifizierung harren. Diese Einschränkungen vorausgeschickt wird nachfolgend gleichwohl der Versuch unternommen, wenigstens ansatzweise zu Gesamtbewertungen zu gelangen. Dabei steht - wie bereits angedeutet - als Kriterium die Effektivität im Hinblick auf die Erreichung von Bodenschutzzielen ganz im Vordergrund. Um die Zeitdimension mit einzubeziehen, findet eine Unterteilung in drei Schritte statt, die sich wiederum auf drei Zeiträume beziehen. Als wichtigste Akteure werden die Gesetzgeber und die Verwaltung betrachtet und zwar - jedenfalls wiederum ansatzweise - auf Bundes- und Länderebene. Angestrebt wird jeweils eine Bewertung aus der jeweiligen Zeit heraus; es kann also nicht die Aufgabe sein, ex post aufzuzeigen, was man bei heutigem Kenntnisstand effektiver oder effizienter hätte tun können.
III. Befunde 1. Zeitraum bis 1990 Betrachtet man den vorsorgenden Bodenschutz, so lässt sich feststellen, dass er in den 80er Jahren durchaus ein Thema war. Angestoßen durch eine Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen, die sich etwa dem Thema Flächenverbrauch, Flächenverbrauch am falschen Platz, Bodenerosion und dergl. widmeten,12 stand das Problem zwar nicht auf der Agenda der Gesetzgebung. Vielleicht weil jedenfalls anfangs noch nicht eine Verengung in Richtung Altlastenproblematik stattfand, die dann ganz wesentlich den administrativen Apparat absorbierte, wurden aber vielfach Instrumente entwickelt und getestet, um im Bereich des vorsorgenden Bodenschutzes voranzukommen. Erwähnt seien nur Vorstöße und Überlegungen in SchleswigHolstein 13 oder Niedersachsen. 14
12 Zusammenfassend dazu Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung (Bundestags-Drs. 10/2977 vom 7.3.1985); Erbguth, UPR 1984, S. 241 ff.; Blume (Hrsg.), Handbuch des Bodenschutzes, 1990; Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltprobleme der Landwirtschaft, Sondergutachten März 1985. 13 Erwähnt seien nur Aktivitäten auf der Basis der damaligen §§ 3 f. des (schleswig-holsteinischen) Gesetzes über Grundsätze zur Entwicklung des Landes (Landesentwicklungsgrundsätze ). 14 Einer der wesentlichen Aspekte war dabei die Verzahnung von Naturschutzund Bodenschutzrecht.
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Innerhalb des nachsorgenden Bodenschutzes lassen sich beim technischadministrativen Altlasten-Management zunehmend in dem fraglichen Zeitraum Ansätze dazu in besonders stark betroffenen Bundesländern erkennen. 15 Hervorzuheben ist in dem Zusammenhang, dass in vielfältiger Weise Pionierleistungen zu erbringen waren, die von begrifflichen Klärungen (z.B. Altlastenbegriff), Vorgaben für die Erfassung und Untersuchung bis hin zu Regelungen der Sanierung selbst reichten. 16 Die Bundesländer waren in der Phase noch weitgehend auf sich gestellt bzw. auf Koordinierungsgremien wie die UMK angewiesen. 17 Vom Bund war dieses Politikfeld noch nicht oder jedenfalls nicht in der erforderlichen Intensität erkannt und erfasst worden, was sich etwa an der Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung von 1985 18 zeigt. Beeindruckend ist in dem betrachteten Zeitraum die Leistung des Umweltbundesamtes, das frühzeitig die verschiedenen Dimensionen des Problemfeldes erkannte, mit der Vergabe von Forschungsvorhaben darauf reagierte und selbst ein Handwerkszeug zur Verfügung stellte, mit dessen Hilfe insbesondere unnötige Doppelarbeit in den einzelnen Ländern verhindert und ein koordiniertes Vorgehen auf hohem Niveau ermöglicht wurde. 19 Die administrative Bewältigung des Altlasten-Managements in den Bundesländern hatte unter ungünstigen, teilweise sogar sehr ungünstigen Rahmenbedingungen zu erfolgen: Vor dem Hintergrund einer seinerzeit erstmals intensiv geführten Aufgabendiskussion und einem beginnenden Stellenabbau innerhalb der öffentlichen Verwaltung musste ein außerordentlich kompliziertes, vielschichtiges Problemfeld beackert werden und zwar häufig in einer zugespitzten, emotional stark belasteten Situation und ohne die Möglichkeit, auf Erfahrungen in benachbarten Bereichen zurückgreifen zu können. 2o
Auch heute noch instruktiv Henkel, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, 1988, S. 25 ff. Die verschiedenen Problembereiche beleuchtete seinerzeit Koch, m: Brandt (Hrsg.) Altlasten, 1988, S. lI ff. 17 Beschlüsse aus dem Zeitraum 1984 bis 1986 sind abgedruckt in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, 1988, S. 161 ff. 18 Siehe Fn. 12. 19 Erste Positionsbestimmungen und Systematisierungsansätze datieren bereits seit Anfang der 80er Jahre und sind eng mit dem Namen Franzius verknüpft. Stellvertretend für viele Publikationen sei hier nur genannt Franzius, Sanierung kontaminierter Standorte - Vorgehensweise zur Bewältigung der Altlastenproblematik in der Bundesrepublik Deutschland, 1986. 20 Siehe vor dem Hintergrund nur die Schilderung des - damals besonders spektakulären - Hamburger Altlastensanierungsfalls Deponie Georgswerder bei Wolf, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, 2. Auflage 1990, S. 144 ff. 15
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Unter den Vorzeichen verdient das, was in der zweiten Hälfte der 80er Jahre geleistet wurde, hohe Anerkennung, auch wenn nicht zu leugnen ist, dass die Maßnahmen, die eingeleitet wurden, teilweise über erste Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht wesentlich hinausreichten. Wesentlich kritischer sieht der Befund mit Blick auf die Finanzierung der Altlastensanierung aus. Hier scheiterten alle gesetzgeberischen Initiativen, die auf kollektivrechtliche Finanzierungslösungen gesamtstaatlicher Art hinaus liefen, obwohl vom Umweltbundesamt initiiert21 und von verschiedenen Bundesländern aufgegriffen,22 durchaus abrufbare und leistungsrahige Instrumente zur Verfügung gestanden hätten, am Widerstand des Bundes. Der verstand es geschickt, angebliche finanzverfassungsrechtliche Hindernisse ins Feld zu führen und so ein Nicht-Dürfen zu behaupten, wo es in Wirklichkeit um ein Nicht-Wollen ging. 23 Unvermeidlicherweise waren die Verwaltungen in den Ländern vor dem Hintergrund darauf angewiesen zu experimentieren, länderspezifische Lösungen zu suchen, und natürlich lag es vor diesem Hintergrund angesichts der enormen Finanzbelastungen nahe, jedenfalls den Versuch zu unternehmen, über eine individuelle Störerhaftung wenigstens zu Teillösungen zu gelangen. 24 Gerade weil das Problemfeld neu und der Handlungsdruck groß war, war auch die Fehleranfälligkeit erheblich. So ist es nicht verwunderlich, dass etliche Versuche, einzelne Verantwortliche zur Finanzierung der Altlastensanierung heranzuziehen, letztlich vor Gericht scheiterten. Als besonders prominentes Beispiel mag hier Hamburg-Georgswerder gelten. 25 Insgesamt ergibt sich also für den Zeitraum bis 1990 ein sehr uneinheitliches Bild, bei dem die mit Unterstützung des Umweltbundesamtes erreichten administrativen Ansätze eines technisch-administrativen AltlastenManagements eher positiv, Ansätze zu umfassender konzipierten Gesamtlösungen längerfristiger Art inklusive Finanzierungslösungen eher kritisch gesehen werden müssen.
21 Eine umfassende Darstellung und Bewertung der Ansätze findet sich bei Brandt, Finanzierung der Altlastensanierung im Abfallbereich, F + E-Vorhaben im Auftrag des Umweltbundesamtes, Januar 1987. 22 Die damaligen Ansätze auf Länderebene sind aufgelistet und bewertet bei Brandt, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, 3. Auflage 1993, S. 178 ff. (182 ff.). 23 Eine ausführliche Erörterung der Problematik enthält Brandt, Altlastenrecht (Fn. 5), S. 222 ff. 24 Besondere Beachtung fanden seinerzeit das sog. Nordrhein-Westfalen-Modell und das sog. Kooperationsmodell Rheinland-Pfalz. Siehe dazu Holtmeier, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, 2. Auflage 1990, S. 200 ff., sowie Wagener, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, 2. Auflage 1990, S. 189 ff. 25 ova Hamburg, NWwZ 1990,788.
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2. Zeitraum 1990 bis 1999 1990 und 1999 Zäsuren vorzunehmen, liegt nahe, weil die beiden Jahre auch unter Bodenschutzgesichtspunkten - einen deutlichen Einschnitt darstellen: 1990 mit der Vereinigung und der sich sehr schnell anschließenden Erkenntnis von massiven Bodenkontaminationen in den Neuen Bundesländern,26 1999 mit dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes. 27
Der vorsorgende Bodenschutz war auf der Ebene der Gesetzgebung in dieser Zeit geprägt durch das Warten auf das Bundesgesetz. Konzepte auf Landesebene wurden vor dem Hintergrund kaum weiterverfolgt. 28 Die flankierende wissenschaftliche Diskussion richtete sich weniger darauf, was denn nun im Einzelnen den Bodenschutz auszeichnen, als vielmehr auf die Frage, ob man sich hinsichtlich der Komposition auf ein reines Altlastengesetz beschränken oder eine Verbindung von vor- und nachsorgendem Bodenschutz anstreben solle?9 Dementsprechend bekam der vorsorgende Bodenschutz innerhalb der Verwaltung einen geringeren Stellenwert, führten zunehmende finanzielle Restriktionen dazu, dass dieser Aspekt mehr und mehr in den Hintergrund trat und andere Prioritäten gesetzt wurden. Tendenziell führte der vorsorgende Bodenschutz in der Phase also eher eine Nischenexistenz. 30 Was innerhalb des nachsorgenden Bodenschutzes das technisch-/administrative Altlasten-Management anbelangt, ist eine unterschiedliche Entwicklung zu konstatieren. Diejenigen Bundesländer, die sich bereits vorher intensiv um die Thematik gekümmert hatten - als Beispiele seien Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen genannt - gingen daran, ihre Normwerke zu verfeinern und im Umgang mit ihnen eine gewisse Routine zu entwickeln. 3l Deutlich erkennbar ist, dass insoweit die positiv zu bewertende Experimentierphase sich ihrem Ende zuneigte. 26 Zu den Dimensionen der Altlastenproblematik in den Neuen Bundesländern siehe Eisoldt, in: Brandt (Hrsg.), Altlasten, 3. Auflage 1993, S. 247 ff. 27 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG) vom 17.3.1998 (BGBI. I 502). In seinen wesentlichen Teilen trat das Gesetz am 1.3.1999 in Kraft (Art. 4 des Gesetzes zum Schutz des Bodens). 28 Dazu Brandt, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 36 (1996), S. 215 ff., m.w.N. 29 Der Diskussionsprozess wird beleuchtet bei SandeniSchoeneck (Fn. 3), Einführung, Rn. 10 ff., 19 ff. 30 Auch dazu Brandt (Fn. 28), a. a. O. 31 Signifikant insoweit die Beiträge in den Sammelbänden: Nordac (Hrsg.), Bodensanierung - Wege zur Standardisierung, 1993, und Nordac (Hrsg.), Qualitätssicherung in der Altlastensanierung, 1994.
Bodenschutz und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft
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In den meisten Bundesländer ist auch im Altlastenbereich die Entwicklung durch das Warten auf das Bundesgesetz gekennzeichnet. Zu der Haltung trug sicherlich auch der Bund selbst bei, indem insbesondere aus dem BMU fortwährend signalisiert wurde, bald werde es ein Bundesgesetz geben, so dass es sich nicht mehr lohne, auf Landesebene eigenständige Kodifikationen zu schaffen. 32 Entgegen dieser Ankündigung war der Bund lange Zeit hindurch tatsächlich nicht in der Lage, ein Bundes-Bodenschutzgesetz zustande zu bringen. Versuche in der 12. Wahlperiode scheiterten, und um ein Haar w.äre es auch in der 13. Wahlperiode nicht gelungen, ein Bundes-Bodenschutzgesetz zu verabschieden. Erst ein Gewaltakt, an dem verschiedene Akteure Anteil hatten, ermöglichte 1997/1998 schließlich den Durchbruch. 33 Auf der Ebene der Verwaltung muss man hinsichtlich des technisch-/administrativen Altlasten-Managements unterscheiden: Auf der einen Seite verfügte man mittlerweile über ein umfangreiches Know-how, hatte sich ein reicher Erfahrungsschatz angesammelt, war die Abarbeitung von Altlasten-Fällen nicht selten schon zu einer Routineangelegenheit geworden. 34 Dem stand das vielzitierte Listenwirrwarr gegenüber, das dazu führte, dass hinsichtlich der zu erreichenden Standards zwischen den einzelnen Bundesländern gravierende Unterschiede bestanden, woraus nicht zuletzt für mögliche Investoren beträchtliche Handlungsunsicherheiten resultierten. 35 Bei der Finanzierung der Altlastensanierung konzentrierten sich die Bemühungen des Bundes ganz wesentlich darauf, mit Hilfe entsprechender Mechanismen in den Neuen Bundesländern zu Lösungen zu gelangen. Stichworte sind hier das Verwaltungs aufkommen bzw. die sogenannte Freistellungsklausel. 36 Für die alten Bundesländer erwuchsen daraus keine Finanzierungsmöglichkeiten; sie waren weiterhin im wesentlichen auf länderspezifische Lösungen angewiesen,37 die sich zudem zunehmend juristischen Problemen 32 Siehe dazu etwa Ziegler. NVwZ 1991, S. 1154 ff.; Schlabach. VBIBW 1993, S. 121 ff. 33 Eine ausführliche Darstellung und Analyse findet sich bei SmeddinckITils. Die Bedeutung des administrativen Binnenbereichs für die Entstehung von Normen untersucht am Beispiel des Bundes-Bodenschutzgesetzes, (im Erscheinen). 34 Signifikant insoweit eine große Zahl von Beiträgen in Franzius/WolflBrandt (Hrsg.), Handbuch der Altlastensanierung (HdA), 2. Auflage, 1996 ff. (Loseblatt). 35 Sehr kritisch zu den damals eingesetzten Werten zur Beurteilung von Bodenverunreinigungen: Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Altlasten 11 (Fn. 6), Rn. 97 ff. 36 Ausführlich dazu wiederum das SRU-Sondergutachten Altlasten 11 (Fn. 6), Rn. 272 ff.
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ausgesetzt sahen, so etwa das nordrhein-westfälische Finanzierungsmodell. 38 Vor dem Hintergrund stellte sich die Finanzierung der Altlastsanierung zunehmend als ein nicht zu unterschätzendes Nadelöhr bei der Problembewältigung dar. Auch die Neuen Ländern profitierten nicht in dem erhofften Maße von den mit Bundeshilfe geschaffenen Finanzierungsmöglichkeiten, weil ihre Umsetzung erhebliche Probleme bereitete, insbesondere der Verwaltungsaufwand beträchtlich war, und vielfach die administrative Infrastruktur fehlte, mit deren Hilfe eine effektive Umsetzung möglich gewesen wäre. Vom Ende her betrachtet gestattet der Zeitraum 1990 bis 1999 einen gemäßigt positiven Befund, weil er durch die Schaffung des Bundes-Bodenschutzgesetzes charakterisiert ist (dazu sogleich). Analysiert man dem gegenüber die einzelnen Etappen, so wurde zunehmend die fehlende Bundesnormierung spürbar. Die möglicherweise notwendige, auf jeden Fall aber nützliche Experimentierphase, in der gestützt auf die Problemverarbeitung vor Ort die Länder in sinnvoller Weise eine Ausformung des Bodenschutzrechts erprobten, kam zum Abschluss bzw. war vorbei; demgegenüber machte sich immer stärker die Heterogenität und Unvollständigkeit der einzelnen Lösungsansätze störend bemerkbar. Die Schieflastigkeit der normativen Erfassung des Mediums Bodens im Verhältnis zu den anderen Umweltmedien wurde zudem immer offenkundiger. Ein Bundes-Bodenschutzgesetz war überfällig.
3. Der Zeitraum seit 1999 Auf der Ebene der Gesetzgebung ist die Situation dadurch geprägt, dass als wesentliche Bestimmungsgröße nunmehr vom Bundes-Bodenschutzgesetz auszugehen ist. Bei näherer Betrachtung zeigen sich aber durchaus unterschiedliche Ausprägungen. So hat der vorsorgende Bodenschutz im Zweiten Teil des Bundes-Bodenschutzgesetzes eine Verankerung an der richtigen Stelle gefunden. 39 Allerdings ist die Ausformung unvollkommen, eine vollzugsorientierte differen37 Eine Übersicht und Bewertung der Altlastenfinanzierungsmodelle in den alten Bundesländern enthält wiederum das SRU-Sondergutachten Altlasten 11 (Fn. 6), Rn. 171 ff., das sich auch insoweit als Fundgrube erweist. Die Finanzierungsproblematik Mitte der 90er Jahre beleuchtet Brandt, in: Oldiges (Hrsg.), Das neue Bundes-Bodenschutzgesetz - Fragen und Erwartungen, 1996, S. 91 ff. 38 Es musste - für verfassungswidrig erklärt - am Ende aufgegeben werden. 39 Im Zweiten Teil sind Grundsätze und Pflichten sowohl für den nach- als auch für den vorsorgenden Bodenschutz normiert.
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zierte Nonnierung hat nicht stattgefunden. 4o Die Schieflage im Verhältnis zum nach sorgenden Bodenschutz ist unverkennbar. Aus Ländersicht muss das nicht zwingend nachteilig sein, denn damit ergeben sich Möglichkeiten zum Experimentieren, werden eigene Entwicklungen nicht abgeschnitten. 41 Eine ergiebige Ausschöpfung dieser Möglichkeiten würde allerdings voraussetzen, dass in koordinierter und konzentrierter Fonn die Verwaltung aktiv die vorhandenen Spielräume auszufüllen bereit wäre. Daran fehlt es jedoch weitgehend. Immerhin kann man hier und dort Konzepte erkennen, die entwickelt und weiterentwickelt werden. Im Bereich des nachsorgenden Bodenschutzes ist für das technisch-/administrativen Altlasten-Management durch die Kombination von BundesBodenschutzgesetz sowie Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung42 eine über weite Strecken gut handhabbare rechtliche Grundlage geschaffen worden. Noch bestehende Lücken und Handlungsunsicherheiten werden ersichtlich sukzessive geschlossen bzw. beseitigt. Auf der Ebene der Verwaltung tragen zu einer tendenziell reibungslosen Umsetzung nach wie vor Koordinierungsgremien wie die LABO oder auch außerhalb der Verwaltung stehende, aber mit ihr intensiv kooperierende Einrichtungen wie die ITV A oder der BVB bei. 43 Mittlerweile existiert ein reicher Erfahrungsschatz, der in Kompendien wie dem Handbuch der Altlastensanierung oder in der Zeitschrift Bodenschutz gespeichert und abrufbar ist. Nach wie vor unbefriedigend ist die Regelung der Finanzierung der Altlastensanierung. Die Ansätze im Bundes-Bodenschutzgesetz reichen bei weitem nicht aus, um als tragfähige Basis dienen zu können. In den Neuen Bundesländern erweist sich, dass die Erwartungen, die insbesondere mit der Freistellungsklausel verbunden waren, sich nur teilweise erfüllt haben. Bundesmittel können zum Teil nicht abgerufen werden, weil die Länder nicht in der Lage sind, den Eigenanteil aufzubringen. Vor dem Hindergrund einer fehlenden bzw. unzureichenden Gesetzgebung haben sich auf kommunaler- bzw. Landesebene neuartige Finanzierungsansätze herausgebildet, in denen etwa mit revolvierenden Fonds oder mit der Einbeziehung Privater operiert wird. Die prinzipiellen Defizite lassen sich dadurch nicht beheben. In der Summe führt das dazu, dass wie schon im letzten Jahrzehnt die mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten das 40 Von den entsprechenden Verordnungsermächtigungen ist bisher kein Gebrauch gemacht worden. 41 Anknüpfungspunkte bzw. mögliche Experimentierfelder nennt etwa Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2000 (Fn. 7), Rn. 549 ff. 42 Vom 12.7.1999 (BGBI. I 1554). 43 Eine wissenschaftliche Untersuchung dieser Einrichtungen steht noch aus.
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zentrale Nadelöhr darstellen, wenn es darum geht, zu einer zügigen Abarbeitung des Altlastenproblems beizutragen. 44 Die Schieflage, die schon den zuvor betrachteten Zeitraum kennzeichnete, ist insgesamt gesehen somit auch unter dem Vorzeichen des BundesBodenschutzgesetzes nicht beseitigt. Zusammenfassende Bewertung Der Befund bei der Betrachtung der drei Zeiträume bis 1990, 1990 bis 1999 und seit 1999 ist demnach nicht einheitlich, teil weise sogar widersprüchlich. Das gilt bereits dann, wenn als Kriterium allein das Kriterium Effektivität bei der Erreichung VOn Bodenschutzzielen herangezogen wird. Es bedarf keiner großen Fantasie, sich vorzustellen, dass die Uneinheitlichkeit der Einschätzung erst recht zu gelten hat, wenn die weiteren Kriterien, die anfangs erwähnt wurden, mit in die Betrachtung einbezogen werden. Das Bundes-Bodenschutzgesetz ist die neue Basisgröße für alle weitergehenden Überlegungen. Im Zusammenspiel Bund - Länder ist dieses Gesetz in gewisser Weise als Ende einer Entwicklung anzusehen. Natürlich ist noch die eine oder andere Verfeinerung oder weitere Ausformung möglich und nötig. Die damit verbundenen Fragestellungen sind dann jedoch eher im Mikro- als im Makrobereich angesiedelt. Vor dem Hintergrund des großen Themas Nachhaltigkeit treten neue Themen auf die Agenda: Im Mittelpunkt dürfte hier die Ressourcenschonung stehen, also die Bewahrung des Bodens für die Nutzung durch nachfolgende Generationen. Darauf bezogen stellen sich ganz neue Anforderungen auch an normative Vorgaben. Die Länder müssen aller Voraussicht nach auch dabei wieder vorangehen. Inwieweit europäische Vorgaben insoweit eine stärkere Rolle spielen werden als bisher, kann derzeit noch nicht zuverlässig gesagt, wohl aber vermutet werden. Die Tatsache, dass auf der Handlungsebene tendenziell neue Fragestellungen in den Vordergrund treten, schließt nicht aus, dass die wissenschaftlich-analytische Durchdringung des hier betrachteten Zeitraums weitere Anstrengungen erfordert. Dazu seien abschließend einige wenige Hinweise geliefert.
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So auch dezidiert das SRU-Gutachten 2000 (Fn. 7), Rn. 532 ff.
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IV. Forschungsbedarf für den Bereich Bodenschutz/Föderalismus Ganz grob kann man hier unterscheiden den Bereich der Entstehung des Bundes-Bodenschutzgesetzes, die für den Bodenschutz zentralen Gegenstände und Konzepte sowie die Umsetzung des Bodenschutzrechts. Was im Hinblick auf die Entstehung des Bundes-Bodenschutzgesetzes die Rolle der Ministerialverwaltung anbelangt, so dürfte sie mittlerweile ausreichend erforscht sein. 45 Das wird man vergleichsweise weniger von der Rolle des Vermittlungsausschusses sagen können, der in der Endphase der Gesetzgebung für eine ganze Reihe von Veränderungen der normativen Ausrichtung sorgte. 46 Unter Umständen könnte die Beschäftigung mit der Rolle des Vermittlungsausschusses bei der Entstehung des Bundes-Bodenschutzgesetzes im Übrigen zum Anlass genommen werden, seine Funktion im Gesetzgebungsverfahren auch grundsätzlich zu untersuchen. Was die Gegenstände und Konzepte betrifft, bedarf es gewiss einer vertieften Beschäftigung damit, was Vorsorge im Bereich des Bodenschutzes bedeutet, welche Dimensionen davon erfasst werden, aber auch, wie das Vorsorgeprinzip normativ erfasst und handhabbar gemacht werden kann. 47 Ersichtlich fehlt eine umfassende Analyse der verschiedenen Aspekte der Finanzierung der Altlastensanierung in der Vergangenheit. Aus einer solchen Untersuchung ließen sich gewiss auch Ableitungen für erfolgreiche Zukunftskonzepte ableiten. Stiefmütterlich behandelt wurde in der Vergangenheit die Fragestellung Bodenschutz und Landwirtschaft. 48 Die Regelung, wie sie in § 17 BBodSchG gefunden worden ist, kann gewiss nicht als eine wirkliche Problemlösung angesehen werden. Hier bedarf es sowohl empirischer Studien als auch der Entwicklung neuer Konzepte - gerade unter dem Vorzeichen Nachhaltigkeit. 45 Hingewiesen sei noch einmal auf die umfangreiche Untersuchung von SmeddinckfTils (Fn. 33). 46 Instruktiv dazu bereits Becker, in: Brandt/Smeddinck/Tils (Hrsg.), Gesetzesproduktion im administrativen Binnenbereich, 2001, S. 67 ff. 47 Angeknüpft werden könnte dabei an Überlegungen, wie sie etwa von Fleury, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht, 1995, Kloepfer, Umweltrecht, 2. Auflage 1998, § 4 Rn. 5 f., oder Rehbinder, Das Vorsorgeprinzip im internationalen Vergleich, 1991, angestellt werden. Aus der jüngsten Zeit siehe Behling, in: FGU (Hrsg.), Boden und Altlasten, Symposium 2001, 2001. 48 Noch einmal sei das SRU-Gutachten 2000 (Fn. 7), Rn. 554 ff., angeführt. 24 Kloepfcr
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In der Sache hängen Bodenschutz und Gewässerschutz eng zusammen. Die rechtliche Abarbeitung im Bundes-Bodenschutzgesetz ist auf Weiterentwicklung und Optimierung angewiesen. Eine differenzierte rechtswissenschaftliche Studie zu Problemfällen könnte sicherlich weiterhelfen. Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Bodenschutzrechts würde eine Analyse der Rolle von Koordinierungseinrichtungen - wie der LABO - wichtige Erkenntnisse ermöglichen. Ähnliches gilt für die Organisation der Bodenschutzverwaltungen nach dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes. Hier ist insbesondere an das Verhältnis der unteren Verwaltungsbehörden zu den Umweltfachbehörden zu denken. Welche Rolle externer Sachverstand - ITVA usw. - bei der Problemartikulation, aber auch der Problemlösung spielte und spielt, müsste ebenso wissenschaftlich aufbereitet werden wie die Rolle der Beteiligung Betroffener, die zu Beginn der Beschäftigung mit dem Thema eine ganz erhebliche Rolle spielte, tendenziell aber inzwischen eher in den Hintergrund getreten ist. Zu erwarten ist, dass Erkenntnisse aus dem Bereich Bodenschutz - Föderalismus sich auch fruchtbar machen ließen für das größere Thema Umweltschutz - Föderalismus.
4. Gewässerschutz und Föderalismus
Gewässerschutz und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft Von Frank Andreas Schendei
I. Einleitung Das Thema "Gewässerschutz und Föderalismus aus der Sicht der Wirtschaft" hätte kaum aktueller vom Leiter dieser wissenschaftlichen Tagung, Herrn Prof. Kloepfer, gewählt werden können. Ein wichtiger Prüfstein für den Föderalismus, wie er in Deutschland heute mit 16 Bundesländern gelebt wird, liegt im Bereich des Gewässerschutzes vor uns, nämlich die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie vom 23. Oktober 2000' in nationales Recht. Dies soll durch Regelungen des Bundes mit einer 7. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz (WHG) erfolgen und in enger Abstimmung damit durch Novellierung der 16 Landeswassergesetze, die in den einzelnen Bundesländern existieren. Diese Aufgabe ist in einer knappen Frist bis zum Ende des Jahres 2003 zu lösen und kann nur zeit- und sachgerecht gelöst werden, wenn eine enge und konstruktive Koordination und Abstimmung zwischen Bund und Ländern in dieser Thematik erfolgen. Die Voraussetzungen dafür sind durch viele Vorarbeiten in der LA WA günstig, und offensichtlich will man diesmal in den Wasserwirtschaftsverwaltungen von Bund und Ländern Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof wegen nicht zeitgerechter oder nicht vollständiger Umsetzung der Rahmenrichtlinie vermeiden. Wir können dies aus der Sicht der Wirtschaft nur begrüßen und bieten hierzu ausdrücklich einen konstruktiven Dialog mit Bund und Ländern für die nicht immer einfachen Fragen der Umsetzung der Europäischen Vorgaben in die verschiedenen nationalen Bestimmungen an.
11. Gewässerschutz auf drei Ebenen 1. Europäische Union
Seit mehr als 25 Jahren wird Gewässerschutz in Deutschland durch gesetzgeberische Aktivitäten auf drei Ebenen geprägt. Während ursprünglich die Länderregelungen, ausgehend vom alten preußischen Wasserrecht und I
2000/60/EG ABI. Nr. L 327 S. I.
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Frank Andreas Sehendel
anderen Regelungen der Länder beherrschend waren, ist seit 1960 das WHG des Bundes eine wichtige und prägende gesetzliche Regelung. Mehr und mehr sind aber auf europäischer Ebene Regelungen als Richtlinien getroffen worden, die heute sehr stark die Vorgaben des Gewässerschutzes prägen. Mit dem Kraftakt der Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahre 2000, die fast ein Jahrzehnt Vorarbeiten erforderte, ist eine gewisse Harrnonisierung von Regelungen auf europäischer Ebene erreicht worden. Dem vorausgegangen waren viele punktuell ansetzende Regelungen über den Schutz bestimmter Gewässer oder die Ableitung von Stoffen in die Oberflächengewässer der Gemeinschaft, insbesondere die Richtlinie 761 464/EWG vom 04.05.1976 2 , die in den nächsten Tagen bereits 25 Jahre existiert. Die Europäische Union kann sich heute bei der Gesetzgebungskompetenz auf Artikel 174 ff. des Vertrages von Amsterdam stützen. Dabei erlässt die Europäische Gemeinschaft teilweise Rahmenbestimmungen, die noch einer erheblichen Ausfüllung durch die Mitgliedsstaaten bedürfen. Zum Teil werden aber auch detaillierte Regelungen mit konkreten Fristenvorgaben getroffen, wie z.B. die Richtlinie des Rates vom 21.05.1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (91/271/EWG)3. Dem gegenüber zeigt schon die Überschrift der Wasserrahmenrichtlinie v. 23.10.2000, dass sie einen Ordnungsrahmen für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik schaffen will (Richtlinie 20oo/60/EG). 2. Bundesrepublik Deutschland Das Wasserrecht in Deutschland, basierend auf dem WHG von 1957, das 1960 in Kraft getreten ist und seitdem sechs wichtige Novellierungen erfahren hat, beeinflusst maßgebliche Teile des Wasserrechts durch bundesrechtliche Regelungen. Dies gilt im wesentlichen für die Benutzungstatbestände, besonders die Entnahme von Wasser, insbesondere auch Grundwasser und die Ableitung von Abwasser. Hierzu ist ein detailliertes Abwasserregime auf der Basis des § 7 a WHG erstellt worden. In einer gesonderten AbwasserVO mit mittlerweile fast 60 Anhängen für spezielle Branchen werden genaue Anforderungen an die Bedingungen für die Einleitungen von Abwasser in die Gewässer geregelt. Dieses Abwasserregime ist in den letzten 20 Jahren geschaffen, insbesondere nach der 6. Novelle zum WHG von 1996 gründlich überarbeitet, systematisiert und ausgebaut worden. Durch die enge Abstimmung der Regelungen zwischen Bund und Ländern in den Arbeitskreisen zu § 7 a WHG ist sichergestellt, dass hier ein konstruktives Zusammenwirken im föderalistischen Staat erfolgt. Dementsprechend be2
3
ABI. Nr. L 129, S. 23. ABI. Nr. L 135, S. 40.
Gewässerschutz und Föderalismus aus Sicht der Wirtschaft
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dürfen die AbwasserVO und die sie ändernden Verordnungen der letzten Jahre auch der Zustimmung des Bundesrates. Als zweites großes Gesetzeswerk im Abwasserbereich ist das Abwasserabgabengesetz von 1976 zu nennen, das seitdem viermal intensiv novelliert worden ist. Es erhebt für die Einleitung von Abwasser in die Gewässer eine Abgabe, die für verschiedene Parameter differenziert gestaltet ist und sowohl im Abgabesatz als auch in anderen Regelungen ausgesprochene Vollregelungen des Bundes enthält. Die Länder haben in eigenen Ausführungsgesetzen das Abwasserabgabengesetz in einigen Punkten vertieft oder ausgestaltet, dominant ist aber das Bundesrecht mit seinen Regelungen. 3. Wasserrecht der Bundesländer In 16 Landeswassergesetzen haben die Bundesländer seit 1960 recht ausführliche Regelungen im Wasserbereich getroffen. Die neuen Bundesländer haben seit 1990 jeweils eigene neue Landesregelungen erlassen. Allein das nordrhein-westfälische Wassergesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 25.06.1995 4 umfasst 173 Vorschriften. Es befasst sich dabei mit sehr unterschiedlichen Bereichen, wie der Gewässerunterhaltung, dem Gewässerausbau, der Sicherung des Hochwasserabflusses und der Gewässeraufsicht, auch der Behörden und des Verwaltungsverfahrens, aber auch wichtiger Fragen der Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und der Benutzung der Gewässer, die insbesondere für die Wirtschaft von Bedeutung sind. Eine der Schwierigkeiten für die Wirtschaft, insbesondere für die global oder zumindest im europäischen Bereich arbeitenden Unternehmen, ist die Vielfalt von unterschiedlichen Regelungen und Entwicklungen. Dies kann am deutlichsten demonstriert werden, wenn man sich die sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen der Länderwassernutzungsentgelte ansieht. Die Wassernutzungsentgelte der Länder sind als Ressourcennutzungsgebühr vom Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform erachtet worden 5 . Wie wir vor einigen Jahren in dem Symposium "Abfallrecht und Föderalismus" feststellen mussten, sind durch die seinerzeit gerade verkündeten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts v. 07.05.1998 in Sachen Verpackungssteuer und Landesabfallabgabengesetze ähnliche Entwicklungen im Bereich des Abfallrechts vom Bundesverfassungsgericht nicht honoriert, vielmehr für verfassungswidrig erklärt worden 6 •
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GV NW S. 926. Beschluss vom 07.11.1995 BVerfGE 93, S. 319 ff. BVerfG NJW 1998, S. 2341 u. S. 2346.
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111. Verfassungsrechtliche Vorgaben zur Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Gewässerschutzes 1. Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 75 GG) Nach der verfassungsrechtlichen Ordnung hat der Bund für den Wasserhaushalt nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG das Recht, Rahmenvorschriften unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG zu erlassen. Diese Rahmengesetzgebungskompetenz prägt das Wasserrecht seit Jahrzehnten. Bisherige Bemühungen, für den Bereich des Wasserhaushalts die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 GG zu schaffen, waren letztlich ohne Erfolg. Erste Versuche gab es schon 1957 bei den Beratungen zum Wasserhaushaltsgesetz des Bundes7 . So wurden zuletzt bei Beginn der Gesetzgebungsarbeiten zu einem Abwasserabgabengesetz Überlegungen angestellt, hierfür durch eine Verfassungsänderung eine volle Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 GG zu schaffens. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Abwasserabgabengesetz9 ging noch von einer konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes aus. Dafür sollte in Art. 74 Nr. 24 GG eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes geschaffen werden. Die Bundesregierung hat dazu den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes eingebracht JO • Die Verfassungsnovelle hatte allerdings keinen Erfolg. Der Widerstand des Bundesrates war zu stark. Daher wurde das Abwasserabgabengesetz 1976 auf Art. 75 Nr. 4 GG kompetenzrechtlich abgestützt 11. Im Gegenteil ist durch die Verfassungsnovelle von 1994 12 der Bundesgesetzgeber in seinen Kompetenzen in diesem Bereich eher eingeschränkt worden. Durften bis dahin auch noch Einzelfallregelungen getroffen werden, so lange für den Landesgesetzgeber ausfüllungsfähige und ausfüllungsbedürftige gesetzliche Vorschriften zur Verfügung standen, so heißt es in Art. 75 Abs. 2 GG jetzt, dass Rahmenvorschriften nur noch in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten dürfen. Der Bund ist also bei der Gesetzgebung in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. Bestehende Regelungen unterliegen allerdings dem Bestandsschutz des Art. 125a GG. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stehen wir daher vor der wichtigen, für die weitere Entwicklung des Wasserrechts maßgeblichen Frage, ob die Gesetzgebungsverteilung zwischen Bund und Ländern in Vgl. dazu Czychowski. WHG. 7. Aufl., Einl. III 2. Vgl. BTDrueks. VI 1298 sowie BTDrueks. VI/27 \0. 9 BTDrueks. 7/2272. 10 Vgl. Gesetzesentwurf vom 22.06.1973 (BTDrueks. 7/887). 11 Vgl. dazu Köhler, Abwasserabgabengesetz 1999, Einl. Rn. 203 ff. 12 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994, BGBI I, S. 3146. 7
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diesem Bereich in der bisherigen Weise fortgesetzt wird, oder ob eine Verfassungsänderung mit dem Ziel der Einführung einer konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes für den Bereich des Wasserhaushaltes sinnvoll und erforderlich ist.
2. Gesetzgebungsaufgaben Bei einer Bestandsaufnahme bezüglich der gegenwärtigen gesetzgeberischen Aktivitäten im Bereich des Gewässerschutzes wird deutlich, dass eine Reihe von wichtigen, gesetzlichen Projekten in kurzer Zeit zur Entscheidung bzw. zur Umsetzung in nationales Recht - soweit es sich um europäische Richtlinien und Vorgaben handelt - anstehen. Diese neue Dimension der europäischen Vorgaben für den Bereich des Gewässerschutzes aufgrund von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft ist eine erhebliche Veränderung in der gesetzgeberischen Realität im Verhältnis zur Schaffung des Grundgesetzes vor gut 50 Jahren. Damals ging es zunächst um die Frage einer sachgerechten Verteilung der Zuständigkeiten und Gesetzgebungsbefugnisse zwischen Bund und Ländern. Wasserrechtliche Regelungen waren auf Länderebene schon seit vielen Jahrzehnten getroffen, so dass sich eine Entscheidung im Sinne der Zuweisung zum Art. 75 GG seinerzeit durchaus vertreten ließ. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts hat die Europäische Gemeinschaft eine Reihe von wichtigen, wasserrechtlichen Regelungen erlassen. Beispielsweise ist hier die Richtlinie des Rates von 4. Mai 1976 betreffend die Verschrnutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft (76/464/EWG) zu nennen. Zu dieser Richtlinie sind in den folgenden Jahren eine ganze Anzahl von Tochterrichtlinien erlassen worden, die für bestimmte Parameter Anforderungen konkretisiert haben l3 . Heute stehen wir vor der schwierigen Umsetzung von umweltrechtlichen und damit auch wasserrechtlichen Vorgaben aus europäischen Richtlinien insbesondere der IVU-Richtlinie 96/61 EG vom 24.09.1996 14 - die in engem zeitlichen Zusammenhang mit der UVP-Änderungsrichtlinie 97111/ EG I5 in nationales Recht umgesetzt werden soll. Die Bundesregierung hatte sich zunächst entschieden, diese Umsetzung im Rahmen eines Umweltgesetzbuches, Erstes Buch vorzunehmen 16. Bei der kritischen Analyse der dafür erforderlichen Gesetzgebungskompetenzen zeigte sich, dass für den 13 14
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Vgl. dazu aktuell Knopp, ZfW 1999,257 ff. ABI. Nr. L 257 vom 10.10.1996, S. 26 ff. ABI. Nr. L 73 vom 14.03.1997, S. 5 ff. Entwurf BMU vom 23.04.1999 nebst EG UGB.
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Bereich der wasserrechtlichen Regelungen, insbesondere im Rahmen einer Vorhabengenehmigung und der dazugehörigen ergänzenden Regelungen, erhebliche kompetenzrechtliche Fragen und Zweifel auftreten. Aufgrund der neuen verfassungsrechtlichen Situation seit der Verfassungsnovelle von 1994 bestanden, insbesondere bei den Verfassungsressorts der Bundesregierung, also bei den Bundesministerien des Inneren und der Justiz, ernsthafte Bedenken, Vollregelungen im Bereich des Wasserrechts für eine Vorhabengenehmigung zu befürworten. Dies führt bei dem integrativen Ansatz der IVU-Richtlinie sofort zu erheblichen Friktionen, weil es auch von der praktischen späteren Handhabung her nur schwer vorstellbar ist, dass immissionsschutz-, bodenschutz- und abfallrechtliche Regelungen im Rahmen einer bundesgesetzlichen Regelung getroffen werden, während wasserrechtliche, eng damit zusammenhängende Fragen im Sinne des integrativen Ansatzes etwa durch Landesregelungen ausgeführt werden würden 17. Im Zusammenhang mit der integrierten Vorhabengenehmigung der IVURichtlinie stellen sich bei Verwirklichung durch ein Umweltgesetzbuch, Erstes Buch, die Fragen der Gesetzgebungskompetenz für wasserrechtliche Regelungen, vor allem im Hinblick auf die Sachkomplexe der Gewässerbenutzung, des Ausbaus von Gewässern und der Abwasserbehandlungsanlagen l8 .
3. Umweltgesetzbuch (Sendler-Kommission) Im Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit l9 , wird die Auffassung vertreten, dass der Kompetenztitel für den Wasserhaushalt in Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG ausreiche. Die Regelungen über die Zulassung von Gewässerbenutzungen sind heute in den §§ 2 ff. WHG getroffen. Hierbei geht es um den Kernbereich des Schutzes und der Bewirtschaftung von Gewässern. Der Bundesgesetzgeber hat hierbei die wesentlichen Anforderungen der Erlaubnis bzw. Bewilligung einheitlich festgelegt. Die in diesen Vorschriften getroffenen Grundentscheidungen sind in Einzelheiten gehende unmittelbar geltende Vorschriften, die nach dem neuen Art. 75 Abs. 2 GG einer besonderen Rechtfertigung bedürfen2o . Die Verfasser des Kommissionsentwurfes verweisen in diesem Zusammenhang auf das gesamtstaatliche Interesse an bunDazu Berendes, Umweltgesetzbuch und Wasserrecht, ZfW 1999,212 ff. Vgl. dazu Rengeling, Gesetzgebungskompetenz für den integrierten Umweltschutz, 1999, S. 105 ff. 19 ßMU (Hrsg.) UGß-KomE S. 1063 ff. 20 Vgl. dazu ßMU (Hrsg.) UGß-KomE S. 1076 ff. 17
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deseinheitlichen Nutzungsanforderungen für die Gewässer. Dieses Interesse besteht zum einen am Schutz und an der Erhaltung der Gewässer, für die sowohl aufgrund der Staatszielbestimmung in Art. 20 a GG als auch im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Lebensbedingungen gleiche Mindestanforderungen vorgegeben werden müssen. Zum anderen geht es im Rahmen der Bewirtschaftung von Gewässern darum, bei der Verteilung von Nutzungsrechten gleiche Wettbewerbs bedingungen zu gewährleisten. Im Kommissionsentwurf werden auch die Regelungen über den Gewässerausbau und über Abwasserbehandlungsanlagen trotz der in Einzelheiten gehenden Vorschriften bzw. des unmittelbar geltenden Charakters, als mit Art. 75 Abs. 2 GG vereinbar angesehen. So ist § 18c WHG, der zur Umsetzung der entsprechenden Verpflichtungen aus der UVP-Richtlinie erlassen wurde, eine Vollregelung. Sie wird in der Literatur zum Teil auch auf die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) gestützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Abwasserbehandlungsanlagen Teil von Industriekomplexen sind 21 . 4. Umweltgesetzbuch Bei der Beurteilung der Verteilung der Gesetzgebungskompetenz im Verhältnis zwischen Bund und Ländern nach dem Grundgesetz ist es hilfreich, weitere in den kommenden Jahren bevorstehende Rechtssetzungsakte zu betrachten und dabei zu prüfen, ob sich wichtige Gesichtspunkte für eine Änderung der Gesetzgebungszuständigkeit in Richtung auf eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Artikel 74 GG ergeben. Neben der bereits o. a. Umsetzung der IVU-Richtlinie und der UVP-Änderungsrichtlinie durch ein Umweltgesetzbuch, Erstes Buch, die nach den Vorstellungen der Bundesregierung kurzfristig erfolgen soll, um die Fristen aus den europäischen Richtlinien zu beachten, stellt sich die Gesetzgebungskompetenzfrage, insbesondere bei der beabsichtigten Schaffung eines neuen harmonisierenden Umweltgesetzbuches. Dazu hat die Sendler-Kommission 22 einen umfassenden Gesetzesvorschlag bereits vorgelegt, der eine wichtige Grundlage für die weitere Diskussion sein wird. In diesem Kommissionsentwurf sind die vorangegangenen Professorenentwürfe für ein Umweltgesetzbuch, Allgemeiner und Besonderer Teil, bereits berücksichtigt. Bei einer Regelung des Wasserrechts im bisherigen Umfang und mit der gleichen inhaltlichen Tiefe im UGB 23 dürfte die Frage, ob dafür eine Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG ausreicht, 21 22
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Vgl. dazu Rengeling, a.a.O., S. 112. ßMU (Hrsg.) UGß-KornE. Vgl. 11. Kapitel, §§ 355 UGß-KornE ff.
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nach der neuen Verfassungslage seit der Verfassungsnovelle aus dem Jahre 1994 eher verneint werden. Eine wirkliche Harmonisierung und Kodifizierung in einem Umweltgesetzbuch auf einer zweifelhaften verfassungsrechtlichen Grundlage bzw. auf einer schwierigen Verteilung von Regelungen in einem UGB und andererseits in 16 Landeswassergesetzen scheint keine zukunftsweisende Lösung zu sein. Von daher ist der Gesetzgeber gut beraten, wenn er bei der Schaffung eines umfassenden Umweltgesetzbuches die Gesetzgebungszuständigkeit überprüft und neu gestaltet im Sinne der Schaffung einer umfassenden Rechtssetzungsbefugnis für das Wasserrecht wie beim Immissionsschutzund beim Abfallrecht.
5. Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie Als ein weiteres, wichtiges Projekt steht seit einigen Jahren die EG-Wasserrahmenrichtlinie an 24 . Diese Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union wird mit dem Flussgebietsansatz und anderen wichtigen neuen Vorgaben grundlegende Anforderungen an die Neugestaltung des deutschen Wasserrechts mit sich bringen und hat somit intensiven Einfluss auf die Wasserwirtschaft. Wie bereits der Flussgebietsansatz zeigt, geht dieses europäische Rechtssetzungsprojekt von neuen wasserwirtschaftlichen Gegebenheiten aus und kann dabei Ländergrenzen, die politisch gesetzt sind, nicht vorrangig berücksichtigen. Diese wichtige Richtlinie der EU steht zur Umsetzung in nationales Recht an. Um eine zügige und termingerechte Umsetzung zu gewährleisten, sollten möglichst bald die wichtigen Kompetenzfragen im Bereich des Wasserhaushalts neu geregelt werden. Fachleute sehen in der Rahmenkompetenz des Bundes erhebliche Erschwernisse, im Hinblick auf eine fristgemäße, korrekte und einheitliche Umsetzung von EG-Recht. Die Länder haben bisher EG-Wasserrecht teilweise sehr unterschiedlich und zeitlich gestreckt umgesetzt. Dazu kann insbesondere auf die unterschiedliche Umsetzung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser (911271/EWG)25, hingewiesen werden.
6. Bodenschutzrecht Bei der Bodenschutzgesetzgebung des Bundes haben sich auch erhebliche Schwierigkeiten - insbesondere im Hinblick auf die Thematik "Grundwasserschutz" - ergeben. Während das Bundesbodenschutzgesetz26 in wich24 EU-Wasser-Rahmenriehtlinie vom 23.10.2000 - 2000/60/EG ABI. Nr. L 327, S. I - vgl. dazu Breuer, NVwZ 1998, 1001 ff.; Bosenius, NVwZ 1998, S. 1039. 25 ABI. Nr. L 135 vom 21.05.1991, S. 40. 26 Bundesbodensehutzgesetz vom 17.03.1998 BGBI I S. 502.
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tigen Regelungen auf die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 18 GG (das Bodenrecht) gestützt wird, wird ergänzend auch die Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Abs.l Nr. 4 GG herangezogen. Zur KlarsteIlung und Vermeidung von Problemen wird an verschiedenen Stellen im Gesetz ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich bestimmte Anforderungen nach dem Wasserrecht richten, z.B. in § 3 Abs. 4 S. 3 BBodSchG. Ebenso ist bei der Regelung zur Vorsorgepflicht in § 7 am Ende festgelegt: "Die Vorsorge für das Grundwasser richtet sich nach den wasserrechtlichen Vorschriften". Der Bundesgesetzgeber hat sich bemüht, in der Gemengelage zwischen Bodenschutz und Gewässerschutz verfassungsrechtliche Probleme zu vermeiden. Die aufgrund der jetzigen verfassungsrechtlichen Situation bestehenden Schwierigkeiten setzen sich auch bei der Umsetzung der Vorgaben des Bundesbodenschutzgesetzes durch die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSch V)27 - insbesondere die Konstruktion von Prüfwerten für die Beurteilung des Wirkungspfades Boden - Grundwasser im Anhang 2 Ziff. 3 BBodSchV zeigt die "Kompetenznot" des Bundes indem er für diesen Zweck Sickerwasserprüfwerte schafft. Andere Regelwerke zur Beurteilung der Schadstoffkonzentration, wie z. B. die neu gefasste Holland-Liste, können hingegen Grundwasserwerte regeln. Dies ist in Deutschland nur durch ein Zusammenwirken im Rahmen der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser möglich, wo entsprechende Vorstellungen auch entwickelt worden sind.
7. Abwasserabgabengesetz Außerdem steht eine Novellierung des Abwasserabgabengesetzes an, um insbesondere den Gedanken der Messlösung im Gesetz zu verwirklichen, worauf schon der 12. Deutsche Bundestag in einer Entschließung 28 hingewirkt hat. Alle umweltpolitischen Überlegungen zur Änderung bzw. Anpassung des Abwasserabgabengesetzes stoßen auf erhebliche Kompetenzprobleme, wenn man Art.75 Abs. 2 GG streng und eng auslegt. Deutlich erkennbar sind im Abwasserabgabengesetz an vielen Stellen Vollregelungen enthalten, die Möglichkeiten der Länder zur Ausfüllung und Ergänzung des Abwasserabgabengesetzes sind bescheiden.
Bodenschutz- und Altlastenverordnung vom 12.07.1999 BGBI I, S. 1554. Entschließung vom 02.12.1993 zur 4. Novelle des AbwAG (BTDrucks. 12/ 6281). 27
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8. Wasserhaushaltsgesetz Die jeweilige Fortschreibung bzw. Anpassung des Abwasserregimes in Ausfüllung des § 7 a Wasserhaushaltsgesetz ist eine wichtige Materie. Die Abwasserverordnung und die in ihren Anhängen erlassenen wichtigen Vorschriften mit Vorgaben für die Erteilung von Erlaubnissen zur Einleitung von Abwasser sind wesentliche Regelungen für die Gestaltung der Wasserwirtschaft und bedürfen zur bundeseinheitlichen Gestaltung der Vorgaben einer verlässlichen verfassungsrechtlichen Grundlage. Weiterhin ist das Recht für Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen im Sinne der §§ 19 g ff. WHG als wichtige bundesgesetzliche Regelung anzuführen. Hierzu sind gerade wesentliche Neuregelungen durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Wasserhaushaltsgesetz über die Einstufung wassergefährdender Stoffe in Wassergefährdungsklassen (VWVWS)29 erfolgt. 9. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen nach Art. 74 GG 1. Diese keineswegs abschließende, aber wesentliche Vorhaben des gegenwärtigen und zukünftigen HandeIns herausstellende Auflistung zeigt, dass dringender Diskussionsbedarf besteht, die Frage der richtigen Zuordnung der Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Wasserhaushalts in den gesetzgebenden Körperschaften zu erörtern, mit dem Ziel, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 GG für den Bund zu schaffen. Dies ist kein Angriff auf den Föderalismus, sondern eine notwendige Maßnahme der verfassungsrechtlichen Restrukturierung im Hinblick auf die europäische Entwicklung und auf die Erkenntnis, dass wasserrechtliche - insbesondere abwasserrechtliche - Vorgaben für die Bundesrepublik Deutschland am besten einheitlich durch den Bund geregelt werden können. Gerade die Entwicklung der Abwasservorschriften aufgrund des § 7 a WHG (früher Abwasserverwaltungsvorschriften, jetzt Anhänge zur Abwasserverordnung) zeigen deutlich, dass auch für diese Bereiche eine sachliche Notwendigkeit für eine Bundeskompetenz gegeben ist.
2. Reinhardt 30 hat sich mit der Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen im Umweltrecht eingehend befasst. Der Untertitel seiner Untersuchung zum SchwerpunkUhema Umweltgesetzbuch/Kommissionsentwurf lautet: "Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Umweltschutz". Hierbei werden auch die 29 Verwaltungsvorschrift Wassergefährdende Stoffe - VwVwS vom 17. Mai 1999 BAnz. 1999, Nr. 98a. 30 Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts, 1998, Seite 123 ff.
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föderalistischen Aspekte angesprochen und die verfassungsrechtliche Disponibilität der Kompetenzordnung untersucht. Seine Schlussfolgerung lautet, dass die Schaffung einer Vollkompetenz des Bundes für den Umweltschutz insgesamt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Eine "unantastbare Landesgesetzgebungskompetenz für den Natur- und Gewässerschutz" bestehe nicht. Reinhardt verweist auch auf Vorteile der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Voll- und Rahmenkompetenz und betont letztlich den politischen Charakter der Entscheidung. 3. Oldiges 31 untersucht die Frage der Gesetzgebungskompetenzen im Wasserwirtschaftsrecht. Dabei stellt er ebenfalls die Frage der Reformbedürftigkeit. Insbesondere prüft er das Konzept der Rahmengesetzgebung und untersucht dabei schwerpunktmäßig strukturelle Schwächen des Rahmengesetzgebungskonzepts. Die gegenwärtige Situation berge die Gefahr legislatorischer Disharmonien in sich. In seinen Schlussfolgerungen stellt Oldiges fest, dass eine Rechtsvereinheitlichung gezielt jedenfalls dort zu fordern ist, wo Rechtsvielfalt sich als nachteilig erweist. Landesrecht fordere eine Komplizierungsspirale, die der gegenwärtig zu erkennenden Tendenz zur Harmonisierung und Vereinfachung entgegenlaufe. Für das Wasserhaushaltsrecht bedeute dies, dass es überlegenswert sei, dies jedenfalls teilweise dem Kompetenzregime der konkurrierenden Gesetzgebung zu unterstellen. 4. Im Zusammenhang mit dieser Diskussion passt eine Anfang Juli 1999 in der Öffentlichkeit gestartete Initiative der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen mit dem Ziel einer Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen der Länder, insbesondere im Bereich des Finanzverfassungsrechts. Die Zielrichtung der Vorschläge dieser drei Bundesländer ist es, den Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu kürzen oder von dort Bereiche in die Rahmenkompetenz des Bundes zu verlagern. Damit soll der Bund auf die Regelungen der Rahmenbedingungen begrenzt und den Ländern - wenigstens - die Regelung von Einzelfragen ermöglicht werden. Die Tendenz dieser Länder geht also in eine andere Richtung, zeigt aber die Bereitschaft, die Frage der richtigen Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen neu zu überdenken. Im Rahmen einer solchen verfassungspolitischen Diskussion ist es sinnvoll, insgesamt nötige Änderungen bei der Kompetenz zur Gesetzgebung anzugehen. Nach den obigen Ausführungen ist es für ein zukunftsfähiges Handeln im Bereich des Gewässerschutzes sinnvoll und erforderlich, für die Wasserwirtschaft eine konkurrie31 Oldiges: "Gesetzgebungskompetenzen im Wasserwirtschaftsrecht - zur Frage der Reformbedürftigkeit", Leipziger umweltrechtliche Dokumentationen, Band 3, Aktuelle Probleme des Gewässerschutz- und Abwasserrechts, 1997, S. 51 ff.
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rende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 GG zu schaffen. Den politischen Instanzen bleibt es überlassen, in welcher Weise dem Wunsch der Länder nach mehr Gesetzgebungskompetenz in bestimmten anderen Gebieten, vor allem im Bereich der Steuern, Rechnung getragen werden kann.
5. Da der Vollzug des Wasserrechts wie des Umweltrechts insgesamt durch die Länderbehörden erfolgt, ist eine signifikante Mitwirkung in der praktischen Ausgestaltung der wasserwirtschaftlichen Vorgaben für die Länder weiterhin sichergestellt. Wenn der Bund Art. 72 Abs. 2 GG beachtet, wonach Regelungen auf Bundesebene nur erforderlich sind, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechtsoder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich machen, werden sachgerechte Lösungen in der heute prägenden Trias von Europäischer Union, Bundesrepublik Deutschland und Bundesländern gefunden werden.
IV. Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in nationales Recht Ein wichtiges Projekt, an dem sich der Föderalismus in der nächsten Zeit im Wasserbereich messen lassen muss, ist die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie v. 23.10.2000 in nationales Recht. 32 Die Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft (EG) sollen durch die 7. Novelle zum WHG umgesetzt werden. Dabei beschränkt sich der Bund auf wenige wichtige Ergänzungen des WHG. Insbesondere ist vorgesehen, die Bewirtschaftung nach Flussgebietseinheiten stärker zu verankern und die Bewirtschaftungsziele und -anforderungen in neuen Vorschriften in das WHG aufzunehmen. Maßnahmen programme werden für die Flussgebietseinheiten neu in § 36 aufgenommen sowie der Bewirtschaftungsplan nach § 36 b neu gestaltet. Wichtig ist, dass die Länder fristgerecht bis zum 22.12.2003 landesgesetzliche Regelungen zur Ausführung der Wasserrahmenrichtlinie und des WHG verabschieden. Interessant wird aus Sicht der Wirtschaft sein, wie die zukünftigen Vorgaben aus Art. 16 der Wasserrahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Es geht dabei um die Frage, wie für prioritäre Stoffe bzw. prioritäre gefahrliche Stoffe die in der EU in Tochterrichtlinien der Wasserrahmenrichtlinie entwickelten Vorgaben nach den BAT bzw. für die Beendigung von Emissionen in einem definierten Zeitraum festgelegten Regeln in nationale Bestimmungen umgesetzt werden. Ist es möglich, diese Vorga32
Vgl. dazu Fassbender, NVwZ 2001, S. 241 ff.
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ben über § 7a WHG oder ggf. über § 6a WHG in Bundesrecht umzusetzen? Oder bleibt nur die Alternative wie bei der jetzigen Umsetzung von Qualitätszielvorgaben aufgrund der EG-Richtlinie 76/464/EWG durch jeweils gleichlautende Verordnungen der Länder?
V. Wassernutzungsentgelte als Zeichen des Föderalismus Eine besondere Ausprägung des föderalistischen Systems beim Vorgehen der Länder in eigenständiger Weise ist die Erhebung von Wassernutzungsentgelten durch eine größere Zahl von Bundesländern. Voraus ging das Land Baden-Württemberg mit der Erhebung des sog. Wasserpfennigs, der jedes Jahr zu erheblichen Einnahmen für die Staatskasse führt. Nach und nach haben viele andere Bundesländer, mit wichtigen Ausnahmen, z. B. der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Regelungen eingeführt. Manche setzen sie auch aus oder schaffen wie das Land Hessen die Grundwasserabgabe unter einer neuen Landesregierung ganz ab. Der erste Schritt dazu ist bereits getan, der zweite wird 2003 folgen. Die Wassernutzungsentgelte der einzelnen Bundesländer sind ein Beispiel für sehr diffuse Regelungen. Für Unternehmen, die in verschiedenen Bundesländern Betriebsstätten haben, ist die jetzige Handhabung alles andere als übersichtlich, vor allem, wenn es um Kalkulation und Planung geht. Eine Tatsache ist dabei besonders zu erwähnen, nämlich dass die Erhebung von Wassernutzungsentgelten, wie zuletzt in Schleswig-Holstein bei der Schaffung einer neuen Oberflächenwasserabgabe ganz offen zum Ausdruck gebracht, im wesentlichen der Beschaffung von Geld dient. War die Abwasserabgabe des Bundes noch deutlich als eine Lenkungsabgabe mit der Rückführung des Geldes im Kreise der Verursacher konzipiert, so ist bei den Wassernutzungsentgelten von vorne herein die Finanzierungsabsicht deutlich. Dies war schon beim baden-württembergischen Wasserpfennig klar, der im wesentlichen einen Ausgleich im Bereich der Landwirtschaft ermöglichen sollte. Dies beruhte auf der seinerzeitigen Einführung des § 19 Abs. 4 WHG mit Ausgleichszahlungen zugunsten der Landwirtschaft. Im Bereich der früheren DDR gab es auch bereits solche Wassernutzungsentgelte. Die DDR hatte übrigens ein sehr differenziertes System von Wassernutzungsentgelten und Abwasserentgelten, auf das ich hier im Einzelnen nicht eingehen kann?3 Die Regelung in Art. 9 der Wasserrahmenrichtlinie über die Erhebung von kostendeckenden Wasserpreisen in der Gemeinschaft stellt keine Recht33
Vgl. dazu Sanden UPR 1994, S. 424.
25 Kloepfer
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fertigung für die Einführung von Wassernutzungsentgelten dar. Durch die Berechnung von kostenadäquaten Wasserpreisen in der Trinkwasser- und auch in der Brauchwasserversorgung, sowohl im kommunalen als auch im industriellen Bereich, ist sichergestellt, dass diese Belange der Wasserrahmenrichtlinie bereits in Deutschland erfüllt sind. Auf die sehr schwierigen Fragen der Gestaltung der Abwassergebühren und der Maßstäbe dafür im kommunalen wie auch im abwasserverbandlichen Bereich kann hier nicht näher eingegangen werden.
VI. Abwasserabgabe Das Abwasserabgabengesetz des Bundes aus dem Jahre 1976, das ab 01.01.1981 zur Erhebung von Abwasserabgabe für das Einleiten von Abwasser in die Gewässer führte, ist ein Beispiel für eine im Wesentlichen volle Regelung, trotz der Berufung auf die Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG. Das Abwasserabgabengesetz ist durch verschiedene Aktivitäten des Bundes, zuletzt 1994 intensiv novelliert worden. Weiterer Novellierungsbedarf besteht insbesondere in der Einführung eines Meßsystems, anstatt der Bescheidregelung in § 3. Dazu hatte der Bundestag bereits im Jahre 1994 eine Entschließung getroffen 34 , die aber leider bisher keine Beachtung gefunden hat. Nach der Verfassungsreform 1994 und der stärkeren Betonung der Länderkompetenzen, auch im Bereich des Wassers, ist die Novellierung, vor allem eine Neugestaltung einzelner Komplexe der Abwasserabgabe schwieriger geworden. Dies gilt vor allem dann, wenn man Vollregelungen treffen will. Was bleibt, ist die Möglichkeit, bestimmte sachlich überholte oder unverhältnismäßige Regelungen, wie insbesondere der Sanktionsregelung in § 4 Abs. 4, die zu beachtlichen finanziellen Ausreißern in Millionenhöhe führt, abzuschaffen. Ferner sind auch einige Parameter nicht mehr relevant und es zeigt sich, dass die Verrechnung von Investitionen mit der Abwasserabgabe nach § 10 Abs. 3 nicht mehr in dem Maße laufen kann, wie sie in der Vergangenheit erfolgt ist. Dies liegt vor allem daran, dass die wesentlichsten Investitionen zur Verbesserung der Abwasserverhältnisse bereits erfolgt sind.
VII. Ausblick Nach diesen Betrachtungen zur gegenwärtigen Lage des Wasserrechts im föderalistischen System Deutschlands sind im Rahmen eines zusammenfassenden Ausblicks folgende Überlegungen von Relevanz: 34 Entschließung v. 02.12.1993 zur 4. Novelle AbwAbgG (Bundestags-Drucksache 12/6281).
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• Wie können Staat und Gesellschaft den Föderalismus als intelligente Herrschaftsform stärken? • Mit welchen innovativen Ansätzen ist der Föderalismus im Rahmen der Einbettung Deutschlands in die EU und angesichts ihrer bevorstehenden Erweiterung aktiv zu unterstützen? • Schafft das gegenwärtig in Deutschland praktizierte System die Herausforderungen, die sich z.B. aus der Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie ergeben? Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Zeitfaktor. • Ist die föderale Gesetzgebungsverteilung in Deutschland eine Ursache für die oft schleppende bzw. verspätete Umsetzung von europäischen Richtlinien in nationales Recht? • Ist eine im Vergleich zu den anderen umweltrelevanten Gebieten, wie Immissionsschutz, Abfall, Boden, beschränkte Kompetenzzuweisung an den Bund gemäß Art. 75 GG (Rahmengesetzgebungskompetenz) gerechtfertigt? Oder ist es sachlich geboten, dem Bund auch für den Bereich des Gewässerschutzes eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 GG durch eine Verfassungsänderung zu verschaffen? • Da solche in den vorangegangenen Ausführungen erörterten Veränderungen nicht kurzfristig erfolgen werden, andererseits aber im politischen Raum intensiv über eine Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern nachgedacht wird, vor allem unter den Aspekten des Finanzverfassungsrechts, besteht für die Gegenwart ein erheblicher Informations- und Koordinierungsbedarf zwischen Bund und Ländern unter gleichzeitiger Wahrung der deutschen Interessen im Rahmen der Europäischen Union. Das gegenwärtige dreistufige System muss im Gewässerschutz weiter entwickelt werden, wobei die neue dominante Organisationsvorgabe der Flussgebietseinheiten dafür ein nützlicher Katalysator sein kann. Dies gilt vor allem, weil große wichtige Gewässer angesichts der geografischen Lage Deutschlands von vom herein eine internationale Ausrichtung verlangen. Dies gilt insbesondere für Rhein, EIbe, Donau und auch die Oder. Insofern sieht die Wirtschaft einer konstruktiven Diskussion über die Vor- und Nachteile des Föderalismus im Bereich des Gewässerschutzes mit hohem Interesse entgegen und wird ihren eigenen Beitrag in die Erörterungen einbringen.
VIII. Thesen 1. Der deutsche Föderalismus steht im Bereich des Gewässerschutzes bei der Umsetzung der EU-Gewässerschutzrahmenrichtlinie v. 23.10.2000 vor einer großen Bewährungsprobe. 25'
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2. Durch die Betonung der Landeskompetenzen im Zuge der Verfassungsreform von 1994 sind die Möglichkeiten des Bundes zur Rahmengesetzgebung nach Art. 75 GG erheblich eingeschränkt worden. 3. Die jetzige Gesetzgebungsverteilung im Wasserrecht zwischen Bund und Ländern sollte überprüft werden. Wie in anderen Umweltbereichen ist eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes anzustreben. 4. Ohne eine solche Verfassungsänderung ist ein Umweltgesetzbuch kaum zu verwirklichen. 5. Die Gesetzgebungsaktivitäten der Europäischen Gemeinschaft gewinnen auch im Bereich des Gewässerschutzes zunehmend an Bedeutung. Die Wasserrahmenrichtlinie 2000 ist dafür ein deutlicher Beleg. 6. Die EU erlässt für die Verwirklichung ihrer Programme im Bereich des Gewässerschutzes sowohl Rahmenregelungen, die weiterer Ausfüllung durch die Nationalstaaten bedürfen, als auch Vollregelungen. 7. Die Schaffung eines qualifizierten Aussgebietsmanagements auf Grund der EU-Vorgaben stellt an die Länder erhebliche Herausforderungen. 8. Die von vielen Bundesländern erhobenen Wassernutzungsentgelte zeigen ein sehr diffuses Bild. 9. Eine notwendige Änderung/Anpassung des Abwasserabgabengesetzes durch den Bund bereitet nach der Kompetenzlage erhebliche Probleme. Lösungsansätze werden angesprochen. 10. Die zukunftsweisenden Aufgaben des Gewässerschutzes im bundesdeutschen föderalen System erfordern von den Ländern und dem Bund einen erheblichen Informations- und Koordinierungsaufwand. Die Wirtschaft ist auf die frühzeitige Einbindung in die notwendigen Dialoge angewiesen. Sie ist bereit, ihren Sachverstand in die Lösung der vor uns liegenden erheblichen Aufgaben einzubringen.
Gewässerschutz und Föderalismus aus Sicht der Verwaltung Von Konrad Berendes
I. Der Föderalismusbefund in der Wasserwirtschaft 1. Historische Entwicklung Anders als das sonstige Umweltrecht ist das Wasserrecht ein Rechtsgebiet mit langer Tradition, in dem der Umweltschutzgedanke zunächst kaum eine Rolle spielte. Wasserrecht und Wasserwirtschaft waren von Anfang an stark föderal geprägt. Erst 1949 mit Erlass des Grundgesetzes hat der Bund beschränkte Kompetenzen erhalten, die Zuständigkeit für die Rahmengesetzgebung. Auf dieser Grundlage ist am 27. Juli 1957 das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) erlassen worden und mit Wirkung vom 1. März 1960 in Kraft getreten. Die Verwaltungskompetenzen verblieben voll bei den Ländern. Mit der Reform des Wasserrechts von 1976 durch die 4. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz und das Abwasserabgabengesetz (AbwAG) ist das Rahmenrecht des Bundes erheblich ausgebaut und in den achtziger und neunziger Jahren weiter verfeinert worden (5. und 6. Novelle zum WHG, 2., 3. und 4. Novelle zum AbwAG). Das bisher erlassene Wasserrecht des Bundes hat den Rahmen des früheren Artikels 75 GG, den das Bundesverfassungsgericht ohnehin schon sehr weit interpretiert hat, extensiv ausgeschöpft. Überwiegend enthält es unmittelbar geltende, vielfach auch in Einzelheiten gehende oder sogar sog. punktuelle Vollregelungen l (z.B. bei den Anforderungen nach dem Stand der Technik an Abwassereinleitungen gemäß § 7 a WHG und der Abwasserverordnung). Dennoch bleibt die Regelungsdichte des Bundeswasserrechts deutlich hinter dem Immissionsschutzund dem Abfallrecht des Bundes zurück. Den Ländern sind, wie vom Bundesverfassungsgericht schon für den alten Artikel 75 GG gefordert, gesetzliche Gestaltungsspielräume von substanziellem Gewicht verblieben. Die föderalistische Prägung zeigt sich bei der staatlichen Wasserwirtschaftsverwaltung noch stärker als beim Wasserrecht. Dies beruht nicht nur I Die Unterscheidung zwischen Detailregelung und punktueller Vollregelung ist, wie sich noch zeigen wird, vor allem für die durch die Verfassungsreform von 1994 neu geschaffene Kompetenzlage von Bedeutung.
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auf der den Ländern ohnehin nach Artikel 83 GG zugewiesenen Verwaltungskornpetenz. Zusätzlich eröffnet der Auftrag der Wasserbehörden zur umfassenden Bewirtschaftung der Gewässer auf regionaler und lokaler Ebene nach pflichtgemäßem Ermessen, also die Etablierung einer Ermessensverwaltung, erhebliche, in der gebundenen Immissionsschutz- und Abfallwirtschaftsverwaltung fehlende Gestaltungsspielräume. Das Recht kann für die Bewirtschaftung und den Schutz der Gewässer nur verbindliche Mindeststandards vorgeben. Das wasserspezifische Bewirtschaftungsermessen ist sogar, wie das Bundesverfassungsgericht im Nassauskiesungsbeschluss vom 15. Juli 1981 festgestellt hat, verfassungsrechtlich verankert2 . Es verleiht den zuständigen Länderbehörden eine besondere Verantwortung und Stärke bei der Wahrnehmung des staatlichen Gewässerschutzes. 2. Kritische Würdigung Mit dem Entstehen des eigenständigen Politikbereichs "Umweltschutz" Anfang der siebziger Jahre ist auch der Gewässerschutz als politische Schwerpunktaufgabe erkannt und betrieben worden 3 . Der Wasserhaushalt sollte deshalb mit der Abfallbeseitigung, der Luftreinhaltung und der Lärmbekämpfung in den Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes (Artikel 74 Nr. 24 GG) aufgenommen werden 4 . Die Aufnahme ist am Widerstand der Länder gescheitert. Dabei hat letztlich den Ausschlag gegeben, dass über die umweltpolitisch für notwendig gehaltenen umfangreichen neuen Gewässerschutzregelungen der 4. WHG-Novelle und des Abwasserabgabengesetzes in extensiver Interpretation der Rahmenkompetenz ein akzeptabler politischer Konsens erzielt und deshalb auf eine Erweiterung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes verzichtet werden konnte. Nach ähnlichem Muster ist auch die Wassergesetzgebung in den achtziger und neunziger Jahren zustande gekommen. Diese Entwicklung ändert nichts daran, dass die hinter anderen Umweltbereichen zurück bleibende Wassergesetzgebungskompetenz des Bundes immer wieder als unzureichend empfunden worden ist. Insbesondere die Umsetzung der zahlreichen Gewässerschutzrichtlinien der EG hat zunehmend zu rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten geführt. Bei fast allen Richtlinien hat die Europäische Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen nicht rechtzeitiger oder nicht vollständiger Umsetzung eingeleitet und in einem Fall sogar die dann allerdings eingestellte BVerfGE 58,300 (347) = ZfW 1981,283 (296). Vgl. z.B. Berendes. Das Abwasserabgabengesetz, 3. Aufl. 1995, S. 6 . .4 Vgl. die entsprechenden Gesetzentwürfe der Bundesregierung von 1970 in BTDrucksache VI/1298 und von 1973 in BT-Drucksache 7/887. 2
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Zwangsgeldklage erhoben5 . Die Beanstandungen sind fast immer durch die zersplitterten nationalen Zuständigkeiten im Wasserrecht ausgelöst worden. Die Verfassungsreforrn von 1994 vor allem mit ihrer Änderung des Artikels 75 GG in der erklärten Absicht, die extensive Interpretation der Rahmenkompetenz durch das Bundesverfassungsgericht einzuschränken, hat die Kompetenzproblematik maßgeblich verschärft. Der Wasserbereich hat zwar in der politischen Diskussion über die Stärkung der Länderkompetenzen keine Rolle gespielt, die Neuordnung hat aber, wie sich noch zeigen wird, auf die Wassergesetzgebungskompetenz des Bundes gravierende Auswirkungen von erheblicher praktischer Relevanz. Durch die neuen verfassungsrechtlichen Restriktionen einerseits und die stark erweiterten Aufgaben des deutschen Umweltgesetzgebers zur Umsetzung von EG-Recht andererseits hat die Kompetenzproblematik eine neue Dimension erhalten.
11. Heutige Grundprobleme des Wasserföderalismus Im Wasserbereich konzentriert sich die Föderalismusfrage praktisch allein auf die Gesetzgebungskompetenz. Dies schließt nicht aus, dass es nicht auch bei den Vollzugszuständigkeiten durchaus diskutable Ansatzpunkte für die Übertragung bestimmter Aufgaben auf den Bund gäbe. Hierzu gehören insbesondere Funktionen im Rahmen der tatsächlichen Anwendung von EG-Richtlinien, z.B. eine Stärkung der Koordinierungsbefugnisse bei der Erfüllung von Berichtspflichten oder der Aufstellung bundesweiter Pläne und Programme. Diesen Fragestellungen kann aber hier nicht nachgegangen werden. 1. Die Restriktionen des Artikels 75 GG
Die Verfassungsreform von 1994 hat insgesamt die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes eingeschränkt. Für das Wasserrecht ist vor allem bedeutsam, dass Rahmenvorschriften grundsätzlich an die Gesetzgebung der Länder zu richten sind. In Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen müssen in qualitativer und quantitativer Hinsicht die Ausnahme bleiben. Sie bedürfen einer besonderen Rechtfertigung, die, was oft übersehen wird, über die schon nach Artikel 72 GG verlangte allgemeine Bedürfnisprüfung hinaus gehen muss. Die Inanspruchnahme der Ausnahmeklausel kann also nicht auf die selbst für die konkurrierende Gesetzgebung notwendige Rechtfertigung gestützt werden, eine bundesgesetzliehe Regelung sei 5 EuGH-Rechtssache C-122/97 zur Umsetzung der Richtlinie 75/440/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten.
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zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse geboten. Sog. punktuelle Vollregelungen wie z. B. über die Anforderungen an Abwasserleitungen nach dem Stand der Technik gemäß § 7 a WHG in Verbindung mit der Abwasserverordnung sind nach dem Willen des Verfassungsgebers überhaupt nicht mehr zulässig 6 • Auf der anderen Seite wird von den Betroffenen, insbesondere der im Wettbewerb stehenden Wirtschaft und der Vollzugspraxis immer häufiger und dringlicher gefordert, im Wasserrecht durch die Gesetzgebung des Bundes für mehr Einheitlichkeit zu sorgen. Der verfassungsrechtliche Befund verlangt demgegenüber, die föderalen Elemente des Wasserrechts sogar noch stärker auszubauen. 2. Umsetzung von EG-Recht Die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur rechtlichen Umsetzung von EG-Recht bildet selbst dann keine Kompetenzgrundlage für eine Gesetzgebung des Bundes, wenn bundesweit einheitliche Regelungen zu erlassen sind. Die geltende Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes bestimmt auch die Umsetzung von EG-Recht. Der Bund muss sich deshalb bei der Umsetzung von wasserwirtschaftlichen EG-Richtlinien auf das nach Artikel 75 GG Mögliche beschränken, im Übrigen sind die Länder zuständig, die erforderlichenfalls gleich lautende Regelungen schaffen müssen. 3. Bestandschutz nach Artikel 125 a GG Eine zumindest für einige Zeit bedeutsame Relativierung der neuen Beschränkungen für die Rahmengesetzgebungsbefugnis des Bundes bringt die Bestandsschutzklausel des Artikels 125 a Abs. 2 GG. Das bestehende Wasserrecht des Bundes geht insgesamt gesehen über den vom neuen Artikel 75 GG enger gezogenen Rahmen hinaus, weil es in der Mehrzahl unmittelbar geltende Regelungen, teilweise auch in Einzelheiten gehende oder sog. punktuelle Vollregelungen enthält. Insofern ist es aus fachpolitischer Sicht, aber natürlich auch aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu begrüßen, dass der Verfassungsgeber überhaupt eine Bestandsschutzrege6 Auf Details der teilweise auch umstrittenen Auslegung des neuen Artikels 75 GG kann hier nicht näher eingegangen werden. Die für die Bundesregierung maßgebende Auffassung der Verfassungsressorts (Bundesministerien des Innem und der Justiz) ist weitgehend authentisch wiedergegeben in der Abhandlung von Gramm, Zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein Umweltgesetzbuch, DÖV 1999, 540; anders Rengeling, Die Bundeskompetenz für das Umweltgesetzbuch I, DVBI. 1998, 997; siehe auch Jarass, Al1gemeine Probleme der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, NVwZ 2000, 1089.
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lung für notwendig gehalten hat7 . Neu zu erlassende wasserrechtliche Vorschriften genießen diesen Bestandsschutz nicht mehr. Bei strikter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gestattet das Grundgesetz also tendenziell nur einen Abbau und keinen Ausbau der Wasserrechtsordnung des Bundes. Eine bundesweit einheitliche Fortentwicklung des Wasserrechts ist damit nur noch in engen Grenzen möglich.
4. Fazit Da es eine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Umweltrecht nicht gibt, muss für fach- und medienübergreifende, insbesondere integrative Umweltschutzregelungen auf die Einzelkompetenzen des Grundgesetzes zurückgegriffen werden. Damit ist eine unterschiedliche Dichte z. B. von immissionsschutz- und abfallrechtlichen Regelungen einerseits und wasser- und naturschutzrechtlichen Regelungen andererseits von vornherein unvermeidbar. Einer umfassenden Harmonisierung des Umweltrechts, insbesondere der von allen relevanten politischen Gruppierungen geforderten Vereinheitlichung und Vereinfachung umweltrechtlicher Zu lassungsverfahren steht spätestens seit 1994 die Kompetenzlage des Grundgesetzes entgegen. Außerdem ist es nicht mehr möglich, das ebenfalls in einem breiten Konsens für notwendig angesehene Maß an einheitlichem Bundeswasserrecht insbesondere zur Umsetzung verbindlicher EG-rechtlicher Vorgaben zu schaffen. Davon sind auch die wasserbezogenen Regelungen im fach- und medienübergreifenden Umweltrecht betroffen, z. B. über Umweltverträglichkeitsprüfungen, Umweltinformationen und freiwillige Beteiligungen an Systemen für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (Umweltaudit). Das Fazit kann aus umweltpolitischer Sicht nur sein: Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes entspricht nicht mehr den umweltpolitischen Erfordernissen.
111. Kompetenzprobleme der aktuellen Wassergesetzgebung Die dargelegten Grundprobleme des Wasserföderalismus wirken sich bereits entscheidend auf wichtige aktuelle Rechtsetzungsaktivitäten des Bundes aus. An den Beispielen des Umweltgesetzbuchs, des sog. Artikelgesetzes und der anstehenden rechtlichen Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie durch die 7. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz sollen die Auswirkungen näher beleuchtet werden. 7 Immerhin erst gegen Ende der Gesetzesberatungen im federführenden Rechtsausschuss des Bundestages.
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1. Umweltgesetzbuch
Seit einigen Jahren gehört zu den prioritären Zielen der Umweltpolitik, das in einer Vielzahl von Einzelgesetzen normierte Umweltrecht in einem Umweltgesetzbuch zusammenzufassen. Wie anspruchsvoll und ehrgeizig dieses Ziel ist, macht der im September 1997 von der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch vorgelegte Entwurf für ein Gesamt-UGB deutlich 8 . Die damalige Bundesumweltministerin Ange\a Merkel wollte die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Richtlinie 96/61/EG vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVURichtlinie)9 und der Richtlinie 97/11/EG vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten 10 nutzen, mit dem Erlass eines ersten Buches zum Umweltgesetzbuch (UGB I) als Kernstück den Einstieg in ein in mehreren Schritten zu entwickelndes Gesamt-UGB zu schaffen 11. Die Arbeiten am UGB I und am Einführungsgesetz zum UGB 12 sind nach schwierigen politischen und rechtlichen Diskussionen vorläufig eingestellt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. Als Hauptgrund hat man die nicht ausreichenden Gesetzgebungsbefugnisse für die notwendigen wasserrechtlichen Regelungen genannt. Damit ist die Umweltpolitik erstmals in einem gravierenden Fall an kompetenzrechtlichen Hürden gescheitert. Über die Motive und ihre Berechtigung ist heftig und auch emotional gestritten worden. Eine nüchterne Analyse der Verfassungsrechtslage führt aber zu folgenden, die politische Praxis vorerst maßgeblich bestimmenden Erkenntnissen: Schon die Konzeption des ersten Buches eines Umweltgesetzbuchs l3 war mit den 1994 neu geordneten Gesetzgebungskompetenzen nicht realisierbar. • Artikel 75 GG lässt keine (auch) den Wasserhaushalt l4 betreffenden Regelungen des Bundes zu, die entsprechend der Konzeption des UGB I abschließend sind. Die vom UGB I erfassten Gewässerbenutzungen, ins8 Mit ausführlicher Einleitung und Begründung veröffentlicht in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), Berlin 1998. 9 ABI. EG Nr. L 257 S. 26. 10 ABI. EG Nr. L 73 S. 5. 11 Vgl. näher hierzu Berendes, Umweltgesetzbuch und Wasserrecht, ZfW 1999, 212. 12 Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat zunächst den Referentenentwurf vom 31.08.1998 (Verantwortung von Ministerin Merkel) und dann vom 23.04.1999 (Verantwortung von Minister Trittin) vorgelegt. 13 Siehe hierzu Berendes (Fn. 11), S. 213 ff.
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besondere also Abwassereinleitungen und Wasserentnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb der in den Anwendungsbereich des UGB I fallenden Industrieanlagen, sollten voll dem Regime des UGB I unterstellt werden. Ein Ausnahmefall im Sinne des neuen Artikels 75 Abs. 2 GG lag hierbei ersichtlich nicht mehr vor. • Die Referentenentwürfe des Bundesumweltministeriums normierten ein einheitliches Industrieanlagenzulassungsrecht, das insofern auch in Bezug auf die wasserrechtlichen Tatbestände (Gewässerbenutzungen) allein auf die konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeiten des Artikels 74 Nr. 11, 12, 18 und 24 GG gestützt war (Schwerpunktbetrachtung). Eine solche Betrachtung ist aber dann nicht möglich, wenn das Grundgesetz selbst einem Rechtsgebiet ausdrücklich eine bestimmte Kompetenz zuweist wie hier dem Wasserhaushalt (Spezialkompetenz). Den Wasserhaushalt betreffende Regelungen des Bundes können immer nur auf Artikel 75 GG gestützt werden. Ist schon das Kernstück eines Umweltgesetzbuchs, die abschließende bundesrechtliche Regelung der integrierten behördlichen Zulassung aller bedeutsamen umweltrechtlichen Vorhaben in materieller und formeller Hinsicht, auf der Grundlage der geltenden Kompetenzordnung nicht realisierbar, so gilt dies erst recht für ein noch viel weiter reichendes Gesamt-UGB. Ohne Einbeziehung der wasserrechtlichen Entscheidungen wiederum kann es aber keine echte Harmonisierung des Umweltrechts geben. 2. Artikelgesetz Die Konzeption des an Stelle eines UGB I verabschiedeten Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz (sog. Artikelgesetz)15 macht deutlich, unter welchen Voraussetzungen nach der geltenden Kompetenzordnung weiterhin integrative fach- und medienübergreifende Umweltschutzregelungen des Bundes verfassungsrechtlich legitimiert werden können.
a) NU-Richtlinie Die IVU-Richtlinie mit ihren ohnehin bescheidenen verbindlichen Vorgaben für integrierte Umweltschutzmaßnahmen wird über einen parallelen Ansatz in den jeweils betroffenen medienbezogenen Fachgesetzen umgesetzt 16. Der Integrationsgedanke hat einen materiellen und einen formellen Teil: 14 Gleiches gilt für den Naturschutz, der aber bei der konkreten Anwendung des Artikels 75 GG weniger Probleme aufwirft. 15 Gesetz vom 27.07.2001 (BGBI. I S. 1950), in Kraft getreten am 3.8.2001.
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• In materieller Hinsicht verpflichten jetzt das Bundes-Immissionsschutzgesetz, das Wasserhaushaltsgesetz und das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zur integrativen Betrachtung der in ihren Anwendungsbereich fallenden Tatbestände. Bei der Luft-, der Gewässer- und der Bodenreinhaltung müssen mögliche Verlagerungen von Emissionen auf andere Schutzgüter berücksichtigt werden, und es ist ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu gewährleisten 17 • • In formeller Hinsicht werden die zuständigen Behörden entsprechend der Vorgabe der IVU-Richtlinie zur vollständigen Koordinierung aller durchzuführenden Verwaltungsverfahren und der jeweils zu erteilenden Auflagen verpflichtet. Die IVU-Richtlinie verlangt keine Konzentration mehrerer behördlicher Entscheidungen, nicht einmal wie bei der Umweltverträglichkeitsprüfung die Bestimmung einer federführenden Behörde. Dieser EG-rechtskonforme parallele Ansatz macht es möglich und zugleich notwendig, in das Wasserhaushaltsgesetz nur nach Artikel 75 GG zulässige Regelungen aufzunehmen, im Übrigen die Umsetzung dem Landesrecht zu überlassen. Damit reduziert sich die Kompetenzproblematik auf die - sicher auch nicht immer einfache - Feinabgrenzung zwischen dem bundesrechtlich noch oder nicht mehr Machbaren. Konsequenz ist allerdings, dass es einheitliches Recht nur in dem Umfang gibt, wie das Landesrecht, ggf. aufgrund eindeutiger verbindlicher Vorgaben des EG-Rechts, übereinstimmt. Dass dieser Befund nicht befriedigen kann und verfassungspolitisch überdacht werden sollte, ist eine andere Frage. b) UVP-Richtlinien
Die Umsetzung der UVP-Richtlinie von 1985 und der UVP-Änderungsrichtlinie von 1997 durch den Bund hat kompetenzrechtlich erheblich mehr Schwierigkeiten bereitet als bei der IVU-Richtlinie. Die ausführlichen Darlegungen in der Gesetzesbegründung 18 machen dies sehr deutlich. Letztlich konnte das EG-Recht weitgehend auch für die betroffenen wasserwirtschaftlichen Vorhaben verfassungskonform im UVP-Gesetz umgesetzt werden. Hierfür waren folgende Gesichtspunkte ausschlaggebend: • Die UVP betrifft nur Verfahrensrecht, nur einen Teil davon und nur einen kleinen Kreis wasserwirtschaftlicher Vorhaben. 16 Vgl. im Einzelnen die BeglÜndung des Entwurfs zum Artikelgesetz in BTDrucksache 14/4599 unter A.lII. 17 Siehe z. B. den an die Wasserbehörden adressierten neuen Satz 3 des § 1 a Abs. I WHG. 18 Vgl. Fn. 16, siehe besonders unter A.II.5.d.
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• Mehrfach konnte die Bestandsschutzklausel des Artikels 125 a Abs. 2 Satz 3 GG für geltende Regelungen im UVP-Gesetz und im Wasserhaushaltsgesetz in Anspruch genommen werden. • Einzelne Erweiterungen des Bundesrechts waren mit entsprechender Begründung als Ausnahmefälle nach Artikel 75 Abs. 2 GG zu rechtfertigen. • Der Bundesgesetzgeber hat im Übrigen bei den wasserwirtschaftlichen Vorhaben dem Modell der Rahmenkompetenz entsprechend Regelungsaufträge erteilt oder ganz auf eine Regelung verzichtet. Das neue UVP-Gesetz macht deutlich, wie mühsam der Bund unmittelbar geltende und Detailregelungen in seiner Rahmengesetzgebung begründen muss. Insgesamt zeigt das Artikelgesetz mehr die Grenzen als die Möglichkeiten für die fachpolitisch allenthalben proklamierte Fortentwicklung des integrativ ausgerichteten Umweltrechts auf. Die Kenner der Gesetzesberatungen wissen, wie eng in diesem Bereich die politischen Gestaltungsspielräume des Bundes geworden sind, und niemand sollte darauf setzen, dass in der Beurteilung der gegenwärtigen kompetenzrechtlichen Möglichkeiten des Bundes eine grundsätzliche Wende eintreten könnte. 3. Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie
Die am 22. Dezember 2000 veröffentlichte und in Kraft getretene, innerhalb von drei Jahren in das nationale Recht umzusetzende Richtlinie 2000/ 60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik l9 - Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) - erfordert grundlegende und umfangreiche Anpassungen des deutschen Wasserrechts. Wesentliche Neuerungen sind die integrierte und kohärente Bewirtschaftung der Gewässer nach Flussgebietseinheiten statt nach Verwaltungsbezirken, die Zuordnung aller Gewässer zu Flussgebietseinheiten, die nationale und internationale Koordinierung der grenzüberschreitenden Gewässerbewirtschaftung, die Einführung konkreter Bewirtschaftungsziele für Oberflächengewässer und Grundwasser (Hauptziel: "guter" Zustand) und bestimmter Fristen zur Erreichung der Ziele einschließlich zulässiger Ausnahmeregelungen sowie die Aufstellung und Durchführung von Maßnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplänen. Der Umfang der Richtlinie (72 Amtsblattseiten) macht deutlich, welchen hohen Detaillierungsgrad die EG-rechtlichen Vorgaben aufweisen. Nach der geltenden Kompetenzverteilung können in das Wasserhaushaltsgesetz nur die rahmenrechtlichen Vorgaben für die grundsätzlichen Ziel vor19
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stellungen der Richtlinie und eine Reihe von Regelungsaufträgen aufgenommen werden 2o . Die bundesrechtlichen Vorgaben bedürfen der Ausfüllung und Ergänzung durch Rechtsvorschriften der Länder (Änderung der Landeswassergesetze, Erlass von Verordnungen). Quantitativ liegt auch bei der Rechtsetzung die Hauptlast der Umsetzungsarbeiten bei den Ländern. Ihre wesentliche Aufgabe besteht darin, - die im Artikelteil der Richtlinie und im Wasserhaushaltsgesetz nur allgemein vorgegebenen Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der äußerst detailliert abgefassten Anhänge zur Richtlinie in konkrete Ausführungsvorschriften umzusetzen, - die Inanspruchnahme der nach der Richtlinie und dem Wasserhaushaltsgesetz zulässigen Ausnahmen von der Erreichung der Bewirtschaftungsziele sowie etwaige Fristverlängerungen zu regeln, - die umfangreichen Vorschriften über die Beschreibung, Festlegung und Einstufung, karten mäßige Darstellung und Überwachung des Gewässerzustands sowie über die Aufstellung, Durchführung, Überprüfung und Aktualisierung der Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne zu erlassen. Die 16-fache Umsetzung wird dadurch erschwert, dass Richtlinie und Wasserhaushaltsgesetz in einer Reihe von Fällen Interpretations- und Handlungsspielräume gewähren, aber trotzdem - und dies ist in Deutschland der Regelfall - eine länder- und staatenübergreifende kohärente Gewässerbewirtschaftung in den Flussgebietseinheiten verlangen. Die Länder müssen sich deshalb auf abgestimmte Regelungen verständigen, wofür entsprechende Verwaltungsabkommen und für verbindliche rechtliche Regelungen sogar Staatsverträge in Betracht kommen. Die Kooperations- und Kompromissbereitschaft der Länder wird also in hohem Maße gefordert sein, zumal gewichtige Interessen auf dem Spiel stehen können (z. B. bei der "Lastenverteilung" zur Erreichung noch nicht erfüllter Bewirtschaftungsziele). Die dargestellten Schwierigkeiten einer Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie 21 durch rahmenrechtliche Vorgaben des Bundes und umfangreiche 20 Entsprechend ist der Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums für ein Siebtes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes konzipiert. Der Regierungsentwurf soll noch im Sommer 200 I, das Gesetz im I. Quartal 2002 beschlossen werden. 21 Zur Richtlinie und ihrer Umsetzung gibt es bereits eine reichhaltige Literatur; siehe z. B. Holtmeier, Umsetzung der EG-Wasser-Rahmen-Richtlinie (WRR), ZfW 1999,69; Knopp, Die künftige Europäische Wasserrahmenrichtlinie - Der deutsche Beitrag zur Entstehung und die deutsche Position zum Inhalt, ZfW 1999, 257; Breuer, Europäisierung des Wasserrechts, NuR 2000, 541; Spillecke, Rechtliche Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, WASSER und ABFALL 4/2000, 30; Bosenius, Die Wasserrahmenrichtlinie, Wasser & Boden 1+212001, 27; Holzwarthl
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Detailregelungen von 16 Ländern übertreffen die Schwierigkeiten, die schon bei der bisherigen Umsetzung des EG-Wasserrechts aufgetreten waren und immer noch nicht bewältigt sind, beträchtlich. Sie könnten durch einheitliche und abschließende, auf die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit nach Artikel 74 GG gestützte Regelungen des Bundes größtenteils vermieden werden. Die entscheidenden Vorteile einer solchen Lösung wären: • Die Wasserrahmenrichtlinie als neue "Grundrichtlinie" im Wasserbereich mit ihrem umfassenden Bewirtschaftungsansatz und ihren detaillierten Vorgaben würde bundesweit einheitlich umgesetzt. Damit würde ein wichtiger Beitrag zur Vereinfachung und besseren Vollziehbarkeit des ohnehin schon zu komplizierten Wasserrechts geleistet. Außerdem ist angesichts der Bedeutung der Richtlinie für die Wasserwirtschaft, der bei der Umsetzung zu lösenden Probleme und Konflikte sowie der bisherigen Erfahrungen kaum zu erwarten, dass die Umsetzung ohne Vertragsverletzungsverfahren machbar ist. • Die bei der Umsetzung anderer Wasserrichtlinien aufgetretenen, teilweise noch aktuellen Defizite und Schwierigkeiten könnten in gleicher Weise durch einheitliche Regelungen des Bundes vermieden werden. Überwiegend ist man sich einig, dass verbindliche EG-rechtliche Vorgaben am besten durch den Bund umgesetzt werden können. An der damit zu erreichenden Einheitlichkeit besteht nicht nur ein europapolitisches, sondern auch ein hohes wirtschaftspolitisches Interesse. • Die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Wasserhaushalt könnte andere zentrale umweltrechtliche Anliegen (Ausbau des integrierten, medienübergreifenden Umweltschutzes bis hin zur umfassenden Harmonisierung des Umweltrechts in einem Umweltgesetzbuch) entscheidend voran bringen. Eine sachgerechte und effiziente integrativ ausgerichtete Umweltpolitik erscheint künftig ohne Erweiterung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes für den Wasserhaushalt kaum mehr realisierbar. Diesen offenkundigen Vorteilen einer Kompetenzerweiterung stehen keine gleich gewichtigen Nachteile für die Länder gegenüber. Insbesondere lekei, Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in nationales Recht, KA - Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall 2001, 173; Fuhrmann, Konsequenzen aus der EUWasserrahmenrichtlinie für die Wasserwirtschaft in Deutschland, KA - Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall 2001, 183; Reinhardt, Wasserrechtliche Richtlinientransformation zwischen Gewässerschutzrichtlinie und Wasserrahmenrichtlinie. DVBI. 2001, 145; Faßbender, Gemeinschaftsrechtliche Anforderungen an die normative Umsetzung der neuen EG-Wasserrahmenrichtlinie, NVwZ 2001, 241; Schmalholz, Die EU-Wasserrahmenrichtlinie - "Der Schweizer Käse" im europäischen Gewässerschutz?, ZfW 2001, 69.
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verlören die Länder nicht bedeutsame wasserwirtschaftliche Gestaltungsspielräume, denn die Wassergesetzgebungskompetenz ist unabhängig von der nationalen Kompetenzverteilung im Wesentlichen bereits auf die EG übergegangen. Das EG-Wasserrecht hat mit der Wasserrahmenrichtlinie eine Dichte erlangt, die selbst ein auf Artikel 74 GG gestütztes Bundesgesetz auch nicht annähernd anstreben würde. An den Bund gäben die Länder somit im Prinzip nur die Kompetenz zur rechtlichen Umsetzung des EGWasserrechts ab. Die Kernaufgabe in der staatlichen Wasserwirtschaft, die Bewirtschaftung der Gewässer nach pflichtgemäßem Ermessen der Wasserbehörden 22 , bliebe weiter in ihrem Verantwortungsbereich. Erste Diskussionen im Kreis der Umweltminister von Bund und Ländern haben gezeigt, dass eine Grundgesetzänderung zur Erweiterung der Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes vorerst nicht realisierbar ist. Die hier aufgezeigten Probleme bleiben aber aktuell und werden die Durchsetzung eines modemen, integrativ ausgerichteten Umweltrechts immer wieder behindern. Es ist offen, welche Richtung die weitere umweltpolitische Entwicklung nehmen wird.
IV. Schlussfolgerungen Als Fazit ergeben sich zusammenfassend folgende Schlussfolgerungen: I. Mit einheitlichen und abschließenden, auf die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit nach Artikel 74 GG gestützten Regelungen des Bundes könnten die am Beispiel des Umweltgesetzbuchs, des Artikelgesetzes und der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie aufgezeigten Schwierigkeiten beim Ausbau des integrierten Umweltschutzes und der Umsetzung von EG-Recht größtenteils vermieden werden. Der Wasserföderalismus als besonders ausgeprägte Form des Umweltföderalismus ist reformbedürftig. Die Rahmengesetzgebungszuständigkeit des Bundes sollte durch die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit ersetzt werden. 2. Die entscheidenden Vorteile einer Erweiterung der Wassergesetzgebungskompetenz des Bundes sind - eine rechtssicherere, übersichtlichere und vollzugsgerechtere Umsetzung des EG-Wasserrechts, insbesondere der neuen Wasserrahmenrichtlinie, - die Schaffung der notwendigen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine umfassende Harmonisierung des Umweltrechts.
22 Die in das nationale Recht zu übernehmenden detaillierten Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie schränken dieses Ermessen zwar ganz erheblich ein, die Einschränkungen resultieren aber eben aus verbindlichem EG-Recht.
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Damit wäre es besser möglich, in dem wünschenswerten Maße gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen und die Rechts- und Wirtschaftseinheit zu wahren, Zielsetzungen, die im Hinblick auf die allgemeine Standort-, Wettbewerbs- und Globalisierungsdiskussion auch für zentrale Teile der Wasserwirtschaft hohe Relevanz haben. 3. Den in der Sache kaum zu bestreitenden Vorteilen stehen keine gleich gewichtigen Nachteile der Länder gegenüber. Die Länder verlören keine bedeutsamen wasserwirtschaftlichen Gestaltungsspielräume, weil die Gesetzgebungskompetenz unabhängig von der nationalen Kompetenzverteilung bereits auf die EG übergegangen ist und das wasserrechtliche Bewirtschaftungsermessen bei den Ländern verbliebe. Die Länder müssten deshalb im Kern nur auf die ohnehin meist "ungeliebte" Kompetenz zur Umsetzung von EG-Wasserrecht verzichten. 4. Als größte Hürde für eine Grundgesetzänderung erscheint die aktuelle allgemeine Föderalismusdiskussion unter dem gegenläufigen Motto "Stärkung der Länderkompetenzen". Eine Chance für eine Grundgesetzänderung besteht nur, wenn sich auch bei den Umweltministern der Länder die Überzeugung durchsetzt, dass eine sachgerechte und effiziente integrativ ausgerichtete Umweltpolitik ohne Erweiterung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes für den Wasserhaushalt kaum mehr realisierbar ist, jedenfalls das über die Umweltpolitik hinaus verfolgte gemeinsame Ziel, das zersplitterte, zu kompliziert und zu aufwändig gewordene Umweltrecht zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, nicht erreicht werden kann. 5. Der Wasserföderalismus in Deutschland kann in Einzelaspekten sicher auch ein Motor für den Gewässerschutz sein (Länderwettbewerb). Bei einer alle relevanten Gesichtspunkte einbeziehenden Gesamtbetrachtung ist er im Bereich der Wassergesetzgebung eine immer stärker zu spürende Bremse.
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Gewässerschutz und Föderalismus aus Sicht der Wissenschaft Von Rüdiger Breuer*
I. Einleitung: Aktuelle Irrungen und Wirrungen Es steht nicht gut um den deutschen Föderalismus. Selbst Deutsche scheinen an seiner Funktionsfähigkeit zu zweifeln. Im europäischen Ausland verstehen viele ihn nicht. Sie empfinden ihn als chaotisch und sprechen dies bisweilen offen aus I. Solche Zweifel und Verständnisprobleme gehen auch auf dem Gebiet des Umwelt- und insbesondere des Gewässerschutzes um 2 . Staatsrechtlich werden sie gefährlich, wenn sie sich gegen das Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes wenden. Dass dies in jüngster Zeit mit zunehmender Häufigkeit und Heftigkeit geschieht, gibt Anlass zur Sorge. Angesichts der aktuellen Irrungen und Wirrungen gilt es, wissenschaftliche Disziplin zu üben und zu unterscheiden: Der Föderalismus ist eine politische Leitidee, der Bundesstaat hingegen eine staatsrechtliche Kategorie 3 . Die Beziehung zwischen Föderalismus und Bundesstaat ist nicht eindeutig. Schon Gerhard Anschütz hat in seinem Referat über den deutschen Föderalismus auf der ersten Staatsrechtslehrertagung 19244 den Gegenbe-
* Der Verfasser dankt Herrn Dr. Kurt Faßbender, Wiss. Assistent im Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn, für sachkundige Unterstützung und wertvolle Anregungen bei der Vorbereitung dieses Beitrags. I So sprach der EG-Agrarkommissar Fischler jüngst im Zusammenhang mit der sog. BSE-Krise von einem "Kompetenzdschungel" zwischen Bund und Ländern, vgl. FAZ Nr. 57 v. 8.3.2001, S. I. 2 Vgl. dazu die Hinweise bei Rengeling, in: ders. (Hrsg.), Hdb. zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. I, 1998, § 48 Rn. 15, 23; speziell zum Gewässerschutz und zur Umsetzung der einschlägigen EG-Richtlinien Umweltminister Methling, Mecklenburg-Vorpommern, in: LAWA (Hrsg.), EU-Wasserrahmenrichtlinie, Tagungsband, Schwerin 2000, S. I (4). 3 Aus politikwissenschaftlicher Sicht dezidiert Deuerlein, Föderalismus: Die historischen und philosophischen Grundlagen des föderativen Prinzips, 1972, passim, insbes. S. 331 gegen "Versuche, den Föderalismus ausschließlich als staatsrechtliches Prinzip zu reklamieren"; aus staatsrechtlicher Sicht etwa Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auf!. 1995, Rn. 216 ff.; Kimminich, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. I, 2. Auf!. 1995, § 26 Rn. I ff. 4 Anschütz, VVDStRL I (1924), S. 11. 26"
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griff des Unitarismus ins Spiel gebracht und hieran zwei grundsätzliche Aussagen geknüpft: Erstens setzten beide Begriffe den Bezugspunkt des Bundesstaates voraus; zweitens seien Föderalismus und Unitarismus Gestaltungstypen des Bundesstaates. Die wegweisende Analyse, die Konrad Hesse 1962 dem "unitarischen Bundesstaat" gewidmet hatS , zieht hieraus grundlegende Konsequenzen: Die heutige Bundesstaatlichkeit ist "nur noch bedingt in Gedanken des Föderalismus" verankert; im Bundesstaat der Gegenwart dominieren die unitarisierenden Tendenzen6 . Funktion und Wesen der bundesstaatlichen Struktur sind hiernach auf die staatliche Willensbildung im "Gesamtkörper" ausgerichtet, nämlich als Element der Gewaltenteilung zu verstehen 7 • Im gleichen Sinne hat Ulrich Scheuner - ebenfalls 1962 - vor begrifflichem Dogmatismus, zugleich aber auch vor opportunistischer Beliebigkeit gewarnt8 . Sein Appell verdient auch heute Beachtung: "Der Bundesstaat ist dank seiner komplizierten Bauart und seiner engen Bindung an wandelbare geschichtliche Gegebenheiten ein Staats gebilde, dessen Wesen und Eigenart immer nur am konkreten Einzelfall wirklich erfaßt werden kann. Sein Bild muß viel eher von einer historisch-pragmatischen Betrachtung als von einer abstrakten Theorie her aufgebaut werden. Die bewegliche und feine Struktur des Bundesstaates will verstanden und gelebt, nicht so sehr theoretisch konstruiert sein." In diesem Zusammenhang betrachtet, zeichnet sich das Thema "Gewässerschutz und Föderalismus" durch besondere Brisanz aus. Seine Plazierung im letzten Akt des Ringens um den Umweltföderalismus zeugt von dramaturgischem Sinn. Der immer weiter vordringende Finalismus und Zentralismus der europäischen Umweltpolitik kontrastiert nirgendwo derart schroff mit der bundesstaatlichen Struktur der Bundesrepublik Deutschland wie gerade im Sektor des Gewässerschutzes. Hier schwelt seit etwa 15 Jahren ein grundsätzlicher umweltpolitischer Konflikt9 . Er ist durch die binnen drei 5 Neuabdruck der 1962 erschienenen Schrift "Der unitarische Bundesstaat" in: Hesse, Ausgewählte Schriften, hrsg. von Häberle und Hollerbach, 1984, S. 116 ff. 6 Hesse (Fn. 5), S. 128 ff. (145). Kimminich (Fn. 3), § 26 Rn. 50 konstatiert gar, die Bundesrepublik Deutschland sei "nach der herrschenden Meinung ein unitarischer Bundesstaat". 7 Hesse (Fn. 5), S. 139 ff.; ferner ders. (Fn. 3), Rn. 229 ff. 8 Scheuner, DÖV 1962,641. 9 Zu Beginn der zweiten Hälfte der 1980er Jahre leitete die Kommission die ersten Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein wegen angeblich unzureichender Umsetzung umweltrechtlicher Richtlinien der EG; vgl. zur begleitenden Diskussion insbes. die Referate und Diskussionsbeiträge in: Rengefing (Hrsg.), Europäisches Umweltrecht und europäische Umweltpolitik, 1988; ferner Salzwedel, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder (Hrsg.), UTR Bd. 7, 1988, S. 65 ff.; näher zu diesem umweltpolitischen Konflikt Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts-Ziele, Wege und Irrwege, 1993.
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Jahren umzusetzende EG-Wasserrahmenrichtlinie vom 23. Oktober 2000 10 auf die Spitze getrieben worden. Ob der deutsche Bundesstaat ihre Umsetzung noch verkraften kann oder der Paralyse anheimfällt, wird sich erweisen müssen. Völlig inakzeptabel ist jedenfalls, in welch leichtfertiger Weise der Vorsitzende der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LA WA), Günther Leymann, mit der europarechtlichen Umsetzungspflicht, dem deutschen Wasserrecht und dem Bundesstaat des Grundgesetzes umzugehen gedenkt. Seine Ausführungen auf einem Symposium der LA WA am 13. Dezember 2000 II sprechen für sich: "Die Umsetzung dieser WRRL erfordert die Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes und die Novellierung von 16 Landeswassergesetzen. Die Anhänge Il und V dieser Richtlinie sind in Form von 16 gleichlautenden Länderverordnungen umzusetzen. Ich glaube man muss nicht besonders skeptisch sein, um vorauszusagen, dass die Bundesrepublik Deutschland wegen formeller Fehler vom europäischen Gerichtshof wegen Nichtumsetzung verklagt werden wird; die Zahl der Fallstricke ist zu hoch. Ich bin aber auch sicher und dies sollte nicht als Überheblichkeit ausgelegt werden, die Bundesrepublik Deutschland wird innerhalb der EU das Land sein, welches die WRRL mit am perfektesten umsetzen wird. Warum? Konkurrenz hebt das Geschäft, das ist bekannt, und Deutschland ist ein föderaler Staat mit 16 sehr selbstbewussten Landesregierungen, die streiten schon seit mehr als 2 Jahren innerhalb der LAW A um den jeweils optimalen Weg zur Umsetzung der WRRL. Das heißt, innerhalb des Vertragsstaates Bundesrepublik Deutschland gibt es, wenn man die Bundesregierung hinzuzählt, 17 mehr oder weniger eigenständige Überlegungen, wie die WRRL optimal umzusetzen ist. Diese sozusagen hausinterne Konkurrenz ist zwar ein sehr kostenaufwendiges Verfahren, wird aber letztlich den Gewässern zugute kommen." Sollte diese Haltung um sich greifen, braucht man sich nicht zu wundern, wenn der deutsche Föderalismus im europäischen Ausland nicht mehr verstanden und negativ bewertet wird. In der deutschen Debatte bilden Äußerungen der zitierten Art Wasser auf die Mühlen derer, die eine Änderung des Grundgesetzes, nämlich die Schaffung einer konkurrierenden Vollkompetenz des Bundesgesetzgebers nach Art. 74 GG, befürworten 12. Ob diese Therapie erforderlich oder auch nur geeignet ist, die Paralyse des deutschen 10 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABI. EG 2000, L 327, S. I). II Vgl. LAWA (Hrsg.), EU-Wasserrahmenrichtlinie, Tagungsband, Schwerin 2000, S. 7. 12 Vgl. Oldiges, in: ders. (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Gewässerschutz- und Abwasserrechts, 1998, S. 60 ff. (63); Reichert, NVwZ 1998, 17 (21); Sehende I,
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Bundesstaates infolge der EG-Wasserrahmenrichtlinie abzuwenden, erscheint zumindest zweifelhaft. Jedenfalls muss die wissenschaftliche Diagnose vor der Therapie stehen. Staatsrechtliche wie europarechtliche Verständnisdefizite sprechen auch aus einer Äußerung, die aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit stammt 13. Offenbar wird dort die "zeitgerechte Umsetzung" der EG-Wasserrahmenrichtlinie in deutsches Recht trotz der "gravierenden Auswirkungen" auf die gesamte deutsche Wasserwirtschaft - nur als rechtstechnische Herausforderung begriffen und mit der amtlich geschuldeten Hoffnung betrieben. In diesem Sinne heißt es l4 : "Die von wissenschaftlicher Seite geäußerten rechtstheoretischen Bedenken hinsichtlich eines systemverändernden Eingriffs in die Verwaltungsorganisation und die Vollzugskompetenz der Mitgliedstaaten werden ... nicht geteilt. In Deutschland sollen keine neuen Behörden geschaffen werden." Ob und inwieweit die EG-Wasserrahmenrichtlinie die Schaffung neuer Verwaltungsstrukturen fordert, damit in die nationale Verwaltungsorganisation und Vollzugskompetenz eingreift und insbesondere die bundesstaatliche Struktur Deutschlands durchbricht, ist eine komplexe Frage 15. Über ihre Beantwortung mag man streiten. Mehr noch: Man muss hierüber streiten; Beschwichtigung oder Vogel-Strauß-Politik hilft angesichts des Umsetzungszwangs und des Umwälzungspotentials der Richtlinie nicht weiter. Wenn jemand die drohende Paralyse leugnet, kann und muss man auch hierüber rechten. Nur eines verwundert, nämlich der Umstand, dass man sich im Bundesumweltministerium nur mit "rechtstheoretischen Bedenken" konfrontiert sieht. In Wahrheit dreht sich die Kontroverse um die politischen, administrativen und rechtspraktischen Auswirkungen der Richtlinie und ihrer Umsetzung auf den deutschen Föderalismus, den Bundesstaat des Grundgesetzes und den gesamten Umweltschutz, nicht etwa nur den Gewässerschutz. Nur wer den systemverändernden Charakter der vorgesehenen Flussgebietsverwaltung, die praktische Relevanz ihrer organisatorischen, prozeduralen und instrumentellen Ausgestaltung sowie ihre bundesstaatliche und umweltpolitische Brisanz verkennt, kann der hierdurch herausgeforderten Kritik das falsche Etikett "rechtstheoretischer Bedenken" anheften.
ZfW 1999,311 ff.; zurückhaltend, aber mit gleicher Tendenz Czychowski, WHG, 7. Aufl. 1998, Ein!. S. 52; Schmalholz, ZfW 2001, 69 (97 f.). 13 Holzwarthllekel, KA - Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall 2001 (48), S. 173ff. 14 Holzwarthllekel, KA - Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall 2001 (48), S. 173 (180). 15 Näher dazu unten sub IV.
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11. Bundesstaatliche und föderalistische Grundlagen Wenn man den historischen Ballast der "allgemeinen Bundesstaatstheorie" abwirft, die vergebliche Suche nach einem abstrakten Begriff des Bundesstaates aufgibt und sich auf den positivierten und praktizierten Bundesstaat des Grundgesetzes konzentriert, lässt sich dessen Struktur auf eine Reihe gesicherter Prinzipien zurückführen. 1. Staatsrechtliches Gemeingut ist der Satz, dass der deutsche Bundesstaat "eine durch die Verfassung des Gesamtstaates geformte staatsrechtliche Verbindung von Staaten" ist, wobei die Teilnehmer Staaten bleiben oder sind, also als Gliedstaaten fungieren, und auch der organisierte Verband als Gesamtstaat die Qualität eines Staates besitzt l6 . Als Schlüssel der bundesstaatlichen Verfassung ist längst die Kompetenzordnung erkannt l7 . Aufgeteilt ist weder die Staatsgewalt als solche noch gar die staatliche Souveränität l8 . Vielmehr sind lediglich die öffentlichen Aufgaben nach Kompetenzen auf die Gliedstaaten und den Gesamtstaat, d. h. auf den Bund und die Länder, verteilt. Auf dieser kompetenziellen Basis erklärt Art. 79 Abs. 3 GG, dass die Gliederung des Bundes in Länder, die grundSätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und - unter den in Art. 20 GG "niedergelegten Grundsätzen" - auch die wesensbestimmenden Merkmale des Bundesstaates unabänderbar sind. 2. Die Kompetenzverteilung des deutschen Bundesstaates ist in Sachgebieten angelegt. Diese bestehen aus abgrenzbaren Lebens- und Handlungsbereichen mit auszugleichenden Interessen und Konflikten. Bund und Länder haben hiernach jeweils für sich auf gesonderten und geschlossenen, in sich zu regelnden Feldern die staatliche Rechtsordnung zu gestalten 19. Nach dieser Leitidee beruht die Kompetenzverteilung auf einem konditionalen und separierenden ürdnungsmuster2o . Sie unterscheidet sich damit von der finalen Struktur des EG- und EU-Rechts, das in Politikbereichen angelegt und von dort her auf die Verfolgung politischer Ziele ausgerichtet ist, so dass es immer wieder auf zentralistische Manier in alle Lebens- und Handlungsbereiche durchstößt 21 • 16 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 644 f. m. w. N.; ferner Peters, Deutscher Föderalismus, in: Zeit- und Streitfragen, Heft 4, 1947, S. 22. Aus der Rspr. BVerfGE 36, 342 (360 f.). 17 Vgl. statt vieler Stern (Fn. 16), S. 672 ff.; Fehling, in: Aulehner u.a. (Hrsg.), Föderalismus - Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit?, 1997, S. 31 ff. 18 Kimminich (Fn. 3), § 26 Rn. 15 ff. (20) sowie Rn. 40. 19 Wie Fn. 17; ferner Hesse (Fn. 3), Rn. 235 ff. 20 Dies verdeutlicht bereits die "Generalklausel des Art. 30 GG" (Ossenbühl, in: ders. [Hrsg.], Föderalismus und Regionalismus in Europa, 1990, S. 117 [133]), nach der der Bund nur zuständig ist, wenn und soweit das Grundgesetz "keine andere Regelung trifft oder zuläßt".
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3. Mit der bundesstaatlichen Kompetenzordnung hängt zusammen, dass die Länder ebenso wie der Bund Gebietskörperschaften sind und bei der Separierung einen Mindestbestand an eigenen Aufgaben behalten müssen 22 . In diesem Sinne ist die Garantie des Bundesstaates und der Staatlichkeit der Länder institutionell zu verstehen. Demgemäß ist eine Neugliederung des Bundesgebietes zwar möglich, jedoch nur in den Bahnen der Art. 29 und 118 GG und vor allem nur in der Weise, dass den jeweils bestehenden oder neu gebildeten Ländern die unabdingbaren institutionellen und kompetenziellen Qualitäten eigen sind. Insofern ist der Bundesstaat des Grundgesetzes stabil, wenngleich der reale Kreis seiner Glieder von Rechts wegen labil ist23 . Als staatliche Gebietskörperschaften genießen die Länder gegenüber dem Bund institutionelle Integrität mit Planungs-, Organisations- und Personalhoheit. Territoriale Integrität genießen sie insofern, als ihre Gebietshoheit ausschließlich in den Bahnen der Neugliederung durchbrochen werden kann und als solche institutionell geschützt ist. 4. Das BVerfG24 hat geklärt, dass die Bundesrepublik Deutschland ein zweigliedriger Bundesstaat ist. Dessen Verfassung teilt somit die Kompetenzen nur zweiseitig auf Bund und Länder auf. Der Bund ist - in den Worten des BVerfG - "als Oberstaat den Ländern prinzipiell übergeordnet; nur in den Bereichen, die die Bundesverfassung nicht geordnet hat, besteht Gleichordnung,,25. Der kompetenziellen Balance dient es, dass die prinzipielle Überordnung des Bundes mit dem systematischen Grundsatz der Landeskompetenz kombiniert ist (Art. 30, 70, 83 GG). Dass diese Balance seit Jahrzehnten durch die Erweiterung und Ausschöpfung der zugewiesenen Bundeskompetenzen und in jüngerer Zeit vornehmlich durch die Europäisierung der Rechtsetzung gestört und einer vielbeschworenen Unitarisierung 2\ Vor diesem Hintergrund sieht Ossenbühl (Fn. 20), S. 149 die "vordringliche Selbstverteidigungsaufgabe der Länder" darin, "der zentralistisch und unitaristisch denkenden EG-Bürokratie mehr Gespür für regionale Vielfalt und Initiative zu vermitteln". Die finale Struktur wird insbes. dadurch deutlich, dass die zu verzeichnenden Kompetenzbeschränkungen der Länder nicht nur aus Kompetenznormen des EG- und EU-Rechts resultieren, sondern auch und gerade aus Sachnormen; vgl. Streinz, in: Heckmann/Meßerschmidt (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 26 ff. und 35 ff. 22 BVerfGE 34, 9 (20). Vgl. insoweit die Aufzählung einzelner "dem Zugriff des Bundes verschlossener" Gegenstände der Gesetzgebung bei Ossenbühl (Fn. 20), S. 133. 23 So mit Recht Kimminich (Fn. 3), § 26 Rn. 52 in Auseinandersetzung mit BVerfGE I, 14 (48). 24 Vgl. BVerfGE 13, 54 (77 ff.), wo das Gericht klarstellt, dass es - entgegen diesbezüglichen Einschätzungen im Schrifttum (vgl. etwa Hesse [Fn. 5], S. 120) auch im sog. Konkordatsurteil (BVerfGE 6, 309 [340, 364]) nicht von einem dreigliedrigen Bundesstaat ausgegangen sei. 25 BVerfGE 13,54 (79).
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gewichen ist26 , stellt ein strukturelles Problem dar. Auf Seiten der Länder ist der verfassungsnotwendige Mindestbestand an eigenen Aufgaben gefährdet. Schon deshalb wäre die Ersetzung der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für den Wasserhaushalt (Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG) durch eine konkurrierende Vollkompetenz des Bundesgesetzgebers höchst bedenklich - eine Einsicht, die jahrzehntelang nahezu unangefochtene Anerkennung genoss 27 . 5. Ebenso wichtig ist die gesonderte Kompetenzverteilung, die das Grundgesetz einerseits für die gesetzgebende und andererseits für die vollziehende Gewalt vornimmt (Art. 70 ff., 83 ff. GG). Dabei ist charakteristisch, dass die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes wesentlich weiter reichen als seine Verwaltungskompetenzen. Umgekehrt betrachtet verfügen die Länder auf der Ebene der Verwaltung über wesentlich weiter gesteckte Kompetenzen als auf der Gesetzgebungsebene 28 . Bundesgesetze werden grundSätzlich von den Ländern in deren eigener Verantwortlichkeit vollzogen; demgegenüber bildet die Bundesauftragsverwaltung eine enge, sektoral begrenzte Ausnahme (Art. 83-85 GG). Der Vollzug von Landesgesetzen unterliegt zwingend der ausschließlichen Kompetenz der Länder (Art. 30 GG). Deren Eigenstaatlichkeit lebt daher maßgeblich aus der Gestaltungsmacht ihrer vollziehenden Gewalt. 6. Dieser administrative Akzent der bundesstaatlichen Kompetel1zordnung entstammt der wohl verstandenen Tradition des deutschen Föderalismus. Im Geiste dieser Tradition hat Hans Peters 1947 29 zwei Forderungen erhoben, die für das Verständnis des Grundgesetzes bis heute aktuell sind. Die erste Forderung bezieht sich auf die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes. "Nicht das Stoffgebiet als solches, sondern die Tiefe des möglichen Eingriffs durch den Gesamtstaat" ist für Peters das Entscheidende 3o . Dem Grunde nach hat Peters schon damals eine weitgehende, offenbar auch das Verwaltungsrecht umfassende Kompetenz des Bundes befürwortet, allerdings nur eine "Grundsatzgesetzgebung,,31. Aufschlussreich ist sein Ap26 Vgl. oben Fn. 6; ferner Hesse (Fn. 3), Rn. 234, der im Hinblick auf das Fortschreiten der europäischen Integration konstatiert, dass den Ländern hierdurch "ähnlich wie bei den Verlagerungen auf den Bund" ein erhebliches Stück eigener Gestaltungsmöglichkeiten verloren gehe, wobei "die Schritte, die unternommen worden sind, um dieser Entwicklung zu begegnen, ... nicht geeignet [sind], diesen Verlust voll auszugleichen". 27 Nicht zuletzt aus diesem Grunde vermochten sich auch die verschiedenen in diese Richtung zielenden Versuche zur Änderung von Art. 75 GG (vgl. zu diesen Czychowski [Fn. 12], Einf. S. 42 f.) im Ergebnis nicht durchzusetzen. 28 Vgl. statt vieler Stern (Fn. 16), S. 677 einerseits und S. 684 andererseits. 29 Vgl. oben Fn. 16, S. 76 ff. 30 Peters (Fn. 16), S. 76 und 89 f. 31 Peters (Fn. 16), S. 77.
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pe1l 32 : "Das kleinliche Hineinreden in die Angelegenheiten der Länder muß der Gesamtstaat unterlassen." Mit seiner zweiten Forderung hat sich Hans Peters den Verwaltungskompetenzen zugewandt: Entscheidend sei insofern, dass - abgesehen von engen Ausnahmen - "die gesamte Verwaltung in der Hand von Landesbehärden belassen wird, auch soweit Gesamtstaatsgesetze und Gesamtstaatsinteressen im Spiele sind,,33. Das Grundgesetz ist mit der gesonderten und differenzierten Kompetenzverteilung für die gesetzgebende und die vollziehende Gewalt diesen betont föderalistischen Leitgedanken gefolgt - ungeachtet der unitarischen Elemente und Tendenzen, die in der späteren Staatspraxis modifizierend gewirkt haben 34 . 7. Die administrativ geprägte Föderalstruktur der Bundesrepublik Deutschland wird durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) vertieft. Dass innerhalb des Bundesstaates die Länder von Verfassungs wegen in Gemeinden und Gemeindeverbände gegliedert sind, führt zu einem föderativen, gebietskörperschaftlichen Staatsaufbau in drei Ebenen sowie zu einer "gegliederten Demokratie", die auf den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften aufgebaut ise 5 . Auf diesen ruht "die Hauptlast des Gesetzesvollzuges,,36. 8. Hierin erweist sich, dass der Bundesstaat sowie die kommunale Selbstverwaltung eine vertikale Gewaltenteilung verwirklichen 3? Sie stehen hierdurch in einem untrennbaren, funktionalen Zusammenhang mit dem Demokratie- wie auch mit dem Rechtsstaatsprinzip. In der vertikalen, demokratisch und rechtsstaatlich verankerten Gewaltenteilung findet die vertragliche Kooperation der Bundesländer ihre verfassungsrechtliche Grenze. Als vor Jahrzehnten über Gemeinschaftseinrichtungen der Länder gestritten wurde, hat Ulrich Scheuner38 die bundesstaatlichen Leitlinien klar und treffend umrissen: "Die gemeinschaftliche Wahrnehmung bestimmter staatlicher Aufgaben ... durch benachbarte Länder mittels gemeinsamer Behörden oder übergreifender Zuständigkeiten gehört seit jeher ... der deutschen Staatspraxis an. Ebenso werden Gemeinschaftseinrichtungen, die lediglich eine Koordination im Wege einstimmiger Stellungnahmen und der Aufstellung von Richtlinien herbeiführen ... , sich innerhalb der festgesetzten Grenzen bewegen. Dagegen dürften Gemeinschaftseinrichtungen, die bindende Beschlüsse mit 32 33 34
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36 37 38
Peters (Fn. 16), S. 77. Peters (Fn. 16), S. 78; vgl. auch ebda., S. 90. V gl. oben Fn. 5 und 6. BVerfGE 52, 95 (111 0. Ossenbühl (Fn. 20), S. 129. Vgl. Hesse (Fn. 3), Rn. 231; Kimminich (Fn. 3), § 26 Rn. 43. DÖV 1962, 641 (648).
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Mehrheit fassen, wegen des damit verbundenen Eingriffs in die demokratische Verantwortung des Einzellandes (Art. 28 GG) ebenso Bedenken begegnen wie eine treuhänderische Wahrnehmung von Aufgaben der Länder durch ein bestimmtes beauftragtes Land. Das dualistische Schema des Grundgesetzes kennt neben den Einrichtungen des Gesamtstaates, die gemeinsame Aufgaben einheitlich wahrnehmen, keine bündisch organisierten Ländereinrichtungen, die neben dem Bunde eine neue Gemeinschaftsebene der Länder herstellten. Aufgaben der Länder sind nach dem Verfassungssystem von den demokratischen Organen des einzelnen Landes zu entscheiden und auszuführen; es gibt keinen Bereich von gemeinsamen Institutionen der Länder." Rückblickend und resümierend ist später in der deutschen Staatsrechtslehre festgestellt worden, dass der Bundesstaatsstruktur durch verstärkte Kooperationen zwischen Bund und Ländern Einbußen erwachsen. Verwaltungsverbund und Mischverwaltung drohen nach dieser Erkenntnis "die föderalistische Substanz abzubauen,,39. Immerhin sind die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern durch die Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 196940 kanalisiert worden (Art. 91 a, 91 b, auch Art. 104a Abs. 4 GG). Dagegen stellt die horizontale Kooperation der Länder untereinander nach wie vor eine neuralgische Problemzone der Staatspraxis dar41 •
9. Die Willensbildung und Konfliktbewältigung im "Gesamtkörper" des deutschen Bundesstaates vollzieht sich in einer Art "Gegenstromverfahren". Einerseits erfolgt die grundSätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung (Art. 79 Abs. 3 GG) auf der Bundesebene über den Bundesrat (Art. 50 ff., 76 ff. GG). In ähnlicher Weise wirken die Länder über den Bundesrat an der Verordnungsgebung des Bundes mit (Art. 80 Abs. 2 und 3 GG). Bekanntlich hat allerdings die Europäisierung der Rechtsetzung insbesondere die Mitwirkung des Bundesrates und somit der Länder an der Gesetz- und Verordnungsgebung des Bundes ausgehöhlt - ein Befund, dem Art. 23 GG und das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union entgegenzuwirken suchen 42 . Andererseits verfügt der Bund im Verhältnis zu den Ländern über So Bethge, Bundesstaat, in: Staatslexikon, Bd. I, 7. Autl. 1985, Sp. 998. BGBI. I S. 359. 41 Vgl. etwa Ossenbühl (Fn. 20), S. 140 ff. und S. 154 f.; Stern (Fn. 16), S. 755, jeweils m. w. N.; a. A. Kimminich (Fn. 3), § 26 Rn. 55, der den kritischen Stimmen zuwider die Ansicht vertritt, es habe "sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß der kooperative Föderalismus den Bundesstaat anpassungsfähiger macht und die Balance zwischen unitarischen und föderalen Kräften hält". 42 Vgl. Halfmann, Entwicklungen des deutschen Staatsorganisationsrechts im Kraftfeld der europäischen Integration, 2000, S. 72 ff. und passim. 39
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die Mittel der sog. abhängigen Bundesaufsicht (Art. 84 Abs. 3-5, 85 Abs. 3, 4 GG), die bisher allerdings nur geringe Bedeutung erlangt hat43 , sowie über den Bundeszwang (Art. 37 GG), der als ultima ratio verstanden wird44 und bislang noch nie angewandt worden ist. Für den deutschen Bundesstaat ist kennzeichnend, dass seine Glieder die aufkommenden Konflikte lieber gerichtlich als politisch austragen, nämlich entweder vor dem Bundesverfassungsgericht oder in einem Verwaltungsprozess45 . Die administrativ geprägte Föderalstruktur der Bundesrepublik Deutschland erfährt damit in der Staatspraxis eine schonende Behandlung. Ein exekutiver Oktroi des Bundes gegenüber den Ländern wird tunlichst vermieden. 10. Mit der Bevorzugung der konsensualen oder gerichtsförmlichen Konfliktbewältigung hängt die spezifische, im deutschen Verfassungsrecht betonte Bedeutung der Bundestreue zusammen. Sie enthält ein fundamentales Gebot des Umgangs miteinander im Bundesstaat46 . Aus ihr erwächst - in den Worten des BVerfG47 - die Rechtspflicht des Bundes und der Länder, "dem Wesen dieses Bündnisses entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und zur Wahrung seiner und der wohlverstandenen Belange seiner Glieder beizutragen". Im einzelnen geht es dabei um Pflichten zu gegenseitiger Hilfeleistung, Rücksichtnahme und Verständigungsbereitschaft. Insbesondere hat die Praxis hieraus eine Schranke der Kompetenzausübung abgeleitet48 .
Vgl. Ossenbühl (Fn. 20), S. 138. Dies gilt nach h.M. jedenfalls in politischer Hinsicht; vgl. etwa Erbguth, in: Sachs (Hrsg.), GG, 2. Autl. 1999, Art. 37 Rn. 2; Evers, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum GG, Art. 37 Rn. 69; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 3, 3. Autl. 1996, Art. 37 Rn. I; Ossenbiihl (Fn. 20), S. 139; a. A. Stern (Fn. 16), S. 716. 45 Dabei ist, im Hinblick auf das BVerfG, nicht nur an den Bund-Länder-Streit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG zu denken, da insoweit häufig auch die konkurrierende Möglichkeit eines Antrags auf abstrakte Nonnenkontrolle in Betracht kommt und genutzt wird; vgl. Sturm, in: Sachs (Fn. 44), Art. 93 Rn. 53 m. w. N. aus der Rspr. Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen Bund und Ländern ist gemäß §§ 40 Abs. I, 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO das Bundesverwaltungsgericht zuständig; vgl. etwa BVerwGE 87, 169; 102, 119. 46 Vgl. Stern (Fn. 16), S. 699 ff.; ausführlich Bayer, Die Bundestreue, 1961; Bauer, Die Bundestreue, 1992. 47 BVerfGE 1, 299 (315). 48 Grundlegend BVerfGE 4, 115 (140). 4J
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III. Der Gewässerschutz im föderalistischen System der Bundesrepublik Deutschland 1. Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für den Wasserhaushalt nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG
Die verfassungsrechtliche Beschränkung des Bundesgesetzgebers auf die bloße Rahmengesetzgebungskompetenz für den Wasserhaushalt nach Art. 75 Abs. I Nr. 4 GG war in den vergangenen Jahrzehnten kein Hindernis für eine sachangemessene und anspruchsvolle Gesetzgebung des Gewässerschutzes. Nachdem - zuletzt in der 7. Legislaturperiode - die älteren Versuche zur Einführung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Wasserhaushalt gescheitert waren 49 , hat der Bundesgesetzgeber die Novellierungen des Wasserhaushaltsgesetzes von 19765 198651 und 199652 sowie das mehrfach novellierte Abwasserabgabengesetz53 verabschiedet. Eine wichtige Ergänzungsfunktion erfüllt gegenwärtig auf der Bundesebene die Abwasserverordnung 54 zu § 7 a WHG. Insgesamt hat die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes mithin ihre Bewährungsprobe längst bestanden. Allerdings wird eingewandt, dass die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes durch die Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 199455 substantielle Einbußen erlitten habe 56 . Richtig ist, dass das deutsche Wasserrecht sich seitdem in einem Übergangsstadium befindet. Das überkommene, aufgrund des Art. 75 GG a. F. erlassene Bundesrahmenrecht gilt nach Art. 125 a Abs. 2 Satz 3 GG unverändert fort. Erst neues Wasserrecht des Bundes unterliegt der Restriktion der Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 GG n. F. Manche halten diese wegen ihres restriktiven Charakters gerade auf dem Gebiet des Gewässerschutzes für unzulänglich 57 . Die-
°,
49 Vgl. die Entwürfe der dahingehenden Gesetze zur Änderung des GG in BTDrucks. V13515, VI/1298 und 7/887; ferner Czychowski (Fn. 12), Einf. S. 42 f. 50 4. Änderungsgesetz vom 26.4.1976 (BGBI. I S. 1109); näher zu dieser Novelle Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl. 1987, Rn. 7. 51 5. Änderungsgesetz vom 25.7.1986 (BGBI. I S. 1165); näher zu dieser Novelle Breuer (Fn. 50), Rn. 9. 52 6. Änderungsgesetz vom 11.11.1996 (BGBI. I S. 1690); vgl. zur Entstehungsgeschichte dieser sog. 6. Novelle Berendes, ZfW 1996, 363; Breuer, in: Rengeling (Hrsg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren - Deregulierung, 1997, S. 77 ff.; Knopp, NJW 1997,417; Lübbe-Wolff, ZUR 1997,61. 53 1. d. F. d. Bekanntmachung vom 3.11.1994 (BGBI. I S. 3370), zuletzt geänd. durch Gesetz v. 25.8.1998 (BGBI. I S. 2455). 54 I.d.F. d. Bekanntmachung v. 9.2.1999 (BGBI. I S. 86), zuletzt geänd. durch VO v. 29.5.2000 (BGBI. I S. 751). 55 BGBI. I S. 3146. 56 Vgl. allgemein Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 75 Rn. I f.
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sem Einwand kommt, wie angedeutet, angesichts der notwendigen und schon heute drängenden Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie höchste Bedeutung zu. Er vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zum einen verlangt Art. 75 Abs. I i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG, dass die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse die bundesrahmengesetzliche Regelung erforderlich macht. Diese Voraussetzung gilt indessen für die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes in gleicher Weise. Zudem wird man trotz der restriktiven Neufassung des Verfassungstextes davon ausgehen müssen, dass der Bundesgesetzgeber insofern - ebenso wie unter der Geltung des Art. 72 Abs. 2 GG a. F. - über eine Einschätzungsprärogative verfügt 58 . Zum anderen dürfen Rahmenvorschriften des Bundes nach Art. 75 Abs. 2 GG n. F. nur noch "in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten". Hierin liegt zwar eine echte Restriktion gegenüber der früheren Rechtslage, derzufolge Rahmengesetze nur insgesamt ausfüllungsfähig und ausfüllungsbedürftig bleiben, also auf eine landesgesetzliche Ausfüllung angewiesen sein mussten 59 . Jedoch wird eine sinn- und funktionsgerechte Verfassungsauslegung dem Bundesgesetzgeber auch im Hinblick auf die Voraussetzungen detaillierter und unmittelbar geltender Rahmenvorschriften nach Art. 75 Abs. 2 GG n. F. eine Einschätzungsprärogative zuerkennen müssen 60 . Mit einer dahingehenden Selbstbeschränkung des BVerfG wird man rechnen dürfen.
2. Das Zusammenspiel zwischen dem Wasserhaushaltsgesetz des Bundes und den ausfüllenden Regelungen der Länder Auf der verfassungsrechtlichen Basis der Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 GG gilt es, das Zusammenspiel zwischen dem Wasser57 Oldiges (Fn. 12), S. 60 ff. (63); Reichert. NVwZ 1998, 17 (21); Sehendei. ZfW 1999, 311 (315 ff.); zurückhaltend, aber mit gleicher Tendenz Czychowski (Fn. 12), Ein!. S. 52; Schmalholz. ZfW 200 I, 69 (97 f.). 58 Breuer. ZfW 1999, 220 (232); Kunig. in: von Münch/Kunig (Fn. 44), Art. 72 Rn. 27 ff.; Degenhart. in: Sachs (Fn. 44), Art. 72 Rn. 14 f. Letztlich zum gleichen Ergebnis kommen diejenigen, die einerseits für eine lustitiabilität des Art. 72 Abs. 2 GG n. F. und andererseits insoweit für einen reduzierten Prüfungsmaßstab eintreten, wie er generell vom BVerfG für Prognoseentscheidungen entwickelt wurde; so etwa Kenntner. lustitiabler Föderalismus, 2000, S. 176 ff. 59 Vg!. BVerfGE 4, 115 (129); 36, 193 (202); speziell zur Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das Gebiet des Wasserhaushalts (Wasserwirtschaft) BVerfGE 15, I (9 ff.); 21, 312 (321). 60 Breuer. ZfW 1999, 220 (232); Kunig (Fn. 58), Art. 75 Rn. 3 und 42; Degenhart (Fn. 58), Art. 75 Rn. 9 f.
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haushaltsgesetz des Bundes und den ausfüllenden Regelungen der Länder durchzumustern. Dabei geht es zum einen um eine Bestandsaufnahme des geltenden, überwiegend bereits vor der Verfassungsänderung von 1994 erlassenen Bundes- und Landesrechts des Gewässerschutzes. Zum anderen fordert die gegenwärtige Umbruchphase des Wasserrechts zu einer systematischen Sichtung sowie zu einer konzeptionellen, in die Zukunft gerichteten Betrachtung heraus. Die Bestandsaufnahme zeigt, dass insbesondere das Zusammenspiel zwischen dem Wasserhaushaltsgesetz und den Landeswassergesetzen bisher im wesentlichen "funktioniert" hat. Markante Beispiele für ausfüllende Regelungen der Länder bilden die unterschiedlichen Vorschriften über das Verfahren und die Rechtswirkungen der wasserrechtlichen Erlaubnis (§ 7 WHG), die noch im legislatorischen Entwicklungsprozess stehenden Vorschriften über die Beseitigung von Niederschlagswasser sowie der Problem bereich der Wasserentnahmeentgelte. a) Erstes Beispiel: Die Ausgestaltung der wasserrechtlichen Erlaubnis Die bundesrechtliche Regelung der wasserrechtlichen Erlaubnis in § 7 WHG stellt zwar unmittelbar geltendes Recht dar - mit Ausnahme des eventuellen, also "offenen" Erfordernisses einer Umweltverträglichkeitsprüfung (§ 7 Abs. 1 Satz 2 WHG)61. In den Landeswassergesetzen haben jedoch das Verfahren und die Rechtswirkungen der Erlaubnis eine unterschiedliche Ausgestaltung gefunden 62 . Die landesrechtlichen Unterschiede erstrecken sich auf die Publizität und die Formalisierung des Verwaltungsverfahrens6\ die Einwendungsbefugnisse Dritter64 , die Frage des Ausschlusses von Ansprüchen Dritter und die dadurch bedingten Möglichkeiten des Rechtsschutzes Drittbetroffener65 . Diese Unterschiede sind wesentlich dadurch bedingt, dass die meisten Landeswassergesetze eine "gehobene" Erlaubnis vorsehen, sofern dem Unternehmer nicht zugemutet werden kann, sein Vorhaben ohne eine gesicherte Rechtsstellung gegenüber Dritten durchzuführen66 . Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Sachsen und SchleswigHolstein haben dagegen von der Einführung der gehobenen Erlaubnis abge61 Vgl. Czychowski (Fn. 12), § 7 Rn. I.
Vgl. zum folgenden Breuer (Fn. 50), Rn. 86 ff. Näher dazu Czychowski (Fn. 12), § 7 Rn. 14. 64 Vgl. Czychowski (Fn. 12), § 7 Rn. 5-7. 65 Näher dazu Czychowski (Fn. 12), § 7 Rn. 8. 66 So Art. 16 Abs. I S. 2 BayWG; § 20 Abs. I S. 2 HessWG; § 9 Abs. I S. 2 WG M-V; § 27 Abs. 2 S. 2 WG Rh-Pf (Verweisung auf § 8 Abs. 2 S. I WHG); sinngemäß auch die Landeswassergesetze, die ein "berechtigtes Interesse des Unternehmers" voraussetzen; so § 30 Abs. I S. I BbgWG; § 11 Abs. I S. I BremWG; § 25a Abs. I S. I WG N-W; insofern abweichend die Voraussetzungen der gehobe62
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sehen 67 • Diese hebt sich von der einfachen Erlaubnis dadurch ab, dass sie hinsichtlich der Drittbeziehungen der Bewilligung angeglichen ist. Aber auch soweit die Landeswassergesetze eine gehobene Erlaubnis vorsehen, haben sie deren Rechtswirkungen im einzelnen unterschiedlich ausgestaltet68 . Damit werden die wasserrechtlichen Benutzungsbefugnisse entweder stabilisiert oder flexibilisiert. Die Länder nutzen hierdurch ihren bundesrahmenrechtlichen Spielraum zur Konturierung ihrer Gewässerbewirtschaftung entsprechend den jeweiligen Fakten. b) Zweites Beispiel: Die Vorschriften über die Beseitigung von Niederschlagswasser Ein zweites Beispiel für unterschiedliche Ausfüllungsregelungen der Länder bilden die Vorschriften über die Beseitigung von Niederschlagswasser. Nachdem jahrzehntelang eine allgemeine und zentrale Abwasserbeseitigung der Gemeinden angestrebt worden war, hat die 6. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz vom 11. November 199669 den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, die dezentrale und erlaubnisfreie Versickerung von gering verschmutztem Niederschlagswasser zuzulassen. Dem liegen die leidigen Erfahrungen mit den jüngeren Hochwassern 70 zugrunde. Heute ist anerkannt, dass die versiegelungsbedingte Sammlung und Beseitigung des Niederschlagswassers in zentralen Misch- oder Trennsystemen nicht nur kostenintensiv ist, sondern auch ökologische Nachteile und Hochwassergefahren heraufbeschwört. Deshalb wird neuerdings die dezentrale Nutzung oder Versickerung des Niederschlagswassers angestrebt7 '. Diesem Anliegen tragen die Landeswassergesetze indessen in unterschiedlicher Weise Rechnung. Die einschlägigen landesgesetzlichen Regelungen stehen ersichtlich noch im legislatorischen Entwicklungsprozeß. Die Landesgesetzgeber experimentieren hierbei und konkurrieren miteinander. nen Erlaubnis nach § 15 Abs. I SaarlWG; § 12 Abs. I S. I WG LSA; § 20 Abs. I S. 2 ThürWG verweist auf § 8 Abs. 2 S. I WHG. 67 Vgl. zur dort geltenden Rechtslage Breuer, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 11. Aufl. 1999, 5. Abschnitt, Rn. 135. 68 Näher zu diesen Unterschieden Breuer (Fn. 67), Rn. 135. 69 Oben Fn. 52; hier geht es um die Einfügung eines neuen Abs. 2 Nr. 3 in § 33 WHG. 70 Vgl. hierzu allgemein Breuer (Hrsg.), Hochwasserschutz im geltenden und künftigen Recht, Schriftenreihe "Das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft", Heft 25, 1999 (mit Beiträgen von Köngeter, Holtmeier/Kolj, Breuer, Lüers, Wahl, Krohn und Gardette). 71 Näher zum Ganzen Breuer, in: ders. (Fn. 70), S. 31 (37 und 61 ff.) m.w.N.; ferner aus der Sicht der Gemeinden Lübbe-Wolff, in: dies. (Hrsg.), Umweltschutz durch kommunales Satzungsrecht, 1993, S. 164 ff.; Ellwart, wwt awt 112000, S. 46.
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Zurückhaltend und eher konventionell verhält sich in dieser Frage das sächsische Wassergesetz72 . Grundsätzlich unterwirft es das Niederschlagswasser weiterhin der Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde. Ausnahmsweise sieht es für Niederschlagswasser, das auf dem Grundstück des Anfalls verwertet oder versickert werden kann, auf Antrag des Beseitigungs- oder Überlassungspflichtigen eine wasserbehördliche Befreiung vor. Äußerst flexibel ist die Beseitigung des Niederschlagswassers im rheinland-pfälzischen Wassergesetz73 geregelt. Einerseits bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 2 WG Rh-Pf, dass Niederschlagswasser nur in dafür zugelassene Anlagen eingeleitet werden soll, "soweit es nicht bei demjenigen, bei dem es anfällt, mit vertretbarem Aufwand verwertet oder versickert werden kann, und die Möglichkeit nicht besteht, es mit vertretbarem Aufwand in ein oberirdisches Gewässer mittelbar oder unmittelbar abfließen zu lassen,,74. Andererseits ist nach § 51 Abs. 2 Nr. 2 WG Rh-Pf das Niederschlagswasser von der Beseitigungspflicht ausgenommen, "wenn zu dessen Beseitigung keine zugelassenen öffentlichen Abwasseranlagen zur Verfügung stehen und das Niederschlagswasser am Ort des Anfalls verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit in anderer Weise beseitigt werden kann". Ergänzend gibt § 52 Abs. 5 Satz 1 WG Rh-Pf den Abwasserbeseitigungspflichtigen auf, "die notwendigen Abwasseranlagen in angemessenen Zeiträumen unter Umsetzung des § 2 Abs. 2 zu errichten, zu erweitern oder ... anzupassen". Damit weist der rheinland-pfälzische Gesetzgeber den Trägem der zentralen Abwasserbeseitigung, in der Regel also den Gemeinden, doch wieder eine Schlüsselrolle zu. Ihre Selbstbeschränkung kann und soll, soweit möglich, den Weg der dezentralen Verwertung oder Beseitigung von Niederschlagswasser weisen. Ein deutlicheres Gebot der dezentralen Niederschlagswasserbeseitigung findet sich im nordrhein-westfälischen Wassergeset/ 5 . Nach § 51 a Abs. I Satz 1 LWG NW ist Niederschlagswasser von Grundstücken, die nach dem 1. Januar 1996 erstmals bebaut worden sind, "vor Ort zu versickern, zu verrieseln oder ortsnah in ein Gewässer einzuleiten, sofern dies ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit möglich ist". Ergänzend ermächtigt § 51 a Abs. 3 L WG NW die Gemeinden, durch Satzung festzusetzen, "daß und in welcher Weise das Niederschlagswasser zu versickern, zu ver72 Vg!. §§ 62, 63 Abs. 2 und 6 Nr. I des SächsWG vom 21.7.1998 (GVB!. S. 393), geänd. durch G. v. 25.6.1999 (GVB\. S. 398). 73 I.d.F. der Bekanntmachung v. 14.12.1990 (GVB\. S. 439), zuletzt geänd. durch G. v. 9.11.1999 (GVB\. S. 407). 74 Nach Beile, Kommentar zum WG Rh-Pf, Loseblatt, Stand: April 2000, § 2 Anm. 2.3., soll es sich hierbei um mehr als eine bloße Soll-Vorschrift handeln. 75 I. d. F. der Bekanntmachung v. 25.6.1995 (GVB\. S. 926), geänd. durch G. v. 9.5.2000 (GVB\. S. 449). 27 Klocpfcr
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rieseln oder in ein Gewässer einzuleiten ist". Zu Recht wird hierin eine Trendwende in der Abwasserbeseitigungspolitik gesehen 76 • Allerdings hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber sein grundsätzliches Gebot durch einen normativen Bestandsschutz eingeschränkt (§ 51 a Abs. 4 LWG NW): Von der Verpflichtung zur dezentralen Beseitigung ausgenommen ist Niederschlagswasser, das ohne Vermischung mit Schmutzwasser in einer vorhandenen Kanalisation abgeleitet wird (Trennsystem). Niederschlagswasser, das aufgrund einer nach bisherigem Recht genehmigten Planung gemischt mit Schmutzwasser einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage zugeführt wird oder werden soll (Mischsystem), ist von der Verpflichtung zur dezentralen Beseitigung ausgenommen, "wenn der technische oder wirtschaftliche Aufwand unverhältnismäßig ist". c) Drittes Beispiel: Die Einführung und Ausgestaltung
von Wasserentnahmeentgelten
Ein Feld eigener Gestaltung ist den Ländern hinsichtlich der sog. Wasserentnahmeentgelte77 verblieben. Im Regierungsentwurf für ein Wasserhaushaltsgesetz von 195678 war zwar die Einführung eines Wasserzinses für die Benutzung eines Gewässers vorgesehen. Diese Vorschrift ist jedoch seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren vor allem wegen des Widerstandes der Länder entfallen 79. Gescheitert ist auch der in den 1970er Jahren unternommene Versuch, durch eine bundesrechtliche Regelung das Entnehmen von Wasser aus oberirdischen Gewässern oder dem Grundwasser mit einer Abgabepflicht zu belegen 80. Das gleiche Schicksal hat eine Gesetzesinitiative Niedersachsens von 1991 81 erlitten. Anstelle einer bundesrechtlichen Regelung haben die Gesetzgeber in den meisten Bundesländern seit Ende der 1980er Jahre eigene Regelungen erlassen und entsprechende Abgaben eingeführt82 • Dabei haben die betreffenden Länder ihre wasserwirtschaftliche Situation, d.h. die jeweiligen gewässer- und gebietsspezifischen Fakten, be76 So HonertlRüttgerslSanden, Landeswassergesetz N-W, 4. Auf!. 1996, § 51 a Anm. I. 77 Vgl. allgemein zu diesen Abgaben Breuer (Fn. 67), Rn. 95 f. 78 BT-Drucks. 1I120n, S. 8. 79 Vgl. BVerfGE 93,319 (341 f.). 80 Vgl. Czychowski (Fn. 12), Einl. S. 47. 81 Vgl. BR-Drucks. 701/91. 82 Vgl. §§ l7a-l7f WG B-W; §§ 40-42 BbgWG; § 13a BerIWG; §§ 16-18 WG M-V; §§ 47 ff. NdsWG; § 23 SächsWG; § 47 WG LSA; Bremen: G. über die Erhebung einer Grundwasserentnahmegebühr v. 24.11.1992 (GBI. 641); Hamburg: G. über die Erhebung einer Gebühr für Grundwasserentnahmen v. 26.6.1989 (GVBI. 115), geänd. durch G. v. 14.2.1994 (GVBI. 34); Hessen: G. über die Erhebung einer Abgabe für Grundwasserentnahmen v. 17.6.1992 (GVBI. I S. 20 I, 1I 85-36); geänd.
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rücksichtigt und verwirklicht. Demgemäß unterscheiden sich die landesrechtlichen Regelungen im Hinblick auf den Abgabentatbestand83 , die Befreiungstatbestände und die Abgabenhöhe 84 . Das BVerfG 85 hat solche Abgaben in dem Beschluss zum baden-württembergischen Wasserpfennig und zur hessischen Grundwasserabgabe ausdrücklich gebilligt. Man mag zwar diese Entscheidung insofern kritisieren, als das BVerfG die rechtsdogmatische Qualifizierung einer solchen Abgabe offengelassen hat 86 , statt sie an den Definitions- und Legitimationskriterien der Sonderabgabenjudikatur zu messen 87 . Die Entscheidung ist jedoch wegen ihres abgabenrechtlichen Ergebnisses zu begrüßen 88 • In kompetenzrechtlicher Hinsicht überzeugt sie insofern, als das BVerfG den Landesgesetzgebern in der Abgabenfrage die eigenständige Gestaltung zugestanden und dem Bundesrahmenrecht in dieser Hinsicht keine Sperrwirkung zuerkannt hat 89 . Hierin liegt ein wichtiger Unterschied im Vergleich zur konkurrierenden Bundesgesetzgebung anderer Sachbereiche9o . d) Die kompetenzrechtliche Differenzierung zwischen emissionsund immissionsseitigen Anforderungen Eine systematische Sichtung des Wasserrechts trägt dazu bei, die Erforderlichkeit einer bundesrahmengesetzlichen Regelung (Art. 75 Abs. I i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG) sowie die ausnahmsweise Zulässigkeit ins eindurch G. v. 16.12.1996 (GVBI. S. 534); Schleswig-Holstein: G. über die Erhebung einer Grundwasserentnahmeabgabe v. 14.2.1994 (GVBI. 141). 83 Während in Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt das Entgelt unabhängig davon erhoben wird, ob das Wasser aus oberirdischen Gewässern oder Grundwasser entnommen wird, beschränkt sich der Abgabentatbestand in den übrigen Ländern auf die Entnahme von Grundwasser. 84 Vgl. zu den beiden zuletzt genannten Gesichtspunkten die instruktive tabellarische Übersicht des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Flächenwirksamer Grundwasserschutz, Sondergutachten, 1998, S. 131 ff., wo allerdings noch Angaben für Thüringen enthalten sind, das seit der Neubekanntmachung des Wassergesetzes vom 4.2.1999 (GVBI. S. 114) ein Wasserentnahmeentgelt im Gegensatz zur früheren Rechtslage nicht mehr vorsieht. Kritisch zu den zuvor genannten Unterschieden Oldiges (Fn. 12), S. 61: "schwerwiegende Regelungsunterschiede", welche für die wassernutzende Wirtschaft zu "durchaus spürbaren Wettbewerbsverzerrungen" führten. 85 BVerfGE 93,319. 86 BVerfGE 93, 319 (345). 87 Näher dazu Breuer, DVBI. 1992,489 f., 491 f., 493 f. m. W.N. 88 So auch Kluth, NuR 1997, 101 (109); Murswiek, NVwZ 1996,417 ff. 89 BVerfGE 93, 319 (338 ff.). 90 Vgl. für das Abfallrecht BVerfGE 98, 106 (125 ff.); näher zur insoweit geltenden "Sperrwirkung" Pieroth (Fn. 56), Art. 72 Rn. 2 ff. m. w. N. aus der Rspr. 27'
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zeine gehender, unmittelbar geltender Rahmenvorschriften (Art. 75 Abs. 2 GG) an einer konzeptionellen Richtschnur zu orientieren. Blickt man auf die Postulate und Instrumente des Gewässerschutzes, so drängt sich de lege lata wie de lege ferenda vor allem der grundlegende Unterschied zwischen der Emissions- und der Immissionsseite auf. Anforderungen der Emissionsseite richten sich auf Stoffe und die Beschaffenheit von Anlagen. Sie ergeben sich prinzipiell aus technologischen und ökonomischen Ansätzen. Somit sind sie auf einheitliche und umgebungsunabhängige Geltung angelegt 91 . Daraus folgt von der Sache her die Tendenz zu einer bundeseinheitlichen Regelung. Im Verfassungsrahmen des Art. 75 GG kommt deshalb dem Bund aus Gründen der Wirtschaftseinheit und der Praktikabilität die Gesetzgebungskompetenz insbesondere im Teilbereich der stoff- und anlagenbezogenen Anforderungen des Gewässerschutzes zu. Demgemäß haben gerade die emissionsseitigen Anforderungen an das Einleiten von Abwasser (in § 7 a WHG und der Abwasserverordnung) sowie die Anforderungen an den Bau und Betrieb von Abwasseranlagen (§§ 18 b, 18 c WHG) eine detaillierte, bundeseinheitlich und unmittelbar geltende Regelung gefunden 92 . Hierbei muss es auch in Zukunft bleiben. Für emissionsseitige Anforderungen ist auch nach der Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 199493 sowohl die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung als auch die Legitimität ins Einzelne gehender, unmittelbar geltender Rahmenvorschriften zu bejahen. Anforderungen der Immissionsseite richten sich dagegen nach ökologischen Befunden und Zielen. Sie sind daher vom Ansatz her relativ und umgebungsabhängig94 . Prinzipiell reicht es aus, ihnen durch Bundesrecht einen ausfüllungsfähigen und ausfüllungsbedürftigen Rahmen zu setzen. Demzufolge kommt den Ländern im bundesgesetzlichen, gestaltungsoffenen Rahmen die Regelung der gewässer- und gebietsbezogenen Anforderungen und Maßnahmen zu. Eine bundeseinheitliche Detailregelung ist insoweit grundsätzlich nicht erforderlich und verfassungsrechtlich nicht gedeckt. Schon auf der Gesetzgebungsebene sind die Länder zuständig, die notwendigen Ausfüllungsregelungen für die Planung und Hege ihrer territorialen und ökologischen Ressourcen zu treffen. Dies gilt insbesondere für die gesetzliche Regelung der Planung, Unterhaltung und Bewirtschaftung der Gewäs91 Vgl. Breuer, Wasser & Boden 1995, 10 (11). Die hier vorgenommene Differenzierung lässt sich auch für das Umweltrecht der EG nachzeichnen; vgl. Breuer, in: ders./Kloepfer/Marburger/Schröder (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1989, S. 43 (84 ff.). 92 Vgl. Czychowski (Fn. 12), § 7a Rn. 1, § 18b Rn. 1, § 18c Rn. 16. 93 Vgl. oben in und bei Fn. 55 ff. 94 Vgl. Reinhardt, in: Marburger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1998, UTR Bd. 45, 1998, S. 132.
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sero Auf dem gleichen Leitgedanken beruht es offensichtlich, dass auch der Naturschutz und die Landschaftspflege sowie die Raumordnung einer bloßen Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 75 Abs. I Nr. 3 und 4 GG) und im übrigen der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegen.
3. Die föderale VerwaItungsstruktur auf dem Gebiet des Gewässerschutzes
Die föderale Verwaltungsstruktur der Bundesrepublik Deutschland hat sich auf dem Gebiet des Gewässerschutzes im wesentlichen bewährt. Dies gilt insbesondere für die Gemeinden als Träger der Abwasserbeseitigung und der öffentlichen Wasserversorgung, für die Wasser- und Bodenverbände als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts mit weitgespannten, gebietsbezogenen Aufgaben sowie für die Exekutive der Länder. Den staatsrechtlichen Rahmen dieser administrativ geprägten Föderalstruktur bildet die "gegliederte Demokratie" des Grundgesetzes mit ihrer separierenden Kompetenzordnung, der demokratischen Legitimation und Verantwortung auf der Ebene der jeweiligen Gebietskörperschaft sowie den bundesstaatlichen und kommunalen Elementen der vertikalen Gewaltenteilung 95 . a) Die Ebene der Gemeinden Die geordnete Abwasserbeseitigung hat für den Gewässerschutz eine herausragende Bedeutung. Angesichts dessen verdient hervorgehoben zu werden, dass alle Landeswassergesetze die in § 18 a Abs. I Satz 3 WHG definierte Abwasserbeseitigung in Ausfüllung des § 18 a Abs. 2 WHG grundsätzlich zur Pflichtaufgabe der Gemeinden erklärt haben 96 . Bei der Erfüllung dieser Aufgabe kommt den Gemeinden sowohl in organisatorischer97 als auch in materieller Hinsicht ein weitgehendes Ermessen zu. So Vgl. oben in und bei Fn. 35 und 37. Vgl. §§ 45a, 45b, 45d WG B-W; Art. 41 a, 41 b, 41 d, 75 Abs. 1 S. 1 und 3 BayWG; §§ 64-69 BbgWG; §§ 29d, 2ge BerIWG; §§ 132-134, 136 BremWG; § 1 Abs. I, §§ 2, 3 HbgWG; §§ 51, 52, 118 Abs. 2 HessWG; §§ 39,40, 130 WG M-V; §§ 148-150, 152 NdsWG; §§ 51-56 WG N-W; §§ 51-53 WG Rh-Pf; §§ 42, 4950a Saar1WG; §§ 9, 62, 63 SächsWG; §§ 150, 151, 153 WG LSA; §§ 30-32, 133 WG S-H; §§ 57, 58, 105 Abs. 2 ThÜrWG. 97 Vgl. hierzu die Beiträge von Rudolph und Dräsemeier, in: Staat, Selbstverwaltung und Private in der Wasser- und Entsorgungswirtschaft, Schriftenreihe "Das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft", Heft 24, 1997, S. 65 ff. und 89 ff.; ferner Wellmann, Abwasserentsorgung: Rechtsgrundlagen und organisatorische Gestaltungsoptionen, München-Wien 1996. 95
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verfügen sie in materieller Hinsicht über ein planerisches Gestaltungsermessen, das sich insbesondere auf die Standortwahl für die Abwasserbehandlungsanlagen 98, auf die satzungsrechtliche Konkretisierung der durchzuführenden Abwasserbeseitigung 99 sowie auf die Lenkung mittels der Abwassergebühren bezieht. Die eigenverantwortliche Wahrnehmung dieser Aufgabe durch die Gemeinden entspricht dem Postulat der örtlichen Sachnähe sowie der institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 Satz I GG). Dem steht nicht entgegen, dass materielle Anforderungen an die Abwasserbeseitigung im EG-Recht, insbesondere in der EG-Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser lOo , im Bundesrecht, insbesondere in den §§ 7 a und 18b WHG, der Abwasserverordnung lOl und dem Abwasserabgabengesetz 102, sowie im ausfüllenden Landesrecht geregelt sind. Denn diese Vorgaben schränken zum einen die Gestaltungs- und Lenkungsbefugnisse der Gemeinden lediglich ein und sind zum anderen überwiegend auf die organisatorische und materielle Umsetzung, Ausgestaltung und Ergänzung durch die Gemeinden angewiesen I 03. Angesichts dieser Kompetenzlage wurde bereits vor 30 Jahren zu Recht beklagt, dass die "überragende Bedeutung der Gemeinden und kommunalen Gebietskörperschaften im Bereich der Wasserwirtschaft ... im verfassungsrechtlichen Wettstreit als wichtiger Partner zu wenig berücksichtigt" wird lO4 • Die getroffenen Feststellungen gelten - mutatis mutandis - auch für die Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung 105. Sie stellt ebenfalls eine ge98 Insoweit unterfällt dieser Aspekt der Abwasserbeseitigungspflicht der durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten kommunalen Planungshoheit; vgl. Henseler, Das Recht der Abwasserbeseitigung, 1983, S. 228, der insoweit zutreffend auch auf die sich aus §§ 29 ff. BBauG (jetzt §§ 29 ff. BauGB) ergebende enge Verflechtung von Entwässerung und Bauen hinweist (ebda., S. 227). 99 Czychowski (Fn. 12), § 18a Rn. 17 m.w.N.; ausführlich: Lübbe-Wolff(Fn. 71), S. 140 ff., die zu Recht darauf hinweist, dass die Abwassersatzung insoweit einen "engen Bezug zum Umweltschutz" aufweist (ebda., S. 141). 100 Richtlinie 91/271/EWG vom 21.5.1991, ABI. EG, L 135, S. 40. 101 Vgl. oben Fn. 54. 102 Vgl. oben Fn. 53. 103 Vgl. etwa zur Erforderlichkeit ergänzender schadstoffbegrenzender Vorschriften auf der Ebene des kommunalen Satzungsrechts Lübbe- Wolff (Fn. 71), S. 151 ff. m. w. N.; ferner Driewer, KorrespAbw 1993, 200 ff. 104 Stumm, in: Das Recht der Wasserwirtschaft, Heft 17, 1971, S. 23 f. 105 Vgl. §§ 37a, 37b BerIWG; §§ 54, 56 HessWG; § 43 WG M-V; §§ 46, 50 WG Rh-Pf; § 57 SächsWG; § 146 WG LSA; § 61 ThürWG; in den übrigen Bundesländern ergibt sich diese grundsätzliche Zuständigkeit aus der tradierten Zuordnung der Wasserversorgung zu der den Gemeinden zugewiesenen Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie mittelbar aus den kommunalrechtlichen Bestimmungen über den Anschluss- und Benutzungszwang und über das Gemeindewirtschaftsrecht; vgl. etwa § 9 und § 107 Abs. I Nr. 3 GO N-W.
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setzliehe Pflichtaufgabe der Gemeinden dar. Auch hier entspricht die eigenverantwortliche gemeindliche Wahrnehmung "im Rahmen der Gesetze" der institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 Satz I GG). b) Wasser- und Bodenverbände Eine tragende wasserwirtschaftliehe Rolle spielen des weiteren die Wasser- und Bodenverbände 106 , die teils nach dem Wasserverbandsgesetz J07 und teils - insbesondere in Nordrhein-Westfalen - als sondergesetzliche Wasserverbände J08 errichtet sind. Ihre gewässer- und gebietsbezogenen Aufgaben sind nach Gesetz und Satzung weit gespannt. Sie erstrecken sich heute nicht nur auf die Organisation und Durchführung der öffentlichen Wasserversorgung sowie einer geordneten Abwasserentsorgung, sondern darüber hinaus auf die gebietsadäquate Wasserwirtschaft nach Menge und Güte J09 . Gemeinsam ist diesen Verbänden, dass es sich um öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaften handelt, die als sog. Realkörperschaften auf die Besonderheiten eines bestimmten Gebiets zugeschnitten sind 1 JO und wesentliche Aufgaben des Gewässerschutzes wahrnehmen. Damit ergänzen und entlasten sie die kommunale Selbstverwaltung. Aufgrund dieser Eigenschaften tragen sie ebenfalls zu einem föderal strukturierten Gewässerschutz bei. Zudem tritt auch bei ihnen die demokratische Komponente des Föderalismus zutage 1 1 I. Nach der Erkenntnis des BVerfG I12 hat sich die Erfüllung wasserwirtschaftlicher Aufgaben durch öffentlich-rechtliche Verbände "bewährt" und "für die Betroffenen den Vorteil, daß sie unmittelbar gestaltend an der Erfüllung der sie besonders berührenden Aufgaben mitwirken und ihren Einfluß schon im Stadium der Willensbildung des VerNäher zu diesen öffentlich-rechtlichen Verbänden Breuer (Fn. 50), Rn. 14 ff. Vom 12.2.1991, BGBI. I S. 405. Dieses Gesetz hat das (Reichs-)Gesetz über Wasser- und Bodenverbände vom 10.2.1937 (RGBI. I S. 188) und die hierauf gestützte Erste Wasserverbandverordnung vom 3.9.1937 (RGBI. I S. 933) abgelöst, auf deren Grundlage die Wasser- und Bodenverbände zuvor gebildet wurden. 108 Vgl. die näheren Angaben bei Breuer (Fn. 50), Rn. 16. 109 Vgl. die Auflistung der zulässigen Aufgaben der Wasser- und Bodenverbände in § 2 Wasserverbandsgesetz. 110 Vgl. etwa die Berichte von Annen, Jmhoff, Brechtel und Stein betreffend die wasserwirtschaftliche Planung des Lippeverbandes, des Ruhrverbandes, des Wupperverbandes und des Großen Erftverbandes, in: Das Recht der Wasserwirtschaft, Heft 22, 1979, S. 119 ff., 151 ff., 127 ff. und 177 ff. 111 Vgl. allgemein zu diesem Aspekt des Föderalismus Hesse (Fn. 3), Rn. 224; Kimminich (Fn. 3), § 26 Rn. 46. 112 BVerfGE 10, 89 (104) im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit einer Zwangsmitgliedschaft im 1958 sondergesetzlich gegründeten "Großen Erftverband" (heute: "Erftverband"). 106
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bandes geltend machen können; sie sind also nicht darauf beschränkt, bereits gefaßte Beschlüsse gerichtlich nachprüfen zu lassen". c) Die Ebene der Bundesländer
Die Exekutive der Länder hat auf dem Gebiet des Gewässerschutzes bisher ihre verfassungsrechtliche Position gewahrt. Soweit das Wasserhaushaltsgesetz und das Abwasserabgabengesetz selbständig vollzugsfähig sind, kommt den Ländern gemäß den Art. 83, 84 GG die Aufgabe des Vollzugs in eigener Verantwortung zu. Dies gilt auch für die wasserwirtschaftliche Verwaltung der Bundeswasserstraßen, da sich deren bundeseigene Verwaltung (Art. 89 Abs. 2 GG) auf den wasserwegerechtlichen Bereich beschränkt l13 . Soweit erst das ausfüllende Landesrecht vollzugsfähig ist, fällt sein Vollzug in die ausschließliche Kompetenz der Länder (Art. 30 GG). Diese Lage entspricht zum einen dem föderalistischen, von Hans Peters formulierten Ideal der Landesverwaltung l14 und zum anderen dem Leitgedanken, dass die staatliche Kompetenz für die Planung und Hege der territorialen und ökologischen Ressourcen aufgrund der natürlichen und landsmannschaftlichen Nähe bei den Ländern liegen sollte I 15. Auch insofern steht der Gewässerschutz in einer Linie mit den Sachgebieten des Naturschutzes, der Landschaftspflege und der Raumordnung. d) Defizite und Verzögerungen der gewässer- und gebietsbezogenen Planungen
In der deutschen Praxis des wasserwirtschaftlichen Vollzuges werden allerdings bisweilen reale Defizite und Verzögerungen im Bereich der gewässer- und gebietsbezogenen Planungen beklagt. Kritik richtet sich insbesondere gegen die spärliche Aufstellung von Bewirtschaftungsplänen (§ 36 b WHG) 116. Derartige Defizite beruhen jedoch im wesentlichen auf tatsäch1I3 Vgl. hierzu BVerfGE 21, 312; zu Einzelfragen: VG Koblenz, DVBI. 1974, 301; OVG Koblenz, ZfW 1975,56 (Gewässerausbau, Planfeststellung); VG Regensburg, BayVBI. 1983, 442; im Schrifttum: Breuer (Fn. 50), Rn. 3; ders., DVBI. 1974,268 ff.; Friesecke, ZfW 1975,29 ff.; Salzwedel, DÖV 1968, 103 ff. 114 Vgl. oben in und bei Fn. 32 und 33. 115 Isensee, in: ders.lKirchhof, HbStR, Bd. IV, 1990, § 98 Rn. 306 und 308 sieht die seit den I 970er Jahren wachsende Bedeutung derartiger "bodenständiger" Staatsaufgaben gar als wichtigen Beitrag zur "Legitimation des Bundesstaates"; vgl. auch ebda., Rn. 307, den zutreffenden Hinweis, dass auch das Grundgesetz mit seinen Vorgaben für eine Neugliederung des Bundesgebiets in Art. 29 Abs. I S. 2 GG "nach dem zweckrationalen Kriterium der wirksamen Aufgabenerfüllung" auch und gerade "raumabhängige Kriterien" nennt. 116 Vgl. Reinhardt, ZfW 1999,300 ff. m.w.N.
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lichen und aufgabenspezifischen Schwierigkeiten, nicht auf den Eigenheiten des föderalistischen Systems.
IV. Die EG-Wasserrahmenrichtlinie - ein Trojanisches Pferd im föderalistischen Staatsautbau 1. Der Finalismus und Zentralismus der Wasserrahmenrichtlinie
Schon der Kurztitel "EG-Wasserrahmenrichtlinie" fördert ein Missverständnis. Er weckt die Vorstellung, die Richtlinie enthalte ähnlich wie das Wasserhaushaltsgesetz einen normativen Systemrahmen mit ordnungsrechtlichen, konditionalen Voraussetzungen für Gewässerbenutzungen, andere gewässerrelevante Handlungen und Anlagen sowie für behördliche Kontrollen, Gestattungen und Eingriffe 1 17. Daraus erwächst des weiteren das Trugbild eines zweifach geschachtelten Rahmens in einer zweifach föderalen Organisation. In diesem Sinne scheint man in der deutschen Ministerialverwaltung des Bundes und der Länder zu meinen, das Verhältnis zwischen der EG-Wasserrahmenrichtlinie und dem Wasserhaushaltsgesetz des Bundes sei ebenso strukturiert wie das vertraute Verhältnis zwischen dem Bundesrahmengesetz und den landesgesetzlichen Ausfüllungsregelungen l18 . Träfe dies zu, so wäre die Umsetzung der Richtlinie eine Aufgabe der ordnungsrechtlichen Konkretisierung in einem föderalistischen System. Ebenso wäre dann der administrative Vollzug eine ausschließliche Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bliebe dann die administrativ geprägte Föderalstruktur gemäß den bundesstaatlichen Prinzipien und der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung unberührt. All dies erweist sich jedoch als irreal, weil die EG-Wasserrahmenrichtlinie keinen nonnativen System rahmen darstellt. Sie enthält keine ordnungsrechtlichen, konditionalen Voraussetzungen, die in der apostrophierten Weise der normativen Ausfüllung und danach der Subsumtion sowie dem dezentralen Vollzug zugänglich wären 119. Vielmehr schreibt sie - final und für den Bereich der "Wasserpolitik" - ein europaweites, perfektionistisch ausgeformtes Wasserbewirtschaftungssystem vor. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten somit, eine finale Politik zu betreiben und dabei die Zielvorgaben der Gemeinschaft zu befolgen. 117 Von dieser Vorstellung ging auch der von BreuerlFaßbellder erarbeitete "Vorschlag für eine Wasserrahmenrichtlinie aus deutscher Sicht" aus; abgedruckt in: Breuer (Hrsg.), Regelungsmaß und Steuerungskraft des Umweltrechts - Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Prof. Dr. Jürgen Salzwedel, Schriftenreihe "Das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft", Heft 27, 2000, S. 113 ff. 118 Symptomatisch Leymallll, in: LAW A (Fn. 11), S. 7 ff. 119 Näher dazu und zum folgenden Breuer, NVwZ 1998, 1001 (1008 ff.).
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Im einzelnen betrachtet, regelt die EG-Wasserrahmenrichtlinie auf der Basis der flächendeckend zu erfüllenden Umweltziele (Art. 4) und der obligatorischen Merkmale der Flussgebietseinheiten (Art. 5) umfassende Agenden, die den Mitgliedstaaten in jeder Flussgebietseinheit obliegen. Hierzu gehören die Überprüfung der Umweltauswirkungen menschlicher Tätigkeiten und eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung für jede Flussgebietseinheit (Art. 5 i. V. m. den Anhängen II und III), die Einrichtung, Überarbeitung und Aktualisierung eines Verzeichnisses der auszuweisenden Schutzgebiete (Art. 6), die Festlegung von Umweltqualitätsnormen für jedes zur Entnahme von Trinkwasser genutzte oder vorgesehene und zu beschreibende Gewässer (Art. 7) sowie die Erstellung und Umsetzung von Programmen zur Überwachung des Zustands von Oberflächengewässern, Grundwasser und Schutzgebieten (Art. 8). Daran knüpft die Verpflichtung der Mitgliedstaaten an, dafür zu sorgen, dass in jeder Verwaltungseinheit ein Maßnahmenprogramm zur Erreichung der festgelegten Umweltziele (Art. 11) und ein Bewirtschaftungsplan für jede Flussgebietseinheit (Art. 13) erstellt werden. Hinzu tritt eine weitreichende Berichtspflicht. Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, der EG-Kommission alle Bewirtschaftungspläne sowie zusammenfassende Berichte der durchgeführten Analysen gemäß Art. 5 und der Überwachungsprogramme gemäß Art. 8 vorzulegen (Art. 15). Diese Regelung läuft auf ein zentralistisch konzipiertes Organisations-, Planungs-, Ausführungs- und Kontrollsystem für die gesamte Wasserwirtschaft in den Mitgliedstaaten hinaus 120. 2. Der Eingriff in den föderalistischen Staatsaufbau Der Finalismus und Zentralismus der EG-Wasserrahmenrichtlinie beschwört die Gefahr eines systemverändernden Eingriffs in die bundesstaatliehe Struktur, insbesondere in die föderale Verwaltungsstruktur, der Bundesrepublik Deutschland herauf. Die Regelung der Richtlinie über die "Koordinierung von Verwaltungsvereinbarungen innerhalb einer Flussgebietseinheit" (Art. 3) ist nicht geeignet, die Sorge vor dem Eingriff in den föderalistischen Staatsaufbau sowie die institutionelle Autonomie der Mitgliedstaaten l2l zu zerstreuen. Schon die Divergenzen zwischen dem deutschen, dem englischen und dem französischen Text des Art. 3 der Richtlinie 122 verheißen nichts Gutes.
Breuer, NVwZ 1998, 1001 (1009). Vgl. hierzu auch Breuer, NuR 2000, 541 (545 0. 122 Vgl. im einzelnen unten im Text sub 2d); ferner kritisch Reinhardt, ZUR 200 I, 124 (126 f.). 120
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a) Die organisationsrechtlichen Inhalte der EG-Wasserrahmenrichtlinie
Gegenstand dieser Regelung ist die Bestimmung der Flussgebietseinheiten, darüber hinaus aber auch die Organisation und Koordination der Verwaltung in den zu konstituierenden Flussgebietseinheiten. Unter einer solchen Einheit versteht die Richtlinie ein gemäß Art. 3 Abs. I "als Haupteinheit für die Bewirtschaftung von Einzugsgebieten festgelegtes Land- oder Meeresgebiet, das aus einem oder mehreren benachbarten Einzugsgebieten und den ihnen zugeordneten Grundwässern und Küstengewässern besteht" (Art. 2 Nr. 15). Die Mitgliedstaaten bestimmen die einzelnen Einzugsgebiete innerhalb ihres jeweiligen Hoheitsgebiets und ordnen sie für die Zwecke der Richtlinie jeweils einer Flussgebietseinheit zu (Art. 3 Abs. I Satz I). Im deutschen Text der Richtlinie heißt es des weiteren, dass die Mitgliedstaaten für "geeignete Verwaltungsvereinbarungen" sorgen, "einschließlich der Bestimmung der geeigneten zuständigen Behörde, damit diese Richtlinie innerhalb jeder Flussgebietseinheit ihres Hoheitsgebiets angewandt wird" (Art. 3 Abs. 2). Fest steht, dass die obligatorischen Flussgebietseinheiten verwaltungsorganisatorische Bezugsgrößen sind. Ebenso steht fest, dass sie weder an die vorgefundenen Behördenbezirke der Staats- und Kommunalverwaltung noch an die Grenzen der deutschen Bundesländer gebunden sind 123 • Vielmehr müssen sie nach den gewässer- und gebietsbezogenen Merkmalen der Richtlinie, also unabhängig von den gebietskörperschaftlichen Bezirken, gebildet werden. Richtig ist, dass die Richtlinie - anders als der erste Kommissionsentwurf 124 - nicht die Errichtung besonderer Flussgebietsbehörden (River Basin Authorities), also keine Sonderbehörden mit wasserwirtschaftlicher Kompetenzkonzentration nach britischem Vorbild 125, fordert. Dennoch ent123 Die Flussgebietseinheit muss sich, wie dargelegt, an dem jeweils zu bestimmenden Einzugsgebiet orientieren, wobei letzteres wiederum in Art. 2 Nr. 13 der Richtlinie definiert ist als "ein Gebiet, aus weIchem über Ströme, Flüsse und möglicherweise Seen der gesamte Oberflächenabfluss an einer einzigen Flussmündung, einem Ästuar oder Delta ins Meer gelangt". Damit orientieren sich die Flussgebietseinheiten letztlich strikt an den natürlichen Gegebenheiten (scil.: den sog. Wasserscheiden), wozu Reinhardt, ZUR 2001, 124 (126) mit Recht ironisch bemerkt: "Überzeugender lässt sich eine WasserwirtschaftsverwaItung kaum konstruieren, wären da nicht die auch von den Europäischen Gemeinschaften nicht so ohne weiteres überwindlichen Faktoren der Eigenstaatlichkeit und der Verfaßtheit insbesondere der föderalen Mitgliedstaaten". 124 Vgl. Breuer, NVwZ 1998, 1001 (1003, in und bei Fn. 14). 125 Vgl. zum britischen Wasserwirtschafts system Ercmann, Pollution Control in the European Community, 1996, S. 715 ff.; Rees/Zabel, Vereinigtes Königreich, in: Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LA WA)/Correia/Kraemer (Hrsg.), Eurowater, Bd. I, Institutionen der Wasserwirtschaft, 1997, S. 597 f., 668, 686 ff., 696 ff.,
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hält die Richtlinie einen schwerwiegenden Eingriff in den föderalistischen Staatsautbau der Bundesrepublik Deutschland. Die Durchbrechung der gebietskörperschaftlichen Verwaltungsstruktur der Länder und der kommunalen Selbstverwaltung stellt keine Angelegenheit der administrativen Technik dar. Sie kann daher auch nicht mit kooperativem Pragmatismus bewältigt werden. Vielmehr richtet sich der Eingriff gegen die bundesstaatlichen und föderalistischen Grundlagen. Betroffen ist letztlich die vertikale Gewaltenteilung, die in der Eigenstaatlichkeit der Länder und in der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verankert und mit dem Demokratie- wie mit dem Rechtsstaatsprinzip verknüpft ist l26 . Entscheidend ist, dass die in Art. 3 der Wasserrahmenrichtlinie geforderte Organisation und Koordination der Verwaltung in den Flussgebietseinheiten ein breites Einfallstor für Verwaltungsverbünde und Mischverwaltungen bilden wird. Die verfassungsrechtliche Grenze der unzulässigen Kooperation dürfte hierbei leicht erreicht, wenn nicht überschritten sein. Wie rigoros der supranationale Normgeber der Gemeinschaft die Durchbrechung der gebietskörperschaftlichen Verwaltungsstruktur forciert, zeigt der weitere Inhalt des Art. 3 der Wasserrahmenrichtlinie. Art. 3 Abs. 3 fordert internationale Flussgebietseinheiten: Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass ein Flussgebiet, das auf dem Hoheitsgebiet von mehr als einem Mitgliedstaat liegt, einer internationalen Flussgebietseinheit zugeordnet wird; auch insoweit sorgt - nach dem deutschen Text - jeder Mitgliedstaat "für geeignete Verwaltungsvereinbarungen, einschließlich der Bestimmung der geeigneten zuständigen Behörde", damit die Richtlinie auf seinem Hoheitsgebiet angewandt wird. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie fordert eine Verdichtung des Verwaltungsverbundes: Die Mitgliedstaaten sorgen hiernach dafür, dass die Anforderungen dieser Richtlinie zur Erreichung der Umweltziele nach Art. 4 und insbesondere alle Maßnahmenprogramme für die gesamte Flussgebietseinheit koordiniert werden. Nach Art. 3 Abs. 6 können die Mitgliedstaaten eine bestehende nationale oder internationale Stelle als zuständige Behörde im Sinne der Richtlinie bestimmen. Bis zum 22. Dezember 2003 müssen sie die zuständigen Behörden für die Wahrnehmung der Aufgaben in den Flussgebietseinheiten bestimmen (Art. 3 Abs. 7 i. V. m. Art. 24).
720 ff., 735 f., 737 ff.; allgemein zu den Zuständigkeiten und Befugnissen der National Rivers Authority auch Howarth. in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des Europäischen Umweltrechts, 1996, S. 37 (42 ff.). 126 Vgl. zu diesen Zusammenhängen bereits oben, insbes. in und bei Fn. 37 und 111.
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b) Die Durchbrechung des demokratischen Legitimationsund Verantwortungszusammenhangs
Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Durchbrechung der gebietskörperschaftlichen Verwaltungsstruktur der Länder und der kommunalen Selbstverwaltung sowie die Sorge vor einer Aufweichung der vertikalen Gewaltenteilung gründen sich in erster Linie auf das Demokratieprinzip. Sie ließen sich eventuell überwinden, wenn die Verwaltungsorganisation der zuständigen Behörden innerhalb der Flussgebietseinheiten rein konsultativ oder strikt konsensual ausgestaltet würde, etwa in der Form eines bloßen Benehmens, der Aufstellung verwaltungsinterner "Richtlinien" oder Programme oder einer Koordination durch einstimmige Beschlüsse l27 . Dagegen wird man - mit Ulrich Scheuner l28 - die Grenze des unzulässigen Verwaltungsverbundes für überschritten halten müssen, wenn eine Kooperation durch bindende Mehrheitsbeschlüsse angestrebt werden sollte. Hierfür ist auf der Basis des Demokratieprinzips entscheidend, dass die demokratische Legitimation jedes Organs sowie jedes Amtswalters innerhalb der jeweiligen Gebietskörperschaft (Bund, Land oder Gemeinde) gesondert gewährleistet sein muss. Entsprechendes gilt für die demokratische Verantwortung. Die Legitimation verschaffen und die Verantwortung einfordern kann jeweils nur die Gesamtheit der Bürger oder ein seinerseits legitimiertes Repräsentationsorgan (Bundestag, Landtag oder Gemeinderat) innerhalb der betreffenden Gebietskörperschaft. Die Mitwirkung Außenstehender an einem Kreations- oder Bestellungsakt oder an einer Sachentscheidung durchbricht und verletzt den demokratischen Legitimations- und Verantwortungszusammenhang. Ländergrenzenüberschreitende Flussgebietseinheiten stoßen daher auf die gleichen Einwände, die schon vor Jahrzehnten den damals erörterten, auf einer "dritten Ebene" angesiedelten Gemeinschaftseinrichtungen der Länder entgegengehalten worden sind 129. Dies gilt jedenfalls für ländergrenzenüberschreitende und mehrheitlich beschließende Verwaltungsverbünde.
127 Vgl. die diesbezüglichen Überlegungen bei Hagenguth, in: LA W A (Fn. 11), S. 119 (121 ff.), die auf die Ergebnisse eines von der LAWA eingerichteten Ausschusses zur rechtlichen Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie zurückgehen. Dabei ist mit Reinhardt, ZUR 200 I, 124 (128) davon auszugehen, dass mehr oder weniger informelle Arbeitskreise oder Absprachen der Länder über die administrative Zusammenarbeit mangels verbindlicher Wirkung aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht ausreichen. 128 Vgl. oben in und bei Fn. 38. 129 Scheuner, DÖV 1962,641 (648). 28 K10cpfcr
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Rüdiger Breuer c) Die rechtsstaatswidrige Verwirrung der staatlichen Rechtsaufsicht
in Verwaltungsverbünden mehrerer Länder
Das Rechtsstaatsprinzip verlangt klare Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für die Rechtsaufsicht 13 0. Im föderalistischen Staatsaufbau ist diese durch die gebietskörperschaftliche Struktur und die Kompetenzordnung des Bundesstaatsprinzips und der Garantie kommunaler Selbstverwaltung gewährleistet. Hiernach wird klargestellt, welche Körperschaft und welche Behörde zuständig und verantwortlich dafür ist, die Einhaltung des geltenden Rechts durch die handelnde Behörde zu kontrollieren. Ebenso muss, von unten her betrachtet, die handelnde Behörde klare Regeln zur Beantwortung der Frage vorfinden, welche übergeordnete Körperschaft und welche Behörde zur staatsaufsichtlichen Kontrolle und eventuell zur Intervention zuständig und befugt sind. Auf der Landesebene bedarf es somit der Zuständigkeit einer bestimmten, allein verantwortlichen Landesregierung. Entsprechendes gilt auch für die Selbstverwaltung der Wasser- und Bodenverbände, die innerhalb eines bestimmten Bundeslandes auf gesetzlicher Grundlage konstituiert und in den demokratischen und rechtsstaatlichen Verantwortungszusammenhang eingebunden sind 131. Eben diese Prinzipien der staatlichen Rechtsaufsicht werden aus den Angeln gehoben, wenn ländergrenzenüberschreitende Flussgebietseinheiten mit Verwaltungsverbünden mehrerer Länder oder gar internationalen Zuschnitts gebildet werden. Die rechtsstaatswidrige Verwirrung resultiert aus dem Verlust klarer Kompetenzen und Verantwortlichkeiten, ohne die eine effektive Rechtsaufsicht nicht existieren kann. Dabei ist auch zu bedenken, dass diese innerhalb der Landesstaatsgewalt demokratisch legitimiert und verantwortet werden muss. In einem derartigen Länderverbund wäre weder eine sachliche oder zeitliche Aufteilung noch eine gesamthänderische, auf Einvernehmen oder Mehrheitsbeschluss angewiesene Ausübung der Rechtsaufsicht geeignet, deren Effektivität zu wahren 132.
d) Das staatsorganisationsrechtliche Umsetzungsdilemma Aus den demokratischen und rechtsstaatlichen Schranken für Verwaltungsverbünde ergibt sich ein staatsorganisationsrechtliches Umsetzungsdilemma, zumindest aber eine prekäre Spannungslage. Von der Warte des deutschen Bundesstaates aus muss man bei der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie darauf dringen, dass die Organisation und Koordination 130 131 lJ2
Vgl. statt vieler Stern (Fn. 16), S. 793 ff. Breuer, NuR 2000, 541 (546, in und bei Fn. 53). Vgl. Breuer, NuR 2000, 541 (547).
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der zuständigen Behörden in den Flussgebietseinheiten betont konsultativ und flexibel gehalten, d.h. im Geiste des Föderalismus gestaltet wird. Ungewiss ist indessen, ob die EG-Kommission demzuwider bei der Interpretation und Postulation geeigneter Verwaltungsstrukturen und geeigneter zuständiger Behörden eine andere Linie vertreten und durchsetzen will. Man kann nicht ausschließen, dass die Kommission unter Effizienzmaximen i. S. des effet utile J33 formelle und strikte Entscheidungsmechanismen und eventuell auch Prozeduren bindender Mehrheitsbeschlüsse verlangen wird. Jedenfalls ist dies eine Frage, die man nur mit banger Sorge stellen kann. Die Sorge verstärkt sich, wenn man sieht, dass - wie eingangs erwähnt die Ministerialverwaltung der Länder wie auch des Bundes bisher das Bewusstsein für die demokratischen und rechtsstaatlichen Probleme sowie für das rechts- und verwaltungspraktische Umsetzungsdilemma und die hieraus resultierende Unsicherheit vermissen lässt. Die Unsicherheit, wie die Organisation und Koordination der zuständigen Behörden in den Flussgebietseinheiten gestaltet werden soll und darf, ist um so misslicher, als der deutsche Text des Art. 3 der EG-Wasserrahmenrichtlinie in merkwürdiger Weise von der englischen sowie von der französischen Fassung abweicht. Die englische Fassung trägt die Überschrift "Coordination of administrative arrangements within river basin districts"; die Mitgliedstaaten müssen hiernach "the appropriate administrative arrangements, inc1uding the identification of the appropriate competent authority, for the application of the rules of this Directive within each river basin district lying within their territory" sicherstellen (Art. 3 Abs. 2). In der französischen Fassung lautet die Überschrift des Art. 3 "Coordination des mesures administratives au sein des districts hydrographiques"; die Mitgliedstaaten ergreifen danach "les dispositions administratives approprit!es, y compris la designation de l'autorite competente adequate". Während die Begriffe "appropriate administrative arrangements", "mesures administratives" und "dispositions administratives" in einem weiten Sinne geeignete Regelungen und Maßnahmen bezeichnen und im Laufe der supranationalen Verhandlungen konstant verwendet worden sind, weist der deutsche Begriff der "geeigneten Verwaltungsvereinbarungen" eine merkwürdige Verengung auf. Überhaupt erweckt die Unsicherheit der deutschen Textfassung einen zwiespältigen Eindruck. Nachdem im deutschsprachigen Entwurf der Richtlinie zunächst die Schaffung "geeigneter Verwaltungsstrukturen" und danach unsinnigerweise der Erlass "geeigneter Verwaltungsvorschriften" vor133 Vgl. hierzu Kutscher, Thesen zu den Methoden der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aus der Sicht eines Richters, 1976, S. 43 ff.; ferner Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rn. 1318 ff.; Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rn. 527 ff.; krit. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, 1996, S. 144 ff., 377 ff., 460 f.; Breuer, NVwZ 1998, 100 I (1006 f.).
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gesehen war l34 , stellt der Begriff der "geeigneten Verwaltungsvereinbarungen" den dritten Übersetzungsversuch dar l35 . Er scheint der föderalistischen Verwaltungsorganisation der Bundesrepublik Deutschland entgegenzukommen, dürfte sich jedoch als Placebo erweisen. Zum einen ist der deutsche Sonderweg der Wortwahl ein fragwürdiges Mittel der europarechtlichen Gestaltung. Zum anderen lassen sich die demokratischen und rechtsstaatlichen Einwände gegen länderübergreifende Verwaltungsverbünde 136 gerade mit der Fixierung auf Verwaltungsvereinbarungen nicht widerlegen oder entschärfen. e) Die Europarechtswidrigkeit des Eingriffs in die institutionelle Autonomie der Mitgliedstaaten
Wie früher dargelegt 137 , begegnet der Eingriff in die Verwaltungsorganisation und die institutionelle Autonomie der Mitgliedstaaten nicht nur staatsrechtlichen, sondern auch europarechtlichen Einwänden. Bisher hat das EG-Recht nicht nur de facto die-nationale Verwaltungsorganisation unberührt gelassen. Vielmehr ist auch de iure zu beachten und bisher beachtet worden, dass den Mitgliedstaaten die institutionelle Autonomie verblieben ist I38 • Die Regelung der Verwaltungsorganisation und die Einrichtung von Verwaltungsbehörden fallen demgemäß in die Verantwortung der Mitgliedstaaten; der Europäischen Gemeinschaft fehlt hierfür die Kompetenz. Diese Kompetenzgrenze des primären EG-Rechts gilt selbstverständlich auch für die EG-Wasserrahmenrichtlinie. Die vergleichende Betrachtung des nationalen Rechts und der mitgliedstaatlichen Verwaltungsorganisation zeigt, dass die EG-Wasserrahmenrichtlinie von britischen Vorstellungen inspiriert ist. Sie folgt dem Organisationsmodell der National Rivers Authority, die neuerdings in die zentrale Environment Agency integriert worden ist l39 , sowie der behördeninternen Einteilung in die sechs Flussgebiete unter der administrativen Regie jener Authority l4o. Zugleich kommt das organisatorische Konzept der Richtlinie Vgl. Breuer, NVwZ 1998, 1001 (1003 f.). Kritisch auch Reinhardt, ZUR 2001, 124 (126 f.). 136 Vgl. oben in und bei Fn. 128. 137 Breuer, NVwZ 1998, 1001 (1006 ff.); ders., NuR 2000, 541 (546). Reinhardt, ZUR 200 I, 124 (127) sieht in der dekretierten "Umordnung der Zuständigkeiten" einen Verstoß gegen die primärrechtlichen Anforderungen an die Richtliniengebung in Art. 249 Abs. 3 EGV mit der Folge, dass eine Transformationspflicht insoweit nicht bestehe. 138 Huber, Recht der Europäischen Integration, 1996, § 25 Rn. I ff.; allgemein zu den Kompetenzen der EG im Verwaltungsvollzug und zur bisherigen Rechts- und Verwaltungspraxis auch Winter, in: Lübbe-Wolff (Fn. 125), S. 37 (42 ff.). 139 Vgl. dazu Ercmann (Fn. 125), S. 715 ff. 134 135
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dem französischen Modell der Agences de l' eau nahe, die für sechs große Flussgebiete die Aufgabe einer integrierten Wasserwirtschaftsverwaltung wahrnehmen 141. Großbritannien und Frankreich mögen aufgrund ihrer zentralstaatlichen Struktur und ihres hierdurch geprägten, eher ökonomisch als ökologisch ausgerichteten Verständnisses der "Wasserwirtschaft" eine solche Verwaltungsorganisation praktizieren und propagieren. Mit der föderalistischen Staats- und Verwaltungsstruktur der Bundesrepublik Deutschland ist sie hingegen nicht vereinbar. f) Das verdrehte Verhältnis zwischen Bundesund Gemeinschaftsaufsicht
Eine geradezu absurde Verdrehung der föderalistischen Ordnung tritt zutage, wenn man die im deutschen Bundesstaat bestehende Bundesaufsicht und die in Art. 3 der EG-Wasserrahmenrichtlinie angelegte Gemeinschaftsaufsicht gegenüber der Landesverwaltung vergleicht. Die administrativ geprägte Föderalstruktur der Bundesrepublik Deutschland beruht, wie dargelegt, auf dem von Hans Perers postulierten, im Grundgesetz realisierten und in der Staatspraxis geachteten Prinzip der Gesamtzuständigkeit der Landesverwaltung l42 . Damit korrespondiert die äußerst zurückhaltende Aufsichts- und Interventionspraxis der Bundes- gegenüber der Landesexekutive l43 . Die schonende Behandlung der Landesverwaltung durch den Bund sowie die prinzipielle Vermeidung eines exekutiven Oktroi des Bundes gegenüber den Ländern kennzeichnen die föderalistische Kultur der Bundesrepublik. Abgesehen von den Ausnahmefällen der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG), steht dem Bund kein Recht zu, die Zweckmäßigkeit der Landesverwaltung zu kontrollieren oder gar zum Eingriffsmaßstab zu machen. Im Vergleich dazu schließt die voraussichtlich reklamierte Aufsicht der EG-Kommission darüber, ob die Mitgliedstaaten geeignete Verwaltungsstrukturen (oder "geeignete Verwaltungsvereinbarungen") geschaffen und "geeignete Behörden" benannt haben (Art. 3 Abs. 2 WRRL), den potentiellen Zugriff auf die Zweckmäßigkeit der mitgliedstaatlichen Flussgebietsverwaltung ein. Die Gefahr einer supranationalen Intervention wird durch das problematische europarechtliche Verständnis des effet utile 144 erhöht. Wo 140 Vgl. Rees/Zabel (Fn. 125), S. 597 f., 668, 686 ff., 696 ff., 720 ff., 735 f., 737 ff. 141 Vgl. Barraque/Berland/Cambon. Frankreich, in: Eurowater, Bd. 1 (Fn. 125), S. 198 ff., 258 ff., 273 ff., 300 ff., 318 ff. 142 Vgl. oben in und bei Fn. 33. 143 Vgl. etwa Ossenbühl (Fn. 20), S. 138: "sehr behutsame" Anwendung des Mittels der Bundesaufsicht. 144 Vgl. oben Fn. 133.
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die integrationspolitische Nützlichkeit zum Leitgedanken der angeblichen Rechtsauslegung erklärt wird, negiert die Gemeinschaft auf der europäischen Ebene den föderalistischen (oder quasiföderalistischen) Geist l45 . Wenn die Gemeinschaft überdies nach Maximen der Zweckmäßigkeit in die nationale Verwaltungsorganisation durchgreift und die Verwaltung der deutschen Länder kontrolliert und diszipliniert, droht der Föderalismus ausgehebelt zu werden. Hierdurch wird die Landesverwaltung dem Einfluss der EG-Kommission unterworfen, und zwar im Hinblick auf die Geeignetheit der Organisation und Koordination der Flussgebietsverwaltung. Dass die Kommission geneigt sein könnte, diese Aufsicht nach Maßgabe des effet utile, also nach ihrer integrationspolitischen Einschätzung sowie unter Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit auszuüben, ist ein keineswegs theoretisches, sondern aus praktischer Erfahrung gespeistes Szenario. Für die föderalistische Ordnung bleibt es eine absurde und alarmierende Verdrehung, wenn die Gemeinschaftsaufsicht seitens der Kommission gegenüber der Landesverwaltung im Wege eines europäischen, zentralistisch inspirierten Durchgriffs Kontroll- und Interventionsbefugnisse reklamiert, wie sie der Bundesaufsicht innerhalb des deutschen Bundesstaates weder zukommen noch jemals zugeschrieben worden sind 146.
3. Die Ausstrahlung auf andere Sachgebiete und Kompetenzbereiche Den Umweltzielen des zentralen Art. 4 der EG-Wasserrahmenrichtlinie wie auch den allgemeinen Zielen (nach Art. 1) und den planerischen Agenden dieser Richtlinie wohnt eine umfassende und integrative Grundtendenz inne. Zumal die Europäische Gemeinschaft ohnehin den integrierten Umweltschutz auf ihre Fahnen geschrieben hat l47 , ist auf die Dauer nicht anzunehmen, dass die "Wasserpolitik" der Gemeinschaft gemäß der Wasserrah145 Vgl. zu den geistigen Grundlagen des Föderalismus Perers (Fn. 16), S. 59 ff., 76 ff.; aus der staatsrechtlichen Sicht auch Anschütz und Bilfinger, VVDStRL 1 (1924), 11 ff., 35 ff.; Bülck und Lerche, VVDStRL 21 (1964), 1 ff. und 66 ff.; aus der Sicht der nationalen und der europäischen Verfassungstradition Polaschek, in: Aulehner u. a. (Fn. 17), S. 9 ff. 146 Vgl. mit Bezug auf die Art. 30 und 83 GG: BVerfGE 55, 274 (318 0: "Die in Rede stehende Kompetenzaufteilung ist eine wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips im Grundgesetz und zugleich ein Element zusätzlicher funktionaler Gewaltenteilung. Sie verteilt politische Macht und setzt ihrer Ausübung einen verfassungsrechtlichen Rahmen, der diese Machtverteilung aufrechterhalten und ein Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte sowie einen Ausgleich widerstreitender Belange ermöglichen soll." Ferner Blümel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, 1990, § 101 Rn. I ff. 147 Vgl. die Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Verminderung und Vermeidung der Umweltverschmutzung vom 24.9.1996 (ABI. EG 1996, L 257, S. 26). Zur
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menrichtlinie sich auf den Gewässerschutz beschränken ließe. Vielmehr dürften die integrative Grundtendenz sowie der Finalismus und Zentralismus dieser Richtlinie zwangsläufig auf andere Sachgebiete und Kompetenzbereiche ausstrahlen. Spätestens wird man eine solche Ausstrahlung bei den Agenden der Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne (Art. 11, 13) gewärtigen müssen. Für die deutschen Bundesländer bedeutet dies, dass ihre Planung und Hege der territorialen und ökologischen Ressourcen nicht nur im Kompetenzbereich des Gewässerschutzes bedroht ist. Vielmehr lässt sich absehen, dass insbesondere auch die Kompetenzbereiche des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie der Raumordnung (Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4, auch Art. 70 und 30 GG) betroffen sein werden. Entsprechendes gilt für die administrative Aufgabenwahrnehmung im Bereich des vorsorgenden, flächenbezogenen Bodenschutzes. Damit verdichtet sich vollends die Gefahr für den verfassungsnotwendigen Mindestbestand an eigenen Aufgaben der deutschen Bundesländer l48 .
4. Die Verstärkereffekte kraft der Rechtsprechung des EuGH Will man die voraussichtlichen Auswirkungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie auf die administrativ geprägte Föderalstruktur der Bundesrepublik Deutschland und die Verwaltungshoheit der Länder einschätzen, so muß man die Rechtsprechung des EuGH in die Betrachtung einbeziehen. Beachtung verdienen vor allem die Urteile, mit denen der EuGH im Laufe der letzten Jahre den Klagen der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet des Gewässerschutzes stattgegeben hat, so dass die "Wasserpolitik" der Gemeinschaft - ungeachtet ihrer Schwächen und Defizite - gegenüber den spezifischen, durchaus ehrgeizigen und fortschrittlichen Modalitäten des deutschen Wasserrechts durchgesetzt worden ist l49 . Diese Rechtsprechung des EuGH lässt erwarten, dass auch im AnBedeutung dieser Richtlinie für den Gewässerschutz Breuer, in: Rengeling (Fn. 2), Bd. II, 1998, § 66 Rn. 40 ff. 148 Vgl. zu diesem Erfordernis oben in und bei Fn. 22. 149 Vgl. EuGH, Rs. C-131/88 (Grundwasser), Sig. 1991, 825; Rs. C-361/88 (Luftreinhaltung: Schwefeldioxid und Schwebestaub), Sig. 1991, 2567 und Rs. C59/89 (Luftreinhaltung: Blei), Sig. 1991, 2607; Rs. C-58/89 (Oberflächenwasser), Sig. 1991, 4983; ferner Rs. C-237/90 (Trinkwasser), Sig. 1992, 5937; Rs. C-262/95 (Nichtumsetzung der Richtlinien 82/176/EWG, 83/513/EWG, 84/156/EWG, 84/ 491/EWG und 861280/EWG betreffend die Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in Gewässer), NVwZ 1997, 371; Rs. C-297/95 (kommunales Abwasser), Sig. 1996, 6739; Rs. C-298/95 (Fisch- und Muschelgewässer), Sig. 1996, 6747; Rs. C184/97 (Art. 7 der Gewässerschutzrichtlinie 76/464/EWG), NVwZ 2000, 304 = DVBI. 2000, 184; vgl. auch die Darstellung bei Faßbender, Die Umsetzung von
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schluss an die EG-Wasserrahmenrichtlinie der Modus einer normativen Umsetzung sowie eine "konkrete, gegliederte Planung für das gesamte Hoheitsgebiet,,150 von den Mitgliedstaaten eingefordert werden. Dabei dürfte das Postulat der "geeigneten Verwaltungsvereinbarungen" (Art. 3 WRRL) oder - im Sinne der englischen sowie der französischen Fassung - geeigneter Verwaltungsstrukturen ("appropriate administrative arrangements", "mesures administratives" oder "dispositions administratives appropriees") unter Effizienzgesichtspunkten zu lesen sein. Unklarheiten und potentielle Konflikte sind damit vorprogrammiert. Ausdruck des umweltpolitischen, mit juristischen Mitteln ausgetragenen Konflikts ist insbesondere das fragwürdige Urteil des EuGH vom 11. November 1999 151 zur Umsetzung der sog. Gewässerschutzrichtlinie 76/464/ EWG I52 . Mit diesem Urteil hat der Gerichtshof die Bundesrepublik Deutschland verurteilt, sie habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 76/464/EWG verstoßen, dass sie entgegen Art. 7 dieser Richtlinie keine Programme mit Qualitätszielen zur Verringerung der Verschrnutzung durch bestimmte Listenstoffe aufgestellt habe. Hierzu ist eine kritische Würdigung bereits an anderer Stelle unterbreitet worden 153. Zur Verdeutlichung und Bestätigung bietet der Rechtsstreit um die Umsetzung der Badegewässerrichtlinie 154 weiteres Anschauungsmaterial. Hier scheute sich die Kommission nicht, ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des Vorwurfs einzuleiten, dass die Bundesrepublik Deutschland bei 85 der in den alten Ländern ausgewiesenen 1.770 Badegewässer angeblich nicht alle Maßnahmen getroffen habe, um sicherzustellen, dass die Qualität der Badegewässer binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie den gemäß ihrem Art. 3 festgelegten Grenzwerten entspricht; überdies habe die Bundes republik die vorgeschriebenen Probenahmen nicht mit der im Anhang der Richtlinie festgelegten Mindesthäufigkeit durchgeführt 155. Insbesondere Umweltstandards der Europäischen Gemeinschaft, 2001, S. 82 ff.; kritisch Breuer (Fn. 9), passim. 150 So die Forderung des EuGH in der Rs. C-184/97, NVwZ 2000, 304 = DVBI. 2000, 184, Rn. 56. 151 NVwZ 2000, 304 = DVBI. 2000, 184. 152 Richtlinie 76/464/EWG des Rates vom 4.5.1976 betreffend die Verschrnutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft, ABI. EG 1976, Nr. L 129, S. 23. 153 Reinhardt, DVBI. 2001, 145 (147 ff.); ebenfalls kritisch Faßbender (Fn. 149), S. 99 ff. unter Hinweis auf den Regelungszweck der Richtlinie und den insoweit zu verzeichnenden "Gesinnungswandel" der Kommission. 154 Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8.12.1975 (ABI. EG 1976, Nr. L 31, S. I). 155 So die Zusammenfassung des Streitgegenstands durch Generalanwalt Jacobs, vgl. EuGH, Slg. 1999, 1-3257 (3259).
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ließ sich die Kommission von ihrem beckmesserischen Vollzugsinterventionismus nicht durch den von der Bundesregierung vorgetragenen, unwiderlegten Einwand abbringen, bei 46 der betroffenen Badegewässer sei lediglich eine einzige 0) Grenzwertüberschreitung im Jahre 1995 zu verzeichnen gewesen, die als "Ausreißer" zu werten sei und keinesfalls kostenintensive Sanierungsmaßnahmen rechtfertige, zumal die Ursache nicht habe ermittelt werden-können 156. Auch ließ sich die Kommission nicht dadurch erweichen, dass die Bundesregierung vortrug, fünf der streitgegenständlichen Badegewässer hätten ein Einzugsgebiet, das über die deutschen Grenzen hinausgehe, so dass die durchgeführten Maßnahmen nicht gegriffen hätten; es handle sich daher um einen Fall materieller Unmöglichkeit l57 . Trotz der Fragwürdigkeit der Vorwürfe und der für ein Vertragsverletzungsverfahren erstaunlichen Beckmesserei ist der EuGH den Anträgen der Kommission im Geiste des supranationalen Interventionismus voll umfänglich gefolgt l58 . Aus den durchlaufenen Vertragsverletzungsverfahren muss die Lehre gezogen werden, dass die Kommission mit Unterstützung des EuGH die ihr durch Art. 211 EGV übertragene Aufgabe, für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts Sorge zu tragen, mit einer Mischung von politischem Finalismus und juristischem Formalismus versteht. Beide Gemeinschaftsorgane neigen demgemäß dazu, um der Ziele einer supranationalen Politik willen das Gemeinschaftsrecht in einem Höchstmaß wörtlich und formal auszulegen und anzuwenden. Dies hat regelmäßig zur Folge, dass nationale Auslegungs- und Gestaltungsspielräume sowie Alternativkonzepte für die Umsetzung von EG-Richtlinien ebensowenig akzeptiert werden l59 wie Ausnahmen, es sei denn, diese sind ausdrücklich in der betreffenden Richtlinie festgelegt l6o . Wenn und soweit das Gemeinschaftsrecht Einschränkungen oder Ausnahmen enthält, werden solche zudem äußerst restriktiv ausgelegt, und zu deren Ausnutzung werden den Mitgliedstaaten entsprechend rigide Nachweispflichten auferlegt l61 . Vgl. EuGH, Sig. 1999, 1-3257 (3280). V gl. EuGH, Sig. 1999, 1-3257 (3281). 158 Vgl. EuGH, Slg. 1999, 1-3257 (3282 ff.). V gl. ferner zu den Auswirkungen dieser Entscheidung auf die administrative Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie Faßbender, NVwZ 2001, 241 (245 und 248 f.). 159 Paradigmatisch die Auseinandersetzung in der Rs. C-184/97, NVwZ 2000, 304 = DVBI. 2000, 184. 160 Vgl. oben in und bei Fn. 156-158. Zum daraus abzuleitenden Erfordernis, die Möglichkeit derartiger Ausnahmen und Abweichungen bereits im Rechtsetzungsverfahren zu berücksichtigen, aber auch zu den diesbezüglichen gemeinschaftsrechtlichen Grenzen Faßbender (Fn. 149), S. 153 ff. 161 So hat der EuGH (Slg. 1999, 1-3283, Rn. 39) in bezug auf das oben in und bei Fn. 157 angeführte Verteidigungsvorbringen der Bundesregierung lapidar ausgeführt: "Für die genannten fünf Gewässer hat die deutsche Regierung nicht dargetan, daß die Durchführung anderer Maßnahmen als der bis 1994 getroffenen - insbeson156 157
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Vor diesem Hintergrund ist es unrealistisch, wenn - bisweilen stereotypl62 _ behauptet wird, den Mitgliedstaaten komme bei der Umsetzung und Anwendung der EG-Wasserrahmenrichtlinie, insbesondere bei den gemäß Art. 4 WRRL festzulegenden Umweltzielen, ein weiter, nahezu unkontrollierbarer Beurteilungsspielraum zu 163. Hierbei indiziert schon der verwendete Begriff des Beurteilungsspielraums, dass der wiedergegebenen Einschätzung nationale, spezifisch deutsche Vorstellungen der konditionalen Rechtsetzung l64 zugrunde liegen, die in der gemeinschaftsrechtlichen Kontroll- und Interventionspraxis keine Entsprechung finden. Überdies ist nicht ersichtlich, warum Kommission und EuGH ausgerechnet bei der umweltpolitisch ambitionierten, hohem Erwartungsdruck ausgesetzten Wasserrahmenrichtlinie von der dargelegten Praxis abgehen sollten l65 . Vielmehr ist zu erwarten, dass Kommission und EuGH die bisher beobachtete Mischung von politischem Finalismus und juristischem Formalismus auch und gerade bei der Umsetzung und Anwendung der Wasserrahmenrichtlinie praktizieren werden.
5. Fazit: Das Trojanische Pferd Als Fazit der Analyse ist festzustellen, dass die EG-Wasserrahmenrichtlinie ein Trojanisches Pferd im föderalistischen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Ihr Finalismus und Zentralismus (oben IV 1), der in ihr angelegte Eingriff in den föderalistischen Staatsaufbau (oben IV 2), die über die "Wasserpolitik" der Gemeinschaft hinauswirkende Ausstrahlung auf andere Sachgebiete und Kompetenzbereiche (oben IV 3) und dere von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den angrenzenden Staaten - materiell unmöglich war." 162 Vgl. Schmalholz, ZfW 2001,69 (79, 81, 84 und 86). 163 Hiervon geht in der Sache auch der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Umweltgutachten 2000 aus; vgl. die Kurzfassung des Umweltgutachtens 2000, Tz. 126; das Gutachten ist auch abrufbar über die Homepage des SRU (www.umweltrat.de). 164 Näher dazu Breuer, Konditionale und finale Rechtsetzung - Gegensätze und Möglichkeiten der Harmonisierung, Vortrag, gehalten auf den Umweltrechtstagen 2000 des Landes Nordrhein-Westfalen am 22. 8. 2000 in Düsseldorf. 165 So könnte die Kommission beispielsweise bei der Wasserrahmenrichtlinie eine auf Art. 4 Abs. 5 gestützte Festlegung weniger strenger Umweltziele als in Art. 4 Abs. I WRRL gefordert, insoweit in Anlehnung an die in Fn. 161 zitierte Urteilsbegründung einerseits und Art. 4 Abs. 5 Buchst. a) WRRL andererseits, schon dadurch in einem Vertragsverletzungsverfahren angreifen, dass sie behauptet, der betreffende Mitgliedstaat habe "nicht ausreichend dargetan, dass die Durchführung anderer Maßnahmen" als der in der geforderten Begründung aufgeführten. "die eine wesentlich bessere und nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbundene Umweltoption darstellen" (so Art. 4 Abs. 5 Buchst. a) WRRL), nicht in Betracht gekommen sei oder "materiell unmöglich war".
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die beschriebenen Verstärkereffekte kraft der Rechtsprechung des EuGH (oben IV 4) bedrohen die verfassungsrechtlichen Prinzipien des deutschen Bundesstaates und vor allem die administrativ geprägte Föderalstruktur der Bundesrepublik. Dass diese Richtlinie trotz deutlicher Warnungen verabschiedet worden ist und aus den Ministerialverwaltungen des Bundes und der Länder auch heute - angesichts des europarechtlichen Umsetzungszwangs - beschwichtigende und bisweilen euphorische Parolen zu vernehmen sind, zeugt von Wirklichkeitsferne. Freilich unterscheidet sich die gegenwärtige Lage des Föderalismus nach der Verabschiedung der EG-Wasserrahmenrichtlinie in einem Punkt von der Geschichte des Trojanischen Krieges. Während wir von dieser - ex post wissen, dass die Fehleinschätzung des hohl bauchigen Pferdes geradewegs in das verhängnisvolle Ende führte, lässt jene Lage - ex ante - das künftige Schicksal des Föderalismus offen erscheinen. An eine plötzliche Besinnung und einen aufrechten Abwehrkampf der föderalistischen Kräfte zu glauben, nillt indessen schwer. Alsdann bleibt die Hoffnung auf ein gnädiges Geschick. Vielleicht gelingt es trotz der bisherigen Fehleinschätzung doch, in europäischem Einvernehmen und auf schonende Weise "geeignete Verwaltungsstrukturen" oder "geeignete Verwaltungsvereinbarungen" zu ersinnen, die sich mit bundesstaatlichen und föderalistischen Prinzipien vereinbaren lassen, also nicht zur Auflösung der administrativ geprägten Föderalstruktur der Bundesrepublik Deutschland führen. Auch hierfür wäre jedoch die bisher fehlende Erkenntnis der realen Bedrohung vonnöten. So fühlt sich der rechtswissenschaftliche Warner mit Beklommenheit in der Rolle der Kassandra oder des blinden Sehers Teiresias. Die künftige Geschichte wird die Wahrheit lehren.
Autorenverzeichnis Prof. Dr. Hartmut Bauer Technische Universität Dresden Juristische Fakultät Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Staatsrecht, Umwelt- und Wirtschaftsrecht 01062 Dresden Ministerialrat Dr. Konrad Berendes Leiter des Referats "Recht der Wasserwirtschaft" Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Postfach 12 06 29 53048 Bonn Senatsdirigent Wolfgang Bergfelder Leiter der Abteilung "Integrativer Umweltschutz" Senats verwaltung für Stadtentwicklung des Landes Berlin Württembergische Str. 6 10707 Berlin Tel.: 9025-22 00 Prof. Dr. Edmund Brandt Universität Lüneburg Professur Öffentliches Recht, insbesondere Umweltrecht Fachbereich Umweltwissenschaften 21332 Lüneburg Prof. Dr. Rüdiger Breuer Universität Bonn Institut für Öffentliches Recht Adenauerallee 44 53113 Bonn Prof. Dr. Astrid Epiney Universität Freiburg Schweiz Institut für Europarecht Av. de Beauregard 11-13 CH-1700 Fribourg
lose! Feldmann Rechtsanwalt Deutsche Bundesstiftung Umwelt Postfach 17 05 49007 Osnabrück
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Staatsminister Steifen Flath Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft 01075 Dresden Prof. Dr. Walter Frenz Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Lehr- und Forschungsgebiet Berg- und Umweltrecht Wüllnerstr. 2 52056 Aachen Leitender Ministerialrat a.D. Dr. Klaus Hansmann Falkenweg 7 40822 Mettmann Prof. Dr. Michael Kloepfer Humboldt-Universität zu Berlin Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Umweltrecht, Finanz- und Wirtschaftsrecht Unter den Linden 9-11 (Palais) 10099 Berlin Hel/mut Königshaus Generalbevollmächtigter ALBA AG & Co. KG Postfach 13 10 65 13631 Berlin Prof. Dr. Juliane Kokott, LL.M., SJ.D. Universität St. Gallen Lehrstuhl für Völkerrecht, Internationales Wirtschaftsrecht und Europarecht Tigerbergstr. 21 CH-90oo St. Gallen Schweiz Prof. Dr. Ludwig Krämer Europäische Kommission GD Umwelt - Direktion A (Nachhaltige Entwicklung und politische Instrumente), Leiter des Referats "Rechtspolitik in Umweltfragen" 200 Rue de la Loi 2oo/Wetstraat 200 B- 1049 Bruxelles Belgium Dr. Claus-Peter Martens, LL.M. Rechtsanwalt Clifford Chance Pünder Katharina-Heinroth-Ufer I 10787 Berlin
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~inisterialrat Or. Horst Risse Leiter des Arbeitsbereiches "Grundsatzangelegenheiten und Parlamentsrecht" Bundesrat 11055 Berlin Or. Frank Andreas Sehendei Rechtsanwalt Bayer AG, WV Umweltschutz 5 1368 Leverkusen Prof. Or. Helmuth Sehulze-Fielitz Universität Würzburg Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften Oomerschulstraße 16 97070 Würzburg Or. Birgit Spießhofer, M.C.J. Rechtsanwältin Sozietät Hengeler Mueller Charlottenstraße 35/36 10 117 Berlin
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