Ueber die Verletzungen des Rückenmarkes in Hinsicht auf ihr Lethalitäts-Verhältniß [Reprint 2019 ed.] 9783111471938, 9783111105062


165 32 5MB

German Pages 78 [80] Year 1823

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Einleitung und historische Resultate. Einleitung
Erstes Kapitel. Von den Wunden des Rückenmarkes
Zweites Kapitel. Vom Druck auf das Rückenmark
Drittes Kapitel. Von der Erschütterung des Rückenmarkes
Recommend Papers

Ueber die Verletzungen des Rückenmarkes in Hinsicht auf ihr Lethalitäts-Verhältniß [Reprint 2019 ed.]
 9783111471938, 9783111105062

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

tJeber di«

Verletzungen des Rückenmarkes in

H i n s i c h t

auf ihr Lethalitäts-Verhältnifs.

Von

Dr. J o h . L u d w . C a s p e r , practischem Arzte in B e r l i n , mehrerer gelehrten Gesellschaften Mitglieile.

Aus Rust's Magazin für die ge.sammte besonders abgedruckt.

B e r l i n , Gedruckt

und

Heilkunde

1825. verlegt

b e i G. R e i m e r ,

E i n l e i t u n g u n d historische Resultate.

$.

i.

S o höchst wichtig f ü r die thierische Oekonomie das Rückenmark ist, so wenig ist leider bis jetzt von seinen Verhältnissen, seiner Badentang Sicheres nnd Begründetes e r f o r s c h t , and die Physiologie, die Pathologie und die pathologische Anatomie zeigen in diesem wichtigen Kapitel noch die fühlbarsten Lücken. Viel haben diese Disciplinen den Untersuchungen A r n e m a n n ' s , P e t e r F r a n k s , B r e r a ' s und anderer neuerer Schriftsteller en danken, die im Verlaufe dieser Abhandlung noch oft genannt Werden müssen : ein grofses Licht haben die neusten Experimentatoren über das Rückenmark, W i l s o n P h i l i p p und L e g a l l o i s angezündet, aber schon in den sich gane w i d c r A s

4 sprechenden Resultaten Beider ergiebt sich wieder, w i e viel noch zu thun übrig bleibt! Wenn von der einen Seite dieses Dankel aus dem Umstände erklärlich w i r d , dafs wir uns hier auf einem jener Punkte bewegen, auf welchen die Natnr ihre geheimsten Werkstätten, ( d i e Quellen des Lebens) erbaut zu haben scheint, und in denen sie sich nicht genau belauschen läfst — so beruht von der andern Seite jenes Dunkel aber gewifs auch auf leichter zu überwindenden Hindernissen, w i r meinen die Schwierigkeiten, die die Rückgrats-Sectionen-bisher darboten *). Eben diese sind der Grand, dafs selbst in den bestpolicirten Staaten, in den besten öffentlichen Unterrichtsanstalten Oeffhungen der W i r b e l s ä u l e , wo nicht im einzelnen Falle eine anmittelbare Veranlassung dazu mahnt, im Allgemeinen gar nicht angestellt werden. So w u r d e n , um hierfür nur ein neueres Beispiel zu citiren, das gerade für dea Z w e c k meiner Abhandlung recht schlagend seyn dürfte, in fünf Jahren in der gerichtlich medicinischen Clinik zu W i e n an 550 Untersuchungen and Ocffnungen an Leichnamen gemacht* 1 "), und fast * ) Diese Schwierigkeiten sind leicht beseitigt, man sich zu den Rückgratssectionen

wenn

des neuen In-

strumentes, R a c h i t o m , bedient, das ich in meiner Characteristik

der franz. Medicin u. s. w . ,

Leipzig

1 8 2 a . 8- p- 424., beschrieben und abgebildet habe.

**) Bernt's

Bd. I —III.

Beiträge zur gerichtlichen W i e n 1 8 1 8 — 20.)

Arzneikundo

5 bei beiner finde ich einer Section des Rückgrats erwähnt! W e n n aber bis heute noch selbst die Bes^sern versäumen, den einzig richtigen W e g der anatomischen Untersuchung einzuschlagen,

so

ist es nicht z u verwundern, dafs eben Physiologie und pathologische Anatomie über die V e r hältnisse des Rückenmarks noch so wenig Bescheid z u geben wissen, §.

2.

Da aber die gerichtliche Medicin n u r eine angewandte

Wissenschaft ist,

die

anf

dem

Grande jener Disciplinen fufst, so würde schon aus dem eben gesagten folgern, dafs das Kapi~ tel von den V e r l e t z u n g e n des R ü c k e n m a r kes keines der am festesten Begründeten in der Lehre von den Verletzungen ist, und w i e sehr dieser Schlafs wahr sey, w i e wenig die L e h r e r über die Lethalität dieser Verletzungen n o t e r sich einig, w i e schwankend die Meinungen über den Grad der Tödtlichkeit derselben a . s. w . sind, wenn auch gewisse Hauptpuncte sie

zu

vereinigen scheinen, das lehrt eben ein Ueber» blick über die Geschichte dieser Meinungen.

gen, L e b e r und Magen nicht in ihren Verrichtungen gestört wurden * ) .

Bidloo

zog ein

S t ü c k Eisen von mehreren Zollen Länge aus, w a s einem Mann vor e l f Jahren in die Hüftgegend und den W i r b e l k a n a l eingedrungen war **). Aehnliche

Erfahrungen

müssen schon

Aeitern

bekannt gewesen s e y n , denn so wie jene oben angeführten Autoren die fast unbedingte Tödfcl i c h k e i t aller Stichwunden aussprachen, so haben doch andere ganz anders geurtheilt. l o p i u s ***) sagt: „si

Fal-

tantum puugatur medullär

vulmif sanari potestand,

wenn man siebt, dafs

V a l e n t i n i Pandtcl. II. p. 374 jq. * • ) T. H a l l e r

Eibl. chir.

1. 536.

Dict. ¿»4 Se. mdd,

VJI. p. 52.

***) dm vuln. cap. Cap. a. B

i8 in den oben angeführten FSllen, nnd in mehreren ähnlichen, die Stiche immer in den a n t e r n Theil des Markes eingedrungen waren, so wird es nicht auffallen, wenn man mehrere Lehrer nor von s o l c h e n Stichwunden die absolute Tödtlichkeit läugnen sieht. „In inferiori loco

meduUac

lethalia

sunt

summtt

ate

s/in. *)." fiant,

vulnera

non

„Puncturae per

necessario med.

se et absolute

spin,

ubique nisi

lechales

in n o n

**). Auch B u h n ***) spricht nur von der absoluten Tödtlichkeit der Stichwunden der „summitatis" des Rückenmarkes. Dafs aber S t i c h w u n d e n i m o b e r n Theile des Rückenmarkes unbedingt t ö d t l i c h seyen, dafür scheint sich, aufser den eben angeführten Autoritäten alles Geprüfte xu vereinigen. Ein Mensch bekam einen Stich in den oberen Theil des Rückenmarkes, nnd fiel bald todt, zur Erde f ) . Eine Wunde des Rükkenmarks zwischen dem 4ten und 5ten Halswirbel mit einem Messer, tödtete nach sieben Tagen +f). Schon S e n n e r t und G a l e n wollten, dafs man Ochsen durch einen Stich ins Genick angenblicklich tüdten könne. Dafs auch Stiche durch Knochensplitter in die bezeichnete

sunt

*) A l b e r t i 1. c. I. p. 3i8»•) V a l e n t i n 1. c. I I . p. 355. ***) 1. c. p. 265. f ) T u l p i u s Obs. med, Cap. 28. t t ) B o I i j i 1. c. p, 7 1 .

»9 Gegend des Rückenmarkes tödtlich wirken, werden wir weiter unten noch aehn, und so dürfen wir dafi eben ausgesprochene Resultat öber die Stichwanden des Rückenmarks festhalten. 1!.

Hiebwunden.

$• 9W a s von den Stichwunden > gilt auch von Hieb* nnd Schnittwunden des Rückenmarkes, nur dafs bei Hiebwunden die Gefahr der hinzutretenden Rückenmarks - Entzündung bedeutender ist, so dar« im speciellen Falle wohl auch an den unteren Theilen des Markes grofse Hiebwunden tüdten können» Ferner ist die Gefahr der Blutergiefsung in den Kanal der W i r b e l , säule durch zerschnittene Gefäfse bei Hiebwunden noch gröfser als bei Stichwunden, wo dann die Zeichen der Sagillation im Leben und nach dem Tode des Verletzten das Urtheil des gerichtlichen Arztes modificiren müssen» ( S . unten). Uebrigens fallen wegen des e i g e n t ü m lichen Baues der Wirbelsäule r e i n e H i e b w u q d e n des Rückenmarkes höchst selten von Nur neuerlichst hat E h r l i c h *) wieder zwei Fälle von Hiebwunden am Halse erzählt, wo in beiden die Wirbelbeine zerhauen waren, die Hiebe aber doch nicht bis ins Rückenmark drangen, und ich kenne bei den Beobachtern kein *) Chir. Beobachtungen. Leipzig i8>5- 9- p. B 2

215.

20 einziges Beispiel einer solchen e i n f a c h e n Wände. Et wäre auch wohl der Fall denkbar, dar« durch einen Hieb da* Rückenmark g a m z e r s c h n i t t e n würde. B ü t t n e r hat die« wirklich bei einer schauderhaften Mordthatgeaehen, wo aber freilich sogleich mehrere lebensgefahrliche Verletzungen da waren *); in 4er Folge werden wir noch einige andere Beispiele von Hiebwunden des Rückenmarks als C o m p l i c a t i o n e n anderer todtbringender Beschädigungen an« alten Beobachtern anführen. Auf grofse äufsere Verletzungen hat man das Rückenmark einige Mal sogar zerrissen gefunden. P l a t n e r **) führt einen Fall an, wo der fünfte und sechste Halswirbel durch Gewalt von einander getrieben worden waren, und der Mensch nach dreizehn Stunden starb. Das Rückenmark war qoeer durchgerissen. In D e s a u l t ' s chirurgischen Wahrnehmungen ***) wird ein Fall erzählt, wo eine heftige Verletzung, eis Schufs mehrere Rippen brach, die Lungen verwundete, und da« Rückenmark im zehnten Lendenwirbel zerrifc. Der Tod erfolgte nach 26 Stunden. In einem neuern Falle f ) , den H a y w a r d erzählt, w«-

*) S. unten §. 40. **) Gründliche Einleitung in die Cliir. II. S. 989. • • • ) VII. 1799. Frank f. 8- p- 134. f ) New Engl* Journal of Med. and Surgtry. Botton i8i5, 1. Salzburg«- nisd. chir. Zeitung ißlß. II, N.40.

21 ren auch der 7t«, 8te and nennte Rückenwirbel zerschmettert and das Rückenmark zerrissen; der Tod erfolgte am 4ten Tage. Den neusten Fall dieser Art, den ich kenne, erzählt von W a l t h e r *): ein Zimmermann stürzte von einem Gerüste aaf den Kopf, and blieb gleich todt; das verlängerte Mark war queer durchrissen, and die zurückgezogenen Enden des Rückenmarkes standen zwei Linien weit von einander ab. Solche völlige C o n t i n n i t ä t s - T r e n n a n g e n des Rückenmarkes sind für a b s o l u t let h a l zu erklären, da sie jede Natur- and Kunsthülfe ausschliefen **). III.

Schußwunden, 10.

Unter allen Wanden sind die Schufswunden die allergefährlichsten, da sie selten nur einfache Continnitäts -Trennung bewirken, sondern meistens auch zugleich Quetschung, Erschütterung, Brüche, oder Verrenkungen, gefährliche Blutungen and Extravasate, Zerreissungen, Substanzverlust u. s. w. verursachen. In der That waren auch die meisten Schufs*) Ueber die Verrenkungen der Halswirbel etc. in G r ä fe'« and W a l t l i e r ' s Journal der Chirurgie und Aug h e i l k u n d e lß^a. I I I , 3. **) Vtrgl. unten §. 40.

22 wanden des Rückenmarkes auf jene Arten com« plicirt, B*qhn erzählt*) von einem Mann, der eine kleine Kugel vier Finger unter der Nierengegend bekam, die mitten durch da« Räkkenmark ging» ®nd worauf der Tod nach 30 Standen erfqlgte. S c h e n k **) theilt den Fall einer Schufswunde darch das Ende dea Rükkenmarkes, «wischen dem ersten and «weiten Lendenwirbel mit, worauf nach i ä Tagen der Tod folgte, Qegen eineelne solcher einfacher, nicht complicirter Schurswunden aber, giebt es eine grofse Menge von vielfach complicirtea Fällen, Bei V a l e n t i n ***) drang eine Kogel in den Hals, wodurch der linke Tbeil des SchildknQrpels, ein grofses Blutgefäfs, die L u f t - and Speiseröhre vcrletet, die Halswirbel gebrochen wurden, und Blut in die Luftröhre Hofs! D a v e r a e y f ) ersählt von einem Schusse, der den Queerfortsat« des «weiten Halswirhels einstiefr, so auf das Rückenmark drückte, and « n vier~ ten Tage tüdtete, — Der schon oben beiläufig erwähnte, höchst merkwürdige F a l l , den 0 « » a u l t f f ) e n ä h l t , ist folgender; 17g« wurde «in Soldat ins HOtel-Dieu gebracht, man fand eine, die Brust peuetrirende Schnfswonde, mit *) dt rmuvciat.

p.

*•) Kapp'i J»hvb. f. d. St«»t«-^rin, HI, p,

•*•) Pandect. II. S(ct. II. Cas. 5g. f ) Malailut des Os, 1751. p. 240,

tt) Aw««rl?i, chir. W«hin. VII. p. »3^.

23

Zeichen von Blutergiefsung; der Tod erfolgte nach 26 Standen. Die Kugel war rechts «wischen der fiten und Qten Rippe eingedrungen, durch den untern Lappen der rechten Lange gegangen, hatte die rechte Seite des Körpers des sehnten; Rückenwirbels durchbohrt, hier das Rückenmark g ä n z l i c h g e t h e i l t und war von da in die linke Brost gedrungen. Besonders merkwürdig ist es, dafs der Kranke durchaus kein Zeichen von Lähmung gegeben hatte! — B u s c h erzählt einen Fall * ) , wo eine Kogel durch das Schulterblatt gedrungen w a r , sich schief dem Rückgrat zugewandt hatte, zwischen den Queerfortsätzen des vierten und fünften Rückenwirbels durchgegangen war, und im Körper des letztern festgekeilt safs; das Rückenmark war an dieser Stelle sehr entzündet, auch fand sich blutiges Extravasat, und der Tod w a r am 7ten Tage erfolgt. — Die merkwürdige Rachen- Schurswunde, von welcher H o r l a c h e r * * ) erzählt, bleibt hieher gehörig, wenn auch das durch den Mund ausgehustete Stück Knochen nicht, wie H o r l a c h e r versichert, vom Hals* wirbel, sondern wie R u s t meint, vom Hinterhaupt gewesen ist. Schulswunden, wo d i e K u g e l n w i r k l i c h in das R ü c k e p m a r k e i n d r i n g e n , *) R u i l ' i Magazin VII. 1. p. 40. **) Eben dajelb« VI. p. 63.

24 nicht etwa blofs zwischen den W i r b e l n stekken bleiben, wo man sie eiligit herausaiehen und den Übeln Folgen vorbeugen kann*), durchdringende Schufswunden also sind nm so mehr • bsolnt tödtlich,

je mehr sie mit andern

gefährlichen, ja todtliehen W u n d e n complicirt aind, da sie die Natnr nnd Kunsthälfe, wenig•tens bis jetat ausgeschlossen

haben.

Dieses

Urtheil gilt auch von den Schufs wunden am untern Theile des Rückenmarkes **). „Puaecunque

etiam vulnerationes cum selopeto

i,*t gravi dilaceratione med. spin.: infliclae

tunb,

,,illae

etiam communiter lethales evadunt, id quod

„ttiam

de inferiori regione medull. spin. valet

(

nrtkeilt A I b e r t i + « ' * ) . — Jene Fälle können nichts gegen diesen Ausspruch beweisen, in de« nen nach eindringenden Schufswnnden das L e ben noch wunderbar lange erhalten wurde. J o b a M e k r e n f ) sah eine Flintenkugel das dritte und vierte Lendenwirbelbein zerbrechen, die linke Hälfte des Rückenmarkes drükken, and den Kranken noch viersehn W o c h e n

V B e l l Lehrb. d. Wundarm. 5te Aufl. VII. p. 91.

**) Veigl. oben den Tall von S c h e n k , und die liier folgenden Falle von Fiat er und Sl ekren. •**) 6y»t. I. p. 318. 4) Obi. med. clir. p. 173. M o r g a g n i d« StJib. etc. Ep. 54. Art. 27. p. 134., auch bei S ö m m e r i n g Aber Verrenk, und Bruoh d«l Rückgrates p. i5.

25 lang ohne sonderliche Beschwerden leben. Doch soll, sagt S ö m m e r i n g , untersucht

worden

der Fall nicht genau

seyn.

Felix

Plater

sah bei einem W e i b e eine Flintenkugel

•)

zwi-

schen den 8ten und gten Rückenwirbel eindringen, das Rückenmark «erreifsen, den Tod aber erst nach 20 Tagen erfolgen.

A b e r auch in die-

sen Füllen w a r ja der Schars ins

Rückenmark

die bedingende Ursach des Todes. IV.

Vergiftete Wunden.

§.

11.

W e n n auch die Möglichkeit derselben, z. B. bei V ö l k e r n ,

die sich noch vergifteter Pfeile

bedienen, nicht z u läugnen ist, so ist mir doch kein Fall einer solchen W u n d e bekannt. concreto würde

er nach den

chenen G r a n d s ä t z e n ,

In

oben ausgespro-

je nachdem die

Wunde

eine S t i c h - oder Hiebwunde w ä r e , und sogleich nach der N a t u r des angewandten Giftes zu beur. theilen seyn. Z w e i t e s

K a p i t e l .

V o m D r u c k a u f da» R ü c k e n m a r k . I.

Luxationen.

12. B e i weitein die meisten V e r l e t z u n g e n , denen das Rückenmark ausgesetzt i s t ,

geschehen

durch V e r r e n k u n g und Bruch der dasselbe ein•chliefsenden W i r b e l b e i n e , w o d u r c h der natür* ) M o r g a g n i und S G m m e r i n g 1. c.

26 liehe Kanal dea Marke« verengert und dieaea gedrückt und gequetscht wird. W e n n dieser Satz wahr i s t , — and die Erfahrung erhärtet durch eine g r o b e Anzahl von Beobachtungen, von denen wir mehrere anführen w e r d e n , die W a h r h e i t deaaelben — ao i i t ea s o verwandern , dar« viele und grofae chirurgiache Autoritäten die Möglichkeit der Luxation der W i r belbeine g a n s l ä u g n e n konnten, aioh wohl mehr auf vorgefafate Meinungen, auf Urtheile aus der Analogie u. a. w. ala auf ruhige E r . fahrungen stützend. Hierher gehören s . B. D u V e r n e y *), welcher geradezu behauptet: „ I I „n'j

a ni luxation

„les vertebres

y

cömplette,

ni incompleti«

il n'y a que diastase

par

dans rapport

„aux cartilagesHebenstreit **) nimmt nur eine S u b l u x a t i o n , keine complette Verrenkung für möglich an. T h e d e n * * * ) zweifelt sehr am Daseyn einer Verrenkung der W i r belbeine; auch P e t e r F r a n k »***) meint: „dafa „kaum je eine vollkommene Verrenkung der „Wirbelbeine erfolge." Er citirt aber mehrere Seiten darnach einige bekannte Fälle dafür! *) Traité des tnmladiei des Ol. Paris 1751. II. p. 108. • ' ) 1. c. Ed. 2, 2- 467***) N e u e B e m e r k u n g e n u n d E r f a h r u n g e n zur Bereicher u n g der W u n d a r z n e i k u n a t u n d Arzneigelahrtheit. »795- 8- Kap. X X . * * * ' ) Kleine S c h r i f t e n p r a c t i i c h e n Inhalt*. W i e n 1797. 8- P- 391-

27

Dem erfahrnen B e l l *) soll noch n i e »Ine vollständige Verrenkung eines W i r b e l b e i n s vorgekommen seyn, and zwei der berühmtesten lebenden W u n d ä r z t e , H e r r G. R. R u i t **) zählt sie su den seltensten E r s c h e i n u n g e n , a n d D ü p u y t r e n ***) hält aie wenigstens f ü r «ehr schwer möglich. W i r könnten noch manche ältere Stimmen wie M o r g a g n i , V a l s a l v a , auch P o r t a l , B i c h a t u . a. a n f ü h r e n , die die Möglichkeitviner w a h r e n V e r r e n k u n g der W i r belbeine in Folge einer äufsern G e w a l t längnen f ) . S e h r selten sind die Luxationen der W i r bel ganz g e w i f s , und es w i r d e r k l ä r l i c h , dafa man selbst sehr erfahrne W u n d ä r z t e sagen hö'rt, sie seyen ihnen nie vorgekommen, wenn man die Erzählung des General-Chirurgus H o r n f f ) Ton zwei Beobachtungen von wirklichen V e r r e n kungen der Lendenwirbel, und seine V e r s i c h e r u n g liest, dafs ihm, aufser diesen beiden F ä l len, eine Verrenkung am R ü c k g r a t e , i n f a n f e i g J a h r e n nie vorgekommen sey. Andere gingen z w a r nicht s o w e i t , läugneten a b e r die Möglichkeit der Verrenkungen einzelner P a r *) Lehrh. d, Wundarzn. 3te Auag. IV. p. 391. •*) Artlirokakologie. Wien 1817. 4, p. 71. *") Bibliothèqua medie. Vili. p. 87.I f ) Vergi. D e m u s i y Histcire de quelque» ajjeclions la eoi. etrlèbr.

etc.

Par. J8J2. p. 5$.

f t ) M o r i i n n » ' » Journ. d. Cliir, etc. I, 1. No. 8.

dg

28 thien der Wirbelsäule, namentlich die Yerren« kung der Halswirbel, die dach grade für die gerichtliche Medicin so wichtig ist. P i a t o e r sagt *): „ d a f s die Verrenkungen leichter an de„ n e n Lenden-, als an denen Rücken- and Halswirb e l n geschähen." Dagegen nimmt B o y e r **) eine Verrenkung der Halswirbel a n , läugnet aber die der Rücken- and Lendenwirbel. W i r werden sogleieh sehen, w e r die Erfahrung für sich hat. — Schon M o r g a g n i * * * ) läugnet die hochwichtige Verrenkung des Kopfs v o m e r s t e n H a l s w i r b e l , die auch wirklich anmöglich scheint, a b e r n i c h t f v t ; mit ihm stimmen M a n c h a r t f ) , B e l l f f ) nnd B o y e r Ht). Aber die Existenz dieser Verrenkung ist erwiesen. Schon A m b r o s i a s P a r é mnfs sie wohl gekannt haben, weil er sagt tttt)i dafs bei d i e s e r Luxation der Kranke augenblicklich stirbt. Ein Beispiel einer solchen Verrenkung findet sich auch bei L u d w i g f f t t t ) , «in andres bei Pyl ttmt). W i r dürfen also zum Theil nach dem schon **) Gründl. Einleit. in die Cliir. II. p. 398. •»•) 1. c. II. p. 120. • ' • ) 1. c. Ep. 5ß. Art. 35. }) Da luxae. nuchae, in Ha II tri Ditp. Chir. II, +t) 1. c. IV. p. 390. t t f ) I- c. IV. p. 96. ttti") Oeuvres, V. e'Jit. Par. 1596. p. 555t l t t * ) ¿id versaría med. praet. Lip«. 1771.8. II. a.p.j63. t t t t t i ) S. unten.

Angeführten, zum Thcil naoh den nnten folgenden Erfahrungen hierüber als Resultate annehmen : a. dafa eine reine complette Verrenkung der Wirbelbeine überhaupt möglich i s t ; b. dafs diese Verrenkung öfter an den Halswirbeln als an den W i r b e l n des Rückens und der Lenden Statt findet; c. dafs eine Verrenkung des Kopfs vom Atlas möglich ist.

Die Zeichen der Verrenkung der W i r b e l beine, welche verschieden sind, je nachdem HalsB r u s t - oder Lendentheile des Rückenmarks gedrückt w e r d e n , dürfen w i r , eben so wie die Aufzählung der Veranlassungen zur Luxation, als nicht zum Thema dieser Abhandlung gehörig, übergebn. N u r kann ich es mir nicht versagen, den seltenen Fall anzuführen, den S c h e n k * ) nach B a o h i n citirt und dessen ich nirgends erwähnt f a n d : ein« Schwangere fiel die Treppe herunter und bei ihrem Fötus, den sie zur rechten Z e i t gebar (?), „Spina dorsi perfeete luxata erat". ( P e t e r F r a n k sagt **): dafs eine ungeschickte W e n d u n g bei der Geburt gar nicht «elten die, *) Obiertt, rarior. p. 639. *') Kleine Schriften p. 09«.

50 bei der Fracht noch so zart verbundenen W i r bel verrenken, brechen und so tödten dürfte) •). $.

14.

Wenn es nun daranf ankommt, ein bewährtes Urtheil über die Tüdtlichkeit der Luxationen an der Wirbelsäule auszusprechen, in welchem Urtheil die Autoritäten, wie wir unten zeigen werden, gleichfalls wieder sehr dissentiren, so ergiebt sich die Notwendigkeit, zunächst die Geschichte zu befragen, um zu sehen, wie sich der Ausgang der Wirbelverrenkungen in einer großen Anzahl von merkwürdigen Fällen gestaltet hat. Oft citirt ist die interessante Beobachtung J. L. P e t i t ' « **). Ein Mann scherzt mit einem sechsjährigen Knaben, legt ihm die Hand unter das Kinn, und hebt ihn hoch; in diesem Augenblick verrenkt sich das Kind den Kopf und *) Das V o n i r t l i e l l , difs bei Erhängten die H ä l s w i r b e l l u x i r t w ü r d e n , ( w o r a n neuerlichst Reydellet Dict. d. Sc. med. 33. p. 56o. noch zu glauben t c l i e i n t ) u n d welches L o u i i so systematisch v e r t h e i d i g t e , bedarf doch w o h l heut zu Tage keiner ernstlichen W i d e r l e g u n g m e h r . Schon M a u c h a r t (1. c.) ver* sichert, bei Z e r g l i e d e r u n g von G e h ä n g t e n , w o doch der H e n k e r sich alle M ü h e gegeben hatte, die Luxat i o n zu b e w i r k e n , sie nie gefunden zu haben. F r a n k h a t gleichfalls (System der med. Pol. V. p. 333.) jenen falschen Glauben b ü n d i g w i d e r l e g t ; auch die Section des neusten m i r bekannt gewordenen Falls •ines d u r c h den Henker gerichteten R a u b m ö r d e r « zeigte an den H a l s w i r b e l n „ w e d e r eine V e i r e n k u n g noch e i n e n B r u c h ( B e r n t Beiträge «te. I. p . 134.)" •*) Traité

Aet mal. d. ot I. p. 5 l .

5i bleibt auf der Stelle torft. — Ein Baner fällt von einem Baum, verrenkt sich den 2ten H a l s w i r b e l and stirbt nach mehrern Tagen *). B e i B o n e t a s * * ) finden sich mehrere Fälle von raschem Tode nach V e r r e n t u n g e n der H a l s w i r b e l . H e i s t e r * * * ) sah eine Verrenkung der R ü c k e n w i r b e l rasch tödtlich werden. — Eine Kindesmörderin hatte ihrem Kinde das Genick umgedreht, P y l f ) fand das H i n t e r h a u p t v o m e r s t e n H a l s w i r b e l verrenkt. S c h a a k f f ) fand bei einem Soldateri, der die T r e p p e herabgefallen, and mit vorgebogenem Genick bewußtlos nnd ohne B e w e g u n g , mit freier Beweglichkeit des Kopfs nach allen S e i ten, liegen geblieben, und gleich darauf gestorben w a r , den ersten H a l s w i r b e l vom zweiten verrenkt. — Eine Verrenkung der H a l s w i r b e l wurde nach i 3 Standen tödtlich. M a n fand einen grofsen Hiatus zwischen dem fünften a n d sechsten H a l s w i r b e l , den fünften nach links, den sechsten nach rechts ausgerenkt, und das Rückenmark an dieser Stelle zerrissen H+). B ü t t n e r erzählt einen schauderhaften Fall von Kin-

*) v. S w i e t e i l 1. c. p. 253. •*) Sepulchret. I I I . 427. v g l . K r ü g e l s t e i n Promptuar. med. forens. E r f . lQiä. ß. I. p . 178. +•») Cliir. p. 224. f ) Aufsätze und Beobachtungen etc. V. p. 5o. t t ) M u r s i n n a , J o u i n . f. Chir. etc. II. a. p. 149. t + t ) Seltct. med. Francofurt. Frank/, ad Viad. 1736. I. p. 6. s. K r (ig e i s t e i n 1. c, p. 179.

52 dermord, wo dt« Matter dem Kinde den H«l« i w e i Mal umgedreht hatte and die« schleunigst gestorben w a r . Hier waren die H a l s w i r b e l gana aus i h r e r Verbindung getrennt aod herausgedreht, und ,,das Rückenmark von der Por,,tion des M a r k e s , welches in der RüefcgrSt« „des Rampfes geblieben, abgerissen, und am „Ende noch drei Zoll herunterhängend" *). — Eine Frau fiel mit dem Kopf gegen eine M a a e r ; es w a r äufserlich nichts bu sehen, die Patien» tinn klagte über grofsen Schmers im Genick, erschwertes Athmen und Schlingen u. s. w. Heilversuche blieben fruchtlos, und sie starb am dritten Tage plötzlich, als man dem Kopfe eine andere Lage geben wollte. D e r fünfte H a l s w i r b e l w a r verrenkt und einige seiner Bänder zerrissen **). — Im Journ. gen. de Med., Pharm, etc. von L e r o u *'•»*•) ercählt T h i 11 a y e die Geschichte einer Verrenkung des fünften H a l s w i r b e l s auf den sechsten, (durch äufsere Gewalt,) die rasch tödtlich wurde. — D u p u y t r e n f ) sah die Verrenkung des ersten L e n d e n w i r b e l s , die des fünften H a l s w i r b e l s und f f ) die Luxation des siebenten H a i « W i r b e l s , alle drei in kurzer Zeit tüdtlich enden. Andre *) B ü t t n e r vollstlndige Anweisung wie ein K i o dermord luarumitteln etc. König»berg 1771. p. ag. **) C o n s b r u c l i in U u f e l i n d ' » Joiun. 37. 1. p. 96. ••') Tom. 35. 1816. f ) Ebendis. g, 1805.

f t ) Bibl. mtä, Vlll. p. 91.

33 Andre Beobachter haben nach solchen Luxatio« nen nicht grade raschen Tod folgen, sondern das Leben fast wunderbar lange erhalten w e r den gesehen 5 60 sah P r e i f s eine vollkommene Verrenknng de« «weiten H a l s w i r b e l s vom dritten, worauf der Tod erst H u n d e r t u n d E i n T a g e nachher erfolgte! — Ein j u n ger Mann wird übergefahren, Kopf, Hals und Nacken werden heftig gequetscht; am letzteren entsteht heftiger Schmers und eine Geschwulst von der Grüfse eines Kinderkopfes. Nach acht Tagen konnte der Patient an seine häuslichen Geschäfte gehen; es ging,aber nach mehreren W o c h e n wieder schlimmer und am hundert und ersten Tage erfolgte der Tod. Der rechte Froc. obliq. des aweiten H a l s w i r b e l s w a r vollkommen vom schiefen Fortsatz des dritten nach aus- und rückwärts, und der linke Froc. obliq. vollkommen vom dritten nach vorn und einwärts verrenkt. — Nach einer Verrenkung eines K ü c k e n w i r b e l s durch einen Fall veranlafst, und worauf sogleich Lähmung folgte, sah S a v i a r d * * ) das Leben noch sechs W o c h e n erhalten werden. Auch F a b r . H i l d a n u s ***) erzählt von zwei Fällen von Luxa*) S. den höchst merkwürdigen Bericht in Sal?,b. med. cliir. Zeitg. 1792, III. p. 297.

*+) Recueil d'Obs. chir. 1784. in R i c h t e r ' s chir, Bibl, V I I . p. 665. ***) Cent, g, Obs. 63.

c

34 tionen der L e n d e n w i r b e l , in denen die Kran* ken noch lange lebten.

i5. Wenn eine so grofse Menge von bewährten Beobachtungen die unmittelbare Tödtlichkeit der Luxationen der Wirbelsäule festzustellen scheint, so giebt es doch anf der andern Seite eine nicht geringere Menge von Erfahrungen, die jene Behauptung sehr in Zweifel ziehen. Schon die Acta Rrud. Lij>t. A. 1689. *) citiren aus dem D o l a e u s die Heilang einer Verrenkung — introrsum factae — eine« W i r belbeins. Nach einem Sturz vom Pferde, den ein Cürpssier that, blieb der Mann bewegungsund empfindungslos liegen; der Kopf war frei beweglich nach allen Seiten, die H a l s w i r b e l geigten sich nach hinten ausgewichen. Sell i n **) machte die Einrichtung, behandelte dea Kranken eweckmäfsig und heilte ihn in 8 Tagen. — Eben so stellte R ü d i g e r einen Menschen wieder h e r , der von einer Wand verschüttet worden war, und sich das letzte R ü k k e n w i r b e l b e i n n a c h rechts undaufsen vom ersten Lendenwirbel verrenkt hatte. Die Kur dauerte sechs Wochen ***). — Berühmt ist die Beobachtung von M o h r e n h e i m f ) . Ein Mann ver*) Nov. p. 561. ••) Schmuck er's verm. cliir. Schriften 1776. ß.I.p. 284» »**) Schmucker 1. c. I. p. 286. f ) Dessen Beobachtungen verseil, chirurg. Vorfall« 1733. II.

35 renkte «ich d e n i e t e t e n R ü c k e n w i r b e l , u n d es stellten sich deutlich die Zeichen von L ä h mung u. s. w. e i n ; er genas s o , dafs e r in der dritten W o c h e wieder seinen Dienst als K u t scher versehen wollte; als e r aber einige Schritte weit gefahren w a r , fiel er vom Bocke a n d war todt. Man faorl den letzten R ü c k e n w i r b e l vom ersten Lendenwirbel v e r r e n k t , und dadurch d a j Mark »ehr gedrückt. — ( M a n •ollte g l a u b e n , sagt R i c h t e r *), daf« der Mann wegen d e r Verrenkung sich blofs auf dem Bocke nicht halten k o n n t e , und sein L e ben durch den F a l l , vielleicht auf den Kopf verlor). Ein Pferdeknecht v e r r e n k t e sich das R ü c k g r a t beim Einfabren in eine Scheune so, dafs man ihn f ü r halb todt ins Hospital bracht e ; nachdem Entzündung and Geschwulst sich gelegt hatten, sah man deutlich, dafs das letzte R ü c k e n w i r b e l b e i n ganz, «vom ersten Lendenwirbel gewichen war. Nach kalten T r o p f bädern w a r d der Kranke in i 4 Tagen geheilt**). — Eine F r a u fiel mit einem Bündel H o l z , verr e n k t e da» G e n i c k , bekam vollkommene Paraplegie, a b e r ein W u n d a r z t richtete die L u x a tion w i e d e r e i n , und die Frau genas ***). —

•) Cliir. B i b l . VI, (-ui. **) A d . M u r r a y in den A b h a n d l u n g e n s c h w e d i s c h e r Aerzie, a. d . L . 178.1. II. ***) P l o u c q u e t Abli. uber die gä\valtsainen Tudesavt e n . S. 131. ( ; o

56 Ein Mann war ron einem Heuwagen gefallen; es folgten abwechselnd Ohnmacht und Convnlsionen, der Arzt vermnthete eine Luxation am H a l s e , er fafste daher den Hinterkopf und das Kinn a n , und als er dies kräftig t h a t , „ h ö r t e man ein Schnappen" nnd sogleich war der Kranke wieder wohl *). H o r n theilt in M u r s i n n a ' s Journal **) zwei Beobachtungen von wirklichen Verrenkungen der L e n d e n w i r b e l m i t , beide durch einen Fall aus der Höhe veranlafst; beide Kranke wurden geheilt. Ein Knabe fiel in einen tiefen K e l l e r , w o man ihn ohne Bewnfstsein und Lebenszeichen fand. Der Kopf folgte nach allen Seiten dem Gesetz der Schwere. H o f f m a n n ergriff den Kopf, suchte durch Zeichen und Drücken die gelähmten Halsmuskeln zu reitzen, und behandelte auch sonst den Kranken zweckmäfsig; endlich gelanges die „wahrscheinlich verständig e n oder subluxirten H a l s w i r b e l " w i e d e r in ihre natürliche Lage zu b r i n g e n , die Sprache kam wieder, und der Knabe wurde allmählig geheilt ***). W . B. N e u m a n n beobachtete eine „Dislocation des fünften und sechsten H a l s w i r b e l s , die nach schnellem Drehen des Kop-

* ) H a r i u p im nerv Lond. med. Journal, I. 179»; aus der Salzb. Zeit. *•) 1. t. '**) H o f f m a n n ' s erste Nachricht v o n der Anstalt für arme Kranke etc. B t l l ' s Lehrbegr. VH. P- 217-

37 fas entstanden, und mit Schmerz and Lähmung des Arms verbanden w a r . N e u m a n n machte die Einrichtung l e i c h t , and der K r a n k e ward h e r g e s t e l l t * ) . — Dr. C h a r l t o n erzählt von einem M a n n e , der sich durch einen Fall v o n einem W a g e n das 3to ond 4te l l a l s w i r b e l b e i n verrenkt hatte, -worauf anfangs die E x cremente unwillkührlich abgingen u. s. w. N a c h sechs M o n a t e n w u r d e der Kranke ins Hospital gebracht, und besonders durch Spritzbäder auf das Rückgrat, sollen die W i r b e l allmählig ihre Stelle wieder eingenommen haben ' * ) . — Herr G. R. R u s t sah nach einem Fall auf den Kopf eine Verrenkung des fünften H a l s w i r b e l s , die glücklich eingerichtet w u r d e * " ) , j a sogar will — and mit dieser höchst w u n d e r baren Erzählung sey die Reihe dieser Fälle geschlossen — E h r l i c h -f-) ein Beispiel e i ner glücklich eingerichteten Verrenkung des beobachtet haben. A t l a s vom Epistrophaeus Dieser gewifs sehr merkwürdige Fall ist in K u r zem folgender: ein sechszehnjährijjer Gefangener fällt mit einem 160 Pfund schweren Mehlsack auf dem Rücken die Treppe herab j e r *)

I.ond. med. Lepot. by G. Burrows bruar, und Sa 17.b.

*•)

P Ii.

etc.

i8i5. Fe-

Zeit. liSifi, 1. p. 43.

C o p c l a n d's

Beobacht.

übi'i'

tlie Symptome

und die Behandlung des krankhaften Rückgrates, yuu Kilian. "*) i' ;

Leipz.

1819. p. 37.

Arthroknkol. p. 7 1 . u. Salzb. Zeit. i 3 i 3 .

Cliir. Beobachtungen.

III, p. 127.

Leipz. 1G15. Ö- II, S. 199.

38 bleibt bewufstlos liegen; am v o r d e r e n Theile des Halse« findet E h r l i c h den Epistrophaeus

(?)

„ a l s eine G e s c h w u l s t " hervorstehen, der Kopf folgt nach allen Seiten seiner S c h w e r e , das Gesicht ist dunkelblau, die Augen hervorgetreten, die Zange hängt zum M a n d e h e r a u s , ans dem eine Menge blutiger S c h a u m

flofs,

die untere

Kinnlade ist herabgesunken, und die Blutadern am

Halse lagen vom Blute aufgetrieben

strotzend, wie S t r i c k e d a ;

die

and

Gliedmaßen

schienen gelähmt, schnarchender Athem, schwac h e r , kaum fühlbarer P a l s , Abgang

der

Excremente.

anwillkilhrlicher „Es

war

keinem

„ Z w e i f e l unterworfen, sagt E h r l i c h , dafs der ,,Proc.

obliq.

inferior

A'lautis

auf d e r e i n e n S e i t e

Proc.

„ a u s seiner Gelenkverbindung mit dem übliq.

superior

Epistrophaei

„ d a f s der letztere die

gewichen w a r ,

Hervorragang

und

bildete,

, ( d i e ich am linke« v o r d e m Halse w a h r n a h m . " Nach mancherlei W e n d u n g e n und vers, gelang es Herrn E h r l i c h

Manö-

endlich; „ d i e

„ W i r b e l b e i n e mit einem lauten Geräusch oder „ K n a c k e n , das allen Umstehenden hörbar w a r , „ i n ihre Gelenkflächen einschnappen i n lassen. „ K a u m w a r dies geschehen, und kaum waren „ d i e Hervorragungen am Halse verschwanden, „ s o stand der Kopf wieder fes-

Sömmeiing

49 •paltefl, die »chiefen Fortsätze gleichfalls« und im Körper des 5ten H a l s w i r b e l « »ah man eine feinere, ähnliche Spalte *). Durch da« Umwerfen eine« Wagens war der A t l a s vom E/UJ* Irophatut ganz abgetrennt worden. Der Tod erfolgte auf der Stelle Bei einem Carousselspiel erhielt Jemand eine tödtliche Verletzungi T y l ***) f a n d den zweiten nnd dritten H a l s w i r b e l zerbrochen, nnd erklärte dies für die Ursache des Todes. — Ein Mann stürzte vom Pferde und starb am 6ten Tage unter den Z e i chen von Lähmung. Ii a r t e n k e i l * * * * ) fand ei« nen Oueerbruch des ersten L e n d e n w i r b e l « and eine so beträchtliche Oeffnung darin, dais man mit dem Finger das Rückenmark berüh« ren konnte. N e y g e n f r i e d f ) verlor einen Kranken, der durch eine fürchterliche Gewalt den ersten R ü c k e n w i r b e l gebrochen hatte. Nach einem Falle aus der Höhe starb ein Mann nach vier und zwanzig Standen. Die vier untersten H a l s w i r b e l waren ¿erbrochen, aus ihrer Lage gewichen, und manche steckten tief im Rückenmarke ff). Ein 3oo Pfund schwerer Mehliack fiel einem Lastträger auf den Nak* ) L u d w i g Attversar. med. pract. ipl. »7^1. I N . 3 . * • ) K ü h n S a m m l u n g medic. Gutachten« Breil. 179t. 8. I. p. 109.

•'•) Aufs. etc. VIII. p. 70. *•••) Salzb. Zeit. 1793. H. No.-St." f) M u r s i n n a'j etc, Journal. II. 3. No. f f ) K i ü g e ls t e i n , J. ci I p. 177.

D

5° ken; auf heftige Schmerzen and Lähmung folgt« der Tod nach kurzer Zeit. B o y e r fand den siebenten H a l s w i r b e l zerbrochen *). — Ein M a n n , der durch einen Fall den Proc. spinosus des vierten H a l s w i r b e l s ¿erbrochen hatte, •tarb nach 4 Tagen **). Eine Mauer stürzt auf «inen Arbeiter ein, der Tod erfolgt nach zwölf Tagen; man fand den letzten R ü c k e n - und den ersten L e n d e n w i r b e l zerbrochen, und dadurch das Rückenmark stark eingedrückt ***). — Nach einem Falle aus der Höhe stirbt ein Arbeiter anter den Zeichen von Lähmung nach 8 Tagen; die fünfte und sechste Proc. spiti. eerviealcs und der erste R ü c k e n w i r b e l waren zerbrochen ****). J o h n H a l l erzählt von einem Matrosen, der, um sich zu baden, den Kopf voran, vom Mastbaum in die See sprang. Um das Ertrinken zu verhüten, hatte man im W a s •er ein Segel ausgebreitet.. E r kam nicht wieder zum Vorschein, und wurde von seinen Kameraden ganz bewegungslos an Bord gebracht. Die obern und antern Extremitäten waren gelähmt, die Haut gefühllos, im Nacken fühlte der Kranke Schmerz, besonders bei der Bewegung. Es entstand Erbrechen und Fieber, and 48 Standen nach dem Falle erfolgte der Tod. *) Abh. über die Krankheiten der Knochen. I. p. g». *•) Beding f i e l d s. Salzb. Zeit, iflifl. J. P- 593Dem tts >y 1. e. p. i3. »•**) Ebendaselbst p. ljj.

5A Bei der Leichenöffnung fand m a n , aebst dem ratsündeten M a g e n , den Körper des fünften H a l s w i r b e l s horizontal gespalten, den Proct tpinos. des vierten auf den fünften gedrängt, den Proe. obliquus desselben gebrochen, die Proe. obliqui des fünften gebrochen und subluxirt, den linken Bogen an drei Stellen gebrochen, nnd so nach vorn gedrängt, da£s das Rückenmark gans platt w a r , nnd endlich noch den Bogen de« sechsten Halswirbels gebrochen $. 23. Gewöhnlich wirkt die verletzende Gewalt, die erforderlich ist nm die W i r b e l zu brechen, nicht blos dahin, sondern auch hier, und grade hier hat man es meistens mit einer Reihe der gefahrlichsten Complicationen zu thnn, wie t. B. Verrenkung, Erschütterung, Entzündung mit ihren Folgen, Extravasate, Eindringen der Knochensplitter in das Rückenmark u. s. W. M o r g a g n i **) sah einen W i n z e r auf das Steinpflaster stürzen und vier Stunden nachher jämmerlich sterben. Es fanden sich Extrava» aate in Hirn nnd Brost, Brüche des Stirnbeins, der Rippen nnd der sechs obern Rückenwirbel. H e i s t e r ***) sah nach einem Falle von der Höhe einen W i r b e l gebrochen nnd das Ruit« *) Salzb. Zeitg. iQ22. N. 24. au« dem Land, mtd, JU» pository 1520. **) L c. 51, 54. •"} 1. «. p. .99. D ft

50 kenmark zerrissen. l a K f i h n ' s oben angeführten Falle fand sich zugleich starkes Extravasat und Quetschung des verlängerten Markes. Â m e l a n g erzählt *) die Geschichte eines Soldaten, der von einem Baame herab mit dem Rücken gegen einen andern Banm fiel. Unter den schlimmsten Zufällen starb der Kranke nach 12 Wochen. Die fünf letzten R ü c k e n w i r b e l waren sämmtlich zerbrochen, die beides ersten L e n d e n w i r b e l lnxirt, und das Rükkenmark war an diesen Stellen ganz verzehrt, und nichts übrig als faule häutige Theile. J o h n G o r d o n **) sah einen Schornsteinfeger drei Stock hoch herunterstürzen, sich bald erholen , aber doch am siebenten Tage sterben. Der letzte H a l s w i r b e l war zerbrochen und loxirt, und das Rückenmark hier ganz zerstört, und in eine käseartige Masse verwandelt ***). §.

24.

W i r finden die Schriftsteller in ihren Urtheilen über die Lethalitat der WirbelbeinFracturen viel weniger getrennt, als bei den bisher abgehandelten Verletzungen. Im Gegentheil vereinigen sie sich fast einstimmig über die Tödtlichkeit derselben. B o h n hält sie für lethal, weil sie nothwendig entweder ncomprimenio vel pungendo" auf. das Rückenmark wir« *) H u f e l a n d ' s Journal X X . 4. p. 11. »•) Edinb. med. and swig. Jourit. 1817. Oct. N. 51. •**) Vgl. auch nnten ff. 40. den Fall rom H a u g k .

53 ken * ) , and eben »o urtheilen B f i t t n a r * * ) aod T e i p h m e y e r ***).

Aach

Flaucquet

tagt von den Fracturen der W i r b e l b e i n e , dar« •ie „lentam quidem, sed $ertam

mortem" her-

beiführten ****), ja schon die ältesten W u n d ärzte, e. B. ein G u y d e C h a u l i a c ,

riethen

bei aolchen Brüchen lieber nichts zu unternehm e n , und den Kranken seinem Schicksale

in

überlassen, unstreitig w e i l sie von der Unhtilbarkeit der Verletzung überzeugt w a r e n , und unangenehme Erfahrungen sie belehrt hatten, dafs Reposition und ähnliche Manövrea leicht durch erneuten Druck oder Stechen dea Rükkenmarkes den Tod nur beschleunigten,

Aach

nachdem doch neuerlich die Chirurgie so bedeutend vorgeschritten ist, behaupten doch die Schriftsteller hier noch die Ohnmacht derselben, und B e n e f), F o d e r e f f ) und H e n k e tH) rechnen die wahren Fracturen des Rückgratea zu den unmittelbar tüdtlichen Verletzungen. $.

25.

Aber die Annalen der Medicin weisen auch hier ein Paar höchst merkwürdige Fälle auf, die den gerichtlichen A r z t bedeqklich machen *) de rtnune. p. 253. • • ) ünterr. p. 48. • • • ) 1, c. deutscht) Aujjtb» p. n>j.

••••) Comment. p. 116.

t) 1- c. p. 133. Í + ) 1- c- 45- P- 105. t + f ) 1. c. p. 355.

54 müssen. T h o m a s B a r t h o l i n u s nämlich erzählt *) nach der Angabe de« Herzogs von Lüneburg, von einem Brüsseler Soldaten, dem eine Kanonenkugel zwei Rückenwirbel zerschmettert hatte, der aber genas, and sich m i t t e l s t e i n e r e i s e r n e n S t a n g e , die er am Bücken trug, aufrecht erhielt **), Der grofge P« C a m p e r ferner erzählt***), dafs er in seinem Cabinet einen L e n d e n w i r b e l von einem Manne habe, der sich in einem Anfalle von Raserei swei Stock hoch aus dem Fenster gek ü r z t hatte, paralytisch geworden, aber in einem Jahre g e n e s e n war, „ M a n s a h , sagt C a m p e r , d e n e h e m a l i g e n B r u c h an de in Wirbelbeine." Gegen den Fall von B a r t h o l i n erwähnt D e m ü s s y mit Recht, dafs es . zu bedauern sey, dafs wir keine genauem Nachrichten darüber besäfsen, denn »o wie er da «tehf, bleibt er wenigstens unwahrscheinlich. Gegen den unbestreitbaren Fall von C a m p e r sey aber wenigstens das Factum gestellt, dafs S ö m m e r i n g in B o n n ' s vortrefflicher Beschreibung der Knochensammlung des H o v i u s vergeblich nach einem Beispiel von Bruch der Wirbel gesucht hat t)» so wie ich meiner Seits in Stimm e*) Epist, med. 1740. III. p, a6§.

**) Demüssy 1. c. p. 2g.

**") Prix de VAcademie V. p. 828. D e m ü s s y 1. c, p. 25,

f) 1. c. p. a.3.

55 r i n g ' « Beschreibung seiner, au» mehr ata drei« hundert Stücken von zerbrochenen a n d w i e d e r gebeilten

Knochen

bestehenden

Sammlung

*)

vergeblich nach gebrochenen und geheilten W i r belbeinen gesucht habe. Auch die reichen Sammlungen des Berliner Musei besitzen keine

ge-

brochenen und geheilten VVirbelbeine. $.

26.

Indefs bleibt C a m p e r ' s Fall, wenn

auch

n u r als e i n z i g e , begründete Ausnahme, constatirt. bels;

Er betraf den Bruch eines

Lendenwir-

B a r t h o l i n ' » Fall, den von

wirbeln.

Rücken,

Diese Rücksicht und jene im

20.

über die respective W e i t e des Kanals am unteren Theile der W i r b e l s ä u l e , so w i e die T h a t s a c h e , d a f j ja überhaupt das Rückenmark hier eine

geringere

Wichtigkeit

hat,

bestimmen

mich, mit den oben in den §§. 3. und 4. angeführten Autoritäten über die Verletzungen des Rückenmarkes ( a n seinen verschiedenen

Stel-

len) im A l l g e m e i n e n , w o z u ich hier noch »peciell die Meinungen M e t z g e r ' s und

Boyer's

a n f ü h r e , von denen Jener **) nur die Fracturen der H a l s w i r b e l

für unmittelbar lethal

erklärt, dieser aber sagt ***), dafs wenn sich die L ä h m u n g schränkt

•) 1. c. p. jg. *•) 1. c. p. 79. " • ) 1. f.. III.

auf die untern Extremitäten b e -

— also nur Rücken - oder Lenden»

P.

56 t^irbol gebrochen siad — d e r Tod nieht unmittelbar und absolut au folgen brauche — diese Umstände, sage ich, zusammengenommen, bestimmen mich als Resultat anzunehmen: da Ts j e d e F r a c t u r der H a l s w i r b e l absolut l e t h a l s e y, n i c h t a b e r j e d e e i n f a c h e Fractur der Brust- oder L e n d e n w i r bel, W e n n b l o f s d i e D o r n f o r t s ä t z e der W i r b e l zerbrechen, wodurch das Rückenmark Dicht beschädigt wird, so ist die Verletzung k e i n o s w e g e s a b s o l u t leithal, Aurran bat einen solchen Fall, wo die Natur den Bruch tweier Ruckenwirbel - Pornfortsätze glücklich bestellte