Abfallwirtschaft in Bund und Ländern: Perspektiven des föderalen Umweltschutzes am Beispiel der Abfallwirtschaft. Wissenschaftliche Tagung des Forschungszentrums Umweltrecht - FZU der Humboldt-Universität zu Berlin am 21. März 2002 [1 ed.] 9783428510979, 9783428110971

Auch sechs Jahre nach In-Kraft-Treten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ist das Abfallrecht von einer besonde

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German Pages 138 Year 2003

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Abfallwirtschaft in Bund und Ländern: Perspektiven des föderalen Umweltschutzes am Beispiel der Abfallwirtschaft. Wissenschaftliche Tagung des Forschungszentrums Umweltrecht - FZU der Humboldt-Universität zu Berlin am 21. März 2002 [1 ed.]
 9783428510979, 9783428110971

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MICHAEL KLOEPFER (Hrsg.)

Abfallwirtschaft in Bund und Ländern

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 132

Abfallwirtschaft in Bund und Ländem Perspektiven des föderalen Umweltschutzes am Beispiel der Abfallwirtschaft Wissenschaftliche Tagung des Forschungszentrums Umweltrecht - FZU der Humboldt-Universität zu Berlin am 21. März 2002

Herausgegeben von

Michael Kloepfer

Duncker & Humblot . Berlin

Deutsche lundesstiftung

Umwelt Poo.llac~

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-11097-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Vorwort Auch sechs Jahre nach In-Kraft-Treten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ist das Abfallrecht von einer besonderen Dynamik in der Rechtsentwicklung geprägt, die den Rechtsanwender, insbesondere den primären Normadressaten - die Unternehmen der Abfallwirtschaft -, vor große praktische Probleme stellt. Die in vielen Einzelfragen bestehende Rechtsunsicherheit wird in nicht unerheblichem Maße durch die bundesstaatliche Ordnung forciert, z. B. durch die Verteilung der Gesetzgebungs- und Vollzugszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, das Verhältnis zwischen dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz des Bundes und den einzelnen Landesabfallgesetzen bzw. die fehlende Anpassung des Landesrechts an das Bundesrecht. Hinzu kommt die ambivalente Stellung der Länder im weiterhin vielfach von Kommunen und Landesgesellschaften dominierten Bereich der Abfallentsorgung: Die Länder sind Normgeber und mittelbar zugleich Normadressaten ihrer eigenen Regeln. Inwieweit die Privatisierung der Abfallentsorgung einen gewissen Ausweg aus diesem Dilemma verheißt, wird von den Vertretern der unterschiedlichen Interessengruppen erwartungsgemäß unterschiedlich beurteilt. Jedenfalls könnten von Konzentrationsbewegungen in der Abfallwirtschaft über die Ländergrenzen hinweg erhebliche unitaristische Tendenzen ausgehen. Da die Eck- und Schwerpunkte der Debatte um das deutsche und das europäische Abfallrecht, aber auch um die bundesstaatlichen Effekte für den Umweltschutz sich ständig verschieben, hat das Forschungszentrum Umweltrecht der Humboldt-Universität zu Berlin am 21. März 2002 erneut eine Tagung veranstaltet, die das wechselhafte Spannungsverhältnis zwischen Abfallrecht und bundesstaatlicher Ordnung aus aktueller Sicht sowohl der Wissenschaft wie auch der konkret Normbetroffenen, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen der Abfallwirtschaft, ausleuchtete. Dieses Symposium knüpfte unmittelbar an zwei thematisch ähnlich gelagerte Tagungen an, die das Forschungszentrum Umweltrecht in den vergangenen Jahren veranstaltet hat: zum einen an die Tagung "Abfallrecht und Föderalismus" am 29. Mai 1998, I zum anderen an die Tagung "Umweltföderalismus" am 24. und 25. April 2001,2 die den Blickwinkel erweiterte und neben dem Abfallrecht auch die Referenzgebiete Bodenschutz-, Gewässerschutz- und Immissionsschutzrecht thematisierte. Zugleich bildete das hier dokumentierte Symposium den Abschluss des vom Forschungszentrum Umweltrecht initiierten und maßI Vgl. hierzu den gleichnamigen Tagungsband, erschienen als Band 94 der Schriftenreihe zum Umweitrecht, 1999. 2 Vgl. hierzu den gleichnamigen Tagungsband, erschienen als Band 120 der Schriftenreihe zum Umweltrecht, 2002.

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Vorwort

geblich von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojekts "Umweltschutz und Föderalismus", das in grundsätzlicher Form die Spannungs fe 1der des Föderalismus anhand des Referenzgebietes Umweltrecht untersucht und die wichtigsten Erkenntnisse in Form von sechs Thesen zum Umweltföderalismus zusammengefasst hat. In Vorbereitung des Abschlussbandes des Gesamtprojektes, der in Kürze in diesem Verlag erscheinen wird, 3 wurden dessen Thesen zugleich auf dem Symposium zur Diskussion gestellt. Sie sind deshalb auch in diesem Band abgedruckt. Der vorliegende Tagungsband dokumentiert die Vorträge der Referenten aus den Bereichen Wirtschaft, Staat und Wissenschaft und spiegelt den gegenwärtigen Diskussionsstand zum Zustand des deutschen Abfallföderalismus wider und erweitert ihn abschließend um die allgemeinen Perspektiven des Umweltschutzes im Bundesstaat. Meine Assistenten, Stefan Assenmacher sowie Anne-Kathrin Fenner und Guido Wustlich, haben maßgeblich zum Gelingen der Tagung beigetragen. Dafür danke ich ihnen herzlich. Zum Dank verpflichtet bin ich ebenso meiner studentischen Hilfskraft, Alexander Gebert, für die umsichtige technische Betreuung des Manuskripts. Der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gebührt schließlich besonderer Dank für die finanzielle Förderung der Tagung. Berlin, im Juli 2002

Michael Kloepfer

3 Kloepfer, Umweltrecht in Bund und Ländern, Darstellung des deutschen Umweltrechts für die betriebliche Praxis - insbesondere die Abfallwirtschaft -, im Erscheinen.

Inhaltsverzeichnis Michael Kloepfer Eröffnung ...............................................................................

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loset Feldmann Grußwort ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ludger-Anselm Versteyl Erwartungen der kleinen und mittleren Unternehmen der Abfallwirtschaft an Gesetzgebung und Gesetzesvollzug ...........................................................

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Alexander Schink Bilanz und Perspektiven der kommunalen Abfallwirtschaft nach fünf Jahren Kreislaufwirtschafts- und AbfalJgesetz ..........................................................

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Wolfgang Kahl Privatisierung der AbfalJentsorgung: Rahmenbedingungen, Konfliktfelder und Perspektiven ................................................................................

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Eric Schweitzer Die Abfallwirtschaft im Jahre 2002: Situation - Prognose - Forderungen an die Politik ....................................................................................... 113 Michael Kloepfer Thesen zum Umweltföderalismus ....... . ..... . ........ . ...................... . ........ 125

Autoren- und Rednerverzeichnis .......................................................... 137

Eröffnung Von Michael Kloepfer Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie sehr herzlich begrüßen zu unserer Tagung "Abfallwirtschaft im Bundesstaat - Perspektiven des föderalen Umweltschutzes am Beispiel der Abfallwirtschaft" und darf besonders unsere Referenten willkommen heißen, die sich freundlicherweise dazu bereit erklärt haben, hier heute trotz ihrer vielfaltigen beruflichen Verpflichtungen zu referieren. Ebenso herzlich begrüße ich Herrn Feldmann, der wie bei unserer letzten großen Tagung dankenswerterweise die Deutsche Bundesstiftung Umwelt vertritt, ohne deren Förderung die heutige Veranstaltung und vor allen Dingen das dahinterstehende große Projekt "Umweltschutz und Föderalismus" gar nicht möglich gewesen wäre. Wer schon einmal hier war, weiß, dass wir dieses Thema "Föderalismus - Umweltschutz" zum Gegenstand einer sehr umfassenden Untersuchung gemacht haben, die zu mehreren Tagungen geführt hat und zu einer abschließenden Veröffentlichung von etwa I 000 Seiten führen wird. 1 Wir sind derzeit fahrplangemäß im Abschluss des Manuskripts, das hoffentlich in den nächsten Monaten in den Druck gehen wird. Mit dem bevorstehenden Abschluss des Projekts können wir sagen, dass der Umweltföderalismus als ein Thema der Diskussion wie auch der wissenschaftlichen Auseinandersetzung institutionalisiert worden ist. Das ist an sich ein Grund zur Zufriedenheit; es wäre ein Grund zur unbegrenzten Zufriedenheit, wenn nicht dieses Projekt mit der heutigen Veranstaltung bzw. der Drucklegung des Abschlussbandes zu Ende ginge. Aber man soll ja bekanntlicherweise aufhören, wenn es gerade am schönsten ist, und heute wollen wir insbesondere am Schluss noch einmal hören, ob Sie mit unseren Thesen zum Umweltföderalismus 2 einverstanden sind, die wir als Schlussfolgerungen aus diesem Projekt aufgestellt haben, oder ob es hier und da grundsätzliche oder partielle Kritik gibt. Dem Stiftungszweck der Deutschen Bundesstiftung Umwelt entsprechend stehen die Perspektiven der kleinen und mittleren Unternehmen in besonderer Aufmerksamkeit unseres Projekts; wir haben über 400 kleine und mittlere Unternehmen der Abfallwirtschaft befragt - und das ist eine der Besonderheiten dieses Forschungsprojekts -, ob aus ihrer Sicht die vielgehörten Klagen um die Unübersichtlichkeit I Kloepfer, Umweltrecht in Bund und Ländern, Darstellung des deutschen Umweltrechts für die betriebliche Praxis - insbesondere die Abfallwirtschaft -, im Erscheinen. 2 s. U. S. 125 ff.

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des Föderalismus und die Mehrfachbürokratie berechtigt sind oder nicht. Wir hatten bei dieser Umfrage einen relativ großen Rücklauf, und ich sehe dabei differenzierte Ergebnisse, wobei es uns nicht überrascht, dass grundsätzlich die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes im Bereich des Umweltschutzes als bevorzugenswert angesehen wird. Im Übrigen aber zeigt die Befassung mit den Fragebögen, die ja zum Teil das beliebte Ausmaß von 25 Seiten überstiegen haben, dass die kleinen und mittleren Unternehmen doch zum Teil zu sehr differenzierten Urteilen in der Lage sind. Z. B. ist aus unserer Umfrage eine grundsätzliche Kooperationsunwilligkeit der Behörden nicht bestätigt worden, sondern im Gegenteil: Die Kooperationsbereitschaft der Behörden wird - wer sich mit den modemen Formen des Verwaltungshandelns befasst, ist darüber wohl nicht überrascht - zwar nach Ländern etwas differenziert, aber im Ergebnis doch überwiegend positiv bewertet. Wir haben uns zwar auf diesen Bereich der Abfallwirtschaft fokussiert, aber wir haben uns nicht mit dem Urteil der Wirtschaft alleine zufrieden gegeben, sondern haben insbesondere die 16 Landesumweltministerien mit Fragebögen überzogen, und wir hatten das Glück, dass auch alle Bundesländer - überwiegend - sehr bereitwillig und zum Teil auch sehr ausführlich geantwortet haben. Aus den Antworten ergibt sich ein außerordentlich interessantes Bild über die Einschätzung durch die Landesumweltministerien und auch hier die Fähigkeit zu differenzierenden und nicht Vorurteilen folgenden Urteilen. Darüber hinaus haben wir auch das Bundesministerium für Umwelt in BerlinlBonn einbezogen und durch die Hilfe von Herrn Dr. Petersen und Herrn Mecklenburg große Hilfe erfahren. Bei den zahlreichen sonstigen Mitwirkenden des Projekts möchten wir uns bedanken, insbesondere bei all denen, die die Fragebögen ausgefüllt haben; wer mal solche Fragebögen auf den Tisch bekommen hat, weiß, dass man diese nicht einfach in zehn Minuten abhaken kann, sondern dass dies in einem Haus, wo auch die verschiedenen Abteilungen gehört werden sollen, immer eines gewissen Aufwandes bedarf. Wir bedanken uns also für diese wertvolle Unterstützung. Die Probleme der Abfallwirtschaft - es ist ja die dritte Tagung in diesem Zusammenhang 3 - sind im Laufe des Projekts, das mehrere Jahre gedauert hat, nicht die gleichen geblieben. Stand am Anfang das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz mit seinen Neuerungen im Vordergrund, so ist heute das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eingeführt, allerdings hat es nicht alle Probleme bewältigen können; die ersten Anfangsschwierigkeiten aber sind, so glaube ich, vorbei. Wir werden heute interessante Referate zu den verschiedenen Anwendungsproblemen hören. Die umfassende Rechtsklarheit durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz war nicht zu erreichen, und das zeigt sich auch sehr deutlich in der Kritik der kleinen und mittleren Unternehmen. Es hängt natürlich viel vom untergesetzlichen Normenbe3 Zur Tagung "Abfallrecht und Föderalismus" am 29.5.1998 vgl. den gleichnamigen Tagungsband, erschienen als Band 94 der Schriften zum Umweltrecht, 1999, und zur Tagung "Umweltföderalismus" am 24. und 25.4.2001 vgl. den gleichnamigen Tagungsband, erschienen als Band 120 der Schriften zum Umweltrecht, 2002.

Eröffnung

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stand ab, aber auch von der Verwaltungspraxis bzw. von den gerichtlichen Entscheidungen, aber hier bedarf es sicherlich noch erheblicher Anstrengungen, um Rechtsklarheit zu schaffen. Die Privatisierungsfrage steht wohl derzeit im Vordergrund, und ich bin gespannt auf die Positionen, die wir heute hören und die uns sicherlich Gelegenheit zu einer interessanten Diskussionsrunde geben werden. Der Kampf um Müll ist längst entbrannt und führt zu verschiedenartigen Problemstellungen, z. B. zu den deutlichen Taktiken des "Mauerns" der Kommunen bei der Privatisierung der Abfallentsorgung, aber auch zu sehr ruppigen Wettbewerbsformen sowohl bei den Kommunen wie auch bei den privaten Entsorgern - ich verkneife mir, hier näher auf das Stichwort Köln einzugehen, denke jedoch nur, dass es gegenüber der Domstadt unfair wäre, zu meinen, dass sich die spezifischen Probleme auf sie beschränkten. Als weiterer Aspekt ist die zunehmende Europäisierung zu nennen; wir werden in den Thesen darauf eingehen: Es hat keinen großen Wert, sich allein Gedanken zu machen um die richtige innerstaatliche Ausgewogenheit zwischen Bund und Ländern im Föderalismus, sondern es muss, da die grundsätzlichen umweltrechtlichen Entscheidungen heute überwiegend in Brüssel fallen, darüber nachgedacht werden, wie die Herausforderung des europäischen Abfallrechts bzw. des europäischen Umweltrechts mit den Strukturen des deutschen Bundesstaats bewältigt werden kann. Hierzu werden wir noch diskutieren können. Es ist sicherlich ein für die Länder bedenkliches Zeichen, dass sie - obwohl sie zum Teil Europareferenten in ihren Häusern haben - zum Teil insoweit nur noch eine Art Briefkastenfunktion bzw. Papierverteilungsfunktion haben. Die Länder - das hat unsere Erörterung und unsere Erfahrung ergeben - werden im Prinzip zu spät im Prozess der europäischen Umweltrechtsetzung eingeschaltet: Die innerstaatliche Länderkooperation dauert schlicht und einfach zu lange, um wirklich in vielen Fällen gestaltend in Brüssel mitzuwirken. Hier muss darüber nachgedacht werden, wie die Position verändert werden kann. Umgekehrt gibt es ja kaum einen Bundesbeamten, der sich nicht beschwert über die Behinderungen durch föderale Strukturen bei der Gestaltung bzw. der Umsetzung des EG-Umweltrechts. Die Optimierung der Gestaltung bzw. der Umsetzung des europäischen Rechts bei effektiver Einschaltung der Länder scheint jedenfalls ein nur schwer bewältigbares Problem zu sein, über das näher nachgedacht werden muss. Mein Appell ist, die föderalistischen Probleme im Umweltrecht und speziell im Abfallrecht nicht und primär heute auch nicht nur innerstaatlich zu sehen. Die Länder drohen in diesem Bereich unaufhaltsam in eine politisch doch nachrangige Position zu geraten. Insoweit scheint die Betonung der Vollzugszuständigkeit der Länder auf Dauer richtig zu sein. Der Vollzugsföderalismus - also insbesondere die Zuständigkeit der Länder auch für den Vollzug von Bundesrecht - ist ein spezifisch deutsches Modell, das im Umweltrecht wie folgt akzentuiert werden könnte: dass nämlich der Bund das Sagen im Bereich der Gesetzgebung hat und die Länder dafür in einem weiter als bisher verstandenen Sinne den Vollzug des Umweltrechts bestimmen. Das setzt

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natürlich voraus, dass der Bund sozusagen in einem legislativen self-restraint auch den Verwaltungsvorschriften und den Verwaltungsmöglichkeiten der Länder Raum gibt und insbesondere auf eigene Verwaltungszuständigkeiten verzichtet. Aber wir sind jetzt schon viel zu sehr bei den Einzelheiten. Wir können nicht verkennen, dass sicherlich gerade in dem uns hier besonders interessierenden Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen der Ruf nach mehr Einheitlichkeit ganz deutlich ist - und zwar auf jeder Ebene, auf Ebene der Legislative, aber eben auch auf Ebene des Verwaltungsvollzugs. Das differenziert sich dann je nach Größe des Unternehmens ein bisschen aus. Zu sehr auf Einheitlichkeit zu bauen führt jedenfalls gegenüber der Wirtschaft zu der Frage, warum es eigentlich einen gegliederten Markt, aber einen ungegliederten Staat geben soll. Es existieren ja im Übrigen auch betriebsorganisatorisch im Unternehmensaufbau eine Fülle von Überlegungen, wie man durch Differenzierung und Dezentralisierung, ja sogar durch unternehmensinternen Wettbewerb die Effektivität des Unternehmens erhöhen kann. Also muss man Augenmaß bei der Forderung nach staatseinheitlichen politischen Entscheidungen beweisen, was aber - wenn man die Fragebögen im Einzelnen betrachtet - auch vielfach der Fall ist. Wir freuen uns, dass Sie zu uns gekommen sind, wir freuen uns über die kleinen und mittleren Unternehmen, die uns durch ihren Sachverstand geholfen haben. Ich freue mich, die hervorragenden Kenner des Abfallrechts als Referenten begrüßen zu können, Herrn Versteyl, Herrn Schink und Herrn Kahl. Mit Herrn Schweitzer ist es uns gelungen, einen der größten Entsorger in dieser Region für einen Vortrag gewinnen zu können, der prononciert die Auffassung der Abfallwirtschaft vertreten wird. Und schließlich bitte ich Sie, vielleicht schon mal in die Thesen hineinzuschauen. Sie haben noch die Möglichkeit, die Thesen zu beeinflussen, bevor wir mit diesen an die Öffentlichkeit gehen. Ich hoffe auf ein gutes Gelingen und eröffne hiermit das Symposium.

Grußwort Von Josef Feldmann Sehr geehrter Herr Prof. Kloepfer, meine sehr verehrten Damen und Herren, namens der Deutschen Bundesstiftung Umwelt begrüße ich Sie recht herzlich zu der Tagung "Abfallwirtschaft im Bundesstaat". Diese inhaltlich speziell auf den Bereich des Abfallrechts abgestellte Tagung fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt - Herr Prof. Kloepfer hatte es kurz angesprochen - im Rahmen des Gesamtprojektes "Umweltschutz und Föderalismus". Dieses Projekt baut auf Erkenntnisse aus einem kleinen Vorprojekt auf. Unter Einbeziehung der betrieblichen Praxis der Entsorgungswirtschaft und der Industrie wurde in diesem Projekt deutlich, dass die unterschiedlichen landesrechtlichen Normen und der uneinheitliche Vollzug sowie die uneinheitliche Auslegung des Abfallrechts der privaten Entsorgungswirtschaft Schwierigkeiten bereiten. In dem Projekt zeigte sich, dass auch das Boden-, Gewässer- und Immissionsschutzrecht für die Abfallwirtschaft zunehmende Bedeutung hat und gleichartige Probleme aufwirft. Auch diese Bereiche wurden daher in die Untersuchungen des Hauptprojekts einbezogen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wissenschaftliche Untersuchungen im Bereich des Umweltrechts stehen nicht im Fokus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Ihre Bedeutung und ihr Beitrag zum Umweltschutz wird aber gleichwohl von der Stiftung nicht verkannt. Nach unserer Auffassung kann die Deutsche Bundesstiftung Umwelt auch mit Projekten in diesem Bereich einen positiven Beitrag zu Umweltschutz leisten. Gestatten Sie mir an dieser Stelle einige kurze Ausführungen zu der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und ihrer Fördertätigkeit. Die Bundesumweltstiftung wurde 1990 durch Beschluss des Bundestages aufgrund eines Bundesgesetzes gegründet. Sie wurde, worauf ich besonders hinweisen möchte, als privatrechtliche Stiftung gegründet. Es ist seinerzeit intensiv diskutiert worden, ob die privat- oder öffentlichrechtliche Rechtsform gewählt werden solle. Im Ergebnis ist es eine von der öffentlichen Hand unabhängige privatrechtliche Stiftung geworden, die nur der allgemeinen Stiftungsaufsicht als Rechtsaufsicht - wie jede andere privatrechtliehe Stiftung auch - unterliegt. Das Stiftungskapital stammt aus dem Erlös der damals noch bundeseigenen Salzgitter AG. Dieses Stiftungskapital ist insgesamt in das Stiftungsvermögen eingeflossen. Gegenwärtig beträgt das Stiftungskapital ca. 1,79 Mrd. €. Mit den Erträgen aus diesem Stiftungskapital arbeitet die Stiftung. Jährlich werden entsprechende Rücklagen, soweit sie nach der Abgabenordnung zulässig sind, gebildet.

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losef Fe\dmann

In der Vergangenheit waren es 25 % der Erträge nach Abzug der Verwaltungskosten. Inzwischen sind nach entsprechender Änderung der Abgabenordnung 33 % Rücklagen möglich. Die Rücklagen dienen dem Inflationsausgleich und gewähren die Erhaltung der Leistungskraft der Stiftung. Seit Beginn der Fördertätigkeit im Jahre 1991 wurden über 4.700 Projekte mit einem Fördervolumen von ca. 930 Mio. € gefördert. Ziel der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ist vor allem, durch die Förderung umwelt- und gesundheitsfreundlicher Verfahren und Produkte zu konkreten Umweltentlastungen beizutragen. Die Hauptzielgruppe der Förderung sind die kleinen und mittleren Unternehmen. Gefördert werden jedoch auch Hochschulen und andere Institutionen; Forschungseinrichtungen werden insbesondere in Kooperationsvorhaben mit Unternehmen gefördert. Im Vordergrund stehen dabei Vorhaben zum vorbeugenden, produkt- und produktionsintegrierten Umweltschutz. Neben der Umwelttechnik und der Umweltforschung kommt auch der Umweltbildung und Umweltkommunikation und zum Teil dem Denkmalschutz eine wichtige Bedeutung in der Projektförderung zu. Aufgrund einer kürzlich vom Kuratorium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt beschlossenen Satzungsänderung können auch Naturschutzprojekte gefördert werden, wenn sie der Bewahrung und Wiederherstellung des nationalen Naturerbes dienen. Diese Einschränkung in der Förderung im Naturschutzbereich ist wegen der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich des Naturschutzes aufgenommen worden. Die Entscheidung über die Förderung der Projekte der Stiftung fallt ein l4-köpfiges Kuratorium. Seit Beginn der Stiftung sitzt diesem Kuratorium der ehemalige Bundesbankpräsident Prof. Hans Tietmeyer vor. Neben der Projektförderung verleiht die Deutsche Bundesstiftung Umwelt jährlich einen Umweltpreis, der mit 500.000€ dotiert ist. Weiterhin werden Promotions stipendien vergeben. Das Stipendienprogramm galt zunächst für Deutschland und wurde inzwischen auf Polen und baltische Länder ausgeweitet. Gerade in dem Stipendienprogramm haben wir die Möglichkeit, auch die eingangs angesprochenen umweltrechtlichen Themen zu fördern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da die kleinen und mittleren Unternehmen die Hauptzielgruppe der Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt darstellen, haben wir in diesem Projekt auch gefordert, dass diese Zielgruppe in die Untersuchung im Rahmen des Hauptprojektes "Umweltschutz und Föderalismus" einbezogen wird. Die Ergebnisse dieser Untersuchung - Prof. Kloepfer hat es bereits erwähnt -liegen nun ebenso vor wie auch die Untersuchungen in den 16 Bundesländern. Die Gesamtergebnisse des Projektes werden in einen, wie ich auch gestern Abend in der Beiratssitzung feststellen konnte, sehr umfangreichen Leitfaden einfließen . Der Leitfaden wird natürlich der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Sehr geehrter Herr Prof. Kloepfer, in diesem Projekt, davon konnte ich mich gestern in der Beiratssitzung überzeugen, ist bislang sehr gute Arbeit geleistet worden. Diese Arbeit findet in der heutigen Tagung ihren Fortgang. Meine Damen und Herren, der heutigen Tagung wünsche ich einen guten Verlauf. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Erwartungen der kleinen und mittleren Unternehmen der Abfallwirtschaft an Gesetzgebung und Gesetzesvollzug Von Ludger-Anselm Versteyl Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, das mir gestellte Thema ist für den Referenten in dem Umfang ein Faszinosum, wie es - in der extremsten Form - für den Betroffenen ein Horrorszenario darstellt. Aber immerhin: Die Erwartungen an Gesetzgebung und Vollzug hier zusammenfassend zu referieren, ist ein anspruchsvolles Ziel, gilt es doch, anhand konkreter Beispiele die überwiegend sehr individualistische, überwiegend in durchaus verständlicher Weise verbandsorientierte Sicht der Dinge zu neutralisieren, die da heißt: Die Deutschen insgesamt und speziell die deutschen Entsorgungsuntemehmer werden von unserer Regierung und den Behörden zwangsweise zu den Musterknaben Europas gemacht, während die Konkurrenz im Ausland mit laxen Normen und mediterranem Vollzug noch richtig Geld verdient! Ein kleines Detail in diesem Zusammenhang vorab, weil es im Übrigen innerhalb der Analyse keine Rolle spielt: Der Glaube an Deutschland als den Musterknaben Europas eignet sich zwischenzeitlich nicht einmal mehr für Sonntagsreden, jedenfalls dann nicht, wenn sich die Aussage auf das hiesige Thema des Umweltbereichs konzentriert. Gehört Deutschland doch zwischenzeitlich zu den "Hässlichen Drei", als neben Italien und Belgien einsame Spitze für Länderbetroffenheiten durch den EuGH 1. Aber zurück zum Thema, das ich Ihnen in folgender Gliederung vortragen werde: 1. Wir werden um eine kurze terminologische Klärung nicht umhin können. Im Anschluss daran trage ich Ihnen 2. die Binnenstruktur der Verbände der KMU der Abfallwirtschaft vor, damit deutlich wird, von welchem Wirtschaftsbereich ich hier tatsächlich rede. Anschließend behandele ich: 3. die Erwartungen an die Gesetzgebung sowie 4. die Erwartungen an den Gesetzesvollzug. In einem weiteren Abschnitt behandele ich dann abschließend 5. die Gesetzgebung wie -vollzug betreffenden Fragen der Liberalisierung in der Abfallwirtschaft und die Erwartungen oder Befürchtungen, die KMU damit verbinden. I Vgl. Versteyl, Umweltrecht der Europäischen Union, 11, Entscheidungssammlung, Abschnitt 11. 3, Stand 2/2003, Belgien: 39, Italien: 36, Deutschland: 32; (Stand: 3/03).

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Ludger-Anselm Versteyl

I. Terminologische Klärungen Die im Titel auftauchenden "kleinen und mittleren Unternehmen" bedürfen gerade innerhalb der Abfallbranche einer Klärung, bezeichnet sich doch der - wahrscheinliche - Marktführer, der von mir geschätzte Norbert Rethmann, mit seinem inzwischen nicht nur europa-, sondern weltweit tätigen Entsorgungskonzern gerne ein wenig kokettierend als mittelständischer Unternehmer. Gleiches gilt auch für die übrigen - weitestgehend erst in zweiter oder dritter Generation - tätigen Protagonisten der Branche, wie etwa Gustav-Dieter Edelhoff, Helmut Trienekens oder Lobbe oder vielleicht auch der hier anwesende Referent Dr. Eric Schweitzer2, der wahrscheinlich selbst am besten dazu sich äußern kann. Alle hier genannten Entsorgungsunternehmen setzen mehrere Hundert Mio. € jährlich um. 1. Definition kleine und mittlere Unternehmen

Die Definition dessen, was unter kleinen und mittleren Unternehmen, umgangssprachlich abgekürzt mit KMU, verstanden wird, ergibt sich aus Art. 2 b i. V. m. Anhang I, dort Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Verordnung (EG) Nr.70/2001 der Kommission vom 12.1.2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen 3 • Die Verordnung gilt vom 2.2.2001 bis zum 31.12.2006, Art. 10 va 70/2001. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die nachstehenden Kriterien.

a) Kleines Unternehmen Ein kleines Unternehmen ist ein Unternehmen, das den folgenden Kriterien entspricht: - Es beschäftigt weniger als 50 Personen und - hat entweder einen Jahresumsatz von höchstens 7 Mio. € oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 5 Mio. € und ist unabhängig.

b) Mittleres Unternehmen Das mittlere Unternehmen ist ein Unternehmen, das den folgenden Kriterien entspricht: - Es beschäftigt weniger als 250 Personen und 2 3

Vorstand der Alba AG und Co. KG Berlin. ABI. L Nr. 10 vom 13.1.2001, S. 33.

Erwartungen der Unternehmen

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hat entweder einen Jahresumsatz von höchstens 40 Mio. € oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 27 Mio. € und ist unabhängig. Bei der Berechnung der Schwellenwerte müssen die Zahlen des jeweiligen Unternehmens sowie aller Unternehmen, an denen es direkt oder indirekt 25 % oder mehr des Kapitals oder der Stimmanteile hält, addiert werden. c) Unabhängigkeits kriterium

Als unabhängig gilt ein KMU, das nicht zu 25 % oder mehr im Besitz eines Unternehmens steht, welches die Definition der KMU nicht erfüllt (Unabhängigkeitskriterium)4. Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass die Definition des kleinen und mittleren Unternehmens zwar aus dem Beihilferecht stammt, gleichwohl aber auch für sonstige Rechtsbereiche Anwendung findet. Schließlich gehört zur Vollständigkeit in diesem Zusammenhang, dass es für Beihilfen bis zu 100000€ auf die Größe des Unternehmens nicht ankommt, was sich aus der De-minimis-Verordnung vom 12.1.2001 5 ergibt. 2. Mittelständische U nternehmenlHandwerker Soweit im Zusammenhang des hiesigen Vortrages von kleinen und mittleren Unternehmen gesprochen wird, handelt es sich dabei zwar um die rechtsterminologisch zutreffende Definition, unter die auch die sehr große Gruppe der Handwerksunternehmen, insbesondere aus dem abfallrelevanten Bereich des Kfz-Sektors fallt, wobei gerade auch in diesem Bereich die Zeit der kleinen Hinterhofschrauber erhalten bleiben mag. Angesichts der Konzentration der Vertriebs-, Händler- und Servicenetze der großen Automobilkonzerne haben wir es aber gerade auf diesem Sektor zunehmend nicht mehr mit den kleinen und mittelständischen Unternehmern, als vielmehr mit Großkonzernen zu tun, gleichwohl: Das Handwerk insgesamt ist für unsere hiesige Betrachtung zwar von Bedeutung. Da die Handwerksunternehmen aber überwiegend als Abfallerzeuger, nicht aber als Akteure der Abfallwirtschaft im eigentlichen Sinne in Erscheinung treten, brauchen wir darauf unser Augenmerk nicht weiter zu konzentrieren. 4 Wegen der insbesondere beihilferechtlichen Literatur zur KMU-Thematik vgl. etwa Bar· tasch, KillischlPlaschke, sowie die Rechtsprechung des BGH 26 IV GBB, BGHZ 129, 203 =NJW 1995,2293 = Rehbinder, LM H.9/1995 §35 GWB Nr.19; sowie zu §5 VOLA, NJW 2000= OB 1999, 1055=MOR 1999, 1027. 5 Verordnung (EG) Nr.69/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf "Oe-minimis"-Beihilfen (ABI.L Nr.1O vom 13.1.2001, S.30).

2 Kloepfer

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11. Binnenstruktur der Verbände der Abfallwirtschaft 1. Private Entsorgungswirtschaft Unter Abfallwirtschaft wird hier nicht der weite Bereich der öffentlichen Entsorgungswirtschaft verstanden, auch nicht der Abfallerzeuger, sei er handwerklich, gewerblich, landwirtschaftlich oder industriell. Vielmehr erfolgt eine Fokussierung im Sinne von Abfallwirtschaft = private Entsorgungswirtschaft.

2. Verbandsstrukturen Um die Struktur der kleinen und mittleren Unternehmen der Abfallwirtschaft einzuordnen, erscheint es angebracht, deren Verbindungen bzw. Verbandsstrukturen kursorisch zu erwähnen. Die Binnenstruktur der Verbändebeteiligungen ist recht übersichtlich, da sie ganz überwiegend in zwei bundesweit tätigen Wirtschaftsverbänden organisiert sind, nämlich in dem BDE mit dem bayerischen Korporationsrnitglied VBS sowie dem bvse. Der immer noch bedeutendste Verband innerhalb der Abfallwirtschaft ist der Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft e.Y. - BDE mit Sitz in Köln, bei dem es sich sowohl um einen Wirtschafts- als auch Arbeitgeberverband im rechtlichen Sinne handelt, wobei wir uns heute nur auf die Funktion des Wirtschaftsverbandes zu konzentrieren brauchen. Der BDE wurde als "VPS - Verband privater Städtereinigungsbetriebe" am 20.9.1961 in Offenbach durch Gustav Edelhoff gegründet und hinsichtlich der Finnenbezeichnung 1986, gewissennaßen parallel zu der damals ersten wesentlichen Novelle des Abfallbeseitigungsgesetzes, in den jetzigen Namen umfinniert. Der Verband fusionierte zum 1.1.2000 mit dem Verband privater Abfallentsorger e. Y. - VPA und weist im Übrigen noch die Besonderheit auf, dass im Freistaat Bayern ein eigenständiger Verband, nämlich der VBS, Verband der bayerischen Entsorgungsunternehmen e.Y. Kreislaufwirtschaft- und Städtereinigung als korporatives Mitglied im BDE besteht, gewissennaßen eine CDU/CSU-Variante in der Abfallwirtschaft. Die Zahl der ordentlichen und fördernden Mitglieder des BDE und des VBS beträgt ca. 1.000, in denen übrigens ca. 120.000 Mitarbeiter tätig sind. Der zweite Branchenverband, der bvse - Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. Y. mit Sitz in Bonn, ging 1969 aus einem bereits 1949 in Düsseldorf gegründeten Altpapierverband e.Y. hervor und nannte sich zunächst bvp - Bundesverband Papierrohstoffe e.Y. Nach der Fusion mit dem Fachverband GlasrecycIing, die 1993 erfolgte, trägt der Verband den heutigen Namen und änderte ihn auch nicht mehr bei der 1998 durchgeführten Fusion mit dem Bundesverband der AItöl- und Abfallentsorger. Neben diesen beiden großen und jeweils die gesamte Abfallbranche umfassenden Verbänden in der Rechtsfonn des eingetragenen Vereins besteht eine kaum überseh-

Erwartungen der Unternehmen

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bare Flut einzelner Branchenverbände, in denen vor allen Dingen die auf bestimmte Abfallarten fokussierten Unternehmen organisiert sind. Dabei handelt es sich um Verbände der Bauwirtschaft, des Papier- oder Kunststoffrecyclings, des Altholzes, der Schrottwirtschaft bis hin zu dem Verband, den ich schon deswegen hier nicht vergessen will, weil ich ihn selbst 1985 gegründet habe, nämlich den Bundesverband Altöl e. Y. Wenn es auch für unser heutiges Thema nur am Rande interessiert, sei doch der Vollständigkeit halber erwähnt, dass innerhalb der öffentlich-rechtlich strukturierten Entsorgung zwei Verbände bzw. ihre Mitglieder eine besondere Rolle im Bundesgebiet spielen, nämlich in dem quantitativ deutlich überwiegenden Teil der Verband kommunaler Abfallwirtschaft und Stadtreinigung e.Y., VKS, mit Sitz in Köln sowie als Dachverband der überwiegend mit staatlichen Gesellschafterbeteiligungen ausgestatteten Andienungsgesellschaften vieler Bundesländer die Arbeitsgemeinschaft der Sonderabfall-Entsorgungs-Gesellschaften der Länder mit Sitz in Schwabach. Für die hiesige Betrachtung können wir uns auf die beiden großen Privatverbände konzentrieren, also den BDE und den bvse. Beide Verbände unterscheiden sich strukturell wesentlich insoweit, als in dem BDE zwar das gesamte Spektrum der privaten Abfallwirtschaft vertreten ist, eine naturgemäß nicht zahlenmäßige, aber beitrags- und personalrnäßige Dominanz der großen Entsorger liegt. Die Präsidenten waren u. a. etwa Edelhoff, Rethmann, Trienekens und aktuell mit Bemhard Kemper der Vorstandsvorsitzende der RWE-Umwelt AG, also jeweils die Großen der Branche, heute alle - soweit sie denn noch mehr oder weniger selbständig sind - Unternehmen mit einer Größenordnung von einer Milliarde € und mehr. Nach eigenen Angaben erwirtschaften die Mitglieder des BDE von dem Gesamtbranchenumsatz, der vor 10 Jahren etwa 60 Milliarden betrug, 1996, dem bisherigen Höhepunkt, ca. 80 Milliarden und zurzeit vielleicht 75 Milliarden erwirtschaften, etwa jeweils die Hälfte dieses Gesamtjahresumsatzes im Bundesgebiet. Der bvse gibt vergleichbare Zahlen zwar nicht bekannt. Ich persönlich schätze jedoch, dass die dortigen 600 Mitglieder 1/3 des Branchenumsatzes erzielen, auch wenn - soweit ich dies überblicken kann - wenige der dortigen Mitglieder einen höheren Jahresumsatz als 100 Mio. € erwirtschaften. Jedenfalls sind beide Geschäftsstellen sowohl, was die allgemeine Verbandsarbeit, aber auch Abfallwirtschaft und Abfalltechnik und insbesondere auch Abfallrecht anbelangt, hochprofessionell besetzt und verfügen über beste Kontakte zu Politik und Verwaltung, so dass man sicherlich mit Fug und Recht behaupten kann: Keine normative Regelung des Abfallbereiches, jedenfalls auf Bundes-, überwiegend aber auch auf Landesebene, wird verabschiedet, ohne dass die Vertreter gerade dieser beiden Verbände nicht intensiv gehört wurden. Als ich vor mehr als 30 Jahren bei Ingo von Münch zu dem Thema: "Der Einfluss der Verbände auf die Gesetzgebung" promovierte und meinte, empirisch schon - jedenfalls für eine juristische Promotion - vieles erkannt zu haben, hätte ich mir naturgemäß aufgrund der heutigen Einsichten nicht träumen lassen, in welch großem 2*

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Umfang Verbände in der Tat eine Rolle bei der Gesetzgebung jedenfalls dann spielen, wenn es sich um derartig spezialisiertes Recht handelt, wie das der Abfallwirtschaft. Um nicht missverstanden zu werden: Ich will hier nicht das garstige Lied vom Verbändestaat anstimmen, mein Thema ist im dortigen Zusammenhang lediglich das Gebot der Transparenz im Rahmen einer Gesetzgebung der pluralistischen Gesellschaft. Für unser heutiges Thema ist nur die Erkenntnis von Bedeutung, dass es auch den klein- und mittelständischen Unternehmen der Abfallwirtschaft, jedenfalls über ihre Verbände, gelingt, eigene Bedürfnisse und Erwartungen in den Gesetzgebungsprozess hinein zu transportieren. Ob das dann durch die Verbandsoberen immer in dem Sinne geschieht, wie es dem einzelnen Verbandsmitglied genehm ist, mag schon deswegen bezweifelt werden, weil innerhalb der Verbände natürlich höchst unterschiedliche Interessen vorherrschen. Gleichwohl gilt festzustellen, dass diese Unternehmen, die nach meiner Einschätzung einen Organisationsgrad von 90 % und mehr haben mögen, zumindest in ihrer Gesamtheit eine hin längliche Artikulationsmöglichkeit besitzen. Es mag einer wissenschaftlichen Arbeit würdig sein, einmal festzustellen, woran denn die beiden Novellierungsabsichten der Bundestagsfraktion der SPD über den Bundesrat bzw. den Bundestag zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz im Jahre 2000 und 2001 tatsächlich gescheitert sind, jedenfalls nicht an der Ohnmacht, eher an der Macht der Verbände der Abfallwirtschaft.

III. Die Erwartungen der KMU an die Gesetzgebung Nachdem wir nun festgestellt haben wer die kleinen und mittleren Unternehmen sind und darüber hinaus auch deutlich geworden ist, in welchen Strukturen sie im politischen System auftreten, wenden wir uns der Frage zu, welche Erwartungen dort an Gesetzgebung und -vollzug bestehen, und diese Analyse kann sehr kurz und apodiktisch ausfallen: I. weniger Gesetze, 2. klarere und besser aufeinander abgestimmte Gesetze, 3. Gesetze mit einer längeren Halbwertzeit oder - juristisch gesagt - mit einer längeren unveränderten Gültigkeitsdauer, 4. eine leichtere Durchschaubarkeit der Norrnenhierarchie, 5. weniger Kooperationsphilosophie und mehr Ordnungsrecht, 6. einheitlichere Gesetze mit geringeren Differenzierungen in Landes- und Kommunalbehörden.

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1. Weniger Gesetze Man könnte sehr formell die Auffassung vertreten, dieser Forderung habe der Gesetzgeber doch längst entsprochen, schließlich gäbe es für den Abfallbereich doch nur ein Bundesgesetz, nämlich das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Insofern ist bei dem Wunsch der kleinen Unternehmen nach "weniger Gesetzen" das Gesetz nicht im rechts technischen, sondern im umgangssprachlichen Sinne zu versehen, d. h. weniger Normen. Für frühere Veranstaltungen habe ich den Versuch gemacht, aus der Umweltrechtssammlung des heutigen Veranstalters sowie den europarechtlichen und landesrechtlichen Vorschriften eine Summe zu ziehen. Weil diese Summe sich ständig ändert und nicht gerade wissenschaftliche Höchstleistung erfordert, lasse ich diese Zählung weg, will aber auf ein aus meiner Sicht viel bezeichnenderes Rechtsänderungsphänomen hinweisen, aus dem sich die Fülle der Normen und die Geschwindigkeit ihrer Änderungen ergibt. So ist in diesen Tagen die Nachlieferung eines führenden Kommentars zum Abfallrecht erschienen 6 • Diese Lieferung umfasst nach Auskunft des Verlages "rund 500 Seiten" und von diesen 500 Seiten sind 29 Seiten Kommentierung. Der Rest sind - sieht man einmal von zu vernachlässigenden Inhaltsverzeichnissen pp. ab - ausschließlich neue und geänderte Normen des europäischen, Bundes- und Landesrechtes, die ganz offensichtlich für das Abfallrecht eine mehr oder weniger zentrale Bedeutung haben. Zum Zahlenwerk immerhin soviel: Zählt man für die europäische Ebene, bei der das Zählen noch weniger Zeit benötigt, die aktuell gültigen Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Entschließungen für den Abfallbereich zusammen, so gelangt man immerhin zu 37, nennen wir sie hier einmal Regelwerken, auf deren Basis der EuGH bereits 79 mal Entscheidungen zu treffen hatte 7 , zuletzt zu der Frage der Zuordnung des Zwecks einer Abfallverbringung (Verwertung oder Beseitigung) sowie der Hauptverwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung. 8 2. Klarere und besser aufeinander abgestimmte Gesetze Die allgemeine Gesetzgebungskritik ist wahrscheinlich so alt wie die Gesetze selbst. Die Wissenschaft von der Gesetzgebungslehre oder die Gesellschaft für Gesetzgebung haben allenfalls zu Erkenntnissen mangelnder Qualität geführt. Zu einer Verbesserung hat dies nicht gelangt, im Gegenteil: Jedenfalls auf den Bereich des Abfallrechts bezogen, ist die Qualität der Gesetzgebung, gemessen an ihrer Klarheit, immer schlechter geworden. Hier mag dies nur mit den Stichworten belegt werden, wie viel Rechtsstreitigkeit schon alleine zu der Abgrenzung des Abfalls zum Jarass/Ruchay/Weidemann, KrW-{AbfG, 9. Ergänzungslieferung, September 2001. Versteyl 11, a. a. O. Abschnitt 11.2. 8 Urteil vom 31.02.2003, C-228{00, Kommission./. Bundesrepublik Deutschland.

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Nichtabfall, der Beseitigung und Verwertung 9 und damit der Zulässigkeit von Überlassungs- und Andienungsptlichten geführt hat. All diese Probleme waren im Gesetzgebungsverfahren den Beteiligten bekannt. Gelöst hat sie keiner. Unabhängig davon ist auch zunehmend die Problematik für die Anwender dadurch verschärft, weil die Abstimmung der verschiedenen Gesetze nicht hinlänglich erfolgt; am Beispiel des Altölrechts lässt sich auch dies trefflich nachweisen. So kannten die ersten Entwürfe des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes gar keine Altölnorm und bei dem In-Kraft-Treten des Gesetzes wären die Grundlagen für die Anwendung des im Übrigen weiter geltenden Altölrechtes entfallen. Aktuell ist eine viel gravierendere Situation im Bereich des Elektronikschrotts erfolgt. Dieser Bereich eignet sich für die Gesamtbetrachtung besonders deswegen so gut, weil die Bundesregierung bereits in den 1980er-Jahren den Erlass einer Elektronikschrottverordnung ankündigte. Der europäische Abfallartenkatalog schlüsselt gebrauchte, elektrische und elektronische Geräte zwischenzeitlich mit 200135, und damit als eine mit einem Sternchen versehene Abfallart auf, die gemeinschaftsrechtlich als gefährlicher Abfall im Sinne der Richtlinie 91/689/EG und nach - jedenfalls äußerlich abweichender Terminologie im deutschen Recht - als besonders überwachungsbedürftiger Abfall im Sinne der Abfallverzeichnisverordnung einzustufen ist. Wer nun also in der Vergangenheit, sei es im Vertrauen auf die Ankündigungen der Bundesregierung, sei es aufgrund eigener abfallwirtschaftlicher Überlegungen, derartige Elektronikschrottgeräte, beispielsweise Fernseher und pes, sammelte, um sie anschließend zu recyceln, sieht sich nun ab dem 1.1.2002, dem Tag des In-KraftTretens des europäischen Abfallkataloges nach deutschem Recht, angesichts der erst zuvor im Wege des IVU/UVP-Artikelgesetzes geänderten 4. BlmSchV, aufgrund der dortigen Ziffer 8.14 des Anhanges in Spalte 1, damit konfrontiert, eine Genehmigung nach § 10 BlmSchG nicht erst einholen, sondern besitzen zu müssen. Die Spalte 8.14 lautet nämlich: "Anlage zum Lagern von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen, auf die Vorschriften des KrW-/AbfG Anwendung finden und soweit in diesen Anlagen Abfälle vor deren Beseitigung oder Verwertung jeweils über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr gelagert werden". Da der betreffende Unternehmer nicht sicher sein kann, dass er die heute hereingenommenen gebrauchten Fernsehgeräte spätestens in einem Jahr in all ihren Bestandteilen verwertet oder beseitigt haben wird, bedarf er also dieser BlmSch-Genehmigung.

9 Dazu jüngst Beckmann, Ist die deutsche Abgrenzung von Abfallbeseitigung und Abfallverwertung noch zeitgemäß? - Eine Zwischenbilanz fünf Jahre nach In-Kraft-Treten des KrW-/AbfG, NuR 2002, 72.

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3. Vorlauf und Dauer der Gesetze a) Vorlauf

Wie gerade schon im Zusammenhang mit den schlecht aufeinander abgestimmten Normen erwähnt, ist der Umsetzungsakt für den Europäischen Abfallartenkatalog als Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis, AVV vom 10.12.2001, als Art. 1 der VO zur Umsetzung des europäischen Abfallverzeichnisses erlassen worden. Damit wurden die Entscheidungen der Kommission 2000/532, 2001/118, 2001/119 und 2001/573 umgesetzt. Das Bundesgesetzblatt mit diesem Text datiert vom 12.12.2001, wobei es tatsächlich erst am 14.12.2001 ankam. Insoweit hatten die Anwender also theoretisch nur wenige Tage Zeit, um überhaupt alle Abfallarten, mit denen sie es zu tun haben, umzuschlüsseln. Das "Zu-Tun-Haben" hat natürlich enorme Bedeutung. Nicht nur für die Erzeuger der Abfalle, insbesondere gilt dies natürlich für die Abfallunternehmen, wenn sie die Abfälle sammeln, zwischenlagern, behandeln und ihrerseits, ggf. mit einem neuen Abfallschlüssel versehen, wieder weiter reichen. Im Rahmen dieser Artikelverordnung wurde unter anderem auch die Nachweis-Verordnung und die Transportgenehmigungsverordnung erneuert. Wenn man sich einmal den Katalog der Ordnungswidrigkeiten aus § 33 NachwV anschaut, so wird deutlich, dass eine falsche Abfallschlüsselbezeichnung in jedem Fall eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die nach § 61 Abs.3 KrW-/AbfG immerhin mit 10000 € geahndet werden kann. In diesem Fall hat der Verordnungs geber also ganz offensichtlich, und man kann es wohl auch nicht anders sagen, insoweit vorsätzlich in Kauf genommen, dass wirklich jeder, der in diesem Bereich tätig ist und als Handwerkszeug die richtigen Schlüssel der Abfallarten verwenden muss, eine Ordnungswidrigkeit beging, ja sogar begehen musste. Zur Ehrenrettung der Bundesregierung ist an dieser Stelle zu sagen, dass sie sich in Gesprächen mit der Kommission bemüht hat, den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens abweichend vom 1.1.2002 zu gestalten. Die Kommission hatte ihre letzte einzuarbeitende Entscheidung erst am 23.7.2001 erlassen und im Amtsblatt vom 28.7.2001 IO veröffentlicht. Man kann der Kommission nur eine ganz extreme Praxisferne bestätigen, wenn sie angesichts des unglaublichen Verwaltungsaufwandes, den eine Umschlüsselung beinhaltet, davon ausgeht, dass ein Ende Juli im Amtsblatt der EU veröffentlichtes Abfallverzeichnis bereits zum Beginn des nächsten Jahres überall in der Praxis umgeschlüsselt wurde. Hätte die NGS nicht zu einem sehr frühen Zeitpunkt einen Umschlüsselungskatalog erarbeitet und nicht nur per Mini-CD in Umlauf, sondern auch, wenn schon nicht offiziell, so doch inoffiziell, kostenlos zum Download ins Internet gestellt, wären die Umschlüsselungsaktionen sicherlich noch nicht so weit, wie sie jetzt jedenfalls vorangekommen sind. Wenn man auch achselzuckend hinnehmen mag, dass die Ordnungswidrigkeitenbehörden schon ihrerseits hinlänglich abgestumpft sein werden, weil sie wissen, 10

ABI. L Nr. 203, S. 18.

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dass die nonnativen Vorgaben nun einmal nicht ordnungsgemäß, d. h. in diesem Fall zeitgemäß umgesetzt werden können, so endet diese, von vielen als Petitesse empfundene Rechtsverletzung sicherlich dort, wo ein Straftatbestand begangen wird. Die zuvor angesprochene Situation verliert nämlich bei dem Beispiel des Elektronikschrottes jede Fonn von Spaßigkeit, weil wegen der Aufnahme in den Bereich der besonders überwachungs bedürftigen Abfälle und der sich daraus ergebenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht für den Recycelbetrieb von PCGeräten plötzlich ein Verstoß gern. § 327 Abs. 2 Nr.l StGB (ungenehmigtes Betreiben einer genehmigungs bedürftigen Anlage) oder Nr. 3 (ungenehmigtes Betreiben einer Entsorgungsanlage) einschlägig werden kann und für diese Straftaten hat der Gesetzgeber immerhin eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren vorgesehen. Sage an dieser Stelle keiner, es würde sich kein Staatsanwalt und kein Richter finden, der das hier beschriebene Szenario nicht zu einer Anklage oder gar zu einem Urteil führen lassen könne. Im Bundesgebiet gibt es zwar an vielen Stellen Umweltstaatsanwaltschaften, die den Gesamtzusammenhang der hiesigen Unzumutbarkeiten nachvollziehen können. Nur in den seltensten Fällen haben wir jedoch bei den Richtern Spezialabteilungen oder Spezialkammern und ich erlebe es immer wieder mit einem Gefühl zwischen Entsetzen und Resignation, wie Richter, die sich üblicherweise mit Straßenverkehrsdelikten als Amtsrichter oder auch mit Totschlag als Richter am Landgericht mit Strafrechtsfragen beschäftigen, dann angesichts der diffizilen verwaltungsakzessorischen Vorfragen als hilflos oder unwillig erweisen. Ähnlich kurze Übergangs- bzw. Einführungszeiten hatte auch das untergesetzliche Regelwerk zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Zwar hatte die Bundesregierung zwei Jahre Zeit, die entsprechenden zur Gesetzesanwendung notwendigen Verordnungen zu erlassen. Tatsächlich geschah dies aber erst durch Verordnungen vom 10.9.1996, die dann nach der Veröffentlichung immerhin noch gut 14 Tage Zeit hatten, bis das Gesetz am 7.10.1996 in Kraft trat. Auch hier ist der Bundesregierung keineswegs alleine der Schwarze Peter zuzuschieben, denn auch die Länder bildeten einen Faktor der Verzögerung, wobei das erste Jahr nach Verabschiedung des KrW-/AbfG keineswegs für eine zügige Umsetzung der untergesetzlichen Regelwerke genutzt wurde. Erst das Damokles-Schwert, dass mit In-Kraft-Treten des Gesetzes dieses wegen der fehlenden Verordnung nicht angewendet werden könnte, ließ dann die Verordnungen mit all den sich daraus ergebenden Ungereimtheiten jedenfalls fonnell gerade noch rechtzeitig zu Stande kommen. b) Gültigkeitsdauer Wie schön waren doch die Zeiten der Reichsjustizgesetze, wie ZPO und StPO oder auch der materiellen Gesetze, vorbildlich das BGB, das übrigens über mehrere Wahlperioden unter ausdrücklicher Hintanstellung des insoweit auch törichten Diskontinuitätsgrundsatzes als Gesetz vom 18.8.1896 verkündet wurde und am 1.1.1900 in Kraft trat. Zwar hat das BGB eine Fülle von Änderungen erfahren, aber selbst die Eingriffe während der Zeit der Nationalsozialisten zwischen 1933 und

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1945 unter ideologischen Gesichtspunkten, wie auch jetzt die zum 1.1.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierung, erklärtermaßen dem Gemeinschaftsrecht geschuldet, vermochten Grundstrukturen und tragende Prinzipien dieses Gesetzes nicht zu verändern, sieht man einmal vom Zeitgeistigen im Familienrecht ab.

In dem jetzt fast genau 30 Jahre alten Abfallrecht mit seinem Abfallbeseitigungsgesetz, seinem Abfallgesetz und seinem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ist wahrscheinlich häufiger das Wort des Paradigmenwechsels bemüht worden, als dies dem BGB in seiner über 100jährigen Geschichte zuteil wurde. Das KrW-/AbfG hatte in den ersten 4 Jahren bis zum 29.10.2001 sieben Änderungen erfahren, wobei diese wohlgemerkt nur das Gesetz selbst, nicht aber auch die Verordnungen betreffen. Man nehme beispielsweise die Verpackungsverordnung, die ja als VerpackV vom 21.8.1998 11 zwar den Namen der ersten VerpackV vom 12.6.1991 12 trägt, aber nicht einmal eine Novellierung dieser Verordnung ist, sondern eine vollständig neue, die in ihrem § 17 die vorherige VerpackV außer Kraft setzt. Tatsächlich war aber das weiteste in die Zukunft greifende Jahresdatum der ersten Verpackungsverordnung das Jahr 1995, während die Übergangsvorschriften aus § 16 und der Anhang lider jetzigen Verpackungsverordnung die Jahreszahlen zwischen 1996 und 2002 beinhalten. Gerade im Bereich der Verpackungsverordnung wird deutlich und von allen Verbänden, nicht nur der Abfallwirtschaft, sondern auch der Lebensmittelindustrie, insbesondere der Getränkeindustrie sowie des Einzelhandels beredt beklagt, dass die offensichtlich notwendige Investitionssicherheit nicht vorhanden ist. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass hier, wenn man denn überhaupt von einer Schuld sprechen kann, diese nicht, jedenfalls nicht nur, bei der Bundesregierung zu suchen ist. Das unsichere und wankelmütige Auftreten der Länder, dabei unabhängig davon, ob es sich um A oder B, also SPD- oder vornehmlich CDU-regierte Länder handelt, hat sicherlich nicht dazu beigetragen, dass eine stringente zukünftige Rechtslage für Pfand oder Nichtpfand, pro Mehrweg oder pro Einweg für Investoren zu erkennen war. Wenn man nur ein klein wenig um die Rahmenbedingungen von Investitionen Bescheid weiß, ist einem deutlich, dass nicht innerhalb von wenigen Monaten die Entscheidung pro oder contra Mehrweg für einen Erfrischungsgetränkehersteller oder auch Großhändler fallen kann. Diese Investitionen müssen geplant, genehmigt, durchgeführt und eingeführt werden, bis sie dann im Markt tatsächlich Bestand haben. Dabei ist nicht mehr wie in der Vergangenheit die behördliche Genehmigungsphase der Flaschenhals, sondern vielmehr die Planung, der Bau und die Einführung bzw. Umstellung der Produktion und der anschließenden Logistik. Jedenfalls sind diese Überlegungen der Grund dafür, warum die ständige Unsicherheit und das Zu-kurz-Springen nicht nur für die Abfallwirtschaft, sondern in diesem Fall für große Teile der Industrie und des Handels Gift für Investitionen und damit auch Gift für den Standort Deutschland sind. 11 12

BGBI.I 1998 S.2379. BGBl.I 1991 S.1234.

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Um diesen Beispielsfall anhand der zuvor genannten europarechtlichen Komponente einmal zu Ende zu spielen: Man stelle sich vor, die Bundesregierung bewirkt zum 1.1.2003, am gestrigen 20.3.2002 vom Bundeskabinett beschlossen, das angekündigte Pfand auf Einwegverpackungen, das dann nicht nur für Bier und Mineralwasser, sondern auch für CO 2-haltige Erfrischungsgetränke gelten soll, also auch für die hinlänglich zitierten Cola-, Limonaden- und ähnliche Getränke. Wenn denn ein Unternehmen der Einwegindustrie es schafft, dass entweder die Kommission die Bundesregierung mit einem Vertragsverletzungsverfahren überzieht oder wenn aufgrund eines Vorlagebeschlusses eines deutschen Gerichtes der EuGH sich mit dieser Frage beschäftigt und dann im Jahre 2004 oder 2005 frühestens (!) entscheidet, das von der Bundesregierung im Konkreten eingeführte Pfand sei mit dem Gemeinschaftsrecht insoweit nicht kompatibel, so müsste die Bundesregierung einen geordneten Rückzug antreten. Was aber gilt dann für das kleine Unternehmen der Abfallund in diesem Fall der Recyclingwirtschaft, welches sich darauf spezialisiert hat, im Umkreis von sagen wir 50 bis 100 km all diejenigen Dienstleistungen anzubieten, die nicht von den unmittelbaren Marktteilnehmern der Industrie und des Handels erledigt werden bzw. bei dem die Hauptmarktteilnehmer das Gefühl haben, das Unternehmen der Recyclingbranche könne diese logistisch besser bewältigen? Es liegt mir fern, in diesem Zusammenhang dem Bundesumweltminister dann aus dem Spruch des EuGH an dieser Stelle einen Vorwurf zu machen, gleichwohl: Für den kleinen Unternehmer wird eine derartige Rechtslage leicht die Existenzvernichtung bedeuten können. 12a Als kleinen Exkurs gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch jedenfalls die Erwähnung einer weiteren Facette dieser normativen Unsicherheit. Ohne dass wir hier unter die Betriebswirtschaftler oder gar Bankrechtler geraten wären, kann es doch als juristisches Allgemeinwissen unterstellt werden, dass durch die erhöhten Anforderungen an die Kreditvergabe, die sich allgemein unter dem Stichwort von Basel 11 ergeben, es keinem kleinen oder mittleren Unternehmen mehr möglich sein wird, für die Investition etwa einer zuvor geschilderten Recyclingaktivität Kredite für Fahrzeuge, Lagerplätze mit Hallen und Sortiermaschinen zu erhalten, wenn er der kreditgebenden Bank - neben allen für die übrige Bonitätsprüfung notwendigen Kriterien - nicht den Nachweis erbringen kann, dass für die mit dem Kredit getätigten Investitionen zumindest die Rechtsgrundlage solange bestehen wird, wie der Abschreibungszeitraum bzw. derjenige Zeitrahmen gesteckt ist, den der Unternehmer benötigt, um Zins und Tilgung auf Null gebracht zu haben. Ich jedenfalls würde in einem derartig rechtlich unsicheren Markt keinen Cent investieren und genauso wenig würde ich einen Kredit für eine derartige Investition geben, beleihen oder in irgendeiner Form be sichern wollen.

12. Diese Problematik wurde - jedenfalls einstweilen - durch das Urteil des BVerwG vom 16.1.2003 (7C 31.02) insoweit entschärft, als die Klagen gegen die Bundesländer als unzulässig zurückgewiesen wurden.

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4. Rechtsstruktur und Normenhierarchie Unabhängig von allen sonstigen Wünschen erlebt man als gleichermaßen beratender wie forensisch tätiger Anwalt bei dem hier untersuchten Personenkreis ein vollständiges Unverständnis über das Zusammenspiel bzw. die Hierarchie der Normen des Umweltrechts im weitesten Sinne.

a) Gemeinschaftsrecht - nationales Recht Da ist zunächst der Einfluss des europäischen Rechtes. Jedes KMU in der Branche weiß von der Existenz etwa der Rahmenrichtlinie I3 oder der Verbringungsverordnung 14. Dass die Rahmenrichtlinie aber erst umgesetzt werden muss, um in deutschem Recht zu gelten, oder, wie es der Bundesrepublik Deutschland wegen des Abfallbegriffs am 10. Mai 1995 geschehen ist, ein Land wegen der Nichtumsetzung des richtigen Abfallbegriffes beim EuGH verurteilt wird 15, ist auch noch den etwas tiefer in die Rechtsmaterie eindringenden Unternehmern oder, bei größeren Unternehmen ihrem Juristen bekannt. Wann denn aber eine Richtlinie unmittelbare Wirkung entfaltet, ist bekanntlich schon für deutsche Gerichte nicht immer klar und führt dann im besten Fall zu Vorlagebeschlüssen beim EuGH. Wie soll sich aber ein Abfallentsorgungsunternehmen verhalten, welches eine kleine Deponie plant und dann erlebt, wie in dem Erörterungstermin von dem Anwalt der Bürgerinitiative eine stundenlange Diskussion mit der Genehmigungsbehörde darüber erfolgt, ob und ggf. in welchem Umfang denn europäisches Recht mittelbar oder unmittelbar anzuwenden sei. Es ist für jeden Investor ein sarkastischer Trost zu erfahren, dass im Extremfall der EuGH dann bestätigen wird, wer denn nun Recht hat. Dabei gilt der Einwand, alle Fragen des täglichen Lebens würden im Streitfall schließlich durch die Gerichte entschieden, hier deswegen nicht oder kaum, weil es eben einen Unterschied darstellt, ob der Bürger sich über die Schlechtlieferung eines Fahrzeuges mit dem Kfz-Händler in einem Umfeld streitet, dessen Üblichkeiten er kennt. Wenn man gerade die dynamische, um nicht zu sagen chaotische Entwicklung des europäischen Abfallartenkataloges betrachtet, so ist es schlicht unmöglich, dass zum richtigen Zeitpunkt die Abfallsammelaktivität des betreffenden Unternehmens nach ordnungsgemäßem Schlüssel zum 1.1.2002 erfolgt. Insoweit zusammengefasst: Der mittlere und kleine Unternehmer weiß, dass das Abfallrecht in zunehmendem Maße aus Europa bestimmt wird l6 • Zu den Auswirkungen des europäischen Rechts haben die hier angesprochenen Unternehmen der Vom 15.7.1975, Ab1.L Nr.194 vom 25.7.1975, S.47. Verordnung (EWG) Nr.259/93 des Rates vom 1.2.1993, AB1.L Nr.30 vom 6.2.1993, S.1. 15 C-442/92, (Kom./. D) Slg. 1-1100 =NVwZ 1995,855 mit Anm. Weidemann 886; Versteyl, Umweltrecht der Europäischen Union Bd. I, Vorschriftensammlung, R.4.35. 16 Versteyl, Europäisierung des Abfallrechts, in: Erbguth (Hrsg.), Europäisierung des nationalen Umweltrechts: Stand und Perspektiven, Baden-Baden 2001, 137 ff. m. w. N. 13

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Abfallbranche eine eher diffuse Angst nach dem Motto: Wir wissen nicht, wie das in Europa läuft, wir spüren nur, dass von dort nichts Gutes kommt und wir wissen vor allem nicht, wann das Ende der Fahnenstange der Belastungen von dort endet. Im Übrigen kommt noch ein eher allgemeiner und keineswegs abfallwirtschaftspezifischer Fehlglaube dazu, dass die normativen Vorgaben in den anderen Ländern grundsätzlich schlechter gehandhabt würden, wobei nicht verhehlt werden soll, dass in der Tat in dem einen oder anderen Mitgliedstaat von der einen oder anderen dortigen Behörde ein eher mediterraner und weniger preußischer Vollzug festzustellen ist. Angesichts der jüngsten Entwicklungen, mit denen sich die Staatsanwaltschaft in der Abfallbranche beschäftigt, bleibt einem in diesem Zusammenhang allerdings auch für Deutschland das als Lob verstandene Wort "preußisch" etwas im Halse stecken.

b) Normenhierarchie Deutschland Im Übrigen ist es für Frauen und Männer in der Abfallwirtschaft kaum nachvollziehbar, wie die Hierarchie der Normen in den Ebenen von Verfassung - Gesetz Verordnung - Technische Anleitung - Musterverwaltungserlass - UMK/oder LAGA-Papieren - bis hin zum Erlass auf Landesebene funktioniert. Erst der an ihn gerichtete Verwaltungsakt mit der für ihn individuell gültigen Rechtsmittelbelehrung schafft dann wieder Klarheit. Wenn dann aber noch Feinheiten der Gesetzgebungsbürokratie hinzukommen, wie etwa dann, wenn man, um den Betreffenden dabei zu helfen, sich auf zukünftige Entwicklungen einzustellen, über Inhalte eines "Non-Papers", von denen man gerüchteweise Kenntnis erlangt hat, zitiert, endet die Bereitschaft eines Abfallunternehmers vollends, den Glauben daran zu erhalten, Normen seien - auch - für ihn und zu seiner Information und Sicherheit geschaffen. Vielleicht können wir nachher in der Diskussion im Einzelnen darauf eingehen. Meines Erachtens hilft auch hier nur eine Straffung des deutschen Umweltrechts in einem entsprechenden Gesetzbuch, damit aber einhergehend auch eine Begrenzung europäischer Gremien auf das wirklich Notwendige und ein ähnliches Self-Restraint und ein wirkliches Self-Restraint der Bundesländer.

5. Ordnungsrecht In einem Punkt unterscheiden sich allerdings die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen der Abfallbranche von vielen moderneren Ansätzen, wie sie im Umweltgesetzbuch der Sachverständigenkommission ansatzweise im § 7 und in der Begründung auf den S. 475 ff. ausführlicher vorgestellt sind, nämlich von dem Kooperationsprinzip. Auch die - nennen wir sie einmal gelinde gesagt - unorthodoxen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur Abfallabgabe 17 , zur kommu17

BVerfGE 98,83 = NJW 1998,2346.

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nalen Verpackungssteuer l8 und zu dem nordrhein-westfälischen Sonderabfallmodeli 19 vermögen für kleine Abfallwirtschaftsunternehmen keinerlei Attraktivität zu entfalten. Kooperationsprinzipien mögen auf großer überregionaler Ebene, ggf. auch innerhalb großer Regionen für entsprechend große Abfallentsorgungsunternehmen Sinn machen, für kleine und mittlere Unternehmen bedeuten sie nur eine weitere Erschwernis, lassen sich im Rahmen eines Kooperationsprinzips doch nicht mit der notwendigen Trennschärfe die Bereiche von Kür und Pflicht unterscheiden. Der kleine und mittlere Unternehmer muss genau wissen, was seine Pflicht ist, denn nur daraus kann er seine personellen und sächlichen Investitionen ableiten. Insoweit bin ich ganz sicher, dass diese Unternehmensgruppe das hergebrachte Ordnungsrecht im Umweltrecht allgemein und im Abfallrecht speziell am stärksten begrüßt hat und sich außerordentlich schwer tut, die zukünftigen Ansätze, die da mit den Worten des integrativen Ansatzes und des Kooperationsprinzips daher kommen, unternehmerisch umzusetzen. Der Unternehmer vor Ort will wissen: Was darf in die Tonne, wann muss ich die Tonne abholen, wo bringe ich sie hin, was kann oder muss dann dort mit dem Inhalt geschehen und wie sind zu jedem dieser einzelnen Schritte die Preise zu kalkulieren? Das oft belächelte Denken in Grenzwerten ist für diese zwar schlichte, aber wirksame und im positiven Sinne gleichmacherischste Art die wirksamste und wohl auch wirtschaftlichste Methode. Ich will damit keineswegs dem Status quo und der Verkrustung bestehender Strukturen zwischen öffentlichrechtlicher und privater Entsorgung das Wort reden. Vielmehr neige ich aufgrund meiner inneren Einstellung stärker dazu, den selbstheilenden Kräften des freien Marktes den größeren Erfolg einzuräumen als festgefügten Aufgabenstrukturen. Ich will damit nur deutlich machen, dass es gerade für den kleineren und mittleren Unternehmer nicht so sehr auf die Frage "Privatwirtschaft oder öffentliche Hand" ankommt, als vielmehr darauf, dass seine Aktivität nach einem festgelegten Anforderungskatalog erfolgt, wobei es ihm in zweiter Linie von Bedeutung ist, ob er hier als Eigen- bzw. Erstunternehmer für die Abfallentsorgung oder auch die Recyclingwirtschaft zuständig ist oder ob er dies im Wege einer Drittbeauftragung wie in der Vergangenheit oder auch eines Public-Private-Partnership-Verhältnisses durchführt. 6. Einheitlichere Gesetze im Bund und den Ländern Auf die Notwendigkeit für ein Umweltgesetzbuch habe ich schon oben mehrfach hingewiesen. Natürlich heißt dies angesichts dessen, dass der Veranstalter des heutigen Tages das Verbindungsglied zwischen der Professoren- und der Sachverständigenkommission für das Umweltgesetzbuch war, Eulen an die Humboldt-Universität zu tragen. Gleichwohl kann man es gar nicht oft genug bedauern, dass die Umsetzung der UVP- und der IVU-Richtlinie durch das unsägliche Artikelgesetz nicht zum Anlass genommen wurde, große Teile des allgemeinen Teils des Umwelt18 19

BVerfGE 98,106 = NJW 1998,2341. BVerfGE 102,99 = NJW 2000, 1160.

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gesetzbuches für diesen Zweck zu nutzen. Die Älteren unter Ihnen oder, richtiger gesagt, diejenigen, die sich originär oder rückwirkend mit dem ursprünglichen Abfallrecht der 70er-Jahre beschäftigt haben, erinnern sich vielleicht wie ich wehmütig daran, dass wir im damaligen Deutschland, d. h. also nicht im Geltungsbereich des Landeskulturgesetzes, weitestgehend identische Landesrechte besaßen. Das damalige AbfG war noch weder von dem Profilierungsbedürfnis von Landes- und Kommunalpolitikern, aber auch nicht von sonstigen Weltverbesserern als das große Tummelfeld zukünftiger Bürgerinitiativen entdeckt worden ist. Dies wiederum führte dazu, wovon wahrscheinlich auch heute noch jeder Ministerialbeamte bei einem neuen Gesetz träumen mag, dass die jeweiligen Rechtsreferenten der Länder sich gemeinsam mit dem Rechtsreferenten des Bundes hinsetzten und schlanke Ausführungsgesetze für die Länder vorbereiteten. Bei diesen Ausführungsgesetzen handelte es sich im Wesentlichen um Zuständigkeitsregelungen, die dann sogar mehr oder weniger wortgleich oder analog von allen Ländern übernommen wurden und man kann sagen fast ein Jahrzehnt lang die abfallrechtliche Grundlage einheitlich in Deutschland darstellten. Genau in jener Zeit sind übrigens auch diejenigen Unternehmen stark geworden, die heute noch entweder selbständig, wie Rethmann, oder fusioniert, ggf. sogar mehrfach fusioniert, wie Edelhoff, am Markt vorhanden sind. Damals war es eben möglich, mit identischen Formularen länderübergreifend und ohne bürokratische Erschwernis innerhalb der Branche tätig zu sein. Jeder wusste auch, dass er sein Equipment überall einsetzen konnte und nicht auf völlig unterschiedliche Systeme der Sammlung mit unterschiedlichsten LKW-Formen und Tonnen, Säcken in jeweils bis zu fünf farb lichen Unterscheidungen angewiesen war. Nachdem in den 1980er-Jahren die Umweltpolitik, und dort zur Mobilisierung der Massen die Atompolitik, zur Profilierung vor Ort, insbesondere gegen Verbrennungsanlagen und Deponien, die Abfallpolitik als ein zentrales Politikfeld entdeckt wurde, änderte sich diese Rechtslage der Landesabfallgesetze, wobei Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen vornehmlich zu nennen sind. Was in dem ersten Vierteljahrhundert der Bundesrepublik auf dem Gebiete der Länderkompetenz die Kulturhoheit war, wurde jetzt durch die Aktivitäten der Landtage und der fast überall in kürzester Zeit nacheinander eingerichteten Landesumweltministerien verlagert. Wenn ich dies einmal ein wenig ironisierend bewerte, so war es auf Landesebene mit dem Abfall genau so wie mit der Kultur: Ein intensives Bemühen war stets spürbar, aber der Geruch des Provinziellen konnte nie abgestreift werden. Soweit dies in der Kulturpolitik noch zu originärem und damit zu originellem Landeskulturgut mutieren mag, hat es sich in der Abfallpolitik, jedenfalls für diejenigen kleinen und mittleren Unternehmen als verheerend erwiesen, die sich länderübergreifend plötzlich verschiedenen Sammel- und Entsorgungskonzepten gegenüber sahen. So war das Gebiet zwischen Frankfurt und Hamburg weitestgehend verbrennungsfrei, während Bayern sehr schnell und Nordrhein-Westfalen mit den aktuell bekannten finalen Bauchschmerzen sich als Pyromanen beschimpfen lassen mussten. Was sollte ein im Hessischen oder in Niedersachsen ansässiger Unternehmer, der Abfälle sammelt und entsorgt, schon tun? Sollte er darauf hoffen, dass er seine Abfälle billig bis zur Wen-

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de nach Schönberg und nach der Wende auf zunächst noch weiter betriebene Deponien in der ehemaligen DDR günstig entsorgen kann? Sollte er auf Verbrennung setzen? Sollte er sich gar eine Deponie zulegen? Jedem dieser Unternehmer wurde schnell deutlich, dass die Investitionen für eine Verbrennung, die immer im hohen dreistelligen Millionenbetrag - seien es DM oder € -lagen, für ihn nicht in Betracht kamen. Also blieben ihm, wenn er denn eigene Entsorgungswege suchte, nur Deponien, für die die ersten Planfeststellungen nach 1972 noch - wie ich weiß - relativ locker erteilt wurden. Für ihn gab es dann natürlich später nur ein zum Teil schreckliches Erwachen, wenn die Behörde die ursprünglichen Rekultivierungsauflagen zunehmend verschärfte und der Unternehmer nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes selbst dann noch zu weiter gehenden Rekultivierungen verpflichtet werden konnte, wenn er seine Deponie bereits geschlossen hatte. Wahrscheinlich wird der Wunsch zu stärkerer Vereinheitlichung nicht in Erfüllung gehen, schon angesichts dessen, dass jedes Bundesland mit einem eigenen Vollzug überwiegend in drei Regieebenen, d. h. dem Ministerium als oberster Behörde, einer Mittelbehörde, d. h. dem Regierungspräsidium als zwischengeschalteter Ebene, und der kreisfreien Stadt bzw. dem Landkreis als unterer Abfallbehörde geringe Neigung verspürt, die inzwischen ja in zwei Jahrzehnten gewachsenen, vor allen Dingen formellen, teilweise aber auch materiellen landesrechtlichen Strukturen zu ändern. Insoweit könnte nur ein erneutes Wort des Bundesgesetzgebers zu weiterer Vereinheitlichung führen, wozu seitens der kleinen und mittleren Unternehmer sicherlich nur Beifall erteilt werden würde.

IV. Die Erwartungen der KMU an den Gesetzesvollzug 1. Qualifikation der Behörden im Gesetzesvollzug Naturgemäß ist für jeden in der Praxis Stehenden die Gesetzgebung nur das Hintergrundrauschen. Was im Fußball gilt: "Entscheidend ist auf'm Platz", gilt abgewandelt für den Abfallunternehmer: Entscheidend ist seine Behörde. Seine Behörde ist in aller Regel die untere Abfallbehörde des Kreises oder der kreisfreien Stadt, sieht man einmal von regionalen Besonderheiten ab. Wenn auch überwiegend für die Abfallerzeuger und die Anlagenbetreiber unter den KMU von Bedeutung, so sind doch die Gewerbeaufsichtsämter oder ihre vergleichbaren Fachbehörden bzw. natürlich deren Mitarbeiter ebenfalls in aller Regel von hoher Kompetenz und, was durchaus als wohltuend empfunden wird, auch mit einem durchaus zulässigen Maß an Benevoletia ausgestattet. Die Zulässigkeit muss man neuerlich angesichts der Inhalte, die mit den Worten vom "Klüngel" und der "Beatmung" verbunden werden, ja leider immer betonen, um sich der Gefahr, missverstanden zu werden, nicht auszusetzen. Was das Wissen der Behörde anbelangt, so habe ich jedenfalls ohne irgendeinen repräsentativen Anspruch zu erheben, den Eindruck, dass sowohl im Abfallrechtlichen als auch im Abfalltechnischen die zuständigen Behördenvertreter ganz

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qualifiziert bis hochqualifiziert sind. Zwar erlebt es der Unternehmer bisweilen, dass ihm von seinem Verband oder seinem Rechtsberater normative Neuerungen angekündigt oder mitgeteilt werden, die bei dem Behördenvertreter noch nicht angekommen sind. Dies ist aber die Ausnahme, denn die Informationen, die von den obersten Abfallbehörden der Länder, also den Ministerien bzw. Senaten, zu den zwischen- bzw. nachgeordneten Behörden gegeben werden, sind jedenfalls in den Ländern, bei denen ich es aus eigener Erfahrung feststellen kann, überwiegend gleichermaßen schnell wie umfassend. Insoweit kann man die Erwartung an die Qualifikation der Behörden im Gesetzesvollzug als erfüllt abhaken. 2. Ein einheitlicher Vollzug Anders als bei dem Know-How lässt sich hinsichtlich des einheitlichen Vollzuges weniger Positives erkennen. Völlig unverständlich ist es für einen kleinen und mittleren Unternehmer der Abfallbranche, wenn ihm eine Entsorgungspraxis, die er am Ort A seit Jahren in Abstimmung mit der dortigen Behörde durchführt, am Ort B nur deswegen untersagt wird, weil der Ort B in einem anderen Landkreis, in dem Gebiet einer anderen Bezirksregierung oder in einem anrainenden Bundesland liegt. Diese Feststellung ist keineswegs theoretisch, sie ist sogar, wie Herr Schink, der zwar zu einem anderen Thema gleich sprechen wird, die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen aber wahrscheinlich wie kein Zweiter flächendeckend kennt, auch von Bezirksregierungen bzw. dort Regierungspräsidien innerhalb des Bundeslandes weiß. Ganz aktuell erlebe ich eine derartig unterschiedliche Behandlung bei dem In-VerkehrBringen bzw. dem Gebrauch ehemaliger Bahnschwellen, die teilweise unverändert, teilweise bearbeitet wieder als Begrenzungspfähle oder für sonstige Zwecke an anderer Stelle Wiederverwendung finden dürfen. Die gleiche Anwendung bei der gleichen gewerblichen Anfall- bzw. Gebrauchsstelle wird jedoch anderenorts nicht nur behördlich untersagt 20 , sondern strafrechtlich verfolgt. Dabei interessiert sich die Behörde in dem einen Bundesland in keiner Weise darum, dass jüngstens das Bayerische ObLG 21 genau jenen Parallelfall zu Gunsten des Angeklagten und unter sehr gründlicher Würdigung aller abfallrechtlicher, wasserrechtlicher und chemikalienrechtlicher Grundsätze abwog. Jeder im Umweltrecht tätige Kollege kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass diese Fälle Legion sind. Zwar bemüht sich der Abfallrechtsausschuss (ARA) der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA), besonders häufig auftretenden Divergenzen in der behördlichen Praxis abzustellen. Die Vielzahl der Sachverhalte und die Interpretationsfähigkeit sowie -freudigkeit der unteren und mittleren Behörden grenzen die Erfolge dieser Bemühungen des ARA zum einheitlichen bundesweiten Behördenvollzug aber schmerzlich ein.

20 So jüngstens durch Beschluss des va Osnabrück vom 14.3.2002 - Aktenzeichen: 2 B 53/01 - (noch nicht veröffentlicht). 21 Urteil vom 25.9.2001 - Az. 4 St RR 71/2001 -, DVBI. 2002, 283 (LS).

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3. Einengender Vollzug und Auslegung des KrW-IAbfG Nicht nur der uneinheitliche Vollzug durch die Behörden schmerzt die KMU, mehr noch der einengende. Hier rächt sich noch stärker der Mangel an Klarheit der Gesetze über den bereits oben unter III. 2 hinsichtlich der Erwartungen der KMU an die Gesetzgebung referiert wurde. Konzentrieren wir uns hier nur auf eine einzige der vielen Streitfragen des KrW-/AbfG, nämlich auf die Interpretation der Formulierungen für die Voraussetzungen der Abgrenzung von BeseitigungjVerwertung und damit auf die §§ 4 Abs. III S. 2,5 Abs. V und 13 Abs. I S. 2 KrW-/AbfG. Zur aktuellen Information lauten diese Vorschriften: §4 Abs.3 S.2 KrW-IAbfG: Eine stoffliche Verwertung liegt vor, wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen, der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffspotentials liegt. § 5 Abs.5 KrW-IAbfG: Der in Absatz 2 festgelegte Vorrang der Verwertung von Abfällen entfällt, wenn deren Beseitigung die umweltverträglichere Lösung darstellt. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen 1. die zu erwartenden Emissionen, 2. das Ziel der Schonung der natürlichen Ressourcen, 3. die einzusetzende oder zu gewinnende Energie und 4. die Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen, Abfällen zur Verwertung oder daraus gewonnenen Erzeugnissen. § 13 Abs.l S.2 KrW-IAbfG: Satz 1 [die Überiassungspflicht] gilt auch für Erzeuger und Besitzer zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen, soweit sie diese nicht in eigenen Anlagen beseitigen oder überwiegende öffentliche Interessen eine Überlassung erfordern.

Allein die aktuelle elektronische Leitsatzkartei des Beck-Verlages 22 weist zu § 4 KrW-/AbfG 118 Beiträge aus, davon ziemlich genau 1/3 literarische und 2/3 der Rechtsprechung. In den literarischen Beiträgen sind ausschließlich Zeitschriften artikel erfasst, nicht also Aufsätze aus Sammelbänden jeder Art, Dissertationen oder dem gesamten grauen Markt, der im Umweltrecht bekanntlich durchaus von Bedeutung ist. Die vergleichbaren Zahlen für die § § 5 und 13 sind 71 bzw. 125 Eintragungen. Die neueren Entscheidungen zu diesem Komplex, etwa die des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.9.2001 23 oder vom VGH München vom 7.1.2002 24 sind dabei noch nicht einmal enthalten. Selbst bei Berücksichtigung von Doppelnennungen und/oder der Behandlung anderer Schwerpunkte innerhalb dieser drei Vor22

23 24

Ausgabe 1/03. Az. 3 B 82.01, NvWZ-RR 2002,182. NVwZ-RR 2002, 378 = NuR 2002, 305 = UPR 2002, 236.

3 Kloepfer

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schriften dieses Gesetzes vermute ich, dass allein von den veröffentlichten Urteilen von 1997 bis heute sich mehr als 100 Gerichtsentscheidungen damit beschäftigen, ob eine bestimmte Entsorgung als Beseitigung oder Verwertung im Sinne des KrW-/AbfG zu behandeln ist. Diese Unterscheidung mag zwar für die hoch- oder weniger wissenschaftliche Literatur besonders spannend sein und vor allem für Doktoranden sowie zugegebenermaßen auch anwaltliche Gutachter ein richtig schönes und bisweilen sogar einträgliches Beschäftigungsfeld darstellen. Der KMU vermag daran aber überhaupt nichts Spannendes oder gar Einträgliches zu erkennen, vielmehr sieht er darin nicht nur eine potenzielle unternehmerische Gefahr. Für viele der KMU hat sich dieses theoretisch negative Potenzial zwischenzeitlich in praktisch erfolgter Insolvenz ausgewirkt oder, bei rechtzeitiger Erkennung der sich daraus ergebenden Bedrohung, in hoffentlich gut verlaufenden Verkäufen, Verschmelzungen oder ähnlichen gesellschaftsrechtlichen Veränderungen, die jedenfalls nicht zur Existenzvernichtung des Unternehmers und zum Wegfall der Arbeitsplätze des KMU führten. Nehmen wir lediglich zwei Bereiche als Beispiele dafür, wie sich die rechtliche Interpretation als fördernd oder behindernd für eine abfallwirtschaftliche Betätigung eines KMU auswirkt:

1. Beispiel: Gemischte Gewerbeabfälle. Ein regional tätiges Abfallsammelunternehmen vereinbart mit einer großen Einzelhandelskette, in deren 50 Filialen im Umkreis von 100 km alle Abfälle zu entsorgen, soweit sie nicht dem Regime des grünen Punktes unterliegen. Eine ebenfalls in seinem Tätigkeitsbereich liegende Abfallsortier- und Verwertungsanlage eines Entsorgungskonzerns hat ihm aufgrund mehrerer Probeanlieferungen bestätigt, dass der von ihm gesammelte Abfall einer Verwertung im Sinne des Gesetzes zugeführt werden könnte und würde. Er hat sich auch die Genehmigung dieser Anlage zeigen lassen. Mit dieser unternehmerischen Aktivität wäre der Betroffene weitestgehend ausgelastet. Von den fünf in seinem Einzugsbereich befindlichen unteren Abfallbehärden beginnt die erste den Gesetzesvollzug dahin zu interpretieren, dass der Hauptzweck dieser Maßnahmen keineswegs in der Verwertung, sondern darin bestünde, statt des Überlassungspreises von sagen wir 175 €/t für das Einzelhandelsunternehmen einen günstigeren Preis von 75 €/t zu erzielen. Im Übrigen wird auch bezweifelt, ob denn deren Abfall überwiegend verwertet wird. Es kommt zu einer verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzung, die, jedenfalls bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.6.2000 25 , häufig dazu führte, dass in der Tat der Abfall der satzungsgemäßen Körperschaft überlassen werden musste. Der Unternehmer konnte keinerlei Entsorgungsaktivitäten mehr ausführen, denn die übrigen Landkreise schlossen sich dem Beispiel des ersten Landkreises an. Das bereits angesprochene Urteil vom 15.6.2000, nochmals für Baustellenabfälle bestätigt durch Beschluss vom 27.9.2001, hat insoweit eine gewisse Klarheit gebracht. Eine endgültige Klarheit wird erst die Endformulierung und die Behärdenpraxis sowie die Rechtsprechung zu der soeben vom Kabinett beschlossenen Gewerbeabfallverordnung mit sich bringen. 25

NVwZ 2000, 1178.

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2. Beispiel: Untertagedeponie für BÜ-Abfälle zur Beseitigung. Seit Jahrzehnten werden Abfälle unter Tage verbracht, wobei die Technik des Versatzes hier ohne Bedeutung ist. Von Bedeutung ist vielmehr, ob eine Verbringung von Abfällen unter Tage in jedem Fall als eine Beseitigung im Sinne des Verfahrens D 12 des Anhangs 11 Ader Abfallrahmenrichtlinie 75/442 betrachtet wird oder ob es sich dabei auch um ein Verwertungsverfahren R 5 des Anhangs II B dieser Richtlinie handeln kann. Die von der Bundesregierung aktuell geplante Artikelverordnung, die unter anderem die Verordnung über den Versatz von Abfällen unter Tage (VersatzV)26 vorsieht, wird sich zwingend an die europäischen Vorgaben zu halten haben. Für diesen Entwurf der Verordnung über den Versatz von Abfällen unter Tage und zur Änderung von Vorschriften zum Abfallverzeichnis ist gleichzeitig auch der Entwurf einer Verwaltungsvorschrift zur Einstufung des Einsatzes von Abfällen unter Tage als Abfallverwertung oder Abfallbeseitigung beigefügt worden. Natürlich ist der Bundesregierung die ganz ausschlaggebende Differenzierung in dieser Frage bewusst. Hier soll nicht über Inhalt und Sinnfälligkeit dieser Verordnung, seiner Begründung oder des Inhaltes von Musterverwaltungserlassen berichtet werden. Vielmehr gilt es deutlich zu machen, wie ein im Behördenvollzug sich auswirkendes Urteil des EuGH die Planung bzw. den Umsatz eines Unternehmens im dreisteIligen €-Millionen-Bereich beeinflusst. Dazu folgendes, sehr aktuelles Beispiel, sehr aktuell schon deswegen, weil in dieser Sache zur Zeit vier verschiedene Verfahren vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht anhängig sind 27 . Zum Hintergrund: Ein durchaus als KMU zu bezeichnendes Unternehmen - wenn auch die dahinter stehenden Gesellschafter, jedenfalls teilweise, aus dem Kriterienkatalog herausfallen - hat nach erfolgreichem Raumordnungs- und anschließendem Planfeststellungsverfahren, die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Untertagedeponie im Salzgestein erhalten. Die fast ein Jahrzehnt zurückliegende Planung basiert darauf, dass im Rahmen der Beseitigungsverfahren, die, wie es im Anhang 11 Ader Abfallrahmenrichtlinie heißt, "in der Praxis angewandt werden" unter D 12 aufgeführt ist "Dauerlagerung (zum Beispiel Lagerung von Behältern in einem Bergwerk usw.)". Im Anhang II B, in dem die Verwertungsverfahren aufgeführt sind, die in der Praxis angewandt werden, wird als Beispiel unter R5 die "Verwertung!Rückgewinnung anderer anorganischer Stoffe" genannt, nicht aber die Substituierung des versatztypischen Materials (wie Abraum aus dem Bergbau) durch Schlacke und Stäube von Rauchgasreinigungsanlagen aus Müllverbrennungsanlagen, da es sich bei den letztgenannten Abfällen auch um gefährliche Abfälle handelt. Alle Beteiligten gingen davon aus, dass derartige Schlacken und Stäube, wenn sie denn unter Tage verbracht werden würden, dorthin zur Beseitigung gelangten. Die Kommission der Europäischen Union hat dieser Interpretation jahrelang vehement zugestimmt. 26 27

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Stand vom 6.2.2002. Az. 7 KS 148701/01 u. a.

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Im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofes hat nun die 5. Kammer des EuGH am 27.2.2002 28 entschieden, dass die Einbringung von Abfällen in ein stillgelegtes Bergwerk nicht zwingend eine Beseitigung darstellt, die Einbringung hinsichtlich der Frage, ob es sich um eine Beseitigung oder Verwertung handele, jeweils am Einzelfall beurteilt werden müsse und das darüber hinaus "eine solche Einbringung eine Verwertung darstellt, wenn ihr Hauptzweck darauf gerichtet ist, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfüllen können, indem sie andere Materialien ersetzen"29. Ergänzend hat der EuGH unter Berufung auf die Schlussanträge des Generalanwaltes 30 festgestellt, dass die Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit der Abfälle als solche nicht die Frage entscheiden kann, ob es sich bei den Versatzabfällen um solche zur Beseitigung oder Verwertung handelt 3 '. Wenn denn in Zukunft aufgrund dieser Rechtsprechung des EuGH aufgrund der Prüfung des Einzelfalls hinsichtlich der Substitution anderer Stoffe der Versatz auch gefährlicher Abfälle als Verwertungsmaßnahme in Betracht kommt, bedarf es für die Bergwerke keiner Planfeststellung, und wenn damit auch automatisch keine absolute Billigentsorgung in Bergwerken möglich sein wird, so wird doch ein erheblicher Preisunterschied zwischen einer planfestgestellten Untertagedeponie und einem stillgelegten Bergwerk, welches Abfälle zur Verwertung aufnehmen kann, bestehen. Zwar kenne ich nicht die aktuelle Kalkulationsgrundlage der die UTD planenden GmbH, kann mir aber durchaus vorstellen, dass aufgrund dieser einen Entscheidung und der Fülle der sich daraus ergebenden normativen und gesetzesvollzieherischen Praktiken der Betrieb sich nicht mehr lohnen könnte, denn bekanntlich sind insbesondere in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg derartig voluminöse Hohlräume vorhanden, dass auf Jahre hinaus Abfallverwertung durch Bergversatz eine, wenn denn technisch probate und umweltrechtlich zugelassene, jedenfalls kaufmännisch günstige Entsorgungsart sein wird. Ziehen wir für unsere KMU-Betrachtung daraus das Fazit, gelangen wir zu dem Ergebnis, dass nicht nur ein Wort des Gesetzgebers ganze Bibliotheken zur Makulatur werden lässt, sondern auch eine Entscheidung des EuGH über Existenz oder Schließung von Unternehmensstandorten entscheidet. Das dies für ein KMU kein Nährboden ist, auf dem sich eine Investition rechtfertigen lässt, bedarf keiner gesonderten Erwähnung. Auch wenn in diesem Zusammenhang weder ein politischer, noch ein juristischer Vorwurf erhoben werden soll, zeigt das Bespiel doch deutlich, dass es in einer Vielzahl von Fällen an einer notwendigen Investitionssicherheit für KMU in der Abfallwirtschaft fehlt. 28

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Abfallservice-AG ./. Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, C-6/00. Leitsatz 2 des Urteils des EuGH vom 27.2.2002. Schlussanträge des GA F. G. Jacobs vom 15.11.2001, dort Rn. 84. Rn.68 des Urteils des EuGH vom 27.2.2002.

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4. Oft fehlende Verhältnismäßigkeit bei Staatsanwaltschaften und Gerichten Mit dem letzten Argument bin ich auch schon bei jenem Komplex, der zwar nicht unmittelbar unter den Behördenvollzug subsumiert wird. Gleichwohl wissen wir, dass zwar nicht das Gericht, wohl aber die Staatsanwaltschaft eine Behörde ist und da in Deutschland Strafrichter nur urteilen, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, komme ich zu diesem Gesichtspunkt, weil er in der Tat für die Praxis und die Erwartungen der kleinen und mittleren Unternehmen für den Gesetzesvollzug von viel größerer Bedeutung ist, als dies in der Öffentlichkeit bekannt ist. Ich will hier nur auf einige wenige, aber wahrscheinlich typische Strafverfahren rekurrieren, an denen ich selbst teilgenommen habe und die ich auch nur deswegen hier erwähnen kann, weil sie jeweils in der regionalen, teilweise auch in der überregionalen Presse deutlichen Wiederhall gefunden haben. a) Am deutlichsten war dies im Fall der SchreddeITÜckstände eines Recyc1ingunternehmens, auch wenn dies nicht unter die KMU fällt. Allerdings war das Verhalten der Staatsanwaltschaft derart symptomatisch, dass ich einige Stichworte daraus berichten möchte. Die Staatsanwaltschaft erhob den Tatvorwurf, der rechtswidrigen Abfallverbringung, wobei sich die Geschäftsführung des Unternehmens nicht nur durch die eigene Rechtsabteilung und die Rechtsabteilung der Muttergesellschaft, sondern darüber hinaus auch bei einem außerordentlich anerkannten und für das Gebiet ausgewiesenen Anwaltsbüro gutachterlieh hatte bescheinigen lassen, dass die beabsichtigte und dann auch durchgeführte Praxis mit den europäischen und nationalen Rechtsvorschriften in Übereinklang stand. Die Rechtslage war der Staatsanwaltschaft aus Sicht des Unternehmens auch vorgetragen worden und im Übrigen gab es auch nichts zu vertuschen. Gleichwohl hielt dieser Sachverhalt die Umweltstaatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt nicht davon ab, den Vorsitzenden der Geschäftsführung und vier weitere Manager von ihren Schreibtischen aus zu verhaften und eine gewaltige Beschlagnahmeaktion durchzuführen. Um das umfangreiche Aktenmaterial überhaupt unterstellen zu können, wurde eigens eine nicht mehr gebrauchte Turnhalle angernietet. Der Geschäftsführung wurde nicht nur vorläufig in Haft genommen, es wurden ihm dabei auch noch Handschellen angelegt. Es wurde ihm auch nicht gestattet, den Hinterausgang des Verwaltungsgebäudes zu nutzen. Vielmehr bestand der Oberstaatsanwalt, der die Verhaftung selbst durchführte, darauf, den Haupteingang zu benutzen und das führte dann dazu, dass die dort "zufällig" stehenden Kamerateams von vier verschiedenen Fernsehanstalten so berichten konnten, dass der betreffende Herr in der 20.00 Uhr Tagesschau bundesweit geoutet wurde. Der Betreffende, Familienvater, Anfang 50, völlig unbestraft und für eine Untersuchungshaft auch unbedarft, wurde dann mit einem 22jährigen Untersuchungshäftling in eine Zelle gelegt. Der Jugendliche schlief tagsüber, wurde Nachts wach. Ihm wurde die Erlaubnis gegeben, laut Radio zu hören, dazu war er Kettenraucher, mein Mandant hingegen Nichtraucher. Sechs Wochen brauchten wir, um den Vorsitzenden der Geschäftsführung aus der Untersuchungshaft zu befreien. Die

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Ennittlungen liefen dann über Jahre hinaus und erst im vorigen Herbst wurde dann die mündliche Verhandlung eröffnet und am zweiten Verhandlungstag nach § 153 a StPO - übrigens für alle Beteiligten - eingestellt. Diese klassische Fonn der Unverhältnismäßigkeit prägt die Umweltstrafverfahren teilweise in einem Maße, wie es für die Betroffenen in keiner Weise nachvollziehbar ist und ich brauche Ihnen kaum zu sagen, wie schnell dann dort am Rechtsstaat gezweifelt wird. b) Ein ähnlicher Fall: Im Oktober 1996 fand die größte bundesweite Durchsuchungsaktion im Umweltbereich, konkret auf dem Gebiet des Altölsektors statt. 500 Polizisten und 50 Staatsanwälte beschlagnahmten ebenfalls Tausende von Akten. Einer der Hauptangeklagten wurde anschließend für etwa ein Jahr in Untersuchungshaft genommen. Vier Jahre später wurde das Verfahren wegen des Hauptvorwurfs gegen ihn eingestellt, nachdem das Gericht zu der Auffassung gelangte, ihm könne ggf. eine Ordnungswidrigkeit nach der Abfallnachweisverordnung zur Last gelegt werden. Hier traf es in der Tat einen kleinen und mittleren Unternehmer. c) Ein weiteres Beispiel: Einem größeren Unternehmen, ebenfalls der Recyclingbranche, erging es wegen SchreddeITÜckständen ähnlich. Diese gelangten - mit Zustimmung der zuständigen Behörde - für einige Zeit auf eine Deponie in Thüringen. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg ennittelte insgesamt fünf Jahre. In größeren Abständen fanden zwei Beschlagnahmungen an verschiedensten Betriebsstätten des Unternehmens im Bundesgebiet statt. Das Verfahren wurde nach Erhebung der Anklage aber vor der mündlichen Verhandlung nach § 153 a StPO eingestellt. d) Am Landgericht Hannover endete im November vorigen Jahres ein Strafverfahren gegen mehrere leitende Mitarbeiter eines Unternehmens wegen des Vorwurfes, eine mobile Bauschuttrecyclinganlage im Abstand von 2 Yz Jahren zweimal einige Monate eingesetzt zu haben. Dass der zuständige Beamte des Gewerbeaufsichtsamtes schriftlich dazu seine Zustimmung gab, vennochten Gericht und Staatsanwaltschaft zunächst nicht davon abzuhalten, in der Sache anzuklagen und zu verhandeln. Nachdem sich auch der zweite Tatvorwurf, nämlich der des ungenehmigten Betreibens einer Anlage im verwaltungsakzessorischen Sinne als gegenstandslos erwies, stellte das Gericht am 35. Verhandlungstag gegen alle Beteiligten ebenfalls nach § 153a StPO ein und zwar etwa zu einem Zehntel des Betrages, den die Staatsanwaltschaft zuvor für eine Einstellung gefordert hatte. e) Warum ist aus meiner Sicht dieses staatsanwaltschaftliche Vorgehen für kleine und mittlere Unternehmen in der Abfallbranche von so großer Bedeutung? Man muss sich zur Beantwortung dieser Frage vergegenwärtigen, dass - sieht man einmal aktuell von Köln und ähnlichen Situationen ab - schon mittlere Aufträge, die ja gerade für die hier angesprochenen Unternehmen von Bedeutung sind, dann in jedem Fall ausgeschrieben werden, wenn sie von der öffentlichen Hand zu vergeben sind und dies ist im Bereich der Abfallsammlung, des Transportes und der Entsorgung in aller Regel der Fall. In vergaberechtlichen Verfahren ist die Zuverlässigkeit des Anbietenden von zwingender Bedeutung. In dem angesprochenen Verfahren vor dem

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Landgericht Hannover lief parallel das Ausschreibungsverfahren für die MVA für 200.000 t Siedlungsabfalle aus zwei Entsorgungsgebieten und prompt trug das unterlegene, weil teuerer angebotene Unternehmen in dem Vergabeprüfverfahren vor, dass gegen den Mitgesellschafter des Anbieters, der den Zuschlag erhalten sollte, derzeit ein Umweltstrafverfahren vor dem Landgericht anhängig sei und dass er daher als Bieter hätte ausgeschlossen werden müssen. Tatsächlich war das Angebot so formuliert, dass schon ein Ermittlungsverfahren in einschlägigen Strafsachen den Anbietenden von der Vergabe ausschloss. Die ausschreibende Stadt war erst durch die Vergabekammer und dann durch den Vergabesenat des OLG Celle davon zu überzeugen, dass nicht nur wegen der Europäischen Menschenrechtskonvention jeder solange als unschuldig zu behandeln ist, bis gegen ihn ein Urteil ergangen ist. Immerhin zeigt diese Sensibilität für die Existenz eines kleinen und mittleren Unternehmers, wenn er in der Öffentlichkeit als unzuverlässig gilt, und dies ist, wie wir alle wissen, zumindest vom Gerücht her - fama est - schon wesentlich früher der Fall, denn in aller Regel stürzt sich die lokale Presse auf tatsächliche oder vermeintliche Umweltsünden mit größter Intensität. f) Um nicht missverstanden zu werden: Es geht mir nicht darum, Umweltsünder vor dem Zugriff der Staatsanwaltschaft und der Verurteilung vor den Gerichten freizustellen. Mir kommt es hier vielmehr darauf an, dass auf diesem Sektor oft mit völlig übertriebenen Mitteln und zumindest bei den Gerichten mit geringer Kenntnis in einem wesentlich sensibleren Bereich mit großer Öffentlichkeitswirksamkeit vorgegangen wird, als dies sonst der Fall ist. Wenn die Herren Meyer, Müller, Schulze im Verdacht stehen, einen Diebstahl, ja sogar einen Raub oder ein Sexualdelikt begangen zu haben, so wird darüber in der Presse auch berichtet, aber doch selbst in dem letztgenannten Tatvorwurf nicht unter Namensnennung, wobei Umweltdelikte bzw. der Verdacht auf einen begangenen Umweltrechtsverstoß in aller Regel unter voller Namensnennung und unverhältnismäßig breiter Darstellung jedenfalls in der regionalen Presse auftauchen. Der Mitte der 1980er-Jahre entstandene Slogan vom "Umweltschutz durch Strafrecht" mag in Einzelfallen sogar seine Wirkung gehabt haben und insbesondere die seit Jahren zu beobachtende Praxis, dass bei umweltrechtlichen Verdachtsmomenten zunächst gegen den Chef einer juristischen Person ermittelt wird, mag auch heute noch umweltfördernden Charakter besitzen. Unabhängig davon haben Unternehmer im Umweltbereich den gleichen Anspruch wie in jedem anderen Bereich, dass mit der gebotenen Verhältnismäßigkeit und Diskretion ermittelt wird, nicht aber, dass die Ermittlungen zu einer Vorverurteilung in der Öffentlichkeit und damit bei den potenziellen Auftraggebern in Politik und Verwaltung führen.

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V. Erwartungen an die Kommunen und die Frage der Liberalisierung Die KMU-Unternehmen der Abfallwirtschaft, mit 170 Mitgliedern des VBS am stärksten in Bayern vertreten, fühlen sich nach Aussage ihres Präsidenten 32 bei der Frage, ob mehr oder weniger Liberalisierung in der Abfallwirtschaft sein sollte, vor die Wahl von Pest und Cholera gestellt. Die KMU sehen sich - insoweit Gesetzgebung und -vollzug zuzurechnen - auf der einen Seite durch die Großkonzerne bedroht. Die andere Bedrohung stammt von den Kommunen selbst. Die Bedrohung von den Konzerngesellschaften der Abfallwirtschaft stammt aus deren Expansionsdrang und Kapitalstärke, verbunden mit dem Verdrängungswettbewerb, der wohl nicht ganz zu Unrecht seitens der KMU konstatiert wird. Darüber hinaus beklagen die KMU der Abfallwirtschaft ebenfalls zu Recht, dass die Kommunen zum großen Teil selbstkontrahierend öffentlich-rechtlich wie privatwirtschaftlich tätig sind und mit dem gebührenfinanzierten Equipment, insbesondere in Fahrzeugen, dann - auch - privatwirtschaftlich tätig würden. Hier soll der Detailgenauigkeit und gebührenrechtlichen Zulässigkeit dieser Feststellung nicht nachgegangen werden. Richtig ist in jedem Fall, dass die Entsorgungsaktivitäten im überlassungspflichtigen Bereich der Siedlungsabfälle, also in jenen Bereichen, die der kommunalen Normgebung in Form der Satzung unterliegen, oft an im kommunalen Eigentum liegende juristische Personen des Privatrechts übertragen werden. Diese Gesellschaften haben naturgemäß gar keinen oder nur ein geringes Insolvenzrisiko oder - allgemeiner - kein wirtschaftliches Erfolgsrisiko. Andererseits sind es aber oft gerade die Kommunen oder deren privatisierte Abfallgesellschaften, die den regionalen reinen privaten Entsorgern, also den KMU, Aufträge erteilen, sei es auf wiederum rein privatwirtschaftlicher Ebene, sei es im Wege der Drittbeauftragung gemäß den §§ 16ff. KrW-/AbfG. Soweit ist es der Wunsch, ja wahrscheinlich die existentielle Forderung der KMU hinsichtlich der zukünftigen Strukturen, dass im regionalen Bereich für die KMU der Abfallwirtschaft überhaupt noch eine kaufmännisch sinnvolle Tätigkeit auszuführen bleibt. Ob dies auf der Basis eines weiter liberalisierten Entsorgungsrechtes oder eines eher die öffentliche Verantwortung in den Vordergrund schiebenden Rechtes geschieht, ist dabei zweitrangig. Zusammenfassend stelle ich fest, dass die synergetischen Wirkungen der überbordenden, kurzatmigen, undurchschaubaren und interpretationsbedürftigen Normgebung auf der einen Seite sowie die Unterschiedlichkeit und kommunalpolitische Kurzatmigkeit der den politischen Gremien unterworfenen Behördenentscheidungen der Kommunen auf Dauer das wirtschaftliche Umfeld für die Entsorgungswirtschaft in Deutschland extrem erschweren. Dies trifft ganz besonders die KMU, die aufgrund ihrer mangelnden Investitionssicherheit, der naturgegebenen geringeren 32 Reinhardt Büchl anlässlich des Expertenhearings "Liberalisierung der Abfallwirtschaft" am 19.11.2001 in München, zitiert nach Manuskript.

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Kapitaldecke und der seltenen Fähigkeit, einen langlaufenden Auftrag durch einen anderen zu ersetzen, von diesen Maßnahmen am härtesten getroffen sind. Sieht man einmal von regionalen Besonderheiten wie in Bayern ab, so werden die KMU in der Abfallwirtschaft ihre frühere zentrale Bedeutung verlieren und allenfalls noch Nischen ausfüllen können. Führt man sich vor Augen, dass mit Ausnahme von RWE alle deutschen großen Entsorgungsunternehmen erst in der vorherigen Generation selbst als KMU gestartet sind und welche dynamischen Entwicklungsmöglichkeiten in den letzten 40 Jahren vorhanden waren, mag man sich vor Augen führen, dass ähnliche dynamische Entwicklungen durch die Fülle der hier genannten Gründe leider nicht mehr möglich sein werden. Dies betrifft nicht nur die Abfallwirtschaft, sondern auch die gesamte fehlende Dynamik und die sich daraus ergebende hinlänglich bekannte Situation für die wirtschaftliche Entwicklung des Standortes Deutschland.

Bilanz und Perspektiven der kommunalen Abfallwirtschaft nach fünf Jahren Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Von Alexander Schink

I. Einführung Die Situation hat sich für die kommunale Abfallwirtschaft seit In-Kraft-Treten des KrW-/AbfG im Jahre 1996 erheblich verändert: Zurückgehende Abfallmengen, nicht ausgelastete Anlagen bei gleichzeitig erheblich gestiegenen Umwe1tanforderungen und dadurch bedingten Investitionen ist die Bilanz, die die Kommunen nach fünf Jahren Kreislaufwirtschaft ziehen l . Hoffnungen auf eine Änderung dieser Situation haben sich in der vergangenen Legislaturperiode nicht erfüllt. Zu einer Änderung des KrW-/AbfG ist es nicht gekommen 2 • In quasi letzter Sekunde ist freilich die Gewerbeabfallverordnung verabschiedet worden, die allerdings aus kommunaler Sicht mit erheblicher Skepsis begleitet wurde und den kommunalen Forderungen insgesamt kaum Rechnung trägt 3 • Weitere gesetzgeberische Anstrengungen zur Verbesserung der Lage der kommunalen Entsorgungswirtschaft hat es nicht gegeben - im Gegenteil: Ihre Situation ist durch zusätzliche rechtliche Anforderungen an die umweltgerechte Behandlung von Siedlungsabfallen und den dadurch bedingten erheblichen Investitionsaufwand nicht besser geworden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Ablagerungsverordnung, die eine Vorbehandlung von Abfallen zwingend ab dem 1.6.2005 vorschreibt, und damit zu einer Stilllegung vieler Deponien führen wird 4 , die Bioabfallverordnung, die qualitative Anforderungen an Bio1 Vgl. hierzu Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2000, TZ 822ff., 835; PetersenlFaberlHermann, Müll und Abfall 1999, 537ff.; Petersen, Die kommunale Abfallentsorgung - Auf der Gratwanderung zwischen Daseinsvorsorge und Liberalisierung, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 575, 576f.; Schink, Zur weiteren Liberalisierung im Bereich der Abfallentsorgung aus rechtlicher Sicht, in: Hendler (Hrsg.), Abfallentsorgung zwischen Wettbewerb und hoheitlicher Lenkung, 2001, S. 105 ff.; ders., Kommunale Forderungen für die Gesetzgebung im Abfallrecht, Landkreis 1999,4IOff. 2 Zu dahingehenden Vorstellungen und Gründen für das Scheitern Petersen, ebd., S. 586ff.; Schink, in: Hendler, ebd., S. 129ff.; vgl. auch KochlReese, Getrennthaltung und Überlassung von Abfallen zur Beseitigung aus Gewerbebetrieben - Über die Grundprinzipien der dualen Entsorgungsordnung, 2002, S. 60 ff. 3 Vgl. dazu die Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zur GewerbeabfallVO, n. v. 4 Vgl. Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfallen (Ablagerungsverordnung - AbfAblV) vom 20.2.2001, BGBI. 12001 S.305.

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komposte und technische an deren Herstellung normiert,5 sowie die Deponieverordnung, die neue Anforderungen insbesondere hinsichtlich der Stilllegungsphase von Deponien mit sich gebracht hat. Im Folgenden soll eine Situationsbeschreibung der kommunalen Abfallwirtschaft gegeben werden. In diesem Zusammenhang soll zunächst die tatsächliche Situation der kommunalen Abfallwirtschaft herausgearbeitet und auf die rechtlichen Rahmenbedingungen des geltenden Rechts eingegangen werden (sub 11); dabei kommt der Rechtsprechung zur Differenzierung zwischen Abfällen zur Beseitigung und zur Verwertung besondere Bedeutung zu. Im Anschluss daran wird auf die Gewerbeabfallverordnung und ihre voraussichtlichen Auswirkungen auf die kommunale Abfallwirtschaft einzugehen sein (sub III). In einem weiteren Schritt soll dann die aktuelle EU-rechtliche Entwicklung und hier insbesondere die Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung zwischen Verwertung und Beseitigung behandelt werden (sub IV). Der Beitrag schließt mit einem Ausblick in die Zukunft; hierbei soll insbesondere die Frage einer weitergehenden Liberalisierung der Entsorgungswirtschaft problematisiert werden (sub V).

11. Situation der kommunalen Abfallwirtschaft - Folgen der ungeordneten Liberalisierung des Abfallmarktes Wie eingangs herausgestellt, ist die derzeitige Situation der kommunalen Abfallwirtschaft einerseits geprägt durch die Notwendigkeit der Umsetzung hoher und höchster Umweltstandards, andererseits durch zurückgehende Abfallmengen, gepaart mit einem Konkurrenzdruck, nicht zuletzt auch unter den kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieben.

1. Umweltanforderungen an die kommunale Abfallwirtschaft Kommunale Abfallwirtschaft bedeutet Abfallentsorgung auf höchstem technischen Niveau. Die Zeit der Billigdeponien, die weder über eine ordnungsgemäße Untergrundabdichtung noch über sonstige hochwertige technische Sicherungsvorkehrungen zum Schutz der Umwelt verfügten und in denen deshalb Abfälle zu günstigen Konditionen abgelagert werden konnten, ist, so scheint es, endgültig vorbei: Nach der Deponieverordnung wird in Fortführung der Regelungen aus der TA-Siedlungsabfall im Juni 2005 endgültig Schluss sein mit der Ablagerung nicht vorbehandelten Abfalls auf nicht TASI-konformen Deponien6 • Alle kommunalen Gebietskör5 Verordnung über die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlieh und gärtnerisch genutzten Böden (Bioabfallverordnung - BioAbfV) vom 21.9.1998, BOBl.I 1998 S. 2955. 6 Verordnung über die umweltverträglieheAblagerung von Siedlungsabfällen und über biologische Abfallbehandlungsanlagen vom 20.2.2001, BOBI I 2001 S. 305. Zu dieser: Klett, Deponieverordnung - ausgewählte Fragen zu deren Anwendung, AbfalIR 2002, 23 ff.; Beckmann, Anforderungen der Deponie- und Abfallablagerungsverordnung, AbfalIR 2003, 2ff.

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perschaften müssen sich auf diese Sachlage einstellen. Billigdeponien werden als Ausfluss dieser Neuregelung demnächst vom Netz gehen. Überall wird eine Vorbehandlung von Abfällen vorgeschrieben werden. Die Vorbehandlung wird dabei ebenfalls auf einem hohen technischen Niveau erfolgen müssen. Als Grundtechnik für die Vorbehandlung ist auch nach der jüngsten Neuregelung durch die Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen die Müllverbrennung vorgesehen 7• Alternativ dazu kann eine mechanisch-biologische Abfallbehandlung eingesetzt werden. Auch diese ist allerdings nicht als Billiglösung zu haben. Die gemeinsam mit der Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen beschlossene 30. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes setzt insoweit in Anlehnung an die für die Abfallverbrennung geltenden Werte der 17. BlmSchV anspruchsvolle Immissionswerte 8• Diese einzuhalten ist nur mit erheblichem technischen Aufwand möglich. Eine Billiglösung in der Abfallwirtschaft wird es nach diesen Vorgaben für die kommunalen Abfallwirtschaftsunternehmen nicht geben. Die Kosten werden vielmehr dort, wo derzeit noch keine Vorbehandlungstechnik oder noch nicht für alle Abfälle zur Beseitigung Vorbehandlungstechniken eingesetzt werden, weiter steigen. Gleichzeitig müssen die bisherigen Deponien nachgerüstet werden, sollen sie weiter genutzt werden 9 ; alte Deponien, die geschlossen werden müssen, müssen mit ganz erheblichem finanziellen Aufwand so saniert werden, dass dauerhaft Gefahren für die Umwelt ausgeschlossen werden können.

In Nordrhein-Westfalen ist diese Zielsetzung über die für verbindlich erklärten Abfallwirtschaftspläne der Bezirksregierungen nahezu verwirklicht 10. Fast flächendeckend werden in Nordrhein-Westfalen schon derzeit Abfälle thermisch vorbehandelt. Dort, wo nach dem Willen der kommunalen Gebietskörperschaften zur Vorbehandlung mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlagen eingesetzt werden sollen, steht der Bau dieser Anlagen unmittelbar bevor mit der Folge, dass schon im Jahre 2003 eine nahezu flächendeckende Abfallbehandlung entsprechend den Vorgaben der Deponieverordnung bzw. der TASI erfolgen wird. All dies geschieht mit einem erheblichen finanziellen Aufwand aller entsorgungsverpflichteten öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaften. Ob freilich in anderen Bundesländern die Vorgaben der Deponieverordnung umgesetzt werden können, erscheint derzeit zweifelhaft. Zwar gibt es überall inzwischen Planungen und Ausschreibungen für Vorbehandlungsanlagen. Ob diese indessen rechtzeitig zum Juni 2005 ans Netz gehen können, ist angesichts der nur 7 Die Zuordnungskriterien für Deponien, aus denen dies folgt, sind unverändert geblieben. Vgl. DeponieVO, Anhang 1. 8 Dreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen) vom 20.2.2001, BGBI I 2001 S.317. 9 Vgl. dazu die Übergangsregelungen in § 6 DeponieVO. 10 Ausführlich dazu: Schink, Die Abfallwirtschaftspläne in Nordrhein-Westfalen im Vergleich, Müll und Abfall 2001, Heft 5.

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noch verbleibenden kurzen Zeit für Planung und Errichtung dieser Anlagen sowie der erheblichen finanziellen Risiken, die hiermit verbunden sind, eher zweifelhaft 11. Am I. August 2002 ist zudem die neue Deponieverordnung 12 in Kraft getreten. Diese enthält detaillierte technische, betriebliche und organisatorische Anforderungen an die Errichtung, Beschaffenheit, den Betrieb und die Stilllegung von Deponien und Langzeitlagern sowie deren Nachsorge. Ziel ist es, die abzulagernde Menge und deren Schadstoffgehalt auf ein für die Umwelt und Gesundheit vertretbares Maß abzusenken. Ökologisch unzulässige Deponien dürfen hiernach (vgl. im einzelnen § 14 Dep V) ab 2009 nicht mehr weiter betrieben werden; bis dahin kann ihr Weiterbetrieb nur unter besonderen Voraussetzungen als Ausnahme zugelassen werden. Hinzu kommt, dass die meisten Bundesländer den Kommunen Vorgaben für die Verwertung von Abfallen aus privaten Haushaltungen gemacht haben, die ebenfalls nicht unerhebliche Anstrengungen und finanzielle Vorleistungen der kommunalen Gebietskörperschaften verursachen. Dies gilt insbesondere für die Biokompostierung I3 • Insoweit ist beispielsweise in Nordrhein-Westfalen in § 1 a LAbfG NRW festgelegt, dass alle kommunalen Gebietskörperschaften verpflichtet sind, flächendeckend biogene Abfalle aus privaten Haushaltungen einzusammeln und einer Verwertung in einer Kompostanlage zuzuführen. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob die kommunalen Gebietskörperschaften über Abfallbehandlungsanlagen verfügen, die nicht ausgelastet sind. Begrenzt wird diese Verpflichtung zur Biokompostierung in Nordrhein-Westfalen lediglich durch die Regelungen des KrW-/AbfG über die Grenzen der Verpflichtung zur Verwertung von Abfallen. Hiernach besteht nur dann keine Verpflichtung der kommunalen Gebietskörperschaften zur flächendeckenden Einführung einer Biokompostierung, falls dies weder technisch möglich noch wirtschaftlich zumutbar ist. Nach Auffassung des nordrhein-westfalischen Umweltministeriums ist dies in aller Regel nicht der Fall. An der technischen Möglichkeit zur Einführung einer Biokompostierung gibt es prinzipiell ohnehin keine Zweifel. Zweifelhalt kann allenfalls sein, ob auch in verdichteten Stadtregionen eine Sammlung biogener Abfalle im Einklang mit hygienischen Anforderungen organisiert werden kann. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Zumutbarkeit wird jedenfalls vom nordrhein-westfalischen Umweltministerium nicht auf die Gesamtkosten der Abfallentsorgung und die mit der Einführung der Biokompostierung verbundene Verteuerung etwa der Müllverbrennung abgestellt. Vielmehr wird ein Vergleich 11 Einen Überblick über den Planungs stand gibt der Bericht des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt zum Beschluss des Thüringer Landtages vom 14.12.2001, LT-Drs. 3/2084: "Siedlungsabfallwirtschaft im Freistaat Thüringen", in dem auch auf den Planungsstand in den anderen Bundesländern eingegangen wird. Skeptisch auch Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002 - Für eine neue Vorreiterrolle, BT-Drs. 14/8792, TZ 1014ff.; Schink, UPR 2002, 401 f. 12 Verordnung über Deponien und Langzeitlager und zur Änderung der Abfallablagerungsverordnung vom 24.7.2002, BGBI. 12002 S. 2807. 13 Zu den dafür in den einzelnen Bundesländern bestehenden rechtlichen Vorgaben: Schink, in: BrandtjRuchay/Weidemann, KrW-/AbfG, Loseblatt, 1997, § 15 Rn. 54ff.

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zwischen den Beseitigungs- und Verwertungskosten gezogen. Angesichts dessen, dass die Kosten der Kompostierung in der Regel jedenfalls die der Beseitigung der biogenen Abfallfraktion nicht oder allenfalls geringfügig überschreiten, kommt es zum Ergebnis, dass auch an der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Biokompostierung kein Zweifel bestehen könne. Dies mag man kritisch hinterfragen, da die kommunale Abfallwirtschaft eine Einheit bildet und deshalb in einer Gesamtbilanzierung die Wirtschaftlichkeit der Einführung einer Biokompostierung geprüft werden muss. Unabhängig davon sieht es angesichts der Haltung des nordrhein-westfälisehen Umweltministeriums allerdings derzeit so aus, als wenn in Kürze in Nordrhein-Westfalen eine flächendeckende Biokompostierung realisiert werden würde. Im kreisangehörigen Raum ist dies ohnehin bereits jetzt der Fall, sieht man von einigen wenigen Ausnahmen ab. Auch die Biokompostierung muss, wird sie durchgeführt, auf einem hohen technischen Niveau stattfinden. Die Vorgaben der Bioabfall- und Kompostverordnung sind einzuhalten. Nicht eingehauste Kompostanlagen entsprechen in der Bundesrepublik nicht mehr dem Stand der Technik. Auch insoweit sind deshalb erhebliche Investitionen von den Kommunen zu erbringen. Im Interesse des Schutzes der Umwelt werden ihnen insoweit erhebliche Leistungen technischer Art abverlangt. Nähere Regelungen über die Qualität des Biokompostes, soweit dieser landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzt werden soll, enthält die BioAbfV. Dabei werden insbesondere Vorgaben für die höchst zulässigen Schadstoffe (vgl. § 4 BioAbfV) sowie die Zulässigkeit der Aufbringung von Biokomposten zu land-, forstwirtschaftlichen und gärtnerischen Zwecken (vgl. §§ 6ff. BioAbfV) gemacht. In der 30. BImSchV sind Anforderungen an die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb sowie die Überwachung an Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen geregelt, die erhebliche Investitionsanforderungen nach sich ziehen 14. Insgesamt kann festgestellt werden, dass Bund und Land den Kommunen für die Abfallentsorgung im Interesse eines effektiven Umweltschutzes strenge Umweltauflagen gemacht haben, die die kommunalen Gebietskörperschaften derzeit mit erheblichem finanziellen Aufwand verpflichtet sind umzusetzen.

2. Überlassungspflichten - Auslastung kommunaler Anlagen nicht sichergestellt Wenn einerseits den kommunalen Gebietskörperschaften hohe - und im europaweiten Vergleich höchste - Umweltstandards mit erheblichen Investitions- und Folgekosten abverlangt werden, um eine umweltgerechte Abfallentsorgung sicherzustellen, sollte andererseits erwartet werden können, dass die rechtlichen Vorgaben 14 30. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfallen - 30. BImSch V), BGBI. 12001 S.305, 317.

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sicherstellen, dass die Anlagen der kommunalen Gebietskörperschaften auch tatsächlich für die Zwecke, zu denen sie errichtet worden sind, gebraucht werden und ausgelastet werden können. Gerade dies ist allerdings jedenfalls in Bezug auf die gewerblichen Abfälle derzeit nicht der Fall. Auch für die Entsorgung des Hausmülls gibt es inzwischen erste Erosionserscheinungen: a) Dramatischer Rückgang der gewerblichen Abfälle als Folge der Privatisierungsstrategie des Gesetzgebers Dass die Mengen der Abfälle aus gewerblichen Herkunftsbereichen, die in kommunalen Anlagen beseitigt werden, zum Teil dramatisch zurückgegangen sind, ist allgemein bekannt. Aus den Abfallstatistiken der letzten Jahre ist dieser Trend deutlich abzulesen. Aus der Abfallbilanz des Landes Nordrhein-Westfalen für 1999 und 2000 15 lässt sich ablesen, dass insbesondere gewerbliche Abfälle in den günstigsten Entsorgungsweg gehen und alle Möglichkeiten zur kostengünstigen Verwertung von Abfällen genutzt werden. Bei einem ersten Blick fällt zunächst auf, dass das Siedlungsabfallaufkommen in Nordrhein-Westfalen seit In-Kraft-Treten des KrW-/AbfG im Jahre 1996 insgesamt in etwa gleich geblieben ist. Gestiegen sind allerdings die Verwertungsquoten, und zwar insbesondere in zwei Bereichen: Hinsichtlich der hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle und der Gewerbeabfälle sowie der biologisch verwertbaren Abfälle. 1996 wurden in NRW nur 68000 Tonnen Gewerbeabfall verwertet, während es im Jahre 1999583000 Tonnen waren. Die Quote der biologisch verwertbaren Abfälle ist im gleichen Zeitraum von 1150000 auf 1524000 Tonnen angestiegen. Fragt man danach, wo es den größten Rückgang der Gewerbeabfälle gegeben hat, so fällt auf, dass in den Gebietskörperschaften, die über technisch hochwertige Anlagen verfügen, die zu erheblichen Kosten entsorgen, der Anteil des Gewerbeabfalls in besonderer Weise abgenommen hat. Dies lässt sich für die Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf anhand der Abfallbilanz des Jahres 2000 ablesen: In Wesei, einer Gebietskörperschaft mit einer Müllverbrennungsanlage, die mit einem Entsorgungspreis für Beseitigungsabfälle von mehr als 650 DM arbeitet, ist der Anteil der Gewerbeabfälle von 1996 bis 2000 nahezu auf Null zurückgegangen; ähnliches gilt für Kreis und Stadt Aachen im Regierungsbezirk Köln, die zu ähnlichen Bedingungen arbeiten. Fragt man nach den Ursachen für diese Entwicklung, so ist als erstes die Privatisierungsstrategie des Gesetzgebers und der damit verbundene Paradigmenwechsel im Abfallrecht zu nennen. Insoweit sind insbesondere drei Bereiche hervorzuheben l6 : 15 Dazu Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW, Abfallbilanz Nordrhein-Westfalen für Siedlungsabfalle 2000, S. 14, S. 138 ff. 16 Zum Nachfolgenden Schink, in: Hendler, ebd., S. 110ff.

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Absicht des Gesetzgebers war es, das Recht der Abfallbeseitigung zu einem Recht der Kreislaufwirtschaft fortzuentwickeln. Das bisherige Abfallrecht regelte nahezu ausschließlich Fragen der umweltgerechten Entsorgung von Abfällen durch ihre Verwertung oder Beseitigung. Demgegenüber zielt das KrW-/AbfG nicht allein darauf ab, sondern versucht durch Regelungen über die Produktverantwortung (§§ 22ff. KrW-/AbfG) bereits auf die Produktion mit dem Ziel einzuwirken, die Entsorgung der späteren "Produktabfalle" mit zu berücksichtigen. Produkte sollen so konstruiert, hergestellt und betrieben werden, dass von vornherein eine umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung sichergestellt ist. Es soll in den Betrieben und bei der Produktion ein Denken vom Abfall her einziehen. Dort soll angestrebt werden, die Entwicklung von mehrfach verwendbaren, technisch langlebigen sowie problemlos zu verwertenden und zu beseitigenden Produkten voranzutreiben. Der abfallproduzierenden Wirtschaft soll damit eine eigene abfallwirtschaftliche Verantwortung auferlegt werden. Im Sinne des Verursacherprinzips soll die private Vermeidungs- und Entsorgungsverantwortung schon bei der Produktion von Stoffen ansetzen, damit insgesamt weniger Abfälle und insbesondere weniger schädliche Abfalle anfallen. Die privaten Produzenten sollen in die Verantwortung genommen werden für den Gedanken der Kreislaufwirtschaft. Abfall, so das neue Prinzip, soll nicht erst bei seinem Anfall in den Blick geraten, sondern durch vorausschauendes Denken bei der Produktion vermieden, minimiert und in seinen Schadstoffbestandteilen reduziert werden. - In engem Zusammenhang damit steht eine Verschiebung der Entsorgungsverantwortung weg von der ausschließlichen öffentlichen Daseinsvorsorge hin zu mehr privater Verantwortung. §§ 5 Abs. 2 und 11 Abs. 1 KrW-/AbfG nehmen AbfalIerzeuger und -besitzer selbst in die Verantwortung und weisen ihnen nach Maßgabe des Verursacherprinzips die Aufgabe der Verwertung und Beseitigung von Abfallen als eigene zu. Ergänzt wird dieser Paradigmenwechsel 17 durch weitgehende Möglichkeiten der Übertragung der verbliebenen Entsorgungsverpflichtungen der öffentlichen Hand auf private Dritte (§ 16 Abs.2) und Verbände und Einrichtungen der Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft (§§ 17, 18 KrW-/AbfG). Die öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften sollen lediglich dort tätig werden, wo das Prinzip der privaten Verantwortung für die Abfallverwertung und -beseitigung nicht zu sachgerechten und umweltverträglichen Ergebnissen führt. Insbesondere die Abfallbeseitigung sowie die Verwertung von Abfallen aus privaten Haushaltungen ist deshalb nach wie vor den öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaften übertragen (vgl. § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG). Für diese Bereiche ist die Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand aus Gründen der Schaffung und Aufrechterhaltung umweltgerechter Entsorgungsstrukturen quasi durch die Hintertür, nämlich durch die Überlassungspflichten des § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG, wieder eingeführt worden. Dennoch ist eins unverkennbar: Der Gesetzgeber wollte die Abfallentsorgung dort, wo Abfall als Ware gehandelt werden 17

So: PetersenlRid, Das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, NJW 1995, 7 f.

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kann, privatisieren und in private Verantwortung legen. Aus den Leitnormen für die Entsorgungsverantwortlichkeit der §§ 5 Abs. 2 und 11 Abs. 1 KrW-/AbfG ergibt sich deutlich, dass der öffentlichen Hand nur noch eine Reservefunktion für die Entsorgung von Abfallen dort zukommen soll, wo anders eine effiziente und umweltverträgliche Entsorgung von Abfallen nicht möglich ist l8 • Ergänzt wird die weitgehende Privatisierung durch Regelungen über Abfallwirtschaftskonzepte und -bilanzen als Instrumente der Selbstkontrolle und -motivation (§§ 18, 19 KrW-/AbfG) 19. Über diese Instrumente sollen Betriebe veranlasst werden, im Wege der Selbstretlexion ihre abfallrechtlichen Verwertungs- und Beseitigungspflichten zu organisieren und auf diese Weise zu einer Optimierung der Kreislaufwirtschaft als Oberziel des KrW-/AbfG beitragen. Damit sollen nicht zuletzt Ressourcen geschont, Abfälle nach Menge und Schädlichkeit vermindert und Kosten für aufwendige Verwertungs- und Beseitigungsverfahren gespart werden. - Über diese Neuregelungen der Verantwortlichkeit hinaus zielt das KrW-/AbfG weiter darauf ab, eine Kreislaufwirtschaft zu initiieren. Nicht mehr allein die Sicherheit der Beseitigung und ihre Umweltverträglichkeit sind Ziele des Abfallrechts. Aus der bisherigen "Einweg"-Entsorgung zur Verbrennungsanlage oder Deponie soll eine Kreislaufwirtschaft werden 20 • Das Abfallrecht setzt nicht mehr allein am Schadstoffgehalt der zu verwertenden oder beseitigenden Abfalle an, sondern sucht eine ressourcenökonomische und ökologische stoffbezogen bzw. materialwirtschaftlich orientierte Kreislaufwirtschaft ins Werk zu setzen 21 • Der Umsetzung dieses Konzeptes dient vor allem die Verankerung einer neuen abfallwirtschaftlichen Zielhierarchie in § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG: In einer Art ökologischen Rangfolge ist dort bestimmt, dass Abfälle "in erster Linie zu vermeiden und in zweiter Linie stofflich oder energetisch zu verwerten sind". Dabei soll bei mehreren Verwertungs optionen die besser umweltverträgliche Verwertungsart vorrangig sein (v gl. § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG). Die Beseitigung ist damit gegenüber der Verwertung und jene wiederum gegenüber der Vermeidung nachrangige Entsorgungsart. Im Verhältnis zur Verwertung kommt der Beseitigung nur dann ein Vorrang zu, wenn die Beseitigung des Abfalls "die umweltverträglichere Lösung darstellt" (vgl. § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG). - Der Umsetzung der sogenannten Prinzipien dienen die einzelnen weiteren Instrumente des Abfallrechts. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass das KrW-/AbfG nicht allein, wie es die Verschiebung der Verantwortung für die Verwertung und Beseitigung von Abfällen weg von der öffentlichen Hand hin zu Pri18 In diesem Sinne etwa Petersen/Rid, NJW 1995,8; Frenz, KrW-/AbfG, 1996, Einleitung, Rn. 11; vgl. auch Weidemann, Einführung, in: Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, 1997, XXVf. 19 Frenz, KrW-/AbfG, Einleitung, Rn. 13. 20 So die Kennzeichnung bei Weidemann, in: BrandtlRuchay/Weidemann, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Kommentar, Loseblatt, 1997, § 4 Rn. 3. 21 Weidemann, ebd.

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vaten oder der Gedanke der Kreislaufwirtschaft und des Vermeidungs- und Verwertungsvorrangs nahe legen könnten, ein Wirtschaftsrecht darstellt; Abfallrecht ist nach wie vor auch Umweltschutzrecht. Das gilt insbesondere für die Beseitigungsphase und die hierauf bezogenen Regelungen. Durch die Bestimmungen über die Abfallwirtschaftsplanung (§ 29 KrW-/AbfG), den Anlagenzwang für die Beseitigung (§ 27 Abs. 1 KrW-/AbfG), die Regelungen über die Zulassung von Abfallanlagen und deren Verpflichtung auf die Einhaltung des Standes der Technik (§§ 10, 11, 12 Abs. 1, 30ff. KrW-/AbfG), die Regelungen über die Abfallüberwachung (§§ 40ff. KrW-/AbfG) und nicht zuletzt durch Verpflichtung jedes Beseitigungsverfahrens darauf, die Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit zu beachten (§ 10 Abs. 1, 4 KrW-/AbfG) wird die Beseitigung vor allem unter Umweltaspekten reglementiert. Markt und Marktwirtschaft und private Verantwortung spielen hier kaum, Umweltanforderungen hingegen eine herausragende Rolle. Das Abfallrecht kann nach alledem weder allein dem Wirtschaftsverwaltungsrecht noch allein dem Umweltschutzrecht zugeordnet werden. Durch die Privatisierungsstrategie des Gesetzgebers einerseits und die Verpflichtung auf den Umweltschutz andererseits nimmt es vielmehr heute eine Zwitterstellung ein: Es handelt sich um Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltreche2 •

b) Die Ursachen im Einzelnen Kern der Liberalisierungsstrategie des Gesetzgebers ist die Neuverteilung der Entsorgungszuständigkeiten zwischen der öffentlichen Hand und Privaten. Als wesentliche Neuerung, ja als Paradigmenwechsel im Abfallrecht wird von vielen die Neuregelung der Entsorgungsverantwortlichkeit durch das KrW-/AbfG angesehen 23 • Die §§ 5 Abs. 2 und 10 Abs. 1 KrW-/AbfG weisen die Verantwortung für die Verwertung und Beseitigung von Abfällen den Abfallerzeugern und -besitzern zu. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sollen in eine Reservezuständigkeit für die Bereiche gedrängt werden, in denen eine marktwirtschaftliche Orientierung des abfallwirtschaftlichen Geschehens nicht möglich ist. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass das Festhalten an überkommenen Entsorgungsstrukturen, verbunden mit entsprechenden Überlassungs- und Andienungspflichten, beim Aufbau einer Kreislaufwirtschaft mit dem Ziel der Abfallvermeidung kontraproduktiv sei; Kreislaufwirtschaft und öffentliche Entsorgung schlössen sich tendenziell aus. Natürliche Träger der Stoffkreisläufe seien die Unternehmen und Gewerbebetriebe, nicht jedoch der Staat oder die entsorgungspflichtigen Körperschaften 24 • Die Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger müssten, soll der Gedanke der 22 Vg!. etwa Weidemann, KrW-/AbfG, Einführung, wo es heißt: "Der Abfall wird zum ,Zwitter des Wirtschaftsverwaltungsrechts' ". 23 Dazu etwa Frenz, KrW-/AbfG, Ein!., Rn. 11; Schink, Elemente symbolischer Umweltpolitik im Abfallrecht, in: Hansjürgens/Lübbe-Wolff, Symbolische Umweltpolitik, S. 132ff. 24 So: Beckmann, UPR 1996,41; Weidemann, NVwZ 1995,632.

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Kreislaufwirtschaft wirklich ernst genommen werden, zunehmend eingegrenzt und auf die immer weniger bedeutende Aufgabe der Abfallbeseitigung und des Einsammelns der Abfälle zur Beseitigung beschränkt werden 25 • Die Erkenntnis und das Wissen um die Misserfolge der öffentlichen Abfallentsorgung in der Vergangenheit hätten den Gesetzgeber zu einer Neudefinition der Rollenverteilung zwischen öffentlicher und privater Entsorgung veranlasst. Der Vorrang der öffentlichen Entsorgung sei zugunsten einer verursacherbezogenen Verantwortlichkeit von Abfallbesitzern und Abfallerzeugern aufgegeben worden, und zwar deshalb, damit bereits bei der Produktion vom Abfall her gedacht werden könne 26 • Bei näherer Betrachtung der Mechanism.en der Privatisierung der Entsorgungsverantwortlichkeit zeigt sich, dass abgesehen von den Leitnormen der §§ 5 Abs. 2 und 10 Abs. 1 KrW-/AbfG die Regelung der Entsorgungszuständigkeit überhaupt nicht geändert worden ist, sondern die eigentliche Neuerung darin liegt, dass - ausgelöst zum einen durch die Privatisierungsphilosophie des KrW-/AbfG und zum anderen durch eine stärkere Kostenorientierung der Produzenten und Abfallbesitzer - die Verschiebung der Abfallströme über eine Intensivierung der Verwertung von Abfällen durch gewerbliche Unternehmen erfolgt ist. Dazu werden sie durch das KrW-/AbfG geradezu eingeladen, und zwar in einer Weise, die mit einer auf Stoffstrom- und Ressourcenschonung ausgerichteten Abfallwirtschaft relativ wenig zu tun hat -letztlich entscheidet allein der Preis über den Entsorgungsweg: Die Ursache dafür liegt vor allem in der wenig klaren Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung einerseits, die gewerbliche Unternehmen in eigener Regie ohne Verpflichtung zur Überlassung an die kommunalen Gebietskörperschaften entsorgen dürfen, und Abfällen zur Beseitigung andererseits, die sie den kommunalen Gebietskörperschaften überlassen müssen (v gl. § 13 Abs.l S. 2 KrW-/AbfG). Wie auch soll auf der Basis des § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG, wo es heißt, dass Abfälle zur Verwertung solche Abfälle sind, die verwertet werden, und Abfälle, die nicht verwertet werden, Abfälle zur Beseitigung darstellen, eine sachgerechte Abgrenzung zwischen beiden Kategorien und damit überlassungspflichtigen und "freien" Abfällen erfolgen. Auch das Hauptzweckkriterium, auf das sowohl für die Scheidung zwischen stofflicher Verwertung und Beseitigung und thermischer Verwertung und Beseitigung abgestellt wird (vgl. §4 Abs. 3 Satz 2 bzw. Abs.4 Satz 2 KrW-/AbfG), ist alles andere als ein handhabbarer Mechanismus zur Abgrenzung beider Abfallkategorien. Angesichts dessen, dass das KrW-/AbfG Trennungs- und Getrennthaltungsgebote für Abfälle zur Beseitigung und Abfälle zur Verwertung zumindest nicht expressis verbis enthält, führt diese rechtliche Ausgangslage dazu, dass es nahezu im Belieben des Erzeugers gewerblicher Abfälle liegt, ob er sie - gegebenenfalls nach Vermischung von Verwertungs- mit Beseitigungsabfällen - insgesamt als Abfälle zur Verwertung deklariert und so für ihn keine Verpflichtung zur Überlassung in kommunale Anlagen besteht. Folge davon ist, dass der Preis darüber be25 26

So: Beckmann, ebd., 41. Beckmann, ebd., 41.

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stimmt, welche Abfälle in welchen Anlagen entsorgt werden. Die ökonomische, nicht aber die ökologische Fragestellung ist derzeit die einzig verlässliche Basis für die Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung. Dass dabei die Ökologie auf der Strecke bleibt, muss niemanden wundem. Von einer hochwertigen, ressourcen- und umweltschonenden Abfallverwertung kann bei dieser Ausgangslage oft keine Rede sein. Vielmehr werden billige Lösungen gesucht und gefunden mit dem Ziel, die Entsorgung von Abfällen möglichst preisgünstig zu gestalten. Häufig genug werden dabei Abfälle nach einer Sortierung, bei der nur geringe Mengen verwertbarer Stoffe aussortiert werden, gezielt auf Billigdeponien der Kommunen entsorgt, die häufig genug notwendigen Umweltstandards nicht genügen. Auf der Strecke bleiben dabei die Anlagen, die einem hohen technischen Standard genügen. Denn die Entsorgungskosten, die hier zu zahlen sind, sind häufig um ein vielfaches höher als bei einem allein an der Ökonomie orientierten Billigentsorgungsweg. Aus den Abfallstatistiken lässt sich jedenfalls nachweisen, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Entsorgungskosten und dem Umfang der den Kommunen überlassenen Abfallen zur Beseitigung gibt. Dort wo neue Müllverbrennungsanlagen mit hochwertiger Technik ans Netz gegangen sind und deshalb die höchsten Entsorgungskosten für Abfälle zur Beseitigung zu zahlen sind, sind die Abfälle aus gewerblichen Herkunftsbereichen zum Teil auf Null zurückgegangen, während dort, wo die Entsorgungskosten sehr niedrig sind, im gleichen Zeitraum eine erhebliche Mengensteigerung zu verzeichnen ist, ohne dass diese durch eine gestiegene wirtschaftliche Prosperität hätte verursacht werden können. Fazit: Der Abfall geht häufig genug den billigsten Entsorgungsweg. Von einem stofflich orientierten ressourcenschonenden Abfallmanagement sind wir bei der Gewerbemüllentsorgung weit entfernt. Ursache ist vor allem die rechtlich unklare Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung, nicht hingegen die Neuregelung der Entsorgungszuständigkeiten, denn insoweit ist eigentlich alles beim Alten geblieben. Durch die Regelungen über die Überlassungsptlichten in § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG sind die alten Entsorgungszuständigkeiten der öffentlichen Hand quasi durch die Hintertür wieder eingeführt worden: Für Abfälle zur Beseitigung sind insgesamt die kommunalen Gebietskörperschaften entsorgungspflichtig - sieht man einmal von den kaum praktischen Einschränkungen für die Beseitigung gewerblicher Abfälle in eigenen Anlagen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG) ab. Für die Verwertung von Abfällen gibt es ebenfalls eine Zuständigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften. Diese beschränkt sich allerdings auf die Verwertung von Abfällen aus privaten Haushaltungen. Für Abfälle zur Verwertung aus anderen Herkunftsbereichen und damit insbesondere für Abfalle zur Verwertung aus dem Herkunftsbereich gewerblicher Unternehmen gibt es hingegen keine Überlassungsptlicht an die öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaften 27 • Rechtlich hat sich damit an den Entsorgungs27 Einzelheiten zu diesen Regelungen bei Queitsch, Das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, UPR 1995, 413ff.; Petersen/Rid, NJW 1995, 8f.; Schink, Öffentliche und private

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verantwortlichkeiten eigentlich gar nichts geändert: Nach wie vor sind die kommunalen Gebietskörperschaften für die Abfallbeseitigung zuständig. Die Verwertung von Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen gehörte auch bislang schon nicht zu ihren Aufgaben. Diese waren vielmehr als sogenannte Werts toffe aus dem Abfallbegriff des § 13 Abs. 1 AbfG herausdefiniert und unterfielen damit nicht dem Anwendungsbereich des Abfallrechts. Die eigentliche Neuerung des KrW-/AbfG besteht deshalb nicht so sehr darin, dass die Entsorgungszuständigkeiten neu verteilt worden sind, sondern in der Einbeziehung der bisherigen Wertstoffe als Abfälle zur Verwertung im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Satz 2,4 Abs. 3,4 KrW-/AbfG in den Anwendungsbereichen des Abfallrechts und in der Schaffung einer Verpflichtung für gewerbliche Unternehmen diese Abfälle zu verwerten, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs.4, 5 KrW-/AbfG vorliegen. Von einem wirklichen Paradigmenwechsel weg von der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Abfallbeseitigung hin zu mehr privater Verantwortlichkeit kann deshalb keine Rede sein. Die Bestimmungen der §§ 5 Abs.2, 11 Abs. 1 KrW-/AbfG ändern an der Entsorgungsverantwortung wegen der Bestimmung über die Überlassungspflichten in § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG im Grunde nichts 28 • Die eigentliche Trennlinie zwischen privater und öffentlicher Entsorgung wird - wie erwähnt - im Ergebnis durch die Regelungen über die Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung einerseits und Abfällen zur Beseitigung andererseits getroffen. Insoweit ist allerdings festzustellen, dass die Trennlinien, die das KrW-/AbfG dazu gibt, alles andere als klar sind, mit der Folge, dass nicht nach rechtlichen oder ökologischen Kriterien entschieden wird, ob ein Abfall ein Abfall zur Verwertung ist, sondern dass insoweit vor allem Kostenüberlegungen maßgebend sind. § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG definiert Abfälle zur Verwertung dahin, dass dies Abfälle sind, die verwertet werden; Abfälle zur Beseitigung sind nach dieser Nonn dem gegenüber Abfälle, die nicht verwertet werden. Dass damit eine wirkliche Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung nicht getroffen werden kann, liegt auf der Hand. Darauf zielt die Nonn indessen auch nicht ab. Sie stellt vielmehr dar, dass es für die Abgrenzung zwischen Abfallverwertung und Abfallbeseitigung auf das tatsächliche Geschehen, also darauf ankommt, welcher Behandlung ein Abfall im Einzelnen unterzogen wird 29 • Die Folge sind erhebEntsorgung, NVwZ 1997,435, 436ff. und in den Kommentierungen von Frenz, Fluck, Kunigl PaetowlVersteyl und Weidemann (in: Brandt/Ruchay/Weidemann), jeweils zu § 13 KrW-/AbfG. 28 Schink, in: Hansjürgens/Lübbe-Wolff, Symbolische Umweltpolitik, S.13l. 29 Kunig, in: Kunig/paetowNersteyl, KrW-/AbfG, Kommentar, 1998, §3 Rn. 26; Kix, Auswirkungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes auf die Satzungen der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger, in: Hoppe u. a., Auswirkungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes auf die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, 1996, S. 191, 196; Frenz, KrW -/AbfG, § 3 Rn. 28. Vgl. aber auch Weidemann, Gew Arch 1997, 311, 340 diese Regelung als wahrhaft "sibyllinisch" und "für die Rechtsanwendung praktisch wertlos" kennzeichnet.

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liche Schwierigkeiten bei der Klassifizierung von Abfallen als Abfälle zur Beseitigung und Abfalle zur Verwertung: Nicht selten ist einer Verwertung von Abfällen eine Behandlung in einer Sortieranlage vorgeschaltet. Eine Sortierung kann aber sowohl einer Verwertung als auch als Vorbehandlungsschritt der Beseitigung zuzuordnen sein. Die Klassifizierung eines Abfalls zur Verwertung setzt damit gerade nicht voraus, dass der Abfall so anfällt, dass er ohne weiteres einer Verwertung zugeführt werden kann. Auch gemischte Abfälle, denen man manchmal ihre Verwertungseignung überhaupt nicht ansieht und die in der Vergangenheit als Abfälle zur Beseitigung den Anlagen der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften zugeführt worden sind, können hiernach Abfälle zur Verwertung darstellen. Die Inhomogenität eines Abfallgemisches spielt damit für die Klassifizierung als Abfall zur Verwertung oder zur Beseitigung keine wesentliche Rolle. Entscheidend ist vielmehr nach § 4 Abs. 3,4 KrW-/AbfG sowohl für die Abgrenzung der stofflichen Verwertung von der Beseitigung als auch für die der energetischen Verwertung von der thermischen Beseitigung die Frage, wo der Hauptzweck der Maßnahme bei einer wirtschaftlichen Betrachtung liegt. Auch dieses Abgrenzungskriterium hat sich freilich bislang in seiner praktischen Anwendung als eher problematisch erwiesen. So ist etwa in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angenommen worden, dass die Nutzung des Volumens eines Stoffes, also seiner Fähigkeit, einen Raum zu füllen, für das Vorliegen einer Abfallverwertungshandlung ausreicht, wenn dieser Zweck über die bloße Beseitigung hinaus als Hauptzweck erreicht werden soll 30. In der Sache ging es dabei um die Verwendung von Kunststoffgranulat aus DSD-Sammlungen zum Bergversatz. Da jeder Abfall raumfüllende Eigenschaften hat, ist es zumindest zweifelhaft, ob die gefundene Abgrenzung wirklich eine Abgrenzung darstellt oder nicht alle einlädt, über die raumfüllenden Eigenschaften des Abfalls Abfälle als Abfälle zur Verwertung in Abgrabungen unter anderen Umwelt- und damit Kostenbedingungen zu verbringen, als diese bei der Verbringung auf eine Deponie üblich sind. Zur näheren Abgrenzung der Abfalle zur Verwertung von Abfällen zur Beseitigung ist von der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) das Hauptzweckkriterium ursprünglich dahin interpretiert worden, dass eine Verwertung jedenfalls dann gegeben ist, wenn mehr als 50 % der Abfälle einer Verwertung zugeführt werden 3l • Auch diese Abgrenzung hat bislang jedenfalls in der Rechtsprechung keinen 30 VG Stuttgart, Urt. v. 26.11.1996 - 14 K 3580/95 -, in: Brandt/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG, 100 C, § 4 KrW-/AbfG, Nr.2. Aufgehoben durch BaWü VGH, Urt. v. 15.10.1998 - 14 S 1037/98 -, StuGR 2/1999, 38f. = NuR 1999, 336f. = ZUR 1999, 103ff. m. zust. Anm. Schink, das., 106 ff. 31 Vgl. Definition und Abgrenzung von Abfallverwertung und Abfallbeseitigung sowie von Abfall und Produkt nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-IAbfG am 17./18.03.1997 von der LAGA beschlossenen Fassung, Ziff. 5.2.1 "Mengenbetrachtung", wo es heißt: "Eine Maßnahme ist dem Hauptzweck grundsätzlich dann als stoffliche Verwertung anzusehen, wenn die Bestandteile des Abfalls vollständig oder zu einem überwiegenden Teil einer erneuten Nutzung zugeführt werden. Ist der Anteil der gewonnenen oder genutzten Stoffe dagegen im Verhältnis zur Ausgangsmenge nur gering, so sind die Verwertungseffekte im allgemeinen untergeordneter Nebenzweck einer in der Hauptsache auf Beseitigung des nichtver-

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Bestand gehabt. So hat das VG Düsseldorf32 darauf hingewiesen, dass quantitative Betrachtungen für die Abgrenzung zwischen stofflicher Verwertung und Beseitigung nicht maßgebend seien. Verwertung im Sinne des KrW-/AbfG bedeute vielmehr lediglich, dass ein konkreter wirtschaftlicher oder sonstiger Nutzen aus den Eigenschaften des Stoffes gezogen wird. Dies folge aus der Intention des Gesetzgebers, dass Abfalle in erster Linie verwertet werden müssten und erst nachrangig zu beseitigen sind. Dieser These des VG Düsseldorf wird man zwar sicherlich zustimmen können. Im Ergebnis läuft diese Rechtsprechung indessen darauf hinaus, dass es für die Praxis handhabbare Abgrenzungskriterien für Abfälle zur Beseitigung und Abfalle zur Verwertung nicht gibt. Vielmehr entscheiden allein wirtschaftliche Kriterien darüber, ob Abfalle in die Verwertung oder in die Beseitigung gehen. Die Entsorgungspraxis belegt dies überdeutlich: Dort wo es preisgünstige Beseitigungsanlagen gibt, sind häufig Sortieranlagen gebaut worden mit dem Ziel, dort eine Sortierung als Teilaspekt einer Verwertungshandlung durchzuführen, da dann die Abfälle zur Beseitigung, die am Ende des Sortiervorgangs anfallen, gemäß § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG der Gebietskörperschaft zu überlassen sind, in deren Bereich eine Sortieranlage gelegen ist. Gerade diese Praxis ermöglicht es, nahezu jedweden Abfall zu einem Abfall zur Verwertung zu deklarieren, in einer Sortieranlage verwertbare Bestandteile auszuschleusen, letztlich mit dem Ziel, die kostengünstigste Beseitigungsart zu erschließen. Ob dies dem Willen des Gesetzgebers wirklich entspricht, mag man mit Fug und Recht bezweifeln. Letztlich ist dies allerdings eine Folge der unklaren und in der Praxis nicht möglichen Unterscheidung von Abfallen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung über die in § 4 Abs. 3, 4 KrW-/AbfG genannten Kriterien. Ein Wildwuchs in der Entsorgungslandschaft und ein Kampf um Abfälle ist die Folge. Bildlich gesprochen sucht sich der Abfall den Weg in das billigste Loch. Dies hat eine Verschiebung der Entsorgung weg von den öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften hin zu privaten Entsorgungsuntemehmen zur Folge gehabt. Ob damit allerdings die vom Gesetzgeber angestrebte Quantifizierung und Qualifizierung der Verwertung wirklich verbunden ist, daran bestehen ganz erhebliche Zweifel. In der Praxis findet wohl in vielen Fällen über eine "Verwertung" aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen eher eine Umgehung der Überlassungspflichten aus § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG mit dem Ziel statt, bei der Entsorgung Geld zu sparen. Die Schadlosigkeit der Verwertung, wie sie in § 5 Abs. 3 Satz 1, 3 KrW-/AbfG mit dem Ziel gefordert wird, keine Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf zu verursachen, findet dabei in der Regel nicht statt 33 • Dieses Kritewertbaren Abfallanteils gerichteten Maßnahme. Als Anhalt hierfür kann ein Verwertungsanteil von weniger als der Hälfte der Ausgangsmenge angenommen werden", abgedruckt bei Brandt/ Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG, D 100, Punkt I. 32 Besch!. v. 11.03.1997 - 17 L 1216/97 -, abgedruckt bei Brandt/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG, lOOc, §4 KrW-/AbfG. 33 Zum Gebot der Schadlosigkeit bei der Verwertung vg!. etwa Kunig, in: Kunig/paetow/ Versteyl, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 28; Spoerr, in: Brandt/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 89ff.; Weidemann, Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft, in: Hoppe u.a., Auswirkun-

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rium, dem für die Zulässigkeit der Verwertung selbständige Bedeutung zukommt 34 und das sich sowohl auf die Art der Verwertung als auch auf das aus ihr entstehende Produkt bezieht 35 , ist zwar sicher kein Mittel, Abfalle mit dem Ziel einer Auslastung von Leerständen in öffentlichen Beseitigungsanlagen in diese umzulenken 36 • Es soll jedoch die Qualität der Verwertung steuern und eine allein aus Kostengründen motivierte Flucht in die Verwertung verhindem 3?; eine Aufgabe, die dieses Tatbestandsmerkmal bislang allerdings nicht hat leisten können. Ähnliches gilt für die Forderung in § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG, eine der Art und Beschaffenheit des Abfalls entsprechende hochwertige Verwertung anzustreben. Damit ist gemeint, dass bei der Verwertung ein sogenanntes Downcycling nicht stattfinden soll, sondern dass der Verwertungserfolg nach Möglichkeit darin bestehen soll, Abfalle im Sinne ihrer ursprünglichen Zwecksetzung zu nutzen oder die stofflichen Eigenschaften der zu verwertenden Materialien im Sinne einer Substitution von Primärrohstoffen einzusetzen 38 • Freilich: Auch diese Forderung stellt einen bloßen Appell an Abfallerzeuger und -besitzer dar. Verbindlichkeit für den Adressaten hat sie indessen nicht; konkrete Rechtspflichten können aus dem Postulat der Hochwertigkeit nicht abgeleitet werden, denn eine gesetzliche Vorschrift, die nur verlangt, dass ein bestimmter Erfolg anzustreben ist, schafft keine konkrete, unmittelbar geltende Rechtspflicht 39 • Auch die Regelungen des KrW-/AbfG zur Lenkung der Qualität der Verwertung erweisen sich damit als nicht sonderlich praktikabel. Das gilt auch für die Forderung des § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG, die Beseitigung zu wählen, wenn dies unter Berücksichtigung der zu erwartenden Emissionen, des Ziels der Schonung der natürlichen Ressourcen, der einzusetzenden oder zu gewinnenden Energie und der Problematik der Schadstoffanreicherung in Erzeugnissen oder aus Abfallen gewonnenen Erzeugnisgen, S. 49,60; Schink, Der neue Abfallbegriff und seine Folgen, VerwArch 1997,230,263; Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 22ff.; Pippke, Vorrang der Beseitigung bei größerer Umweltverträglichkeit?, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Umweltverträgliche Abfallverwertung, 2001, S. 115, 125 f. 34 Vgl. nur Kunig, in: KunigIPaetowNersteyl, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 28; Schink, VerwArch 1997,263. 35 Vgl. PetersenlRid, NJW 1995, 8f. 36 So mit Recht: Spoerr, in: BrandtlRuchay/Weidemann, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 88; Weidemann, in: Hoppe u. a., Auswirkungen, S. 60. 37 Zu dieser Zielsetzung des KrW-/AbfG: BaWü VGH, NVwZ 1999, 1243,1244; Pippke, in: Lübbe-Wolff, Umweltverträgliche Abfallverwertung, S. 121. 38 In diesem Sinne Kunig, in: Kunig/PaetowNersteyl, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 13; Schink, VerwArch 1997,262; Weidemann, NVwZ 1995,637; ders., in: BrandtlRuchay/Weidemann, KrW-/AbfG, §4 Rn.49. 39 Überwiegende Meinung vgl. etwa Kunig, in: Kunig/PaetowNersteyl, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 14; Fluck, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 116f.; Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 16; Schink, Von den Schwierigkeiten der Kommunen mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, ZG 1996, 107; Weidemann, NVwZ 1995,637; ders., in: BrandtlRuchay/Weidemann, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 50. Für eine durchsetzbare Rechtspflicht dagegen: FouquetlMahrwald, Die Hochwertigkeit der Verwertung nach dem KrW-/AbfG, NuR 1999, 144,147; v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 7; Pippke, in: Lübbe-Wolff, Umweltverträgliche Abfallverwertung, S. 124.

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sen die umweltverträglichere Lösung darstellt. Aus dieser Regelung wird ganz überwiegend auch dann, wenn die Beseitigung bei einem ökologischen Folgenvergleich die umweltverträglichere Lösung darstellt, keine Beseitigungspflicht des Abfallerzeugers und -besitzers abgeleitet; aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG wird vielmehr gefolgert, dass der Verantwortliche in diesem Fall über ein Wahlrecht verfügt 40 • In einzelnen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte deutete sich zwischenzeitlich allerdings ein Trend an, effektivere Abgrenzungskriterien für die Unterscheidung zwischen Abfällen zur Verwertung und solchen zur Beseitigung zu entwickeln. Besonders klare Grundsätze hat dazu kürzlich der BaWü VGH entwickelt 4 !. Für den praktischen Vollzug des Abfallrechts spielt die Frage ein herausragende Rolle, ob für die Beurteilung eines Stoffes als Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung auf den Ausgangsstoff, also den Abfall so wie er angefallen ist, abzustellen ist, oder ob es genügt, dass die Verwertungsfähigkeit von Abfällen durch Vermischung mit anderen erst herbeigeführt wird. Genügt Letzteres, kann nahezu jedweder Abfall einer stofflichen oder thermischen Verwertung zugeführt werden, denn durch Vermischung lässt sich (fast) immer ein Stoff herstellen, der einer irgendwie gearteten Verwendung unter Nutzung seiner stofflichen Eigenschaften zugeführt werden kann. Wirtschaftlich ist deshalb auch diese Frage von herausragender Bedeutung. Der BaWü VGH stellt insoweit mit Recht auf den einzelnen Abfall ohne Vermischung mit anderen Stoffen ab 42 • Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Auffassung liefert schon § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG wo von den im "einzelnen Abfall" bestehenden Verunreinigungen die Rede ist. Eine systematische Sicht bestätigt diesen Befund: § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG stellt für die Scheidung von thermischer Verwertung und Beseitigung auf den einzelnen Abfall ab. Auf diesen ist für die Frage abzustellen, ob der Hauptzweck einer Maßnahme bei wirtschaftlicher Betrachtung in einer Nutzung der stofflichen Eigenschaften oder einer Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass hieraus nicht zugleich auch ein Vermischungsverbot folgt. Ein solches unbedingtes Vermischungsverbot kennt das KrW-/AbfG nicht. Eine Grundpflicht, Abfälle zur Verwertung von anderen Abfällen zur Verwertung oder Beseitigung getrennt zu halten, besteht nach § 5 Abs.2 Satz 4; 11 Abs.2 KrW-/AbfG nämlich nur, soweit dies zur Erfüllung der 40 In diesem Sinne DoldelVetter, Rechtsfragen der Verwertung und Beseitigung von Abfällen, 1999, S.66f.; Fluck, KrW-/AbfG, §5 Rn.219; von Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG, §5 Rn. 34; Kunig, in: Kunig/paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 17; ähnlich auch Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn.40: Eröffnung der Möglichkeit von der Rangfolge Verwertung/Beseitigung abzuweichen. A.A. Klöck, ZUR 1995, 117, 119; Pippke, in: Lübbe-Wolff, Umweltverträgliche Abfallverwertung, S. 126ff.; Windmann, Vorrang der Beseitigung als der umweltverträglicheren Lösung, UPR 1998, 103 ff. 4! BaWü VGH, Urt. v. 15.10.1998 -14 S 1037/98 -, StuGR 2/1999, 38f. = NuR 1999, 336f. = ZUR 1999, 103ff. m. zust. Anm. Schink, das., 106ff. 42 Ebenso DoldelVetter, Abgrenzung, S. 74ff.; Freytag, Urteilsanmerkung in: NuR 1997, 518,519.

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Grundsätze und Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft nach §§ 4, 5 KrW-/AbfG bzw. zur Erfüllung der gemeinwohl verträglichen Abfallbeseitigung nach § 10 KrW-/AbfG erforderlich ist. Insbesondere dann, wenn der Verwertungserfolg zunichte gemacht oder eine hochwertige bzw. schadlose Verwertung, wie sie das Gesetz in § 5 Abs. 2,3 KrW-/AbfG anstrebt, durch eine Vermischung verhindert oder zunichte gemacht würde, besteht nach diesen Regelungen ein Vermischungsverbot für Abfälle zur Verwertung 43 • Einer Vermischung von Abfällen steht das KrW-/ AbfG damit nicht generell entgegen. Besondere Probleme bereitet allerdings die Vermischung von Abfällen zur Beseitigung mit solchen zur Verwertung. In der Praxis findet sich diese Vorgehensweise häufig, um den gesamten Abfall als Abfall zur Verwertung zu klassifizieren und nach Sortierung die Abfälle zur Beseitigung in der kostengünstigen Beseitigungsanlage zu entsorgen, in deren Bezirk die Sortieranlage gelegen ist. Ganz überwiegend ist für diesen Fall mit Recht angenommen worden, dass dann ein Verwertungshindernis besteht, und zwar deshalb, weil für die Bestimmung des Hauptzwecks der beabsichtigten Entsorgungsmaßnahme nicht auf den vermischten Abfall, sondern auf die Einzelfraktionen des Abfalls abzustellen ist. Besteht bei einer Einzelfraktion vermischter Abfälle kein Verwertungszweck, so ist diese Fraktion nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgem zu überlassen. Über diese Überlassungspflicht kann sich der Abfallerzeuger und -besitzer, der Abfälle zur Beseitigung mit solchen zur Verwertung vermischt hat, nicht hinwegsetzen, mit der Folge, dass er das gesamte Gemisch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zur Beseitigung zu überlassen hat44 • Diese Auffassung hat das BVerwG allerdings nicht gebilligt: Vielmehr hat es in einem Grundsatzurteil zu Überlassungspflichten für hausmüllähnliche Gewerbeabfälle die Basis für die kommunale Abfallwirtschaft im gewerblichen Sektor gänzlich erschüttert. Der 3. Senat des BVerwG hat durch Urteil vom 15. Juni 2000 45 zu der Frage Stellung genommen, wann gemischte Abfälle Abfälle zur Beseitigung und wann sie solche zur Verwertung sind und damit nicht einer Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG an die kommunalen Gebietskörperschaften unterliegen. Der Leitsatz, der dieser Entscheidung vorangestellt ist, stimmt zunächst hoffnungsfroh. Dort heißt es: "Abfälle, die ohne Verstoß gegen Trennungsgebote vermischt worden sind, sind jedenfalls dann keine ,Abfälle zur Beseitigung' (§ 13 Abs.l Satz 2 KrW-/AbfG), wenn sie überwiegend verwertbar sind und einer Verwertung zugeführt werden". Diese Aussage kann sicher jeder unterschreiben, wird doch hierin entsprechend dem Hauptzweckkriterium des § 4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Dazu Schink, NVwZ 1997,435,439. VG Regensburg, Urt. v. 10.11.1997 - RN 13 K 97.993 -, NVwZ 1998,430,431; Bay VGH, Besehl. v 3.2.1998-20ZB 98.196-, 1205 f; VG Sigmaringen, Besehl. v. 26.1.1998 - 3K 1517/96 -, NVwZ 1998,429, 430f, bestätigt dureh BaWü VGH, Besehl. v. 24.3.1998 - 10 S493/98 -, NVwZ 1998, 1206f; DoldelVetter, Abgrenzung, S. 75 ff. 45 3 C 4/00 -, NVwZ 2000, 1178 f. 43

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Satz 2 darauf abgestellt, ob das Gemisch "überwiegend" verwertbar ist, eine Verwertung tatsächlich stattfindet und kein Verstoß gegen das Trennungsgebot vorliegt. Bei näherem Hinsehen ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings alles andere als so positiv für die Ordnung im Entsorgungsgeschehen, wie sie sich auf den ersten Blick darstellt. Problematisch sind dabei zunächst die Aussagen zum Trennungsgebot. Zuzustimmen ist dem Bundesverwaltungsgericht noch darin, dass es aus §§ 4,5 und 10 KrW-/AbfG folgert, dass das KrW-/AbfG nicht nur die Vermischung von Abfällen zur Verwertung mit solchen und Abfallen zur Beseitigung mit solchen, sondern auch die Vermischung von Abfallen zur Verwertung mit Abfällen zur Beseitigung (die sog. interkategoriale Getrennthaltung) reglementieren will. Problematisch sind allerdings die Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts zum Inhalt eines solchen Vermischungsverbotes bzw. Getrennthaltegebotes. Unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 Satz 4 und § 11 Abs.2 KrW-/AbfG weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass das deutsche Abfallrecht kein generelles, sondern nur ein relatives Getrennthaltungsgebot und Vermischungsverbot enthält. Ein Getrennthalten könne nur verlangt werden, wenn das Vermischen von Abfällen nach den konkreten Umständen gegen die Grundpflicht des Erzeugers oder Besitzers zur gemeinwohlverträglichen Entsorgung verstößt. Die These des BaWü VGH und des OVG Rheinland-Pfalz, wonach eine Vermischung von getrennt angefallenen Abfallen zur Beseitigung mit solchen zur Verwertung das gesamte Abfallgemisch zum Abfall zur Beseitigung macht, stützt das BVerwG nicht. Es stellt vielmehr auf das Abfallgemisch und seine Eigenschaften, nicht aber auf die Ausgangsbestandteile ab - und dies, ohne die gegenteilige Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte auch nur zu erwähnen. Damit wird an einer für die Differenzierung von Entsorgungswegen für Abfälle zur Beseitigung und Abfallen zur Verwertung entscheidenden Stelle das KrW-/AbfG so interpretiert, dass seine weiteren Regelungen über umweltgerechte Entsorgung sowohl von Abfällen zur Verwertung wie von solchen zur Beseitigung weitgehend funktionslos bleiben. Der allein ökonomisch orientierten Abfallwirtschaft wird damit auch durch das BVerwG weit die Tür geöffnet. Die weiteren Aussagen des BVerwG zur Frage des Etikettenschwindels, also der Scheinverwertung machen dies überdeutlich. Solcher Etikettenschwindel, so das BVerwG, ist nur dann gegeben, wenn der quantitative oder substantielle Anteil an verwertungsfahigem Abfall bei Abfallgemischen sehr gering ist, so dass angenommen werden muss, dass die gewählte Art und Weise der Entsorgung vorrangig dem Zweck dient, der Überlassungspflicht entgehen zu können. Nur offenkundigen Missbrauchsfällen kann damit begegnet werden. Die Entsorgungswirtschaft jedenfalls versteht diese Entscheidung als Einladung zu einer an rein ökonomischen Aspekten orientierten Entsorgungsstrategie. So heißt es in einer Kommentierung dieser Entscheidung bei Clemens Weidemann, einem der profiliertesten Vertreter der Entsorgungswirtschaft: "Nach diesen Grundsätzen wird man davon ausgehen müssen, dass jeder Erzeuger von Abfallen aus anderen Herkunftsbereichen berechtigt ist, eine Strategie zu entwickeln, die es ihm ermöglicht, im Prinzip sämtliche Abfalle außerhalb des kommunalen Zwangsregimes zu verwerten. Nur in Fällen eklatanten Missbrauchs können

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die zuständigen Abfallbehörden solche Strategien unterbinden. Die Darlegungsund Feststellungslast liegt bei der Behörde"46. Erste Berichte darüber, dass sich die gewerbliche Wirtschaft genauso verhält und dass große Einzelhandelsketten sich aus der kommunalen Abfallwirtschaft mit der Begründung abgemeldet haben, sie hätten nur noch Abfälle zur Verwertung, die sie anderweitig entsorgen, gibt es bereits. Angesichts der Entscheidung des BVerwG ist davon auszugehen, dass viele weitere Unternehmen diesen Weg beschreiten werden. Der Sachverhalt, den es entschieden hat, ermöglicht nämlich nahezu jedwede Mischung von Abfällen miteinander mit dem Ziel, sie auf die kostengünstigste Weise zu entsorgen. Denn das Bundesverwaltungsgericht hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem es um ein typisches hausmüll ähnliches Gemisch ging. Das BVerwG hielt zum Sachverhalt fest: "Bei (dem Unternehmen) ... fallen - neben anderen Abfällen - auch Stoffe wie Glas, Pappe, Folie, Holz, Blechmaterial, Plastikbecher, Putz-lReinigungsmaterialien, Trinkbehältnisse unterschiedlichen Materials und organische Abfälle (insbesondere Kantinenabfälle) an, die zunächst in Abfallbehältnissen (Papierkörben, Mülleimern) gesammelt und sodann ... einem Container für hausmüll ähnliche Gewerbeabfälle zugeführt werden ... ". Dass solcher Art Abfälle nach Vermischung miteinander hochwertig und mit großem Erfolg verwertet werden können, dürfte wohl kaum der Fall sein. Im gewerblichen Sektor hat sich die Bundesrepublik mit dieser Entscheidung von einer geordneten, auf die jeweiligen spezifischen Eigenschaften der Abfälle und ihrer Umweltgefährdung abzielenden Entsorgungsstrategie verabschiedet. Die Unterscheidung zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung wird vollends unmöglich gemacht durch eine Entscheidung des OVG NRW zur Frage der Entstehung der Abfalleigenschaft 47 . In der praktischen Anwendung spielt diese Frage eine gewichtige Rolle. Denn vermischter angefallener Abfall kann durchaus Abfall zur Verwertung darstellen 48 . Ein Abfallanfall ist dann gegeben, wenn die Begriffsmerkmale des Abfallbegriffs des § 3 Abs.l KrW-/AbfG erstmals erfüllt sind 49 . Das kann etwa in einem Produktionsbetrieb am Ende des Produktionsvorgangs oder währenddessen der Fall sein, wenn es sich um Stoffe handelt, die für die Produktion nicht mehr genutzt werden und die hierbei als Reststoffe anfallen. Nicht kommt es dafür darauf an, ob sie in ein Gefäß eingefüllt wurden. Ausschließlich entscheidend ist, dass sie nach den Kriterien des § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG nicht als Produkt, sondern als Abfall einzuordnen sind 50 • Dieser Bewertung hat das OVG NRW eine Ab46 Weidemann, Zum Verhältnis von privater Verwertungs- und kommunaler Entsorgungspflicht, NVwZ 2000, 1131, 1133. 47 OVG NRW, Beschl. v. 05.08.1999- 20B 2007/98 -, NVwZ 1999,1246. 480VG Lüneburg, Beschl. v. 6.5.1998 -7 M 3055/97 - NVwZ 1998, 1202, 1204; OVG NRW, Beschl. v. 25.6.1998 - 20B 1424/97 -NVwZ 1998, 1207; Kersting, Ist die Verwertung von Abfallgemischen rechtlich unmöglich?, NVwZ 1998, 1153; Dolde/Vetter, Abgrenzung, S.74; dies, NVwZ 1997,942. 49 Kersting, NVwZ 1998, 1153; Kunig, in: KunigIPaetowNersteyl, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 55. 50 Zur Abgrenzung vgl. Schink, in: Hoppe u. a., Auswirkungen, S. 38.

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sage erteilt. Nach seiner Überzeugung ist es lebensfremd, annehmen zu wollen, die Abfalleigenschaft entstünde in einem Produktionsbetrieb zu einem früheren Zeitpunkt als dem Einfüllen in das für den Abtransport des Abfalls bestimmte Gefäß 51 . Trifft dies zu, lässt sich mit Recht die Frage stellen, ob es überhaupt noch Abfälle zur Verwertung aus gewerblichen Herkunftsbereichen geben (muss)52. Denn dann liegt es allein in der Hand des Abfallerzeugers, ob Abfälle als gemischte und damit verwertbare entstehen oder ob eine Beseitigungsfraktion anfällt. Letzteres kann der Abfall erzeuger durch Nutzung nur eines Sammelgefäßes erfolgreich verhindern. Insgesamt zeigt sich, dass das KrW-/AbfG kaum über Instrumente verfügt, eine saubere Unterscheidung zwischen der privaten Verwertungsverantwortlichkeit und der öffentlich-rechtlichen Beseitigungshoheit durchzuführen. Letztlich ist es nicht geeignet, Abfallströme im Sinne eines Stoffstrommanagements zu steuern. Vielmehr bleiben die vielfältigen Abgrenzungskriterien zwischen dem Begriff des Abfalls zur Verwertung und dem des Abfalls zur Beseitigung letztlich in der Praxis wirkungslos. Die Steuerung erfolgt nahezu ausschließlich über den Preis. Stoffstromrelevante Bestimmungen des KrW-/AbfG finden in der Praxis bislang keine Anwendung. Letztlich fehlt es damit auch an einer sauberen und in der Praxis umsetzbaren Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Verantwortlichkeit in der Abfallwirtschaft.

III. Lösung des Gesetzgebers: Die Gewerbeabfallverordnung An Vorschlägen zu einer Änderung der rechtlichen Situation zugunsten der kommunalen Gebietskörperschaften durch Novellierung des KrW-/AbfG hat es nicht gefehlt 53 . Ob die vornehmlich aus dem Europarecht abgeleiteten Gründe gegen die gesetzliche Normierung von Überlassungsptlichten für bestimmte, nach AbfallschlüsseI-Nummern gelistete Abfälle bzw. gesetzliche Getrennthalteptlichten 54 wirklich überzeugen 55, mag hier dahinstehen angesichts dessen, dass der Verordnungsgeber inzwischen die Gewerbeabfallverordnung sowie weitere Verwertungsverordnungen mit gesetzlich normierten Getrennthalteptlichten und Verwertungs vorgaben erlassen hat.

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OVG NRW, Besch!. v. 05.08.1999 - 20B 2007/98 -, NVwZ 1999, 1246.

52 So mit Recht Queitsch, Gibt es noch "Abfalle zur Beseitigung" nach dem Kreislaufwirt-

schafts- und Abfallgesetz?, UPR 2000, 1,4. 53 Einzelheiten dazu bei Schink und Hendler, ebd., S. 129ff. und Petersen, in: Dolde, ebd., S.586ff. 54 Zu diesen Gründen vg!. insbesondere Petersen, ebd; Gassner, Rekommunalisierung der Abfallentsorgung und Gemeinschaftsrecht, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2001, S. 315 ff. 55 Erhebliche Bedenken dagegen bei Koch/Reese, Getrennthaltung, ebd., S. 84 f.: "Eher Vorwand".

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1. Gewerbeabfallverordnung Ziel der Gewerbeabfallverordnung ist es, eine schadlose und hochwertige Verwertung von Gewerbeabfällen in möglichst sortenreiner Form zu gewährleisten und damit zugleich einer bloßen Scheinverwertung von Gewerbeabfällen entgegenzuwirken 56 • Kernregelungen der GewAbfV zur Erreichung dieses Ziels sind Getrennthalteregelungen und Anforderungen an Vorbehandlungsanlagen. Im Einzelnen ist hierin folgendes bestimmt: § 3 Abs. 1 GewAbfV enthält ein Getrennthaltungsgebot für bestimmte gewerbliche Siedlungsabfallfraktionen. Jeweils getrennt zu halten, zu lagern, einzusammeln, zu befördern und einer Verwertung zuzuführen sind folgende Abfälle:

1. Papier und Pappe (Abfallschlüssel2000101 gemäss der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis ),

2. Glas (Abfallschlüssel 200102), 3. Kunststoffe (Abfall schlüssel 200139), 4. Metalle (Abfallschlüsse1200140) und 5. biologisch abbaubare Küchen- und Kantinenabfälle (Abfallschlüssel 200108), 6. biologisch abbaubare Garten- und Parkabfälle (Abfallschlüssel 200201) und Marktabfälle (Abfallschlüsse 200302). Abweichend von diesen Getrennthaltepflichten bestimmt § 3 Abs. 2 dass die genannten Fraktionen gemeinsam erfasst werden können, soweit sie nach Maßgabe des § 4 Gew AbfV einer Vorbehandlungsanlage zugeführt werden und gewährleistet ist, dass sie dort in weitgehend gleicher Menge und stofflicher Reinheit wieder aussortiert und einer stofflichen oder energetischen Verwertung zugeführt werden. Sie dürfen dabei auch mit den in § 4 Abs. 1 Gew AbfV genannten Abfällen, die einer Vorbehandlungsanlage zugeführt werden dürfen, gemeinsam erfasst werden (§ 3 Abs.2 Satz 2 GewAbfV). Wichtig ist weiter, dass die Verpflichtungen zur Getrennthaltung und zur Vorbehandlung und Verwertung gemischter Gewerbeabfälle entfallen, soweit die Getrennthaltung und nachträgliche sortenreine Sortierung der Abfallfraktionen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist, insbesondere aufgrund deren geringer Menge oder hoher Verschmutzung (§ 3 Abs. 3 Gew AbfV). Zusätzlich können nach Maßgabe des § 3 Abs.4 Gew AbfV weitere Ausnahmen von Abs. 1 durch die Behörde zugelassen werden. Für den Fall, dass eine Pflicht zur Getrennthaltung bzw. Vorbehandlung und Verwertung nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 bzw. Abs.2 Satz 1 entfällt, haben Erzeuger und Besitzer die nicht getrennt gehaltenen Abfallfraktionen entweder nach Maßgabe des § 4 einer Vorbehandlungsanlage oder nach Maßgabe des § 6 einer energetischen Verwertung zuzuführen (§ 3 Abs. 5 56 Vgl. dazu Entwurf einer Verordnung über die Entsorgung von gewerblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen (Gewerbeabfallverordnung GewAbfV) vom 19.12.2001, BR-Drs. 1084/01, A.

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GewAbfV). Auch diese Anforderungen entfallen wiederum unter der Voraussetzung, dass die Vorbehandlung oder die energetische Verwertung der Abfälle unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist (§ 3 Abs. 6 Satz I GewAbfV). Nähere Regelungen für die Vorbehandlung von gemischten Abfällen enthalten §§ 4 und 5 Gew AbfV. Gemäß § 4 Abs. I Gew AbfV gilt für die Vorbehandlung gemischter gewerblicher Siedlungsabfälle zunächst das Verbot, diesen Siedlungsabfällen andere als folgende Abfälle zuzuführen: Papier und Pappe, Glas, Bekleidung, Textilien, Holz mit Ausnahme von Holz, das gefährliche Stoffe enthält, Kunststoffe, Metalle, Gummi, Kork und Keramik oder die im Anhang zur Gew AbfV angeführten weiteren Abfälle. Die wichtigste Anforderung, die an Vorbehandlungsanlagen gestellt wird, regelt § 5 Abs. I Satz 3. Hiernach ist die Vorbehandlungsanlage so zu betreiben, dass eine Verwertungsquote für Gemische von mindestens 85 % als Mittelwert im Kalenderjahr erreicht wird. Nach § 5 Abs. 5 GewAbfV gilt bis zum 31.12.2003 für errichtete Anlagen eine Verwertungsquote von 65 Masseprozent als Mittelwert im Kalenderjahr und bis zum 31.12.2004 eine solche von mindestens 75 Masseprozent. Spezielle Regelungen für die Getrennthaltung bei energetischer Verwertung enthält § 6 Gew AbfV. Hiernach dürfen gemischten gewerblichen Siedlungsabfällen, die einer energetischen Verwertung ohne vorherige Vorbehandlung zugeführt werden sollen, weder Glas noch Metalle, mineralische Abfälle oder biologisch abbaubare Küchen- und Kantinenabfälle, biologisch abbaubare Garten- und Parkabfälle sowie Marktabfälle angehören. Werden gewerbliche Siedlungsabfälle nicht verwertet, sind diese nach Maßgabe des § 7 den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern als Abfälle zur Beseitigung zu überlassen. Dabei haben die Erzeuger und Besitzer Abfallbehälter des öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgers oder eines von diesem beauftragten Dritten in angemessenem Umfang, mindestens jedoch einen Behälter, zu nutzen (§ 7 Satz 3 GewAbfV). § 8 regelt die Getrennthaltung und Anforderungen an die Vorbehandlung von Bau- und Abbruchabfällen; § 9 die Kontrolle der Vorbehandlungsanlagen. Die Gewerbeabfallverordnung als solche ist aus Sicht der kommunalen Entsorgungsunternehmen zu begrüßen 57. Einer Scheinverwertung in der bisherigen Art und Weise, d. h. durch Vermischen von Abfällen zur Beseitigung mit solchen zur Verwertung, kann durch diese Verordnung sicherlich entgegengewirkt werden. Ob dies allerdings dazu führen wird, dass den kommunalen Gebietskörperschaften wieder mehr Abfälle zur Beseitigung als bislang überlassen werden, ist freilich zu bezweifeln. Schon der Charakter der Gew AbfV als Verwertungsverordnung spricht dagegen, dass dieses Ziel erreicht werden wird. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Getrennthaltepflicht des § 3 Abs. I GewAbfV für gewerbliche Siedlungsabfallfraktionen eigentlich nur auf dem Papier steht. In § 3 Abs. 2 GewAbfV 57

In dieser Einschätzung auch Koch/Reese, Getrennthaltung, ebd., S. 88.

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und den weiteren Regelungen der Verordnung wird diese Getrennthaltepflicht in erheblichem Umfang ausgehöhlt. Insbesondere für den Fall, dass nach einer Vorsortierung eine energetische Verwertung stattfindet, lässt sich der Gew AbfV kaum ein Verbot der Vermischung von gewerblichen Abfällen zur Verwertung mit solchen zur Beseitigung entnehmen. Die in § 6 Gew AbfV genannten Voraussetzungen für eine energetische Verwertung ohne vorherige Vorbehandlung lassen sich leicht einhalten. Insoweit sind lediglich minimale Getrennthaltevorgaben zu erfüllen, die ohnehin bereits heute in den meisten gewerblichen Unternehmen eingehalten werden. Weiter ist zu bedenken, dass die Verwertungsquote des § 5 Abs. 1 Satz 3 Gew AbfV zwar sehr anspruchsvoll ist. Man muss jedoch kein Prophet sein, um feststellen zu können, dass die gewerblichen Unternehmen im Zusammenwirken mit den Entsorgern und den Betreibern von Vorbehandlungsanlagen Input-Gemische produzieren werden, die diese Kriterien voraussichtlich erfüllen. Was an Positivem bleibt, ist das erkennbare Ziel des Verordnungsgebers, möglichst sortenreine Chargen für die Verwertung zu gewinnen und einer Scheinverwertung durch Beimischungsverbote und Vorgaben für die Vorbehandlung von Gemischen entgegenzuwirken. Umweltpolitisch ist dieses Ziel sicherlich zu begrüßen. Den kommunalen Entsorgungsträgern wird es jedoch wenig helfen. Positiv ist allerdings hervorzuheben, dass § 7 Satz 3 Gew AbfV eine Verpflichtung zur Vorhaltung einer Restmülltonne enthält. 57. Der Verordnungsgeber ging bei Schaffung dieser Verpflichtung offenbar davon aus, dass auch in Gewerbebetrieben - ebenso wie in privaten Haushaltungen - stets eine gewisse Menge an Abfällen zur Beseitigung anfällt, die mit den von der Verordnung erfassten Verwertungsabfällen nicht vermischt werden darf. Befreiungsmöglichkeiten sind in der Verordnung nicht vorgesehen. Für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bedeutet dies, dass jedes gewerbliche Unternehmen einem Anschluss- und Benutzungszwang im Hinblick auf Abfälle zur Beseitigung unterliegt und zu Gebühren herangezogen werden kann. Letzteres ist insoweit besonders wichtig, als § 7 Satz 3 GewAbfV es damit ermöglicht, die Gewerbebetriebe wieder insgesamt an den Vorhaltekosten und Nachsorgekosten der auch für sie geschaffenen Anlagen zu beteiligen. Die Regelung schafft die Voraussetzungen dafür, über die Erhebung von Grundgebühren alle Gewerbebetriebe an den Fix- und Nachsorgekosten der Entsorgungsanlagen angemessen zu beteiligen58. Überdies gibt es die Hoffnung, dass diejenigen, denen eine Tonne auf das Grundstück gestellt wird, diese benutzen und - vor allem - bezahlen müssen, diese auch nutzen werden und damit ihre Be57. Zur verpflichtenden Wirkung des § 7 Satz 3 GewAbfV: Rühl, Die Gewerbeabfallverordnung aus kommunaler Sicht, AbfalIR 2002, 14ff.; Schink, Gefaßbemessung nach der GewAbfV, demnächst in NuR. Anders: Dieckmann, Verwertungspflicht, .. Mindestrestmülltonne" und Europarecht, AbfalIR 2002, 20ff.; ders. , Umsetzung der Gewerbeabfallverordnung, AbfalIR 2003, 15ff. 58 Zur Erhebung von Grundgebühren in der Abfallwirtschaft: Queitsch, in: Lenz/Queitsch/ Schneider/Steinffhomas, Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, Loseblatt, Stand 2002, §6 Rn.43 ff.; Quaas, Der Streit um die Abfallgebühr, AbfallPrax 2000,35 ff.; Schink, Erhebung von Grundgebühren in der Abfallwinschaft, EildLKT NRW 2000, S.480.

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seitigungsabfälle wieder den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgem überlassen. Im benachbarten Ausland jedenfalls, wo eine grundstücksbezogene Abfallsteuer erhoben wird, ist das Problem der Vermischung von Abfällen zur Beseitigung mit solchen zur Verwertung weitgehend unbekannt, da die Steuer die Gewerbetreibenden dazu veranlasst, ihre Abfälle, für die sie bezahlt haben, der öffentlichen Hand zu überlassen 59 • Es steht zu erwarten, dass ein solcher Effekt auch in der Bundesrepublik eintreten wird. Umweltpolitisch wäre dies im übrigen zu begrüßen, da dann Abfälle zur Beseitigung unmittelbar in die dafür vorgesehenen Entsorgungsanlagen gelenkt und nicht zuvor mit Verwertungsabfällen vermischt würden. Die Erwartungen sollten aber auch im Hinblick auf das Aufkommen an Abfällen zur Beseitigung aus gewerblichen Unternehmen nicht überspannt werden. Über die Tonnengröße lässt sich dieses Aufkommen nämlich nur bedingt steuern. Nach der einschlägigen Rechtsprechung ist es den kommunalen Gebietskörperschaften verwehrt, einen bestimmten Prozentsatz von gemischten Abfällen aus Gewerbebetrieben als "Abfall zur Beseitigung" zu definieren und einem Anschluss- und Benutzungszwang an die kommunalen Abfallentsorgung zu unterwerfen 60 • Vielmehr müssten bei der Festlegung von Behälter-Mindestkapazitäten für gewerbliche Abfälle zur Beseitigung die gewählten Maßstäbe hinreichend sicher - im Sinne einer zwangsläufig typisierenden Betrachtung - vorhersehen lassen, dass Abfälle zur Beseitigung tatsächlich im konkreten Unternehmen in etwa in dieser Menge anfallen werden. Hieraus folgt, dass die Kommune eine durch tatsächliche Feststellungen belegte Prognose hinsichtlich der tatsächlich anfallenden Abfälle zur Beseitigung im Gewerbebetrieb anstellen muss und erst hiernach das Behältervolumen bemessen kann. 60a Forderungen danach, die Behältergröße etwa nach der Anzahl der Arbeitnehmer zu bestimmen, sind hiernach jedenfalls nur dann zulässig, wenn sich daraus sichere Rückschlüsse auf das Aufkommen an Beseitigungsanfällen ziehen lassen. Dies mag zwar im Hinblick auf Kantinenabfälle der Fall sein, nicht hingegen für produktionsspezifische Abfälle. Freilich ist eine gewisse Typisierung von Betrieben, z. B. Tankstellen, Arztpraxen, Drogeriemärkten, Einzelhandelsgeschäften nach der einschlägigen Rechtsprechung zulässig. Bei einer Gesamtbewertung wird auch die Gew AbfV den kommunalen Gebietskörperschaften ihre Auslastungsprobleme nicht nehmen können. Sie ist allerdings deshalb zu begrüßen, weil sie einen wichtigen Schritt in Richtung auf eine sortenreine und hochwertige Verwertung von gewerblichen Abfällen und eine bessere Separierung zwischen Beseitigungs- und Verwertungsabfällen darstellt. Darüber hinaus ermöglicht sie es, alle Gewerbebetriebe an den Fix- und Nachsorgekosten für die kommunalen Anlagen zu beteiligen. 59 Dazu für Frankreich Woehrling, Abfallwirtschaft in Frankreich, in: Hendler (Hrsg.), Abfallentsorgung zwischen Wettbewerb und hoheitlicher Lenkung, 2001, S. 87 ff. 60 Vg!. VGH München, Besch!. v. 07.01.2002-20N 01.503 - NuR 2002, 305f. 60. Näher zur Bemessung des Volumens für die Restmülltonne: Schink, Gefaßbemessung nach der GewAbfV, demnächst in NuR.

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2. VersatzverordnunglAltholzverordnung Hinzuweisen ist im vorliegenden Zusammenhang auch auf die Versatzverordnung 61 sowie die Altholzverordnung. Ziel der Versatzverordnung ist es, den Versatz von Abfallstoffen in Bergwerken zu reglementieren. Daran besteht ein erheblicher Bedarf, da zwischen 1994 und 1997 je etwa 1,7 Mio. Tonnen Fremdabfälle in Bergwerken versetzt worden sind. Hierzu gehörten neben Sonderabfällen mit hohen Schadstoffgehalten auch Siedlungsabfälle, die bei Einbringung in nicht trockene Salzgesteinformationen zu Grundwasserproblemen führen können. Ziel der Versatzverordnung ist es, höherwertig verwertbare metallhaltige Abfälle vom Versatz auszuschließen, sofern deren stoffliche Verwertung möglich ist. Darüber hinaus soll der Versatz von Abfällen mit hohen Schadstoffgehalten an Standorten, die nicht den dauerhaften Abschluss von der Biosphäre in Salzgestein gewährleisten, ausgeschlossen werden. § 3 enthält zur Verfolgung dieser Ziele zunächst einen Vorrang des Metallrecyclings. § 4 VersatzV formuliert Anforderungen an die Abfälle. Hierbei gilt als Grundsatz, dass nur Abfälle, die bestimmte Grenzwerte einhalten zum Zweck der Herstellung von Versatzmaterial bzw. zum unmittelbaren Einsatz als Versatzmaterial eingesetzt werden dürfen. Dazu werden in der Anlage 2 zur VersatzV Feststoffgrenzwerte normiert, die den Zuordnungswerten Z2 der Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen der LAGA für den Einbau von mineralischen Abfällen in Lärmschutzwällen, als Straßenunterbau und Tragschicht des Straßen- und Wegebaus entsprechen. Weiter werden in Anlehnung an die Prüfwerte zur Beurteilung des Wirkungspfades Boden-Grundwasser nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBodSchG für aus Abfällen hergestellte Versatzgemische strenge Vorgaben für die feste Einbindung möglicher Schadstoffe festgelegt. Im Ergebnis können diese Regelungen dazu führen, dass Siedlungsabfälle weitestgehend aus dem Bergversatz ausgeschlossen werden. Vor allem aber wird voraussichtlich eine Schadstoffminimierung in im Bergversatz entsorgten Abfällen erreicht werden können. In der Altholzverordnung 61a werden nähere Anforderungen an die Verwertung und Beseitigung von Altholz geregelt. Auch hierbei geht es darum, eine hochwertige und schadlose Verwertung von Altholz sicherzustellen. Angesichts dessen, dass der Holzanteil in den den kommunalen Gebietskörperschaften überlassenen Abfällen vernachlässigbar ist, dürften die Auslastungsprobleme auch durch die Altholzverordnung nur in begrenztem Umfang bewältigt werden. Wichtiger ist, dass auch durch diese Verordnung der Schadstoffgehalt bei Produkten, die aus Altholz hergestellt werden, deutlich minimiert werden kann. 61 Verordnung über den Versatz von Abfällen unter Tage (Versatzverordnung - VersatzV), Art. 1 der Verordnung über den Versatz von Abfällen unter Tage und zur Änderung von Vorschriften zum Abfallverzeichnis vom 24.7.2002, BOB\. 12002 S. 2833. Dazu: Wagner, Die Versatzverordnung, AbfalIR 2003, 7 ff. 61, Zu dieser: Oexle, Neuordnung des Altholzrechts, AbfalIR 2003, lOff.

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Resümiert man, so lässt sich feststellen, dass der Verordnungsgeber gegen Ende der Legislaturperiode einige Regelwerke für die Verwertung von Abfallen aus gewerblichen Herkunftsbereichen verabschiedet hat. Dieses Regelwerke werden zu einer Schadstoffminimierung in der Verwertung und zu einer hochwertigen Verwertung im Sinne einer stoffstromorientierten Behandlung dieser Abfalle führen. Die Kapazitätsprobleme der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften werden sich hierdurch voraussichtlich allerdings nicht lösen lassen. 3. Landesrecht Hinzuweisen ist im vorliegenden Zusammenhang noch auf einen anderen Aspekt, der unter dem Gesichtspunkt der föderalen Verantwortung in der Abfallwirtschaft von besonderer Bedeutung ist. Einige Bundesländer haben in ihren Abfallgesetzen den Versuch unternommen, die Lücken, die das KrW-/AbfG insbesondere im Bereich der Getrennthaltepflichten und bei den Überlassungspflichten für gewerbliche Siedlungsabfalle aufweist, durch eigenständige Regelwerke zu schließen. In Nordrhein-Westfalen sind dazu z. B. folgende Regelungen getroffen worden: § 4 a LAbfG NW 62 bestimmt, dass zur Erfüllung der Anforderungen des KrW-/

AbfG sowie des LAbfG NW Abfalle zur Verwertung bereits an der Anfallstelle vom Abfallbesitzer oder -erzeuger von Abfallen zur Beseitigung getrennt zu halten sind. Weiter bestimmt § 5 Abs.4 LAbfG NW, dass Abfalle auf Verlangen des öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgers getrennt zu halten und zu bestimmten Sammelstellen oder Behandlungsanlagen zu bringen sind, wenn dadurch bestimmte Abfallarten verwertet oder für sie vorgesehene Entsorgungswege genutzt werden können. Bei der Durchführung genehmigungsbedürftiger oder nach § 67 BauO NW genehmigungsfreier Bauvorhaben, insbesondere beim Abbruch baulicher Anlagen, sind Bauabfalle (Bodenaushub, Bauschutt, Baustellenabfalle) vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an voneinander getrennt zu halten, soweit dies für ihre ordnungsgemäße, schadlose und möglichst hochwertige Verwertung oder gemein wohl verträgliche Beseitigung erforderlich ist. Besitzer von Abfallen, die nach § 15 Abs. 3 KrW-/ AbfG von der Entsorgungspflicht ausgeschlossen sind, haben auf Verlangen der unteren Abfallwirtschaftsbehörde die Abfalle getrennt zu halten. Die vorgenannten Regelungen sind rechtlich unwirksam. Vor Erlass der Gew AbfV mag zwar zweifelhaft gewesen sein, ob dem Landesgesetzgeber zusteht, unbestimmte Rechtsbegriffe des KrW-/AbfG näher zu konkretisieren 63 • Nach InKraft-Treten der Gew AbfV steht Art. 31 GG solchen landesrechtlichen Getrennthal62 Abfallgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesabfallgesetz - LAbfG) vom 21.6.1988, GV NRW 1988 S. 250, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.5.2000, GV NRW 2000 S.462. 63 Ablehnend Frenz, KrW-/AbfG, § 13 Rn.16; Huber, Zum Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers im Kreislaufwirtschaftsrecht, Thüringer Verwaltungsblätter 1999, 97, 108; Wulfhorst, Die Konkretisierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes - Eine Aufgabe für den Landesgesetzgeber?, NVwZ 1997,975,976.

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tepflichten entgegen. Der Bund hat aus Art. 74 Abs.l Nr. 24 GG eine Kompetenz zur umfassenden Regelung der Abfallwirtschaft 64 • Dort, wo der Bund von der ihm zustehenden Gesetzgebungskompetenz abschließenden Gebrauch gemacht hat, sind weitergehende landesrechtliehe Regelungen ausgeschlossen und nichtig 65 • Die Regelungen der Gew AbfV erfassen insgesamt die Bereiche, in denen der nordrheinwestfälische Landesgesetzgeber Getrennthaltepflichten normiert hat. Für alle Abfälle, die von den Bestimmungen des § 4 a Abs. 1, § 5 Abs. 4 LAbfG NW erfasst werden sollen, enthält die Gew AbfV spezielle Getrennthaltepflichten. Der Bund hat damit für Getrennthaltepflichten für gewerbliche Abfälle von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließenden Gebrauch gemacht mit der Folge, dass die Länder solche Regelungen nicht treffen können und wegen Art. 72 Abs. 1, 31 GG vorhandene Vorschriften nichtig sind und außer Kraft treten. Angemerkt sei weiter, dass die Länder in einigen Bereichen materielle, das KrW-/AbfG ergänzende Bestimmungen getroffen haben. So sieht das nordrheinwestfälische Landesrecht beispielsweise vor, dass die kommunalen Gebietskörperschaften zur flächendeckenden, getrennten Erfassung und Verwertung biogener Abfälle verpflichtet sind, die unter das KrW-/AbfG fallen (§ 1 Abs. 1 Nr.7 LAbfG NW). Weiter bestimmt das NRW Landesrecht, dass Abfälle zur Beseitigung, die im Land Nordrhein-Westfalen anfallen, vorrangig dort beseitigt werden (§ lAbs. 3 LAbfG NW). § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG wird durch § 4 a Abs. 2 LAbfG NW insoweit ergänzt, als die zuständige Behörde in den Fällen, in denen die Beseitigung von Abfällen im Vergleich zu ihrer Verwertung die umweltverträglichere Lösung darstellt, im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen treffen kann, um eine gemein wohl verträgliche Beseitigung dieser Abfälle nach den Vorschriften des KrW-/AbfG sicherzustellen. Weiter sind in § 5 Abs. 5 sowie § 9 Abs. 1 a Satz 6 LAbfG NW die überwiegenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG dahin legal definiert, dass diese u. a. gegeben sind, wenn ohne eine Abfallüberlassung an den öffentlieh-rechtlichen Entsorgungsträger die Entsorgungssicherheit, der Bestand oder die Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtungen gefährdet würden. Alle diese Regelungen sind rechtlich problematisch. Sie stellen zumindest eine - über die bloß verbale Umschreibung - hinausgehende nähere Konkretisierung der Regelungen des KrW-/AbfG dar. Insoweit ergänzen und fortentwickeln sie das Bundesrecht. Solche Regelungen sind den Bundesländern versagt 66 • Die Verwaltungspraxis hat im Übrigen gezeigt, dass die landesrechtlichen Bestimmungen zur Ergänzung des KrW-/AbfG, die Getrennthaltepflichten durchsetzen oder eine hochwertige Verwertung sicherstellen sollten, weitestgehend wirkungslos geblieben sind. Dies gilt insbesondere für die landesrechtlichen gesetzlichen Getrennthaltepflichten. In einem Bereich freilich haben die landesrechtlichen BVerfG, DVBI. 1998,705. Vgl. nur Huber, Thüringer Verwaltungsblätter 1999, 97. 66 Einzelheiten dazu bei Huber, Thüringer Verwaltungsblätter 1999, 97ff.; Wulfhorst, NVwZ 1997, 975ff. 64 65

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Vorgaben erhebliche Wirkung gezeigt: Die Verpflichtung der kommunalen Gebietskörperschaften zur flächendeckenden Erfassung, Kompostierung und Verwertung biogener Abfälle hat jedenfalls in Nordrhein-Westfalen gegriffen. Hier findet - sieht man von einigen Gebietskörperschaften ab, die in Müllverbrennungsanlagen entsorgen - eine nahezu flächendeckende Erfassung und Verwertung biogener Abfälle statt. Insgesamt lässt sich allerdings feststellen, dass das Landesrecht zur Bewältigung der Probleme der kommunalen Gebietskörperschaften in der Abfallwirtschaft bislang wenig hilfreich gewesen ist.

IV. Europarechtliche Entwicklungen Eine Änderung der europarechtlichen Vorgaben für die Abfallwirtschaft steht derzeit nicht auf der Tagesordnung. Bemühungen zur Konkretisierung der Abfallrahmenrichtlinie mit dem Ziel, mehr Rechtssicherheit in die Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung zu bringen, sind derzeit nicht erkennbar. Für die Kommunen bedeutet dies, dass sie auch in Zukunft mit den rechtlich für sie unbefriedigenden Abgrenzungsregeln des europäischen und damit auch des nationalen Rechts leben müssen. Änderungen zum Besseren durch Veränderungen der europarechtlichen Rahmenbedingungen sind jedenfalls nicht in Sicht. Fortentwickelt wird das europäische Recht allerdings durch die Rechtsprechung des EuGH. Insoweit ist aus der jüngsten Vergangenheit insbesondere auf zwei Verfahren hinzuweisen: Durch Urteil vom 27.2.2002 hat der EuGH zur Abgrenzung von Beseitigung und Verwertung von Abfällen Stellung genommen 67 • In dieser Entscheidung hat er in einem Fall, der den Versatz von Abfällen in einem Bergwerk betrifft, festgestellt, dass das entscheidende Merkmal für eine Abfallverwertungsmaßnahme nach Art. 3 I lit b Richtlinie 75/442/EWG darin liegt, dass ihr Hauptzweck darauf gerichtet ist, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfüllen können, indem sie andere Materialien ersetzen, die für diese Aufgabe hätten verwendet werden müssen, wodurch natürliche Rohstoffquellen erhalten werden können. Nicht hingegen komme es entscheidend auf die Gefährlichkeit oder UngefährIichkeit der Abfälle als solche an 68 • Diese Entscheidung wird den kommunalen Gebietskörperschaften sowie den anderen an der Abfallentsorgung Beteiligten kaum bei der sicheren Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung weiterhelfen. So stellt sich die Frage, wann denn die Aufgabe, die Abfälle durch Ersetzung anderer Materialien zu erfüllen, sinnvoll ist. Genügt es hierzu, dass eine solche Maßnahme ob67 EuGH, Urt. v. 27.2.2002 - Rs. C-6/00 (Abfall service AG [ASAllBundesminister für Umwelt, Jugend und Familie), NVwZ 2002, 579. Zum Thema auch Dolde/Vetter, Verwertung und Beseitigung bei der Verbringung von Abfällen zur Verbrennung zwischen EU-Mitgliedstaaten, UPR 2002, 288 ff. 68 Vgl. Ziff. 68, 69 des in Fn. 67 zitierten Urteils.

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jektiv erforderlich ist oder reicht es aus, dass sie für den Verwender der Abfälle - etwa aus finanziellen Gründen - nützlich ist 69 • Auch die Eigenschaft von Abfällen, raumfüllende Eigenschaften zu haben, könnte man als nützlich bezeichnen. Im übrigen ist die Verwerfung der Bedeutung des Schadstoffgehalts für die Klassifizierung von Abfällen als solche zur Verwertung oder Beseitigung für die Praxis höchst problematisch. Schließlich bleibt unklar, welche Bedeutung dem wirtschaftlichen Wert für das Hauptzweckkriterium beigemessen werden kann. Insgesamt werden die Abgrenzungsschwierigkeiten durch die Entscheidung des EuGH vom 27.2.2002 keineswegs geklärt; die Rechtsunsicherheiten, die sich insbesondere aus dem europäischen Recht für die Unterscheidung zwischen Abfällen zur Beseitigung und Verwertung ergibt, werden durch dieses Urteil nicht beseitigt. Für die kommunalen Gebietskörperschaften von erheblicher Bedeutung könnte eine demnächst bevorstehende Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C/458/00 werden. In dieser Rechtssache geht es um die Einstufung von Haushaltsabfällen. Gegenstand des Verfahrens ist eine Klage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen das Großherzogturn Luxemburg. Im Kern geht es darum, dass die luxemburgische Regierung die Verbringung von nicht vorbehandelten Hausmüll aus Luxemburg in eine französische Müllverbrennungsanlage mit der Begründung untersagt hat, dass es sich hierbei um Abfälle zur Beseitigung handelt. Die EU-Kommission ist in diesem Verfahren der Auffassung, dass eine Einbringung unbehandelten Hausmülls in eine Müllverbrennungsanlage in einem anderen Staat als dem Herkunftsstaat eine Verwertungsmaßnahme sei. Hierfür komme es lediglich darauf an, dass andere Materialien ersetzt würden. Dies sei der Fall, da in der MVA Energie produziert werde und der Abfall primär Brennstoffe ersetze. Setzt sich die Kommission mit dieser Auffassung durch, steht die Überlassungspflicht für den Hausmüll in der Bundesrepublik aus § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG auf dem Prüfstand. Rechtlich wäre es dann zulässig, unbehandelten Hausmüll als Abfall zur Verwertung in eine ausländische Verbrennungsanlage zu exportieren. Überlassungspflichten an die öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften könnten dann, jedenfalls für den Fall der Abfallverbringung, nicht mehr geltend gemacht werden. Dies könnte zu einer Zurückdrängung der kommunalen Gebietskörperschaften auch aus dem Hausmüllbereich führen. Denn es ist schwer vorstellbar, dass im internationalen Verkehr mit unbehandeltem Hausmüll andere Regelungen als im Binnenverkehr in der Bundesrepublik gelten. Konsequenz einer solchen Entscheidung könnte deshalb die Öffnung des Hausmüllbereichs auch für private Entsorgungsunternehmen sein.

v.

Ausblick und Perspektiven

Resümiert man, so lässt sich feststellen, dass in der jüngsten Vergangenheit insbesondere durch den Erlass der GewAbfV die Getrennthaltepflichten für gewerbli69 Dazu Stengler, Bergversatz mit Abfällen - Auf den Hauptzweck kommt es an - aber auf was kommt es für den Hauptzweck an?, NVwZ 2002, 568.

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Alexander Schink

che Abfälle nonniert worden sind, mit deren Hilfe Scheinverwertungen entgegengewirkt werden kann. Die Probleme der kommunalen Gebietskörperschaften sind damit indessen keineswegs beseitigt. Bei der Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung hilft die Gewerbeabfallverordnung nicht. Das gilt auch für die Entscheidung des EuGH vom 27.2.2002, die eine nur ungenaue Präzisierung der Abgrenzungskriterien vorgenommen hat. Für eine genauere Abgrenzung wäre eine Änderung des europäischen Rechts und eine Präzisierung der Abgrenzungskriterien dringend notwendig. Dafür gibt es derzeit indessen wenig Hoffnung und auch keine Initiativen. Die kommunalen Gebietskörperschaften werden sich deshalb auch in Zukunft mit der rechtlich unbefriedigenden Situation der Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung abfinden müssen. Dies lenkt den Blick auf eine Diskussion, die in der jüngsten Vergangenheit zumindest im Hinblick auf die gewerblichen Abfälle in der Bundesrepublik geführt wird. Als Alternative kommt insoweit eine rein private Entsorgung ohne Wenn und Aber in Betracht1°. Wenn es nicht möglich ist, Abfälle zur Beseitigung und Abfälle zur Verwertung aus gewerblichen Herkunftsbereichen sauber voneinander zu unterscheiden, kommt zur Überwindung der Abgrenzungsprobleme zumindest mittelfristig wohl nur eine radikale Lösung dergestalt in Betracht, Überlassungspflichten für gewerbliche Abfälle abzuschaffen. Dafür spricht auch, dass es nach Umsetzung der Abfallablagerungsverordnung voraussichtlich nicht unerhebliche Engpässe bei der Vorbehandlung von Abfällen geben wird. Wie oben herausgestellt, erscheint es fraglich, ob zum 1.6.2005 Vorbehandlungsanlagen überall mit den dafür notwendigen Kapazitäten errichtet werden. Warum, so lässt sich fragen, sollen diese Kapazitäten dann für gewerbliche Abfälle, die die Wirtschaft doch selber entsorgen will, zur Verfügung gestellt werden? Warum sollen die kommunalen Gebietskörperschaften insoweit ein erhebliches Investitionsrisiko übernehmen, wenn keineswegs sichergestellt werden kann, dass die Kapazitäten, die sie für gewerbliche Abfälle vorhalten müssen, auch tatsächlich auslasten können? Warum sollen diejenigen, deren Deponien geschlossen werden müssen und die über keinerlei Entsorgungsanlagen mehr verfügen, Vorkehrungen für eine Beseitigung von Abfällen aus gewerblichen Herkunftsbereichen treffen? Die neue Situation in der Abfallwirtschaft, die ab dem Jahre 2005 eintreten wird, wird möglicherweise auch bei den kommunalen Gebietskörperschaften einen erheblichen Umdenkungsprozess in Richtung auf eine Verabschiedung aus der Entsorgung gewerblicher Abfälle auslösen. Private Entsorgungsverantwortung in diesem Bereich kann dann allerdings nicht heißen, dass die kommunalen Gebietskörperschaften eine Reservegewährleistungsverantwortung für die Entsorgung dieser Abfälle haben. Die gewerbliche Wirtschaft muss dann selbst die entsprechenden Anlagen und Kapazitäten hierfür bereit halten - und das heißt auch, das damit verbundene nicht unerhebliche wirtschaftliche 70

Dazu Schink, in: Hendler, ebd., S. 135f.

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Risiko zu tragen. Darüber hinaus kann eine weitere Liberalisierung in der Abfallwirtschaft nicht auf den bisher eingeschlagenen Wegen weiter fortgeführt werden. Die Liberalisierung in der Abfallwirtschaft krankte in der Vergangenheit daran, dass sie auf "kaltem Wege" erfolgte. Hebel war die unklare Differenzierung zwischen Verwertungs- und Beseitigungsabfällen. In der Praxis bedeutete dies, dass diejenigen, die sich aus der Beseitigung verabschiedet haben, damit auch ihre (Mit-)Verantwortung für die für ihre Abfälle erstellte Entsorgungsinfrastruktur einschließlich der Nachsorge für stillgelegte Anlagen los wurden. Eine Liberalisierung auf Kosten der Allgemeinheit, d. h. der Kommunen und der Besitzer des Hausmülls, die die Veranstaltung Abfallentsorgung alleine bezahlen müssen, kann es nicht geben. Ein solcher Weg ist ein Irrweg. Liberalisierung muss ein Liberalisierungsfolgerecht mit beinhalten. Dies aber bedeutet, dass der, der die Entsorgung durchführt, nicht nur Verantwortung für die Infrastruktur tragen muss, sondern auch die Anlagen und Folgekosten, die wegen der Verabschiedung des Gewerbes aus der kommunalen Entsorgung nicht mehr benötigt werden, übernehmen und für ihre (Rest-)Finanzierung Sorge tragen muss. Würde anders verfahren, müsste die öffentliche Hand die Lasten weiter tragen, während die Privatwirtschaft die Vorteile für sich reklamiert. Dies käme einer Subventionierung der Abfallentsorgung durch den Steuerzahler oder - bleibt es bei der Zuständigkeit der Kommunen für den Hausmüll - den Gebührenzahler aus dem Herkunftsbereich privater Haushaltungen gleich. Dies indessen entspräche dann nicht dem im KrW-/AbfG eindeutig festgelegten Verantwortungsbereich.

Privatisierung der Abfallentsorgung: Rahmenbedingungen, Konfliktfelder und Perspektiven Von Wolfgang Kahl' Auch nachdem mehr als sechs Jahre seit dem In-Kraft-Treten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) I vergangen sind, hat sich die rechtliche Situation der Abfallwirtschaft nicht beruhigt, sondern ist in vieif